Landesarbeitsgericht Köln Beschluss, 13. Mai 2015 - 9 TaBV 73/14
Tenor
I. Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 02.09.2014 – 7 BV 33/14 – wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
1
G r ü n d e
2I. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.
3Die antragstellende Arbeitgeberin gehört der C -D an und wickelt deren Outsourcing-Geschäft in Deutschland ab. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die von Kunden im Wege von (Teil-) Betriebsübergängen zu C in Deutschland wechseln, werden in die Arbeitgeberin integriert und erbringen dort Infrastruktur-und Applikationsleistungen. Die Arbeitgeberin beschäftigt deutschlandweit rund 800 Mitarbeiter und ist weder tarifgebunden noch schließt sie Tarifverträge ab.
4Bis zum Jahr 2010 bildeten die im Rahmen von Outsourcing-Verträgen auf die Arbeitgeberin übergegangenen Einheiten eigene Betriebe (Accounts) mit eigenen Betriebsräten. Der Betrieb ZFS (Z F S ), auch Z A genannt, hatte mit seinen in K , B , W , O und F gelegenen Standorten einen sogenannten Ringfenced-Status. Er war nicht in die Gewinn- und Verlustrechnung der Arbeitgeberin integriert. Seine Personalhoheit übte der Betrieb zunächst selbst durch einen Account Executive aus.
5Nachdem die Arbeitgeberin an ihren Gesamtbetriebsrat mit dem Wunsch herangetreten war, ihre Betriebsorganisation grundlegend zu ändern und Betriebe zusammenzufassen, schlossen die Arbeitgeberin und der Gesamtbetriebsrat am 18./19.01.2010 einen Interessenausgleich und eine Gesamtbetriebsvereinbarung über die Errichtung einer neuen Betriebsstruktur (GBV Betriebsstruktur). Danach wurden mit Wirkung ab dem 15.04.2010 die regionalen Betriebe S , R -N , M , W I, W II und N -O neu gebildet.
6Unter Nr. I. 1. heißt es unter anderem:
7„Der Betrieb ZFS bleibt in seiner bisherigen Form unverändert erhalten. Für ihn gelten die mit dieser Betriebsvereinbarung getroffenen Regionalstrukturen nicht.“
8Gemäß I.2. der GBV Betriebsstruktur ernennt die Geschäftsführung für jede Region einen Regionalverantwortlichen, der für sämtliche personellen und sozialen Angelegenheiten in der von ihm betreuten Region verantwortlich ist.
9Die GBV Betriebsstruktur hat eine Anlage 1a, in der die Grenzen der Regionalbetriebe und des Betriebs ZFS definiert sind. Die Definition der Region des Betriebs ZFS lautet „Accountstandorte ZFS“. In der Anlage 1b zur GBV Betriebsstruktur werden die Personalteilbereiche B R , F a M S , K M , K R , O und W K -F -R dem Betrieb ZfS zugeordnet.
10Account Executive und zugleich Regionalverantwortlicher für den Betrieb ZFS war zunächst Herr L . Mit Schreiben vom 22.03.2013 bestellte die Arbeitgeberin Herrn H S zum Regionalbevollmächtigten für die Standorte des Z Accounts in B , K , W , F und O .
11Nach dem die Arbeitgeberin beschlossen hatte, ihre Organisationsstruktur erneut zu ändern, schloss sie am 12.04.2013 mit ihrem Gesamtbetriebsrat eine Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich (GBV Transformation), in der unter Nr. 2 die geplanten Maßnahmen im Einzelnen beschrieben sind. In dieser Betriebsvereinbarung heißt es:
12„5. Standort- und Arbeitsplatzsicherung
135.1. Das Unternehmen wird durch die in Ziffer 2 dieses Interessenausgleichs beschriebenen Maßnahmen keine Änderung der Betriebsstrukturen, Betriebsratsstrukturen und kollektiven Vertretungsstrukturen herbeiführen.
14Ebenso wenig wird das Unternehmen seine Standorte aufgrund der in diesem Interessenausgleich geregelten Maßnahmen verlagern oder schließen.
155.2. Das Unternehmen verpflichtet sich, wegen der in Ziffer 2 dieses Interessenausgleichs beschriebenen Maßnahmen auch keine Betriebsteile oder sonstigen Einheiten an Drittunternehmen auszugliedern.“
16In der Folgezeit wurde die Ringfenced-Struktur des Betriebs ZFS beendet. Durch die Auflösung der Accountstruktur wurden die Mitarbeiter des Betriebs ZFS den in den einzelnen Regionen bereits existierenden Mitarbeiterpools zugeordnet, nämlich entweder dem Pool G zur Betreuung des Infrastrukturgeschäfts oder mehrheitlich dem Pool GBS Application zur Betreuung des Applikationsgeschäfts. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Mitarbeiter seitdem, wie die Arbeitgeberin behauptet, ihre Leistungen nicht mehr exklusiv für den Kunden Z sondern für alle Kunden der Arbeitgeberin erbracht haben.
17Mit Schreiben vom 19.12.2013 wandte sich die Arbeitgeberin an den Gesamtbetriebsrat, um ihn über eine geplante Änderung der Betriebsstruktur zu informieren, und um ihn zugleich einzuladen, darüber kurzfristig in Verhandlungen einzutreten. Nach den Vorstellungen der Arbeitgeberin sollte das Bundesgebiet in die vier Regionalbetriebe Region S , Region M , Region W und Region N -O eingeteilt werden, wobei der Betrieb ZFS aufgelöst, dessen Mitarbeiter in die entsprechenden Regionen überführt und von den dortigen Regionalbetriebsräten vertreten werden sollten. Seitens des Gesamtbetriebsrats wurde die Aufnahme von Verhandlungen abgelehnt.
18Am 09.04.2014 wurde in Betrieb ZFS eine Betriebsratswahl durchgeführt.
19Mit Schreiben vom 10.04.2014 informierte die Arbeitgeberin den Betriebsrat des Betriebs ZFS darüber, dass Herr S mit Wirkung zum 15.04.2014, dem letzten Tag der regulären Amtszeit des Betriebsrats, als Regionalbevollmächtigter für die bisherige Betriebsratsregion ZFS abberufen worden sei. Der Betrieb ZFS sei nicht mehr existent und werde aufgelöst. Ab dem 16.04.2014 seien die Regionalverantwortlichen für die Regionen W und Mitte, Herr M M und Herr G K , die zuständigen Ansprechpartner für die in den jeweiligen Regionen angesiedelten Standorte.
20Das Ergebnis der Betriebsratswahl wurde am 14.04.2014 bekannt gegeben.
21Mit seinem am 17.042014 bei dem Arbeitsgericht Bonn eingegangenen Antrag ficht die Arbeitgeberin diese Betriebsratswahl an, weil der Betrieb Z nach ihrer Ansicht aufgelöst worden sei.
22Die Arbeitgeberin hat behauptet, Herr Schuler habe bereits am 19.12.2013 die Funktion des Regionalbevollmächtigten verloren und sei seit diesem Zeitpunkt nicht mehr für mitbestimmungsrelevante personelle und soziale Angelegenheiten des Betriebs ZFS zuständig gewesen. Eine eigenständige Leitung in personellen und sozialen Angelegenheiten habe nach der Abberufung des Herrn S nicht mehr bestanden. Seitdem seien die Standorte in die anderen Regionalbetriebe integriert. Der jetzige Account Executive sei ebenso wenig wie andere Account Executives der disziplinarische Vorgesetzte der Arbeitnehmer des ZURICH Accounts. Sie, die Arbeitgeberin, sei auch nicht verpflichtet gewesen, die Struktur der Betriebs ZFS unangetastet zu lassen. Der Betrieb ZFS sei damit aufgelöst. Jedenfalls habe die Amtszeit des Betriebsrats mit Ablauf des 15.04.2015 geendet.
23Die Arbeitgeberin hat beantragt,
24festzustellen, dass die Betriebsratswahl vom 09.04.2014 des Antragsgegners unwirksam ist;
25hilfsweise für den Fall der Zurückweisung des Anfechtungsantrages,
26festzustellen, dass das Betriebsratsamt des Antragsgegners nach Ablauf des 15.04.2014 geendet hat.
27Der Betriebsrat hat beantragt,
28die Anträge zurückzuweisen.
29Er hat eine eine Auflösung des Betriebs ZFS bestritten und behauptet, dass die Herren M und K gegenüber den Mitarbeitern des Betriebs ZFS nicht in Erscheinung getreten seien. Auf eine Auflösung des Ringfence und die Zuordnung von Mitarbeitern könne sich die Arbeitgeberin auch nicht berufen, da dies bereits 2013 erfolgt sei.
30Das Arbeitsgericht hat die Anträge mit Beschluss vom 02.09.2014 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass eine Auflösung des Betriebs Z nicht erkennbar sei.
31Der Beschluss ist der Arbeitgeberin am 24.10.2015 zugestellt worden. Ihre dagegen gerichtete Beschwerde ist nebst Begründung am 14.11.2014 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen.
32Die Arbeitgeberin rügt eine unzureichende Sachaufklärung durch das Arbeitsgericht und behauptet, dass der für den Betrieb Z gebildete einheitliche Leitungsapparat mit der Abberufung des Herrn S entfallen sei. Die Leitungsfunktion sei hinsichtlich der einzelnen Teile des Betriebs ZFS auf die Herren K und M übertragen worden. Spätestens seit dem 19.12.2013 habe Herr K in seiner Funktion als Regionalverantwortlicher der Region M die Leitungsfunktion für die eingegliederten Betriebsteile F a M , O und W , übernommen. Seit diesem Zeitpunkt sei auch Herr M in seiner Funktion als Verantwortlicher der Regionalregion W für die eingegliederten Betriebsteile K und B des ehemaligen Betriebs ZFS zuständig. Herr S habe nach seiner formellen Abberufung mit Schreiben vom 10.04.2014 diese Funktion nicht mehr wahrgenommen. Demgemäß würden Herr K und Herr M ihre Vertretung bei den nächsten Betriebsversammlungen wahrnehmen.
33Entscheidend für die Annahme eines Betriebs sei das Vorhandensein eines einheitlichen Leitungsapparats. Dabei komme es weniger auf die Einheit der arbeitstechnischen Zweckbestimmung als auf die Einheit der Organisation an. Die Leitung habe sich beim Betrieb auf die Selbstständigkeit im Personal-und Sozialwesen zu beziehen und weniger auf die Entscheidungsfindung in wirtschaftlichen Angelegenheiten. Im Gegensatz zu früher könne der heute für die Z G zuständigen Account Executive nicht mehr über die Arbeitnehmer des ehemaligen Betriebs ZFS eigenständig verfügen. Er müsse sich vielmehr die Mitarbeiter bei den Mitarbeiterpools ausleihen und abkündigen, wenn er sie nicht mehr benötige, um die Verpflichtung gegenüber seinen Kunden zu erfüllen. Daher würden die Mitarbeiter des vormaligen Betriebs ZFS eben nicht mehr ein Unternehmen im Unternehmen bilden. Sie seien in die allgemeine Organisationsstruktur eingegliedert. Weder gebe es ein accountspezifisches Backoffice mit eigenen Ressourcen für die Themen Personal, Finanz und Kommunikation, noch existiere eine eigene Gewinn- und Verlustrechnung. Unter diesen Umständen sei die Aufrechterhaltung des Betriebs ZFS außerhalb der Regionalstruktur nicht mehr gerechtfertigt gewesen.
34Dem Wortlaut der GBV Transformation sei eine Bestandsgarantie für den Betrieb ZFS nicht zu entnehmen. Durch diese GBV sei die seinerzeit bestehende Betriebs-und Betriebsratsstruktur nicht geändert worden. Insbesondere sei keine Betriebsauflösung und Eingliederung von Betriebsteilen in bestehende Regionalbetriebe untersagt worden.
35Die Auflösung des Betriebs ZFS widerspreche auch nicht der GBV Betriebsstruktur. Die GBV enthalte nach ihrem Wortlaut keinen Normbefehl zur Aufrechterhaltung des Betriebs ZFS während der Laufzeit der GBV Betriebsstruktur. Dies werde auch insofern deutlich, als die GBV keinen auch nur befristeten Standorterhalt vorschreibe. Die GBV Betriebsstruktur stehe der Auflösung des Betriebs ZFS nicht entgegen. Die Auffassung, dass sich durch die Erwähnung des Betriebs ZFS in der GBV Betriebsstruktur eine Änderungssperre im Hinblick auf diesen Betrieb ergebe, stehe zudem im Widerspruch zur verfassungsrechtlichen Garantie der unternehmerischen Betätigungsfreiheit. Aber selbst wenn man davon ausginge, dass der Betrieb ZFS als abweichende betriebsratsfähige Organisationseinheit von der GBV Betriebsstruktur konstituiert worden sei, so steht das seiner Auflösung nicht entgegen. Eher hätte sich die Frage aufdrängen müssen, ob die GBV Betriebsstruktur ab dem 01.04.2014 nicht teilunwirksam geworden sei.
36Die Arbeitgeberin beantragt,
37unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Bonn vom 02.09.2014, Aktenzeichen 7 BV 33/14,
38festzustellen, dass die Betriebsratswahl vom 09.04.2014 des Antragsgegners unwirksam ist;
39hilfsweise für den Fall der Zurückweisung des Anfechtungsantrages,
40festzustellen, dass das Betriebsratsamt des Antragsgegners nach Ablauf des 15.04.2014 geendet hat.
41Der Betriebsrat beantragt,
42die Beschwerde zurückzuweisen.
43Er verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts und behauptet, behauptet, dass die Herren M und K nach wie vor in keiner Weise gegenüber den Mitarbeitern des Betriebs ZFS in Erscheinung getreten seien. Sie hätten weder an Betriebsversammlungen oder Besprechungen teilgenommen, noch würden irgendwelche Personalsachen oder mitbestimmungsrelevante Vorgänge einen Bearbeitungsvermerk einer dieser beiden Personen aufweisen. An Betriebsversammlungen habe weiterhin Herr S in seiner Funktion als Account General Manager teilgenommen. In dieser Funktion habe er über die wirtschaftliche Situation und Auftragslage des Accounts berichtet. In derselben Funktion berichtete er im Wirtschaftsausschuss. Allgemeine mitbestimmungsrelevante Themen würden mit einem Mitarbeiter der zentralen HR-Abteilung besprochen. Ansprechpartner für individuelle Fragen seien die jeweiligen direkten Führungskräfte. Standortbezogene Themen wie z.B. der hausinterne Umzug im Sommer 2014, seien mit Herrn S oder mit der von ihm benannten Mitarbeiterin T besprochen worden. Fragen der Arbeitssicherheit wurden mit den lokalen Sicherheitsbeauftragten und den Vertretern des zentralen Gebäudemanagements besprochen.
44Die Auflösung der Ringfence-Organisation sei im Rahmen der Konzerntransformation zum 01.04.2013 erfolgt. Insofern könne die Arbeitgeberin diese organisatorische Änderung nicht als Begründung für die behauptete Auflösung des Betriebs ZFS anführen.
45Jedenfalls stünden der Auflösung des Betriebs ZFS die Regelungen in der ungekündigten GBV Betriebsstruktur entgegen. Könnte die Arbeitgeberin durch die beliebige Abänderung in der Organisation der Leitungsmacht und durch den bloßen Austausch von Vorgesetzten einseitig die Betriebsstruktur ändern, wurde dies dem Zweck der GBV widersprechen.
46Wegen der näheren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der Akte Bezug genommen.
47II. Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht ihre Anträge zurückgewiesen. Weder ist die Betriebsratswahl vom 09.04.2014 des Antragsgegners unwirksam, noch hat das Betriebsratsamt des Antragsgegners nach Ablauf des 15.04.2014 geendet.
481.) Die Betriebsratswahl vom 09.04.2014 ist nicht unwirksam.
49a) Nach § 19 Abs. 1 BetrVG kann die Wahl eines Betriebsrats angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, durch den Verstoß konnte das Wahlergebnis nicht verändert oder beeinflusst werden. Ein solcher Verstoß liegt u.a. vor, wenn bei der Wahl der betriebsverfassungsrechtliche Betriebsbegriff verkannt wurde (BAG, Beschluss vom 13. März 2013 – 7 ABR 70/11 –, BAGE 144, 290-305). Die Verkennung des Betriebsbegriffs führt hingegen nicht zur Nichtigkeit der Wahl. Eine Betriebsratswahl ist nur nichtig bei groben und offensichtlichen Verstößen gegen wesentliche Grundsätze des gesetzlichen Wahlrechts, die so schwerwiegend sind, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht. Wegen der schwerwiegenden Folgen einer von Anfang an unwirksamen Betriebsratswahl kann deren jederzeit feststellbare Nichtigkeit nur bei besonders krassen Wahlverstößen angenommen werden. Voraussetzung dafür ist, dass der Mangel offenkundig ist und deshalb ein Vertrauensschutz in die Gültigkeit der Wahl zu versagen ist. Die Betriebsratswahl muss "den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen". Dies ist bei einer Betriebsratswahl, die unter Verkennung des Betriebsbegriffs durchgeführt wurde, grundsätzlich nicht der Fall. Die Verkennung des Betriebsbegriffs hat in der Regel nicht die Nichtigkeit, sondern nur die Anfechtbarkeit der darauf beruhenden Betriebsratswahl zur Folge. Bei der Bestimmung des Betriebsbegriffs und seiner Anwendung auf die konkrete betriebliche Organisation ist eine Vielzahl von Gesichtspunkten zu beachten, die eine auf den jeweiligen Einzelfall bezogene Entscheidung erfordern. Unterlaufen dabei Fehler, sind diese in der Regel nicht so grob und offensichtlich, dass der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht besteht (BAG, Beschluss vom 19. November 2003 – 7 ABR 25/03 –, juris).
50b) Die Betriebsratswahl vom 09.04.2014 ist nicht unter Verkennung des Betriebsbegriffs durchgeführt worden. Denn zu diesem Zeitpunkt bestand der Betrieb Z noch. Denn die Organisationseinheit Z galt gemäß § 3 Abs. 5S. 1 BetrVG nach wie vor als Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes.
51aa) Gemäß §§ 3 Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 2 BetrVG kann durch eine Betriebsvereinbarung die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats bestimmt werden, wenn dies die Bildung von Betriebsräten erleichtert oder einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient. Wenn es bei der Vereinbarungslösung um mehrere Betriebe eines Unternehmens geht, also in den Fällen des Abs. 1 Nr. 1 und bei der Bildung eines Spartenbetriebsrats im Unternehmen (Abs. 1 Nr. 2), ist der Gesamtbetriebsrat nach § 50 Abs. 1 BetrVG zuständig (Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, 14. Aufl. 2014, § 3, Rz. 79). Dies haben die Arbeitgeberin und der bei ihr gebildete Gesamtbetriebsrat mit der GBV Betriebsstruktur getan, in dem sie nach einer regionalen Neugliederung und der Einführung der Hierarchieebene „Regionalverantwortliche“ Betriebe zu den Regionalbetrieben S , R -N , M , W , W und N -O zusammengefasst haben. Zugleich haben sie unter Nr. I.1 der GBV Betriebsstruktur geregelt, dass der Betrieb ZFS in seiner bisherigen Form, nämlich in der Account-Struktur, erhalten bleibt und dass für ihn die neuen Regionalstrukturen nicht gelten. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich die Gesamtbetriebsvereinbarung einer Regelung des Betriebs ZFS enthalten und insoweit nur die tatsächliche Betriebsstruktur ohne Regelungswillen beschrieben hätte. Denn Arbeitgeberin und Gesamtbetriebsrat haben in der GBV Betriebsstruktur zugleich in den Anlagen 1a und 1b die Grenzen des Betriebs definiert. Dies diente auch der sachgerechten Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben, da die betriebsverfassungsrechtlich maßgeblichen Entscheidungen von einem Account Executive und einem Regionalverantwortlichen, nämlich zunächst von Herrn L und dann von Herrn S getroffen wurden. Der Betrieb ZFS galt daher mit den näher bezeichneten Standorten nach § 3 Abs. 5 S. 1 BetrVG als Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes.
52bb) Diese Betriebsfiktion ist aufgrund der von der Arbeitgeberin dargelegten Maßnahmen weder beseitigt noch ist die Gesamtbetriebsvereinbarung insoweit (teil-)unwirksam geworden. Dies steht zur Überzeugung der Kammer nach der Anhörung im Termin vom 13.05.2015 fest.
53(1) Die Arbeitgeberin ist unstreitig nach wie vor für die Z -Versicherung tätig. Nach den Erörterungen im Termin vom 13.05.2015 ist davon auszugehen, dass die Mitarbeiter des Betriebs ZFS noch in Räumlichkeiten der Z -Versicherung und jedenfalls ganz überwiegend ausschließlich für diese Versicherung tätig sind. Daran ändert nichts, dass die Mitarbeiter zusammen mit Mitarbeitern anderer Betriebe in Pools zusammengefasst werden und dass der für die Z Group zuständige Account Executive nach Vortrag der Arbeitgeberin im Gegensatz zu früher nicht mehr über die Arbeitnehmer des ehemaligen Betriebs ZFS eigenständig verfügen kann und sich die Mitarbeiter stattdessen bei den Mitarbeiterpools ausleihen und abkündigen muss, wenn er sie nicht mehr benötigt, um die Verpflichtung gegenüber seinen Kunden zu erfüllen. Denn jedenfalls existiert auch nach dem Vortrag der Arbeitgeberin noch ein Account Executive für die Z Group, der für den Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuständig ist, auch wenn er diese vorher aus dem Pool abrufen muss. Ob der Personaleinsatz unmittelbar durch den Account Executive erfolgt oder ob dieser die Freigabe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuvor aus dem Pool beantragen muss, kann insoweit nicht entscheidend sein. Denn nach wie vor stellen die zum Betrieb ZFS zusammengefassten Standorte in den Niederlassungen der ZURICH-Versicherungen abgrenzbare Einheiten dar, mit denen Dienstleistungen für den Kunden erbracht werden. Dies entspricht dem Betriebsbegriff des Betriebsverfassungsgesetzes, wonach ein Betrieb die organisatorische Einheit ist, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe technischer und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt (BAG, Beschluss vom 11. Februar 2004 – 7 ABR 27/03 –, BAGE 109, 332-338). Die Arbeitgeberin ist dem Vortrag des Beteiligten zu 2), dass die Herren M und K gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Betriebs Z bislang nicht in Erscheinung getreten seien, auch nicht substantiiert entgegen getreten. Angesichts dessen kommt dem Umstand, dass die Arbeitgeberin Herrn M und Herrn K mit Wirkung ab dem 16.04.2014 als die zuständigen Ansprechpartner für die in den jeweiligen Regionen angesiedelten Standorte benannt hat, lediglich eine formale Bedeutung zu.
54(2) Die Errichtung bzw. Aufrechterhaltung des Betriebs ZFS dient auch nach wie vor einer sachgerechten Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen. Denn unabhängig davon, wo die formale Verantwortung für die maßgeblichen Entscheidungen in sozialen und personellen Angelegenheiten liegen, sind es die Standorte bei der ZURICH-Versicherung, an denen die unternehmerische Leitungsmacht in Bezug auf die Arbeitsverhältnisse konkret ausgeübt wird und an denen sie sich entfaltet. Dann mach es aber auch Sinn, dort die Arbeitnehmervertretung anzusiedeln (vgl. Wendeling-Schröder, Betriebsverfassung nach Maß , NZA 1999, 1065).
55cc) Zudem ist deswegen von dem Fortbestand des Betriebs ZFS auszugehen, weil die Arbeitgeberin gehindert wäre, den Betrieb ohne vorherige Kündigung der GBV Betriebsstruktur aufzulösen. Selbst wenn sie dies täte, würde dies die Fiktionswirkung des § 3 Abs. 5 BetrVG nicht beseitigen.
56(1) Die Arbeitgeberin wäre nicht berechtigt, den Betrieb ZFS aufzulösen. Zwar ist ein Arbeitgeber während der Laufzeit einer Gesamtbetriebsvereinbarung grundsätzlich nicht gehindert, Umstrukturierungen vorzunehmen. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn etwas anderes in der Gesamtbetriebsvereinbarung vorgesehen ist (vgl. Fitting, 27. Auflage 2014, § 3 BetrVG, Rz. 86). Ein Verbot, den Betrieb ZFS ohne vorherige Kündigung der GBV Betriebsstruktur aufzulösen, ergibt sich unmittelbar aus Nr. I.1. der GBV. Denn danach bleibt der Betrieb ZFS in seiner bisherigen Form unverändert erhalten. Dieses Verständnis der GBV wird dadurch bestätigt, dass sie nach Nr. IV.2. nur mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende des Monats Februar des Jahres gekündigt werden kann, in dem die regulären Betriebsratswahlen stattfinden und die Betriebsräte bis zum Ablauf der regulären Amtszeit im Amt bleiben. Damit haben Arbeitgeberin und Gesamtbetriebsrat zum Ausdruck gebracht, dass die während der ungekündigten Laufzeit der Gesamtbetriebsvereinbarung klar geregelte und stabile Strukturen aufrecht erhalten wollten. Dies gilt auch für den Betrieb ZFS, der in den Anlagen 1a und 1b sogar näher definiert wird. Eine Umstrukturierung, die zum Wegfall des Betriebes führen würde, wäre damit unzulässig. Auf ein solch unzulässiges Verhalten kann sich die Arbeitgeberin nicht berufen.
57(2) Jedenfalls würde eine solche Umstrukturierung, wie sie die Arbeitgeberin annimmt, nicht dazu führen, dass die Betriebsfiktion des § 3 Abs. 5 BetrVG beseitigt werden könnte. Durch eine Regelung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG wird in Abweichung von der gesetzlichen Struktur eine anders abgegrenzte organisatorische Einheit für die Dauer ihrer Laufzeit als Betrieb festgelegt. Es entsteht ein fingierter Betrieb (Däubler/Trümner, 14. Aufl. 2014, § 3 BetrVG, Rz. 196). Diese Fiktion würde durch die von der Arbeitgeberin vorgetragenen Maßnahmen nicht beseitigt. Eine solche Folge könnte allenfalls dann eintreten, wenn die Identität des Repräsentationsbereichs verloren gegangen wäre (GK-Franzen, 9. Aufl. 2010, § 3 BetrVG, Rz. 62; auf gleicher Linie („Substrat“) Fitting, 27. Auflage 2014, § 3 BetrVG, Rz. 86). Die Identität des Repräsentationsbereichs des Betriebs ZFS wird jedoch weder durch die formelle Zuordnung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu Pools noch durch die Benennung anderer Ansprechpartner beseitigt. Denn der Repräsentationsbereich wird nach wie vor durch die an den Standorten der ZURICH-Versicherung durch die dort für dieses Unternehmen eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestimmt. Ob der Personaleinsatz unmittelbar durch den Account Executive erfolgt oder ob dieser die Freigabe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuvor aus dem Pool beantragen muss, ist auch für die Frage des Repräsentationsbereichs nicht von durchschlagender Bedeutung.
582.) Die Amtszeit des gewählten Betriebsrats hat, da der Betrieb ZFS fortbesteht, somit auch nicht mit dem 15.04.2014 geendet.
59III. Die Kammer hat die Rechtsbeschwerde für die Arbeitgeberin zugelassen, da die Frage der Rechtsfolgen von Umstrukturierungen für Gesamtbetriebsvereinbarungen nach § 3 Abs. 2 BetrVG grundsätzliche Bedeutung hat (§§ 92 S. 2, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).
60RECHTSMITTELBELEHRUNG
61Gegen diesen Beschluss kann von der Arbeitgeberin
62R E C H T S B E S C H W E R D E
63eingelegt werden.
64Für weitere Beteiligte ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
65Die Rechtsbeschwerde muss
66innerhalb einer Notfrist* von einem Monat
67nach der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses schriftlich oder in elektronischer Form beim
68Bundesarbeitsgericht
69Hugo-Preuß-Platz 1
7099084 Erfurt
71Fax: 0361-2636 2000
72eingelegt werden.
73Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
74Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
75- 76
1. Rechtsanwälte,
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2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
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3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Rechtsbeschwerdeschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
80Beteiligte, die als Bevollmächtigte zugelassen sind, können sich selbst vertreten.
81Bezüglich der Möglichkeit elektronischer Einlegung der Rechtsbeschwerde wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I Seite 519) verwiesen.
82* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Köln Beschluss, 13. Mai 2015 - 9 TaBV 73/14
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Urteil einreichenLandesarbeitsgericht Köln Beschluss, 13. Mai 2015 - 9 TaBV 73/14 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).
(1) Die Wahl kann beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.
(2) Zur Anfechtung berechtigt sind mindestens drei Wahlberechtigte, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder der Arbeitgeber. Die Wahlanfechtung ist nur binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, zulässig.
(3) Die Anfechtung durch die Wahlberechtigten ist ausgeschlossen, soweit sie darauf gestützt wird, dass die Wählerliste unrichtig ist, wenn nicht zuvor aus demselben Grund ordnungsgemäß Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste eingelegt wurde. Dies gilt nicht, wenn die anfechtenden Wahlberechtigten an der Einlegung eines Einspruchs gehindert waren. Die Anfechtung durch den Arbeitgeber ist ausgeschlossen, soweit sie darauf gestützt wird, dass die Wählerliste unrichtig ist und wenn diese Unrichtigkeit auf seinen Angaben beruht.
Tenor
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Die Rechtsbeschwerde des Regionalbetriebsrats und die Anschlussrechtsbeschwerde der zu 1. und zu 2. beteiligten Unternehmen gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln vom 27. Mai 2011 - 4 TaBV 5/11 - werden zurückgewiesen.
Gründe
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A. Die zu 1. und zu 2. beteiligten Unternehmen machen in erster Linie die Nichtigkeit, hilfsweise die Unwirksamkeit einer am 19. März 2010 durchgeführten Betriebsratswahl geltend, aus der der zu 3. beteiligte Regionalbetriebsrat hervorgegangen ist.
- 2
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Das zu 1. beteiligte Unternehmen (künftig: H) ist das deutsche Tochterunternehmen der H Group (ehemals B-Gruppe), einem internationalen Anbieter von Unternehmensdienstleistungen. Es ist vor allem in den Bereichen des Geschäftsreise-, Reisekosten- sowie Event- und Meeting-Managements tätig. Sein Hauptsitz ist in K. Es unterhält bundesweit Betriebe und Betriebsstätten, in denen ca. 715 Mitarbeiter beschäftigt sind.
- 3
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Das zu 2. beteiligte Unternehmen (künftig: E) ist eine 51%ige Tochtergesellschaft der H mit Sitz in F und dort beschäftigten 9 Mitarbeitern. Es bietet vor allem Sport- und Fanreisen im Zusammenhang mit Spielen der deutschen Fußballnationalmannschaft an.
- 4
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Am 11. April 2002 schlossen die E L R GmbH & Co. KG als Rechtsvorgängerin der H, die E und weitere mit ihnen verbundene Unternehmen mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) einen Tarifvertrag zur Bildung einheitlicher Betriebsrats- und Gesamtbetriebsratsstrukturen (TV EBS 2002). Dieser sah ua. die Zusammenfassung näher bezeichneter Betriebe und Betriebsstätten aller Unternehmen zu Wahlregionen vor, in denen jeweils ein Regionalbetriebsrat zu wählen ist. Im Zeitpunkt des Abschlusses des TV EBS 2002 waren die Betriebe der beteiligten Unternehmen noch durch Regionalleitungen geführt. Insoweit sind in einem von H und E zur Akte gereichten Organigramm beim sog. „Client Services D“ die Regionen „Süd“, „Mitte/West“ und „Nord/Ost“ mit jeweils zuständigen „RL Account Management“ und „RL Client Services“ angeführt. Mit Wirkung ab 1. April 2004 wurden die Regionalleitungen abgeschafft und ausweislich eines Organigramms vom selben Datum die unternehmerische Leitung bei H nach Geschäftsfeldern strukturiert.
-
Der nach dem Ausscheiden eines am TV EBS 2002 beteiligten Unternehmens aus der Unternehmensgruppe zwischen H (damals noch E L R GmbH & Co. KG), E sowie fünf weiteren konzernangehörigen Unternehmen und ver.di neu geschlossene Tarifvertrag zur Bildung einheitlicher Betriebsrats- und Gesamtbetriebsratsstrukturen vom 25. Oktober 2004 (TV EBS 2004) lautet auszugsweise (Hinweis: auch § 3 dieses Tarifvertrags ist exakt wiedergegeben):
-
„…
wird in Ausgestaltung des § 3 Abs 1 Ziff. 1b) und Ziff. 3 BetrVG nachfolgender Tarifvertrag zur Bildung gemeinsamer Betriebsrats- und Gesamtbetriebsratsstrukturen der B-Gruppe vereinbart.
Die Unternehmen der B-Gruppe unterhalten zum Teil gemeinsame Betriebe an verschiedenen Standorten in der Bundesrepublik. Sie unterhielten gemeinsame Betriebe auch mit der K GmbH, die nach Gesellschafterwechseln im Konzern nicht mehr der Unternehmensgruppe angehört. Aus diesem Grund hatten die Unternehmen der B-Gruppe und die K GmbH den Tarifvertrag zur Bildung einheitlicher Betriebsrats- und Gesamtbetriebsstrukturen vom 11.04.2002 am 17.02.2004 außerordentlich gekündigt. Gemeinsame Betriebe mit der K GmbH unterhalten die Unternehmen der B-Gruppe nicht mehr. Der vorliegende Tarifvertrag dient der Anpassung der Betriebsratsstrukturen in der B-Gruppe bei gleichzeitiger Fortführung der Regionalstruktur und eines einheitlichen Gesamtbetriebsrates innerhalb der Unternehmensgruppe.
§ 1 Geltungsbereich
Dieser Tarifvertrag gilt
●
räumlich auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
●
fachlich für alle Betriebsstätten der im Rubrum genannten Unternehmen
●
persönlich für alle Arbeitnehmer/-innen im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG
§ 2 Zweck
Dieser Tarifvertrag fördert mit der Bildung von Wahlregionen und eines gemeinsamen Gesamtbetriebsrates die sachgerechte Wahrnehmung der gesetzlichen Arbeitnehmerinteressen.
Die auf Grund dieses Tarifvertrages gebildeten betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten gelten als Betriebe i.S. des BetrVG. Der Betriebsbegriff anderer Gesetze, insbesondere des KSchG, wird dagegen von dieser Vereinbarung nicht berührt. Auf die nach diesem Tarifvertrag gebildeten Arbeitnehmervertretungen finden die Vorschriften über die Rechte und Pflichten des Betriebsrates und die Rechtsstellung seiner Mitglieder nach dem BetrVG Anwendung.
§ 3 Wahlregionen
Die einzelnen Betriebsstätten der im sachlichen Geltungsbereich genannten Unternehmen werden in Wahlregionen zusammengefasst. Die Zuordnung erfolgt gemäß der einen wesentlichen Bestandteil dieses Tarifvertrages bildenden Anlage (1).
Neu hinzukommende Betriebsstätten, in denen ein Betriebsrat errichtet ist, werden den jeweiligen Regionen bei der nächsten regelmäßigen Betriebsratswahl zugeordnet. Abweichungen hiervon können durch Ergänzungen zu diesem Haustarifvertrag vereinbart werden, wenn dies einer sachgerechten Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen dient und die Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertreter der hinzukommenden Betriebsstätte dies mehrheitlich befürworten.
Neu hinzukommende Betriebsstätten, in denen kein Betriebsrat errichtet ist, werden sofort den jeweiligen Regionen zugeordnet.
(4)
Die Beschäftigten in den Wahlregionen wählen gemäß BetrVG je einen Regionalbetriebsrat.
…
§ 5 Gesamtbetriebsrat
Für die vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrages erfassten Unternehmen wird ein einheitlicher Gesamtbetriebsrat im Sinne des § 47 Abs. 1 BetrVG errichtet.
Für die Entsendung in den Gesamtbetriebsrat gelten die gesetzlichen Bestimmungen des § 47 Abs. 2 und 3 BetrVG.
…
§ 7 Laufzeit
Dieser Tarifvertrag tritt mit Unterzeichnung in Kraft und ersetzt den Tarifvertrag vom 11.04.2002.
Der vorliegende Tarifvertrag schreibt die Betriebsratsstrukturen des Tarifvertrages vom 11.04.2002 fort. Gesamtbetriebsvereinbarungen gelten als solche weiter. Neuwahlen sind in den Regionen Südwest 1 und Südwest 2 einzuleiten. Im übrigen sind in keiner der Regionen außerhalb des für die regelmäßigen Betriebsratswahlen festgelegten Zeitraums erforderlich, weil die Voraussetzungen für Neuwahlen nach § 13 BetrVG nicht vorliegen und die Regionen ihre Identität behalten. Soweit einzelne Mitglieder der bestehenden regionalen Betriebsratsgremien ausscheiden, weil sie bei der K GmbH angestellt sind, rücken Ersatzmitglieder nach den gesetzlichen Bestimmungen nach.
Dieser Tarifvertrag ist mit einer Frist von 6 Monaten zum Quartalsende erstmals zum 31. März 2006 ordentlich kündbar.
…
Im Falle einer Kündigung wirkt der Tarifvertrag nicht nach.
…“
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Die von allen Tarifvertragsparteien unterzeichnete Anlage (1) zum TV EBS 2004 weist neun „Betriebsrat-Regionen“ aus, ua. die Region Mitte mit 14 Betriebsstätten der H - fünf in F, eine in E, eine in La, zwei in Ba, eine in M, eine in Ho, eine in T, eine in Li, eine in He - und zwei Betriebsstätten der E in F. Nach Abschluss des TV EBS 2004 gingen vier Betriebsstätten - A, O, Es und Of - im Zuge einer Verschmelzung der nicht an dem TV EBS 2004 beteiligten E L R GmbH K (bis 20. März 2007 firmierend als E L M R GmbH) auf die H über. Für diese Betriebsstätten war ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt. Mit Schreiben vom 17. September 2009 kündigten H, E und die anderen den TV EBS 2004 schließenden Unternehmen diesen zum 31. März 2010.
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Am 4. Dezember 2009 traten die Mitglieder des nach dem TV EBS 2004 für die Wahlregion Mitte im Mai 2006 gewählten Regionalbetriebsrats zurück. Der daraufhin bestellte Wahlvorstand bestand aus drei bei der H angestellten und in der Betriebsstätte F tätigen Arbeitnehmern. Die Wahlvorstandsvorsitzende wandte sich mit Mail vom 28. Dezember 2009 an mehrere Personalverantwortliche der H und teilte mit, der Wahlvorstand benötige die „aktuelle Wählerliste für die gesamte Region Mitte (inklusive der Mitarbeiter von M in Of)“. Die Director Human Resources äußerte in ihrer Antwortmail vom 18. Januar 2010 die Ansicht, dass wegen der Kündigung des TV EBS 2004 und dem vereinbarten Ausschluss seiner Nachwirkung nunmehr Betriebsräte nach den gesetzlichen Strukturen zu wählen seien. In einem Mailanhang waren die Daten der Mitarbeiter der H ausgewiesen, die bestimmten - nach Auffassung der Personalleiterin iSv. §§ 1 und 4 BetrVG bestehenden - Betrieben zuzuordnen sind. Nicht aufgeführt waren zwei in einer Betriebsstätte in Ba beschäftigte Arbeitnehmer. Auf weitere Aufforderung des Wahlvorstands, der an seiner Auffassung von durchzuführenden Regionalbetriebsratswahlen nach dem TV EBS 2004 festhielt, erhielt dieser später auch die Daten der in Of sowie der von E beschäftigten Mitarbeiter mitgeteilt. In der vom Wahlvorstand erstellten Wählerliste sind die zwei Arbeitnehmer der Betriebsstätte Ba nicht angegeben. Die Stimmabgabe fand am 19. März 2010 statt. An ihr nahmen ua. die Arbeitnehmer der Betriebsstätte Of teil, diejenigen der Betriebsstätte Ba dagegen nicht. Mit Mail vom 25. März 2010 wurde das Wahlergebnis bekannt gegeben. Am 26. März 2010 fand die konstituierende Sitzung des Regionalbetriebsrats Mitte statt.
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In der nach dem TV EBS 2004 gebildeten Region Südwest 2 wurden im Jahre 2010 die Betriebsratswahlen in den nach §§ 1 und 4 BetrVG bestehenden Betrieben durchgeführt. In den Regionen Nord und West 1 wurden im Oktober bzw. November 2009 Regionalbetriebsräte auf der Grundlage des TV EBS 2004 gewählt; diese Wahlen wurden nicht angefochten. In den Regionen Süd 1, Ost und Südwest 1 besteht nach unwidersprochenem Vorbringen der zu 1. und 2. beteiligten Unternehmen kein Unterschied zwischen der tarifvertraglichen und der gesetzlichen Betriebsstruktur. In den Regionen Süd 2 und West 2 fanden die Wahlen - ebenso wie vorliegend in der Region Mitte - im März 2010 nach den Strukturen des TV EBS 2004 statt. Diese Wahlen sind von den betroffenen Arbeitgeberinnen angefochten worden.
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H und E haben mit am 6. April 2010 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingegangenem Schriftsatz das vorliegende Beschlussverfahren eingeleitet mit dem Ziel der Feststellung der Nichtigkeit, hilfsweise Unwirksamkeit der Betriebsratswahl sowie dem weiteren hilfsweisen Feststellungsantrag, dass dem gewählten (Regional-)Betriebsrat ab dem 1. April 2010 ein Übergangsmandat mit der Verpflichtung zur Einleitung von Neuwahlen zukomme. Nach Verweisung des Verfahrens an das örtlich zuständige Arbeitsgericht Köln haben H und E die Auffassung vertreten, die Betriebsratswahl hätte nicht auf der Grundlage des TV EBS 2004 durchgeführt werden dürfen. Wegen des Wegfalls der Regionalleiterebene sei die von der gesetzlichen Betriebsverfassungsstruktur abweichende Bildung betriebsverfassungsrechtlicher Organisationseinheiten nach dem TV EBS 2004 nicht sachdienlich gewesen; jedenfalls sei der TV EBS 2004 während seiner Laufzeit gegenstandslos und unwirksam geworden. Auch wegen der Kündigung des TV EBS 2004 zum 31. März 2010 hätten Betriebsräte in den Betrieben entsprechend der gesetzlichen Betriebsverfassung gewählt werden müssen. Ginge man davon aus, dass auf der Grundlage des TV EBS 2004 hätte gewählt werden dürfen, sei der tarifvertraglich festgelegte Betriebsbegriff für die Region Mitte dennoch verkannt worden, weil die Baer Betriebsstätte mit ihren beiden Arbeitnehmern nicht einbezogen worden sei. Die Verkennung des Betriebsbegriffs führe - ebenso wie der weitere Wahlfehler der Besetzung des Wahlvorstands ausschließlich mit Arbeitnehmern einer Betriebsstätte von H - zur Nichtigkeit der Wahl. Jedenfalls sei die Wahl anfechtbar. Sähe man dies anders, stünde dem Regionalbetriebsrat allenfalls ein Übergangsmandat mit der daraus resultierenden Verpflichtung der unverzüglichen Bestellung von Wahlvorständen zu, weil der TV EBS 2004 ab dem 1. April 2010 nicht mehr gelte.
-
H und E haben beantragt
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1.
festzustellen, dass die am 19. März 2010 durchgeführte Betriebsratswahl nichtig ist;
2.
hilfsweise, die am 19. März 2010 durchgeführte Betriebsratswahl für unwirksam zu erklären;
3.
hilfsweise festzustellen, dass der Betriebsrat ab dem 1. April 2010 ein Übergangsmandat iSv. § 21a BetrVG innehat und mit Entstehung dieses Übergangsmandats verpflichtet ist, unverzüglich Wahlvorstände zu bestellen.
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Der Regionalbetriebsrat hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Er hat die Zulässigkeit des Wahlanfechtungsantrags bezweifelt und sich auf den Standpunkt gestellt, der TV EBS 2004 habe als wirksam geschlossener und auch nicht unwirksam gewordener Zuordnungstarifvertrag bis 31. März 2010 gegolten, so dass am 19. März 2010 die Wahl zu Recht auf seiner Grundlage durchgeführt worden sei. Die Nichteinbeziehung der beiden in der Baer Betriebsstätte beschäftigten Arbeitnehmer habe sich nicht auf das Wahlergebnis auswirken können. Im Übrigen könne die Anfechtung der Wahl nicht auf diesen Fehler gestützt werden, weil die entsprechenden Arbeitnehmerdaten dem Wahlvorstand nicht mitgeteilt worden seien.
- 12
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Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Auf die Beschwerde von H und E hat das Landesarbeitsgericht dem Hilfsantrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Betriebsratswahl stattgegeben und die Beschwerde im Übrigen zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung H und E beantragen, erstrebt der Regionalbetriebsrat die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. H und E verfolgen mit ihrer innerhalb der nach § 95 Satz 1 bis 3 ArbGG gesetzten Äußerungsfrist zur Rechtsbeschwerdebegründung beim Bundesarbeitsgericht eingegangenen und zugleich begründeten Anschlussrechtsbeschwerde ihr Hauptziel der Feststellung der Wahlnichtigkeit weiter. Der Regionalbetriebsrat beantragt, die Anschlussrechtsbeschwerde zurückzuweisen.
- 13
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B. Die Rechtsbeschwerde und die Anschlussrechtsbeschwerde sind unbegründet.
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I. Das Landesarbeitsgericht hat dem Hauptantrag auf Feststellung der Nichtigkeit der „am 19. März 2010 durchgeführten Betriebsratswahl“ nicht entsprochen. Dagegen wendet sich die zulässige Anschlussrechtsbeschwerde von H und E ohne Erfolg. Das Beschwerdegericht hat zu Recht erkannt, dass die angegriffene Betriebsratswahl nicht nichtig ist. Es kann dahinstehen, ob die Wahl - sei es wegen der Unwirksamkeit des TV EBS 2004 oder aus anderen Gründen - unter Verkennung des Betriebsbegriffs erfolgt ist. Dies führt ebenso wenig zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl wie die Annahme einer fehlerhaften Bestellung des Wahlvorstands.
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1. Eine Betriebsratswahl ist nur in ganz besonderen Ausnahmefällen nichtig. Voraussetzung dafür ist ein so eklatanter Verstoß gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht. Nicht zuletzt wegen der schwerwiegenden Folgen einer von Anfang an unwirksamen Betriebsratswahl kann deren jederzeit feststellbare Nichtigkeit nur bei besonders krassen Wahlverstößen angenommen werden. Es muss sich um einen offensichtlichen und besonders groben Verstoß gegen Wahlvorschriften handeln (BAG 21. September 2011 - 7 ABR 54/10 - Rn. 26, AP BetrVG 1972 § 3 Nr. 9 = EzA BetrVG 2001 § 3 Nr. 5; 27. Juli 2011 - 7 ABR 61/10 - Rn. 39 mwN, BAGE 138, 377).
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2. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Obwohl wegen der Unwirksamkeit des TV EBS 2004 die Wahl des Regionalbetriebsrats Mitte unter Verkennung des Betriebsbegriffs durchgeführt wurde (siehe dazu B. II. 2. der Gründe), ist sie deshalb nicht nichtig. Auch die von H und E geltend gemachte fehlerhafte Zusammensetzung des Wahlvorstands ist nicht so schwerwiegend, dass sie die Nichtigkeit der Wahl zur Folge hätte.
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a) Die Verkennung des Betriebsbegriffs hat in der Regel nicht die Nichtigkeit, sondern nur die Anfechtbarkeit der darauf beruhenden Betriebsratswahl zur Folge (vgl. BAG 21. September 2011 - 7 ABR 54/10 - Rn. 26 mwN, AP BetrVG 1972 § 3 Nr. 9 = EzA BetrVG 2001 § 3 Nr. 5; 27. Juli 2011 - 7 ABR 61/10 - Rn. 42 mwN, BAGE 138, 377). Dies gilt auch dann, wenn es um eine Verkennung der „richtigen“ Rechtsgrundlage für die Bestimmung des Betriebsbegriffs geht, vorliegend also um die Frage, ob in den Betrieben nach §§ 1 und 4 BetrVG oder in den Organisationseinheiten nach dem TV EBS 2004 ein Betriebsrat zu wählen ist (vgl. zur Anfechtung der Wahl einer Schwerbehindertenvertretung auf der Grundlage eines unwirksamen Zuordnungstarifvertrags BAG 10. November 2004 - 7 ABR 17/04 - AP BetrVG 1972 § 3 Nr. 4 = EzA BetrVG 2001 § 3 Nr. 1; ebenso ErfK/Koch 13. Aufl. § 3 BetrVG Rn. 13; Fitting 26. Aufl. § 3 Rn. 23 mwN; Mückl/Koehler NZA-RR 2009, 513; aA Spinner/Wiesenecker FS Löwisch S. 375, 387 f.; Plander NZA 2002, 483, 488 f.; diff. nach der „Schwere des Verstoßes gegen die Dienlichkeitsklauseln iSv. § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BetrVG“ Trümner/Sparchholz AiB 2009, 98). Mit § 3 Abs. 1 BetrVG ist - unter näher geregelten Voraussetzungen - die Möglichkeit eröffnet, durch Tarifvertrag von der gesetzlichen Betriebsverfassung abzuweichen. Die Tatbestandsvoraussetzungen hierfür sind unter Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe beschrieben. Bei einer Betriebsratswahl, die auf der Grundlage eines sog. Zuordnungstarifvertrags nach § 3 Abs. 1 BetrVG durchgeführt wird, ist daher die Beurteilung seiner Wirksamkeit oder Unwirksamkeit regelmäßig mit schwierigen Fragestellungen verbunden. Ist ein Zuordnungstarifvertrag vereinbart, dürfen die Betriebspartner und ein die Betriebsratswahlen einleitender Wahlvorstand zudem grundsätzlich von dessen Rechtswirksamkeit ausgehen. Die von der Anschlussrechtsbeschwerde herangezogene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 29. April 1998 (- 7 ABR 42/97 - BAGE 88, 322) besagt nichts Gegenteiliges. In dieser Entscheidung ist ua. ausgeführt, eine Betriebsratswahl sei nichtig, wenn sie in einem Betrieb durchgeführt werde, der nach § 118 Abs. 2 BetrVG nicht unter den Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes falle, weil es sich um eine karitative und erzieherische Einrichtung einer Religionsgemeinschaft handele; insoweit fehle es von Anbeginn an den gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung einer Betriebsratswahl (vgl. auch BAG 9. Februar 1982 - 1 ABR 36/80 - zu B II der Gründe, BAGE 41, 5; vgl. ferner zur Nichtigkeit eines gesetzlich nicht vorgesehenen unternehmensüberschreitenden Gesamtbetriebsrats BAG 17. März 2010 - 7 AZR 706/08 - Rn. 22, AP BetrVG 1972 § 47 Nr. 18 = EzA BetrVG 2001 § 47 Nr. 5). Vorliegend geht es aber nicht um die Frage, ob überhaupt ein Betriebsrat gebildet werden kann, sondern darum, für welchen Betrieb oder welche Repräsentationseinheit er zu wählen ist.
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b) Ein - unterstellter - Fehler bei der Bestellung des Wahlvorstands rechtfertigte gleichfalls nicht die Annahme einer Nichtigkeit der Wahl. In diesem Zusammenhang kann unentschieden bleiben, ob eine nichtige Wahlvorstandsbestellung die Nichtigkeit der Wahl zur Folge hätte (ebenso offengelassen von BAG 27. Juli 2011 - 7 ABR 61/10 - Rn. 45, BAGE 138, 377).
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(1) Zwischen der fehlerhaften und der nichtigen Bestellung des Wahlvorstands ist zu unterscheiden. Im Fall eines bloßen Errichtungsfehlers bleibt die Bestellung des Wahlvorstands wirksam. Die von ihm durchgeführte Betriebsratswahl kann dann zwar anfechtbar sein; sie ist aber nicht nichtig. Die Nichtigkeit der Bestellung des Wahlvorstands ist auf ausgesprochen schwerwiegende Errichtungsfehler beschränkt, die dazu führen, dass das Gremium rechtlich inexistent ist. Erforderlich ist, dass gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Errichtung in so hohem Maß verstoßen wurde, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Bestellung des Wahlvorstands nicht mehr besteht. Es muss sich um einen offensichtlichen und besonders groben Verstoß gegen die Bestellungsvorschriften der §§ 16 bis 17a BetrVG handeln(vgl. BAG 27. Juli 2011 - 7 ABR 61/10 - Rn. 47 mwN, BAGE 138, 377).
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(2) Um einen solchen Fall handelt es sich hier nicht. Zwar hätte wegen der Unwirksamkeit des TV EBS 2004 (siehe dazu B. II. 2. b) bb) der Gründe) kein Wahlvorstand für die Wahl eines Regionalbetriebsrats Mitte errichtet werden dürfen. Dieser Verstoß war aber nicht so offensichtlich und gravierend, dass er die Nichtigkeit der Bestellung des Wahlvorstands zur Folge hätte. Es handelt sich nicht um eine Sachlage, bei der nicht einmal mehr der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Bestellung des Wahlvorstands besteht.
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II. Auch die Rechtsbeschwerde des Regionalbetriebsrats, mit der dieser die dem Wahlanfechtungsantrag stattgebende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts angreift, hat keinen Erfolg. Es kann offenbleiben, ob - wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat - bereits die Kündigung des TV EBS 2004 der erneuten Wahl eines Regionalbetriebsrats Mitte entgegenstand. Denn jedenfalls ist die angefochtene Wahl schon deshalb unwirksam und die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis richtig (§ 561 ZPO), weil der TV EBS 2004 unwirksam ist und daher auf seiner Grundlage keine Betriebsratswahl durchgeführt werden durfte.
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1. Die Wahlanfechtung ist zulässig.
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a) Ihre förmlichen Voraussetzungen sind erfüllt. H und E sind als Arbeitgeberinnen nach § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG anfechtungsberechtigt. Sie haben die Wahl, deren Ergebnis nicht vor dem 25. März 2010 iSv. § 18 Satz 1 WO bekannt gemacht sein kann, mit ihrer am 6. April 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift fristgerecht innerhalb der zweiwöchigen Anfechtungsfrist nach § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG angefochten. Auch ein innerhalb der Frist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG bei einem örtlich unzuständigen Arbeitsgericht eingegangener Anfechtungsantrag wahrt die Anfechtungsfrist(vgl. für die Anfechtungsfrist bei der Wahl der Arbeitnehmervertreter für den Aufsichtsrat BAG 15. Juli 1960 - 1 ABR 3/59 - zu B II 1 der Gründe, AP BetrVG § 76 Nr. 10; zur Einhaltung der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG bei Eingang der Klage bei einem örtlich unzuständigen Arbeitsgericht und Verweisung an das örtlich zuständige Arbeitsgericht vgl. BAG 31. März 1993 - 2 AZR 467/92 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 73, 30).
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b) Entgegen der Auffassung des Regionalbetriebsrats Mitte ist der Antrag nicht deshalb unzulässig, weil (vorangegangene) Wahlen von Betriebsräten in anderen nach dem TV EBS 2004 gebildeten Regionen unangefochten geblieben sind. Ungeachtet dessen, dass die auf der Grundlage des TV EBS 2004 im März 2010 durchgeführten Wahlen in den Regionen Süd 2 und West 2 gleichfalls angefochten worden sind, ist die Zulässigkeit einer Wahlanfechtung wegen Verkennung des tarifvertraglich gewillkürten Betriebsbegriffs nicht davon abhängig, dass alle Wahlen in den gebildeten Organisationseinheiten angegriffen werden. Dies gilt umso mehr, wenn die Wahlen nicht zeitgleich, sondern - wie hier wegen der Wahlzeitpunkte in den Regionen Nord und West 1 - zeitlich versetzt stattgefunden haben (vgl. BAG 21. September 2011 - 7 ABR 54/10 - Rn. 20 bis 23, AP BetrVG 1972 § 3 Nr. 9 = EzA BetrVG 2001 § 3 Nr. 5).
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2. Die Wahlanfechtung ist begründet. Bei der Wahl des Regionalbetriebsrats Mitte wurde der Betriebsbegriff verkannt. Die Wahl hätte nicht in der nach dem TV EBS 2004 festgelegten Wahlregion Mitte durchgeführt werden dürfen. Der TV EBS 2004 ist unwirksam. Er entspricht nicht den Erfordernissen des § 3 Abs. 1 BetrVG. Offenbleiben kann, ob er auch wegen Verstoßes gegen das Gebot der Normenklarheit und Bestimmtheit insgesamt unwirksam wäre.
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a) Nach § 19 Abs. 1 BetrVG kann die Wahl eines Betriebsrats angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, durch den Verstoß konnte das Wahlergebnis nicht verändert oder beeinflusst werden. Ein solcher Verstoß liegt ua. vor, wenn bei der Wahl der betriebsverfassungsrechtliche Betriebsbegriff verkannt wurde (vgl. BAG 19. November 2003 - 7 ABR 25/03 - zu C I 1 der Gründe mwN, AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 55 = EzA BetrVG 2001 § 19 Nr. 1). Gleiches gilt, wenn eine Betriebsratswahl unter Anwendung eines unwirksamen Tarifvertrags nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BetrVG durchgeführt wurde(vgl. BAG 29. Juli 2009 - 7 ABR 27/08 - Rn. 11, BAGE 131, 277) oder der Wahlvorstand bei der Anwendung eines wirksamen Tarifvertrags nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BetrVG die danach maßgebliche betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit verkannt hat(vgl. BAG 21. September 2011 - 7 ABR 54/10 - Rn. 29, AP BetrVG 1972 § 3 Nr. 9 = EzA BetrVG 2001 § 3 Nr. 5).
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b) Hiernach ist die streitbefangene Wahl anfechtbar. Sie hat unter Anwendung eines unwirksamen Tarifvertrags stattgefunden. Der TV EBS 2004 legt von der gesetzlichen Betriebsverfassung abweichende Strukturen fest, ohne den hierfür vorgesehenen gesetzlichen Voraussetzungen zu genügen.
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aa) Der TV EBS 2004 bestimmt andere als die gesetzlichen Betriebsverfassungsstrukturen.
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(1) Die Wahl von Betriebsräten erfolgt nach § 1 Abs. 1 BetrVG grundsätzlich in den Betrieben. § 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und § 4 BetrVG enthalten Regelungen zu gemeinsamen Betrieben mehrerer Unternehmen und zu Betriebsteilen und Kleinstbetrieben.
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(2) Hiervon abweichend sind im TV EBS 2004 Organisationseinheiten festgelegt, in denen Regionalbetriebsräte gewählt werden. Die Organisationseinheiten sind geografisch-regional bezeichnet und einerseits statisch durch die Aufzählung der der jeweiligen Region zugehörigen Betriebsstätten (vgl. § 3 Satz 1 und Satz 2 TV EBS 2004 iVm. dessen Anlage (1)), andererseits dynamisch durch die Bestimmungen über neu hinzukommende Betriebsstätten (vgl. § 3 Satz 3 bis 5 TV EBS 2004) beschrieben. Nach der Anlage (1) zum TV EBS 2004 sind in den Regionen Nord, Mitte und West 2 Betriebsstätten jeweils zweier Unternehmen zusammengefasst. Außerdem wird gemäß § 5 TV EBS 2004 „für die vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrages erfassten Unternehmen“ - also nach § 1 letzter Punkt des TV EBS 2004 für die den Tarifvertrag schließenden Unternehmen - ein einheitlicher Gesamtbetriebsrat „im Sinne des § 47 Abs. 1 BetrVG errichtet“. Auch diese Bildung eines unternehmensübergreifenden Gesamtbetriebsrats weicht von der gesetzlichen Betriebsverfassung ab (vgl. zu einem Verstoß gegen § 47 BetrVG bei der gemeinsamen Bildung eines Gesamtbetriebsrats für verschiedene Unternehmen BAG 17. März 2010 - 7 AZR 706/08 - Rn. 15 ff., AP BetrVG 1972 § 47 Nr. 18 = EzA BetrVG 2001 § 47 Nr. 5 im Anschluss an BAG 13. Februar 2007 - 1 AZR 184/06 - Rn. 19 mwN, BAGE 121, 168).
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bb) Die abweichenden Regelungen sind unwirksam. Der TV EBS 2004 entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 3 Abs. 1 BetrVG.
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(1) Die Möglichkeit einer vom Gesetz abweichenden Ausgestaltung der Repräsentationsstrukturen der Arbeitnehmer in der Betriebsverfassung ist den Tarifvertragsparteien nur in dem durch § 3 Abs. 1 BetrVG bestimmten Umfang eröffnet. Danach können durch Tarifvertrag unter bestimmten Voraussetzungen unternehmenseinheitliche oder betriebsübergreifende Betriebsräte (Nr. 1 Buchst. a und Buchst. b), Spartenbetriebsräte (Nr. 2) oder andere Arbeitnehmervertretungsstrukturen (Nr. 3) bestimmt werden. Die vereinbarten Tarifnormen gelten auch für die Arbeitnehmer, die nicht Mitglieder der abschließenden Gewerkschaft sind. Nach § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 2 TVG ist für die unmittelbare und zwingende Wirkung von betriebsverfassungsrechtlichen Tarifnormen die Tarifbindung des Arbeitgebers ausreichend(vgl. BAG 29. Juli 2009 - 7 ABR 27/08 - Rn. 15, BAGE 131, 277). § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BetrVG ist verfassungsgemäß. Die Vorschrift verstößt nicht gegen die negative Koalitionsfreiheit der nicht oder anders organisierten Arbeitnehmer und beruht auf einer ausreichend legitimierten Delegation staatlicher Normsetzungsbefugnisse (ausf. BAG 29. Juli 2009 - 7 ABR 27/08 - Rn. 16 ff., aaO). Die betriebsverfassungsrechtlichen Tarifnormen treten in ihrem Geltungsbereich aber nur dann an die Stelle der im Betriebsverfassungsgesetz enthaltenen organisatorischen Bestimmungen, wenn sie den Anforderungen des § 3 Abs. 1 BetrVG genügen. Die Gültigkeit eines nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BetrVG abgeschlossenen Tarifvertrags unterliegt der Kontrolle durch die Gerichte für Arbeitssachen, die bei der Auslegung und der Anwendung der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BetrVG verwandten unbestimmten Rechtsbegriffe die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Delegation staatlicher Normsetzungsbefugnis an die Tarifvertragsparteien ebenso berücksichtigen müssen, wie die sich aus der Betriebsverfassung ergebenden Grundsätze für die Bildung demokratisch legitimierter Arbeitnehmervertretungen(ausf. BAG 29. Juli 2009 - 7 ABR 27/08 - Rn. 22, aaO).
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(2) Der TV EBS 2004 genügt nicht den Voraussetzungen der von den Tarifvertragsparteien in Anspruch genommenen Gestaltungsbefugnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG.
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(a) Der TV EBS 2004 muss den Anforderungen des § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG entsprechen. Es handelt sich nicht um einen Tarifvertrag iSv. § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, denn er legt keine Spartenbetriebsräte fest. Auch die Gestaltungsmöglichkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist mit der im TV EBS 2004 vereinbarten Betriebsrats- und Gesamtbetriebsratsstruktur von vornherein überschritten.
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(aa) Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG kann durch Tarifvertrag für Unternehmen mit mehreren Betrieben die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats(Buchst. a) oder die Zusammenfassung von Betrieben (Buchst. b) bestimmt werden, wenn dies die Bildung von Betriebsräten erleichtert oder einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient. Die Gestaltungsmöglichkeiten beziehen sich nach dem Wortlaut von § 3 Abs. 1 Nr. 1 Eingangssatz BetrVG auf „Unternehmen“. Sie eröffnen damit keine Dispositionsbefugnis der Tarifvertragsparteien zur Festlegung unternehmensübergreifender Repräsentationseinheiten, selbst wenn ein Unternehmen gemeinsam mit einem anderen Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb führt (vgl. BAG 10. November 2004 - 7 ABR 17/04 - zu B I 3 b bb (1) der Gründe, AP BetrVG 1972 § 3 Nr. 4 = EzA BetrVG 2001 § 3 Nr. 1, wo die Bildung von unternehmensübergreifenden „Standortbetriebsräten” in einem näher bezeichneten Tarifvertrag als allein nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG in Betracht kommend beurteilt worden ist; so auch Franzen GK-BetrVG 9. Aufl. § 3 Rn. 10; Fitting 26. Aufl. § 3 Rn. 27, 33; H/S/W/G/N/R-Rose 8. Aufl. § 3 Rn. 47; Richardi in Richardi BetrVG 13. Aufl. § 3 Rn. 18; WPK/Preis BetrVG 4. Aufl. § 3 Rn. 10; aA - allerdings nur zum unternehmenseinheitlichen Betriebsrat iSv. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a BetrVG - ErfK/Koch 13. Aufl. § 3 BetrVG Rn. 3; vgl. auch HaKo-BetrVG/Kloppenburg 3. Aufl. § 3 Rn. 33; DKKW-Trümner 13. Aufl. § 3 Rn. 47, allerdings unter Rn. 48 ff. auch ablehnend zur Begründung eines Gemeinschaftsbetriebs durch Zuordnungstarifvertrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG; sogar dies halten wiederum wohl für denkbar Löwisch/Kaiser BetrVG 6. Aufl. § 3 Rn. 6). Ebenso erfasst § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht die Bildung eines unternehmensübergreifenden Gesamtbetriebsrats.
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(bb) Der TV EBS 2004 fasst nicht Betriebsstätten eines Unternehmens, sondern solche mehrerer Unternehmen zusammen, wie es in einigen Wahlregionen in seiner Anlage (1) explizit festgelegt und im Hinblick auf neu hinzukommende Betriebsstätten auch in anderen Wahlregionen jederzeit möglich ist. Außerdem installiert der TV EBS 2004 einen unternehmensübergreifenden Gesamtbetriebsrat. Diese Tarifbestimmungen sind nur nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG und nicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG möglich.
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(b) Der TV EBS 2004 entspricht nicht der mit § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG eröffneten Gestaltungsbefugnis. Deren Tatbestandsvoraussetzung lag bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des TV EBS 2004 nicht vor.
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(aa) Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG können durch Tarifvertrag „andere Arbeitnehmervertretungsstrukturen“ bestimmt werden, „soweit dies insbesondere aufgrund der Betriebs-, Unternehmens- oder Konzernorganisation oder aufgrund anderer Formen der Zusammenarbeit von Unternehmen einer wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer dient“. Hierbei kommt den Tarifvertragsparteien - ebenso wie bei § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BetrVG - ein Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zu. Allerdings ist mit § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG die Organisation der Betriebsverfassung nicht gänzlich in die Disposition der Tarifvertragsparteien gestellt. § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ermöglicht tarifvertragliche Vereinbarungen vielmehr nur insoweit, als sie den Voraussetzungen der gesetzlichen Öffnungsklausel entsprechen. Die Voraussetzungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG sind von denen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BetrVG abzugrenzen. Erforderlich ist für § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ein Zusammenhang zwischen vornehmlich organisatorischen oder kooperativen Spezifika auf Arbeitgeberseite und wirksamer sowie zweckmäßiger Interessenvertretung der Arbeitnehmer. Die vereinbarte Struktur muss im Hinblick auf diesen Zusammenhang zur Vertretung der Arbeitnehmerinteressen „besser geeignet“ sein als die gesetzliche. Dieses Verständnis folgt aus einer am Wortlaut und der Systematik, vor allem aber an Sinn und Zweck orientierten Auslegung von § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG, für die auch verfassungsrechtliche Gründe streiten.
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(aaa) Bereits der in § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG verwendete Ausdruck „aufgrund“ macht deutlich, dass zwischen der Errichtung anderer Arbeitnehmervertretungsstrukturen einerseits und der „Betriebs-, Unternehmens- oder Konzernorganisation“ oder „anderer Formen der Zusammenarbeit von Unternehmen“ andererseits notwendig ein Kausalzusammenhang bestehen muss. Aus der Verwendung des Wortes „insbesondere“ ergibt sich zwar, dass die Umstände, die eine Vereinbarung alternativer Arbeitnehmervertretungsstrukturen veranlassen können, nicht abschließend beschrieben sind. Sie müssen aber mit den in § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG genannten Gegebenheiten wertungsmäßig vergleichbar sein.
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(bbb) Systematisch ist es geboten, die Voraussetzungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG von denen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BetrVG abzugrenzen. Nach Nrn. 1 und 2 des § 3 Abs. 1 BetrVG ist den Tarifvertragsparteien eine Regelungsbefugnis eröffnet, wenn dies die Bildung von Betriebsräten erleichtert oder einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer(Nr. 1) bzw. der Aufgaben des Betriebsrats (Nr. 2) dient. Im Unterschied hierzu knüpft § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG an besondere Umstände - vornehmlich betriebs-, unternehmens- oder konzernbezogene organisatorische oder unternehmenskooperative Rahmenbedingungen - an. Die Nrn. 1 und 2 von § 3 Abs. 1 BetrVG wären überflüssig, wenn seiner Nr. 3 kein davon abzugrenzender Regelungsgehalt zukäme.
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(ccc) Sinn und Zweck von § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG gehen nicht dahin, den Tarifvertragsparteien die gesetzlichen Arbeitnehmervertretungsstrukturen zur freien Disposition zu stellen. Vielmehr geht es darum, in besonderen Konstellationen, in denen sich die im BetrVG vorgesehene Organisation für eine wirksame und zweckmäßige Interessenvertretung der Arbeitnehmer als nicht ausreichend erweist, die Möglichkeit zu eröffnen, in einem Tarifvertrag durch eine Änderung der Strukturen der Arbeitnehmervertretung für Abhilfe zu sorgen (so auch Fitting 26. Aufl. § 3 Rn. 48). Sinn und Zweck gebieten daher ein Verständnis dahingehend, dass die wirksame und zweckmäßige Interessenvertretung der Arbeitnehmer eine Relation zu den in der Norm beschriebenen organisatorischen oder kooperativen oder ähnlichen Besonderheiten aufweisen muss. Mit § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG soll die Möglichkeit eröffnet sein, „über die in Nummer 1 und 2 genannten speziellen Fälle hinaus auch dort eine wirksame und zweckmäßige Interessenvertretung der Arbeitnehmer zu errichten, wo dies aufgrund von Sonderformen der Betriebs-, Unternehmens- oder Konzernorganisation oder der Zusammenarbeit von Unternehmen in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht generell mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist. … Darüber hinaus hat die Regelung den Sinn, den Tarifvertragsparteien zu ermöglichen, auf zukünftige neue Entwicklungen von Unternehmensstrukturen in Produktion und Dienstleistung angemessen zu reagieren und entsprechende Arbeitnehmervertretungssysteme errichten zu können, ohne dabei auf ein Tätigwerden des Gesetzgebers angewiesen zu sein“ (vgl. BT-Drucks. 14/5741 S. 34). Der mit dem Ziel einer Flexibilisierung erklärte Regelungsgehalt ist damit einerseits durch einen Bezug zum gesetzlichen Vertretungsmodell beschrieben: Die mit dem Betriebsverfassungsgesetz verfolgten Zwecke müssen innerhalb einer alternativen Repräsentationsstruktur besser erreicht werden können als im Rahmen des gesetzlichen Vertretungsmodells (so auch zB Annuß NZA 2002, 290, 292; ErfK/Koch 13. Aufl. § 3 BetrVG Rn. 6; Franzen GK-BetrVG 9. Aufl. § 3 Rn. 22; Kania/Klemm RdA 2006, 22, 23). Andererseits ist ein Bedürfnis nach alternativen Arbeitnehmervertretungsstrukturen nur insoweit anerkannt, als aufgrund bestimmter - vornehmlich organisatorischer oder funktionaler - Rahmenbedingungen die Errichtung einer wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung rechtlich oder tatsächlich „generell mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist“.
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(ddd) Verfassungsrechtlich ist es angezeigt, die materiellen Anforderungen an einen Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG nicht allzu weit zu verstehen. Durch einen solchen Tarifvertrag werden auch Arbeitnehmer einer vom Gesetz abweichenden Arbeitnehmervertretungsstruktur unterworfen, gegenüber denen die Geltung des Tarifvertrags nicht mitgliedschaftlich legitimiert ist. Dies ist zwar grundsätzlich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. im einzelnen BAG 29. Juli 2009 - 7 ABR 27/08 - Rn. 19 ff., BAGE 131, 277). Die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit beruht aber gerade auf dem Umstand, dass § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG inhaltliche Anforderungen an den Tarifvertrag stellt, deren Erfüllung die Gerichte für Arbeitssachen überprüfen können(BAG 29. Juli 2009 - 7 ABR 27/08 - Rn. 22, aaO).
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(bb) Gemessen an diesem Normverständnis entspricht die in dem TV EBS 2004 festgelegte andere Arbeitnehmervertretungsstruktur nicht der Voraussetzung von § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Auch unter Berücksichtigung des den Tarifvertragsparteien zustehenden Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums ist nicht erkennbar, dass die Bildung von Regionalbetriebsräten und die Errichtung eines unternehmensübergreifenden Gesamtbetriebsrats einen Bezug zu organisatorischen, kooperativen oder in ihrer Wertung ähnlichen Rahmenbedingungen auf Seiten der den TV EBS 2004 schließenden Unternehmen aufweisen. Im Gegenteil: Genau der Aspekt, der für die Dienlichkeit der Tarifgestaltung streiten könnte, lag bei Abschluss des TV EBS 2004 nicht (mehr) vor. In diesem Zeitpunkt war die Regionalstruktur und Regionalleitungsebene der beteiligten Unternehmen aufgegeben. Die offensichtlich von den Tarifvertragsparteien noch mit dem TV EBS 2002 bezweckte Kongruenz von Regionalbetriebsräten und tatsächlichen Entscheidungsträgern auf Seiten der Unternehmen war damit von vornherein nicht - mehr - zu erreichen.
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cc) Danach kann unentschieden bleiben, ob der TV EBS 2004 dem Gebot der Bestimmtheit und Normenklarheit entspricht (hierzu allg. [mit Bezug auf einen Zuordnungstarifvertrag] BAG 21. September 2011 - 7 ABR 54/10 - Rn. 36 mwN, AP BetrVG 1972 § 3 Nr. 9 = EzA BetrVG 2001 § 3 Nr. 5). Ungeachtet der Frage, ob sich dies auf den gesamten TV EBS 2004 auswirken würde, liegt allerdings eine Unbestimmtheit von § 3 Satz 3 und Satz 5 TV EBS 2004 nicht fern. Die Tarifbestimmungen ordnen neu hinzukommende Betriebsstätten - zu unterschiedlichen Zeitpunkten - „den jeweiligen Regionen“ zu. Die Regionen sind im TV EBS 2004 iVm. seiner Anlage (1) aber lediglich durch Himmelsrichtungen - zT mit weiteren numerischen Unterteilungen - sowie bereits zugeordnete Betriebsstätten beschrieben und nicht etwa durch geografische Grenzen festgelegt. Es dürfte daher nicht bei jeder hinzukommenden Betriebsstätte klar sein, welche Region die „jeweilige“ sein soll. Diese Unwägbarkeit relativierte sich auch nicht durch ein Verständnis von § 3 Satz 3 und Satz 5 TV EBS 2004 dahingehend, die „jeweilige“ richtige Region in Abhängigkeit von der arbeitgeberseitigen Leitungszuständigkeit zu bestimmen, denn eben diese Regionalleitungsstruktur war bereits seit 1. April 2004 aufgegeben.
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III. Der nur für den Fall des Unterliegens mit dem Wahlanfechtungsantrag gestellte Antrag zu 3. ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen.
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Linsenmaier
Kiel
Schmidt
Bea
Strippelmann
(1) Der Gesamtbetriebsrat ist zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können; seine Zuständigkeit erstreckt sich insoweit auch auf Betriebe ohne Betriebsrat. Er ist den einzelnen Betriebsräten nicht übergeordnet.
(2) Der Betriebsrat kann mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder den Gesamtbetriebsrat beauftragen, eine Angelegenheit für ihn zu behandeln. Der Betriebsrat kann sich dabei die Entscheidungsbefugnis vorbehalten. § 27 Abs. 2 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(1) Durch Tarifvertrag können bestimmt werden:
- 1.
für Unternehmen mit mehreren Betrieben - a)
die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats oder - b)
die Zusammenfassung von Betrieben,
wenn dies die Bildung von Betriebsräten erleichtert oder einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient; - 2.
für Unternehmen und Konzerne, soweit sie nach produkt- oder projektbezogenen Geschäftsbereichen (Sparten) organisiert sind und die Leitung der Sparte auch Entscheidungen in beteiligungspflichtigen Angelegenheiten trifft, die Bildung von Betriebsräten in den Sparten (Spartenbetriebsräte), wenn dies der sachgerechten Wahrnehmung der Aufgaben des Betriebsrats dient; - 3.
andere Arbeitnehmervertretungsstrukturen, soweit dies insbesondere aufgrund der Betriebs-, Unternehmens- oder Konzernorganisation oder aufgrund anderer Formen der Zusammenarbeit von Unternehmen einer wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer dient; - 4.
zusätzliche betriebsverfassungsrechtliche Gremien (Arbeitsgemeinschaften), die der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit von Arbeitnehmervertretungen dienen; - 5.
zusätzliche betriebsverfassungsrechtliche Vertretungen der Arbeitnehmer, die die Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Arbeitnehmern erleichtern.
(2) Besteht in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 2, 4 oder 5 keine tarifliche Regelung und gilt auch kein anderer Tarifvertrag, kann die Regelung durch Betriebsvereinbarung getroffen werden.
(3) Besteht im Fall des Absatzes 1 Nr. 1 Buchstabe a keine tarifliche Regelung und besteht in dem Unternehmen kein Betriebsrat, können die Arbeitnehmer mit Stimmenmehrheit die Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats beschließen. Die Abstimmung kann von mindestens drei wahlberechtigten Arbeitnehmern des Unternehmens oder einer im Unternehmen vertretenen Gewerkschaft veranlasst werden.
(4) Sofern der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nichts anderes bestimmt, sind Regelungen nach Absatz 1 Nr. 1 bis 3 erstmals bei der nächsten regelmäßigen Betriebsratswahl anzuwenden, es sei denn, es besteht kein Betriebsrat oder es ist aus anderen Gründen eine Neuwahl des Betriebsrats erforderlich. Sieht der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung einen anderen Wahlzeitpunkt vor, endet die Amtszeit bestehender Betriebsräte, die durch die Regelungen nach Absatz 1 Nr. 1 bis 3 entfallen, mit Bekanntgabe des Wahlergebnisses.
(5) Die aufgrund eines Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung nach Absatz 1 Nr. 1 bis 3 gebildeten betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten gelten als Betriebe im Sinne dieses Gesetzes. Auf die in ihnen gebildeten Arbeitnehmervertretungen finden die Vorschriften über die Rechte und Pflichten des Betriebsrats und die Rechtsstellung seiner Mitglieder Anwendung.
(1) Gegen den das Verfahren beendenden Beschluß eines Landesarbeitsgerichts findet die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Beschluß des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 92a Satz 2 zugelassen wird. § 72 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des § 85 Abs. 2 findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.
(2) Für das Rechtsbeschwerdeverfahren gelten die für das Revisionsverfahren maßgebenden Vorschriften sowie die Vorschrift des § 85 über die Zwangsvollstreckung entsprechend, soweit sich aus den §§ 93 bis 96 nichts anderes ergibt. Für die Vertretung der Beteiligten gilt § 11 Abs. 1 bis 3 und 5 entsprechend. Der Antrag kann jederzeit mit Zustimmung der anderen Beteiligten zurückgenommen werden; § 81 Abs. 2 Satz 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Die Einlegung der Rechtsbeschwerde hat aufschiebende Wirkung. § 85 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.