Landesarbeitsgericht Hamburg Urteil, 12. Dez. 2016 - 8 Sa 43/15

bei uns veröffentlicht am12.12.2016

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 30.06.2015 (9 Ca 600/14) abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 784,-- brutto nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 01.12.2014 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2014.

2

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 01.07.1999 im Rahmen eines Arbeitsvertrages als Datenerfasserin tätig. Die Beklagte zahlt ihr Arbeitsvergütung in Höhe von € 1.568,70 brutto monatlich. In § 3 des Arbeitsvertrages (Anlage K 1, Bl. 6f d. A.) heißt es unter der Überschrift „Entgelt“ unter anderem:

3

„Zusätzlich zum Grundgehalt wird nach Ablauf der Probezeit – als freiwillige Leistung eine Weihnachtsgratifikation gezahlt, deren Höhe jeweils jährlich durch den Arbeitgeber bekanntgegeben wird und deren Höhe derzeit ein halbes Monatsgehalt nicht übersteigt. Sofern das Arbeitsverhältnis vor dem 01. April eines Jahres begonnen hat, soll auf die vorstehende Gratifikation im Juni dieses Jahres ein Vorschuß in Höhe von bis zu einem halben Monatsgehalt gezahlt werden. Sofern zwischen Beginn des Arbeitsverhältnisses und dem 30. November eines Jahres weniger als 11 Monate liegen, beträgt die Gratifikation 1/12 für jeden Monat des Arbeitsverhältnisses.

4

Endet das Arbeitsverhältnis bis zum 31.03. des Folgejahres, ist das Unternehmen berechtigt, die geleistete Gratifikation von der letzten Gehaltszahlung … einzubehalten …“

5

Der Klägerin wurde bis einschließlich 2013 jedes Jahr ein volles Bruttomonatsgehalt hälftig mit der Abrechnung im Mai und hälftig mit der Abrechnung im November ausgezahlt. Im Mai 2014 erhielt die Klägerin einen Betrag von € 784,00 brutto, welcher in der Gehaltsabrechnung (Anl. K 3, Bl. 14 d.A.) als „Abschl. J-Gratifikation“ bezeichnet wurde. Mit Schreiben von Oktober 2014 (Anl. K 2, Bl. 12 d.A.) informierte die Beklagte u.a. die Klägerin darüber, dass aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Lage die Zahlung des zweiten Teils der Jahresgratifikation mit der Novemberabrechnung 2014 nicht erfolgen könne.

6

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass ihr für 2014 ein volles Gehalt als Weihnachtsgratifikation zustehe, sodass die Beklagte verpflichtet gewesen sei, ihr im November 2014 die zweite Hälfte des Gehalts zu zahlen. Der Freiwilligkeitsvorbehalt des Arbeitsvertrages sei intransparent. Die Beklagte müsse die für sie ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen. Durch die Abrechnung eines halben Monatsgehalts als Abschlag im Mai habe die Beklagte bekannt gegeben, dass die Gratifikation im Jahr 2014 insgesamt ein volles Monatsgehalt betragen werde. An diese Erklärung sei die Beklagte gebunden. Der Anspruch bestehe auch unter dem Gesichtspunkt einer betrieblichen Übung.

7

Die Klägerin hat beantragt,

8

die Beklagte zu verurteilen, an sie € 784,- brutto zuzüglich Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2014 zu zahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Die Beklagte hat vorgetragen, der Freiwilligkeitsvorbehalt sei zwar nicht wirksam. Demzufolge sei sie verpflichtet, eine Weihnachtsgratifikation zu zahlen. § 3 enthalte jedoch – rechtlich wirksam – ein Leistungsbestimmungsrecht. Dieses müsse nach billigem Ermessen ausgeübt werden. Genau das habe sie getan. Sie habe entschieden, für das Jahr 2014 die Weihnachtsgratifikation auf 50 % eines vollen Monatsgehalts festzusetzen. Ihr Geschäftsergebnis sei seit Jahren rückläufig, 2014 habe erstmals ein Abrutschen in die Verlustzone gedroht.

12

Das Arbeitsgericht Hamburg hat die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe (Bl. 55 – 58 d.A.) wird Bezug genommen.

13

Gegen das am 30.06.2015 verkündete und dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 22.07.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 31.07.2015 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 22.10.2015 am 16.10.2015 begründet.

14

Die Klägerin vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen: § 3 des Arbeitsvertrags sei so auszulegen, dass eine Weihnachtsgratifikation mindestens in Höhe eines vollen Monatsgehaltes von der Beklagten zu zahlen sei. Indem die Beklagte im Mai 2014 einen Abschlag gezahlt habe, habe sie eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass eine weitere Zahlung folgen werde.

15

Die Klägerin beantragt,

16

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hamburg vom 30.05.2015 (9 Ca 600/14) die Beklagte zu verurteilen, an sie € 784,- brutto zuzüglich Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.12.2014 zu zahlen.

17

Die Beklagte beantragt,

18

die Berufung zurückzuweisen.

19

Sie ist weiterhin der Ansicht, dass die Bestimmung der Anspruchshöhe ihr vorbehalten sei. Dieses Leistungsbestimmungsrecht habe sie durch die Zahlung im Mai 2014 eindeutig nicht ausgeübt. Es habe sich explizit um eine Abschlagzahlung gehandelt, so dass erkennbar gewesen sei, dass die Bestimmung der endgültigen Höhe der Leistung für 2014 noch erfolgen werde. Die Beklagte habe die endgültige Höhe der Leistung immer erst am Ende des Jahres ausgeübt. Die Höhe der Leistungsbestimmung in den Vorjahren binde sich nicht.

20

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

21

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Der Anspruch der Klägerin auf eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines vollen Bruttomonatsgehalts für 2014 folgt aus § 3 I des Anstellungsvertrags i.V.m. § 315 BGB.

22

Die Kammer folgt nach eigener Prüfung der Rechtsprechung der Kammer 5 des Landesarbeitsgerichts Hamburg im Urteil vom 03.02.2016 (5 Sa 43/15). Danach gilt Folgendes:

23

Die Beklagte hat durch die Zahlung eines Abschlags im Mai 2014 – wie in den Vorjahren – zum Ausdruck gebracht, dass die Höhe der Weihnachtsgratifikation auch im Jahre 2014 ein Gehalt betragen werde. Sie hat damit ihr Recht zur Leistungsbestimmung i.S.v. § 315 II BGB ausgeübt. Dies ergibt sich aus der Auslegung des § 3 des Vertrages der Parteien sowie des darauf beruhenden Verhaltens der Beklagten. Im Einzelnen:

24

1. Allgemeine Vertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Zwecke gelten (BAG v. 17.04. 2013 – 10 AZR 281/12 – juris).

25

Bei Anwendung dieser Auslegungsgrundsätze ergibt sich für das Verständnis von § 3 des Vertrages der Parteien insgesamt Folgendes:

26

a. Nach der Rechtsprechung des BAG kann ein Freiwilligkeitsvorbehalt zweierlei bedeuten: Einerseits kann er das Entstehen eines Rechtsanspruchs auf eine künftige Sonderzahlung wirksam verhindern (BAG v. 08.12.2010 – 10 AZR 671/09). Der Arbeitgeber kann – außer bei laufendem Arbeitsentgelt (vgl. BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06) – einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers grundsätzlich ausschließen und sich eine Entscheidung vorbehalten, ob und in welcher Höhe er zukünftig Sonderzahlungen gewährt. Der Begriff „freiwillig" im Zusammenhang mit einer Sonderzahlung bringt andererseits regelmäßig lediglich zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber nicht bereits durch Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung zur Zahlung verpflichtet ist. Er genügt für sich genommen nicht, um einen Rechtsanspruch auf die Leistung auszuschließen (BAG v. 13.05.2015 – 10 AZR 266/14 – juris).

27

b. Sodann ist geregelt, dass die Beklagte jährlich zu einem nicht mitgeteilten Zeitpunkt die Höhe der Weihnachtsgratifikation bekannt gibt und damit – unausgesprochen – auch über deren Höhe entscheidet, wobei es nur hinsichtlich der Maximalhöhe eine Regelung gibt, nämlich – im Falle der Klägerin anders als in den meisten Parallelfällen – (bis auf weiteres) mindestens ein halbes Gehalt. Ob damit auch eine vollständige Streichung der Gratifikation vereinbar wäre, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.

28

c. § 3 steht unter der Überschrift Entgelt. Aus § 3 III des Vertrages ergibt sich eine weitere Voraussetzung für den Anspruch, eine Stichtagsregelung. Allerdings ist der Anspruch auf die Weihnachtsgratifikation nicht nur ans Bestehen des Arbeitsverhältnisses im ersten Quartal des Folgejahres geknüpft, es findet sich in § 3 II des Vertrages die Option einer zeitanteiligen Kürzung, für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis nicht im ganzen Jahr besteht. Daraus ergibt sich, dass die Gratifikation auch Entgelt für geleistete Arbeit im Bezugszeitraum sein soll. Die Weihnachtsgratifikation weist damit einen Mischcharakter zwischen Arbeitsentgelt und Treueprämie auf (vgl. BAG v. 18.01.2012 – 10 AZR 667/10 – juris).

29

2. Ob § 3 des Arbeitsvertrages mit diesem durch Auslegung ermittelten Inhalt – insbesondere der Kombination der verschiedenen Bestandteile (vgl. BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10 – juris) – einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhält, kann offen bleiben, denn auch bei unterstellter Wirksamkeit der Klausel ist der Anspruch der Klägerin begründet. Die Beklagte könnte sich nämlich als Verwenderin nicht auf eine etwaige Unwirksamkeit der Klausel berufen. Die Inhaltskontrolle schafft lediglich einen Ausgleich für die einseitige Inanspruchnahme der Vertragsfreiheit durch den Klauselverwender, sie dient aber nicht dem Schutz des Klauselverwenders vor den von ihm selbst eingeführten Formularbestimmungen (BAG v. 27.10.2005 – 8 AZR 3/05 – juris). Soweit der Beklagten ein Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt ist, hat sie dieses also für das Jahr 2014 gemäß § 315 II BGB ausgeübt und sich zur Zahlung eines ungekürzten Gehaltes verpflichtet.

30

a. Insoweit ist von folgenden Rechtsgrundsätzen auszugehen: Die Leistungsbestimmung gemäß § 315 II BGB erfolgt durch empfangsbedürftige Willenserklärung. Als Willenserklärung ist sie so auszulegen, wie der Erklärungsempfänger sie nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte von seinem Empfängerhorizont aus verstehen musste. Dies gilt nicht nur hinsichtlich des Inhalts der Erklärung, sondern auch hinsichtlich der Frage, ob eine Erklärung überhaupt als Willenserklärung und somit als Leistungsbestimmung zu werten ist (LAG Hessen v. 20.09.2010 – 7 Sa 2082/09 – juris). Die Wirksamkeit der Gestaltungserklärung setzt nach § 315 keine Begründung der Leistungsbestimmung voraus. Aus sich heraus nachvollziehbar muss die Erklärung des Berechtigten zwar sein – aber nur insofern, als sie nach gebotener Auslegung das Bestimmtheitsdefizit des bestimmungsoffenen Rechtsgeschäfts auffüllen muss. Das aber heißt: Die Willenserklärung muss allein die zu bestimmende Leistung (oder andere Vertragsinhalte) angeben – nicht aber die „Billigkeitsgrundlagen“, also die Entscheidungsmotive des Leistungsbestimmers.

31

Eine Teilleistungsbestimmung ist nur zulässig, wenn das ausbedungen ist (BAG v. 26.09.2012 – 10 AZR 370/11 – juris; Staudinger/ Rieble (2015) BGB § 315, Tz. 299).

32

b. Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze bedeutet dies – dem LAG Hamburg in der Sache 7 Sa 42/15 folgend -, dass die Beklagte im Jahr 2014 gegenüber der Klägerin durch die Gehaltsabrechnung im Mai 2014 – und entsprechende Zahlung – bekannt gegeben hat, dass sie wiederum eine Gratifikation wie in den vergangenen Jahren zahlen wird, nämlich in Höhe eines ganzen Gehalts, indem – wie seit Anfang der Neunzigerjahre, also seit über 20 Jahren – im Mai ein halbes Gehalt als (hälftige) Gratifikation abgerechnet und gezahlt wurde, ohne dass ein Vorbehalt dahingehend erklärt worden war, dass eine Leistungsbestimmung für das Jahr 2014 noch nicht erfolgt sei und man sich vorbehalte, hierüber endgültig erst Ende des Jahres zu entscheiden. Aus diesem Verhalten der Beklagten konnte die Klägerin – als Empfängerin der konkludenten Erklärung – schließen, dass sich die Beklagte wie in den vergangenen Jahren verhalten und am Jahresende die zweite Hälfte der Gratifikation entsprechend der Höhe der ersten Hälfte der Gratifikation aus Mai 2014 zahlen werde und von ihrem Leistungsbestimmungsrecht für das Jahr 2014 vor der Zahlung im Mai 2014 bereits Gebrauch gemacht hat.

33

Zwar ist der Beklagten zuzugestehen, dass sie die Leistungsbestimmung nicht bereits vor der Zahlung der ersten Hälfte der Gratifikation vornehmen muss, sondern sich dies bis zur Zahlung im November vorbehalten kann. Allerdings muss dies dann entsprechend gegenüber den Mitarbeitern kommuniziert und verdeutlicht werden. Dem steht auch die Regelung in § 3 S. 3 des Arbeitsvertrags nicht entgegen, wonach im Juni des Jahres ein Vorschuss gezahlt werden soll, sofern das Arbeitsverhältnis vor dem 1. April des Jahres begonnen hat. Denn zum einen hat die Beklagte nicht im Juni, sondern im Mai die Abrechnung und Zahlung vorgenommen. Und zum anderen ist in der Gehaltsabrechnung die Zahlung nicht als Vorschuss betitelt worden, sondern als Abschlag („Abschl.“). Ein Abschlag ist aber nicht mit einem Vorschuss gleich zu setzen, sondern bedeutet in der Regel eine Zahlung auf bereits verdienten, aber noch nicht abgerechneten Arbeitslohn. Zwar ist im Mai die Gratifikation nicht nur gezahlt, sondern auch abgerechnet worden, was gegen einen Abschlag und für einen Vorschuss sprechen könnte. Dennoch hat die Beklagte die Zahlung als Abschlag betitelt, woraus der Arbeitnehmer schließen kann, dass es sich um einen Abschlag auf die gesamte ihm zustehende Leistung handelt, so dass die weitere Zahlung und Abrechnung – hier die Zahlung eines weiteren halben Gehalts als Gratifikation im November 2014 – noch folgen werde.

34

Gerade weil die Beklagte die Höhe der jährlichen Gratifikation stets nur konkludent bekannt gegeben hat und sich im Jahr 2014 ebenso verhalten hat wie in den Vorjahren, durfte die Klägerin aus der vorbehaltlosen Zahlung im Mai 2014 i.V.m. der Bezeichnung als „Abschlag Jahresgratifikation“ darauf vertrauen, dass dies die Bekanntgabe der Höhe der Leistung für 2014 ist mit der Folge, dass ihr ein weiteres halbes Gehalt im November 2014 zustand. Etwas anderes hätte die Beklagte gegenüber der Klägerin deutlich machen müssen.

II.

35

Der Zinsanspruch folgt aus § 286 BGB.

III.

36

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 VI ArbGG i. V. m. § 91 ZPO.

IV.

37

Die Zulassung der Revision beruht auf. § 72 II Nr. 1 ArbGG.

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(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 12. Januar 2012 - 3 Sa 85/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine Sonderzahlung für das Jahr 2010.

2

Die Klägerin trat am 1. April 1999 in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Der Anstellungsvertrag vom 29. März 1999 regelt auszugsweise Folgendes:

        

㤠3

        

Für die Tätigkeit erhält die Mitarbeiterin während der Probezeit ein Bruttogehalt von monatlich DM 3.800,00 einschließlich der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung.

        

Nach der Probezeit beträgt das Bruttogehalt monatlich

        

DM 4.000,00

        

einschließlich der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung.

        

Mit der Gehaltszahlung sind eventuelle Überstunden abgegolten.

        

Die Bezüge werden zum Ende eines jeden Monats bargeldlos gezahlt.

        

Die Zahlung eines 13. Gehalts ist eine freiwillige Leistung der Firma, die anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt werden kann.“

3

Eine am 6. Juli 1999 getroffene „Vereinbarung zum Anstellungsvertrag vom 29.03.1999“ regelt Folgendes:

        

„Die Probezeit von sechs Monaten wird verkürzt auf vier Monate und endet somit zum 30.07.1999.

        

Die Mitarbeiterin erhält ab o. g. Datum ein mtl. Bruttogehalt von DM 4.000,00. Des Weiteren wird vereinbart, dass das 13. Monatsgehalt in Höhe von DM 4.000,00 voll gezahlt wird.“

4

Im Zusammenhang mit dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte haben die Parteien am 1. Juli 2005 vereinbart:

        

„Die Bestimmungen des Arbeitsvertrags vom 29.03.1999 zwischen Frau D und der A GmbH gelten unverändert für das neue Arbeitsverhältnis zwischen Frau D und der A GmbH & Co. KG fort. Insbesondere wird der soziale Besitzstand gewahrt.“

5

Die Klägerin hat in den Jahren 1999 bis 2003 mit der Gehaltsabrechnung für November ein „Weihnachtsgeld“ und in den Jahren 2004 bis 2009 eine „freiwillige Leistung“ in Höhe eines Novembergehalts erhalten. Sie ist zum 31. Dezember 2010 bei der Beklagten ausgeschieden. Für das Jahr 2010 hat die Klägerin keine Sonderzahlung erhalten. Sie hat die Beklagte unter Fristsetzung zum 15. Januar 2011 erfolglos zur Zahlung aufgefordert.

6

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe einen vertraglichen Anspruch auf ein 13. Gehalt, und beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.385,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Januar 2011 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und die Auffassung vertreten, aufgrund des Freiwilligkeitsvorbehalts in § 3 des Anstellungsvertrags bestehe kein Anspruch.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Klägerin hat bereits aus dem Anstellungsvertrag Anspruch auf Zahlung eines 13. Gehalts. Auf eine vom Landesarbeitsgericht als anspruchsbegründend angenommene betriebliche Übung kommt es nicht an.

10

I. Der Anspruch folgt aus § 3 Satz 5 des Anstellungsvertrags vom 29. März 1999. Danach ist die Zahlung eines 13. Gehalts eine freiwillige Leistung, die anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt werden kann. Eine Auslegung dieser Klausel ergibt unter Anwendung von § 305c Abs. 2 BGB, dass damit ein vertraglicher Anspruch auf Zahlung eines 13. Monatsgehalts begründet worden ist.

11

1. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen.

12

2. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt einer vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 15, BAGE 136, 294). Allgemeine Vertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Zwecke gelten (BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 15, aaO). Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (st. Rspr., vgl. BAG 20. Februar 2013 - 10 AZR 177/12 - Rn. 16).

13

3. Die Auslegung von § 3 Satz 5 des Anstellungsvertrags lässt mehrere Ergebnisse vertretbar erscheinen.

14

a) Denkbar ist, dass unmittelbar ein vertraglicher Anspruch auf ein 13. Gehalt begründet worden ist. Die Regelung kann nämlich wie folgt verstanden werden: „Es wird ein 13. Gehalt als freiwillige Leistung der Firma gezahlt, wobei die Leistung anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt werden kann.“

15

aa) Nach dem Wortlaut wird „die Zahlung eines 13. Gehalts“ bestimmt, ohne dass sich - für den durchschnittlichen Vertragspartner ohne Weiteres erkennbar - der Verwender die jeweilige Entscheidung über die Zahlung vorbehalten hat (etwa: „Wird ein 13. Gehalt gezahlt. …“). Ein Vorbehalt besteht ausdrücklich nur insoweit, als das 13. Gehalt anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt werden kann. Daraus mag für den durchschnittlichen Vertragspartner folgen, dass der Verwender sich die Entscheidung über die Aufteilung, nicht aber über das „Ob“ einer Zuwendung vorbehalten hat. Auch deren Höhe ist mit der Bezeichnung „13. Gehalt“ eindeutig bestimmbar.

16

bb) Unerheblich ist, dass die Zahlung eines 13. Gehalts als „freiwillige Leistung“ der Firma bezeichnet wird. Damit wird - jedenfalls unmissverständlich - nur zum Ausdruck gebracht, dass der Arbeitgeber nicht durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz zu dieser Leistung verpflichtet ist (BAG 23. Oktober 2002 - 10 AZR 48/02 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 103, 151). Der Hinweis genügt für sich genommen nicht, um einen Anspruch auf die Leistung auszuschließen (BAG 20. Februar 2013 - 10 AZR 177/12 - Rn. 17).

17

b) Gegen vorstehendes Verständnis der Klausel könnte allerdings sprechen, dass im Anstellungsvertrag nur die Zahlung „eines“ und nicht „des“ 13. Gehalts vereinbart ist. Die Verwendung eines unbestimmten Artikels in diesem Regelungszusammenhang lässt eine Auslegung vertretbar erscheinen, dass mit § 3 Satz 5 des Anstellungsvertrags ein vertraglicher Anspruch nicht unmittelbar begründet werden sollte. Der Regelung käme dann die Bedeutung zu: „Die etwaige Zahlung eines 13. Gehalts ist eine freiwillige Leistung …“ bzw. „Es kann ein 13. Gehalt als freiwillige Leistung der Firma gezahlt werden …“

18

c) Es bestehen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung, beide Auslegungsergebnisse sind nicht fernliegend. Nach § 305c Abs. 2 BGB gehen Zweifel zulasten des Verwenders. Damit greift die der Klägerin als Vertragspartnerin günstigere Auslegung. Für eine ergänzende Vertragsauslegung fehlt es bereits an einer Vertragslücke. Sie kommt entgegen der Auffassung der Revision auch deshalb nicht in Betracht, weil die Bestimmungen des Anstellungsvertrags vom 29. März 1999 zwischen den Parteien am 1. Juli 2005 und damit nach Inkrafttreten des § 305 ff. BGB ausdrücklich (erneut) vereinbart worden sind; zudem war die Unklarheitenregel bereits vor dem Jahr 2002 allgemein anerkannt (BAG 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 19; 26. Januar 2005 - 10 AZR 331/04 - zu II 2 c bb (3) der Gründe, BAGE 113, 265).

19

II. Ob sich der geltend gemachte Anspruch auch aus der Ergänzungsvereinbarung vom 6. Juli 1999 oder einer konkludenten Vereinbarung aufgrund des Leistungsverhaltens der Beklagten ergibt, bedarf keiner Erörterung.

20

III. Die Zinsentscheidung folgt aus § 286 Abs. 1 Satz 1, § 288 Abs. 1 BGB.

21

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Mikosch    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Trümner    

        

    Simon    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 29. Juli 2009 - 2 Sa 470/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 6. April 2009 - 5 Ca 3995/08 - wird zurückgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zahlung eines Weihnachtsgeldes für das Jahr 2008.

2

Der Kläger ist seit dem 1. Februar 1996 bei der Beklagten, die ein Planungs- und Technologiebüro betreibt, als Diplomingenieur gegen ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von zuletzt 3.350,00 Euro beschäftigt. Ziff. 6 des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 3. Januar 1996 enthält folgende Regelung:

        

„Gratifikationen:

        

Soweit der Arbeitgeber gesetzlich oder durch Tarifvertrag nicht vorgeschriebene Leistungen, wie Prämien, Zulagen, Urlaubsgeld, Gratifikationen, Weihnachtsgratifikationen gewährt, erfolgen sie freiwillig und ohne jede rechtliche Verpflichtung. Sie sind daher jederzeit ohne Wahrung einer besonderen Frist widerrufbar.“

3

Die Beklagte zahlte seit Beginn des Arbeitsverhältnisses jeweils im November ein Weihnachtsgeld an den Kläger. In den Gehaltsabrechnungen für November der Jahre 2005 bis 2007 wurde ein Monatsgehalt als „Weihnachtsgeld“ ohne Vorbehalt ausgewiesen. Für das Jahr 2008 leistete die Beklagte an den Kläger und die anderen Mitarbeiter unter Hinweis auf die Wirtschaftskrise keine Zahlung.

4

Der Kläger hat das Weihnachtsgeld in Höhe eines Bruttomonatsverdienstes gerichtlich geltend gemacht und die Auffassung vertreten, aufgrund der jahrelangen vorbehaltlosen Zahlung stehe ihm dieses auch für das Jahr 2008 zu. Der im Arbeitsvertrag niedergelegte Freiwilligkeitsvorbehalt sei unbeachtlich. Er sei nicht eindeutig und wegen seiner Verknüpfung mit dem Widerrufsvorbehalt intransparent und unwirksam.

5

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.350,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2008 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, der vereinbarte Freiwilligkeitsvorbehalt habe das Entstehen einer betrieblichen Übung und eines Anspruchs auf Weihnachtsgeld für 2008 verhindert. Der Hinweis auf die Widerrufbarkeit in der Vertragsklausel habe keine eigenständige Bedeutung, sondern stütze nur den Freiwilligkeitsvorbehalt. Das Weihnachtsgeld sei wegen der wirtschaftlichen Krise nicht gezahlt worden.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist begründet.

9

Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung des Weihnachtsgeldes für das Jahr 2008 in Höhe eines Monatsgehalts nebst Zinsen in dem zuerkannten Umfang.

10

I. Die Beklagte hat seit Beginn des Arbeitsverhältnisses jeweils im November ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsgehalts an die Belegschaft und den Kläger gezahlt. Dadurch ist eine betriebliche Übung begründet worden und ein vertraglicher Anspruch des Klägers auf diese Leistung entstanden. Dem steht der in Ziff. 6 des Arbeitsvertrags enthaltene Freiwilligkeitsvorbehalt nicht entgegen.

11

1. Bei Zahlung einer über das arbeitsvertraglich vereinbarte Gehalt hinausgehenden Vergütung ist durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln, ob sich der Arbeitgeber nur zu der konkreten Leistung (bspw. Gratifikation im Kalenderjahr) oder darüber hinaus auch für die Zukunft verpflichtet hat. Eine dauerhafte Verpflichtung kann sich insbesondere aus einem Verhalten mit Erklärungswert wie einer betrieblichen Übung ergeben. Unter einer betrieblichen Übung versteht man die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern regelmäßig stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen für die Zukunft. Entscheidend ist dabei nicht, ob der Erklärende einen Verpflichtungswillen hatte, sondern ob der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) dahin verstehen konnte und durfte, der Arbeitgeber wolle sich zu einer über seine gesetzlichen, tarifvertraglichen und vertraglichen Pflichten hinausgehenden Leistung verpflichten (st. Rspr., bspw. Senat 24. März 2010 - 10 AZR 43/09 - AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 90 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 13; 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 27, BAGE 127, 185; BAG 13. Juni 2007 - 5 AZR 849/06 - Rn. 15, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 78; Senat 28. Juni 2006 - 10 AZR 385/05 - Rn. 35, BAGE 118, 360; 28. Juli 2004 - 10 AZR 19/04 - zu II 1 a der Gründe, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 257 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 2; siehe auch BAG 16. Januar 2002 - 5 AZR 715/00 - zu I 1 der Gründe, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 56 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 37). Dies ist im Wege der Auslegung des Verhaltens des Arbeitgebers zu ermitteln. Die Anforderungen an den Erklärungswert bestimmen sich nach der Art des Verhaltens des Vertragspartners, das eine betriebliche Übung begründen soll. Eine vertragliche Bindung wird regelmäßig anzunehmen sein, wenn besondere Umstände ein schutzwürdiges Vertrauen der Arbeitnehmer begründen (BAG 13. Juni 2007 - 5 AZR 849/06 - Rn. 15, aaO). Dabei kommt dem konkreten Verhalten des Arbeitgebers, insbesondere dessen Intensität und Regelmäßigkeit, entscheidendes Gewicht zu. Zwar hat der Senat bisher keine allgemeinverbindliche Regel aufgestellt, ab welcher Zahl von Leistungen der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, er werde die Leistung auch zukünftig erhalten. Allerdings ist für jährlich an die gesamte Belegschaft geleistete Gratifikationen die Regel aufgestellt worden, nach der eine zumindest dreimalige vorbehaltlose Gewährung zur Verbindlichkeit erstarkt, falls nicht besondere Umstände hiergegen sprechen oder der Arbeitgeber bei der Zahlung einen Bindungswillen für die Zukunft ausgeschlossen hat (Senat 21. Januar 2009 - 10 AZR 219/08 - Rn. 13, BAGE 129, 164; 28. Juni 2006 - 10 AZR 385/05 - Rn. 36, aaO).

12

2. Die Beklagte hat seit Beginn des Arbeitsverhältnisses im Jahr 1996 jeweils im November eine in den Gehaltsabrechnungen als Weihnachtsgeld bezeichnete Zuwendung in Höhe eines Bruttomonatsentgelts ohne weitere Einschränkungen oder auf Ziff. 6 des Arbeitsvertrags bezogene Zusätze an den Kläger gezahlt. Diese regelmäßigen Zahlungen konnten deshalb bei ihm die berechtigte Erwartung wecken, auch in den Folgejahren ein Weihnachtsgeld von der Beklagten zu erhalten. Aus seiner Sicht konnte und durfte der Kläger die mehrfachen Zahlungen als ein Angebot verstehen, mit dem sich die Beklagte dauerhaft und auch für die Zukunft zur Zahlung eines Weihnachtsgeldes verpflichten wollte. Dieses Angebot hat er ohne Weiteres nach § 151 BGB angenommen.

13

a) Die durchgängige und dauerhafte, einmal jährlich im November erfolgte Zahlung des Weihnachtsgeldes konnte der Kläger unter Berücksichtigung der konkreten Einzelfallumstände, wie der Häufigkeit der Leistung, der Art der kommentarlosen Auszahlung und der Höhe der Sonderzahlung (ein Monatsgehalt), und unter Beachtung von Treu und Glauben nur so auffassen, dass die Beklagte sich auch zur zukünftigen Zahlung dieses Weihnachtsgeldes verpflichten wollte (vgl. zur Auslegung der Erklärungen insoweit: Preis/Genenger Jahrbuch des Arbeitsrechts Bd. 47, 93, 112). Da die Beklagte bei den Zahlungen weder einen ausdrücklichen „Freiwilligkeitsvorbehalt“ erklärt noch auf einen vertraglich formulierten Vorbehalt Bezug genommen hatte, musste er auch nicht annehmen, die Sonderzahlung erfolge lediglich für das konkrete Jahr und ohne Rechtsbindungswillen für die Zukunft. Er durfte vielmehr berechtigterweise auf eine fortdauernde Leistungsgewährung für die Folgejahre vertrauen (zu diesem Vertrauensaspekt vgl. Georg Annuß FS Picker S. 861, 865).

14

b) Dem steht der Freiwilligkeitsvorbehalt aus Ziff. 6 des Arbeitsvertrags nicht entgegen. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts schließt diese Klausel mit ihrer Formulierung, die Gewährung von Gratifikationen erfolge „freiwillig und ohne jede rechtliche Verpflichtung“, das Entstehen eines zukünftigen Anspruchs auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes nicht aus. Sie ist nicht geeignet, den Wert der späteren Erklärungen der Beklagten im Zusammenhang mit den mehrfach geleisteten Weihnachtsgeldzahlungen hinreichend zu entwerten. Die Klausel enthält keinen klaren und unmissverständlichen Freiwilligkeitsvorbehalt iSd. Rechtsprechung des Senats.

15

aa) Bei der von der Beklagten in Ziff. 6 des Arbeitsvertrags vorformulierten Vertragsbedingung handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 BGB. Die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt einer vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (Senat 20. Januar 2010 - 10 AZR 914/08 - Rn. 12, AP BGB § 305c Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 18; 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 15, BAGE 124, 259). Allgemeine Vertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (Senat 20. Januar 2010 - 10 AZR 914/08 - Rn. 12, aaO; 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 14, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40; 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 13, aaO).

16

bb) Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass ein Freiwilligkeitsvorbehalt nach der Rechtsprechung des Senats regelmäßig das Entstehen eines Rechtsanspruchs auf eine künftige Sonderzahlung wirksam verhindern kann (Senat 20. Januar 2010 - 10 AZR 914/08 - Rn. 14, AP BGB § 305c Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 18; 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 12, BAGE 127, 185; 12. Januar 2000 - 10 AZR 840/98 - zu II 1 b der Gründe, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 223 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 158; 5. Juni 1996 - 10 AZR 883/95 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 193 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 141). Der Arbeitgeber kann - außer bei laufendem Arbeitsentgelt (vgl. BAG 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - BAGE 122, 182) - einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers grundsätzlich ausschließen und sich eine Entscheidung vorbehalten, ob und in welcher Höhe er zukünftig Sonderzahlungen gewährt (st. Rspr. des Senats 21. Januar 2009 - 10 AZR 219/08 - Rn. 14, BAGE 129, 164; 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 17, aaO; 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 17, BAGE 124, 259). Er bleibt grundsätzlich in seiner Entscheidung frei, ob und unter welchen Voraussetzungen er zum laufenden Arbeitsentgelt eine zusätzliche Leistung erbringen will. Allerdings muss ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt klar und verständlich iSd. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB formuliert worden sein, um den Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf eine Sonderzahlung eindeutig auszuschließen(Senat 20. Januar 2010 - 10 AZR 914/08 - Rn.14, aaO; 21. Januar 2009 - 10 AZR 219/08 - Rn. 14, aaO; 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40; 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 12, aaO; 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 17, aaO).

17

cc) Ein Freiwilligkeitsvorbehalt darf nicht mehrdeutig sein. Er darf insbesondere nicht in Widerspruch zu anderen Vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien stehen (Senat 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 39, BAGE 127, 185; 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 18, BAGE 124, 259; Preis NZA 2009, 281, 285). Gibt es einen solchen klar und verständlich formulierten Freiwilligkeitsvorbehalt, der jeden Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf eine Sonderzahlung ausschließt, fehlt es an einer versprochenen Leistung iSd. § 308 Nr. 4 BGB(Senat 20. Januar 2010 - 10 AZR 914/08 - Rn. 14, AP BGB § 305c Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 18; 21. Januar 2009 - 10 AZR 219/08 - Rn. 15, BAGE 129, 164 und - 10 AZR 221/08 - Rn. 15; 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 12, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). In diesen Fällen wird eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Leistung der Sonderzahlung unabhängig von dem mit der Sonderzuwendung verfolgten Zweck von vornherein nicht begründet. Der Arbeitnehmer, der den Hinweis im Arbeitsvertrag ernst nehmen muss, darf das spätere konkludente Verhalten des Arbeitgebers entgegen seinem gewöhnlichen Erklärungswert nicht als Angebot zur dauerhaften Leistungserbringung verstehen. Es mangelt dann an einem Angebot des Arbeitgebers, das der Arbeitnehmer annehmen könnte (Senat 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 12, aaO; 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 17, aaO). Eine besondere Eindeutigkeit und Klarheit des Vorbehalts ist aber schon deshalb erforderlich, weil die Bedeutung einer (etwaigen) späteren Erklärung vorab verbindlich festgeschrieben werden soll. Der Vorbehalt darf nur die Auslegung des künftigen Erklärungsverhaltens betreffen und nicht zu diesem in Widerspruch stehen.

18

dd) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts fehlt es im Streitfall an einem klar und verständlich formulierten Freiwilligkeitsvorbehalt.

19

(1) Die Klausel in Ziff. 6 des Arbeitsvertrags enthält lediglich den Hinweis, dass es sich bei den von ihr erfassten „Gratifikationen“ um nicht durch Gesetz oder Tarifvertrag vorgeschriebene Leistungen handele, deren Leistung „freiwillig“ erfolge. Einen weitergehenden Hinweis, bspw. dass auch bei einer wiederholten Zahlung kein Rechtsanspruch für die Zukunft begründet werde, enthält die Klausel nicht. Allein ein solcher Vorbehalt könnte aber einen Rechtsanspruch auf zukünftige Zahlung des begehrten Weihnachtsgeldes ausschließen (vgl. Senat 21. Januar 2009 - 10 AZR 219/08 - BAGE 129, 164; 18. März 2009 - 10 AZR 289/08 - EzA BGB 2002 § 307 Nr. 43; 1. März 2006 - 5 AZR 363/05 - Rn. 24 f., BAGE 117, 155). Soweit eine Vertragsklausel einen derartigen Vorbehalt nicht ausdrücklich vorsieht, wird eine Bestimmung, nach der die Sonderzahlung „freiwillig“ und „ohne jede rechtliche Verpflichtung“ erfolgt, von einem um Verständnis bemühten Arbeitnehmer im Zweifel nur als Hinweis zu verstehen sein, dass sich der Arbeitgeber zur Zahlung einer Gratifikation bereit erklärt, ohne dazu durch andere Regelungen gezwungen zu sein (vgl. Senat 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 17, BAGE 124, 259; 1. März 2006 - 5 AZR 363/05 - Rn. 24 f., aaO; 23. Oktober 2002 - 10 AZR 48/02 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 103, 151; siehe auch BAG 11. April 2000 - 9 AZR 255/99 - zu I 1 d der Gründe, BAGE 94, 204). Insbesondere kommt dem Nachsatz („ohne jede rechtliche Verpflichtung“) keine eigenständige Bedeutung für einen zukünftigen Ausschluss einer vertraglichen Bindung durch spätere Erklärungen der Beklagten zu. Die Klausel verstärkt nur die Aussage der Freiwilligkeit und betont die fehlende rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers zu einer entsprechenden Zahlung.

20

(2) Die Klausel in Ziff. 6 des Arbeitsvertrags ist auch deshalb unklar und missverständlich, weil Satz 2 eine Widerrufsmöglichkeit vorsieht. Die Beklagte hat eine freiwillige Leistung unter einen Widerrufsvorbehalt gestellt. Bei einem Freiwilligkeitsvorbehalt entsteht aber schon gar kein Anspruch auf die Leistung, bei einem Widerrufsvorbehalt hingegen hat der Arbeitnehmer einen Anspruch, der Arbeitgeber behält sich aber vor, die versprochene Leistung einseitig zu ändern (vgl. bspw. BAG 12. Januar 2005 - 5 AZR 364/04 - BAGE 113, 140). Ob in einer solchen Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt regelmäßig ein zur Unwirksamkeit der gesamten Klausel führender Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt(so LAG Hamm 27. Juli 2005 - 6 Sa 29/05 - zu II 1.2.4 der Gründe, NZA-RR 2006, 125; LAG Brandenburg 13. Oktober 2005 - 9 Sa 141/05 - zu A II 2 b der Gründe, LAGE BGB 2002 § 611 Gratifikation Nr. 5; LAG Berlin 19. August 2005 - 6 Sa 1106/05 - NZA-RR 2006, 68; LAG Hamm 5. November 2009 - 15 Sa 794/09 - Rn. 47, juris; Hessisches LAG 26. Juli 2010 - 7 Sa 1881/09 - Rn. 26, juris; ArbG Freiburg 9. September 2008 - 10 Ca 3/08 - LAGE BGB 2002 § 611 Gratifikation Nr. 12; aA LAG Düsseldorf 31. Januar 2006 - 6 Sa 1441/05 - zu II 2 c der Gründe, LAGE BGB 2002 § 611 Gratifikation Nr. 7), kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls führt die Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt dazu, dass für einen um Verständnis bemühten Vertragspartner nicht deutlich wird, dass auch bei mehrfachen, ohne weitere Vorbehalte erfolgten Zahlungen des Weihnachtsgeldes ein Rechtsbindungswille für die Zukunft weiterhin ausgeschlossen bleiben soll (so auch LAG Hamm 27. Juli 2005 - 6 Sa 29/05 - zu II 1.2.4 der Gründe, aaO; LAG Köln 2. November 2007 - 11 Sa 550/07 - Rn. 57, juris; Preis Der Arbeitsvertrag 2. Aufl. II V 70 Rn. 113). Für den Vertragspartner erschließt sich nicht hinreichend, ob nun jegliche zukünftige Bindung ausgeschlossen oder lediglich eine Möglichkeit eröffnet werden soll, sich später wieder von einer vertraglichen Bindung loszusagen. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt dementsprechend im Widerrufsvorbehalt auch nicht nur eine „Verstärkung“ des Freiwilligkeitsvorbehalts.

21

(3) Die vertragliche Formulierung in Ziff. 6 des Arbeitsvertrags ist somit nicht deutlich genug, um die mit der Zahlung des Weihnachtsgeldes verbundenen Erklärungen zu relativieren und zu entwerten. Sie ist nicht klar und unmissverständlich und deshalb nicht geeignet, das Entstehen künftiger Ansprüche eindeutig auszuschließen.

22

II. Der Anspruch ist nicht durch eine wirksame Erklärung der Beklagten eingeschränkt oder beseitigt worden. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Parteien einen wirksamen Widerrufsvorbehalt vereinbart haben (vgl. BAG 12. Januar 2005 - 5 AZR 364/04 - BAGE 113, 140). Jedenfalls hat die Beklagte nicht dargelegt, dass sie einen Widerruf wirksam ausgeübt hat und die Voraussetzungen für einen wirksamen Widerruf vorgelegen haben. Eine ggf. notwendige Änderungskündigung hat die Beklagte nicht erklärt.

23

III. Der Anspruch auf die Zinsen ergibt sich aus § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.

24

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO.

        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    Eylert    

        

        

        

    Simon    

        

    Kay Ohl    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. Oktober 2013 - 6 Sa 134/12 - aufgehoben, soweit es die Klage in Bezug auf die jährliche Sonderzahlung in Höhe von 12.500,00 Euro abgewiesen hat.

2. Insoweit wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revision noch über eine Sonderzahlung.

2

Der Kläger war vom 1. Mai 1992 bis zum 19. November 2010 bei der Beklagten als Bauleiter gegen eine monatliche Vergütung von zuletzt 5.300,00 Euro brutto beschäftigt. Der Arbeitsvertrag wurde nicht schriftlich niedergelegt. Der Kläger bekam jährlich zusammen mit der Novembervergütung ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsgehalts, das in den Jahren 2007 4.800,00 Euro brutto, 2008 5.200,00 Euro brutto und 2009 5.300,00 Euro brutto betrug. Außerdem erhielt der Kläger mit der am 10. Januar des Folgejahres ausgezahlten Vergütung für Dezember einen in den jeweiligen Abrechnungen als „Sonderzahlung“ ausgewiesenen Betrag, der sich im Jahr 2007 auf 10.000,00 Euro brutto und in den Jahren 2008 und 2009 auf jeweils 12.500,00 Euro brutto belief.

3

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe auch für das Jahr 2010 eine Sonderzahlung in Höhe von 12.500,00 Euro brutto zu. Durch die vorbehaltlose Leistung einer Sonderzahlung in drei aufeinanderfolgenden Jahren habe die Beklagte ihm gegenüber konkludent eine entsprechende Zahlungsverpflichtung begründet. Die geringere Höhe der Sonderzahlung im Jahr 2007 stehe dem für das Jahr 2010 geltend gemachten Anspruch ebenso wenig entgegen wie die unterjährige Beendigung seines Arbeitsverhältnisses.

4

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 12.500,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Januar 2011 zu zahlen.

5

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

6

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat auf den Streitgegenstand Sonderzahlung beschränkt zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 ZPO).

8

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, aus dem Sachvortrag des Klägers lasse sich allenfalls ableiten, dass er infolge der mehrmaligen Gewährung einer Sonderzahlung jeweils nach Ablauf des Kalenderjahres konkludent einen Rechtsanspruch gegen die Beklagte auf eine solche Leistung für den Fall erworben habe, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien am Jahresende (Stichtag) noch bestanden habe. Da der Kläger unterjährig ausgeschieden sei, scheide auch eine anteilige Sonderzahlung für das Jahr 2010 aus.

9

II. Dem folgt der Senat nicht. Dabei kann dahinstehen, ob der Senat den Erklärungswert des vom Kläger vorgetragenen Verhaltens der Beklagten in vollem Umfang oder - etwa wegen des Einzelfallcharakters der Zahlungen - nur eingeschränkt daraufhin überprüfen kann, ob das Landesarbeitsgericht bei seiner Auslegung die dafür geltenden gesetzlichen Regeln (§§ 133, 157 BGB) richtig angewandt, allgemeine Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt oder für die Auslegung wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat (vgl. BAG 17. April 2013 - 10 AZR 251/12 - Rn. 15). Die Beurteilung des Parteivortrags durch das Landesarbeitsgericht hält bereits einer eingeschränkten Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht ist von unzutreffenden rechtlichen Annahmen ausgegangen und hat nicht alle für die Auslegung wesentlichen Umstände berücksichtigt.

10

1. Für die rechtliche Einordnung des Verhaltens der Beklagten sind nach der Senatsrechtsprechung folgende Grundsätze maßgeblich:

11

a) Gewährt der Arbeitgeber zusätzlich zu dem vereinbarten monatlichen Gehalt eine einmalige Sonderzahlung, ist zunächst durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB)zu ermitteln, ob er sich nur zu der konkreten Leistung oder darüber hinaus auch für die Zukunft verpflichtet hat (vgl. BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 11, BAGE 139, 156). Eine dauerhafte Verpflichtung kann sich insbesondere aus einem Verhalten mit einem Erklärungswert, wie einer betrieblichen Übung, ergeben. Auch wenn keine betriebliche Übung besteht, weil der Arbeitgeber eine Zahlung nur an einen Arbeitnehmer vorgenommen hat und damit das kollektive Element fehlt, kann für diesen durch die Leistungsgewährung ein Anspruch entstanden sein. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer aus einem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers auf ein Angebot schließen konnte, das er gemäß § 151 BGB durch schlüssiges Verhalten angenommen hat(vgl. BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 12 f. mwN, aaO).

12

b) Die vom Arbeitgeber mit einer Sonderzahlung verfolgten Zwecke sind durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen zu ermitteln.

13

aa) Der Vergütungscharakter ist eindeutig, wenn die Sonderzahlung an das Erreichen quantitativer oder qualitativer Ziele geknüpft ist. Macht die Zahlung einen wesentlichen Anteil der Gesamtvergütung des Arbeitnehmers aus, handelt es sich gleichfalls regelmäßig um Arbeitsentgelt, das als Gegenleistung zur erbrachten Arbeitsleistung geschuldet wird (BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 667/10 - Rn. 15, BAGE 140, 239). Wird die Zahlung erbracht, ohne dass weitere Anspruchsvoraussetzungen vereinbart sind, spricht dies ebenfalls dafür, dass die Sonderzahlung als Gegenleistung für die Arbeitsleistung geschuldet wird (vgl. BAG 3. September 2014 - 5 AZR 1020/12 - Rn. 30). Gleiches gilt, wenn die Höhe der Leistung nach der vom Arbeitgeber getroffenen Zweckbestimmung vom Betriebsergebnis abhängt. Auch in diesem Fall handelt es sich grundsätzlich um eine Gegenleistung des Arbeitgebers für erbrachte Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers, da die synallagmatische Verknüpfung dieser Leistungen nicht durch die Abhängigkeit des gezahlten Entgelts von einem Unternehmensergebnis im maßgeblichen Bezugszeitraum in Frage gestellt wird (vgl. BAG 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 25, BAGE 137, 300; 18. Januar 2012 - 10 AZR 667/10 - Rn. 10, aaO).

14

bb) Will der Arbeitgeber andere Zwecke als die Vergütung der Arbeitsleistung verfolgen, muss sich dies deutlich aus der zugrunde liegenden Vereinbarung ergeben. So können Sonderzahlungen als Treueprämie erwiesene oder als „Halteprämie“ künftige Betriebstreue honorieren; der Arbeitgeber kann aber auch den Zweck verfolgen, sich an den zum Weihnachtsfest typischerweise erhöhten Aufwendungen seiner Arbeitnehmer zu beteiligen. Ist die Honorierung künftiger Betriebstreue bezweckt, wird dies regelmäßig dadurch sichergestellt, dass die Sonderzuwendung nur bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über einen Stichtag hinaus bis zum Ende eines dem Arbeitnehmer noch zumutbaren Bindungszeitraums gezahlt wird oder der Arbeitnehmer diese zurückzuzahlen hat, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf zumutbarer Bindungsfristen endet. Ist die Honorierung erwiesener Betriebstreue bezweckt, wird dies regelmäßig dadurch sichergestellt, dass die Zahlung der Sonderzuwendung vom (ungekündigten) Bestand des Arbeitsverhältnisses am Auszahlungstag abhängig gemacht wird. Ein weiteres Merkmal derartiger Zahlungen ist, dass sie nicht von einer bestimmten Arbeitsleistung, sondern regelmäßig nur vom Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängen (BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 667/10 - Rn. 13, BAGE 140, 239).

15

c) Gewährt der Arbeitgeber auf einseitig vorgegebener vertraglicher Grundlage eine Sonderzahlung, die auch Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung ist, kann die Sonderzahlung nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember des Jahres abhängig gemacht werden, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde. Eine solche Klausel benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Der Wert der Arbeitsleistung für den Arbeitgeber hängt von ihrer Qualität und vom Arbeitserfolg ab, regelmäßig jedoch nicht von der reinen Verweildauer des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis. Die Belohnung zunehmender Beschäftigungsdauer als solcher steht nicht in einem Verhältnis zur Qualität und zum Erfolg der Arbeitsleistung. Die einmal erbrachte Arbeitsleistung gewinnt auch regelmäßig nicht durch bloßes Verharren des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis nachträglich an Wert (vgl. BAG 13. November 2013 - 10 AZR 848/12 - Rn. 31, BAGE 146, 284). Dies gilt gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB auch bei sog. „Einmal-Bedingungen“, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Vorformulierung oder einseitigen Vorgabe durch den Arbeitgeber auf deren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte.

16

2. Nach diesen Grundsätzen erweist sich die klageabweisende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts in Bezug auf die vom Kläger verlangte Sonderzahlung als unzutreffend. Die gebotene Auslegung des Vortrags beider Parteien ergibt vielmehr, dass der Kläger aufgrund einer konkludent geschlossenen arbeitsvertraglichen Abrede mit der Beklagten einen Anspruch auf eine anteilige Sonderzahlung für das Kalenderjahr 2010 gegen die Beklagte erworben hat, der mit der Dezembervergütung fällig geworden ist und dessen Höhe die Beklagte nach billigem Ermessen zu bestimmen hatte. Der Senat kann diese Auslegung selbst vornehmen, da der insoweit maßgebliche Sachverhalt feststeht und weiterer Sachvortrag nicht zu erwarten ist (vgl. BAG 17. Juni 2014 - 3 AZR 412/13 - Rn. 55 mwN).

17

a) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, den Zahlungen in den Jahren 2007 bis 2009 sei zu entnehmen, dass die Beklagte allenfalls einen Rechtsanspruch auf die Sonderzahlung für den Fall des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses am Jahresende begründen wollte, berücksichtigt den Vortrag der Parteien nicht genügend und verstößt gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze. Die Beklagte hatte im zweiten Rechtszug behauptet, die Höhe der Zahlung sei vom Betriebsergebnis abhängig gewesen. Weitere Anspruchsvoraussetzungen hat sie nicht näher dargelegt. Nachdem auch der Kläger vorgetragen hat, die Zahlung sei mit keinen weiteren Anforderungen verbunden worden, liegt es fern, allein aus der Auszahlung der Sonderzuwendung mit dem Dezembergehalt den Schluss zu ziehen, weitere Anspruchsvoraussetzung hierfür sei das Bestehen des Arbeitsverhältnisses am Jahresende gewesen. Dies verstößt gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze, denn es ist viel nahe liegender, diesen Auszahlungszeitpunkt als bloßen Fälligkeitstermin zu verstehen, wenn ansonsten hierzu jeglicher Vortrag fehlt.

18

b) Für die gebotene Auslegung der Handlungen der Beklagten ist in tatsächlicher Hinsicht zugrunde zu legen, dass der Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts in den Jahren 2007 bis 2009 zusätzlich zum Dezembergehalt einen als „Sonderzahlung“ ausgewiesenen Betrag erhalten hat, der sich im Jahr 2007 auf 10.000,00 Euro brutto und in den Jahren 2008 und 2009 gleichbleibend auf 12.500,00 Euro brutto belief. Die Steigerung erfolgte nicht proportional zur Entwicklung der Monatsvergütung des Klägers. Aus der Bezeichnung der Leistung als „Sonderzahlung“ in den jeweiligen Abrechnungen, ihrer dreimaligen vorbehaltlosen Auszahlung jeweils zum Jahresende und ihrer unterschiedlichen Höhe konnte der Kläger verständiger Weise auf ein verbindliches Angebot der Beklagten iSv. § 145 BGB des Inhalts schließen, in jedem Kalenderjahr eine Sonderzahlung zu leisten.

19

Umstände, die dafür sprechen, dass die Beklagte nur in dem jeweiligen Auszahlungsjahr eine Sonderzahlung leisten und keine weitere Bindung eingehen wollte, sind nicht ersichtlich. Einen entsprechenden Vorbehalt hat die Beklagte auch nicht konkludent erklärt. Aus der nicht gleichförmigen Höhe der Sonderzahlung in den Jahren 2007 bis 2009 musste der Kläger nicht den Schluss ziehen, die Beklagte habe sich nicht dem Grunde nach auf Dauer binden wollen. Es ist gerade typisch für eine vom Betriebsergebnis abhängige Sonderzahlung, dass deren Höhe schwanken kann (BAG 21. April 2010 - 10 AZR 163/09 - Rn. 17). Dass die Beklagte dieses Verständnis teilt, belegt nicht zuletzt ihr Vortrag, es sei jährlich neu über die Höhe der Sonderzahlung entschieden worden. Demzufolge ging auch die Beklagte davon aus, die Sonderzahlung werde grundsätzlich geschuldet und lediglich die Festsetzung ihrer Höhe bedürfe einer jährlich neu zu treffenden Entscheidung. Soweit der Senat - allerdings im Zusammenhang mit einer betrieblichen Übung - im Urteil vom 28. Februar 1996 (- 10 AZR 516/95 -) vertreten hat, bei der Leistung einer Zuwendung in jährlich individuell unterschiedlicher Höhe fehle es bereits an einer regelmäßigen gleichförmigen Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen und es komme darin lediglich der Wille des Arbeitgebers zum Ausdruck, in jedem Jahr neu „nach Gutdünken“ über die Zuwendung zu entscheiden, hält er daran nicht fest.

20

c) Entgegen der Auffassung der Revision konnte der Kläger aus dem Verhalten der Beklagten jedoch nicht den Schluss ziehen, die Sonderzahlung betrage 12.500,00 Euro brutto. Dagegen spricht bereits, dass die Sonderzahlung nur in zwei der insgesamt drei aufeinanderfolgenden Jahren gleichbleibend 12.500,00 Euro brutto betragen hat und im Jahr 2009 nicht nochmals angestiegen ist, obwohl das Monatsgehalt des Klägers in jedem der drei Jahre erhöht worden war. Der Kläger musste deshalb das Verhalten der Beklagten so verstehen, dass diese Jahr für Jahr über die Höhe der Sonderzahlung neu entscheidet.

21

d) Aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich, dass er das Angebot der Beklagten auf Leistung einer von ihr einseitig festzusetzenden jährlichen Sonderzahlung durch Entgegennahme der drei aufeinanderfolgenden Zahlungen in den Jahren 2007, 2008 und 2009 und damit durch schlüssiges Verhalten (§ 151 BGB) angenommen hat.

22

e) Der Einwand der Beklagten, bei der Sonderzahlung habe es sich um eine freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistung gehandelt, steht dieser rechtlichen Bewertung nicht entgegen. Der Begriff „freiwillig“ bringt regelmäßig lediglich zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber nicht bereits durch Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung zur Zahlung verpflichtet ist. Er genügt für sich genommen nicht, um einen Rechtsanspruch auf die Leistung auszuschließen (BAG 20. Februar 2013 - 10 AZR 177/12 - Rn. 17). Die Beklagte kann sich ebenfalls nicht mit Erfolg darauf berufen, die Sonderzahlung sei jederzeit widerruflich gewesen. Abgesehen davon, dass sie nicht vorgetragen hat, wann und auf welche Weise sie mit dem Kläger einen wirksamen Widerrufsvorbehalt vereinbart habe, hat sie nicht dargelegt, dass sie die vereinbarte Leistung für das Jahr 2010 widerrufen hat. Das bloße Unterlassen einer Zahlung ist für sich betrachtet kein Widerruf. Hinzu kommt, dass eine Leistung nicht - wie von der Beklagten behauptet - zugleich freiwillig und widerruflich sein kann (BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 21 f., BAGE 139, 156).

23

3. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, einem Anspruch des Klägers auf eine Sonderzahlung für das Jahr 2010 stehe entgegen, dass ein solcher Anspruch nach dem Vortrag des Klägers vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember des laufenden Jahres abhängig sei, das Arbeitsverhältnis jedoch bereits am 19. November 2010 geendet habe. Damit hat das Landesarbeitsgericht außer Acht gelassen, dass die Beklagte die Sonderzahlung als zusätzliche Vergütung für die vom Kläger im Kalenderjahr geleistete Arbeit erbracht hat. Dies ergibt sich sowohl aus den Darlegungen des Klägers als auch der Beklagten.

24

a) Nach dem Vortrag des Klägers hat die Beklagte die Zahlung vorbehaltlos und ohne weitere Leistungszweckbestimmungen vorgenommen. Nach dem Vorbringen der Beklagten war die Höhe der Sonderzahlung an das Betriebsergebnis gekoppelt. Die synallagmatische Verbindung zwischen Arbeitsleistung und Sonderzahlung wird jedoch durch deren Anknüpfung an das Betriebsergebnis nicht in Frage gestellt.

25

b) Allein dem Umstand, dass die Sonderzahlung jeweils zum Ende des Kalenderjahres ausgezahlt wurde, lässt sich nicht entnehmen, dass mit ihr ausschließlich die Betriebstreue honoriert werden sollte. Will der Arbeitgeber andere Ziele als die Vergütung der Arbeitsleistung verfolgen, muss dies vielmehr deutlich aus der zugrunde liegenden, ggf. konkludent getroffenen arbeitsvertraglichen Abrede hervorgehen (BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 667/10 - Rn. 15, BAGE 140, 239). Hierfür fehlen jegliche Anhaltspunkte. Gegen ein solches Verständnis spricht im vorliegenden Fall, dass die Sonderzahlung mit rund 15 % einen nicht unwesentlichen Teil der Gesamtvergütung ausgemacht hat und zusätzlich zu einem Weihnachtsgeld entrichtet wurde. Da die Sonderzahlung somit Gegenleistung für die im laufenden Jahr erbrachte Arbeitsleistung des Klägers war, konnte sie nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember des Jahres abhängig gemacht werden.

26

III. Der Rechtsstreit ist nicht entscheidungsreif. Die vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um abschließend über die Höhe der dem Kläger anteilig für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 19. November 2010 zustehenden Sonderzahlung befinden zu können.

27

Die Beklagte hatte nach dem bisherigen Prozessverlauf keinen hinreichenden Anlass, nähere Einzelheiten dazu vorzutragen, ob und ggf. welche konkreten Vereinbarungen sie mit dem Kläger über die Bemessung der Sonderzahlung getroffen hat. Sie hat in den Vorinstanzen lediglich pauschal behauptet, die Zahlung sei vom Betriebsergebnis abhängig gewesen. Was sie hierunter konkret versteht, hat sie nicht erläutert. Da der Kläger im Rahmen der insoweit geltenden abgestuften Darlegungs- und Beweislast bereits alle Umstände zur Begründung eines Anspruchs auf die anteilige Sonderzahlung für das Kalenderjahr 2010 schlüssig dargelegt hat, deren Höhe die Beklagte nach billigem Ermessen iSd. § 315 BGB zu bestimmen hat, wird das Landesarbeitsgericht der Beklagten Gelegenheit zu geben haben, darzulegen, ob und ggf. welche konkreten Kriterien sie mit dem Kläger vereinbart hat und in welcher (anteiligen) Höhe sich bei Anwendung dieser Kriterien ein Anspruch des Klägers für die Zeit vom 1. Januar bis zum 19. November 2010 ergibt.

28

Sollte die Beklagte eine Vereinbarung mit dem Kläger über die Bemessung der Höhe der Sonderzahlung nicht darlegen können oder insoweit beweisfällig bleiben, wird das Landesarbeitsgericht der Beklagten Gelegenheit zu geben haben, ergänzend vorzutragen, dass die für das Kalenderjahr 2010 vorgenommene Leistungsbestimmung „auf Null“ billigem Ermessen entsprach (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Die Beklagte als diejenige, der das Leistungsbestimmungsrecht zustand, ist dafür darlegungs- und beweispflichtig (BAG 20. März 2013 - 10 AZR 8/12 - Rn. 33). Entspricht die Leistungsbestimmung nicht billigem Ermessen, wird sie das Landesarbeitsgericht gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB selbst vorzunehmen haben.

        

    Linck    

        

    W. Reinfelder    

        

    Brune    

        

        

        

    W. Guthier    

        

    D. Schumann    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 16. September 2010 - 15 Sa 812/10 - aufgehoben.

2. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revision noch über einen Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation. Die Klägerin war vom 1. Juli 2008 bis zum 31. Dezember 2009 für den Beklagten als Steuerfachwirtin tätig. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung des Beklagten vom 23. November 2009.

2

§ 5 „Gehalt und sonstige Vergütungen“ des Arbeitsvertrags regelt Folgendes:

        

„(1) Die Angestellte erhält ein monatliches, nachträglich zu zahlendes Gehalt von EURO 1.900,00 (in Worten EURO eins-neun-null-null).

        

(2) Der Angestellte erhält mit der Vergütung nach Abs. 1 jeweils für den Monat November eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von EURO 1.900,00 (in Worten EURO eins-neun-null-null).

        

…       

        

(4) Im Eintrittsjahr wird die Gratifikation entsprechend der Dauer der Beschäftigungszeit gezahlt. Besteht das Anstellungsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung noch keine drei Monate, wird keine Gratifikation gezahlt.

        

(5) Der Anspruch auf Gratifikation ist ausgeschlossen, wenn sich das Anstellungsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung in gekündigtem Zustand befindet.

        

(6) Eine Gratifikation ist gleichzeitig Treueprämie. Soweit eine Weihnachtsgratifikation gezahlt wird, ist sie zurückzuzahlen, wenn der Angestellte aufgrund eigener Kündigung oder aufgrund außerordentlicher, verhaltensbedingter oder personenbedingter Kündigung des Praxisinhabers vor dem 31. März des auf die Auszahlung folgenden Kalenderjahres oder, sofern die Gratifikation eine Monatsvergütung erreicht, bis zum 31. März des auf die Auszahlung folgenden Kalenderjahres oder, sofern die Gratifikation eine Monatsvergütung übersteigt, vor dem 30. Juni des auf die Auszahlung folgenden Kalenderjahres ausscheidet. Dies gilt nicht, wenn die Gratifikation den Betrag von DM 200,00 nicht übersteigt.

        

…“    

        
3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe für das Jahr 2009 eine Weihnachtsgratifikation zu. Der Ausschluss des Anspruchs bei gekündigtem Arbeitsverhältnis sei unwirksam. Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe im Jahr 2009 seine Mitarbeiter aufgefordert, freiwillig auf das Weihnachtsgeld zu verzichten. Ihr Arbeitsverhältnis sei nur deshalb gekündigt worden, weil sie im Gegensatz zu ihren Kolleginnen nicht verzichtet habe.

4

Die Klägerin hat beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.900,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Zustellung der Klage zu zahlen.

5

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Anspruch bestehe nicht, weil das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung gekündigt gewesen sei. Die Kündigung habe auf betrieblichen Gründen beruht.

6

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist begründet. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann der Klage nicht stattgegeben werden. Der Senat kann mangels ausreichender Feststellungen nicht entscheiden, ob die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung der Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2009 hat. Die Revision führt daher zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

8

I. Die Klage ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht deshalb begründet, weil der in § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags bestimmte Ausschluss des Anspruchs auf eine Weihnachtsgratifikation bei gekündigtem Arbeitsverhältnis unwirksam ist. Eine Sonderzuwendung kann vielmehr vom ungekündigten Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der Auszahlung abhängig gemacht werden, wenn sie nicht der Vergütung geleisteter Arbeit dient und nur das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraussetzt.

9

1. Steht eine Sonderzuwendung im Synallagma zur erbrachten Arbeitsleistung und ist sie vom Arbeitnehmer durch die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung verdient worden, kann ihre Zahlung nicht vom Vorliegen weiterer Voraussetzungen abhängig gemacht werden.

10

a) Sonderzuwendungen können vom Erreichen persönlicher Ziele abhängen. Zweck einer erfolgsabhängigen Vergütung ist die Leistungssteigerung des Arbeitnehmers. Sie ist besonderer Anreiz für die Erreichung vertraglich festgelegter Leistungsziele oder allgemein Anreiz für die Erzielung überdurchschnittlicher Arbeitsergebnisse im Bezugszeitraum. Eine erfolgsabhängige Vergütung wird als unmittelbare Gegenleistung für die entsprechend der Zielvereinbarung erbrachte Arbeitsleistung geschuldet (BAG 5. Juli 2011 - 1 AZR 94/10 - Rn. 35; 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 25, NZA 2011, 989; 12. Dezember 2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 25, BAGE 125, 147). Auch Sonderzuwendungen, die nur an den Unternehmenserfolg anknüpfen, werden regelmäßig als zusätzliche Vergütung für eine im Geschäftsjahr erbrachte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gezahlt (BAG 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 25, aaO; 3. Mai 2006 - 10 AZR 310/05 - Rn. 46, EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 18); die synallagmatische Verbindung zwischen Arbeitsleistung und Sonderzuwendung wird durch die Abhängigkeit von einem Unternehmensergebnis nicht in Frage gestellt. Schließlich können auch nicht erfolgsabhängige Sonderzuwendungen wie ein 13. Monatsgehalt im Bezugszeitraum erbrachte Arbeitsleistungen zusätzlich honorieren. Der Anspruch auf eine solche Zuwendung entsteht während des Bezugzeitraums entsprechend der zurückgelegten Dauer und wird nur zu einem anderen Zeitpunkt insgesamt fällig (vgl. BAG 28. März 2007 - 10 AZR 261/06 - Rn. 17, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 265 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 21).

11

b) Zulässig ist nach der Rechtsprechung des Senats, den Anspruch auf eine Bonuszahlung an das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses im Geschäftsjahr zu knüpfen. Ein Bonus, der auf das Geschäftsergebnis bezogen ist, kann erst dann verdient sein, wenn das Geschäftsjahr abgeschlossen ist (BAG 6. Mai 2009 - 10 AZR 443/08 - AP BGB § 307 Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 44). Dagegen kann eine Sonderzahlung, die jedenfalls auch Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstellt, nicht vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb des Bezugszeitraums abhängig gemacht werden (BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 612/10 -). Es ist unangemessen gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und widerspricht der gesetzlichen Wertung des § 611 BGB, vereinbartes Arbeitsentgelt dem Arbeitnehmer über eine Stichtagsklausel oder eine sonstige Zahlungsbedingung wieder zu entziehen, wenn der vorleistungsverpflichtete Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung erbracht hat.

12

2. Dient eine Sonderzuwendung hingegen nicht der Vergütung erbrachter Arbeitsleistungen, sondern verfolgt der Arbeitgeber damit sonstige Zwecke, kann eine Klausel, wonach die Zahlung den ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungstag voraussetzt, einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB standhalten. Eine Sonderzuwendung weicht nicht von der gesetzlichen Grundkonzeption des § 611 BGB ab, wenn sie nicht im Synallagma zur erbrachten Arbeitsleistung steht. Ihre Zahlung kann deshalb grundsätzlich an den Eintritt weiterer Bedingungen geknüpft werden.

13

a) Sonderzuwendungen können als Treueprämie erwiesene oder als „Halteprämie“ künftige Betriebstreue honorieren (vgl. BAG 28. März 2007 - 10 AZR 261/06 - Rn. 18, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 265 = EzA BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 21); der Arbeitgeber kann aber auch den Zweck verfolgen, sich an den zum Weihnachtsfest typischerweise erhöhten Aufwendungen seiner Arbeitnehmer zu beteiligen (vgl. BAG 5. Juli 2011 - 1 AZR 94/10 - Rn. 35). Ist die Honorierung künftiger Betriebstreue bezweckt, wird dies regelmäßig dadurch sichergestellt, dass die Sonderzuwendung nur bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über einen Stichtag hinaus bis zum Ende eines dem Arbeitnehmer noch zumutbaren Bindungszeitraums gezahlt wird oder der Arbeitnehmer diese zurückzuzahlen hat, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf zumutbarer Bindungsfristen endet (vgl. BAG 21. Mai 2003 - 10 AZR 390/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 106, 159). Ist die Honorierung erwiesener Betriebstreue bezweckt, wird dies regelmäßig dadurch sichergestellt, dass die Zahlung der Sonderzuwendung vom (ungekündigten) Bestand des Arbeitsverhältnisses am Auszahlungstag abhängig gemacht wird. Die Zahlung solcher Sonderzuwendungen hängt nicht von einer bestimmten Arbeitsleistung, sondern regelmäßig nur vom Bestand des Arbeitsverhältnisses ab.

14

b) Eine Klausel, die eine Sonderzuwendung in diesem Sinne allein an das Bestehen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses knüpft, kann nach ständiger Rechtsprechung auch dann zulässig sein, wenn der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in der Sphäre des Arbeitnehmers liegt, sondern auf einer betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers beruht (BAG 28. März 2007 - 10 AZR 261/06 - Rn. 18, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 265 = EzA BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 21; 4. Mai 1999 - 10 AZR 417/98 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 214: Klausel in einem Tarifvertrag; 2. Dezember 1992 - 10 AZR 238/91 -: Klausel in einer Betriebsordnung; 19. November 1992 - 10 AZR 264/91 - BAGE 72, 1: einzelvertragliche Zusage; 25. April 1991 - 6 AZR 183/90 - BAGE 68, 41: Klausel in einer Betriebsvereinbarung; 4. September 1985 - 5 AZR 655/84 - BAGE 49, 281). Der Arbeitgeber darf unabhängig vom Verhalten des Arbeitnehmers allein die fortdauernde Betriebszugehörigkeit über den Stichtag hinaus zur Voraussetzung der Sonderzahlung machen, weil ihre motivierende Wirkung sich nur bei den Arbeitnehmern entfalten kann, die dem Betrieb noch - oder noch einige Zeit - angehören (BAG 19. November 1992 - 10 AZR 264/91 - zu II 2 b der Gründe, aaO).

15

3. Ob der Arbeitgeber erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich vergüten oder sonstige Zwecke verfolgen will, ist durch Auslegung der vertraglichen Bestimmungen zu ermitteln. Macht die Sonderzuwendung einen wesentlichen Anteil der Gesamtvergütung des Arbeitnehmers aus, handelt es sich regelmäßig um Arbeitsentgelt, das als Gegenleistung zur erbrachten Arbeitsleistung geschuldet wird. Der Vergütungscharakter ist eindeutig, wenn die Sonderzahlung an das Erreichen quantitativer oder qualitativer Ziele geknüpft ist. Fehlt es hieran und sind auch weitere Anspruchsvoraussetzungen nicht vereinbart, spricht dies ebenfalls dafür, dass die Sonderzahlung als Gegenleistung für die Arbeitsleistung geschuldet wird (BAG 21. Mai 2003 - 10 AZR 408/02 - zu II 2 b bb der Gründe, EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 8). Will der Arbeitgeber andere Zwecke verfolgen, so muss sich dies deutlich aus der zugrunde liegenden Vereinbarung ergeben. Gratifikationscharakter können nur die Sonderzuwendungen haben, die sich im üblichen Rahmen reiner Treue- und Weihnachtsgratifikationen bewegen und keinen wesentlichen Anteil an der Gesamtvergütung des Arbeitnehmers ausmachen.

16

II. Die in § 5 Abs. 2 des Arbeitsvertrags vereinbarte Weihnachtsgratifikation dient nicht der zusätzlichen Vergütung erbrachter Arbeitsleistungen.

17

1. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts liegen dem Arbeitsvertrag Allgemeine Geschäftsbedingungen nach § 305 ff. BGB zugrunde. Als solche sind sie nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 23. März 2011 - 10 AZR 831/09 - Rn. 14, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 88; 9. Juni 2010 - 5 AZR 696/09 - Rn. 14, NZA 2011, 109). Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen kann durch das Revisionsgericht uneingeschränkt überprüft werden (BAG 23. März 2011 - 10 AZR 831/09 - Rn. 14, aaO).

18

2. Nach § 5 Abs. 2 des Arbeitsvertrags erhält der Angestellte mit der Vergütung nach Abs. 1 jeweils für den Monat November eine „Weihnachtsgratifikation“. Der Wortlaut legt nahe, dass damit ein Beitrag des Arbeitgebers zu den erhöhten Weihnachtsaufwendungen zugesagt werden sollte, eindeutig ist dies für sich genommen jedoch nicht (vgl. BAG 21. Mai 2003 - 10 AZR 408/02 - EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 8: Weihnachtsgeld als reines Arbeitsentgelt; 10. Dezember 2008 - 10 AZR 15/08 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 280: Weihnachtsgeld als Gratifikation, die das Bestehen des Arbeitsverhältnisses zu Weihnachten voraussetzt; 30. März 1994 - 10 AZR 134/93 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 161 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 109). Die weiteren Bestimmungen verdeutlichen jedoch, dass die zugesagte Weihnachtsgratifikation keinen Vergütungscharakter hat. Nach § 5 Abs. 6 Satz 1 des Arbeitsvertrags soll eine Gratifikation „gleichzeitig“ Treueprämie sein und nach Satz 2 ist eine Weihnachtsgratifikation bei einem arbeitnehmerseitig oder in bestimmten Fällen arbeitgeberseitig veranlassten Ausscheiden im Rahmen zulässiger Bindungsfristen wieder zurückzuzahlen. Diese Zahlungsbedingungen lassen bei einem verständigen Vertragspartner keinen Zweifel daran zu, dass mit der Weihnachtsgratifikation ein Beitrag zum Weihnachtsfest geleistet und zusätzlich Betriebstreue honoriert werden soll. Bestätigt wird dies dadurch, dass die Weihnachtsgratifikation keinen wesentlichen Anteil an der Gesamtvergütung der Klägerin ausmacht, sondern sich in der Größenordnung typischer Gratifikationen ohne Vergütungscharakter bewegt. Dieser Auslegung steht § 5 Abs. 4 des Arbeitsvertrags nicht entgegen, wonach im Eintrittsjahr die Gratifikation entsprechend der Dauer der Beschäftigungszeit gezahlt wird. Eine mit einer bestimmten Zwecksetzung zugesagte Gratifikation wird nicht dadurch zu einem im Synallagma stehenden Vergütungsbestandteil, dass sie im Eintrittsjahr nur anteilig entsprechend der Dauer des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird. Daraus folgt nur, dass sich die Höhe des Beitrags zum Weihnachtsfest im Eintrittsjahr an der Dauer des Arbeitsverhältnisses orientiert. Wesentliche Anspruchsvoraussetzung für die Gratifikation ist nach § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags allein der ungekündigte Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungstag.

19

III. § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags ist rechtswirksam und hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand. Die Klägerin wird nicht deshalb unangemessen benachteiligt, weil der Anspruch auf eine Gratifikation ausgeschlossen ist, wenn sich das Anstellungsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung im gekündigten Zustand befindet.

20

1. Die Klausel verstößt nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

21

a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 BGB(BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 22, NZA 2012, 81; 18. Mai 2011 - 10 AZR 206/10 - Rn. 29, AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 47; 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40).

22

b) Diese Gefahr besteht nicht. § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags ist eindeutig. Die Zahlung der Weihnachtsgratifikation ist vom „ungekündigten“ Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungstag abhängig. Der Begriff „ungekündigt“ ist vorliegend nicht missverständlich. Ungekündigt ist ein Arbeitsverhältnis, wenn keiner der Vertragsparteien eine Kündigung erklärt hat. Dafür, dass nur eine arbeitnehmerseitig ausgesprochene Kündigung den Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation ausschließen soll, sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich. Dies bestätigt die Systematik des Vertrags, der in § 5 Abs. 6 eine nach arbeitgeber- und arbeitnehmerseitiger Kündigung differenzierende Verpflichtung zur Rückzahlung der Weihnachtsgratifikation bestimmt.

23

2. Die Klausel ist nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteiligend.

24

a) Danach sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, besonderer Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB angemessen zu berücksichtigen(BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 33, NZA 2012, 81; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 27, AP GewO § 106 Nr. 11 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 49; 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 39 f., AP BGB § 307 Nr. 26; 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 33 f., BAGE 118, 22). Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist(BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 206/10 - Rn. 32, AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 47; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 28, AP GewO § 106 Nr. 11 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 49).

25

b) Es ist nicht unangemessen benachteiligend, dass die Weihnachtsgratifikation nicht zur Auszahlung kommt, wenn das Arbeitsverhältnis zum Auszahlungstag durch den Arbeitgeber gekündigt ist und die Beendigung damit nicht auf Gründen beruht, die in der Sphäre des Arbeitnehmers liegen.

26

aa) Eine Stichtagsregelung ist nicht nur als Anreiz für die Nichtausübung des Kündigungsrechts durch den Arbeitnehmer denkbar. Der Arbeitgeber kann, wie oben ausgeführt, unabhängig vom Verhalten des Arbeitnehmers die fortdauernde Betriebszugehörigkeit als solche über den Stichtag hinaus zur Voraussetzung der Sonderzahlung machen, weil ihre motivierende Wirkung sich nur bei den Arbeitnehmern entfalten kann, die dem Betrieb noch - oder noch einige Zeit - angehören (BAG 19. November 1992 - 10 AZR 264/91 - BAGE 72, 1). Nur eine wirksame Kündigung kann zum Anspruchsausschluss führen. Entscheidend ist, dass nicht in das Synallagma eingriffen und dem Arbeitnehmer verdientes Entgelt entzogen wird.

27

bb) Eine solche Klausel weicht auch nicht vom Grundgedanken des § 162 Abs. 2 BGB ab. Danach gilt der Eintritt einer Bedingung als nicht erfolgt, wenn er von der Partei, zu deren Vorteil er gereicht, wider Treu und Glauben herbeigeführt wird. Die Norm enthält eine Regelung zur Ausübungskontrolle. Niemand darf aus einer treuwidrig herbeigeführten Lage Vorteile ziehen. Einer abstrakten Regelung, dass bei einer wirksamen Kündigung ein Arbeitnehmer von einer Gratifikation ausgeschlossen werden kann, steht § 162 Abs. 2 BGB nicht entgegen. Ob die Kündigung auf einem treuwidrigen Verhalten beruht, ist im Rahmen der Ausübungskontrolle zu prüfen. Eine nicht als Gegenleistung für erbrachte Arbeit zugesagte Weihnachtsgratifikation kann deshalb unter den Vorbehalt des Bestehens eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungszeitpunkt gestellt werden.

28

IV. Der Rechtsstreit ist nicht entscheidungsreif. Zwar besteht nach § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags ein Anspruch der Klägerin auf die Weihnachtsgratifikation grundsätzlich nicht, weil das Arbeitsverhältnis zum Auszahlungstag wirksam gekündigt war. Die Klägerin hat aber geltend gemacht, ihr Arbeitsverhältnis sei nur deshalb gekündigt worden, weil sie sich geweigert habe, auf das Weihnachtsgeld zu verzichten. Die Klägerin hat damit einen schlüssigen Vortrag dazu gehalten, dass der Beklagte sich nach § 162 Abs. 2 BGB nicht auf den Anspruchsausschluss bei gekündigtem Arbeitsverhältnis berufen kann. War die Kündigung Reaktion auf die Weigerung der Klägerin, Verzicht zu leisten, so hat er den Bedingungseintritt treuwidrig herbeigeführt. Das Landesarbeitsgericht wird diesem Vortrag nachgehen müssen.

        

    Mikosch    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Beck    

        

    Maurer    

                 

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 26. Juli 2010 - 7 Sa 1881/09 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf eine Sonderzahlung für das Jahr 2008.

2

Der Kläger ist seit dem 4. September 1981 als Sozialpädagoge bei dem beklagten Verein beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein schriftlicher Vertrag vom 1. August 1982 zugrunde, der auszugsweise lautet:

        

㤠4

        

Der Arbeitnehmer erhält eine Bruttovergütung in Höhe von DM 3.400,-, zahlbar spätestens am Ende eines jeden Monats. Die Zahlung erfolgt bargeldlos auf ein vom Arbeitnehmer anzugebendes Konto.

        

Mit der vereinbarten Vergütung sind etwa anfallende Überstunden pauschal abgegolten.

        

Sonstige, in diesem Vertrag nicht vereinbarte Leistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer sind freiwillig und jederzeit widerruflich. Auch wenn der Arbeitgeber sie mehrmals und regelmäßig erbringen sollte, erwirbt der Arbeitnehmer dadurch keinen Rechtsanspruch für die Zukunft.

        

...     

        

§ 15

        

Vertragsänderungen und -ergänzungen bedürfen der Schriftform.“

3

Der Kläger erhielt mehr als 20 Jahre lang jeweils mit dem Entgelt für den Monat November ein 13. Monatsgehalt ausgezahlt. Für das Jahr 2006 erfolgte die Zahlung in zwölf Monatsraten nachträglich im Laufe des Jahres 2007. Für das Jahr 2007 erstritt sich der Kläger die Zahlung durch rechtskräftiges Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 8. Oktober 2008 (- 3 Ca 175/08 -).

4

Mit Schreiben vom 28. November 2008 wies der Beklagte auf eine angespannte wirtschaftliche Situation hin und bot dem Kläger drei Modelle über eine verringerte Zahlung und/oder veränderte Auszahlungsmodalitäten an. Der Kläger lehnte dies ab, worauf keine Zahlung für das Jahr 2008 erfolgte. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2008 forderte der Kläger den Beklagten unter Fristsetzung zum 24. Dezember 2008 zur Zahlung auf.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrags habe nicht verhindern können, dass ihm ein Anspruch aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung erwachsen sei. Die Klausel sei unklar und widersprüchlich.

6

Der Kläger hat beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 3.956,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. Dezember 2008 zu zahlen.

7

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hat die Auffassung vertreten, dass in Fällen, in denen eine Leistung in einem Vertrag überhaupt nicht zugesagt und erwähnt werde, § 307 BGB insoweit keine Anwendung finden könne, da es sich nicht um eine vertragliche Leistung handele. § 4 Abs. 3 Satz 2 des Arbeitsvertrags sei ausreichend, um das für die betriebliche Übung erforderliche Vertrauensmoment nicht entstehen zu lassen. Selbst wenn § 4 Abs. 3 Satz 1 des Arbeitsvertrags als in sich widersprüchliche Regelung unwirksam sei, behalte die restliche Regelung nach dem sog. Blue-pencil-Test ihre Bedeutung als wirksamer Vorbehalt.

8

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung eines 13. Monatsgehalts für das Jahr 2008.

10

I. Der Beklagte hat mehr als 20 Jahre lang jeweils mit dem Entgelt für den Monat November ein 13. Monatsgehalt an den Kläger ausgezahlt. Dadurch ist ein vertraglicher Anspruch des Klägers auf diese Leistung entstanden. Dem steht die Regelung in § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrags nicht entgegen.

11

1. Bei Zahlung einer über das arbeitsvertraglich vereinbarte Gehalt hinausgehenden Vergütung ist durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln, ob sich der Arbeitgeber nur zu der konkreten Leistung (bspw. Gratifikation im Kalenderjahr) oder darüber hinaus auch für die Zukunft verpflichtet hat.

12

a) Eine dauerhafte Verpflichtung kann sich insbesondere aus einem Verhalten mit Erklärungswert, wie einer betrieblichen Übung ergeben. Unter einer betrieblichen Übung versteht man die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern regelmäßig stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen für die Zukunft. Entscheidend ist dabei nicht, ob der Erklärende einen Verpflichtungswillen hatte, sondern ob der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) dahin verstehen konnte und durfte, der Arbeitgeber wolle sich zu einer über seine gesetzlichen, tarifvertraglichen und vertraglichen Pflichten hinausgehenden Leistung verpflichten (st. Rspr., bspw. BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 11, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 51; 24. März 2010 - 10 AZR 43/09 - Rn. 16, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 90 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 13). Dies ist im Wege der Auslegung des Verhaltens des Arbeitgebers zu ermitteln. Die Anforderungen an den Erklärungswert bestimmen sich nach der Art des Verhaltens des Vertragspartners, das eine betriebliche Übung begründen soll. Eine vertragliche Bindung wird regelmäßig anzunehmen sein, wenn besondere Umstände ein schutzwürdiges Vertrauen der Arbeitnehmer begründen (vgl. BAG 13. Juni 2007 - 5 AZR 849/06 - Rn. 15, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 78). Dabei kommt dem konkreten Verhalten des Arbeitgebers, insbesondere dessen Intensität und Regelmäßigkeit, entscheidendes Gewicht zu. Zwar hat der Senat bisher keine verbindliche Regel aufgestellt, ab welcher Anzahl von Leistungen der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, er werde die Leistung auch zukünftig erhalten. Allerdings ist für jährlich an die gesamte Belegschaft geleistete Gratifikationen die Regel aufgestellt worden, nach der eine zumindest dreimalige vorbehaltlose Gewährung zur Verbindlichkeit erstarkt, falls nicht besondere Umstände hiergegen sprechen oder der Arbeitgeber bei der Zahlung einen Bindungswillen für die Zukunft ausgeschlossen hat (vgl. BAG 21. Januar 2009 - 10 AZR 219/08 - Rn. 13, BAGE 129, 164).

13

b) Auch wenn es an einer betrieblichen Übung fehlt, weil beispielsweise der Arbeitgeber eine Zahlung nur an einen Arbeitnehmer vorgenommen hat und damit das kollektive Element fehlt, kann für diesen ein Anspruch entstanden sein. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer aus einem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers auf ein Angebot schließen konnte, das er gemäß § 151 BGB durch schlüssiges Verhalten angenommen hat(BAG 21. April 2010 - 10 AZR 163/09 - Rn. 11, 17, AP BGB § 151 Nr. 5).

14

2. Der Anspruch auf ein 13. Monatsgehalt ist - abgesehen von der Frage des arbeitsvertraglichen Vorbehalts (dazu unter I 3) - Bestandteil der arbeitsvertraglichen Regelungen der Parteien geworden.

15

a) Die seit mehr als 20 Jahren im November erfolgte Zahlung einer als 13. Monatsgehalt bezeichneten Zuwendung konnte der Kläger unter Berücksichtigung der konkreten Einzelfallumstände, wie der Häufigkeit der Leistung, der Art der kommentarlosen Auszahlung und der Höhe der Sonderzahlung (ein Monatsgehalt), sowie unter Beachtung von Treu und Glauben nur so auffassen, dass der Beklagte sich auch zur zukünftigen dauerhaften Leistung verpflichten wollte (vgl. zur Auslegung der Erklärungen insoweit: JbArbR Bd. 47 S. 93, 112). Da der Beklagte bei den Zahlungen weder einen ausdrücklichen Freiwilligkeitsvorbehalt erklärt noch auf den vertraglich formulierten Vorbehalt Bezug genommen hatte, musste der Kläger auch nicht annehmen, die Sonderzahlung erfolge lediglich für das konkrete Jahr und ohne Rechtsbindungswillen für die Zukunft. Er durfte vielmehr berechtigterweise auf eine fortdauernde Leistungsgewährung für die Folgejahre vertrauen (zu diesem Vertrauensaspekt: vgl. Annuß FS Picker S. 861, 865). Vom Bestehen eines entsprechenden Anspruchs ging offensichtlich auch der Beklagte aus; anders kann der Inhalt des Schreibens vom 28. November 2008 kaum gedeutet werden. Ein Angebot auf Vertragsänderung zur teilweisen Beseitigung oder Umgestaltung eines Anspruchs ist nur dann erforderlich, wenn ein solcher Anspruch besteht. Auch die Bezeichnung als „13. Gehalt“ spricht für einen Anspruch.

16

Dabei kann dahinstehen, ob der Anspruch aufgrund betrieblicher Übung entstanden ist - wovon das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist, ohne allerdings entsprechende Feststellungen zu treffen - oder aufgrund konkludenten Verhaltens ausschließlich im Verhältnis der Parteien.

17

b) Dem Anspruch steht die arbeitsvertraglich vereinbarte Schriftformklausel nicht entgegen. Eine einfache Schriftformklausel, nach der Änderungen und Ergänzungen des Vertrags der Schriftform bedürfen, verhindert eine konkludente Vertragsänderung oder das Entstehen einer betrieblichen Übung nicht. Die Vertragsparteien können das für eine Vertragsänderung vereinbarte Schriftformerfordernis jederzeit schlüssig und formlos aufheben. Das ist sogar dann möglich, wenn die Vertragsparteien bei ihrer mündlichen Abrede an die Schriftform überhaupt nicht gedacht haben (BAG 20. Mai 2008 - 9 AZR 382/07 - Rn. 17, BAGE 126, 364 [betriebliche Übung]; vgl. 17. Juli 2007 - 9 AZR 819/06 - Rn. 25, AP ZPO § 50 Nr. 17 = EzA TzBfG § 8 Nr. 17 [konkludente Vertragsänderung]).

18

3. Ebenso wenig steht dem Anspruch der Vorbehalt aus § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrags entgegen. Das Landesarbeitsgericht geht zu Recht davon aus, dass die vertragliche Formulierung das Entstehen eines zukünftigen Anspruchs auf Zahlung eines 13. Monatsgehalts nicht ausschließen konnte. Sie ist nicht geeignet, den Wert der späteren Erklärungen des Beklagten im Zusammenhang mit den mehrfach geleisteten Zahlungen hinreichend zu entwerten. Die Klausel ist wegen der Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt intransparent und verstößt gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Darüber hinaus benachteiligt ein derartig weit gefasster Freiwilligkeitsvorbehalt den Arbeitnehmer unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB.

19

a) Bei der vom Beklagten in § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrags vorformulierten Vertragsbedingung handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 BGB. Die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt einer vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 15, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 51). Allgemeine Vertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 15, aaO).

20

b) Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein Freiwilligkeitsvorbehalt das Entstehen eines Rechtsanspruchs auf eine künftige Sonderzahlung wirksam verhindern (BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 16 mwN, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 51). Der Arbeitgeber kann - außer bei laufendem Arbeitsentgelt (vgl. BAG 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - BAGE 122, 182) - einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers grundsätzlich ausschließen und sich eine Entscheidung vorbehalten, ob und in welcher Höhe er zukünftig Sonderzahlungen gewährt. Er bleibt grundsätzlich in seiner Entscheidung frei, ob und unter welchen Voraussetzungen er zum laufenden Arbeitsentgelt eine zusätzliche Leistung erbringen will. Gibt es einen klar und verständlich formulierten Freiwilligkeitsvorbehalt, der jeden Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf eine Sonderzahlung ausschließt, fehlt es an einer versprochenen Leistung iSd. § 308 Nr. 4 BGB. In diesen Fällen wird eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Leistung der Sonderzahlung unabhängig von dem mit der Sonderzuwendung verfolgten Zweck von vornherein nicht begründet. Allerdings muss ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt klar und verständlich iSd. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB formuliert worden sein, um den Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf eine Sonderzahlung eindeutig auszuschließen(BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 16, aaO). Er darf insbesondere nicht in Widerspruch zu anderen Vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien stehen (BAG 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 39, BAGE 127, 185; vgl. 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 18, BAGE 124, 259; Preis NZA 2009, 281, 285).

21

c) Die im Streitfall formulierte Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

22

aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 BGB(BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 206/10 - Rn. 29, ZTR 2011, 547; 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Eine solche Situation ist bei der Kombination eines Freiwilligkeits- mit einem Widerrufsvorbehalt regelmäßig gegeben.

23

bb) § 4 Abs. 3 Satz 1 des Arbeitsvertrags formuliert, dass im(schriftlichen) Vertrag nicht vereinbarte Leistungen freiwillig sind. Eine solche Bestimmung ist im Zweifel nur als Hinweis zu verstehen, dass der Arbeitgeber Leistungen erbringt, ohne dazu durch andere Regelungen gezwungen zu sein (vgl. BAG 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 17, BAGE 124, 259; 1. März 2006 - 5 AZR 363/05 - Rn. 24 f., BAGE 117, 155). Allerdings enthält § 4 Abs. 3 Satz 2 des Arbeitsvertrags darüber hinaus den für sich genommen klaren Hinweis, dass auch bei einer mehrmaligen und regelmäßigen Zahlung der Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch für die Zukunft erwerben solle. Einen solchen Vorbehalt hat der Senat als ausreichend angesehen, um einen Anspruch auf eine zukünftige Leistung auszuschließen (vgl. BAG 18. März 2009 - 10 AZR 289/08 - EzA BGB 2002 § 307 Nr. 43 [Vorbehalt bei Zahlung]; 21. Januar 2009 - 10 AZR 219/08 - BAGE 129, 164 [Vorbehalt im Formulararbeitsvertrag]).

24

cc) Die Klausel in § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrags ist aber deshalb unklar und missverständlich, weil Satz 1 darüber hinaus eine Widerrufsmöglichkeit vorsieht. Der Beklagte hat eine freiwillige Leistung unter einen Widerrufsvorbehalt gestellt. Bei einem Freiwilligkeitsvorbehalt entsteht schon kein Anspruch auf die Leistung, bei einem Widerrufsvorbehalt hingegen hat der Arbeitnehmer einen Anspruch, der Arbeitgeber behält sich aber vor, die versprochene Leistung einseitig zu ändern (vgl. bspw. BAG 20. April 2011 - 5 AZR 191/10 - Rn. 10, EzA BGB 2002 § 308 Nr. 12; 12. Januar 2005 - 5 AZR 364/04 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 113, 140).

25

Dem Landesarbeitsgericht ist in der Annahme zu folgen, dass in einer solchen Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt regelmäßig ein zur Unwirksamkeit der Klausel führender Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt, sodass der Arbeitgeber sich auf den Freiwilligkeitsvorbehalt nicht berufen kann (noch offengelassen in BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 20, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 51). Der Begriff des Widerrufsvorbehalts hat eine bestimmte arbeitsrechtliche Bedeutung. Nutzt der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen einen solchen Begriff, so darf sein Vertragspartner diesem eine entsprechende Bedeutung zumessen. Im Widerrufsvorbehalt liegt damit nicht nur eine „Verstärkung“ des Freiwilligkeitsvorbehalts. Bei der Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt wird vielmehr schon nach dem Vertragstext auch für den um Verständnis bemühten Vertragspartner nicht deutlich, ob nun jegliche zukünftige Bindung ausgeschlossen oder lediglich eine Möglichkeit eröffnet werden soll, sich später wieder von einer vertraglichen Bindung loszusagen. Erfolgen dann noch mehrfache Zahlungen einer bestimmten Leistung ohne weitere Vorbehalte, so ist erst recht nicht mehr erkennbar, ob ein Rechtsbindungswille für die Zukunft ausgeschlossen bleiben soll.

26

dd) Entgegen der Auffassung des Beklagten kann die Klausel nicht so geteilt werden, dass lediglich ein wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt aufrechterhalten bliebe.

27

Handelt es sich um eine teilbare Klausel, ist die Inhaltskontrolle jeweils für die verschiedenen, nur formal verbundenen Bestimmungen vorzunehmen (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - Rn. 32, BAGE 118, 36). Maßgeblich ist, ob die Klausel mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Ist die verbleibende Regelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Die Teilbarkeit einer Klausel ist durch Streichung des unwirksamen Teils zu ermitteln (vgl. BAG 6. Mai 2009 - 10 AZR 443/08 - Rn. 11, AP BGB § 307 Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 44).

28

Die Aufrechterhaltung eines zulässigen Teils der Klausel kommt hier grundsätzlich nicht in Betracht. Die Intransparenz der vertraglichen Regelung und damit ihre Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1 BGB folgt gerade aus der Kombination zweier Klauselteile, die jeweils für sich genommen ausreichend transparent sein mögen. Dies unterscheidet die Fallgestaltung von den Fällen, in denen ein abgrenzbarer Teil der Vertragsklausel unwirksam ist. Nur in solchen Fällen ist eine Streichung des unwirksamen Teils möglich, ohne gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (§ 306 Abs. 2 BGB) zu verstoßen (vgl. dazu BAG 23. September 2010 - 8 AZR 897/08 - Rn. 37 f., AP BGB § 307 Nr. 48 = EzA BGB § 309 Nr. 6).

29

d) Darüber hinaus benachteiligt der in § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrags enthaltene Freiwilligkeitsvorbehalt, der alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfasst, den Kläger unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB und ist deshalb unwirksam.

30

aa) Der Senat ist bisher davon ausgegangen, dass nicht nur Freiwilligkeitsvorbehalte, die bei der jeweiligen Zahlung erklärt werden, sondern auch vertragliche Freiwilligkeitsvorbehalte dazu führen können, dass das spätere konkludente Verhalten des Arbeitgebers entgegen seinem gewöhnlichen Erklärungswert nicht als Angebot zur dauerhaften Leistungserbringung zu verstehen ist. Vertragliche Freiwilligkeitsvorbehalte wurden grundsätzlich als wirksam im Hinblick auf eine Inhaltskontrolle nach § 305 ff. BGB angesehen. In den entschiedenen Fällen ging es jeweils um Ansprüche auf Leistungen, die als „Weihnachtsgeld“ oder „Weihnachtsgratifikation“ bezeichnet waren, auch wenn die Vertragsklauseln teilweise auch andere Leistungen erfassten (zB BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 51; 20. Januar 2010 - 10 AZR 914/08 - Rn. 14, AP BGB § 305c Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 18; 21. Januar 2009 - 10 AZR 219/08 - Rn. 14 f., BAGE 129, 164 und - 10 AZR 221/08 - Rn. 14 f.; 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 12, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40; 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 39, BAGE 127, 185).

31

bb) Der Senat hat bereits Bedenken, ob ein solcher vertraglicher Vorbehalt dauerhaft den Erklärungswert einer ohne jeden Vorbehalt und ohne den Hinweis auf die vertragliche Regelung erfolgten Zahlung so erschüttern kann, dass der Arbeitnehmer das spätere konkludente Verhalten des Arbeitgebers entgegen seinem gewöhnlichen Erklärungswert nicht als Angebot zur dauerhaften Leistungserbringung verstehen kann (kritisch auch Däubler/Bonin/Deinert/ Bonin 3. Aufl. § 307 BGB Rn. 200 ff.; ErfK/Preis 11. Aufl. §§ 305 - 310 BGB Rn. 68; Kittner/Zwanziger/Deinert 6. Aufl. § 11 Rn. 135a, 224; aA bei Gratifikationen DFL/Löwisch 4. Aufl. § 308 BGB Rn. 4; Henssler/Moll AGB-Kontrolle vorformulierter Arbeitsbedingungen S. 35; HWK/Thüsing 4. Aufl. § 611 BGB Rn. 508 ff.; MüArbR/Krause 3. Aufl. § 56 Rn. 7; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 35 Rn. 67). Die vorliegende Fallgestaltung mit einer mehr als 20 Jahre lang erfolgten vorbehaltlosen Zahlung einer zusätzlichen Vergütung lässt eine entsprechende Annahme als zweifelhaft erscheinen.

32

cc) Unabhängig hiervon muss diese Rechtsprechung in den Fällen eingeschränkt werden, in denen ein vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfassen soll. Ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt bezieht unzulässigerweise laufende Leistungen ein und verstößt sowohl gegen den in § 305b BGB bestimmten Vorrang der Individualabrede als auch gegen den allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass vertragliche Regelungen einzuhalten sind.

33

(1) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, besonderer Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 angemessen zu berücksichtigen(BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 39 f., AP BGB § 307 Nr. 26; vgl. 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 33, BAGE 118, 22). Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.

34

(2) Der Vorbehalt in § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrags lässt eine Auslegung zu, wonach er alle zukünftigen, im Vertrag nicht unmittelbar vereinbarten Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfassen soll.

35

Der Vorbehalt bezieht sich nach seinem Wortlaut auf alle im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 1. August 1982 nicht vereinbarten Leistungen. Es wird nicht danach unterschieden, ob es sich um laufende Leistungen oder einmalige Sonderzahlungen handeln soll; eine Konkretisierung auf bestimmte Leistungen oder zumindest auf eine bestimmte Art von Leistungen ist nicht enthalten. Ebenso wenig wird auf den Entstehungsgrund der Leistung abgestellt. Der Wortlaut erfasst sowohl Fälle der betrieblichen Übung als auch konkludente, zB auf einer Gesamtzusage beruhende Vereinbarungen und sogar ausdrückliche vertragliche Einzelabreden. Entgegen der Auffassung des Beklagten lässt sich der vertragliche Freiwilligkeitsvorbehalt nicht dahingehend auslegen, dass damit allein das Entstehen einer betrieblichen Übung hinsichtlich bestimmter Sonderzahlungen ausgeschlossen werden sollte. Aus dem Wortlaut der Regelung ist eine solche Beschränkung nicht zu entnehmen. Auch aus den übrigen vertraglichen Regelungen lässt sich aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise eine Beschränkung auf die Verhinderung einer betrieblichen Übung nicht erkennen. Zwar ist eine solche Auslegung möglich; ebenso nahe liegend erscheint aber eine dem Wortlaut entsprechende weiter gefasste Auslegung. Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber muss bei Unklarheiten die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen (BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 20, AP GewO § 106 Nr. 11 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 49; 12. Dezember 2006 - 3 AZR 388/05 - Rn. 30, AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 67 = EzA BetrAVG § 1 Zusatzversorgung Nr. 18; auch st. Rspr. des BGH, vgl. zB 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08 - Rn. 41, BGHZ 186, 180; 9. Juni 2010 - VIII ZR 294/09 - Rn. 16, NJW 2010, 2877).

36

(3) Der Ausschluss jeden Rechtsanspruchs für außerhalb der früheren vertraglichen Vereinbarungen gezahltes laufendes Arbeitsentgelt benachteiligt den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

37

Der Ausschluss jeden Rechtsanspruchs bei laufendem Arbeitsentgelt widerspricht dem Zweck des Arbeitsvertrags. Dem Arbeitgeber soll damit ermöglicht werden, vom Arbeitnehmer die vollständige Erbringung der geschuldeten Leistung zu verlangen und seinerseits über die von ihm geschuldete Gegenleistung zu disponieren. Damit verhindert der Ausschluss des Rechtsanspruchs die Verwirklichung des Prinzips der Vertragsbindung und löst die synallagmatische Verknüpfung der Leistungen beider Vertragsparteien. Die Möglichkeit, eine nach Zeitabschnitten bemessene Vergütung grundlos und noch dazu ohne jegliche Erklärung einzustellen, beeinträchtigt die Interessen des Arbeitnehmers grundlegend. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei den unter einem Vorbehalt stehenden Leistungen nicht um die eigentliche Grundvergütung, sondern um eine zusätzliche Abgeltung der Arbeitsleistung in Form einer Zulage oder sonstiger laufender Leistungen handelt (BAG 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - Rn. 20, BAGE 122, 182; Schaub/Linck § 35 Rn. 70 f.).

38

(4) Eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers liegt auch darin, dass der vertragliche Vorbehalt spätere Individualabreden iSv. § 305b BGB erfasst.

39

Nach § 305b BGB haben individuelle Vertragsabreden Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Individualabreden können grundsätzlich alle Abreden zwischen den Vertragsparteien außerhalb der einseitig vom Verwender vorgegebenen Geschäftsbedingungen sein. Sie können sowohl ausdrücklich als auch konkludent getroffen werden (vgl. zu § 4 AGBG: BGH 6. März 1986 - III ZR 234/84 - zu II 2 a der Gründe, NJW 1986, 1807). Auch nachträglich getroffene Individualabreden haben Vorrang vor kollidierenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Es kommt nicht darauf an, ob die Parteien eine Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen beabsichtigt haben oder sich der Kollision mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen bewusst geworden sind (BGH 21. September 2005 - XII ZR 312/02 - zu 2 a der Gründe, BGHZ 164, 133). Mit diesem Vorrang der Individualabrede ist ein Freiwilligkeitsvorbehalt nicht zu vereinbaren, der so ausgelegt werden kann, dass er Rechtsansprüche aus späteren Individualabreden ausschließt (vgl. auch zur doppelten Schriftformklausel: BAG 20. Mai 2008 - 9 AZR 382/07 - Rn. 39, BAGE 126, 364).

40

(5) Darüber hinaus weicht eine solche Regelung von dem allgemeinen Grundsatz „pacta sunt servanda“ (Verträge sind einzuhalten) ab (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Jeder Vertrag und die sich aus ihm ergebenden Verpflichtungen sind für jede Seite bindend (BAG 7. Dezember 2005 - 5 AZR 535/04 - Rn. 34, BAGE 116, 267; 12. Januar 2005 - 5 AZR 364/04 - zu B I 4 a der Gründe, BAGE 113, 140). Dies gilt auch für nach Abschluss des ursprünglichen Vertrags im laufenden Arbeitsverhältnis eingegangene Verpflichtungen. Von diesen kann nicht unter Hinweis auf einen vertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalt wieder Abstand genommen werden.

41

(6) Es gibt auch keine objektiv feststellbaren Besonderheiten des Arbeitsrechts iSv. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB(vgl. dazu zB BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 22, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 55 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 15; 13. April 2010 - 9 AZR 113/09 - Rn. 29, AP BGB § 308 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 11), die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen würden. Dies gilt insbesondere, weil es dem Arbeitgeber unschwer möglich ist, bei der Erbringung der jeweiligen Leistung kontrollfrei zu bestimmen, ob es sich um eine einmalige Leistung handeln soll, und ggf. einen entsprechenden Vorbehalt zu erklären (vgl. Preis/Preis Der Arbeitsvertrag 4. Aufl. II V 70 Rn. 44, 71; Reinhard NJW 2011, 2317).

42

4. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 BGB.

43

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Thiel    

        

    A. Effenberger    

                 

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 20. April 2011 - 11 Sa 993/10 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 10. Juni 2010 - 15 Ca 16589/09 - abgeändert, soweit die Beklagte zur Zahlung von 25.000,00 Euro brutto nebst Zinsen verurteilt wurde. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch um einen Bonusanspruch für das Jahr 2008. Hilfsweise macht der Kläger Schadensersatzansprüche in gleicher Höhe geltend.

2

Der Kläger ist zugelassener Rechtsanwalt. Er war vom 1. September 1992 bis zum 31. August 2009 bei der D AG beschäftigt, zuletzt als Leitender Syndikus auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 29. August/1. September 1997 zu einem Bruttomonatsverdienst von 6.750,00 Euro. Zum 1. September 2009 wechselte er in ein anderes Konzernunternehmen.

3

Zu den Bezügen ist im Arbeitsvertrag vom 29. August/1. September 1997 auszugsweise Folgendes geregelt:

        

„2.     

Bezüge

        

Der Mitarbeiter erhält folgende Bezüge, durch die zugleich eventuelle Ansprüche auf Mehrarbeitsvergütung abgegolten sind:

        

a)    

Gehalt

                 

…       

        

b)    

Gratifikation

                 

Eine jährliche Abschlussgratifikation, die aus einem garantierten Betrag in Höhe eines Monatsgehaltes (Basis Dezember) und einer zusätzlichen Vergütung besteht, die unter Berücksichtigung der Ertragslage der Bank individuell nach Leistungsgesichtspunkten jährlich neu festgesetzt wird. Die Abrechnung erfolgt am ersten Arbeitstag nach der ordentlichen Hauptversammlung der Bank.“

4

Für die Geschäftsjahre 2006 und 2007 erhielt der Kläger Boni in Höhe von 32.000,00 Euro bzw. 35.000,00 Euro brutto.

5

Am 10./14. April 2008 schlossen die Parteien eine Zielvereinbarung, in der die vom Kläger im Geschäftsjahr 2008 zu erreichenden Ziele in drei verschiedenen Bereichen (Unternehmensziele, vom Fachvorstand abgeleitete individuelle Ziele, sonstige individuelle Ziele) aufgeführt sind. Die Zielvereinbarung lautet auszugsweise:

        

„       

Ziele und Executive Bonus 2008

        
                 

Zielvereinbarung und Zielerreichung - Seite 1

        
                 

Bewertungszeitraum*

01.01.2008 - 31.12.2008

        
                 

Name des Mitarbeiters*

        
                 

Dr. R 

        
                 

Position/Funktion des Mitarbeiters*

Beschäftigt seit

        
                 

Leitender Syndikus

09/1992

        
                 

Name des Vorgesetzten*

        
                 

E       

        
                 

Name des nächsthöheren Vorgesetzten*

        
                 

Dr. M

        
                 

Zielbonus in Euro p.a. *)**) 100 %

        
                 

wird in einem separaten Schreiben mitgeteilt

        
                 

…       

        
                 

*) Pflichteingabe

        
                 

**) Aus dem Zielbonus erwächst kein Rechtsanspruch

        
                 

s.a. Terms & Conditions

        
                 

…       

        
                 

[ ]       

Ja, zusätzliche Dokumente (bitte beifügen)

        
                 

[x]       

Ja, ich habe die Terms & Conditions zur Kenntnis genommen

        
                          

(abrufbar im Executive Net)

        
                                            
                 

_______________________________

__________________________________

        
                 

Datum, Unterschrift Mitarbeiter

Datum, Unterschrift Vorgesetzter

“       

6

Der Kläger unterzeichnete die Zielvereinbarung und bestätigte die Kenntnisnahme der „Terms & Conditions“ durch Ankreuzen des entsprechenden Kästchens.

7

Ein Schriftstück mit dem Namen „Ziele und Executive Bonus 2008, Terms & Conditions“ (im Folgenden: Bonusbedingungen) enthält unter anderem folgende Regelungen:

        

„1.     

Ziele und Berechtigte

        

In Ergänzung Ihres Dienstvertrags und der darin in Aussicht gestellten Leistungsgratifikation bzw. variablen Vergütung konkretisieren die Terms & Conditions zum Prozess ‚Ziele und Executive Bonus’ die hierfür erforderlichen Voraussetzungen.

        

…       

        

5.    

Rahmenbedingungen und Regelungen

        

»       

        

Die tatsächliche Auszahlung des Bonus setzt voraus, dass der Vorstand ein ausreichendes Bonusvolumen zur Verfügung stellt. Die Feststellung des Bonusvolumens bleibt weiterhin der Entscheidung des Vorstandes vorbehalten.“

8

Ein Zielbonus für das Geschäftsjahr 2008 wurde dem Kläger nicht mitgeteilt.

9

Am 28. Oktober 2008 erhielten alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der D AG eine mit den Namen des damaligen Vorstandsvorsitzenden und des damaligen Personalvorstands unterzeichnete E-Mail, in der mitgeteilt wurde, dass der Vorstand für das Kalenderjahr 2008 ein Bonusvolumen in Höhe von 100 % des Bonusvolumens 2007 - angepasst an den Mitarbeiterbestand 2008 - zugesagt habe.

10

Im Januar 2009 wurde bei der D AG intern kommuniziert, dass der Zielerreichungsgrad für die Unternehmensziele bei 60 % liege. Am 26./27. Januar 2009 wurde die Zielerreichung des Klägers in das Zielvereinbarungsformular eingetragen. Die Zielerreichung in Bezug auf die Unternehmensziele wurde auf 60 % und die Gesamtzielerreichung des Klägers auf 125 % festgesetzt. Anschließend wurde die Zielvereinbarung erneut von beiden Parteien unterschrieben.

11

Die D AG erzielte im Geschäftsjahr 2008 ein negatives operatives Ergebnis von 6,56 Mrd. Euro. Die Vorstände der Beklagten und der D AG beschlossen am 17. Februar 2009, keine Bonuszahlungen an Beschäftigte einschließlich Führungskräften und Vorstandsmitglieder zu leisten. Am 13. März 2009 erhielt der Kläger für das Jahr 2008 eine Zahlung für besondere Belastungen in Höhe von 6.750,00 Euro.

12

Mit Wirkung vom 11. Mai 2009 wurde die D AG auf die Beklagte verschmolzen.

13

Der Kläger ist der Ansicht, er habe einen weiteren Bonusanspruch für das Jahr 2008 in Höhe von 25.000,00 Euro. Bei einer Zielerreichung von 125 % habe in Anlehnung an den im Jahr 2007 gezahlten Bonus ursprünglich ein Bonusanspruch in Höhe von 35.000,00 Euro bestanden. Unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Zahlung in Höhe von 6.750,00 Euro und eines Abschlags von ca. 10 % stehe ihm noch ein Betrag in Höhe von 25.000,00 Euro zu. Auf den 25.000,00 Euro übersteigenden Restbetrag verzichte er, da er die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Beklagten anerkenne.

14

Die fehlende Angabe des Zielbonus stehe einem Anspruch aus der Zielvereinbarung nicht entgegen. Auch in den Vorjahren sei nie ein Zielbonus mitgeteilt worden. Durch die Mitteilung vom 28. Oktober 2008 sei auch, wie es Ziff. 5 der Bonusbedingungen vorschreibe, ein ausreichendes Bonusvolumen festgelegt worden. Diese Zusage habe die Beklagte später nicht einseitig ändern können. Auch eine Änderung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage komme nicht in Betracht.

15

Bei Ablehnung eines Anspruchs aus der Zielvereinbarung stehe dem Kläger jedenfalls ein Schadensersatzanspruch zu, der auf Ersatz des negativen Interesses gerichtet sei. Der Kläger sei im Vertrauen auf die Mitteilung des Vorstands vom 28. Oktober 2008 erst am 1. September 2009 zu einem anderen Konzernunternehmen gewechselt, obwohl er die neue Stelle bereits im Januar 2009 hätte angetreten können. Durch den verzögerten Wechsel auf die besser dotierte neue Stelle sei ihm zusätzliche Vergütung in Höhe von 31.700,00 Euro entgangen.

16

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 25.000,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 13. März 2009 zu zahlen.

17

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, dem Kläger stehe kein Erfüllungsanspruch aus der Zielvereinbarung zu, da ihm für das Geschäftsjahr 2008 kein Zielbonus mitgeteilt worden sei. Der Bonus könne auch nicht nachträglich nach Ablauf der Zielperiode durch Urteil festgesetzt werden. Zudem sei es nicht zulässig, sich hinsichtlich der Höhe des Zielbonus an den Vorjahren zu orientieren. In der Zielvereinbarung für das Jahr 2007 sei vereinbart gewesen, dass der Zielbonus in der Regel dem Zielbonus für das Jahr 2005 entsprechen solle. Eine solche Regelung fehle in der Zielvereinbarung für 2008.

18

Ein Anspruch des Klägers aus der Zielvereinbarung scheitere zudem daran, dass der Vorstand entgegen Ziff. 5 der Bonusbedingungen kein ausreichendes Bonusvolumen zur Verfügung gestellt habe. Ziff. 5 der Bonusbedingungen sei wirksam. Durch diese Klausel werde ihr ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht über die Festlegung des Bonusvolumens eingeräumt, das nach billigem Ermessen auszuüben sei. Die Klausel sei klar und verständlich. Durch sie werde der Mitarbeiter auch nicht unangemessen benachteiligt. Die Beklagte habe das ihr zustehende Leistungsbestimmungsrecht vor dem Hintergrund ihres desaströsen wirtschaftlichen Ergebnisses und der dramatischen Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Umfelds nach billigem Ermessen ausgeübt. Im August 2008 sei die D AG noch davon ausgegangen, dass es im Geschäftsjahr 2008 zu einem negativen Ergebnis aus gewöhnlicher Geschäftstätigkeit in Höhe von rd. 1,5 Mrd. Euro kommen werde. Letztlich habe das endgültige operative Ergebnis der D AG für das Jahr 2008 einen Verlust in Höhe von 6,56 Mrd. Euro ausgewiesen. Die dramatische Verschlechterung gegenüber der Prognose von August 2008 sei nicht vorhersehbar gewesen. Neben der öffentlichen Diskussion über Bonuszahlungen sei auch die Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Umfelds von erheblicher Bedeutung für die Entscheidung gewesen, keine Bonuszahlungen zu leisten. Die globale Finanzmarktkrise habe zum Ende des Jahres 2008 dramatische Höhepunkte erreicht. Die Kernkapitalquote der D AG habe sich in einem Bereich bewegt, der als kritisch anzusehen gewesen sei. Die Beklagte selbst habe in zwei Tranchen 18,2 Mrd. Euro aus dem Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) in Anspruch genommen.

19

Die Mitteilung vom 28. Oktober 2008 stelle lediglich eine unverbindliche Ankündigung eines möglichen Bonusvolumens an die gesamte Belegschaft dar. Jedenfalls sei die D AG aufgrund der dramatischen Entwicklungen berechtigt gewesen, eine solche Entscheidung nachträglich zu ändern. Sie könne sich zudem auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen. Die dramatische Verschlechterung des Ergebnisses gegenüber der Prognose, welche am 28. Oktober 2008 vorgelegen habe, sei nicht voraussehbar gewesen.

20

Dem Kläger könne eine Bonuszahlung auch nicht im Wege des Schadensersatzes verlangen. Selbst wenn man annähme, dem Kläger stehe ein Schadensersatzanspruch zu, wäre dieser auf Naturalrestitution gerichtet und der Kläger müsse so gestellt werden, wie er stünde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Der Kläger hätte jedoch auch dann keinen Bonus erhalten, wenn ihm ein Zielbonus mitgeteilt worden wäre.

21

Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich des Bonus für das Geschäftsjahr 2008 stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

22

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht für das Jahr 2008 weder ein zusätzlicher Bonusanspruch noch ein Schadensersatzanspruch in entsprechender Höhe zu.

23

A. Die Ansprüche des Klägers auf eine zusätzliche variable Vergütung für das Jahr 2008 sind erfüllt.

24

I. Nach Ziff. 2 Buchst. b des Arbeitsvertrags iVm. § 315 Abs. 1 und Abs. 2 BGB sowie der Zielvereinbarung und den Bonusbedingungen hatte der Kläger Anspruch auf die Festlegung einer zusätzlichen variablen Vergütung nach billigem Ermessen der Rechtsvorgängerin der Beklagten für das Jahr 2008. Das ergibt die Auslegung der vertraglichen Regelungen.

25

1. Der Arbeitsvertrag gewährte dem Kläger in Ziff. 2 Buchst. b Anspruch auf Festsetzung einer zusätzlichen Vergütung unter Berücksichtigung von Leistungsgesichtspunkten und der Ertragslage der Bank. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte hatte die Leistungsbestimmung damit nach billigem Ermessen (§ 315 Abs. 1 BGB) zu erfolgen. Die Maßstäbe für die Ausübung des billigen Ermessens haben die Parteien in der Zielvereinbarung konkretisiert. Aufgrund dieser vertraglichen Konkretisierung war die Beklagte an die Zielvereinbarung gebunden. Haben die Vertragsparteien durch eine Zielvereinbarung die Voraussetzungen für die Zahlung einer zusätzlichen Vergütung abschließend festgelegt, so kann sich der Arbeitgeber von der Zahlungspflicht nicht mehr einseitig durch anderweitige Leistungsbestimmung befreien (vgl. BAG 29. August 2012 - 10 AZR 385/11 -; 12. Oktober 2011 - 10 AZR 746/10 - Rn. 38, EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 28; zur Ausübung des Direktionsrechts: 16. März 2010 - 3 AZR 31/09 - Rn. 26, BAGE 133, 307; 17. Dezember 1997 - 5 AZR 332/96 - zu IV 3 der Gründe, BAGE 87, 311). Im Streitfall hatten die Parteien jedoch in der Zielvereinbarung keine abschließende Regelung getroffen, sondern zusätzlich die Geltung der Bonusbedingungen vereinbart, die ihrerseits die Zahlung unter den Vorbehalt einer entsprechenden Entscheidung des Vorstands stellten (Ziff. 5 der Bonusbedingungen). Die Entscheidung des Vorstands musste mangels entgegenstehender Anhaltspunkte billigem Ermessen entsprechen. Dabei durfte der Vorstand, soweit die Maßstäbe für die Ausübung des billigen Ermessens in der Zielvereinbarung festgelegt waren, von ihnen nicht mehr abweichen. Er konnte lediglich noch Gesichtspunkte geltend machen, die außerhalb der in der Zielvereinbarung zugrunde gelegten Umstände lagen und im Rahmen billigen Ermessens berücksichtigungsfähig waren.

26

2. Die Bonusbedingungen und insbesondere ihre Ziff. 5 sind Bestandteil der zwischen den Parteien geschlossenen Zielvereinbarung geworden.

27

a) Vorliegend wird auf beiden Seiten der Zielvereinbarung jeweils am Seitenende sowie unmittelbar über der von dem Mitarbeiter zu leistenden Unterschrift auf die Bonusbedingungen hingewiesen. Aufgrund dieser Vertragsgestaltung war es für den Kläger als Erklärungsempfänger (§§ 133, 157 BGB) erkennbar, dass die Bonusbedingungen nach dem Willen der Beklagten Bestandteil der Zielvereinbarung werden sollten. Durch die Unterschrift hat der Kläger sein Einverständnis mit dieser Vertragsgestaltung erklärt.

28

b) Der Einbeziehung von Ziff. 5 der Bonusbedingungen steht § 305 Abs. 2 BGB nicht entgegen. Auf die nach dieser Vorschrift erforderliche Möglichkeit des Vertragspartners eines Verwenders von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, bei Abschluss des Vertrags die Bedingungen inhaltlich zur Kenntnis zu nehmen, kommt es nicht an. Die Vorschrift des § 305 Abs. 2 BGB findet bei der Kontrolle vorformulierter Vertragsbedingungen im Arbeitsrecht keine Anwendung(§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB). Angesichts dieser klaren gesetzgeberischen Entscheidung scheidet eine analoge Anwendung des § 305 Abs. 2 BGB aus(BAG 14. März 2007 - 5 AZR 630/06 - Rn. 21, BAGE 122, 12). Für die wirksame Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gilt demnach § 145 ff. BGB, dh. es genügt jede stillschweigende Willensübereinkunft (ErfK/Preis 12. Aufl. §§ 305 - 310 BGB Rn. 28). Auch der Kläger selbst hat nicht infrage gestellt, dass die Bonusbedingungen Bestandteil der zwischen den Parteien geschlossenen Zielvereinbarung sind.

29

c) Ziff. 5 der Bonusbedingungen ist auch nicht überraschend iSd. § 305c Abs. 1 BGB.

30

aa) Nach § 305c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen dann nicht Vertragsbestandteil, wenn sie nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht. Überraschenden Klauseln muss ein „Überrumpelungseffekt“ innewohnen. Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher Widerspruch bestehen (BAG 21. Juni 2011 - 9 AZR 203/10 - Rn. 34, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 53; 14. August 2007 - 8 AZR 973/06 - Rn. 21, AP BGB § 307 Nr. 28 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 28). Da sich das Überraschungsmoment auch aus dem Erscheinungsbild des Vertrags ergeben kann, ist es möglich, dass auch das Unterbringen einer Klausel an einer unerwarteten Stelle im Text sie deswegen als Überraschungsklausel erscheinen lässt. Das Überraschungsmoment ist umso eher zu bejahen, je belastender die Bestimmung ist. Im Einzelfall muss der Verwender darauf besonders hinweisen oder die Klausel drucktechnisch hervorheben (BAG 21. Juni 2011 - 9 AZR 203/10 - aaO).

31

bb) Nach diesen Grundsätzen ist Ziff. 5 der Bonusbedingungen weder inhaltlich noch nach der äußeren Vertragsgestaltung überraschend (vgl. auch BAG 29. August 2012 - 10 AZR 385/11 - Rn. 27 ff.).

32

(1) Bereits Ziff. 2 Buchst. b des Arbeitsvertrags sieht vor, dass der Bonus unter Berücksichtigung der Ertragslage der Bank festgelegt und nach der Hauptversammlung, dh. nach Abschluss des Geschäftsjahres, abgerechnet wird. Bei Abschluss der Zielvereinbarung, welche gemäß Ziff. 1 der Bonusbedingungen diese arbeitsvertragliche Regelung konkretisiert, musste der Kläger daher damit rechnen, dass dieses Leistungsbestimmungsrecht der Beklagten fortbestehen sollte. Dem steht auch nicht entgegen, dass die wirtschaftliche Lage der Beklagten bereits im Rahmen der Zielvereinbarung berücksichtigt wurde. Da die Zielvereinbarung zu Beginn des Geschäftsjahres abgeschlossen wurde, konnte der Kläger nicht zwingend annehmen, dass dadurch das arbeitsvertraglich eingeräumte Bestimmungsrecht nach Abschluss des Geschäftsjahres vollständig aufgehoben werden sollte. Die Zielvereinbarung legte lediglich das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung aus Sicht des Zeitpunkts ihres Abschlusses fest. Damit sollte nicht die Berücksichtigung weiterer Umstände, die im Rahmen von § 315 BGB maßgeblich sein konnten, ausgeschlossen werden.

33

(2) Ein „Überrumpelungseffekt“ folgt auch nicht aus dem äußeren Erscheinungsbild der Klausel. Aus der Sicht einer Führungskraft im Bankgewerbe, die mit komplexen Vertragswerken und der Bedeutung Allgemeiner Geschäftsbedingungen vertraut ist, musste umso mehr mit einer maßgeblichen inhaltlichen Ausgestaltung der Anspruchsvoraussetzungen gerechnet werden, als in der Zielvereinbarung auf die Geltung der Bonusbedingungen hingewiesen wurde. Außerdem legte die Zielvereinbarung selbst nur den Zielbonus und die zu erreichenden Ziele, nicht aber nähere Einzelheiten fest. Bereits in Ziff. 3 der Bonusbedingungen, welche die Auszahlung des Bonus regelt, wird darauf hingewiesen, dass die Auszahlung des Bonus nur vorbehaltlich der Regelungen in Ziff. 5 erfolgt. Bei dieser Vertragsgestaltung war die hier maßgebliche Klausel für einen im Umgang mit Verträgen vertrauten Mitarbeiter wie den Kläger nicht überraschend.

34

3. Mit dem oben beschriebenen Inhalt hält Ziff. 5 der Bonusbedingungen auch der Inhaltskontrolle nach § 307 ff. BGB stand (vgl. auch BAG 29. August 2012 - 10 AZR 385/11 - Rn. 30 ff.).

35

a) Ziff. 5 der Bonusbedingungen enthält keinen unzulässigen Änderungsvorbehalt iSd. § 308 Nr. 4 BGB.

36

aa) Gemäß § 308 Nr. 4 BGB ist die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Einseitige Leistungsbestimmungsrechte im Sinne des § 315 ff. BGB fallen jedoch nicht unter § 308 Nr. 4 BGB, wenn sie darauf beschränkt sind, dem Verwender die erstmalige Festlegung seiner Leistung zu ermöglichen(BGH 17. Februar 2004 - XI ZR 140/03 - zu II 2 b aa der Gründe, BGHZ 158, 149; Dammann in Wolf/Lindacher/Pfeiffer AGB-Recht 5. Aufl. § 308 Nr. 4 Rn. 16; Staudinger/Coester-Waltjen (2006) § 308 Nr. 4 Rn. 5).

37

bb) So verhält es sich hier. Der vertragliche Anspruch des Klägers ist auf Entscheidung nach billigem Ermessen über die Jahresgratifikation nach Abschluss des Bezugsjahres gerichtet (Leistungsbestimmung, § 315 BGB). Die Zielvereinbarung ist lediglich eine Abrede der Parteien über verschiedene Parameter für die Ausübung des billigen Ermessens. Sie soll für sich genommen keinen Anspruch begründen. Von einer Änderung oder Abweichung in Bezug auf eine bereits versprochene Leistung kann damit nicht die Rede sein.

38

b) Ziff. 5 der Bonusbedingungen verstößt nicht gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB).

39

aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 BGB(BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 206/10 - Rn. 29, AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 47; 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40).

40

bb) Eine derartige Gefahr ist hier nicht erkennbar. Der mögliche Anspruch des Klägers ist durch den Arbeitsvertrag und die Zielvereinbarung ausreichend beschrieben. Der Kläger konnte erkennen, dass die Beklagte nach billigem Ermessen über die Festsetzung der Sonderzahlung zu entscheiden hatte. Durch die Zielvereinbarung waren die bei der Ermessensausübung zu berücksichtigenden Faktoren weitgehend festgelegt. Der Kläger war damit in der Wahrnehmung seiner Rechte nicht beeinträchtigt. Teilte der Vorstand ein Bonusvolumen in bestimmter Höhe mit, konnte der Kläger die Berechnung aufgrund der Zielvereinbarung nachprüfen und die ihm nach seiner Auffassung zustehenden Mehransprüche geltend machen, wie es auch geschehen ist.

41

c) Ziff. 5 der Bonusbedingungen ist nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie den Kläger unangemessen benachteiligen würde.

42

aa) Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.

43

(1) Von maßgeblicher Bedeutung ist insoweit, ob die gesetzliche Regelung nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht, sondern eine Ausprägung des Gerechtigkeitsgebots darstellt. Die Frage, ob eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Klauselverwenders vorliegt, ist auf der Grundlage einer Abwägung der berechtigten Interessen der Beteiligten zu beantworten. Hierbei ist das Interesse des Verwenders an der Aufrechterhaltung der Klausel mit dem Interesse des Vertragspartners an der Ersetzung der Klausel durch das Gesetz abzuwägen. Bei dieser wechselseitigen Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner, bei der auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten sind, ist ein genereller, typisierender Maßstab anzulegen (BAG 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 23, BAGE 124, 259; 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - Rn. 19 mwN, BAGE 122, 182).

44

(2) Rechtsvorschriften iSv. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind nicht nur die Gesetzesbestimmungen selbst, sondern die dem Gerechtigkeitsgebot entsprechenden allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze, dh. auch alle ungeschriebenen Rechtsgrundsätze, die Regeln des Richterrechts oder die aufgrund ergänzender Auslegung nach den §§ 157, 242 BGB und aus der Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten(BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 612/10 - Rn. 20, EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 31; 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 24, BAGE 124, 259).

45

bb) Nach diesen Maßstäben enthält Ziff. 5 der Bonusbedingungen keine unangemessene Benachteiligung.

46

(1) Die Regelung weicht mit dem durch Auslegung (siehe oben zu I 1) ermittelten Inhalt nicht vom Gesetz ab. Vielmehr sieht das Gesetz selbst einseitige Leistungsbestimmungsrechte vor (§ 315 BGB). Es geht davon aus, dass vertragliche Regelungen diesen Inhalts einem berechtigten Bedürfnis des Wirtschaftslebens entsprechen können und nicht von vornherein unangemessen sind. Das Gesetz ordnet ausdrücklich an, dass die Bestimmung mangels abweichender Vereinbarung nach billigem Ermessen zu geschehen hat, dass der Gläubiger die Entscheidung des Schuldners gerichtlich überprüfen und gegebenenfalls durch Urteil treffen lassen kann. Gegen die mit dem einseitigen Bestimmungsrecht etwa verbundene Gefährdung des Gläubigers hat der Gesetzgeber also Vorkehrungen getroffen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Vorkehrungen nicht ausreichend wären, sind nicht erkennbar.

47

(2) Die Regelung verstößt auch nicht gegen ungeschriebene Rechtsgrundsätze. Insbesondere besteht nicht die Gefahr, dass der Arbeitgeber einerseits die verhaltenssteuernde Wirkung eines vertraglichen Versprechens für die Zukunft in Anspruch nimmt, andererseits aber die Entscheidung über den Eintritt der Bedingung allein vom eigenen Willen abhängig macht. Wie bereits ausgeführt, ist der Arbeitgeber an eine im Rahmen des Leistungsbestimmungsrechts getroffene Zielvereinbarung in aller Regel gebunden. Insbesondere kann er nicht nachträglich das verabredete Leistungsprogramm verändern und kann auch nicht die in der Zielvereinbarung vereinbarte Zuweisung geschäftlicher Risiken verändern.

48

II. Der Anspruch des Klägers auf Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen ist erloschen (§ 362 BGB). Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat den Anspruch mit ihrem Schreiben von März 2009 und die anschließende Zahlung erfüllt. Die getroffene Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen (§ 315 Abs. 1 und Abs. 3 BGB); dem Kläger steht kein weiterer Bonusanspruch zu. Auf die fehlende Mitteilung des Zielbonus kommt es nicht an.

49

1. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (vgl. BAG 12. Oktober 2011 - 10 AZR 746/10 - Rn. 26, EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 28; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 31, AP GewO § 106 Nr. 11 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 49; 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 40, AP BGB § 307 Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47; 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - zu IV 2 a der Gründe, BAGE 112, 80).

50

a) Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat (vgl. BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 294/04 - zu B II 3 b aa der Gründe, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 20 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 15). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht, hat der Bestimmungsberechtigte zu tragen (vgl. BAG 14. Juli 2010 - 10 AZR 182/09 - Rn. 90, AP GG Art. 12 Nr. 143; BGH 5. Juli 2005 - X ZR 60/04 - zu II 2 c aa der Gründe mwN, BGHZ 163, 321). Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen (vgl. BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 28; BGH 18. Oktober 2007 - III ZR 277/06 - Rn. 20, BGHZ 174, 48).

51

b) Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB(vgl. BAG 23. Januar 2007 - 9 AZR 624/06 - Rn. 29, AP AVR Diakonisches Werk § 1 Nr. 14). Diese Sachentscheidung ist wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls vorrangig den Tatsachengerichten vorbehalten (BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 294/04 - zu B II 3 b und B IV 1 der Gründe, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 20 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 15; vgl. zur Kontroverse über den Umfang der revisionsrechtlichen Überprüfung: GMP/Müller-Glöge 7. Aufl. § 73 Rn. 10). Im Streitfall konnte der Senat die Entscheidung selbst treffen, weil alle maßgeblichen Tatsachen feststehen.

52

2. Durch die Bekanntgabe der Vorstandsentscheidung vom 2. Oktober 2008 mit Schreiben vom 28. Oktober 2008 über ein Bonusvolumen in Höhe des Bonusvolumens 2007 hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten noch keine verbindliche Leistungsbestimmung des individuellen Bonus für das Jahr 2008 iSv. § 315 BGB vorgenommen(vgl. auch BAG 12. Oktober 2011 - 10 AZR 165/11 - Rn. 27 ff.).

53

a) Die Leistungsbestimmung nach § 315 BGB konkretisiert den Leistungsinhalt, der vorher aufgrund des einer Partei zustehenden Bestimmungsrechts noch offen ist. Erforderlich für die Annahme einer Leistungsbestimmung ist daher, dass die Bestimmung konkret die dem Vertragspartner zustehende Leistung festlegt. Auch wenn man davon ausgeht, dass § 315 BGB eine Teilleistungsbestimmung zulässt(vgl. dazu KG Berlin 19. Februar 1979 - 2 U 3612/78 - DB 1979, 1124; Palandt/Grüneberg BGB 70. Aufl. § 315 Rn. 11; Erman/Hager BGB 13. Aufl. § 315 Rn. 14; enger Staudinger/Rieble (2009) § 315 Rn. 296: nur wenn [vertraglich] ausbedungen), muss durch sie das Ermessen hinsichtlich eines Teils der Leistung abschließend ausgeübt werden. Noch keine Leistungsbestimmung liegt hingegen vor, wenn der Bestimmungsberechtigte lediglich einzelne in die Abwägung einzustellende Faktoren festlegt oder die Voraussetzungen für die endgültige Leistungsbestimmung schafft.

54

Danach ist die Festlegung des Bonusvolumens noch keine Leistungsbestimmung. Aus der Höhe des Volumens lässt sich für den Kläger die Höhe seines individuellen Bonus weder ganz noch teilweise bestimmen. Vielmehr handelt es sich bei der Festlegung des Volumens lediglich um einen Faktor, der in die spätere Leistungsbestimmung einzubeziehen ist.

55

b) Allerdings ist die Festsetzung des Bonusvolumens und deren Bekanntgabe an die Arbeitnehmer nicht ohne rechtliche Bedeutung. Vielmehr hat sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten dadurch verpflichtet, dieses Bonusvolumen bei der Ausübung ihres Ermessens als einen wesentlichen Faktor zugrunde zu legen.

56

aa) Der nach § 315 BGB Bestimmungsberechtigte kann das ihm zustehende Ermessen im Wege der Selbstbindung vorab einschränken. In diesem Fall verhielte er sich widersprüchlich und verstieße damit gegen das in § 242 BGB niedergelegte Gebot von Treu und Glauben, wenn er ohne das Hinzutreten besonderer Umstände von seiner ursprünglichen Entscheidung Abstand nähme(vgl. zur Ausübung des Direktionsrechts: BAG 16. März 2010 - 3 AZR 31/09 - Rn. 26, BAGE 133, 307; 17. Dezember 1997 - 5 AZR 332/96 - zu IV 3 der Gründe, BAGE 87, 311).

57

bb) Ein solcher Fall liegt vor. Den Beschäftigten der Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Ausnahme der Beschäftigen des Bereichs DKIB Frontoffice wurde durch das Schreiben vom 28. Oktober 2008 durch den damaligen Vorstandsvorsitzenden und den Personalvorstand jeweils bezogen auf Funktion und Division ein Bonusvolumen in Höhe von 100 % des Volumens des Jahres 2007 zugesagt. Die Größe des Bonusvolumens ist zwar nicht als Eurobetrag bestimmt worden, aber durch die Orientierung am Vorjahresvolumen eindeutig bestimmbar. Ebenso wurde die Zielgruppe, für die dieses Bonusvolumen zugesagt werden sollte, festgelegt. Damit handelt es sich nicht lediglich um eine bloße Inaussichtstellung einer möglichen Größenordnung eines Bonusvolumens oder die Mitteilung über einen aktuellen Sachstand. Die Beschäftigten konnten der Erklärung daher ein gewisses Maß an Verbindlichkeit hinsichtlich des auszuschüttenden Bonusvolumens zumessen. Daran war die Rechtsvorgängerin der Beklagten grundsätzlich gebunden und verpflichtet, das zugesagte Bonusvolumen als weiteren wesentlichen Umstand in die spätere Entscheidung über die individuelle Bonushöhe einzubeziehen.

58

3. Die von der Rechtsvorgängerin der Beklagten im März 2009 vorgenommene Leistungsbestimmung wird den dargestellten Maßgaben gerecht.

59

a) Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat alle nach der vertraglichen Regelung, der Zielvereinbarung und den Bonusbedingungen wesentlichen Umstände in ihre Abwägung einbezogen und angemessen gewichtet. Dabei war insbesondere die Zielvereinbarung in die Erwägungen einzubeziehen. Die Zielvereinbarung war bindend, soweit die Ermessensausübung Gesichtspunkte betraf, die in der Zielvereinbarung abschließend geregelt waren. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten war gehindert, von dieser Vereinbarung für die Bestimmung des Bonus abzuweichen, ohne dass dafür besonders gewichtige, außerhalb der durch die Zielvereinbarung abgedeckten Umstände vorlagen.

60

b) Solche außergewöhnlichen Umstände lagen jedoch im Streitfall vor. Das negative operative Ergebnis der D AG betrug für das Jahr 2008 6,56 Mrd. Euro. Auch die Zufuhr von Kapital in Höhe von 4 Mrd. Euro durch die Beklagte macht deutlich, dass es sich um eine außergewöhnliche, desaströse Situation handelte. Die Beklagte musste ihrerseits Mittel im Umfang von etwa 18,2 Mrd. Euro aus dem SoFFin in Anspruch nehmen. Dies zeigt, dass die Fortexistenz der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin durch Umstände jenseits des ihrem und ihrer Mitarbeiter Einfluss unterliegenden Geschäftsverlaufs nachhaltig bedroht war. Damit realisierten sich nicht etwa die im Vertrag und in der Zielvereinbarung vorausgesetzten - und dementsprechend von der Beklagten zu tragenden - Risiken gewissermaßen „normaler“ negativer Geschäftsentwicklungen. Die Lage hatte vielmehr mit den in der Zielvereinbarung zum Ausdruck gebrachten Vorstellungen der Parteien nichts mehr zu tun. Die Existenz der Beklagten konnte nur durch massive staatliche Hilfeleistungen gesichert werden, die nicht auf die Rettung einzelner Banken, wie etwa der Beklagten, oder der Sicherung von Vergütungsansprüchen von Arbeitnehmern der Banken dienten, sondern dem öffentlichen Interesse an der Abwehr von schweren Gefahren für die Volkswirtschaft (Zusammenbruch des Bankensystems). So heißt es in der Regierungserklärung des damaligen Bundesministers der Finanzen zum Finanzmarktstabilisierungsgesetz vor dem Deutschen Bundestag am 15. Oktober 2008, es gehe nicht darum, dass es Gratifikationen für den Bankensektor geben solle oder dass Bankmanager vor dem Ruin bewahrt werden sollten, sondern um das „öffentliche Gut“ stabiler, funktionierender Finanzmärkte, die unverzichtbar seien „für jeden Handwerker, der einen Betriebsmittelkredit haben möchte, … für jedes große Unternehmen, das arbeitsplatzerhaltende oder arbeitsplatzerweiternde Investitionen vornehmen möchte, … für alle Menschen, die für das Alter sparen und damit ein auskömmliches Einkommen im Alter haben möchten, … für alle Sparerinnen und Sparer in Deutschland, die einen wettbewerbsfähigen Finanzsektor brauchen …“ (Bulletin der Bundesregierung vom 15. Oktober 2008, Bulletin Nr. 109-2).

61

c) Diese Ausnahmesituation lässt es auch unter Berücksichtigung der Leistung des Klägers nicht unangemessen erscheinen, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Bonusanspruch wie geschehen festsetzte. Dies gilt auch, wenn man zugunsten des Klägers seinen Vortrag als zutreffend unterstellt, dass er bereits früher zu seinem neuen Arbeitgeber hätte wechseln können und dies nur aus Loyalität zur Rechtsvorgängerin der Beklagten nicht getan hat. Dem Kläger flossen zusätzliche Leistungen neben dem festen Gehalt zu. Er erhielt damit eine angesichts der desaströsen Lage immer noch nennenswerte, keineswegs unbeträchtliche finanzielle Anerkennung für die von ihm zur Erreichung der Vorgaben in der Zielvereinbarung unternommenen Anstrengungen im Jahr 2008.

62

B. Dem Kläger steht kein Schadensersatzanspruch gemäß § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB wegen eines entgangenen Bonus für das Jahr 2008 zu.

63

I. Nach § 241 Abs. 2 BGB erwachsen einer Vertragspartei nicht nur Leistungs-, sondern auch Verhaltenspflichten zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils. Wird eine solche Pflicht verletzt, so kann der andere Vertragspartner Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen (§ 280 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dabei obliegt dem Arbeitgeber keine allgemeine Pflicht, die Vermögensinteressen des Arbeitnehmers wahrzunehmen. Er hat jedoch unaufgefordert über alle Umstände zu informieren, die dem Arbeitnehmer unbekannt, aber für Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Zustandekommen oder der Durchführung des Arbeitsvertrags erheblich sind. Weitergehende Aufklärungs- und Hinweispflichten können sich im Einzelfall ergeben (vgl. zB BAG 4. Oktober 2005 - 9 AZR 598/04 - zu 4 b aa der Gründe, BAGE 116, 104; 14. Juli 2005 - 8 AZR 300/04 - zu II 2 b aa der Gründe, AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 41 = EzA BGB 2002 § 242 Nr. 1). Insbesondere die schuldhafte Verletzung von Aufklärungspflichten kann dabei zu einem Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens führen. Der Geschädigte ist nach § 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, als wäre der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten. Auch die Hervorrufung eines berechtigten Vertrauens zB in die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses (BAG 21. September 2011 - 7 AZR 150/10 - Rn. 21 mwN, EzA BGB 2002 § 612a Nr. 7) oder die Gewährung einer bestimmten Leistung (BAG 16. Januar 2008 - 7 AZR 887/06 - Rn. 22, AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 144 [Gewährung von Aktienoptionen]) kann einen solchen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens begründen. Voraussetzung dafür ist aber, dass die vom Geschädigten vorgenommene Handlung kausal auf die Schädigungshandlung zurückzuführen ist (haftungsbegründende Kausalität; vgl. dazu BAG 18. August 2011 - 8 AZR 220/10 - Rn. 40, EzA BGB 2002 § 311 Nr. 2; 9. November 1999 - 3 AZR 623/98 - zu II 3 der Gründe).

64

II. Ausgehend von diesen Grundsätzen scheidet die Annahme eines Schadensersatzanspruchs aus.

65

Dabei kann offenbleiben, ob der Kläger aufgrund der Mitteilung über das Bonusvolumen vom 28. Oktober 2008 und/oder die erneute Unterzeichnung der Zielvereinbarung im Januar 2009 vor dem Hintergrund der vertraglichen Regelungen und trotz des damaligen wirtschaftlichen Umfelds darauf vertrauen durfte, dass er eine Bonuszahlung in der streitgegenständlichen Höhe erhalten werde. Auch wenn man dies zugunsten des Klägers unterstellt und weiter davon ausgeht, dass er bereits früher zu seinem neuen Arbeitgeber hätte wechseln können, fehlt es an der hinreichenden Darlegung einer haftungsbegründenden Kausalität.

66

Der Anspruch auf den streitgegenständlichen Bonus setzt nach den Bonusbedingungen nicht voraus, dass das Arbeitsverhältnis über den 31. Dezember 2008 hinaus fortbesteht. Ein Ausscheiden des Klägers zu diesem Zeitpunkt hätte daher nicht zum Verlust des Bonusanspruchs für das Geschäftsjahr 2008 geführt. Vor diesem Hintergrund durfte sich der Kläger durch die Mitteilung der Beklagten vom 28. Oktober 2008 allenfalls herausgefordert fühlen, das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten bis zum 31. Dezember 2008 fortzusetzen, um den Erhalt des vollen Bonusanspruchs für das Jahr 2008 sicherzustellen. Hingegen bestand im Zusammenhang mit dem Bonusanspruch kein Anlass, auch über den 1. Januar 2009 hinaus bei der Beklagten beschäftigt zu sein. Soweit allgemeine Loyalitätsüberlegungen im Zusammenhang mit der Abwicklung seines bisherigen Tätigkeitsfelds zu einer längeren Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geführt haben, stehen diese in keinem hinreichend nahen Bezug zu einem möglicherweise hervorgerufenen Vertrauen auf die Bonuszahlung.

67

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    W. Reinfelder    

        

    Mestwerdt     

        

        

        

    R. Baschnagel    

        

    Stefan Fluri    

                 

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.