Gemeinschaftliches Kirchliches Arbeitsgericht erster Instanz in Bayern Beschluss, 23. März 2018 - 1 KO 1/18

bei uns veröffentlicht am23.03.2018

Gericht

Tenor

Die Anträge vom 09.03. und 14.03. 2018 werden abgewiesen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Wege des Verfahrens der einstweiligen Verfügung über den Anspruch des Antragstellers gegenüber dem Wahlvorstand zur KOADA-Wahl 2018 auf anderweitige „Wahlbereichs“- Zuordnung der Wahlbewerberin und Beigeladenen zu 1) Frau C.

Der Antragsteller (im Folgenden: AS) ist Wahlbewerber für die bis zum 25.04.2018 (Briefwahlstichtag) stattfindende Wahl der Mitarbeitervertreter zur Kommission der Bay. Regional-KODA. Für die Durchführung dieser Wahl gilt die Wahlordnung zur Bay. Regional-KODA (BayRKWO) vom 01.05.2016. Die Organisation der Wahl liegt bei den diözesanen Wahlvorständen. Für die Erzdiözese B.(Beigeladene zu 2) ist dies der Antragsgegner (im Folgenden: AG).

Nach der BayRKWO sind für die Beigeladene zu 2) vier Mitarbeitervertreter zu wählen (ohne Lehrervertreter). Die konkrete Verteilung der Mandate geschieht dabei neben der erreichten Stimmenzahl nach Wahlbereichen (§§ 2 Abs. 1, 23 Abs. 1 BayRKWO). Der jeweilige Wahlbereich, dem der/die Kandidat/ in zugeordnet ist, wird auch - neben anderen Angaben - auf dem Stimmzettel genannt. Der AS gehört dem Wahlbereich 7 (Verwaltung) an. Die Beigeladene zu 1), deren Kandidatur der AS unterstützt, ist vom AG ebenfalls diesem Wahlbereich zugeordnet worden. Dies ist dem AS vom Vorsitzenden des AG auf Nachfrage mitgeteilt worden.

Der AS sieht sich dadurch in seinen Rechten als Wahlbewerber beeinträchtigt und hat deshalb das hiesige Eilverfahren anhängig gemacht. Er hat dazu vorgetragen, die Beigeladene zu 1) sei als Bildungsreferentin bei der Einrichtung F., Diözesanverband B. tätig. Sie müsse deshalb richtigerweise dem Wahlbereich 2 (Verbandsu. Bildungsbereich) zugeordnet werden. Wenn sich der AG darauf berufe, dass diesem Wahlbereich nur die Mitarbeiterinnen zugehörten, die nach der Vergütungsordnung für Beschäftigte in der Verbands- und/oder Bildungsarbeit für Erwachsene und derjenigen für Jugendliche eingruppiert seien, sei dem nicht zu folgen. Diese Vergütungsordnung sei nämlich seit 01.01. 2018 außer Kraft und könne deshalb für die KODA-Wahl keine Bedeutung mehr erlangen. Im Übrigen sei die formale Höhe der Vergütung/Eingruppierung von untergeordneter Bedeutung, da sie auch individuell vereinbart sein könne. Für die Zuordnung zu einem Wahlbereich müsse es vorrangig auf den Inhalt der konkreten Tätigkeit ankommen. Dies sei bei der Beigeladenen zu 1) eindeutig die Verbands- und Bildungsarbeit. Durch die unrichtige Zuordnung der Vorgenannten zum Wahlbereich 7, in dem er selbst kandidiere, würden seine Wahlchancen vermindert, weil aus jedem Wahlbereich nur der Bewerber mit der höchsten Stimmenzahl das Mandat erhalte.

Prozessual sei auch bei der Wahlorganisation und -durchführung der Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den rechtsfehlerhaft handelnden Wahlvorstand zulässig. Es müsse die unrichtige Wahl der Mitarbeiterseite der KODA-Kommission von vorneherein verhindert werden. Er könne als Mitarbeiter und Wahlbewerber nicht nur auf das Instrument der nachträglichen Anfechtung der Wahl verwiesen werden. Ein solches Verfahren könne sich länger hinziehen. In der Zwischenzeit könne er nicht an der zügig nach der Wahl beginnenden Arbeit der Kommission teilnehmen. Es fehlten auch der umfassende Kündigungsschutz und die gesetzlichen Freistellungsmöglichkeiten. Dieserhalb sei die Eilentscheidung des Gerichts erforderlich.

Die AS hat deshalb beantragt,

festzustellen, dass die Wahlbewerberin Frau C. - Beigeladene zu 1) - in der KODA-Wahl 2018 dem Wahlbereich 2 (Beschäftigte in der Verbandsund/oder Bildungsarbeit für Erwachsene) zuzuordnen ist.

hilfsweise, dass die KODA-Wahl 2018 abzubrechen ist.

Die Beigeladene zu 1) hat sich dem Vorbringen des AS angeschlossen ohne einen eigenen Sachantrag zu stellen.

Der AG hat hingegen beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Er hat dazu ausgeführt, die Beigeladene zu 1) sei zwar in der Bildungsu. Verbandsarbeit für Erwachsene und Jugendliche tätig, aber unstreitig in der Entgeltgruppe (EG) 12 eingruppiert. Für die Zuordnung zum hier streitigen Wahlbereich 2 sei aber nicht nur der Tätigkeitsbereich als solcher maßgeblich, sondern es müsse darüber hinaus auch die dafür vorgesehene Entgeltordnung bzw. die entsprechende Eingruppierung vorliegen. Dazu sei vom AS richtig vorgetragen worden, dass ab 01.01. 2018 die Vergütungsordnung ABD Teil A, 2.11 außer Kraft getreten sei. Allerdings sei zum gleichen Zeitpunkt an deren Stelle nun die Entgeltordnung für Beschäftigte in der kirchlichen Verbands- und/oder Bildungsarbeit für Jugendliche u. Erwachsene (ABD Teil A, 2.10) getreten, in der die früher getrennten Bereiche zusammengefasst worden seien. In der dortigen Protokollnotiz zu § 2 sei eindeutig festgelegt worden, dass Beschäftigte, die überwiegend Tätigkeiten nach den allgemeinen und nach EG 11 oder höher zu bewertenden Tätigkeitsmerkmalen ausübten, nicht unter die Entgeltordnung ABD Teil A, 2.10 fallen würden. Letzteres treffe für die Beigeladene zu 1) eindeutig zu. Deshalb könne sie dem Wahlbereich 2 nicht zugeordnet werden, sondern müsse zwingend bei dem „Auffang“-Wahlbereich 7 eingereiht werden.

Die Beigeladene zu 2) hat ebenfalls beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Sie hat dazu geltend gemacht, nach § 2 Abs. 1 BayRKWO seien die Wahlbereiche exakt bestimmt. Danach könnten nur diejenigen Beschäftigten dem Wahlbereich 2 zugeordnet werden, die nach der Vergütungsordnung ABD Teil A, 2.10 u. 2.11 eingruppiert seien. Nach dem normativen Zweck sollte damit eine präzise Abgrenzung der Mitarbeitergruppen ermöglicht und so individuelle Abgrenzungsprobleme vermieden werden. Dass die bisherigen Vergütungsordnungen ABD Teil A, 2.10 u. 2.11 so nicht mehr bestünden, sei ohne Belang. In der Neufassung der einschlägigen Entgeltordnung ab 01.01. 2018 seien die bisher getrennten Regelungen nun für den Erwachsenen- und Jugendbereich lediglich zusammengefasst worden, ohne dass eine inhaltliche Änderung geschehen sei (ABD Teil A, 2.10 neu). Zu Recht verweise der AG auch auf die Protokollnotiz zu § 2 der Entgeltordnung 2.10, wonach die Beschäftigten mit allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen und eingruppiert nach EG 11 u. höher nicht unter die vorgenannte Entgeltordnung fielen. Entgegen der Auffassung des AS könne im Wahlorganisationsverfahren nicht die Rechtmäßigkeit oder gar die Rechtsnatur der Eingruppierung der Beigeladenen zu 1) bewertet werden. Diese - nämlich nach EG 12 - sei vielmehr als Fakt hinzunehmen.

Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf den schriftsätzlichen Vortrag und die eingereichten Unterlagen verwiesen.

II.

1. Die Anträge vom 09.03./14.03. 2018 sind zulässig.

Der Rechtsweg zum Kirchlichen Arbeitsgericht und die sachliche Zuständigkeit sind zweifelsfrei: Es liegt eine Streitigkeit aus dem Recht der zur Ordnung des Arbeitsvertragsrechts gebildeten Kommissionen (KODA) vor (§ 2 Abs. 1 KAGO). Dazu gehört auch das Wahlverfahren für diese Kommissionen.

Das Eilverfahren der einstweiligen Verfügung ist auch vor dem Kirchlichen Arbeitsgericht eröffnet (§ 52 Abs. 1 KAGO). Das Kirchliche Arbeitsgericht für die Bayerischen (Erz-) Diözesen ist örtlich zuständig, da die Geschäftsstelle der Bay. Regional-KODA-Kommission ihren Sitz in Augsburg hat (§ 3 Abs. 2, S.1 KAGO). Beteiligten- und Klagebefugnis des AS sind zweifelsfrei (§§ 8 Abs. 1, lit. b), 10 KAGO).

Der vom AS als „Feststellungs“- Antrag formulierte Hauptantrag bedarf der Auslegung. Dabei ist auf das erkennbare Rechtsschutzziel in Umsetzung sachgerechter und nach der Rechtsordnung vernünftiger Antragstellung abzustellen. Ein Feststellungsantrag ist für das Eilverfahren in aller Regel schon deshalb ungeeignet, weil er wegen seiner Abstraktheit keine Durchsetzung bzw. Sicherung des behaupteten Rechts bewirkt. Es fehlt schlicht die Vollstreckungsfähigkeit. In richtiger Einordnung der Interessenlage des AS muss der Antrag deshalb als Leistungsantrag dahingehend verstanden werden, dass der AG verpflichtet werden soll, im Wahlverfahren die Beigeladene zu 1) dem Wahlbereich 2 (Bildungsu. Verbandsbereich) zuzuordnen.

Dem Hilfsantrag begegnen keine Zulässigkeitsbedenken.

Die Beiladung der Wahlbewerberin Frau C. hatte nach § 9 Abs. 2 KAGO zu geschehen, da von der Entscheidung ihr „Wahlstatus“ unmittelbar betroffen sein könnte. Entgegen deren Rechtsauffassung war die Erzdiözese B. als Dienstgeberin nach § 9 Abs. 1 KAGO zu beteiligen, da im Falle einer unwirksamen Wahl und einer daraus folgenden Neuwahl ihre Interessen zumindest berührt werden können (fakultative Beiladung).

Die Entscheidung hatte ohne mündliche Verhandlung durch den Kammervorsitzenden zu ergehen (§ 52 Abs. 2 KAGO).

2. Der (Haupt-) Antrag ist jedoch nicht begründet.

Im Rahmen der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung des Tatsachenstoffs und der rechtlichen Anspruchsgrundlage ergab sich für das Kirchliche Arbeitsgericht keine hinreichend deutliche Erkenntnis, dass der vom AS begehrte Eingriff in das laufende Wahlverfahren zur Wahl der Mitarbeitervertreter (Erzdiözese B.) für die KODA-Kommission geboten ist.

Der Erlass einer gerichtlichen Anordnung im Eilverfahren bedarf des Verfügungsanspruches und des Verfügungsgrundes (§§ 27, 52 KAGO, 916 ff, 935, 940 ZPO).

Für das Kirchliche Arbeitsgericht bestehen schon gewichtige Zweifel, ob dem AS der von ihm geltend gemachte Verfügungsanspruch, also das materielle Recht, gegenüber dem AG zukommt.

Der AS ist als Wahlbewerber und aktiv Wahlberechtigter zur KODA-Wahl zur Wahlanfechtung materiell berechtigt (§ 25 Abs. 1 BayRKWO) und deshalb auch für das hiesige Verfahren grundsätzlich befugt, Wahlrechtsverstöße geltend zu machen. Dabei ist jedoch schon an dieser Stelle anzumerken, dass der AS mit dem hiesigen Verfahren nicht unmittelbar sein eigenes aktives und/oder passives Wahlrecht reklamiert, sondern mit seinem Antrag auf den Wahlstatus einer dritten Person, einer anderen Wahlbewerberin, zielt. Ob die allgemeinen Wahlrechtsgrundsätze (§ 1 Abs. 1 BayRK-WO) es für den AS ermöglichen oder sogar verlangen, dass ein/e andere/r Kandidat/in mit ihm nicht in den unmittelbaren (Wahl-) Wettbewerb tritt, kann durchaus zweifelhaft sein. Hinzukommt, dass die Wahlbereichszuordnung bei dem Wahlakt selbst keine direkte Auswirkung hat. Nach §§ 16,17 BayRKWO hat in der Erzdiözese B. jeder Wähler 4 Stimmen, die er unab-Seite 6 von 10 hängig von den Wahlbereichen auf die Kandidaten und Kandidatinnen (ohne Häufelung) vergeben kann, also durchaus je eine Stimme auf zwei Kandidaten aus demselben Wahlbereich. Danach ist für die eigentliche Stimmabgabe eine Verletzung der Rechte des AS nicht erkennbar.

Nicht auszuschließen ist hingegen, dass sich die Wahlbereichszuordnung bei der späteren Mandatsfeststellung auswirkt, obwohl auch dies nicht zwingend ist: Zum einen kann der AS trotz des (relativen) Wettbewerbs mit der Beigeladenen zu 1) die höchste Stimmenzahl seines Wahlbereichs erzielen und erhält dann das Mandat (§ 23 Abs. 1 S. 2 BayRKWO) oder ihm kann als Nächstplazierten im Falle des § 23 Abs. 2 BayRKWO noch ein Mandat zugeteilt werden.

All dies muss jedoch nicht abschließend beantwortet werden, weil nach den im Rahmen des hiesigen Eilverfahrens zu gewinnenden Erkenntnissen die vom AG vorgenommene Zuordnung der Beigeladenen zu 1) zum Wahlbereich 7 nicht als rechtfehlerhaft zu bewerten ist.

Zunächst hält das Kirchliche Arbeitsgericht dafür, dass sich die Neufassung der Entgeltordnung ABD Teil A, 2.10 (ab 01.01. 2018) als organische Weiterentwicklung der früheren Vergütungsordnungen nach Teil A, 2.10 u. 2.11 darstellt. Solches ergibt sich zweifelsfrei aus der von den Beteiligten (übereinstimmend) beschriebenen Gesetzeshistorie und der Zwecksetzung. Danach tritt also Teil A, 2.10 (neu) unmittelbar an die Stelle der früheren Vergütungsordnungen A, 2.10 u. 2.11. Dies bedeutet dann weiter, dass nach den Regeln der systematischen und teleologischen Auslegung nun die Zuordnung/Abgrenzung des Wahlbereichs 2 (§ 2 Abs. 1, S.2, Nr.2 BayRKWO) so zu verstehen ist, dass dort die Beschäftigten einzuordnen sind, die nach der Entgeltordnung Teil A, 2.10 (neu ab 01.01. 2018) im kirchlichen Verbands- und/oder Bildungsbereich für Erwachsene u. Jugendliche eingruppiert sind. Zutreffend weisen AG und die Beteiligte zu 2) weiter daraufhin, dass die Zugehörigkeit zur Entgeltordnung Teil A, 2.10 durch die dortige Protokollnotiz weiter präzisiert wird. Mitarbeiter mit allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen und EG 11 und höher gehören danach nicht zu den Beschäftigten der Entgeltordnung „kirchliche Verbands- und/oder Bildungsarbeit“.

Die Beigeladene zu 1) ist unstreitig in die EG 12 eingruppiert. Davon ist für die Wahlorganisation und deren Durchführung auszugehen. Es ist richtig, dass dem Wahlverfahren eine gewisse Formstrenge innewohnt. Wahlen auf betrieblicher oder Unternehmensebene müssen von komplexen Auslegungs- oder Abgrenzungsstreitigkeiten schon deshalb ferngehalten werden, um nicht ausufernde Anfechtungsverfahren zu befördern (vgl. BAG v. 25.10. 2017, 7 ABR 10/16). Schon von daher ist im hiesigen (Wahl-) Rechtsverfahren kein Raum dafür, die inhaltliche Rechtmäßigkeit oder die Motivlage für die Eingruppierung der Beigeladenen zu 1) zu hinterfragen. Eine solche Überprüfung kann der AG nicht leisten und sie kommt ihm auch funktionell nicht zu. Vielmehr hat er bis zu Beweis des Rechtsmissbrauchs von der vorliegenden Eingruppierung auszugehen. Das Vorbringen des AS, wonach der Eingruppierung der Beigeladenen zu 1) besondere individualrechtliche Überlegungen zugrunde lägen und deshalb eine Art „übertarifliche Zulage“ darstellten, ist aus den genannten Gründen unbehelflich.

Letztlich ist darauf zu verweisen, dass dem AG für die Zuordnung eines Wahlbewerbers zu einem bestimmten Wahlbereich eine ausdrückliche Entscheidungskompetenz in § 2 Abs. 3 BayRKWO zugewiesen ist. Da diese Kompetenz gerade „im Zweifelsfall“ gilt, hält das Kirchliche Arbeitsgericht dafür, dass damit dem Wahlvorstand, also hier dem AG, ein besonderer Beurteilungsspielraum zugebilligt werden soll. Die rechtliche Überprüfung muss sich also auf die Anwendung eines falschen Tatsachenstoffs, Verkennung des Rechtsbegriffs bzw. der Rechtsgrundlage oder offenkundige Subsumtionsfehler beschränken. Solches war, wie oben dargelegt, nicht erkennbar. Nachdem der AG seinen Beurteilungsspielraum bei der Zuordnung der Beteiligten zu 1) zum „Auffang“-Wahlbereich 7 nicht überschritten hat, fehlt es für das Begehren des AS bereits am Verfügungsanspruch.

3. In Ergänzung ist auszuführen, dass es für das gerichtliche Einschreiten im Eilverfahren auch am Verfügungsgrund fehlt (§§ 935, 940 ZPO). Dazu wäre erforderlich, dass ohne das gerichtliche Tätigwerden das (behauptete) Recht des AS vereitelt oder ganz wesentlich erschwert würde oder andere wesentliche Nachteile drohten. Solches kann das Kirchliche Arbeitsgericht hier nicht erkennen. Ohne eine Entscheidung im Eilverfahren zugunsten des AS verbleibt ihm - im Falle der Nichtwahl - die Anfechtung des Wahlergebnisses und die gerichtliche Überprüfung im Hauptsacheverfahren. Dafür ist in aller Regel kein längerer Zeitraum als 4 - 5 Monaten anzusetzen. Richtig ist, dass er in dieser Frist an der konkreten Gremiumsarbeit der KODA-Kommission nicht teilnehmen könnte. Dem Bestandsschutz für sein Arbeitsverhältnis geht er aber dadurch nicht verlustig, weil er als bisheriges Kommissionsmitglied den nachwirkenden Kündigungsschutz genießt (§ 13 S. 3 BayRKO). Auch hat der AS nicht vorgetragen, dass eine konkrete Gefährdung seines Arbeitsverhältnisses zu gewärtigen wäre. Richtig ist auch, dass er in einer solchen Zwischenphase keine Freistellung beanspruchen könnte (§ 11 BayRKO). Dies ist jedoch deshalb unbehelflich, weil er ja auch keine Gremiumstätigkeit verrichtet.

Schließlich ist von besonderer Bedeutung, dass dem gerichtlichen Eingreifen in das laufende Wahlverfahren bis hin zum Wahlabbruch wegen des verfassungsrechtlichen Demokratieprinzips, und weil gesetzlich nur die (nachträgliche) Anfechtung geregelt ist, enge Grenzen gesetzt sind. So wird ein solcher Eingriff regelmäßig nur dann als zulässig angesehen, wenn schwere Fehler im Wahlverfahren und seiner Durchführung vorliegen, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nicht nur zur Anfechtbarkeit sondern zur Nichtigkeit der Wahl führen können (vgl. BAG v. 27.7.2011, 7 ABR 61/10; LAG Hamm v. 31.8. 2016, 7 TaBVGa 3/16). In allen anderen Fällen muss sich der Betroffene auf das Hauptsacheverfahren zur Wahlanfechtung verweisen lassen.

Dies gilt aus den genannten Gründen auch hier. Eine Nichtigkeit der Wahl ist aus dem Vorbringen des AS keinesfalls erkennbar.

4. Der AS kann auch mit seinem Hilfsantrag auf Abbruch der laufenden Wahl der Mitarbeitervertreter (Erzdiözese B.) zur KODA-Kommission nicht durchdringen.

Für den noch massiveren Eingriff in das laufende Wahlverfahren, fehlt es erst recht - wie oben dargestellt - sowohl am Verfügungsanspruch wie am Verfügungsgrund.

Nach alledem waren die Verfügungsanträge in der geschehenen Weise abzuweisen.

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Referenzen - Gesetze

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 935 Einstweilige Verfügung bezüglich Streitgegenstand


Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 940 Einstweilige Verfügung zur Regelung eines einstweiligen Zustandes


Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile

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Landesarbeitsgericht Hamm Beschluss, 31. Aug. 2016 - 7 TaBVGa 3/16

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Tenor Auf die Rechtsbeschwerde des Wahlvorstands wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 7. September 2010 - 16 TaBV 57/10 - aufgehoben.

Referenzen

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerden des Betriebsrats und der Beteiligten zu 5. bis 8. wird der Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 12. November 2015 - 9 TaBV 44/15 - teilweise aufgehoben, soweit die am 5. Mai 2014 durchgeführte Wahl des gemeinsamen Betriebsrats für den gemeinsamen Betrieb der Beteiligten zu 5. bis 8. für unwirksam erklärt wurde.

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 19. November 2014 - 7 BV 2/14 - wird insgesamt zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.

2

Am 5. Mai 2014 fand in dem Gemeinschaftsbetrieb der zu 5. bis 8. beteiligten Arbeitgeberinnen, in dem ca. 950 Arbeitnehmer beschäftigt waren, eine Betriebsratswahl statt, aus welcher der zu 4. beteiligte, aus dreizehn Mitgliedern bestehende Betriebsrat hervorging. Zur Wahl standen vier Listen. Von den abgegebenen 818 Stimmen entfielen auf die Liste 1 („Initiative Innendienst“) 305 Stimmen und damit fünf Sitze, auf die Liste 2 („Große Außendienstliste“) 137 Stimmen und damit zwei Sitze, auf die Liste 3 („Mutter aller Listen“) 84 Stimmen und damit ein Sitz und auf die Liste 4 („Im Blick“) 276 Stimmen und damit fünf Sitze. Das Wahlergebnis wurde durch Aushang am 8. Mai 2014 bekannt gemacht.

3

Die Antragsteller zu 1. bis 3. sind wahlberechtigte Arbeitnehmer des Betriebs. Die Antragstellerin zu 3. war in der vorangegangenen Amtsperiode Betriebsratsvorsitzende.

4

Die Antragsteller haben die Betriebsratswahl mit ihrer am 19. Mai 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift angefochten. Sie haben vorgetragen, die Geschäftsleitung habe versucht, den Ausgang der Wahl in unzulässiger Weise zu beeinflussen, indem die Arbeit der damaligen Betriebsratsvorsitzenden öffentlich diskreditiert worden sei. Der Personalleiter der zu 5. beteiligten Arbeitgeberin Sch habe auf einem von der Geschäftsleitung initiierten Treffen der außertariflichen Angestellten am 12. September 2013 - dem sog. „Scheunentreffen“ - vor ca. 80 Anwesenden geäußert, die Betriebsratsvorsitzende S behindere die Arbeit des Unternehmens. Auf die Frage eines Mitarbeiters, was man da unternehmen könne, habe der Personalleiter geantwortet, er rege an, bei der im kommenden Jahr stattfindenden Betriebsratswahl eine „gescheite Liste“ aufzustellen. Der damalige Geschäftsführer der zu 5. beteiligten Arbeitgeberin N habe ergänzt, es seien 50 vom Betriebsrat angestrengte Gerichtsverfahren anhängig, und die Anwesenden aufgefordert, geeignete Mitarbeiter des Unternehmens für einen neuen Betriebsrat zu suchen. Der Personalleiter Sch habe im September/Oktober 2013 Beschäftigte angesprochen, ob sie sich zur Wahl stellen und ggf. den Betriebsratsvorsitz übernehmen wollten. Auch auf einem Führungskräftetreffen mit Mitarbeitern des Innendienstes mit Führungsverantwortung am 15. Oktober 2013 sei es maßgeblich um Betriebsratswahlen gegangen. Der Personalleiter Sch habe den Mitarbeitern das d’Hondtsche Höchstzahlverfahren präsentiert und geäußert, jeder, der Frau S seine Stimme bei der Betriebsratswahl gebe, begehe „Verrat“. Die Intervention der Geschäftsleitung habe zur Gründung einer weiteren Liste geführt und damit entscheidenden Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt.

5

Die Antragsteller haben zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass die am 5. Mai 2014 durchgeführte Wahl des einheitlichen Betriebsrats für die Betriebe der Beteiligten zu 5. bis 8. nichtig ist,

        

hilfsweise

        

die am 5. Mai 2014 durchgeführte Wahl des einheitlichen Betriebsrats für die Betriebe der Beteiligten zu 5. bis 8. für unwirksam zu erklären.

6

Der Betriebsrat und die zu 5. bis 8. beteiligten Arbeitgeberinnen haben beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie haben die Auffassung vertreten, in den Äußerungen des Personalleiters und des Geschäftsführers der Beteiligten zu 5. sei keine unzulässige Wahlbeeinflussung zu sehen. Dafür genüge die Aufforderung, sich an der Wahl zu beteiligen, nicht. Kritische Äußerungen über eine problematische Zusammenarbeit müssten beiden Betriebsparteien erlaubt sein.

7

Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Auf die Beschwerde der Antragsteller hat das Landesarbeitsgericht nach Durchführung einer Beweisaufnahme die Wahl für unwirksam erklärt und die Beschwerde im Übrigen zurückgewiesen. Mit ihren Rechtsbeschwerden begehren der Betriebsrat und die zu 5. bis 8. beteiligten Arbeitgeberinnen die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Antragsteller beantragen die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

8

B. Die Rechtsbeschwerden des Betriebsrats und der Arbeitgeberinnen sind begründet. Sie führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, soweit das Landesarbeitsgericht dem Wahlanfechtungsantrag der Antragsteller stattgegeben hat, und zur Wiederherstellung der die Anträge insgesamt abweisenden Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Antrag, die Betriebsratswahl vom 5. Mai 2014 für unwirksam zu erklären, ist unbegründet.

9

I. Nach § 19 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG können mindestens drei Wahlberechtigte die Betriebsratswahl beim Arbeitsgericht anfechten, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Die Anfechtung ist nach § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG nur binnen einer Frist von zwei Wochen ab Bekanntgabe des Wahlergebnisses zulässig.

10

II. Im vorliegenden Fall liegen zwar die formellen, aber nicht die materiellen Voraussetzungen der Anfechtung vor.

11

1. Die formellen Voraussetzungen einer zulässigen Wahlanfechtung sind erfüllt. Die Wahl wurde von den drei wahlberechtigten Antragstellern fristgerecht angefochten. Der Wahlanfechtungsantrag ist am 19. Mai 2014 und damit innerhalb der Anfechtungsfrist von zwei Wochen nach der am 8. Mai 2014 erfolgten Bekanntgabe des Wahlergebnisses beim Arbeitsgericht eingegangen.

12

2. Die materiellen Voraussetzungen einer Wahlanfechtung liegen jedoch nicht vor. Bei der Wahl wurde entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen.

13

a) Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Wahl sei unter Verstoß gegen das Verbot der Wahlbeeinflussung erfolgt.

14

aa) Das Landesarbeitsgericht hat die Betriebsratswahl für anfechtbar gehalten mit der Begründung, die Arbeitgeberin habe ihre „Neutralitätspflicht“ verletzt. Es hat angenommen, es sei einem Arbeitgeber verwehrt, über die speziellen Verbote des § 20 BetrVG hinaus in irgendeiner Weise auf die Wahlentscheidung Einfluss zu nehmen, weil die Bildung und Zusammensetzung des Betriebsrats ausschließlich eine Angelegenheit der Arbeitnehmer sei. Als Gegenspieler des Betriebsrats habe sich der Arbeitgeber jeglichen Einflusses auf dessen Zusammensetzung zu enthalten. Er unterliege einem strikten Neutralitätsgebot und dürfe insbesondere keine Wahlpropaganda für oder gegen eine Liste oder bestimmte Wahlbewerber machen. Die Betriebsratswahl solle allein auf der freien Entscheidung der Wahlberechtigten beruhen. Der Wähler solle vor Beeinflussungen geschützt werden, die geeignet seien, seine Entscheidungsfreiheit ernstlich zu beeinträchtigen. Dem Arbeitgeber sei es nicht gestattet, Wahlempfehlungen auszusprechen oder gezielt einzelne, ihm besonders geeignete Bewerber zur Kandidatur aufzufordern. Dieses Verbot gelte auch für leitende Angestellte, die der Gesetzgeber im Hinblick auf die Wahrnehmung typischer Unternehmeraufgaben und dem damit verbundenen Interessengegensatz zum Betriebsrat und den Arbeitnehmern aus dem Geltungsbereich des BetrVG ausgenommen habe.

15

bb) Diese Begründung, die auch im Schrifttum teilweise vertreten wird (vgl. etwa: DKKW/Homburg 15. Aufl. § 20 Rn. 16 und 19; ErfK/Koch 17. Aufl. § 20 BetrVG Rn. 7; Fitting 28. Aufl. § 20 Rn. 24 mwN; Maschmann BB 2010, 245, 250; aA Bayreuther FS Unberath 2015 S. 35, 47; Kreutz GK-BetrVG 10. Aufl. § 20 Rn. 30; Rieble ZfA 2003, 283, 295 ff.; Rieble/Wiebauer ZfA 2010, 63, 123 ff.; einschränkend, gegen ein absolutes „Äußerungsverbot“ für den Arbeitgeber Thüsing in Richardi BetrVG 15. Aufl. § 20 Rn. 20 f.), hält einer rechtsbeschwerderechtlichen Überprüfung nicht stand. Als wesentliche Wahlvorschrift, die eine Beeinflussung der Betriebsratswahl verbietet, kommt § 20 Abs. 2 BetrVG in Betracht. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift kann die Anfechtbarkeit der Wahl begründen. Aus der Vorschrift des § 20 Abs. 2 BetrVG lässt sich jedoch nicht ableiten, dass jedes nicht strikt neutrale Verhalten des Arbeitgebers im Zusammenhang mit Betriebsratswahlen zur Anfechtung berechtigen kann.

16

(1) Nach § 20 Abs. 2 BetrVG darf niemand die Wahl des Betriebsrats durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflussen. Als Nachteil ist jedes Übel zu verstehen, das geeignet ist, die freie Willensbestimmung zu beeinträchtigen. Vorteil ist jede Vergünstigung, auf die kein Anspruch besteht (Schaub ArbR-HdB/Koch 17. Aufl. § 218 Rn. 5). Untersagt ist danach jede Benachteiligung oder Begünstigung etwa durch eine finanzielle Unterstützung einzelner Kandidaten oder Wahlvorschlagslisten mit dem Ziel der Wahlbeeinflussung (BGH 13. September 2010 - 1 StR 220/09 - Rn. 52 ff., BGHSt 55, 288; BAG 4. Dezember 1986 - 6 ABR 48/85 - zu II 4 c der Gründe, BAGE 53, 385) sowie der auf vielfältige Weise mögliche Versuch eines „Stimmenkaufs“ von Arbeitnehmern (vgl. Thüsing in Richardi BetrVG 15. Aufl. § 20 Rn. 16; Rieble ZfA 2003, 283, 291). Verboten ist nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 2 BetrVG zudem bereits die Androhung von Nachteilen oder das Versprechen von Vorteilen. Es kann dahinstehen, ob aus dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG eine besondere Rücksichtnahme des Arbeitgebers im Zusammenhang mit Betriebsratswahlen resultiert, die seine durch Art. 5 Abs. 1 GG gewährleistete Meinungsfreiheit beschränkt. Das hätte nicht zur Folge, dass jede Äußerung oder Handlung des Arbeitgebers im Zusammenhang mit Betriebsratswahlen als Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften anzusehen wäre, die zur Anfechtung der Wahl berechtigen könnte. Den Schutz der Betriebsratswahl vor unzulässiger Beeinflussung regelt als wesentliche Wahlvorschrift § 20 Abs. 2 BetrVG. Diese Vorschrift untersagt nicht jede Handlung oder Äußerung, die geeignet sein könnte, die Wahl zu beeinflussen. Die Beeinflussung muss vielmehr durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen erfolgen.

17

(2) Diese Auslegung entspricht der Systematik des Gesetzes. Im Gegensatz zu dem in § 20 Abs. 1 BetrVG geregelten Verbot der Wahlbehinderung, von der auszugehen ist, wenn die Einleitung oder Durchführung der Wahl durch ein rechtswidriges Verhalten erschwert oder unmöglich gemacht wird(vgl. Kreutz GK-BetrVG 10. Aufl. § 20 Rn. 11 f.; Thüsing in Richardi BetrVG 15. Aufl. § 20 Rn. 7), schützt § 20 Abs. 2 BetrVG die innere Willensbildung des Arbeitnehmers, um eine freie Wahlentscheidung zu gewährleisten. Dazu bedarf es keiner allgemeinen „Neutralitätspflicht“ des Arbeitgebers. Die innere Freiheit der Wahlentscheidung wird grundsätzlich durch das Wahlgeheimnis in § 14 Abs. 1 BetrVG gewährleistet. Eine geheime Wahl stellt sicher, dass jeder Arbeitnehmer seine Wahl in Ansehung der ihm bekannten Tatsachen und Meinungen nach seiner freien Überzeugung treffen kann. Er kann sich dazu von den Standpunkten anderer Arbeitnehmer, Gewerkschaften oder auch des Arbeitgebers leiten oder beeinflussen lassen. Es ist nicht gesagt, dass sich ein Wahlberechtigter von einer Wahlempfehlung allein deshalb überzeugen lässt, weil diese von bestimmter Stelle, etwa vom Arbeitgeber ausgesprochen wurde. Ebenso kann das Gegenteil eintreten. Von einer unzulässigen Wahlbeeinflussung geht das Gesetz daher nicht schon dann aus, wenn der Arbeitgeber nur seine Sympathie mit bestimmten Listen oder Kandidaten bekundet (vgl. Kreutz GK-BetrVG 10. Aufl. § 20 Rn. 30 ff.; Thüsing in Richardi BetrVG 15. Aufl. § 20 Rn. 16). § 20 Abs. 2 BetrVG sieht den für eine demokratische Wahl unerlässlichen freien Wählerwillen durch den Grundsatz der geheimen Wahl erst dann nicht ausreichend geschützt an, wenn die Wahl beeinflusst wird, indem den Wahlberechtigten, Kandidaten oder Listen Nachteile zugefügt oder angedroht oder Vorteile gewährt oder versprochen werden.

18

(3) Ein striktes, über den Wortlaut des § 20 Abs. 2 BetrVG hinausgehendes Neutralitätsgebot des Arbeitgebers im Zusammenhang mit Betriebsratswahlen würde auch zu keinen sinnvollen, rechtssicher handhabbaren Ergebnissen führen. Die Wahlen wären einem hohen Anfechtungsrisiko ausgesetzt, wenn der Arbeitgeber sich jeder kritischen Äußerung über den bestehenden Betriebsrat oder einzelner seiner Mitglieder im Hinblick auf eine zukünftige Wahl enthalten müsste. Selbst ein geraume Zeit zurückliegendes - möglicherweise situatives und später aufgegebenes - Verhalten des Arbeitgebers oder seiner leitenden Angestellten, in dem der Wunsch zum Ausdruck kommt, bei der nächsten Wahl möge ein anderer Betriebsrat gewählt werden, begründete die Gefahr einer Anfechtung, da § 19 Abs. 1 BetrVG die Anfechtung nur ausschließt, wenn die festgestellten Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften das Wahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen konnten.

19

cc) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts haben die Arbeitgeberinnen nicht durch ihre Geschäftsführer oder in zurechenbarer Weise durch leitende Angestellte unter Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder unter Gewährung oder Versprechen von Vorteilen auf die Wahl des Betriebsrats Einfluss genommen. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts genügt es nicht, dass eine Gesamtbetrachtung der festgestellten Äußerungen des damaligen Geschäftsführers der zu 5. beteiligten Arbeitgeberin N sowie des Personalleiters Sch eine „Gesamtstrategie“ der Arbeitgeberinnen mit dem Ziel einer anderen Betriebsratszusammensetzung erkennen lassen. Hierin liegt noch kein Verstoß gegen das Verbot der Wahlbeeinflussung in § 20 Abs. 2 BetrVG. Es kann daher dahinstehen, ob die mit Verfahrensrügen angegriffene Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts einer rechtsbeschwerderechtlichen Überprüfung standhielte.

20

(1) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, der Personalleiter Sch habe auf dem „Scheunentreffen“ am 12. September 2013 geäußert, wer Frau S wähle, begehe Verrat, sie dürfe auf keinen Fall wiedergewählt werden. Mit dieser Äußerung hat der Personalleiter möglichen Wählern von Frau S keine Nachteile angedroht. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts genügt hierzu nicht die allgemeine Erwägung, Verrat bedeute Treuebruch, damit verbänden sich Assoziationen „wie die, dass der Verrat geächtet ist und der Verräter bestraft gehört“. Ein solcher, nicht näher begründeter Erfahrungssatz lässt nicht erkennen, welche konkreten Sanktionen einzelne Wähler von Frau S befürchten mussten. Die Aussage des Personalleiters ist erkennbar überzeichnet, die - hineininterpretierte - Drohung ist unbestimmt. Aufgrund des Wahlgeheimnisses wäre ein „Verrat“ durch bestimmte Arbeitnehmer, die Nachteile befürchten müssten, nicht feststellbar. Es ist auch weder festgestellt noch von den Antragstellern vorgetragen, ob und ggf. welche Nachteile die Arbeitgeberinnen der Belegschaft für den Fall der Wiederwahl von Frau S in Aussicht gestellt haben.

21

(2) Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, der Personalleiter Sch und der damalige Geschäftsführer der zu 5. beteiligten Arbeitgeberin N hätten auf dem „Scheunentreffen“ darauf hingewirkt, oppositionelle Listen zur Gruppierung um die damalige Betriebsratsvorsitzende aufzustellen und diese nicht mehr in den Betriebsrat zu wählen, fehlt es an Feststellungen zur Androhung von Nachteilen oder zum Versprechen von Vorteilen für bestimmte Arbeitnehmer oder von diesen erstellte Listen. Allein die Anregung, eine alternative, möglicherweise „arbeitgeberfreundliche“ Liste aufzustellen und das gezielte Werben um eine Kandidatur auf dieser Liste erfüllt noch nicht die Voraussetzungen einer verbotenen Wahlbeeinflussung iSv. § 20 Abs. 2 BetrVG.

22

(3) Das gilt auch, soweit das Landesarbeitsgericht das Führungskräftetreffen am 15. Oktober 2013 und insbesondere die dort erfolgte Präsentation des d’Hondtschen Höchstzahlverfahrens als gegen den damals amtierenden Betriebsrat und dessen Vorsitzende gerichtet angesehen und die Auffassung vertreten hat, die Präsentation habe „tendenziösen Charakter“ gehabt. Damit wurden keine Vorteile für noch nicht existente zukünftige oppositionelle Wahlvorschlagslisten in Aussicht gestellt.

23

b) Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar, § 561 ZPO.

24

aa) Entgegen der Auffassung der Antragsteller wurde nicht dadurch gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen, dass die Arbeitgeberinnen Wahlvorbereitungen während der Arbeitszeit gestattet und es allen Listen ermöglicht haben, in gleicher Weise im Betrieb zu plakatieren. Dadurch wurde weder bestimmten Listen ein Vorteil eingeräumt noch anderen Listen ein Nachteil zugefügt. Es ist nicht erkennbar, dass Arbeitnehmer im Außendienst von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch machen konnten und dadurch bei der Aufstellung einer Liste benachteiligt worden wären.

25

bb) In der Weigerung eines Vorgesetzten, eine Wahlinformation der Liste 4 an 17 Mitarbeiter in der Produktion weiterzugeben, liegt keine Wahlbehinderung. Es ist nicht die Aufgabe von Vorgesetzten, Wahlwerbung an Mitarbeiter weiterzuleiten.

26

cc) Die Wahl ist nicht wegen des von den Antragstellern gerügten Verstoßes gegen § 7 BetrVG anfechtbar. Selbst wenn 23 Personen, deren Status als leitende Angestellte streitig ist, zu Unrecht nicht in die Wählerliste aufgenommen worden sein sollten, hätte dies keine Auswirkungen auf das Wahlergebnis gehabt. Dies hat bereits das Arbeitsgericht festgestellt. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragsteller, einer weiteren Arbeitnehmerin seien die Briefwahlunterlagen nicht ordnungsgemäß übersandt worden. Gegen die zutreffenden Feststellungen des Arbeitsgerichts haben die Antragsteller schon mit der Beschwerde keine Einwände erhoben.

27

dd) Es wurde auch nicht dadurch gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen, dass drei Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnisse zum Zeitpunkt der Wahl bereits fristlos gekündigt waren, nicht in der Wählerliste aufgeführt waren.

28

(1) Nach § 7 Satz 1 BetrVG sind die betriebsangehörigen Arbeitnehmer wahlberechtigt. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Die betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung zu dem Betrieb setzt voraus, dass der Arbeitnehmer in die Betriebsorganisation des Arbeitgebers eingegliedert ist (vgl. BAG 18. Januar 2017 - 7 ABR 60/15 - Rn. 24; 4. November 2015 - 7 ABR 42/13  - Rn. 28 , BAGE 153, 171 ; 5. Dezember 2012 -  7 ABR 48/11  - Rn. 18 mwN, BAGE 144, 74 ).

29

(2) Hier fehlte es sowohl an einer Vertragsbindung der fristlos gekündigten Arbeitnehmer zur Arbeitgeberin als auch an einer Eingliederung in deren Betrieb. Mit Zugang der fristlosen Kündigung endeten nicht nur die arbeitsvertraglichen Beziehungen. Die Arbeitnehmer waren danach auch nicht mehr in den Betrieb eingegliedert. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Arbeitsgerichts hatten die fristlos gekündigten Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Wahl auch keine vorläufige Weiterbeschäftigung durchgesetzt.

30

ee) Ohne Erfolg rügen die Antragsteller, der Betriebsrat sei unter Verkennung des Betriebsbegriffs für einen Gemeinschaftsbetrieb der zu 5. bis 8. beteiligten Arbeitgeberinnen gewählt worden. Das Arbeitsgericht Wiesbaden hatte durch Beschluss vom 18. Juni 2013 rechtskräftig entschieden, dass die Arbeitgeberinnen einen gemeinsamen Betrieb führen.

31

ff) Soweit die Antragsteller sich auf eine E-Mail des Personalleiters vom 11. April 2014 berufen haben, die Informationen zu einem Einigungsstellenverfahren zum Gegenstand hat, ist nicht nachvollziehbar, weshalb dies zur Anfechtung der Wahl berechtigen soll.

        

    Gräfl    

        

    M. Rennpferdt    

        

    Kiel    

        

        

        

    Holzhausen    

        

    Jacobi    

                 

Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.

Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Wahlvorstands wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 7. September 2010 - 16 TaBV 57/10 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die im Jahr 2010 eingeleitete Betriebsratswahl abzubrechen und dem Wahlvorstand zu untersagen ist, die Wahl erneut einzuleiten.

2

Die antragstellende Arbeitgeberin ist ein Unternehmen, das Gebäudereinigungsarbeiten und sonstige Dienstleistungen für gewerbliche Kunden ausführt. Sie beschäftigt ca. 827 Arbeitnehmer in etwa 350 Objekten. Im Jahr 2008 wurde bei ihr ein dreizehnköpfiger Betriebsrat gewählt. Eines der Betriebsratsmitglieder war der Leiter der Lohnbuchhaltung der Arbeitgeberin M. Das frühere Betriebsratsmitglied S ist der Schwiegervater des Geschäftsführers der Arbeitgeberin.

3

In der Zeit vom 1. März 2010 bis 31. Mai 2010 sollten die regelmäßigen Betriebsratswahlen stattfinden. Die Betriebsratsvorsitzende V lud mit Schreiben vom 26. März 2010 zu einer Betriebsratssitzung am 30. März 2010, 9:00 Uhr, in das DGB-Haus in D, W-Saal, ein. Ersatzmitglieder wurden nicht geladen. In der Tagesordnung waren ua. die Themen genannt:

        

„5.     

Aufnahme von der BR-Sitzung am 29.01.2010 (Handy) - Ausschluss von der Sitzung am 30.03.2010 von Herrn M und Herrn S mit Beschlussfassung

        

…       

        
        

9.    

Wahl mit anschließendem Beschluss eines Wahlvorstandes für die kommende BR-Neuwahl“

4

Am 30. März 2010 erschienen alle 13 Mitglieder zu der Betriebsratssitzung. Auch die Gewerkschaftssekretärin der IG Bauen-Agrar-Umwelt B war anwesend. Als über den Tagesordnungspunkt 5 beraten werden sollte, verlangte die Vorsitzende, dass die Betriebsratsmitglieder M und S den Sitzungssaal verlassen sollten. Beide kamen dem nicht nach. Es folgte ein Streitgespräch. Die Vorsitzende sowie die Betriebsratsmitglieder A, E, I, O und U verließen den W-Saal, um in einem anderen Raum über den Ausschluss der Betriebsratsmitglieder M und S zu beraten. Zuvor hatte die Vorsitzende die Betriebsratsmitglieder F, K, R, H und Z aufgefordert, den Betriebsratsmitgliedern zu folgen, die den Saal verließen. Die fünf aufgeforderten Betriebsratsmitglieder hatten das abgelehnt. Nach den Angaben des Wahlvorstands wurde in dem anderen Sitzungssaal beschlossen, die Betriebsratsmitglieder M und S von der Betriebsratssitzung vom 30. März 2010 auszuschließen.

5

Die Vorsitzende und die Betriebsratsmitglieder A, E, I, O und U kehrten danach in den W-Saal zurück und teilten den übrigen Betriebsratsmitgliedern mit, die Betriebsratsmitglieder M und S seien mit sechs Jastimmen und fünf Enthaltungen von der Betriebsratssitzung vom 30. März 2010 ausgeschlossen worden. Dieser Beschluss ist in Nr. 3 eines handschriftlichen Protokolls festgehalten, das von der Vorsitzenden und der Schriftführerin O unterzeichnet wurde. Die Vorsitzende forderte die Betriebsratsmitglieder M und S auf, nun den W-Saal zu verlassen, damit die Betriebsratssitzung fortgeführt werden könne. Die beiden Betriebsratsmitglieder lehnten das ab. Die Vorsitzende sowie die Betriebsratsmitglieder A, E, I, O und U verließen daraufhin erneut den W-Saal, um die Sitzung in einem anderen Raum fortzusetzen. Zuvor hatten sie die Betriebsratsmitglieder F, K, R, H und Z erneut erfolglos aufgefordert, sie zu begleiten. Die Sitzung wurde von der Vorsitzenden sowie den Betriebsratsmitgliedern A, E, I, O und U in dem anderen Sitzungssaal fortgeführt. Auch auf diesen Teil der Betriebsratssitzung geht das handschriftliche Protokoll der Vorsitzenden und der Schriftführerin ein. Die Niederschrift behandelt die Bestellung eines Wahlvorstands nicht. Über die Betriebsratssitzung vom 30. März 2010 wurde ein weiteres Protokoll verfasst, das von den Betriebsratsmitgliedern M und Z unterschrieben wurde.

6

Mit Schreiben vom 30. März 2010 verlangte der Wahlvorstand von der Arbeitgeberin die erforderlichen Auskünfte, um eine Wählerliste zu erstellen. Die Arbeitgeberin weigerte sich mit der Begründung, ein Wahlvorstand sei nicht ordnungsgemäß gebildet worden. Unter dem 1. April 2010 erließ der Wahlvorstand ein Wahlausschreiben, mit dem die Betriebsratswahl für alle Arbeitnehmer der von der Arbeitgeberin betreuten Objekte eingeleitet wurde.

7

Die Arbeitgeberin hat in dem von ihr am 12. April 2010 eingeleiteten Beschlussverfahren verlangt, die eingeleitete Betriebsratswahl abzubrechen, weil der Wahlvorstand nicht wirksam errichtet sei. Der Ausschluss der Betriebsratsmitglieder M und S aus dem Betriebsrat sei unwirksam. Als die Vorsitzende und die Betriebsratsmitglieder A, E, I, O und U den W-Saal zum zweiten Mal verlassen hätten, sei zuvor nicht mitgeteilt worden, in welchem Raum die Sitzung fortgesetzt und dass dort über die Bestellung eines Wahlvorstands abgestimmt werden solle. Die Betriebsratsmitglieder F, K, M, R, H, S und Z hätten gegen einen Wahlvorstand in der jetzigen Besetzung gestimmt, wenn die Betriebsratssitzung am 30. März 2010 mit den Betriebsratsmitgliedern M und S im W-Saal fortgesetzt worden wäre. Die Wahl sei auch deshalb abzubrechen, weil das Unternehmen der Arbeitgeberin aufgrund einer Umstrukturierung vom 28. Oktober 2009 in zehn einzelne Betriebe aufgespalten worden sei.

8

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

       

dem Wahlvorstand aufzugeben, das eingeleitete Verfahren zur Durchführung der Wahl eines Betriebsrats abzubrechen und nicht fortzuführen und auch nicht neu einzuleiten.

9

Der Wahlvorstand hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er hat behauptet, er sei in der Betriebsratssitzung vom 30. März 2010 bestellt worden, nachdem die sechs Betriebsratsmitglieder zum zweiten Mal den W-Saal verlassen hätten. Der Wahlvorstand bestehe aus der Betriebsratsvorsitzenden V sowie den Betriebsratsmitgliedern A, E, I und O. Das Betriebsratsmitglied S habe die Sitzung vom 30. März 2010 von Beginn an gestört. Herr S habe unter Hinweis auf die Arbeitsunfähigkeit der Betriebsratsvorsitzenden bezweifelt, dass sie aufgrund ihres Tablettenkonsums in der Lage sei, die Tragweite ihres Handelns zu erkennen. Dem hätten sich die anderen, dem Arbeitgeber nahestehenden Betriebsratsmitglieder und vor allem das Betriebsratsmitglied M angeschlossen. Sie hätten die Betriebsratsvorsitzende immer wieder unterbrochen. Die Betriebsratssitzung vom 30. März 2010 habe wegen der Störungen in einen anderen Saal verlegt werden müssen, um die Sitzung ohne die Betriebsratsmitglieder M und S fortzusetzen. Da die Betriebsratsmitglieder F, K, R, H und Z dem nicht nachgekommen seien, habe ihr Verhalten als Stimmenthaltung gewertet werden müssen. Die Fortführung einer Betriebsratswahl dürfe nur dann untersagt werden, wenn die Wahl nichtig und nicht nur anfechtbar sei. Die durchzuführende Wahl sei weder nichtig noch „sicher anfechtbar“.

10

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Arbeitgeberin stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Wahlvorstands zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verlangt der Wahlvorstand weiter die Abweisung des Antrags der Arbeitgeberin.

11

B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Für eine abschließende Entscheidung fehlen erforderliche Tatsachenfeststellungen. Die Sache ist deshalb zur neuen Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

12

I. Neben der Arbeitgeberin ist nur der Wahlvorstand am Verfahren beteiligt. Die Wahlvorstandsmitglieder sind keine Beteiligten.

13

1. Der Wahlvorstand ist selbst dann am Verfahren beteiligt, wenn seine Bestellung nichtig ist, wie es das Landesarbeitsgericht angenommen hat.

14

a) Nach § 83 Abs. 3 ArbGG haben in einem Beschlussverfahren neben dem Antragsteller diejenigen Stellen ein Recht auf Anhörung, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz im einzelnen Fall beteiligt sind. Beteiligte in Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes ist jede Stelle, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen ist (für die st. Rspr. BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 3/10 - Rn. 10).

15

b) Der Wahlvorstand ist danach am Verfahren beteiligt. Die von der Arbeitgeberin erstrebte Entscheidung betrifft unmittelbar seine Existenz und seine betriebsverfassungsrechtlichen Rechte.

16

2. Die einzelnen Wahlvorstandsmitglieder sind keine Beteiligten des Verfahrens. Es geht nicht um die betriebsverfassungsrechtlichen Rechte der einzelnen Wahlvorstandsmitglieder, sondern um die Existenz und die Rechte des Gremiums.

17

II. Die Rechtsbeschwerde des Wahlvorstands ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht. Der Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig. Ob er begründet ist, lässt sich erst beurteilen, wenn weitere Tatsachenfeststellungen getroffen sind.

18

1. Der Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig.

19

a) Wie die gebotene Auslegung ergibt, ist das Begehren der Arbeitgeberin als einheitlicher Unterlassungsantrag zu verstehen. Er ist darauf gerichtet, dem Wahlvorstand jede weitere Handlung zu untersagen, die auf die Durchführung der Wahl gerichtet ist. Mit diesem Verständnis ist der Antrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

20

b) Die Arbeitgeberin ist antragsbefugt. Sie kann sich mit einem Unterlassungsantrag dagegen wenden, dass der nach ihrer Auffassung nicht wirksam errichtete Wahlvorstand tätig wird (vgl. schon BAG 3. Juni 1975 - 1 ABR 98/74 - zu II 2 der Gründe, BAGE 27, 163). Ihre Antragsbefugnis entspricht dem Recht, die spätere Betriebsratswahl nach § 19 Abs. 2 BetrVG anzufechten.

21

c) Der Wahlvorstand ist beteiligtenfähig iSv. § 10 Satz 1 Halbs. 2 ArbGG. Das gilt selbst dann, wenn seine Bestellung nichtig ist. Der Wahlvorstand hält sich für existent. Für das Verfahren, in dem mittelbar über die Nichtigkeit seiner Bestellung gestritten wird, ist er als bestehend zu behandeln und damit beteiligtenfähig.

22

d) Das Verfahren ist nicht erledigt. Im Betrieb der Arbeitgeberin ist weiter ein Betriebsrat zu wählen.

23

2. Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob der Antrag der Arbeitgeberin begründet ist. Mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung kann dem Unterlassungsantrag nicht stattgegeben werden. Das Landesarbeitsgericht hat zwar im Ergebnis zu Recht erkannt, dass einem in nichtiger Weise errichteten Wahlvorstand untersagt werden kann, weiter tätig zu werden. Die getroffenen Feststellungen lassen aber nicht die Würdigung zu, dass die Errichtung des Wahlvorstands nichtig ist. Es fehlen Feststellungen zu der Frage, ob die sechs Betriebsratsmitglieder, die am 30. März 2010 zweimal den W-Saal verließen, bei ihrem zweiten Aufenthalt in dem anderen Saal des DGB-Hauses in D überhaupt einen Wahlvorstand bestellten.

24

a) Ein Anspruch des Arbeitgebers darauf, die von einem Wahlvorstand eingeleitete Betriebsratswahl abzubrechen, kann sich zum einen aus der zu erwartenden Nichtigkeit der Betriebsratswahl ergeben. Die bloße Anfechtbarkeit genügt nicht. Ein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers besteht zum anderen, wenn das Gremium, das als Wahlvorstand auftritt, in dieser Funktion überhaupt nicht oder in nichtiger Weise bestellt wurde.

25

aa) Der gerichtliche Abbruch einer Betriebsratswahl aufgrund von Mängeln des Wahlverfahrens kommt nur in Betracht, wenn die Wahl voraussichtlich nichtig wäre.

26

(1) Die Frage, unter welchen Voraussetzungen einem Wahlvorstand untersagt werden kann, eine von ihm eingeleitete Betriebsratswahl weiter durchzuführen, ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten. Das Bundesarbeitsgericht konnte die Frage bisher nicht klären, weil diese Streitigkeiten regelmäßig in einstweiligen Verfügungsverfahren ausgetragen werden, deren Rechtszüge vor dem Landesarbeitsgericht enden (§ 92 Abs. 1 Satz 3 iVm. § 85 Abs. 2 ArbGG).

27

(a) Ein Teil der Instanzrechtsprechung und der Literatur nimmt an, im Allgemeinen könne der Abbruch einer laufenden Betriebsratswahl durch einstweilige Verfügung nur angeordnet werden, wenn die eingeleitete Wahl mit Sicherheit als nichtig anzusehen sei (vgl. beispielhaft aus der Instanzrechtsprechung Sächsisches LAG 22. April 2010 - 2 TaBVGa 2/10 - zu II 1 der Gründe, ZBVR online 2010 Nr. 7/8 16 - 19; LAG Baden-Württemberg 9. März 2010 - 15 TaBVGa 1/10 - zu II 3 der Gründe, ZBVR online 2010 Nr. 7/8 12 - 15; grundlegend LAG Baden-Württemberg 20. Mai 1998 - 8 Ta 9/98 - AiB 1998, 401; aus dem Schrifttum zB ErfK/Koch 11. Aufl. § 18 BetrVG Rn. 7; wohl auch Richardi/Thüsing BetrVG 12. Aufl. § 18 Rn. 21).

28

(b) Die noch immer überwiegende Ansicht lässt dagegen bereits die sichere Anfechtbarkeit der Wahl genügen (vgl. bspw. LAG Schleswig-Holstein 7. April 2011 - 4 TaBVGa 1/11 - zu II 2 a aa aE der Gründe; LAG Hamburg 19. April 2010 - 7 TaBVGa 2/10 - zu II 2 b der Gründe, NZA-RR 2010, 585; Hessisches LAG 7. August 2008 - 9 TaBVGa 188/08 - zu II der Gründe; im Schrifttum zB Dzida/Hohenstatt BB-Special 14 Heft 50, 1, 2 bis 4; Fitting 25. Aufl. § 18 Rn. 42; DKKW/Schneider/Homburg 12. Aufl. § 18 Rn. 6; GK-BetrVG/Kreutz 9. Aufl. § 18 Rn. 79 f. mwN; Rieble/Triskatis NZA 2006, 233, 234 bis 236; Veit/Wichert DB 2006, 390, 391; wohl auch Bram FA 2006, 66 ff.; siehe zu weiter differenzierenden Ansichten auch die Übersicht in LAG Baden-Württemberg 9. März 2010 - 15 TaBVGa 1/10 - zu II 2 b der Gründe, ZBVR online 2010 Nr. 7/8 12 - 15).

29

(2) Das Betriebsverfassungsgesetz regelt nicht ausdrücklich, ob und unter welchen Voraussetzungen eine eingeleitete Betriebsratswahl abzubrechen ist und wer hierfür anspruchsberechtigt ist. Ausdrücklich geregelt ist in § 19 Abs. 1 und Abs. 2 BetrVG nur die Anfechtung einer durchgeführten Wahl. Obwohl eine ausdrückliche gesetzliche Anspruchsgrundlage fehlt, ergibt sich aus dem gesetzlichen Gesamtzusammenhang, dass jedenfalls der Arbeitgeber es unterbinden kann, wenn in seinem Betrieb eine nichtige Betriebsratswahl durchgeführt wird. Er kann verlangen, die nichtige Wahl zu unterlassen. Die voraussichtliche Anfechtbarkeit der Wahl genügt für den Unterlassungsanspruch dagegen nicht.

30

(a) Der Arbeitgeber hat Anspruch darauf, dass eine nichtige Betriebsratswahl nicht durchgeführt wird. Die mit der Durchführung einer Betriebsratswahl verbundenen Maßnahmen berühren den Arbeitgeber als Betriebsinhaber unmittelbar in seinem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Zugleich werden ihm im Zusammenhang mit der Wahl Pflichten auferlegt (vgl. zB § 2 Abs. 2 Satz 1 WO). Ferner hat er nach § 20 Abs. 3 Satz 1 BetrVG die Kosten der Wahl zu tragen. Schon daraus ergibt sich, dass der Arbeitgeber in seinem Betrieb verlangen kann, eine nichtige Betriebsratswahl nicht durchzuführen. Der Fall verlangt keine Entscheidung darüber, ob das in gleicher Weise für die weiteren in § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG genannten Anfechtungsberechtigten gilt.

31

(b) Die voraussichtliche Anfechtbarkeit der Wahl genügt für einen Anspruch auf Abbruch der Wahl demgegenüber nicht.

32

(aa) Der Antragsteller könnte sonst mit dem gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehenen Unterlassungsantrag mehr erreichen als mit der gesetzlich vorgesehenen Wahlanfechtung. Eine erfolgreiche Wahlanfechtung hat nach § 19 Abs. 1 BetrVG keine rückwirkende Kraft, sondern wirkt nur für die Zukunft. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Wahlanfechtungsverfahrens bleibt auch ein nicht ordnungsgemäß gewählter Betriebsrat mit allen betriebsverfassungsrechtlichen Befugnissen im Amt.

33

(bb) Würde schon im Fall der voraussichtlich sicheren Anfechtbarkeit der bevorstehenden Wahl ein Abbruch zugelassen, würde verhindert, dass zumindest vorläufig ein Betriebsrat zustande kommt, wie es das Betriebsverfassungsgesetz vorsieht. Damit würde ein betriebsratsloser Zustand aufrechterhalten, der nach der Konzeption des Betriebsverfassungsgesetzes lediglich bei einer nichtigen Wahl eintreten darf. Das Betriebsverfassungsgesetz will betriebsratslose Zustände möglichst vermeiden (vgl. BAG 31. Mai 2000 - 7 ABR 78/98 - zu B IV 3 a der Gründe, BAGE 95, 15). Das zeigen nicht nur die gesetzlichen Regelungen des Übergangs- und des Restmandats in §§ 21a und 21b BetrVG sowie der Weiterführung der Geschäfte des Betriebsrats nach § 22 BetrVG. Der Gesetzeszweck kommt auch in § 1 BetrVG zum Ausdruck. Die Bestimmung lässt den Willen des Gesetzgebers erkennen, dass möglichst in jedem betriebsratsfähigen Betrieb ein Betriebsrat besteht. Die Vorschriften, die die Betriebsratswahl regeln, sind daher so auszulegen, dass der Gesetzeszweck, Betriebsräte zu bilden, möglichst erreicht wird (vgl. schon BAG 14. Dezember 1965 - 1 ABR 6/65 - zu 5 a der Gründe, BAGE 18, 41).

34

(cc) Die Möglichkeit des vorzeitigen Abbruchs einer voraussichtlich nur anfechtbaren Wahl würde auch der Konzeption nicht gerecht, die in § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG zum Ausdruck kommt. Danach ist die Wahlanfechtung nur binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tag der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, zulässig. Macht innerhalb dieser Frist keiner der Anfechtungsberechtigten von seinem Anfechtungsrecht Gebrauch, können Fehler bei der Wahl des Betriebsrats - mit Ausnahme der Nichtigkeit der Wahl - nicht mehr geltend gemacht werden. Durch den vorzeitigen Abbruch der Wahl würde dem Anfechtungsberechtigten von vornherein die Möglichkeit genommen, die Frist verstreichen und die Wahl unangefochten zu lassen.

35

(dd) Auch die Grundsätze, die für politische Wahlen gelten, sprechen dafür, den Abbruch der Wahl auf Fälle der Nichtigkeit zu beschränken. Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren zum Deutschen Bundestag beziehen, können nach § 49 BWahlG nur mit den im Bundeswahlgesetz und in der Bundeswahlordnung vorgesehenen Rechtsbehelfen sowie im Wahlprüfungsverfahren angefochten werden. Gegen interne Entscheidungen des Wahlorgans kann außerhalb des Wahlprüfungsverfahrens, das nach Abschluss des Wahlverfahrens erfolgt, kein gerichtlicher Rechtsschutz erlangt werden (vgl. nur BVerfG 1. September 2009 - 2 BvR 1928/09, 2 BvR 2 BvR 1937/09 - Rn. 3 bis 14 mwN; s. auch Nießen Fehlerhafte Betriebsratswahlen S. 374 f., der auf S. 377 ff. eine - vollständige - Übertragung der Grundsätze politischer Wahlen auf Betriebsratswahlen ablehnt). Betriebsratswahlen sind zwar nicht so komplex wie Bundestagswahlen (vgl. dazu BVerfG 1. September 2009 - 2 BvR 1928/09, 2 BvR 2 BvR 1937/09 - Rn. 4). Bei § 49 BWahlG handelt es sich gleichwohl um die Konkretisierung eines allgemeinen für Wahlrechtsangelegenheiten geltenden Grundsatzes(vgl. für eine Landtagswahl BVerfG 15. Mai 1963 - 2 BvR 194/63 - BVerfGE 16, 128; für eine Stadtratswahl BVerfG 20. Oktober 1960 - 2 BvQ 6/60 - BVerfGE 11, 329).

36

bb) Der Arbeitgeber kann zudem verlangen, dass die weitere Durchführung der Wahl unterlassen wird, wenn das Gremium, das sich als Wahlvorstand geriert, in dieser Funktion überhaupt nicht bestellt wurde oder seine Bestellung nichtig ist. Handlungen eines inexistenten Wahlvorstands muss der Arbeitgeber in seinem Betrieb nicht hinnehmen.

37

b) Hier sind die von der Arbeitgeberin geltend gemachten Mängel - bis auf die Frage der wirksamen Bestellung des Wahlvorstands - nicht so schwer-wiegend, dass sie die Nichtigkeit der Wahl begründen könnten. Auch die bislang feststellbaren Fehler bei der Bestellung des Wahlvorstands sind nicht derart gewichtig, dass sie die Nichtigkeit der Betriebsratswahl zur Folge hätten. Der Senat kann aber nicht abschließend beurteilen, ob der Wahlvorstand überhaupt bestellt wurde. Sollte das nicht der Fall sein, wäre dem Gremium, das als Wahlvorstand auftritt, zu untersagen, die Wahl durchzuführen.

38

aa) Die Betriebsratswahl ist im Entscheidungsfall voraussichtlich nicht nichtig.

39

(1) Eine Betriebsratswahl ist nur in ganz besonderen Ausnahmefällen nichtig. Voraussetzung dafür ist, dass gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maß verstoßen wird, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht. Es muss sich um einen offensichtlichen und besonders groben Verstoß gegen Wahlvorschriften handeln (vgl. für die st. Rspr. BAG 21. Juli 2004 - 7 ABR 57/03 - zu B II 1 b bb (1) der Gründe mwN, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 15 = EzA BetrVG 2001 § 4 Nr. 1).

40

(2) Diesen hohen Anforderungen ist nicht genügt. Sollte der Betriebsbegriff mit Blick auf die von der Arbeitgeberin behauptete Betriebsaufspaltung vom 28. Oktober 2009 verkannt sein, führt dieser Mangel nicht dazu, dass die eingeleitete Betriebsratswahl sicher nichtig ist. Auch die Fehler bei der Bestellung des Wahlvorstands sind nicht so schwerwiegend, dass sie die Nichtigkeit der Betriebsratswahl zur Folge hätten.

41

(a) Die mögliche Verkennung des Betriebsbegriffs führt nicht zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl.

42

(aa) Der Ausnahmefall einer von Anfang an unwirksamen Betriebsratswahl ist bei einer Wahl, die unter Verkennung des Betriebsbegriffs durchgeführt wird, grundsätzlich nicht anzunehmen. Die Verkennung des Betriebsbegriffs hat in der Regel nicht die Nichtigkeit, sondern nur die Anfechtbarkeit der darauf beruhenden Betriebsratswahl zur Folge. Bei der Bestimmung des Betriebsbegriffs und seiner Anwendung auf die konkrete betriebliche Organisation ist eine Vielzahl von Gesichtspunkten zu beachten. Das erfordert eine auf den jeweiligen Einzelfall bezogene Entscheidung. Kommt es bei diesem Prozess zu Fehlern, sind sie regelmäßig nicht derart grob und offensichtlich, dass der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht besteht (vgl. etwa BAG 19. November 2003 - 7 ABR 25/03 - zu C I 1 der Gründe mwN, AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 55 = EzA BetrVG 2001 § 19 Nr. 1).

43

(bb) Die Tatsachengrundlage einer möglichen Aufspaltung des ursprünglich einheitlichen Betriebs in zehn selbständige Betriebe aufgrund der von der Arbeitgeberin behaupteten Umstrukturierung vom 28. Oktober 2009 war zwischen der Arbeitgeberin und einem Teil der Mitglieder des früheren Betriebsrats umstritten. In einem solchen Fall kann wegen der stets nötigen Gesamtwürdigung der Einzelfallumstände nicht von einem derart groben und evidenten Verstoß ausgegangen werden, der selbst den Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Betriebsratswahl ausschlösse.

44

(b) Die bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts rechtfertigen es nicht anzunehmen, die Betriebsratswahl sei voraussichtlich deshalb nichtig, weil der Wahlvorstand wegen gravierender Fehler bei seiner Bestellung rechtlich inexistent sei. Dabei kann offenbleiben, ob die nichtige Bestellung des Wahlvorstands stets zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl führt. Die bislang festgestellten Mängel bei der Bestellung des Wahlvorstands sind hier jedenfalls nicht so gewichtig, dass sie die Nichtigkeit der Bestellung zur Folge hätten.

45

(aa) Auch die Frage der zwingenden Folge der Nichtigkeit einer eingeleiteten Betriebsratswahl aufgrund der nichtigen Bestellung des Wahlvorstands wird in Rechtsprechung und Schrifttum kontrovers diskutiert. Ein Teil der Instanzrechtsprechung und der Literatur nimmt die Nichtigkeit der Betriebsratswahl infolge einer nichtigen Bestellung des Wahlvorstands an (vgl. zB LAG Köln 10. März 2000 - 13 TaBV 9/00 - zu II 3 der Gründe, LAGE BetrVG 1972 § 3 Nr. 6; GK-BetrVG/Kreutz § 16 Rn. 5; grundlegend Nießen S. 137 ff., 141 ff. mwN). Ein anderer Teil der Instanzrechtsprechung und des Schrifttums verlangt über die Nichtigkeit der Bestellung des Wahlvorstands hinaus zusätzliche Umstände, um die Nichtigkeit der eingeleiteten Betriebsratswahl annehmen zu können (vgl. zB LAG Berlin 8. April 2003 - 5 TaBV 1990/02 - zu II 3 c der Gründe, NZA-RR 2003, 587; LAG Nürnberg 29. Juli 1998 - 4 TaBV 12/97 - zu II der Gründe; Fitting § 19 Rn. 5; grundlegend Jacobs Die Wahlvorstände S. 124 ff. mwN). Das Bundesarbeitsgericht hat die Frage bisher offengelassen (vgl. BAG 19. November 2003 - 7 ABR 25/03 - zu C I 3 der Gründe mwN, AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 55 = EzA BetrVG 2001 § 19 Nr. 1). Auch dieser Fall verlangt nicht, die Frage abschließend zu beantworten.

46

(bb) Die bislang festgestellten Fehler bei der Bestellung des Wahlvorstands sind nicht so schwerwiegend, dass sie zur Nichtigkeit der Bestellung führten.

47

(aaa) Zwischen der nur fehlerhaften und der darüber hinaus nichtigen Bestellung des Wahlvorstands ist sorgfältig zu unterscheiden. Im Fall eines (einfachen) Errichtungsfehlers bleibt die Bestellung des Wahlvorstands wirksam. Die von ihm durchgeführte Betriebsratswahl kann dann zwar anfechtbar sein, sie ist aber nicht nichtig. Die Nichtigkeit der Bestellung des Wahlvorstands ist auf ausgesprochen schwerwiegende Errichtungsfehler beschränkt, die dazu führen, dass das Gremium rechtlich inexistent ist. Eine nur fehlerhafte Bestellung genügt nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Errichtung in so hohem Maß verstoßen wurde, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Bestellung des Wahlvorstands nicht mehr besteht. Es muss sich um einen offensichtlichen und besonders groben Verstoß gegen die Bestellungsvorschriften der §§ 16 bis 17a BetrVG handeln. Für die Beschränkung der nichtigen Bestellung auf ungewöhnliche Ausnahmefälle spricht vor allem das vom Betriebsverfassungsgesetz geschützte Interesse daran, betriebsratslose Zustände zu vermeiden, das insbesondere in §§ 1, 21a, 21b und 22 BetrVG zum Ausdruck kommt. Maßnahmen, die eine Betriebsratswahl vorbereiten sollen, dürfen nicht unnötig erschwert werden. Das gilt für die Bestellung des Wahlvorstands umso mehr, als dessen Kompetenzen nach §§ 18 und 18a BetrVG eng begrenzt sind. Seine Pflichten werden durch das Betriebsverfassungsgesetz und die Wahlordnung genau umrissen (vgl. bereits BAG 14. Dezember 1965 - 1 ABR 6/65 - zu 5 a der Gründe, BAGE 18, 41).

48

(bbb) Nach diesen Grundsätzen rechtfertigen die bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht die Beurteilung, dass die Bestellung des Wahlvorstands nichtig ist.

49

(aaaa) Aufgrund der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist allerdings davon auszugehen, dass der Wahlvorstand nicht mit der nach § 33 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erforderlichen Mehrheit der Stimmen der anwesenden Betriebsratsmitglieder bestellt wurde. Der frühere Betriebsrat hat zum einen verkannt, dass der vollständige Ausschluss der Betriebsratsmitglieder M und S aus dem Betriebsrat ein Ausschlussverfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG voraussetzt. Er hat zum anderen nicht beachtet, dass für zeitweilig verhinderte Betriebsratsmitglieder nach § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG Ersatzmitglieder heranzuziehen sind. Er ist schließlich auch zu Unrecht davon ausgegangen, die im W-Saal verbliebenen weiteren fünf Betriebsratsmitglieder enthielten sich dadurch ihrer Stimme.

50

(bbbb) Die Bestellung eines Wahlvorstands durch die Minderheit der Betriebsratsmitglieder ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen aber kein solch gravierender Verstoß gegen die Bestellungsbestimmungen der §§ 16 bis 17a BetrVG, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Bestellung des Wahlvorstands nicht mehr besteht. Die Fehler bei der Bestellung des Wahlvorstands waren hier erheblich. Der ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden und den Betriebsratsmitgliedern, die sie in den anderen Saal begleiteten, ging es jedoch ersichtlich darum, ihrer Pflicht zur Bestellung des Wahlvorstands nachzukommen. Eine andere Beurteilung könnte dann geboten sein, wenn die Bestellung durch die Minderheit der Betriebsratsmitglieder auf dem machttaktischen oder willkürlichen Kalkül beruht hätte, die Mehrheit durch die Minderheit zu majorisieren. Dafür bestehen nach den unangegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts und dem Vortrag der Arbeitgeberin keine ausreichenden Anhaltspunkte. Der sog. Ausschluss der Betriebsratsmitglieder M und S von der Sitzung vom 30. März 2010 war nach Nr. 3 des handschriftlichen Protokolls der Betriebsratsvorsitzenden V und der Schriftführerin O vielmehr insbesondere auf angenommene unbefugte Tonaufnahmen einer Betriebsratssitzung zurückzuführen. Das ergibt sich aus den in Nr. 1 der Niederschrift enthaltenen Gründen für ein angestrebtes Ausschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht. Die sechs Betriebsratsmitglieder verließen den W-Saal, weil sie annahmen, die Betriebsratssitzung wegen der behaupteten erheblichen Störungen der Betriebsratsmitglieder M und S nicht ordnungsgemäß durchführen zu können. Sie forderten die übrigen fünf Betriebsratsmitglieder zudem erfolglos auf, sie in den anderen Saal zu begleiten.

51

bb) Unabhängig von einer voraussichtlichen Nichtigkeit der eingeleiteten Betriebsratswahl hat der Arbeitgeber Anspruch darauf, dass die Durchführung der Wahl unterlassen wird, wenn das Gremium, das als Wahlvorstand auftritt, in dieser Funktion überhaupt nicht bestellt wurde oder seine Bestellung nichtig ist. Von einer nichtigen Bestellung des Wahlvorstands kann hier aus den genannten Gründen nicht ausgegangen werden. Nicht festgestellt ist aber, ob am 30. März 2010 während des zweiten Aufenthalts der Betriebsratsmitglieder A, E, I, O, U und V in einem anderen Saal als dem W-Saal überhaupt ein Wahlvorstand bestellt wurde. Das handschriftliche Protokoll der Betriebsratsvorsitzenden V und der Schriftführerin O über die Betriebsratssitzung, die am 30. März 2010 außerhalb des W-Saal abgehalten wurde, weist keinen Beschluss aus, mit dem ein Wahlvorstand bestellt wurde. Die Verfahrensbevollmächtigte des Wahlvorstands hat in der Anhörung vor dem Senat erklärt, die Betriebsratsmitglieder A, E, I, O, U und V hätten in Abwesenheit der übrigen Betriebsratsmitglieder durch Beschluss den Wahlvorstand bestellt, nachdem sie den W-Saal zum zweiten Mal verlassen hätten. Die Verfahrensbevollmächtigte der Arbeitgeberin konnte dieses Vorbringen nicht unstreitig stellen. Das Landesarbeitsgericht wird den Umstand deshalb aufzuklären haben.

        

    Linsenmaier    

        

    Kiel    

        

    Gallner    

        

        

        

    Schuh    

        

    Hansen    

                 

Tenor

Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 11.08.2016 – 6 BVGa 15/16 – werden zurückgewiesen.


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