Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 25. Nov. 2004 - 14 K 48/03

bei uns veröffentlicht am25.11.2004

Tatbestand

 
Streitig ist, ob der Kläger im Jahr 2000 den von seiner Mutter nicht ausgeschöpften Verlustabzug in Höhe von 5.210 DM als ihr Erbe und Gesamtrechtsnachfolger steuerlich geltend machen kann.
Der Kläger ist Alleinerbe und Gesamtrechtsnachfolger seiner am 1. März 2000 verstorbenen Mutter E M. Die verstorbene Mutter hatte bis zu ihrem Tod Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus mehreren Mietobjekten erzielt, für die sie im Jahre 1996 bis 1998 größere Erhaltungsaufwendungen getätigt hatte, die aus ihren Ersparnissen finanziert worden sind und die der Kläger schuldenfrei geerbt hat.
Aufgrund der hohen Erhaltungsaufwendungen, die die Mutter getätigt hatte, ergab sich bei ihr resultierend aus ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zum 31.12.2000 ein verbleibender Verlustabzug nach § 10 d Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von 5.210 DM, der vom Finanzamt M mit Bescheid vom 22. Juni 2001 zum 31.12.2000 gesondert festgestellt worden ist.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger den für seine Mutter festgestellten Verlustabzug geltend. Mit Schreiben vom 15. November 2001 teilte das beklagte Finanzamt (FA) dem Kläger daraufhin mit, es beabsichtige von seiner Einkommensteuererklärung abzuweichen und den geltend gemachten, geerbten Verlustabzug steuerlich nicht zu berücksichtigen, da bis zum Erbfall keine wirtschaftliche Belastung entstanden sei. Die beiden Mietobjekte seien schuldenfrei übergeben worden und die größeren Erhaltungsaufwendungen in den Jahren 1996 bis 1998 seien aus den Ersparnissen der Mutter und Erblasserin finanziert worden.
Entsprechend seiner Auffassung erließ das beklagte FA am 27. November 2001 den Einkommensteuerbescheid 2000, wobei es den geerbten Verlustabzug nicht anerkannte.
Der Einspruch blieb erfolglos.
Gegen die Einspruchsentscheidung vom 19. Februar 2003 richtet sich die am 13. März 2003 bei Gericht eingegangene Klage, mit der der Kläger vorträgt, der  Verlust habe den Nachlass gemindert, somit liege eine wirtschaftliche Belastung des Erben vor. Der Verlustabzug beim Erben stehe zwar im Widerspruch zum Grundsatz der Individualbesteuerung, dieser Grundsatz werde jedoch wesentlich gravierender verletzt, wenn in Erbfällen der Ausgleich von Verlusten vollständig unmöglich gemacht werde.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Februar 2003 aufzuheben und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung des Verlustvortrags von 5.210 DM von bisher 27.574 DM um 2.335 DM auf 25.239 DM herabzusetzen.
10 
Das beklagte FA beantragt,
11 
die Klage aus den Gründen der Einspruchsentscheidung abzuweisen.
12 
In der Streitsache war am 29. September 2004 ein Gerichtsbescheid ergangen, gegen den der Kläger rechtzeitig Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat. Der Gerichtsbescheid ist damit gegenstandslos. Sodann hat in der Streitsache am 25. November 2004 eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
13 
Die Klage ist nicht begründet.
14 
Zu Recht hat das beklagte Finanzamt verneint, dass der Kläger den festgestellten Verlust seiner am 1. März 2000 verstorbenen Mutter geltend machen kann.
15 
Nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. zuletzt Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 22. Oktober 2003 - I ER-S-1/03 [XI R 54/99], Bundessteuerblatt II -BStBl- 2004, 414 und vom 10. April 2003 - XI R 54/99, BFH/NV 2003, 1364) ist der Erbe berechtigt, nicht verbrauchte Verluste des Erblassers geltend zu machen. Er muss allerdings durch die Verluste wirtschaftlich belastet sein. In der zitierten Entscheidung XI R 54/99 hält der erkennende Senat die dogmatischen und systematischen Einwände gegen den Übergang der Verlustabzugsmöglichkeit auf den Erben allerdings für so schwerwiegend, dass er die bisherige Rechtsprechung aufgeben will (vgl. auch Anfragebeschluss des I. Senats des BFH vom 29. März 2000 I R 76/99, BStBl II 2000, 622). Auch der erkennende Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass der Erbe ein vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustabzug nicht für seine eigene Veranlagung zur Einkommensteuer geltend machen kann (vgl. Urteil vom 16. April 2004 - 14 K 194/99). Der erkennende Senat sieht insbesondere durch die widersprüchliche Auffassung des I. Senats des BFH keine Veranlassung, diese Rechtsprechung aufzugeben. Er schließt sich insoweit der Rechtsprechung des VIII. und XI. Senates an.
16 
Im Streitfall kann dahinstehen, ob an der bisherigen Rechtsprechung fest zu halten ist. Denn auch nach der bisherigen Rechtsprechung könnte die Klage keinen Erfolg haben. Eine wirtschaftliche Belastung des Erben ist nicht ersichtlich; eine solche ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass dem Erben der Verlustabzug versagt wird. Andernfalls immer eine wirtschaftliche Belastung anzunehmen wäre, was einem Zirkelschluss gleichkäme. Im Streitfall hat der Erbe die Einkommensquelle der Erblasserin lastenfrei erworben. Es ist somit nicht ersichtlich, dass er durch den Erbfall wirtschaftlich belastet war.
17 
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
18 
Die Revision war im Hinblick auf die zitierten widersprüchlichen Entscheidungen des BFH sowie im Hinblick auf die Entscheidung des Schleswigholsteinischen Finanzgerichts vom 21. Juni 2003 - III 79/02 zuzulassen. In letzterer Entscheidung hat sich das Schleswigholsteinische Finanzgericht mit gutem Grunde dagegen ausgesprochen, dass das Kriterium der "wirtschaftlichen Belastung" geeignet ist, die Übertragbarkeit der Verlustabzugsberechtigung einzuschränken.

Gründe

 
13 
Die Klage ist nicht begründet.
14 
Zu Recht hat das beklagte Finanzamt verneint, dass der Kläger den festgestellten Verlust seiner am 1. März 2000 verstorbenen Mutter geltend machen kann.
15 
Nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. zuletzt Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 22. Oktober 2003 - I ER-S-1/03 [XI R 54/99], Bundessteuerblatt II -BStBl- 2004, 414 und vom 10. April 2003 - XI R 54/99, BFH/NV 2003, 1364) ist der Erbe berechtigt, nicht verbrauchte Verluste des Erblassers geltend zu machen. Er muss allerdings durch die Verluste wirtschaftlich belastet sein. In der zitierten Entscheidung XI R 54/99 hält der erkennende Senat die dogmatischen und systematischen Einwände gegen den Übergang der Verlustabzugsmöglichkeit auf den Erben allerdings für so schwerwiegend, dass er die bisherige Rechtsprechung aufgeben will (vgl. auch Anfragebeschluss des I. Senats des BFH vom 29. März 2000 I R 76/99, BStBl II 2000, 622). Auch der erkennende Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass der Erbe ein vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustabzug nicht für seine eigene Veranlagung zur Einkommensteuer geltend machen kann (vgl. Urteil vom 16. April 2004 - 14 K 194/99). Der erkennende Senat sieht insbesondere durch die widersprüchliche Auffassung des I. Senats des BFH keine Veranlassung, diese Rechtsprechung aufzugeben. Er schließt sich insoweit der Rechtsprechung des VIII. und XI. Senates an.
16 
Im Streitfall kann dahinstehen, ob an der bisherigen Rechtsprechung fest zu halten ist. Denn auch nach der bisherigen Rechtsprechung könnte die Klage keinen Erfolg haben. Eine wirtschaftliche Belastung des Erben ist nicht ersichtlich; eine solche ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass dem Erben der Verlustabzug versagt wird. Andernfalls immer eine wirtschaftliche Belastung anzunehmen wäre, was einem Zirkelschluss gleichkäme. Im Streitfall hat der Erbe die Einkommensquelle der Erblasserin lastenfrei erworben. Es ist somit nicht ersichtlich, dass er durch den Erbfall wirtschaftlich belastet war.
17 
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
18 
Die Revision war im Hinblick auf die zitierten widersprüchlichen Entscheidungen des BFH sowie im Hinblick auf die Entscheidung des Schleswigholsteinischen Finanzgerichts vom 21. Juni 2003 - III 79/02 zuzulassen. In letzterer Entscheidung hat sich das Schleswigholsteinische Finanzgericht mit gutem Grunde dagegen ausgesprochen, dass das Kriterium der "wirtschaftlichen Belastung" geeignet ist, die Übertragbarkeit der Verlustabzugsberechtigung einzuschränken.

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Referenzen - Gesetze

Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 25. Nov. 2004 - 14 K 48/03 zitiert 2 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Referenzen

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.