Europäischer Gerichtshof Schlussantrag des Generalanwalts, 07. Sept. 2017 - C-691/15 P

ECLI:ECLI:EU:C:2017:646
bei uns veröffentlicht am07.09.2017

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MICHAL BOBEK

vom 7. September 2017 ( 1 )

Rechtssache C‑691/15 P

Europäische Kommission

gegen

Bilbaína de Alquitranes, SA,

Deza, a.s.,

Industrial Química del Nalón, SA,

Koppers Denmark A/S,

Koppers UK Ltd,

Koppers Netherlands BV,

Rütgers basic aromatics GmbH,

Rütgers Belgium NV,

Rütgers Poland sp. z o.o.,

Bawtry Carbon International Ltd,

Grupo Ferroatlántica, SA,

SGL Carbon GmbH,

SGL Carbon GmbH,

SGL Carbon,

SGL Carbon, SA,

SGL Carbon Polska S.A.,

ThyssenKrupp Steel Europe AG,

Tokai erftcarbon GmbH

„Rechtsmittel – Umwelt – Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen – Anpassung an den technischen Fortschritt – Einstufung von ‚pitch, coal tar, high-temperature‘ als Aquatisch Akut 1 (H400) und Aquatisch Chronisch 1 (H410)“

I. Einleitung

1.

Diese Rechtssache betrifft die Frage, wie komplexe wissenschaftliche Bewertungen mit dem Erfordernis rechtmäßigen Verwaltungshandelns zu vereinbaren sind. Ist in Fällen, in denen Rechtsvorschriften eine Liste „relevanter Faktoren“ vorgeben, die im Rahmen einer solchen Bewertung zu berücksichtigen sind, diese Liste als abschließend zu betrachten, so dass die Verwaltungsbehörden alle anderen Faktoren außer Acht zu lassen haben? Diese grundlegende Frage ist der Gegenstand dieses Rechtsmittels.

2.

„Pitch, coal tar, high-temperature“ (im Folgenden: CTPHT) (EG-Nr. 266‑028‑2) ist ein schwarzer Feststoff, der den Rückstand aus der Destillation von Hochtemperaturkohlenteer bildet. Er ist eine Art „UVCB“ – ein Stoff mit komplexer und variabler Zusammensetzung. CTPHT wird nach der Verordnung Nr. 944/2013 ( 2 ) (im Folgenden: streitige Verordnung) als „Aquatisch Akut 1 (H400)“ und „Aquatisch Chronisch 1 (H410)“ eingestuft. Diese Einstufung basiert auf der „Summierungsmethode“, die Stoffe nach der Einstufung ihrer Inhaltsstoffe einstuft.

3.

Die Bilbaína de Alquitranes, SA u. a. ( 3 ) (im Folgenden: Rechtsmittelgegner) sind Lieferanten und nachgeschaltete Anwender von CTPHT. Sie fochten die Gültigkeit der streitigen Verordnung vor dem Gericht an. Mit Urteil in der Rechtssache T‑689/13 ( 4 ) erklärte das Gericht die streitige Verordnung bezüglich der Einstufung von CTPHT für teilweise nichtig (im Folgenden: angefochtenes Urteil). Es begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Kommission bei der Einstufung von CTPHT als „Aquatisch Akut 1 (H400)“ und „Aquatisch Chronisch 1 (H410)“ den Umstand nicht berücksichtigt habe, dass CTPHT nur schwer wasserlöslich sei.

4.

Mit diesem Rechtsmittel wendet sich die Kommission gegen das angefochtene Urteil und beruft sich dabei auf drei Gründe. Erstens sei das angefochtene Urteil mangelhaft begründet. Zweitens habe das Gericht offensichtlich fehlerhaft entschieden, dass die Kommission bei der Einstufung anhand der „Summierungsmethode“ die Löslichkeit von CTPHT als Ganzem hätte berücksichtigen müssen. Drittens habe das Gericht seine Zuständigkeit zur Kontrolle der Maßnahme überschritten und dabei die ihm vorgelegten Beweise verfälscht.

II. Rechtsrahmen

A. Unionsrecht

1.  Verordnung (EG) Nr. 1272/2008

5.

Nach Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 ( 5 ) (im Folgenden: CLP-Verordnung) „[ist es] Zweck dieser Verordnung …, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sowie den freien Verkehr von … Stoffen, Gemischen und Erzeugnissen durch folgende Maßnahmen zu gewährleisten: a) Harmonisierung der Kriterien für die Einstufung von Stoffen und Gemischen …“.

6.

Titel V enthält Vorschriften zur Harmonisierung der Einstufung von Stoffen und sieht vor, dass Mitgliedstaaten in bestimmten Fällen eine harmonisierte Einstufung vorschlagen können (Art. 37 Abs. 1). In solchen Fällen wird der Vorschlag dem gemäß Art. 76 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 ( 6 ) (im Folgenden: REACH-Verordnung) eingesetzten Ausschuss für Risikobeurteilung vorgelegt, der gegenüber der Kommission eine Stellungnahme abgibt und den Beteiligten Gelegenheit gibt, sich dazu zu äußern (Art. 37 Abs. 4).

7.

Art. 37 Abs. 5 sieht vor:

„Gelangt die Kommission zu der Auffassung, dass eine Harmonisierung der Einstufung und Kennzeichnung des betreffenden Stoffes angezeigt ist, unterbreitet sie unverzüglich einen Entwurf für eine Entscheidung über die Aufnahme dieses Stoffes zusammen mit den relevanten Einstufungs- und Kennzeichnungselementen …“

8.

Der Entwurf wird dann nach dem in Art. 54 Abs. 3 genannten Regelungsverfahren mit Kontrolle erlassen.

9.

Teil 4 des Anhangs I zur CLP-Verordnung trägt die Überschrift „Umweltgefahren“. Abschnitt 4.1 enthält die Regeln zur Einstufung als „wassergefährdend“.

10.

Die Abschnitte 4.1.2.3 und 4.1.2.4 sowie Tabelle 4.1.0 legen fest:

„Als Kriterium für die Einstufung eines Stoffes als akut gewässergefährdend der Kategorie 1 dienen ausschließlich Daten über die akute aquatische Toxizität (EC50 oder LC50). Die Kriterien für die Einstufung eines Stoffes in die Kategorien Chronisch 1 bis 3 folgen einem Stufenkonzept, wobei in der ersten Stufe geprüft wird, ob die vorliegenden Informationen über die chronische Toxizität eine Einstufung aufgrund einer langfristigen Gefahr rechtfertigen. Sind keine geeigneten Daten über die chronische Toxizität verfügbar, besteht der nächste Schritt darin, zwei Arten von Informationen, nämlich die Daten über die akute aquatische Toxizität und die Daten über Verbleib und Verhalten in der Umwelt (Abbaubarkeits- und Bioakkumulationsdaten), miteinander zu verbinden.

Mit dem System wird außerdem eine Einstufung definiert, die die Funktion eines ‚Sicherheitsnetzes‘ erfüllt (bezeichnet als chronisch gewässergefährdend der Kategorie 4); sie wird verwendet, wenn die verfügbaren Daten eine Einstufung nach formalen Kriterien nicht erlauben, trotzdem aber Anlass zu Besorgnis besteht (siehe Beispiel in Tabelle 4.1.0).

Einstufung wegen wahrscheinlicher Gefahr (‚Sicherheitsnetz‘)

Kategorie Chronisch 4:

Fälle, in denen die verfügbaren Daten eine Einstufung nach den vorgenannten Kriterien nicht erlauben, aber trotzdem Anlass zu Besorgnis besteht. Dazu gehören beispielsweise schwer lösliche Stoffe, die in Bereichen bis zur Wasserlöslichkeit keine akute Toxizität zeigen (Hinweis 4), die gemäß Abschnitt 4.1.2.9.5 nicht schnell abbaubar sind und einen experimentell bestimmten BCF von ≥ 500 (oder wenn nicht vorhanden einen log Kow von ≥ 4) aufweisen, was auf ein Bioakkumulationspotenzial hindeutet; sie werden in diese Kategorie eingestuft, sofern sonstige wissenschaftliche Erkenntnisse eine Einstufung nicht als unnötig belegen. Solche Erkenntnisse sind beispielsweise NOEC‑Werte für chronische Toxizität > Wasserlöslichkeit oder > 1 mg/l oder auch andere Nachweise über einen schnellen Abbau in der Umwelt, die nicht durch eines der in Abschnitt 4.1.2.9.5 aufgeführten Verfahren erbracht werden.

Hinweis 4:

‚Keine akute Toxizität‘ bedeutet, dass der/die L(E)C50‑Wert(e) über der Wasserlöslichkeit liegt/liegen. Auch für schwer lösliche Stoffe (Wasserlöslichkeit < 1 mg/l), bei denen belegt ist, dass die Prüfung auf akute Toxizität kein echtes Maß für die intrinsische Toxizität ergibt.“

11.

Anhang I Abschnitt 4.1.3 („Einstufungskriterien für Gemische“) sieht vor:

„4.1.3.1.

Das System für die Einstufung von Gemischen umfasst sämtliche Einstufungskategorien, die für Stoffe verwendet werden, also die Kategorien Akut 1 und Chronisch 1 bis 4. Um alle verfügbaren Daten zur Einstufung eines Gemisches aufgrund seiner Gewässergefährdung zu nutzen, gilt gegebenenfalls Folgendes: …

4.1.3.2.

Die Einstufung von Gefahren für die aquatische Umwelt ist ein mehrstufiger Prozess und von der Art der Information abhängig, die zu dem Gemisch selbst und seinen Bestandteilen verfügbar ist. Abbildung 4.1.2 zeigt die Schritte des Verfahrens.

Das Stufenkonzept beinhaltet folgende Elemente:

die Einstufung auf der Grundlage von Prüfergebnissen des Gemisches,

die Einstufung auf der Grundlage von Übertragungsgrundsätzen,

die ‚Summierung eingestufter Bestandteile‘ und/oder die Verwendung einer ‚Additivitätsformel‘.

Abbildung 4.1.2

Mehrstufiges Verfahren zur Einstufung von Gemischen nach ihrer akuten und langfristigen Gewässergefährdung

Image

12.

Anhang I Abschnitt 4.1.3.5.5 beschreibt die Summierungsmethode im Einzelnen. Diese Methode umfasst im Wesentlichen: i) Bestimmung des Anteils eines jeden eingestuften Bestandteils des zu prüfenden Stoffes (in %); ii) Multiplizieren jedes dieser Prozentanteile mit einem M‑Faktor (ein Koeffizient, der die Gefährlichkeit des entsprechenden Bestandteils widerspiegelt) und iii) Addierung der Ergebnisse aller Bestandteile, um zu einem prozentualen Endergebnis zu gelangen. Dieses Ergebnis wird dann mit verschiedenen Grenzwerten verglichen, die sich auf verschiedene Einstufungen beziehen (Chronisch 1, 2, 3 und Akut 1).

2.  Verordnung Nr. 944/2013

13.

Die Verordnung Nr. 944/2013 stuft die aquatische Toxizität von u. a. CTPHT als „Aquatisch Akut 1“ und „Aquatisch Chronisch 1“ ein.

III. Sachverhalt und Verfahren

14.

Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist in den Rn. 1 bis 8 des angefochtenen Urteils dargestellt.

15.

Die Beklagten sind Lieferanten und nachgeschaltete Verwender von CTPHT, einem schwarzen Feststoff, der aus dem Rückstand aus der Destillation von Hochtemperaturkohlenteer besteht. CTPHT gehört zu den Stoffen mit unbekannter oder variabler Zusammensetzung, komplexen Reaktionsprodukten oder biologischen Materialien (im Folgenden: UVCB), da er nicht vollständig durch seine chemische Zusammensetzung identifiziert werden kann.

16.

Am 21. November 2011 veröffentlichte der Ausschuss für Risikobeurteilung (Risk Assessment Committee, im Folgenden: RAC) ( 7 ) der Europäischen Chemikalienagentur (im Folgenden: ECHA) eine Stellungnahme zu CTPHT. In dieser Stellungnahme, die mit einem Hintergrundpapier zur detaillierten Analyse des RAC (im Folgenden: Hintergrundpapier) einherging, wurde u. a. vorgeschlagen, CTPHT als „Aquatisch Akut 1 (H400)“ und „Aquatisch Chronisch 1 (H410)“ einzustufen.

17.

Der RAC war der Auffassung, dass die Einstufung der aquatischen Toxizität nicht „direkt“ auf die Daten zu CTPHT gestützt werden könne, und wies auf Schwächen dieser Daten hin. Die Daten seien ohne UV-Bestrahlung erlangt worden, obwohl bestimmte Bestandteile von CTPHT – polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (im Folgenden: PAK) – phototoxisch seien. Außerdem seien die betreffenden Studien mit nur einer Charge durchgeführt worden.

18.

Der RAC vertrat daher die Ansicht, dass die Einstufung von CTPHT anhand eines alternativen Einstufungsprinzips vorzunehmen sei, nämlich der „Summierungsmethode“. Nach dieser Methode wurden die 16 PAK-Bestandteile, die von der United States Environmental Protection Agency (EPA) als prioritäre Stoffe definiert wurden und für die ausreichende Wirkungs- und Expositionsdaten zur Verfügung standen (im Folgenden: die 16 PAK-Bestandteile), getrennt nach ihren aquatischen Toxizitätseffekten analysiert. Durch die Anwendung einer Methode, bei der die Summe der Ergebnisse ermittelt wird, die durch die Zuordnung von Multiplikationsfaktoren zu den verschiedenen PAK entstehen, um die hochtoxischen Bestandteile von CTPHT stärker zu gewichten, zeige sich, so der RAC, dass CTPHT als „Aquatisch Akut 1 (H400)“ und „Aquatisch Chronisch 1 (H410)“ einzustufen sei.

19.

Auf der Grundlage der Stellungnahme des RAC erließ die Kommission am 2. Oktober 2013 die streitige Verordnung, mit der CTPHT als „Aquatisch Akut 1 (H400)“ und „Aquatisch Chronisch 1 (H410)“ eingestuft wird.

IV. Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

20.

Am 20. Dezember 2013 erhoben die Rechtsmittelgegner Klage beim Gericht auf teilweise Nichtigerklärung der streitigen Verordnung soweit mit dieser CTPHT als „Aquatisch Akut 1 (H400)“ und „Aquatisch Chronisch 1 (H410)“ eingestuft worden war.

21.

Mit Urteil vom 7. Oktober 2015 gab das Gericht der Klage statt und erklärte die streitige Verordnung teilweise für nichtig.

22.

In den Rn. 32 bis 34 des angefochtenen Urteils, die ich nachstehend näher erörtern werde, entschied das Gericht:

„32

Weder die Kommission noch die ECHA konnten jedoch vor dem Gericht nachweisen, dass die Kommission mit der stofflichen Einstufung von CTPHT als ‚Aquatisch Akut 1 (H400)‘ und Aquatisch Chronisch 1 (H410)‘ aufgrund der Annahme, dass alle in diesem Stoff vorhandenen PAK in der Wasserphase löslich und somit für aquatische Organismen verfügbar seien, die Tatsache berücksichtigt hat, dass nach Punkt 1.3 des Hintergrundpapiers mit der Bezeichnung ‚Physikalisch-chemische Eigenschaften‘ die Bestandteile von CTPHT nur beschränkt freigesetzt werden und dass dieser Stoff sehr stabil ist.

33

Erstens enthalten weder die Stellungnahme des RAC zu CTPHT noch das Hintergrundpapier irgendwelche Ausführungen, mit denen dargetan wird, dass im Rahmen der Annahme, dass alle in diesem Stoff enthaltenen PAK in der Wasserphase löslich und für aquatische Organismen verfügbar sind, die schwere Wasserlöslichkeit von CTPHT berücksichtigt worden ist. Ferner konnten die Kommission und die ECHA auf eine Frage des Gerichts hin lediglich dartun, dass die Wasserlöslichkeit der 16 PAK-Bestandteile isoliert betrachtet beim Einstufungsverfahren von CTPHT berücksichtigt worden ist. Darüber hinaus haben die Kommission und die ECHA auf eine Frage des Gerichts nur darauf hingewiesen, dass angenommen worden sei, dass alle PAK von CTPHT wasserlöslich seien, soweit die Prüfung der aquatischen Toxizität dieses Stoffes aufgrund seiner Bestandteile erfolgt sei. Mit diesen Ausführungen wird jedoch nicht nachgewiesen, dass die schwere Löslichkeit dieses Stoffes berücksichtigt worden ist.

34

Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass nach Punkt 1.3 des Hintergrundpapiers die Wasserlöslichkeit von CTPHT in Bezug auf eine Charge höchstens 0,0014 % betrug. Angesichts der schweren Wasserlöslichkeit von CTPHT hat die Kommission in keiner Weise dargetan, dass sie die fragliche Einstufung dieses Stoffes auf die Annahme stützen konnte, dass alle in CTPHT vorhandenen PAK in der Wasserphase löslich und für aquatische Organismen verfügbar seien. Tabelle 7.6.2 des Hintergrundpapiers ist zu entnehmen, dass die 16 PAK-Bestandteile von CTPHT 9,2 % dieses Stoffes ausmachen. Indem die Kommission davon ausging, dass alle diese PAK wasserlöslich seien, stützte sie somit die in Rede stehende Einstufung im Wesentlichen auf die Annahme, dass 9,2 % des CTPHT wasserlöslich sind. Wie sich jedoch aus Punkt 1.3 des Hintergrundpapiers ergibt, ist dieser Wert nicht realistisch, da die Höchstrate 0,0014 % beträgt.“

V. Verfahren vor dem Gerichtshof

23.

Mit ihrem Rechtsmittel vom 17. Dezember 2015 beantragt die Kommission, das angefochtene Urteil aufzuheben, die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen und die Kostenentscheidung vorzubehalten.

24.

Die Rechtsmittelgegner beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen und der Kommission die Kosten aufzuerlegen. Sie beantragen weiter, der Kommission auch dann die Kosten aufzuerlegen, wenn dem Rechtsmittel stattgegeben wird.

25.

Die ECHA und die GrafTech Iberica SL, die als Streithelferinnen die Kommission bzw. die Rechtsmittelgegner im Verfahren vor dem Gericht unterstützten, sind an dem Verfahren vor dem Gerichtshof ebenfalls beteiligt.

26.

Die dänische, die niederländische und die deutsche Regierung sind dem Rechtsmittelverfahren als Streithelfer zur Unterstützung der Kommission beigetreten.

27.

Mit Beschluss vom 7. Juli 2016 hat der Gerichtshof den Antrag der Rechtsmittelgegner vom 24. März 2016 zurückgewiesen, der im Wesentlichen auf die Aussetzung der streitigen Verordnung gerichtet war.

28.

Die Kommission, die Rechtsmittelgegner, die ECHA sowie die dänische, die deutsche und die niederländische Regierung haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Die Kommission, die Rechtsmittelgegner, die GrafTech Ibercia SL sowie die dänische und die deutsche Regierung haben in der mündlichen Verhandlung vom 15. Juni 2017 Ausführungen gemacht.

VI. Würdigung

29.

Die Kommission macht drei Rechtsmittelgründe geltend, die ich nacheinander prüfen werde. Erstens habe das Gericht sein Urteil mangelhaft begründet (A). Zweitens habe das Gericht rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe, indem sie die Wasserlöslichkeit von CTPHT als Ganzes nicht berücksichtigt habe (B). Drittens habe das Gericht die Grenzen seiner Kontrollbefugnisse in dieser Rechtssache überschritten und dabei die ihm vorgelegten Beweise verfälscht (C).

A. Erster Rechtsmittelgrund: Begründungsmangel

30.

Die Kommission macht geltend, das Gericht habe seine Begründungspflicht verletzt und damit gegen die Art. 36 und 53 der Satzung des Gerichtshofs verstoßen. Dem angefochtenen Urteil sei nicht klar zu entnehmen, ob das Gericht der Ansicht sei, i) dass die Kommission die Summierungsmethode (im Gegensatz zu einer anderen Methode, etwa der Methode anhand der direkten Einstufung) zu Unrecht angewandt habe oder ii) dass die Kommission die Summierungsmethode fehlerhaft angewandt habe.

31.

Ich halte das angefochtene Urteil in dieser Hinsicht nicht für unklar.

32.

Die wesentlichen Randnummern des angefochtenen Urteils (Rn. 32 bis 34, oben in Nr. 22 der vorliegenden Schlussanträge wiedergegeben) machen deutlich, dass die Kommission die Summierungsmethode nach Ansicht des Gerichts fehlerhaft angewandt hat.

33.

In Rn. 30 des angefochtenen Urteils heißt es, dass die Kommission „ihre Verpflichtung, alle relevanten Faktoren und Umstände einzubeziehen, um das Verhältnis, in dem die 16 PAK-Bestandteile in CTPHT vorhanden sind, und deren chemische Wirkungen angemessen zu berücksichtigen, nicht erfüllt hat“.

34.

Das Gericht bezieht sich damit auf das Versäumnis der Kommission, alle relevanten Faktoren zu berücksichtigen, die sie in die Lage versetzen, die chemischen Wirkungen der Bestandteile von CTPHT richtig zu bewerten. Diese Bezugnahme auf die Bewertung der Bestandteile zeigt klar, dass das Gericht damit Bedenken hinsichtlich der Art und Weise anspricht, wie die Kommission die Summierungsmethode (der eine Einstufung der Bestandteile und nicht der Stoff als Ganzes zugrunde liegt) angewandt hat.

35.

In Rn. 31 des angefochtenen Urteils heißt es: „Gemäß Punkt 7.6 des Hintergrundpapiers wurde für die Zwecke der Einstufung von CTPHT auf der Grundlage seiner Bestandteile davon ausgegangen, dass alle in CTPHT vorhandenen PAK in der Wasserphase löslich sind und somit für aquatische Organismen verfügbar waren“ (Hervorhebung nur hier).

36.

Mit anderen Worten hat die Kommission im Kontext der Anwendung der Methode anhand der Einstufung von Bestandteilen – der Summierungsmethode – eine Annahme zur Löslichkeit dieser Bestandteile getroffen.

37.

In jeder der Rn. 32 bis 34 des angefochtenen Urteils zieht das Gericht eine Verbindung zwischen dieser Annahme und dem Versäumnis der Kommission, die Wasserlöslichkeit von CTPHT als Ganzem zu berücksichtigen ( 8 ). Beispielsweise führt das Gericht in Rn. 34 aus: „Angesichts der schweren Wasserlöslichkeit von CTPHT hat die Kommission in keiner Weise dargetan, dass sie die fragliche Einstufung dieses Stoffes auf die Annahme stützen konnte, dass alle in CTPHT vorhandenen PAK in der Wasserphase löslich und für aquatische Organismen verfügbar seien“ (Hervorhebung nur hier).

38.

Das Versäumnis, die schwere Wasserlöslichkeit von CTHPT als Ganzem zu berücksichtigen, führte zu einem offensichtlichen Beurteilungsfehler, der die teilweise Nichtigerklärung der streitigen Verordnung rechtfertigte.

39.

Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass sich die Bedenken des Gerichts darauf beziehen, wie die Kommission die Summierungsmethode angewandt hat, und nicht auf die Wahl der Methode als solcher.

40.

Das Gericht hat daher seine Begründungspflicht nicht verletzt. Ich schlage vor, den ersten Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

41.

Abschließend weise ich darauf hin, dass die Frage, ob das Gericht zu Unrecht entschieden hat, dass die Kommission rechtlich verpflichtet war, bei der Anwendung der Summierungsmethode die Wasserlöslichkeit von CTPHT zu berücksichtigen, materiell-rechtlicher Natur ist (und im Rahmen des zweiten Rechtsmittelgrundes zu prüfen sein wird). Dies ist keine Frage der Angemessenheit der Begründung des Gerichts und daher für den ersten Rechtsmittelgrund nicht relevant.

B. Zweiter Rechtsmittelgrund: Wahl der Einstufungsmethode und/oder deren fehlerhafte Anwendung

1.  Zum ersten Teil: Wahl der falschen Methode

42.

Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht die Kommission geltend, dem angefochtenen Urteil sei nicht klar zu entnehmen, ob die Kommission die Summierungsmethode i) zu Unrecht oder ii) fehlerhaft angewandt habe. Im zweiten Rechtsmittelgrund erörtert die Kommission diese beiden alternativen Lesarten des angefochtenen Urteils (im Rahmen des ersten bzw. des zweiten Teils dieses Rechtsmittelgrundes) und kommt zu dem Schluss, dass beide rechtsfehlerhaft seien.

43.

Vor dem Hintergrund meiner Ausführungen zum ersten Rechtsmittelgrund, wonach die erste von der Kommission vorgeschlagene Interpretation auf einem falschen Verständnis des angefochtenen Urteils beruht, schlage ich daher vor, den ersten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

2.  Zum zweiten Teil: falsche Anwendung der Summierungsmethode

(i) Argument der Kommission: Die Summierungsmethode sei abschließend

44.

Die Kommission vertritt die Auffassung, sie habe ein Ermessen hinsichtlich der Entscheidung, ob die Datenlage für die Methode der direkten Einstufung oder, falls nicht, für die Einstufung auf der Grundlage von Übertragungsgrundsätzen genüge ( 9 ). Habe die Kommission jedoch festgestellt, dass die Daten für die Anwendung keiner der beiden Methoden genügten, und sich somit für die Anwendung der Summierungsmethode entschieden, so dürfe sie keine anderen Daten oder Beweismittel berücksichtigen als die, die spezifisch in den detaillierten Regeln über die Summierungsmethode in Anhang I der CLP-Verordnung vorgesehen seien.

45.

Aus dieser Feststellung zieht die Kommission vier Schlussfolgerungen. Erstens habe die sie mit der Nichtberücksichtigung der Löslichkeit von CTPHT als Ganzem bei dessen Klassifizierung keinen Beurteilungsfehler begangen. Vielmehr habe sie die Löslichkeit von CTPHT gar nicht berücksichtigen können.

46.

Zweitens habe sie keinen Beurteilungsfehler begangen, als sie bei der Anwendung der Summierungsmethode angenommen habe, dass die in CTPHT enthaltenen PAK wasserlöslich seien. Diese Annahme sei inhärenter Bestandteil der Summierungsmethode.

47.

Drittens habe sie sehr wohl das Verhältnis der in CTPHT vorhandenen relevanten Bestandteile und deren chemische Wirkungen berücksichtigt, so wie dies gemäß der Summierungsmethode und der Rechtsprechung erforderlich sei (angeführt in Rn. 29 des angefochtenen Urteils).

48.

Viertens habe das Gericht zu Unrecht unterstellt, die Anwendung der Summierungsmethode setze voraus, dass die relevanten Bestandteile einen großen Anteil an dem einzustufenden Stoff ausmachen müssten.

49.

Zum vierten Punkt ist zu sagen, dass das Gericht keine solche Unterstellung vornimmt und dass die Kommission das angefochtene Urteil in diesem Punkt offensichtlich falsch versteht. Tatsächlich hat auch die Kommission selbst dieses Argument eher verhalten vorgebracht. Auf diesen Punkt werde ich daher nicht weiter eingehen.

50.

Der erste, der zweite und der dritte der von der Kommission vorgebrachten Punkte betreffen im Wesentlichen alle dieselbe Frage. Was den ersten und den dritten Punkt angeht, so widerspricht die Kommission in beiden Fällen grundsätzlich der Schlussfolgerung des Gerichts, dass die Wasserlöslichkeit von CTPHT als Ganzem ein relevanter Faktor sei, den zu berücksichtigen sie rechtlich verpflichtet gewesen sei. Was den zweiten Punkt angeht, so wird im angefochtenen Urteil die Kommission nicht wegen der Annahme der Wasserlöslichkeit selbst gerügt, sondern wegen der Tatsache, dass die Löslichkeit von CTPHT als Ganzem nicht berücksichtigt wurde.

51.

Aus den nachstehend dargelegten Gründen bin ich der Meinung, dass dem Gericht kein Rechtsfehler unterlaufen ist.

(ii) Was ist ein „relevanter Faktor“, der zu berücksichtigen ist?

52.

Der entscheidende Punkt ist die „Relevanz“ eines bestimmten Tatsachenelements und die Art und Weise, wie sie festgestellt wird.

53.

Das angefochtene Urteil ( 10 ) nimmt Bezug auf die ständige Rechtsprechung, wonach die Kommission verpflichtet ist, „alle erheblichen Faktoren und Umstände der Situation, die mit diesem Rechtsakt geregelt werden sollte“, zu berücksichtigen, bevor sie einen Rechtsakt erlässt. Diese Verpflichtung lässt sich klar zurückführen auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum allgemeinen Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, der „die Verpflichtung des zuständigen Organs …, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen, das Recht des Betroffenen, seinen Standpunkt zu Gehör zu bringen, und das Recht auf eine ausreichende Begründung der Entscheidung“ umfasst ( 11 ).

54.

Ich halte diese Rechtsprechung, die der Kommission die rechtliche Verpflichtung zuweist, alle relevanten Faktoren zu berücksichtigen, nicht für falsch, und dies wird auch von keiner der Parteien vertreten. Auch macht keine Partei geltend, die Kommission habe in dieser Sache bei ihrer Anwendung der Summierungsmethode tatsächlich die Löslichkeit von CTPHT als Ganzem berücksichtigt. Der Streit geht vielmehr im Wesentlichen darum, ob die Löslichkeit von CTPHT als Ganzem ein im Zusammenhang mit der Summierungsmethode zu berücksichtigender „relevanter Faktor“ ist.

55.

Dabei ist gleich zu Beginn darauf hinzuweisen, dass es sich bei den Fragen, ob bestimmte Daten, Gutachten, Feststellungen usw. jeweils einen „relevanten Faktor“ darstellen, den zu berücksichtigen eine rechtliche Verpflichtung besteht, und ob dieser relevante Faktor tatsächlich berücksichtigt wurde, grundsätzlich um Tatsachenfragen handelt. Ausschließlich das Gericht ist (sofern sich nicht aus den Prozessakten ergibt, dass seine Feststellungen tatsächlich falsch sind) sowohl für die Tatsachenfeststellung als auch für die Tatsachenwürdigung zuständig ( 12 ). Wird keine Verfälschung von Tatsachen geltend gemacht ( 13 ), liegt eine (Neu‑)Bewertung ihrer Relevanz daher grundsätzlich außerhalb der Zuständigkeit des Gerichtshofs ( 14 ).

56.

Der Vortrag der Kommission lässt sich jedoch im Wesentlichen darauf reduzieren, dass die Löslichkeit von CTPHT „irrelevant“ sei, weil sie im Rahmen der Summierungsmethode nicht als relevant bezeichnet werde. Mit anderen Worten habe die Kommission keinerlei Ermessen hinsichtlich der Bestimmung, was ein „relevanter Faktor“ sei, sondern sei rechtlich verpflichtet, die, und zwar nur die Elemente zu berücksichtigen, die in der CLP-Verordnung geregelt sind (Anhang I Abschnitte 4.1.3.5, 4.1.3.5.2 und 4.1.3.5.5).

57.

Die Frage, ob die CLP-Verordnung tatsächlich abschließend definiert, was als relevanter Faktor anzusehen ist – und somit die Kommission an der Berücksichtigung anderer Faktoren hindert –, ist eine Rechtsfrage.

58.

Meiner Meinung nach unterliegt der Ermessensspielraum der Kommission keiner solchen Einschränkung. Sie muss beurteilen, ob es andere relevante Faktoren gibt, und wenn sie solche Faktoren feststellt, ist sie gemäß der in Fn. 11 angeführten Rechtsprechung rechtlich zu deren Berücksichtigung verpflichtet ( 15 ).

59.

Zur Zusammenfassung der vorstehenden Ausführungen und zur Klarstellung der hier in Rede stehenden Rechtsfrage ist es nützlich, an dieser Stelle vier verschiedene Rechtsfragen aufzuzeigen, die potenziell Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung sein können, nämlich die Fragen,

ob der Kommission Ermessen eingeräumt ist, andere als die in den relevanten Teilen der anwendbaren Vorschriften aufgelisteten „relevanten Faktoren“ festzustellen,

ob die Kommission dieses Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt und festgestellt hat, dass ein bestimmter Faktor relevant ist,

ob die Kommission, nachdem sie einen relevanten Faktor festgestellt hat, tatsächlich ihre rechtliche Verpflichtung erfüllt hat, diesen Faktor in Ausübung ihres Ermessens zu berücksichtigen,

ob die Kommission dem betreffenden Faktor in der Bewertung genügend Gewicht beigemessen hat.

60.

Im Zusammenhang mit dem zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes steht nur die erste der vorgenannten Fragen zur Diskussion.

(iii) Hatte die Kommission ein Ermessen?

61.

Grundsätzlich hat der Unionsgesetzgeber die Möglichkeit, der Kommission die Befugnis zum Erlass von Rechtsakten einzuräumen und dabei die Berücksichtigung bestimmter Faktoren auszuschließen. Ein offensichtliches Beispiel wäre das Verbot, bei der Beurteilung Ereignisse zu berücksichtigen, die sich vor einem bestimmten Datum zugetragen haben. Gleichermaßen wäre es dem Unionsgesetzgeber möglich, der Kommission eine Aufgabe zu übertragen, bei der sie keinerlei Ermessen hat, zum Beispiel die Berechnung von Tonnagen oder Geldzahlungen unter Anwendung mathematischer Formeln.

62.

Allerdings denke ich, dass Situationen solcher Art nicht mit Situationen wie der hier vorliegenden vergleichbar sind, die eine (möglicherweise entscheidende) Phase einer hochkomplexen wissenschaftlichen Bewertung betreffen und ganz anders geartet sind.

63.

Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, „muss die Verwaltung [eine solche Befugnis] haben, um den vielfältigen, unvorhersehbaren Umständen jedes Einzelfalls Rechnung tragen zu können; sie ist mit dem vom Kläger herangezogenen allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung … nicht unvereinbar. Dieser allgemeine Grundsatz besagt nicht, dass sich die Verwaltung beim Vollzug der genannten Vorschrift auf eine mechanische Anwendung vorher festgelegter Vorschriften und Merkmale beschränken müsste. Eine solche Auslegung würde in Konflikt stehen mit dem Erfordernis, die den Einzelfall kennzeichnenden, mitunter komplexen Sachverhalte zu würdigen.“ ( 16 )

64.

Auch wenn der Kontext im angeführten Urteil ein ganz anderer war, ist die allgemeine Aussage doch sehr richtig. Würde einer Verwaltung, die hochkomplexe Tatsachenbewertungen vornehmen muss, eine Zwangsjacke angelegt, so kann dies zu ungerechten oder gar bizarren Ergebnissen führen.

65.

Nun macht zwar die Kommission nicht geltend, ihr sei für die gesamte Bewertung keinerlei Ermessen eingeräumt; sie behauptet dies lediglich für bestimmte Teile der Bewertung.

66.

Meiner Meinung nach enthält diese Auffassung jedoch, wenn nicht einen inneren Widerspruch, so doch zumindest eine sehr merkwürdige Gegenüberstellung. Einerseits bestätigt die Kommission, hinsichtlich der Geeignetheit einer bestimmten Einstufungsmethode sei ihr ein sehr weiter Ermessensspielraum eingeräumt. Andererseits meint sie, sie müsse jede Methode im Stufenkonzept in strikt hierarchischer Reihenfolge prüfen (Methode der direkten Einstufung, Einstufung auf der Grundlage von Übertragungsgrundsätzen und Summierungsmethode). Darüber hinaus, so die Kommission, verfüge sie jedoch, wenn sie die Summierungsmethode wähle, im Rahmen dieser Einstufungsmethode über keinerlei Ermessen. Sie müsse diese Methode „mechanisch“ unter Außerachtlassung jeglicher nicht ausdrücklich in der CLP-Verordnung aufgelisteter Faktoren befolgen.

67.

Dem kann ich mich nicht anschließen.

68.

Erstens vermag mich die von der Kommission behauptete Dichotomie von i) einem weiten Ermessen bei der Wahl der geeigneten Methode und ii) keinerlei Ermessen bei deren Anwendung nicht zu überzeugen. Beide Schritte, d. h. die Wahl und die Durchführung der Methode, sind ihrem Charakter nach Teile ein und derselben hochkomplexen wissenschaftlichen Gefahreneinstufung. In der Praxis ist zu erwarten, dass eine gewissenhaft arbeitende Verwaltungsbehörde zunächst alle verfügbaren Daten zusammenstellt. Je nachdem, ob die einzelnen Elemente dieser Daten ausreichen oder nicht, wird sie sich dann für eine Methode entscheiden, natürlich unter Berücksichtigung der Art der für die jeweiligen Methoden erforderlichen Daten.

69.

Ich kann nicht ausschließen, dass es in Fällen, in denen die Kommission bei der Gesamtbewertung über ein Ermessen verfügt, doch den einen oder anderen einzelnen Teil gibt, hinsichtlich dessen ihr keinerlei Ermessen zusteht. Für eine solche Untergliederung der Einstufung muss es jedoch eine klare Grundlage geben. Im vorliegenden Fall ist eine solche nicht zu erkennen.

70.

Dabei möchte ich betonen, dass damit keinesfalls unterstellt werden soll, dass das Ergebnis, zu dem die Kommission gelangt ist, in der Sache nicht haltbar ist. Ich urteile nicht über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Einstufung von CTPHT. Ich erwähne dies hier nur, um das Ermessen aufzuzeigen, das bei der Wahl der Methode und damit bei der gesamten komplexen wissenschaftlichen Bewertung besteht.

71.

Dem möchte ich hinzufügen, dass nicht einmal klar ist, dass sich die Kommission in dieser spezifischen Sache strikt an die von ihr befürwortete Vorgehensweise gehalten hat. Die Kommission führt aus, sie müsse jede Methode strikt in der vorgegebenen Reihenfolge prüfen und in dieser Hinsicht sei ihr keinerlei Ermessen eingeräumt. Tatsächlich scheint es jedoch so zu sein, dass die Kommission bei ihrer Bewertung von CTPHT von der ersten Methode (direkte Einstufung) gleich zur dritten (Summierungsmethode) übergegangen ist, ohne die zweite (Einstufung anhand von Übertragungsgrundsätzen) ausdrücklich als Alternative in Betracht zu ziehen und zu verwerfen.

72.

Darüber hinaus gibt es mindestens vier weitere Elemente, die meiner Meinung nach bestätigen, dass das von der Kommission vorgebrachte Argument, es gebe keinerlei Ermessen, zurückzuweisen ist.

73.

Was erstens den Text von Anhang I Abschnitt 4.1.3 der CLP-Verordnung mit dem Titel „Einstufungskriterien für Gemische“ angeht, legt dessen Wortlaut doch ein gewisses Ermessen nahe: „Um alle verfügbaren Daten zur Einstufung eines Gemisches aufgrund seiner Gewässergefährdung zu nutzen, gilt gegebenenfalls Folgendes“ (Hervorhebung nur hier).

74.

In diesem Abschnitt wird dann im Weiteren das Stufenkonzept für die Einstufung beschrieben. Die Teile von Anhang I der CLP-Verordnung, in denen der Rückgriff auf die Summierungsmethode und deren Inhalt beschrieben sind, enthalten keine Bestimmung, durch die die Berücksichtigung anderer als der ausdrücklich genannten Faktoren untersagt würde ( 17 ).

75.

Ich kann verstehen, dass sich die Kommission in diesem Zusammenhang auf den Grundsatz der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns beruft, nämlich darauf, dass sie als öffentlich-rechtliche Behörde lediglich im Rahmen der ihr gesetzten rechtlichen Grenzen handeln dürfe. Diese Sichtweise ist grundsätzlich lobenswert. In diesem konkreten Fall sind jedoch die Grenzen, die durch den Wortlaut wie auch durch die Systematik der Rechtsvorschriften gesetzt werden, schlicht nicht so eng wie von der Kommission behauptet.

76.

Zweitens sind der allgemeine Kontext und der internationale Hintergrund der CLP-Verordnung zu bedenken. Der sechste Erwägungsgrund der CLP-Verordnung lautet: „Diese Verordnung geht auf verschiedene Erklärungen zurück, in denen die Gemeinschaft ihre Absicht bekräftigt hat, zur weltweiten Harmonisierung der Kriterien für die Einstufung und Kennzeichnung beitragen zu wollen, und zwar nicht nur auf Ebene der VN, sondern auch durch die Aufnahme der international vereinbarten GHS-Kriterien in das Gemeinschaftsrecht.“

77.

Das Stufenkonzept zur Einstufung der Wassergefährdung spiegelt somit den auf internationaler Ebene nach dem global harmonisierten System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien (im Folgenden: GHS) verfolgten Ansatz wider. Tatsächlich haben wesentliche in Anhang I der CLP-Verordnung enthaltene Teile dieses Ansatzes und die entsprechenden GHS-Leitlinien einen nahezu identischen Wortlaut ( 18 ).

78.

Anhang 9 des GHS ist vollständiger als Abschnitt 4 des Anhangs I der CLP-Verordnung. Nach meiner Meinung macht Anhang 9 deutlich, dass detaillierte Leitlinien vorgegeben werden können, es jedoch schwierig ist, in diesem Bereich Regeln zu erlassen, die vollständig systematisch und mechanisch anwendbar sind. So führt beispielsweise Anhang 9 des DHS Herausforderungen im Zusammenhang mit „Auslegungsproblemen“ bei „schwierigen Stoffen“ an, die „schwer lösliche“ Stoffe und „komplexe oder Mehr-Komponenten-Stoffe“ beinhalten ( 19 ).

79.

In Anhang 9 des GHS heißt es vor der Beschreibung des harmonisierten Einstufungssystems, dass dieser Anhang „nicht alle Situationen abdecken kann, die bei der Einstufung auftreten. Er ist daher als Arbeitsdokument zu betrachten, das einerseits die Grundsätze des Systems beschreibt, [nämlich,] dass es auf einer Gefahren- statt einer Risikobewertung beruht, und andererseits festgelegte Kriterien enthält. Er muss zum Teil auch als Quelle dienen, in der die Erfahrungen im Zusammenhang mit der Anwendung des Systems zusammengetragen werden, so dass mittels der Auslegungen die anzuwendenden scheinbar starren Kriterien in einer Vielzahl von nicht dem Normalfall entsprechenden Situationen angewandt werden können“ (Hervorhebung nur hier ( 20 )).

80.

Damit ist klar, dass die internationalen Standards, die der Unionsgesetzgeber mit der CLP-Verordnung einführen wollte, deutlich differenzieren. Sie legen Grundsätze fest und geben zwar detaillierte Leitlinien vor, es wird aber offen eingeräumt, dass es schwierige Fälle gibt und die Regeln nicht als abschließende Liste verstanden werden können.

81.

Drittens halte ich es ebenfalls für wichtig, über den Einzelfall hinaus auch die Gesamtsystematik und die Funktionsweise der CLP-Verordnung zu betrachten. Im vorliegenden Fall macht die Kommission geltend, dass kein Ermessensspielraum gegeben sei, und kommt davon ausgehend zu dem Schluss, dass die strengste Gefahreneinstufung gerechtfertigt sei. In diesem konkreten Fall steht diese Schlussfolgerung tatsächlich im Einklang mit dem Ziel der CLP-Verordnung, ein hohes Gesundheits- und Umweltschutzniveau zu gewährleisten. Wie sieht es jedoch in anderen Fällen aus, in denen das Unvermögen der Kommission, andere relevante Faktoren zu berücksichtigen, letztlich zu einer niedrigeren Gefahreneinstufung führen würde?

82.

Es gibt zwar eine „Sicherheitsnetz“-Einstufung, bei der Stoffe, die nicht als „Aquatisch akut 1“ oder „Aquatisch chronisch 1, 2 oder 3“ eingestuft wurden, aber dennoch Anlass zu Besorgnis geben, als „Aquatisch chronisch 4“ eingestuft werden können. Diese Möglichkeit verringert das Risiko einer „zu niedrigen“ Einstufung.

83.

Meines Erachtens sollte ein „Sicherheitsnetz“ jedoch auch als solches behandelt werden. Definitionsgemäß dient es als letzte Auffangvorrichtung. Treten sehr wichtige relevante Faktoren zutage, die eine „zu geringe“ Gefahreneinstufung ernsthaft in Frage stellen, müssen diese Faktoren als Teil der Hauptprüfung berücksichtigt werden.

84.

Sollte tatsächlich ein Ermessensspielraum vorliegen, so muss dieses Ermessen in beide Richtungen ausgeübt werden können. Sind sehr wichtige relevante Faktoren gegeben, die eine Gefahreneinstufung als „zu hoch“ erscheinen lassen, sind auch diese als Teil der Hauptprüfung zu berücksichtigen. Diese Auffassung vertreten die Rechtsmittelgegner.

85.

Ich betone, dass die vorstehenden Ausführungen nichts darüber aussagen, was ein „relevanter Faktor“ ist oder welches Gewicht diesem beizumessen ist (siehe oben, Nr. 59). Dies sind zunächst einmal Fragen, die von der Kommission zu klären sind. Im Fall einer Kontrolle durch das Gericht muss dieses prüfen, ob der Kommission in dieser Hinsicht ein offensichtlicher Fehler unterlaufen ist.

86.

Schließlich ist zu beachten, dass sich das Gericht schon einmal mit einer CTPHT betreffenden Rechtssache befasst hat. Die Rechtssache T‑93/10, Bilbaína/ECHA (Rechtsmittelsache C‑287/13 P, Bilbaína/ECHA) (im Folgenden: Bilbaína I) ( 21 ) betraf, soweit hier relevant, die Einstufung von CTPHT als sehr persistent und sehr bioakkumulierend (im Folgenden: vPvB).

87.

Um einen Stoff als vPvB einzustufen, muss die Kommission die u. a. in Anhang XIII der Verordnung Nr. 1907/2006 niedergelegten Anforderungen erfüllen. Die Kriterien zur Einstufung eines Stoffes als vPvB waren in der zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung in Anhang XIII Abschnitte 1.1, 1.2 und 1.3 niedergelegt. In diesen Kriterien waren die Eigenschaften der Bestandteile nicht erwähnt. Allerdings wurde CTPHT auf der Grundlage der Eigenschaften seiner Bestandteile als vPvB eingestuft.

88.

Die Kläger wandten sich gegen die Abweichung von den in Anhang XIII niedergelegten Kriterien. Das Gericht bestätigte den von der Kommission verfolgten Ansatz. Der Gerichtshof bestätigte dieses Urteil im Rahmen des Rechtsmittels und führte in Rn. 34 des Beschlusses Bilbaína I aus: „Die zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Entscheidung geltende Fassung des Anhangs XIII der Verordnung sah zwar nicht ausdrücklich vor, dass ein Stoff eingestuft werden kann, indem die PBT‑ oder vPvB-Eigenschaften seiner entsprechenden Bestandteile berücksichtigt werden. Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführer bedeutet dies jedoch nicht, dass es Anhang XIII der Verordnung ausschloss, PBT‑ oder vPvB‑Eigenschaften der relevanten Bestandteile eines Stoffes zu berücksichtigen.“

89.

Der Gerichtshof bestätigte, dass die Berücksichtigung der Eigenschaften der Bestandteile überdies im Einklang mit den Zielen der Verordnung stand.

90.

Zwischen dieser und der vorliegenden Rechtssache bestehen offenkundige Unterschiede. Insbesondere bezog sich die Rechtssache Bilbaína I auf die REACH-Verordnung und nicht auf die CLP-Verordnung. Dennoch werfen beide Fälle dieselbe grundsätzliche Frage auf. Wann hat die Kommission ein Ermessen, um von den in einer Verordnung niedergelegten Beurteilungskriterien abzuweichen, um weitere relevante Faktoren zu ermitteln? In der Rechtssache Bilbaína I haben das Gericht und der Gerichtshof ein Ermessen bei der Ermittlung weiterer relevanter Faktoren im Wesentlichen bejaht, weil erstens der Wortlaut ein Ermessen nicht ausschloss und zweitens die Berücksichtigung dieser Faktoren im Einklang mit der REACH-Verordnung stand.

91.

Wie vorstehend dargelegt, findet sich auch im Wortlaut von Anhang I der CLP-Verordnung nichts, was im Rahmen der Anwendung der Summierungsmethode die Ermittlung weiterer relevanter Faktoren klar ausschließt.

92.

Was die Ziele der Verordnung angeht, verweise ich auf meine Ausführungen in den Nrn. 81 bis 84 oben. Geht man im Grundsatz davon aus, dass ein gewisses Ermessen gegeben ist, ist auch anzuerkennen, dass das Ermessen in beide Richtungen gehen kann. Es kann in einer klar an den Zielen orientierten Weise ausgeübt werden, indem eine höhere, strengere Gefahreneinstufung vorgenommen wird. Es kann jedoch im Ergebnis auch zu einer niedrigeren, weniger strengen Einstufung führen. Dies bedeutet nicht, dass die Ziele der CLP‑Verordnung gefährdet werden, sondern nur, dass zur Verfügung stehende Informationen umfassender berücksichtigt werden, um zu einer möglichst genauen Einstufung zu gelangen.

93.

Unter Berücksichtigung aller dieser Punkte bin ich der Auffassung, dass die Kommission rechtlich über ein Ermessen verfügte, im Rahmen der Anwendung der Summierungsmethode weitere relevante Faktoren zu ermitteln, ohne damit gegen die CPL-Verordnung zu verstoßen.

94.

Bei dieser Schlussfolgerung betone ich erneut, dass die Frage, welches diese relevanten Faktoren sind, eine Tatsachenfrage ist, die ohne Tatsachenverfälschung vom Gericht geklärt worden ist und vom Gerichtshof nicht wieder aufgegriffen werden kann. Ferner weise ich darauf hin, dass das Gericht an keiner Stelle befunden hat (oder auch nur befinden konnte), dass die Kommission – angenommen, sie hätte die schwere Löslichkeit von CTPHT berücksichtigt – bei der Einstufung von CTPHT als „Aquatisch akut 1“ oder „Aquatisch chronisch 1“ einen offensichtlichen Fehler begangen hätte. Vielmehr hat das – vom Gericht bestätigte – objektive Versäumnis der Kommission, dieses Element bei ihrer Argumentation zu berücksichtigen, zur teilweisen Nichtigerklärung der streitigen Verordnung geführt.

95.

Schließlich befasst sich die vorstehende Würdigung mit der eng eingegrenzten Frage des Bestehens von Ermessen im spezifischen Kontext der vorliegenden Rechtssache. Sie streift zwar den Punkt, sagt jedoch nichts Abschließendes über den Umfang des Ermessens in Fällen, in denen die grundlegenden Rechtsvorschriften maßgebliche und detaillierte Hinweise enthalten. Ich halte dies für eine wichtige, zur Prüfung vorzumerkende Frage, die allerdings im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels nicht behandelt zu werden braucht.

(iv) Ergebnis zum zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes

96.

Im Licht der obigen Ausführungen bin ich nicht der Ansicht, dass das Gericht rechtsfehlerhaft entschieden hat, dass die Kommission die Summierungsmethode falsch angewandt hat, und schlage vor, den zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen. Soweit der zweite Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes so zu verstehen sein sollte, dass damit die Tatsachenwürdigung des Gerichts zur Relevanz der Löslichkeit von CTPHT als Ganzem in Frage gestellt wird (siehe Nr. 55 der vorliegenden Schlussanträge), ist er als unzulässig zurückzuweisen.

C. Zum dritten Klagegrund: Überschreitung der Kontrollbefugnisse und Verfälschung von Beweisen

97.

Die Kommission macht geltend, dass das Gericht seine Kontrollbefugnisse überschritten habe, indem es über die Prüfung eines offensichtlichen Fehlers hinausgegangen sei und seine eigene Beurteilung an die Stelle derjenigen der Kommission gesetzt und damit die ihm vorgelegten Beweise verfälscht habe.

98.

Die Kommission trägt im Wesentlichen vor, dass das Gericht der Annahme, dass die PAK-Bestandteile von CTPHT wasserlöslich seien, zu Unrecht so viel Bedeutung zugemessen habe. Dies sei lediglich ein Faktor unter vielen, der Grundlage der wissenschaftlichen Bewertung gewesen sei. Darüber hinaus sei er vom Gericht aus dem Zusammenhang gerissen worden.

99.

Ich bin anderer Ansicht.

100.

Nach meiner Auffassung geht das Argument der Kommission fehl, weil es sich auf eine fehlerhafte Auslegung des angefochtenen Urteils stützt. Wie oben in Nr. 50 dargelegt, rügt das Gericht die Kommission nicht spezifisch dafür, dass sie von der Wasserlöslichkeit der Bestandteile von CTPHT ausgegangen ist. Es hat nicht entschieden, dass die Kommission diese Annahme nicht treffen durfte. Die Bedenken des Gerichts gehen vielmehr dahin, dass es die Kommission mit dieser Annahme versäumt hat, die Löslichkeit von CTPHT als Ganzem zu berücksichtigen.

101.

Der dritte Rechtsmittelgrund der Kommission könnte bereits aus diesem Grund als unbegründet zurückgewiesen werden.

102.

Soweit jedoch der dritte Rechtsmittelgrund so zu verstehen sein sollte, dass das Gericht seine Kontrollbefugnisse überschritten habe, indem es erstens die Löslichkeit von CTPHT als Ganzem als relevanten Faktor eingestuft oder zweitens diesem Faktor zu viel Gewicht beigemessen habe, sei Folgendes gesagt.

103.

Erstens ist die Frage, ob es überhaupt im Ermessen der Kommission steht, die Wasserlöslichkeit von CTPHT als Ganzem als relevanten Faktor einzustufen, oben im Rahmen der Prüfung des zweiten Rechtsmittelgrundes geprüft und bejaht worden.

104.

Zweitens ist – wie oben in Nr. 55 ausgeführt – die Frage, ob die Löslichkeit von CTPHT als Ganzem ein „relevanter Faktor“ ist, zu dessen Berücksichtigung die Kommission rechtlich verpflichtet ist, eine Tatsachenfrage, für die ausschließlich das Gericht zuständig ist, sofern nicht die Tatsachen verfälscht wurden ( 22 ).

105.

Die Kommission trägt vor, das Gericht habe die Tatsachen verfälscht, indem es die Bezugnahme auf die Bestandteile von CTPHT aus dem Zusammenhang gerissen und deren Bedeutung im Kontext der Summierungsmethode nicht berücksichtigt habe. Die Kommission trägt nicht ausdrücklich vor, dass das Gericht die Tatsachen verfälscht habe, indem es die Wasserlöslichkeit von CTPHT als Ganzem als relevanten Faktor angesehen habe.

106.

Soweit ihre Argumente jedoch in diesem Sinne zu verstehen sein sollten, genügt der Hinweis, dass die Löslichkeit des Stoffes als Ganzen eindeutig kein Nebenaspekt oder unbedeutendes Detail ist. Die Löslichkeit eines Stoffes wird mehrmals in Abschnitt 4 des Anhangs I der CLP-Verordnung in Verbindung mit der Bewertung der aquatischen Toxizität erwähnt und wird ausdrücklich als Grund für Probleme im Fall schwerer Löslichkeit genannt ( 23 ). Sie wird auch ausführlich in Anhang 9 des GHS erörtert, das in das Unionsrecht insbesondere durch Teil 4 des Anhangs I der CLP-Verordnung aufgenommen wurde ( 24 ). Eine Verfälschung von Tatsachen durch das Gericht hinsichtlich der Relevanz dieses Faktors liegt somit nicht vor.

107.

Was drittens die Frage angeht, welches Gewicht das Gericht der Löslichkeit von CTPHT als Ganzem beimisst, begnüge ich mich mit der Feststellung, dass das angefochtene Urteil zu diesem Punkt schweigt. Es sagt nicht, dass eine Berücksichtigung der Löslichkeit von CTPHT als Ganzem durch die Kommission unweigerlich dazu geführt hätte, dass dieser Faktor alle anderen Faktoren „übertrumpft“ hätte. Das Gericht kommt lediglich zu dem Schluss, dass die Kommission einen offensichtlichen Fehler begangen habe, indem sie es objektiv versäumt habe, die Löslichkeit von CTPHT als Ganzem zu berücksichtigen (siehe auch oben, Nr. 93).

108.

Nach alledem bin ich der Auffassung, dass das Gericht seine Befugnisse zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit der streitigen Verordnung nicht überschritten oder die Tatsachen verfälscht hat. Daher ist der dritte Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

VII. Ergebnis

109.

Ich schlage dem Gerichtshof vor,

das Rechtsmittel als unbegründet zurückzuweisen;

der Kommission ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Rechtsmittelgegner und der GrafTech Iberica, SL aufzuerlegen;

der ECHA und den anderen Beteiligten ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) Verordnung der Kommission vom 2. Oktober 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen zwecks Anpassung an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt (ABl. 2013, L 261, S. 5).

( 3 ) Deza, a.s., Industrial Química del Nalón, SA, Koppers Denmark A/S, Koppers UK Ltd, Koppers Netherlands BV, Rütgers basic aromatics GmbH, Rütgers Belgium NV, Rütgers Poland sp. z o.o., Bawtry Carbon International Ltd, Grupo Ferroatlántica, SA, SGL Carbon GmbH, SGL Carbon GmbH, SGL Carbon, SGL Carbon, SA, SGL Carbon Polska S.A., ThyssenKrupp Steel Europe AG, Tokai erftcarbon GmbH.

( 4 ) Urteil vom 7. Oktober 2015, Bilbaína de Alquitranes u. a./Kommission (T‑689/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:767).

( 5 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. 2008, L 353, S. 1).

( 6 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. 2006, L 396, S. 1).

( 7 ) In Art. 76 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 1907/2006 genannt.

(

8

)

„Weder die Kommission noch die ECHA konnten … vor dem Gericht nachweisen, dass die Kommission … die Tatsache berücksichtigt hat, dass … die Bestandteile von CTPHT nur beschränkt freigesetzt werden und dass dieser Stoff sehr stabil ist. … [W]eder die Stellungnahme des RAC zu CTPHT noch das Hintergrundpapier [enthalten] irgendwelche Ausführungen, mit denen dargetan wird, dass … die schwere Wasserlöslichkeit von CTPHT berücksichtigt worden ist. … [Damit] wird jedoch nicht nachgewiesen, dass die schwere Löslichkeit dieses Stoffes berücksichtigt worden ist.“

( 9 ) Dabei handelt es sich im Grunde um eine Bewertung anhand von Daten ähnlicher Stoffe.

( 10 ) Urteil vom 7. Oktober 2015, Bilbaína de Alquitranes u. a./Kommission (T‑689/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:767, Rn. 24).

( 11 ) Vgl. Urteile vom 21. November 1991, Technische Universität München (C‑269/90, EU:C:1991:438, Rn. 14), und vom 29. März 2012, Kommission/Estland (C‑505/09 P, EU:C:2012:179, Rn. 95).

( 12 ) Art. 256 AEUV sowie Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs.

( 13 ) Die Kommission macht zwar geltend, das Gericht habe die ihm vorliegenden Beweismittel verfälscht, jedoch wird dies separat im Hinblick auf den dritten Rechtsmittelgrund und in einer Weise geltend gemacht, dass es für diese Ausführungen nicht von Belang ist (siehe insbesondere Nrn. 104 und 105).

( 14 ) Beschluss vom 27. März 2014, Polyelectrolyte Producers Group u. a./Kommission (C‑199/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:205, Rn. 33 bis 36).

( 15 ) Ob sich das Ergebnis der Beurteilung dadurch ändert, ist eine andere Frage, die grundsätzlich im Rahmen des der Kommission zur Vornahme komplexer wissenschaftlicher Bewertungen eingeräumten Ermessens liegt, das ebenfalls durch die genannte Rechtsprechung bestätigt wird.

( 16 ) Urteil vom 7. Juni 1972, Brandau/Rat (46/71, EU:C:1972:50, Rn. 12 bis 14). Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Mai 1992, Rat/Brems (C‑70/91 P, EU:C:1992:201), und Schlussanträge des Generalanwalts Darmon in der Rechtssache Rat/Brems (C‑70/91 P, EU:C:1992:77, S. 2993 und 2994).

( 17 ) Vgl. Beschluss vom 22. Mai 2014, Bilbaína de Alquitranes u. a./ECHA (C‑287/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:599, Rn. 34), in dem das Bestehen von Ermessen damit begründet wurde, dass es an ausdrücklichen Einschränkungen fehlte (siehe auch unten, Nr. 90).

( 18 ) Anhang 9 zum harmonisierten System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien, 4. Aufl., erhältlich unter https://www.unece.org/fileadmin/DAM/trans/danger/publi/ghs/ghs_rev04/English/ST‑SG-AC10-30-Rev4e.pdf.

( 19 ) A9.1.10, vgl. auch A9.3.5.7 und A9.3.5.10.

( 20 ) A9.1.16.

( 21 ) Urteil vom 7. März 2013, Bilbaína de Alquitranes u. a./ECHA (T‑93/10, EU:T:2013:106), Beschluss vom 22. Mai 2014, Bilbaína de Alquitranes u. a./ECHA (C‑287/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:599).

( 22 ) Beschluss vom 27. März 2014, Polyelectrolyte Producers Group u. a./Kommission (C‑199/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:205, Rn. 33).

( 23 ) Abschnitt 4.1.2.10 des Anhangs I zu Problemen bei der Einstufung von schwerlöslichen anorganischen Verbindungen und Metallen; Abschnitt 4.1.2.6 und die oben in den Nrn. 82 und 83 erwähnte Einstufung der Kategorie 4 („Sicherheitsnetz“). Löslichkeit ist Teil der Definition des Begriffs „Verfügbarkeit“ gemäß Abschnitt 4.1.1.1.

( 24 ) Siehe oben, Nr. 78.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Europäischer Gerichtshof Schlussantrag des Generalanwalts, 07. Sept. 2017 - C-691/15 P

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