Europäischer Gerichtshof Schlussantrag des Generalanwalts, 01. März 2018 - C-115/16

ECLI:ECLI:EU:C:2018:143
bei uns veröffentlicht am01.03.2018

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

JULIANE KOKOTT

vom 1. März 2018(1)

Rechtssache C115/16

N Luxembourg 1

gegen

Skatteministeriet

(Vorabentscheidungsersuchen des Østre Landsret [Landgericht der Region Ost, Dänemark])

„Vorabentscheidungsersuchen – Richtlinie 2003/49/EG über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten (sogenannte Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie) – Begriff des Nutzungsberechtigten – Handeln im eigenen Namen auf fremde Rechnung – Einfluss der Erläuterungen des OECD-Musterabkommens auf die Auslegung einer EU-Richtlinie – Missbrauch steuerrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten – Kriterien für das Vorliegen eines Missbrauchs bei der Vermeidung einer Quellenbesteuerung– Missbrauch durch Ausnutzen fehlender Informationsaustauschsysteme zwischen den Staaten – Unmittelbare Anwendung einer nicht umgesetzten Richtlinienvorschrift – Unionsrechtskonforme Auslegung nationaler Missbrauchsvermeidungsgrundsätze“






I.      Einleitung

1.        In diesem Fall ist der Gerichtshof – ebenso wie in drei weiteren Parallelverfahren(2) – aufgerufen, zu entscheiden, unter welchen Umständen der zivilrechtliche Nutzungsberechtigte von Zinsen auch als der Nutzungsberechtigte im Sinne der Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie(3) anzusehen ist. Dabei ist zu klären, ob für die Auslegung des Unionsrechts auch die Erläuterungen der OECD zu ihren Musterabkommen heranzuziehen sind, insbesondere wenn diese nach Erlass der Richtlinie umformuliert wurden. Des Weiteren stellt sich die Frage nach der Definition und unmittelbaren Anwendbarkeit des unionsrechtlichen Missbrauchsverbots.

2.        Hintergrund für diese Fragen ist eine dänische Steuerstreitigkeit, bei der die Finanzverwaltung meint, dass die Vermeidung der dänischen Quellenbesteuerung durch die Einschaltung einer im EU-Ausland ansässigen „beherrschten“ Gesellschaft rechtsmissbräuchlich sei. Damit wird nämlich grundsätzlich eine definitive Quellensteuerbelastung innerhalb der Unternehmensstruktur verhindert, auch wenn die Zinsen letztendlich an eine Kapitalanlagegesellschaft in einem Drittstaat fließen. Wenn dieser Drittstaat dann noch verhindert, dass Informationen über Zinszahlungen an die Anleger der Kapitalanlagegesellschaften zu deren Ansässigkeitsstaaten gelangen, kann es dabei sogar zu einer Nichtversteuerung der Einkünfte der Anleger kommen.

3.        Die obigen Fragen betreffen letztendlich alle den grundsätzlichen Konflikt im Steuerrecht zwischen der zivilrechtlichen Gestaltungsfreiheit der Steuerpflichtigen und der Abwehr zivilrechtlich wirksamer, aber dennoch unter bestimmten Umständen missbräuchlicher Gestaltungen. Auch wenn diese Problematik schon seit der Erfindung des modernen Steuerrechts besteht, bleibt die Abgrenzung einer zulässigen von einer unzulässigen Steuerminimierung schwierig. Ein Autofahrer, der nach einer Erhöhung der Kfz-Steuer aus Kostengründen sein Auto verkauft, vermeidet sicherlich absichtlich die Kfz-Steuer. Ein Missbrauch des Rechts kann darin jedoch nicht gesehen werden, auch wenn das alleinige Motiv die Steuerersparnis war.

4.        Angesichts der politisch aufgebrachten Stimmung gegen Steuerpraktiken gewisser weltweit agierender Konzerne ist die Abgrenzung keine einfache Aufgabe für den Gerichtshof, soll nicht jede steuerreduzierende Verhaltensweise des Einzelnen dem Verdikt des Missbrauchs ausgesetzt sein.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

5.        Den unionsrechtlichen Rahmen des Falles bilden die Richtlinie 2003/49 und die Art. 43, 48 und 56 EG (nun Art. 49, 54 und 63 AEUV).

6.        Die Richtlinie 2003/49 regelt in den Erwägungsgründen 1 bis 6:

„(1)      Im europäischen Binnenmarkt, der die Merkmale eines Inlandsmarktes aufweist, sollten Finanzbeziehungen zwischen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten nicht gegenüber gleichartigen Beziehungen zwischen Unternehmen ein und desselben Mitgliedstaats steuerlich benachteiligt werden.

(2)      Diese Forderung ist bei Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren gegenwärtig nicht erfüllt; die nationalen Steuervorschriften, gegebenenfalls in Verbindung mit bilateralen oder multilateralen Übereinkünften, können nicht immer die Beseitigung der Doppelbesteuerung gewährleisten, und ihre Anwendung bringt für die Unternehmen oftmals Belastungen durch Verwaltungsaufwand sowie Cashflow-Probleme mit sich.

(3)      Es muss gewährleistet sein, dass Einkünfte in Form von Zinsen und Lizenzgebühren einmal in einem Mitgliedstaat besteuert werden.

(4)      Das geeignetste Mittel, um die genannten Belastungen und Probleme zu beseitigen und die steuerliche Gleichbehandlung innerstaatlicher und grenzübergreifender Finanzbeziehungen zu gewährleisten, besteht darin, die Steuern — unabhängig davon, ob sie an der Quelle abgezogen oder durch Veranlagung erhoben werden — bei Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren in dem Mitgliedstaat, in dem diese Einkünfte anfallen, zu beseitigen; besonders notwendig ist die Beseitigung dieser Steuern bei Zahlungen zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten sowie zwischen Betriebsstätten derartiger Unternehmen.

(5)      Die Regelung sollte nur auf den Betrag an Zinsen oder Lizenzgebühren Anwendung finden, den der Zahler und der Nutzungsberechtigte vereinbart hätten, wenn zwischen ihnen keine besondere Beziehung bestanden hätte.

(6)      Den Mitgliedstaaten darf es ferner nicht verwehrt sein, geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung von Betrug und Missbrauch zu ergreifen.“

7.        Art 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/49 lautet wie folgt:

„In einem Mitgliedstaat angefallene Einkünfte in Form von Zinsen oder Lizenzgebühren werden von allen in diesem Staat darauf erhebbaren Steuern — unabhängig davon, ob sie an der Quelle abgezogen oder durch Veranlagung erhoben werden — befreit, sofern der Nutzungsberechtigte der Zinsen oder Lizenzgebühren ein Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats oder eine in einem anderen Mitgliedstaat belegene Betriebsstätte eines Unternehmens eines Mitgliedstaats ist.“

8.        Art 1 Abs. 4 der Richtlinie 2003/49 regelt des Weiteren:

„Ein Unternehmen eines Mitgliedstaats wird nur als Nutzungsberechtigter der Zinsen oder Lizenzgebühren behandelt, wenn es die Zahlungen zu eigenen Gunsten und nicht nur als Zwischenträger, etwa als Vertreter, Treuhänder oder Bevollmächtigter für eine andere Person erhält.“

9.        Art. 1 Abs. 7 der Richtlinie 2003/49 lautet:

„Dieser Artikel findet nur Anwendung, wenn das Unternehmen, das Zahler der Zinsen oder Lizenzgebühren ist, oder das Unternehmen, dessen Betriebsstätte als Zahler der Zinsen oder Lizenzgebühren behandelt wird, ein verbundenes Unternehmen des Unternehmens ist, das Nutzungsberechtigter ist oder dessen Betriebsstätte als Nutzungsberechtigte dieser Zinsen oder Lizenzgebühren behandelt wird.“

10.      Art. 5 der Richtlinie 2003/49 enthält unter der Überschrift „Betrug und Missbrauch“ folgende Regelung:

„(1) Diese Richtlinie steht der Anwendung einzelstaatlicher oder vertraglicher Bestimmungen zur Verhinderung von Betrug und Missbrauch nicht entgegen.

(2) Die Mitgliedstaaten können im Fall von Transaktionen, bei denen der hauptsächliche Beweggrund oder einer der hauptsächlichen Beweggründe die Steuerhinterziehung, die Steuerumgehung oder der Missbrauch ist, den Rechtsvorteil dieser Richtlinie entziehen bzw. die Anwendung dieser Richtlinie verweigern.“

B.      Völkerrecht

11.      Das dänisch-luxemburgische Doppelbesteuerungsabkommen (im Folgenden: DBA) vom 17. November 1980 enthält in Art. 11 Abs. 1 folgende Bestimmung zur Aufteilung der Steuerhoheit für Zinsen:

„1.      Zinsen, die aus einem Vertragsstaat stammen und an eine in einem anderen Vertragsstaat ansässige Person gezahlt werden, können nur dann in diesem anderen Staat besteuert werden, wenn diese Person ,Nutzungsberechtigte‘ der Zinsen ist.“

12.      Daraus folgt, dass der Quellenstaat, hier Dänemark, Zinsen, die an eine in Luxemburg ansässige Person gezahlt werden, nicht besteuern kann, wenn diese Person „Nutzungsberechtigte“ der Zinsen ist. Der Begriff „Nutzungsberechtigter“ ist im DBA nicht weiter definiert.

C.      Dänisches Recht

13.      Nach Angaben des vorlegenden Gerichts stellt sich die in den streitbefangenen Jahren geltende dänische Rechtslage wie folgt dar.

14.      Das Gesetz über die Besteuerung von Aktiengesellschaften (im Folgenden: Körperschaftsteuergesetz(4)) regelt in § 2 Abs. 1 Buchst. d die beschränkte Steuerpflicht ausländischer Gesellschaften für die von dänischen Gesellschaften gutgeschriebenen oder gezahlten Zinsen:

„§ 2. Steuerpflichtig gemäß diesem Gesetz sind ferner Gesellschaften, Vereinigungen usw. im Sinne des § 1 Abs. 1, die ihren Sitz im Ausland haben, soweit sie …

d)      Zinsen aus inländischen Quellen betreffend eine Verbindlichkeit erhalten, die eine [Gesellschaft dänischen Rechts] oder eine … [Betriebsstätte einer ausländischen Gesellschaft] … gegenüber ausländischen juristischen Personen hat, die in § 3 B des Skattekontrollov [(Gesetz über die steuerliche Kontrolle)] (kontrollierte Verbindlichkeit) genannt sind. … Die Steuerpflicht umfasst nicht die Zinsen, wenn diese nach der Richtlinie 2003/49/EG über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten oder einem Doppelbesteuerungsabkommen mit den Färöern, Grönland oder dem Staat, in dem die empfangende Gesellschaft usw. ihren Sitz hat, nicht oder nur ermäßigt besteuert werden. Dies gilt jedoch nur, wenn die zahlende Gesellschaft und die empfangende Gesellschaft für einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens einem Jahr, in dem der Zeitpunkt der Zahlung liegen muss, verbunden im Sinne dieser Richtlinie sind …“

15.      Im Ergebnis erfasste die beschränkte Steuerpflicht in 2007 nicht die an eine Muttergesellschaft gezahlten Zinsen, auf die nach der Richtlinie 2003/49 oder einem DBA keine oder nur eine ermäßigte Steuer erhoben wird.

16.      Besteht hingegen für aus Dänemark abfließende Zinsen nach § 2 Abs. 1 Buchst. d des Körperschaftsteuergesetzes eine beschränkte Steuerpflicht, ist nach dem dänischen Quellensteuergesetz(5) der Zinszahler nach § 65 D verpflichtet, die Quellensteuer („Zinssteuer“) einzubehalten.

17.      In den Steuerjahren 2006 und 2007 betrug der Satz 30 %, im Steuerjahr 2008 25 %. Bei verspäteter Abführung der einbehaltenen Quellensteuer (bei beschränkter Steuerpflicht) werden Zinsen auf die Steuerschuld fällig (§ 66 B des Quellensteuergesetzes). Schuldner der Verzugszinsen ist der Steuerabzugspflichtige.

18.      In den Jahren 2006 bis 2008 gab es in Dänemark keine allgemeine Gesetzesbestimmung über die Verhinderung von Missbrauch. In der Rechtsprechung wurde hingegen die sogenannte „Realitätsdoktrin“ entwickelt, wonach die Besteuerung auf der Grundlage einer konkreten Würdigung des tatsächlichen Geschehens zu erfolgen hat. Das bedeutet u. a., dass fiktive und künstliche Steuergestaltungen unter bestimmten Umständen außer Acht gelassen werden können und sich die Besteuerung stattdessen an der Realität ausrichtet („substance-over-form“). Zwischen den Parteien herrscht Einigkeit, dass die Realitätsdoktrin keine Grundlage dafür bietet, die im vorliegenden Fall vorgenommenen Rechtshandlungen außer Acht zu lassen.

19.      In der dänischen Rechtsprechung wurde außerdem der sogenannte Grundsatz des „eigentlichen Beziehers der Einkünfte“ entwickelt. Dieser Grundsatz basiert auf der grundlegenden Bestimmung über die Besteuerung der Einkünfte in § 4 der dänischen Abgabenordnung (statsskatteloven) und besagt, dass die Steuerbehörden nicht verpflichtet sind, eine künstliche Trennung zwischen dem/der Einkünfte generierenden Betrieb/Tätigkeit und der Zuordnung der daraus fließenden Einkünfte zu akzeptieren. Es muss daher festgestellt werden, wer – ohne Rücksicht auf die Erscheinungsform – der wirkliche Empfänger bestimmter Einkünfte und daher steuerpflichtig ist. Die Frage ist daher, wem die Einkünfte steuerrechtlich zuzuordnen sind. Der „eigentliche Bezieher der Einkünfte“ ist demnach der für die betreffenden Einkünfte Steuerpflichtige.

III. Ausgangsrechtsstreit

20.      Mehrere Kapitalanlagegesellschaften mit Sitz in einem Drittstaat gründeten im Hinblick auf die Übernahme von T Danmark (einem großen dänischen Anbieter bestimmter Dienstleistungen) mehrere Gesellschaften in Luxemburg und in Dänemark. Darunter befand sich auch N Danmark 1 (Sitz in Dänemark), die Klägerin im Ausgangsverfahren (mittlerweile in Gestalt der N Luxembourg 1).

21.      Die Übernahme von T Danmark wurde u. a. dadurch finanziert, dass die Kapitalanlagegesellschaften(6) Geld an N Danmark 1 verliehen. Diese Darlehen bestanden in einer besonderen Art von Unternehmensanleihen, sogenannten Preferred Equity Certificates (PECs), die von N Danmark 1 ausgegeben wurden. Ein PEC ist ein Finanzinstrument, das im Großen und Ganzen einer verzinslichen Unternehmensanleihe gleicht. Der Erwerber wird damit Darlehensgeber des Zeichners der PECs. Die Zinsen aus den PECs wurden vom Zeitpunkt der Ausgabe am 21. Dezember 2005 bis zum Sommer 2008 den Kapitalanlagegesellschaften gezahlt/gutgeschrieben. Mit dem so von den drittstaatsangehörigen Kapitalanlagegesellschaften geliehenen Geld erwarb N Danmark 1 zum Schluss ca. 80 % des Aktienkapitals von T Danmark.

22.      Anschließend (im April 2006) wurde C Luxembourg (mit Sitz in Luxemburg) von den zuvor gegründeten luxemburgischen Gesellschaften gegründet. Im Frühjahr 2006 kam es zu einem Aktientausch, bei dem alle Anteile von N Danmark 1 auf C Luxembourg übertragen wurden, die damit alleinige Muttergesellschaft der dänischen Gesellschaft wurde. Die A Luxembourg Holding (eine Tochtergesellschaft der Kapitalanlagegesellschaften), die ebenfalls ihren Sitz in Luxemburg hat, wurde im Frühjahr 2006 mittelbare und Ende 2007 unmittelbare Eigentümerin der C Luxembourg.

23.      Die PECs wurden im April 2006 von den Kapitalanlagegesellschaften zunächst auf die A Luxembourg Holding und am selben Tag von dieser auf die C Luxembourg (die Muttergesellschaft von N Danmark 1) übertragen. Diese wurde somit Gläubigerin aus den PECs.

24.      Die Zahlungen im Zusammenhang mit der Übertragung der PECs erfolgten jeweils durch die Eingehung eines verzinsten Darlehensverhältnisses in entsprechender Höhe. C Luxembourg und A Luxembourg Holding sind in Luxemburg unbeschränkt steuerpflichtig. Die Zinsen aus den PECs werden von N Danmark 1 an die C Luxembourg gezahlt, die ihrerseits mit diesen Zinszahlungen ihre Zinsverbindlichkeit gegenüber der A Luxembourg Holding und diese wiederum ihre Zinsverbindlichkeit gegenüber den Kapitalanlagegesellschaften bedient.

25.      Im Zeitraum von 2006 bis zum Sommer 2008 betrug der Zinssatz, den N Danmark 1 der C Luxembourg schuldete, 10 %, während der von C Luxembourg an die A Luxembourg Holding zu zahlende Zinssatz sich auf 9,96875 % belief. Die A Luxembourg Holding schuldete den Kapitalanlagegesellschaften Zinsen in Höhe von ebenfalls 9,96875%. Dies änderte sich am 9. Juli 2008. Nun betrug der Zinssatz, den die C Luxembourg schuldete, 10 % (identisch zu dem Zinssatz, den diese von der N Danmark 1 erhielt), während die A Luxembourg Holding den Kapitalanlagegesellschaften weiterhin 9,96875 % schuldete.

26.      Im Zeitraum 2006 bis 2008 wiesen C Luxembourg und A Luxembourg Holding weitere Betriebsausgaben (d. h. ohne Zinsaufwendungen) pro Jahr in einem sechsstelligen Umfang aus. Diese Ausgaben betrafen u. a. Gehälter, Mietzahlungen, Bürounterhaltungskosten und Aufwendungen für die externe Beratung. In den Jahren 2007 und 2008 hatten beide Gesellschaften durchschnittlich ein bis zwei Mitarbeiter in Teilzeit beschäftigt. Sie hatten ihren eingetragenen Sitz unter derselben Anschrift. Diese wird auch von Gesellschaften genutzt, die eine unmittelbare Verbindung zu einer der Kapitalanlagegesellschaften aufweisen.

27.      Den Gesellschaften wurde über die Einzelbeträge, die sie am 6. Dezember 2006 von N Danmark 1 im Zusammenhang mit der Zins- und Tilgungszahlung erhielten, hinaus keine weitere Liquidität zugeführt. Der einzige Vermögenswert von C Luxembourg außer den Anteilen an N Danmark 1 ist die Forderung aus den von dieser ausgegebenen PECs.

28.      Keine der Kapitalanlagegesellschaften hat ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der Union oder in einem Staat, mit dem Dänemark ein DBA geschlossen hat. Sie werden nach Auskunft der Klägerin des Ausgangsverfahrens in der mündlichen Verhandlung steuerrechtlich als transparente(7) Gesellschaften angesehen. N Danmark 1 hat angegeben, dass die letztlich hinter den Kapitalanlagegesellschaften stehenden Geldgeber in der übergroßen Mehrzahl in Ländern ansässig sind, mit denen Dänemark entsprechende DBAs abgeschlossen hat.

29.      2011 erließ die SKAT (dänische Steuerbehörde) einen Bescheid zur Erhebung von Quellensteuer bei der Klägerin (damals noch N Danmark 1, nun N Luxembourg 1) für die Steuerjahre 2006 bis 2008 über insgesamt 925 764 961 dänische Kronen (DKK). Die SKAT vertrat die Auffassung, dass die beiden luxemburgischen Gesellschaften (C Luxembourg und A Luxembourg Holding) nicht „Nutzungsberechtigte“ der Zinsen seien, sondern lediglich als Durchleitungsstellen fungierten. Die Zinsen flössen vom dänischen Teil des Konzerns durch die beiden luxemburgischen Gesellschaften und weiter an die Kapitalanlagegesellschaften. Die SKAT stellte daher fest, dass die Quellensteuer auf die gezahlten und gutgeschriebenen Zinsen hätte einbehalten werden müssen. Da dies nicht erfolgt sei, hafte die Klägerin für die nicht einbehaltene Quellensteuer.

30.      N Luxembourg 1 focht den Bescheid der SKAT vor dem Landsskatteret (oberste Steuerbehörde) an. Da das Landsskatteret nicht innerhalb von sechs Monaten nach Erhebung des Einspruchs darüber entschied, wandte sich die Klägerin unmittelbar an das Østre Landsret (Landgericht der Region Ost, Dänemark).

31.      Nunmehr hat das Østre Landsret (Landgericht der Region Ost) beschlossen, ein Vorabentscheidungsverfahren durchzuführen.

IV.    Verfahren vor dem Gerichtshof

32.      Das Østre Landsret (Landgericht der Region Ost) hat folgende Fragen vorgelegt:

1.      Ist Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2003/49 dahin auszulegen, dass eine in einem Mitgliedstaat ansässige und unter Art. 3 der Richtlinie fallende Gesellschaft, die – unter Umständen wie den hier vorliegenden – Zinsen von einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft erhält, als „Nutzungsberechtigte“ dieser Zinsen im Sinne der Richtlinie anzusehen ist?

1.1.      Ist der Begriff „Nutzungsberechtigter“ in Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2003/49 im Einklang mit dem entsprechenden Begriff in Art. 11 des Musterabkommens von 1977 auszulegen?

1.2.      Falls die Frage 1.1 zu bejahen ist: Ist der Begriff dann allein unter Heranziehung der Erläuterungen (Musterkommentar) zu Art. 11 des Musterabkommens von 1977 (Ziff. 8) auszulegen, oder können auch spätere Erläuterungen wie die Ergänzungen, die 2003 zu den Durchleitungsgesellschaften (Ziff. 8.1, jetzt Ziff. 10.1) oder 2014 zu den vertraglichen oder rechtlichen Verpflichtungen (Ziff. 10.2) vorgenommen wurden, herangezogen werden?

1.3.      Falls die Erläuterungen von 2003 herangezogen werden können: Kann einer Gesellschaft die Eigenschaft als „Nutzungsberechtigte“ im Sinne der Richtlinie 2003/49 nur dann abgesprochen werden, wenn tatsächlich Mittel zu den Personen, die von dem Staat, in dem der Zinszahler ansässig ist, als Nutzungsberechtigte der betreffenden Zinsen angesehen werden, durchgeleitet wurden, und besteht gegebenenfalls eine weitere Voraussetzung darin, dass die tatsächliche Durchleitung in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Zinszahlung und/oder in Form von Zinszahlungen erfolgen muss?

1.3.1.       Inwieweit ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, ob für das Darlehen Eigenkapital aufgewendet wird, ob die betreffenden Zinsen der Hauptschuld zugeschlagen werden („roll-up“), ob der Zinsempfänger danach einen Konzernbeitrag an seine in demselben Staat ansässige Muttergesellschaft geleistet hat, um nach den in diesem Mitgliedstaat geltenden Regeln einen steuerlichen Ergebnisausgleich zu erlangen, ob die Zinsen in der Folge beim Darlehensnehmer in Eigenkapital umgewandelt werden, ob der Zinsempfänger eine vertragliche oder rechtliche Verpflichtung hatte, die Zinsen an eine andere Person weiterzuleiten, und ob die Mehrzahl der Personen, die in dem Staat des Zinszahlers als Nutzungsberechtigte der Zinsen angesehen werden, in anderen Mitgliedstaaten oder Drittstaaten ansässig sind, mit denen Dänemark ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat, so dass nach dänischem Steuerrecht keine Grundlage für die Erhebung der Quellensteuer bestanden hätte, wenn diese Personen Darlehensgeber gewesen wären und damit die Zinsen unmittelbar vereinnahmt hätten?

1.4.      Welche Bedeutung hat es für die Beurteilung der Frage, ob der Zinsempfänger als „Nutzungsberechtigter“ im Sinne der Richtlinie anzusehen ist, dass das vorlegende Gericht nach einer Würdigung des Sachverhalts befindet, dass der Zinsempfänger – ohne dass er durch eine vertragliche oder rechtliche Verpflichtung gebunden gewesen wäre, die vereinnahmten Zinsen an eine andere Person weiterzuleiten – im Wesentlichen nicht berechtigt war, über die Zinsen zu verfügen („use and enjoy“), wie es in den Erläuterungen von 2014 zum Musterabkommen von 1977 heißt?

2.      Kann sich ein Mitgliedstaat nur dann auf Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie, der die Anwendung einzelstaatlicher Bestimmungen zur Verhinderung von Betrug und Missbrauch betrifft, oder auf Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie berufen, wenn er eine spezifische einzelstaatliche Bestimmung zur Umsetzung von Art. 5 der Richtlinie erlassen hat oder wenn das nationale Recht allgemeine Bestimmungen oder Grundsätze zu Betrug, Missbrauch und Steuerhinterziehung enthält, die im Einklang mit Art. 5 ausgelegt werden können?

2.1.      Falls die Frage 2 zu bejahen ist: Kann § 2 Abs. 2 Buchst. d des Selskabsskattelov (Körperschaftsteuergesetz), wonach sich die beschränkte Steuerpflicht für Zinserträge nicht erstreckt auf „Zinsen, die nach der Richtlinie 2003/49/EG über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten steuerfrei sind“, als eine solche spezifische einzelstaatliche Bestimmung im Sinne von Art. 5 der Richtlinie angesehen werden?

3.      Ist eine Bestimmung in einem auf der Grundlage des OECD‑Musterabkommens erarbeiteten Doppelbesteuerungsabkommen zwischen zwei Mitgliedstaaten, nach der die Besteuerung von Zinsen davon abhängt, ob der Zinsempfänger Nutzungsberechtigter der Zinsen ist, eine solche vertragliche Bestimmung zur Missbrauchsbekämpfung, die unter Art. 5 der Richtlinie fällt?

4.      Stellt es einen Missbrauch etc. gemäß der Richtlinie 2003/49 dar, wenn in dem Mitgliedstaat, in dem der Zinszahler ansässig ist, kein Steuerabzug für Zinsen erfolgt, diese aber in dem Mitgliedstaat, in dem der Zinsempfänger ansässig ist, nicht besteuert werden?

5.      Ist ein Mitgliedstaat, der nicht anerkennen will, dass eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft Nutzungsberechtigte von Zinsen ist, und geltend macht, dass diese Gesellschaft eine sogenannte künstliche Durchleitungsgesellschaft ist, gemäß der Richtlinie 2003/49 oder Art. 10 EG verpflichtet, anzugeben, wen er in diesem Fall als Nutzungsberechtigten ansieht?

6.      Wird eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft (Muttergesellschaft) konkret nicht gemäß der Richtlinie 2003/49 als von der Quellensteuer auf Zinsen, die sie von einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft (Tochtergesellschaft) erhalten hat, befreit angesehen und von letzterem Mitgliedstaat als dort beschränkt steuerpflichtig für diese Zinsen angesehen, steht dann Art. 43 EG in Verbindung mit Art. 48 EG Rechtsvorschriften entgegen, nach denen die Steuerabzugspflichtige (die Tochtergesellschaft) in letzterem Mitgliedstaat bei verspäteter Abführung der Quellensteuer Verzugszinsen mit einem höheren Zinssatz als dem zahlen muss, der dort für Verzugszinsen auf die Körperschaftsteuerschuld (die u. a. Zinseinkünfte umfasst) einer gebietsansässigen Gesellschaft gilt?

7.      Wird eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft (Muttergesellschaft) konkret nicht gemäß der Richtlinie 2003/49 als von der Quellensteuer auf Zinsen, die sie von einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft (Tochtergesellschaft) erhalten hat, befreit angesehen und von letzterem Mitgliedstaat als dort beschränkt steuerpflichtig für diese Zinsen angesehen, steht dann Art. 43 EG in Verbindung mit Art. 48 EG (oder Art. 56 EG) – einzeln oder zusammen betrachtet – Rechtsvorschriften entgegen,

a)      nach denen der Zinszahler in letzterem Mitgliedstaat die Quellensteuer auf die Zinsen einbehalten muss und dem Staat gegenüber für die nicht einbehaltene Quellensteuer haftet, eine solche Einbehaltungspflicht aber nicht gilt, wenn die Muttergesellschaft in diesem Mitgliedstaat ansässig ist;

b)      nach denen eine Muttergesellschaft in letzterem Mitgliedstaat in den ersten beiden Steuerjahren keine Vorauszahlungen auf die Körperschaftsteuer zu leisten hat, sondern Körperschaftsteuer erst zu einem erheblich späteren Zeitpunkt als dem zahlen muss, zu dem die Quellensteuer fällig wird?

Der Gerichtshof wird ersucht, bei der Antwort auf die Frage 7 die Antwort auf die Frage 6 zu berücksichtigen.

33.      Mit Beschluss vom 13. Juli 2016 wurden die Rechtssachen C‑115/16, C‑118/16 und C‑119/16 verbunden. Zu den Vorlagefragen haben in dem verbundenen Verfahren vor dem Gerichtshof N Luxembourg 1, X Denmark A/S, C Danmark I, das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich Schweden, die Italienische Republik, das Königreich der Niederlande und die Europäische Kommission schriftlich Stellung genommen. An der mündlichen Verhandlung vom 10. Oktober 2017 – die auch die Verfahren C‑116/16, C‑117/16 und C‑299/16 umfasste – haben sich N Luxembourg 1, X Denmark A/S, C Danmark I, das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, das Großherzogtum Luxemburg und die Europäische Kommission beteiligt.

V.      Rechtliche Würdigung

A.      Zur Bestimmung des Nutzungsberechtigten (Frage 1 bis 1.4)

34.      Mit seinen Vorlagefragen 1. bis 1.4, die zusammen zu prüfen sind, fragt das vorlegende Gericht im Ergebnis an, wie der Begriff des Nutzungsberechtigten in Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2003/49 auszulegen ist. Dazu ist der Begriff des Nutzungsberechtigten im Sinne der Richtlinie 2003/49 herauszuarbeiten (1.) und danach der Einfluss des OECD-Musterabkommens (im Folgenden: OECD-MA) und seiner Erläuterungen (der sogenannte OECD-Musterkommentar) auf dessen Auslegung zu untersuchen (2.).

1.      Der Begriff des Nutzungsberechtigten im Sinne der Richtlinie 2003/49 (Frage 1 und 1.4)

35.      Die Richtlinie 2003/49 soll eine steuerrechtliche Gleichbehandlung innerstaatlicher und grenzübergreifender Finanzbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen erreichen.

a)      Grundsatz: Zinsgläubiger als Nutzungsberechtigter

36.      Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/49 ist unter Berücksichtigung der Erwägungsgründe 2 bis 4 dieser Richtlinie darauf gerichtet, eine rechtliche Doppelbesteuerung grenzüberschreitender Zinszahlungen zu verhindern, indem er eine Besteuerung der Zinsen im Quellenstaat zulasten des Nutzungsberechtigten dieser Zinsen verbietet. Die genannte Bestimmung betrifft also ausschließlich die steuerrechtliche Situation des Zinsgläubigers.(8)

37.      Zinsgläubiger ist derjenige, dem nach Maßgabe des Zivilrechts der Anspruch auf die Zinsen in eigenem Namen zusteht. Insofern ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass der Nutzungsberechtigte im Sinne der Richtlinie 2003/49 grundsätzlich derjenige ist, der zivilrechtlich berechtigt ist, die Zinszahlung zu verlangen.(9)

38.      Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2003/49 bestätigt dies. Er schließt aus, dass als Nutzungsberechtigter ein Vertreter, Treuhänder oder Bevollmächtigter angesehen wird. Bei diesen dort genannten Personen wird der Anspruch entweder nicht in eigenem Namen (so beim Vertreter oder Bevollmächtigten) oder zwar in eigenem Namen, aber nicht auf eigene Rechnung (so beim Treuhänder) geltend gemacht. Daraus kann im Umkehrschluss gefolgert werden, dass in den Fällen, in denen der Zinsempfänger die Zinsen in eigenem Namen und für eigene Rechnung (d. h. zu eigenen Gunsten) vereinnahmt, dieser auch der Nutzungsberechtigte ist.

39.      Das vorlegende Gericht teilt mit, dass die C Luxembourg Inhaber der PECs geworden ist. Somit vereinnahmt sie die Zinsen auch im eigenen Namen. Damit ist die entscheidende Frage, ob sie diese Zinsen für eigene Rechnung oder für fremde Rechnung bezieht. Für eigene Rechnung handelt jemand, der allein über die Verwendung der Zinsen entscheiden kann und auch allein das Risiko des Verlustes trägt. Auf fremde Rechnung handelt hingegen jemand, der einem Dritten gegenüber so gebunden ist, dass dieser Dritte im Ergebnis das Risiko des Verlustes (hier der Zinsen) trägt.

b)      Ausnahme: Treuhänder

40.      Wie sich aus Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2003/49 ergibt, wäre der zivilrechtliche Nutzungsberechtigte nicht der Nutzungsberechtigte im Sinne der Richtlinie, wenn er nur als Treuhänder handeln würde.

41.      Eine offene Treuhand der C Luxembourg zugunsten der A Luxembourg Holding oder der Kapitalanlagegesellschaften scheidet aus. Ein Treuhänder erhält zwar Vermögensrechte übertragen, darf davon aber nur nach Maßgabe der Treuhandvereinbarung Gebrauch machen. Diese Vereinbarung führt dazu, dass die Rechtsmacht des Treuhänders im Außenverhältnis seine treuhänderische rechtliche Bindung im Innenverhältnis zum Treugeber übersteigt. Erst diese besondere Bindung führt dazu, dass er zwar noch in eigenem Namen, aber nicht mehr für eigene Rechnung tätig ist. Eine solche Bindung ist hier nicht ersichtlich.

42.      Ob im vorliegenden Fall aufgrund der Entstehungsgeschichte und der Nähe der involvierten Gesellschaften bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise eventuell eine Art verdeckte Treuhand der C Luxembourg zugunsten der A Luxembourg Holding oder der Kapitalanlagegesellschaften vorliegt, kann nur das vorlegende Gericht im Rahmen einer Gesamtwürdigung entscheiden. Der Gerichtshof kann dafür allerdings sachdienliche Hinweise geben.

43.      Eine vertraglich vereinbarte Refinanzierung bei einem Dritten zu ähnlichen Bedingungen und in einem gewissen zeitlichen Zusammenhang wie im vorliegenden Fall reicht allein nicht aus, um schon eine treuhänderische Bindung anzunehmen. Auch geht die Richtlinie 2003/49 in Art. 1 Abs. 7 und auch im vierten Erwägungsgrund von einer bestimmten gesellschaftsrechtlichen Verflechtung aus, die als solche – d. h. bei isolierter Betrachtung – keinen Einfluss auf die Beurteilung des Nutzungsberechtigten haben kann. Unterstrichen wird dies noch durch den fünften Erwägungsgrund und Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2003/49, der auch bei „besonderen Beziehungen“ zwischen Zahlenden und Nutzungsberechtigten nur eine Korrektur in der Höhe vorsieht, nicht jedoch die Eigenschaft als Zahlender oder Nutzungsberechtigter in Frage stellt. Insofern geht eine Treuhand im Sinne von Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2003/49 über einen Darlehensvertrag zwischen gesellschaftsrechtlich verbundenen Unternehmen hinaus.

44.      Vielmehr müsste eine darüber hinausgehende Bindung im Innenverhältnis (d. h. im Verhältnis der Kapitalanlagegesellschaften zur A Luxembourg Holding oder zwischen der C Luxembourg und der A Luxembourg Holding) vorliegen, welche die nach außen existierenden Befugnisse der C Luxembourg und/oder der A Luxembourg Holding beschränkt. Eine solche rechtliche Bindung ist hier bislang nicht zu erkennen. Sie wird jedenfalls nicht allein dadurch begründet, dass für das Darlehen Eigenkapital aufgewendet wird oder dass die Zinsen der Hauptschuld zugeschlagen werden oder beim Empfänger in Eigenkapital umgewandelt werden.

45.      Anders wäre es jedoch meines Erachtens, wenn z. B. die erheblichen Ausgaben der Luxemburger Gesellschaften nicht aus den Zinseinnahmen hätten bestritten werden dürfen, sondern die Zinsen allein und vollständig weiterzuleiten gewesen wären. Anderes könnte eventuell auch gelten, wenn der Zinssatz der Refinanzierung und der erhaltene Zinssatz identisch sind oder die eingeschaltete Gesellschaft keine eigenen Kosten verursacht, die aus ihren Zinseinkünften zu bezahlen sind. Ebenfalls etwas anderes würde gelten, wenn das Risiko der Zahlungsfähigkeit der in Dänemark ansässigen Gesellschaft (N Danmark 1, nunmehr N Luxembourg 1) allein von den Kapitalanlagegesellschaften zu tragen ist, weil in diesem Fall auch die Darlehensschuld der luxemburgischen Gesellschaft gegenüber den Kapitalanlagegesellschaften erlischt. Ob solche Anhaltspunkte bestehen, kann aber nur das vorlegende Gericht entscheiden.

46.      Sollte das vorlegende Gericht aufgrund der Gesamtumstände des Einzelfalls eine solche treuhänderische Bindung annehmen, wäre nach dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2003/49 allerdings der Treugeber der Nutzungsberechtigte im Sinne der Richtlinie 2003/49. Sofern die Zinszahlung über den Treuhänder an den Treugeber auch die Voraussetzungen der Richtlinie 2003/49 erfüllt, würde die Befreiung von der Quellenbesteuerung immer noch eingreifen.

c)      Ergebnis zu Frage 1 und 1.4

47.      Daher ist auf die Vorlagefrage 1 und 1.4 zu antworten, dass eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft, die Inhaber der zu verzinsenden Forderung ist, als Nutzungsberechtigter im Sinne des Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/49 anzusehen ist. Etwas anderes gilt dann, wenn diese nicht in eigenem Namen und auf eigene Rechnung, sondern aufgrund einer (gegebenenfalls verdeckten) treuhänderischen Bindung auf fremde Rechnung für einen Dritten agiert. Dann wäre der Dritte als Nutzungsberechtigter anzusehen. Letzteres muss das vorlegende Gericht im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände beurteilen.

2.       Auslegung nach Maßgabe der Erläuterungen zum OECD-Musterabkommen? (Frage 1.1 bis 1.3)

48.      Das vorlegende Gericht fragt mit seinen Fragen 1.1 bis 1.3 insbesondere, ob für die Auslegung der Begriffe der Richtlinie 2003/49 auch die Erläuterungen zu den OECD-MA und, wenn ja, ob auch Erläuterungen zu einem nach Erlass der Richtlinie erarbeiteten OECD-MA heranzuziehen sind.

49.      In den späteren Erläuterungen zum OECD-MA (z. B. aus dem Jahr 2008 in den Ziff. 8 und 9) werden sogenannte Durchlaufgesellschaften normalerweise nicht als Nutzungsberechtigte angesehen, wenn sie – obwohl sie formal Nutzungsberechtigte sind – praktisch sehr enge Befugnisse haben, die sie in Bezug auf die fraglichen Einkünfte nur zu einem für Rechnung der interessierten Parteien handelnden Treuhänder oder Verwalter machen.

50.      Die OECD-MA sind keine rechtsverbindlichen, multilateralen völkerrechtlichen Verträge, sondern einseitige Akte einer internationalen Organisation in Form von Empfehlungen an ihre Mitgliedstaaten. Auch nach dem Selbstverständnis der OECD sind diese Empfehlungen nicht verbindlich; die Mitgliedstaaten haben sie vielmehr nach der Verfahrensordnung der OECD daraufhin zu überprüfen, ob sie ihre Befolgung für angebracht halten.(10) Dies gilt erst recht für die von der OECD dazu erlassenen Erläuterungen, die letztendlich lediglich Rechtsansichten enthalten.

51.      Jedoch ist es nach ständiger Rechtsprechung nicht sachfremd, wenn sich die Mitgliedstaaten bei der ihnen obliegenden ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse an der internationalen Praxis, wie sie sich in den Musterabkommen spiegelt, orientieren.(11) Dies gilt auch für eine Orientierung an der internationalen Rechtsüberzeugung, die sich in den Erläuterungen zu dem OECD-MA spiegeln kann.

52.      Auf die Auslegung einer EU-Richtlinie können sich die Erläuterungen zu den OECD-MA aber nicht unmittelbar auswirken, selbst wenn die verwendeten Begriffe identisch sein sollten. Insofern geben diese Erläuterungen nur die Ansicht derjenigen wieder, die an den OECD-MA gearbeitet haben, nicht aber die Ansicht parlamentarischer Gesetzgeber oder gar des Unionsgesetzgebers. Allenfalls wenn sich aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Richtlinie ergeben sollte, dass sich der Unionsgesetzgeber an dem Wortlaut eines OECD-MA und den (damaligen) Erläuterungen zu diesem OECD-MA orientiert hat, könnte eine entsprechende Auslegung indiziert sein.

53.      Daher hat der Gerichtshof auch schon festgestellt, dass eine Regelung eines DBA, ausgelegt im Lichte der Erläuterungen der OECD zu ihrem einschlägigen Musterabkommen, Unionsrecht nicht einschränken kann.(12) Dies gilt insbesondere für Änderungen des OECD-MA und der Erläuterungen, die nach dem Erlass der Richtlinie vorgenommen werden. Andernfalls hätten es die Vertragsstaaten der OECD in der Hand, über die Auslegung einer EU-Richtlinie zu entscheiden.

54.      Wenn aber den Erläuterungen der OECD keine unmittelbar bindende Wirkung zukommt und wenn die Richtlinie 2003/49 in Art. 1 Abs. 4 danach abgrenzt, ob der Gläubiger die Zahlungen zu eigenen Gunsten und nicht als Treuhänder erhält, dann ist dies die entscheidende (unionsrechtliche) Frage für die Annahme eines Nutzungsberechtigten im Sinne des Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/49. Liegt keine (gegebenenfalls verdeckte) Treuhand vor, dann ist der zivilrechtliche Anspruchsinhaber auch der Nutzungsberechtigte nach Maßgabe der Richtlinie 2003/49. Letztendlich ist dies aber ein ähnlicher Ansatz wie in den jüngeren Erläuterungen zum OECD-MA.

55.      Daher kann auf die Vorlagefragen 1.1 und 1.2 geantwortet werden, dass der Begriff des Nutzungsberechtigten unionsrechtlich autonom und unabhängig von Art. 11 des Musterabkommens der OECD von 1977 oder von späteren Fassungen auszulegen ist. Damit erübrigt sich eine Antwort auf die Frage 1.3.

B.      Kriterien für die Annahme eines Missbrauchs (Frage 4)

56.      Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im Kern wissen, ob bei einer Gestaltung wie der vorliegenden, welche u. a. eine Quellenbesteuerung in Dänemark vermeidet, ein Missbrauch im Sinne des Art. 5 der Richtlinie 2003/49 angenommen werden kann.

57.      Das Vorliegen eines Missbrauchs hängt von einer Gesamtwürdigung aller Umstände des jeweiligen konkreten Falles ab, deren Feststellung den zuständigen nationalen Behörden obliegt und die gerichtlich überprüfbar sein muss.(13) Diese Gesamtwürdigung hat zwar das vorlegende Gericht vorzunehmen.(14) Für die Beurteilung, ob die Vorgänge sich im Rahmen normaler Handelsgeschäfte vollziehen oder nur dem Zweck dienen, missbräuchlich in den Genuss von im Unionsrecht vorgesehenen Vorteilen zu kommen,(15) kann der Gerichtshof dem vorlegenden Gericht aber nützliche Anhaltspunkte geben.(16)

58.      Dazu werden zunächst der Begriff des Missbrauchs im Unionsrecht (unter 1.) näher betrachtet und danach Kriterien für das Vorliegen eines Missbrauchs im konkreten Fall untersucht (unter 2.).

1.      Der Missbrauchsbegriff im Unionsrecht

59.      Nach Art. 5 der Richtlinie 2003/49 soll es den Mitgliedstaaten nicht verwehrt sein, geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung von Betrug und Missbrauch zu ergreifen (siehe auch den sechsten Erwägungsgrund).

60.      Die oben (Nrn. 36 ff.) vorgeschlagene Auslegung des Begriffs des Nutzungsberechtigten steht zu diesem Anliegen nicht im Widerspruch. Vielmehr wird gerade letztgenanntes Anliegen nicht primär über den Begriff des Nutzungsberechtigten (insbesondere ist die Einschaltung eines Treuhänders nicht zwingend missbräuchlich), sondern durch Art. 5 der Richtlinie 2003/49 verwirklicht.

61.      Diese Vorschrift bringt letztlich zum Ausdruck, was auch in ständiger Rechtsprechung anerkannt ist: Eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Unionsrecht ist nicht gestattet. Die Anwendung einer Regelung des Unionsrechts darf nämlich nicht so weit gehen, dass missbräuchliche Praktiken von Wirtschaftsteilnehmern gedeckt werden, d. h. Vorgänge, die nicht im Rahmen normaler Handelsgeschäfte stattfinden, sondern nur dem Zweck dienen, missbräuchlich in den Genuss von im Unionsrecht vorgesehenen Vorteilen zu kommen.(17)

62.      Allerdings enthält die Richtlinie 2003/49 selbst keine Definition eines Missbrauchs. Jedoch ergeben sich aus anderen EU-Richtlinien entsprechende Anhaltspunkte. So wird in der Fusionsrichtlinie(18) als Regelbeispiel für das Vorliegen eines solchen Beweggrundes in deren Art. 11 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 das Fehlen vernünftiger wirtschaftlicher Gründe für die jeweilige Transaktion genannt. Darüber hinaus definiert Art. 6 in der – für die streitbefangenen Jahre noch nicht anwendbaren – Richtlinie mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken(19) (im Folgenden: Richtlinie 2016/1164) den Begriff des Missbrauchs. Danach ist entscheidend, ob eine unangemessene Gestaltung vorliegt, bei der der wesentliche Zweck oder einer der wesentlichen Zwecke darin besteht, einen steuerlichen Vorteil zu erlangen, der dem Ziel oder Zweck des geltenden Steuerrechts zuwiderläuft. Nach Abs. 2 gilt eine Gestaltung in dem Umfang als unangemessen, als sie nicht aus triftigen wirtschaftlichen Gründen vorgenommen wurde, die die wirtschaftliche Realität widerspiegeln.

63.      Nicht zuletzt hat der Gerichtshof mehrfach entschieden, dass eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit sich nur dann mit Gründen der Bekämpfung missbräuchlicher Praktiken rechtfertigen lasse, wenn das spezifische Ziel der Beschränkung die Verhinderung von Verhaltensweisen ist, die darin bestehen, rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Konstruktionen zu dem Zweck zu errichten, die Steuer zu umgehen, die normalerweise auf die durch Tätigkeiten im Inland erzielten Gewinne zu zahlen ist.(20) Wie der Gerichtshof mittlerweile auch mehrfach entschieden hat, reicht es dafür aus, wenn mit der Konstruktion nicht ausschließlich,(21) sondern im Wesentlichen ein Steuervorteil erlangt werden soll.(22)

64.      Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs beinhaltet zwei Elemente, die sich gegenseitig bedingen. Zum einen wird rein künstlichen Gestaltungen, die im Ergebnis nur auf dem Papier stattfinden, von vornherein die Anerkennung versagt. Darüber hinaus kommt der Umgehung des Steuergesetzes entscheidende Bedeutung zu, die auch mit Hilfe von in der wirtschaftlichen Realität existierenden Konstruktionen erreicht werden kann. Letztere Fallgruppe dürfte die häufigere sein und wird in dem neuen Art. 6 der Richtlinie 2016/1164 nunmehr auch ausdrücklich erfasst. Auch der Gerichtshof selbst sieht in einer jüngeren Entscheidung in dem rein künstlichen Charakter nur einen Umstand dafür, dass im Wesentlichen die Erlangung eines Steuervorteils angestrebt wird.(23)

2.      Kriterien für den vorliegenden Fall

a)      Zum Vorliegen einer rein künstlichen Gestaltung

65.      Eine rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Konstruktion kann hier kaum angenommen werden. Dagegen sprechen die tatsächliche Existenz von Büroräumen, Angestellten und Betriebsausgaben im sechsstelligen Bereich. So wurden in der Realität ein bis zwei Mitarbeiter in Teilzeit beschäftigt. Die Gesellschaften agierten auch real im Rechtsverkehr, wenn Kosten für Beratungen, Mieten, Notare, Buchführungen in einem erheblichen Umfang (z. B.: 7 810 Euro für Gehälter, 3 253 Euro für Mieten und Räume, 300 Euro für Telefon, 174 579 Euro für Anwaltshonorare sowie 15 000 Euro für Buchführung und Audit) entstanden sind.

66.      Die etwas eigenartige Verteilung der Kosten (geringe Mietkosten, geringe Personalkosten, hohe Beratungskosten) kann dem Umstand geschuldet sein, dass für die Verwaltung eines einzigen Darlehens wenig Bürofläche und wenige Angestellte notwendig sind. Wie der Gerichtshof unlängst entschieden hat, bedeutet die Tatsache, dass die Tätigkeit nur in der Verwaltung von Wirtschaftsgütern besteht und die Einkünfte nur aus dieser Verwaltung stammen, nicht, dass eine rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Konstruktion vorliegt.(24) Nähere Anhaltspunkte, dass diese Aktivitäten ausschließlich auf dem Papier stattfinden, sind in dem Vorabentscheidungsersuchen des nationalen Gerichts nicht ersichtlich.

67.      In Anbetracht der Tatsache, dass insbesondere vermögensverwaltende Gesellschaften per se wenig Aktivitäten entfalten (können), sind an dieses Kriterium wohl auch nur noch geringe Anforderungen zu stellen. Wenn tatsächlich eine wirksame Gründung vorliegt, die Gesellschaft tatsächlich unter ihrem Sitz erreichbar ist und über die entsprechenden Sach- und Personalmittel vor Ort verfügt, um ihren Zweck (hier die Verwaltung eines Darlehensvertrags) zu erfüllen, dann kann nicht von einer jeder wirtschaftlichen Realität baren Konstruktion gesprochen werden.

68.      Dies schließt es meines Erachtens aber nicht aus, dass nicht dennoch eine missbräuchliche steuerrechtliche Gestaltung vorliegen kann, wie auch der Wortlaut des neuen Art. 6 der Richtlinie 2016/1164 zeigt.

b)      Zu berücksichtigende außersteuerrechtliche Gründe

69.      Damit kommt im vorliegenden Fall anderen Kriterien, insbesondere den zu berücksichtigenden außersteuerrechtlichen Gründen, entscheidende Bedeutung zu.

70.      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs stellt es dabei für sich allein keinen Missbrauch dar, wenn eine Gesellschaft ihren – satzungsmäßigen oder tatsächlichen – Sitz nach dem Recht eines Mitgliedstaats begründet, um in den Genuss günstigerer Rechtsvorschriften zu kommen.(25) Allein, dass in der hier vorliegenden Unternehmenstransaktion mit ausländischen Geldgebern auch Gesellschaften aus Luxemburg eingeschaltet worden sind, kann daher noch nicht die Annahme eines Missbrauchs nach sich ziehen.

71.      Weiterhin ist der Steuerpflichtige bei einer Wahlmöglichkeit zwischen zwei Möglichkeiten nicht verpflichtet, diejenige zu wählen, die die höhere Steuerzahlung nach sich zieht, sondern er hat vielmehr das Recht, seine Tätigkeit so zu gestalten, dass er seine Steuerschuld in Grenzen hält.(26) Somit können – so der Gerichtshof weiter – die Steuerpflichtigen die Organisationsstrukturen und die Geschäftsmodelle, die sie als für ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten und zur Begrenzung ihrer Steuerlast am besten geeignet erachten, im Allgemeinen frei wählen.(27) Allein dass im vorliegenden Fall eine Transaktionsstruktur gewählt wurde, die nicht die höchste Steuerlast (hier eine zusätzliche und definitive Quellensteuerbelastung) zur Folge hat, kann damit auch nicht als Missbrauch bezeichnet werden.

72.      Weiterhin kann – jenseits einer rein künstlichen, jeder wirtschaftlichen Realität baren Konstruktion – einem Unionsbürger, sei er nun eine natürliche oder eine juristische Person, nicht schon allein deshalb die Möglichkeit, sich auf die Bestimmungen des Vertrages zu berufen, genommen werden, weil er beabsichtigt hat, von der in einem anderen Mitgliedstaat als dem seiner Ansässigkeit geltenden vorteilhaften Steuerrechtslage zu profitieren.(28) Damit kann eine – wie hier vorliegende – Transaktionsstruktur unter Einbeziehung eines Mitgliedstaats, welcher auf eine Quellenbesteuerung verzichtet, nicht allein deshalb als missbräuchlich beurteilt werden.

73.      Insofern erfasst die Niederlassungsfreiheit auch die Wahl des Mitgliedstaats, der dem betreffenden Unternehmen die aus seiner Sicht besten steuerrechtlichen Rahmenbedingungen bietet. Wenn dieser Grundsatz schon im deutlich stärker harmonisierten Mehrwertsteuerrecht gilt,(29) dann erst recht im nicht so stark harmonisierten Ertragsteuerrecht, bei dem eine Divergenz der Steuerrechtsordnungen(30) der jeweiligen Mitgliedstaaten unionsrechtlich gewollt ist bzw. politisch bewusst hingenommen wird.

74.      Darüber hinaus hat der Gerichtshof im Lichte der auch hier einschlägigen Grundfreiheiten klargestellt, dass der Umstand alleine, dass einer gebietsansässigen Gesellschaft ein Darlehen von einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen verbundenen Gesellschaft gewährt wird, keine allgemeine Vermutung für missbräuchliche Praktiken begründen und keine Maßnahme rechtfertigen kann, die die Ausübung einer vom Vertrag garantierten Grundfreiheit beeinträchtigt.(31) Folglich sind auch die diversen Darlehensbeziehungen zwischen Mutter-, Tochter- und Enkelgesellschaften im vorliegenden Fall allein nicht missbräuchlich.

75.      Weiterhin hat der Gerichtshof klargestellt, dass die im Unionsrecht vorgesehene Steuerbefreiung von Dividenden nicht von der Herkunft oder Ansässigkeit der Anteilseigner abhängig ist, da dies in der Mutter-Tochter-Richtlinie keine Rolle spielt.(32) Auch in der Richtlinie 2003/49 findet sich keine diesbezügliche Differenzierung. Dass die Anteilseigner der A Luxembourg Holding Kapitalanlagegesellschaften aus einem Drittstaat sind, ist daher isoliert gesehen auch nicht missbräuchlich.

76.      Im vorliegenden Fall kommt meines Erachtens noch der Entstehungsgeschichte der als missbräuchlich anzusehenden Konstruktion im Rahmen einer Gesamtwürdigung eine entscheidende Bedeutung zu. Nach Angabe der Parteien in der mündlichen Verhandlung war es in der Vergangenheit aufgrund der steuerrechtlichen Gesetzeslage in Dänemark günstig, als ausländischer Geldgeber über eine dänische (fremdfinanzierte) Erwerbergesellschaft operative Gesellschaften in Dänemark zu erwerben. Diese Gesetzeslage wurde durch Dänemark später (für das Jahr 2006) nachteilig geändert, indem eine entsprechende Quellensteuer eingeführt wurde, die zu einer zusätzlichen und definitiven Steuerbelastung geführt hat.

77.      Die Veränderung des geltenden Steuerrechts steht jedem Staat frei. Allerdings verändern sich damit auch die wirtschaftlichen Kalkulationsgrundlagen für die beteiligten Akteure. Der Versuch, die ursprünglichen Kalkulationsgrundlagen einer Unternehmenstransaktion (hier des Erwerbs einer operativen dänischen Gesellschaft mit Hilfe ausländischer Kapitalgeber) zu erhalten, erscheint mir dabei nicht missbräuchlich. Von jedem Unternehmen wird nämlich erwartet, dass es wirtschaftlich kalkuliert.

c)      Zur Umgehung des Gesetzeszwecks

78.      Stärker ins Gewicht fällt im vorliegenden Fall jedoch, dass die eigentlichen Geldgeber – hier die Kapitalanlagegesellschaften, mögen sie steuerrechtlich als transparent oder intransparent zu betrachten sein – ihren Sitz häufig in bestimmten Drittstaaten (in der Regel auf bestimmten kleineren Inseln wie den Cayman Islands(33), Bermudas(34) oder Jersey(35)) haben. Dies deutet eventuell auf ein ungewöhnliches Vorgehen in seiner Gesamtheit hin, dessen wirtschaftlicher Grund sich nicht auf den ersten Blick erschließt. Die Kapitalanlagegesellschaften könnten auch in anderen Staaten angesiedelt werden, insbesondere wenn sie ohnehin – wie der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung betont hat – steuerrechtlich als transparent zu betrachten sind.

79.      Insofern könnte in der gesamten Konstruktion weniger aufgrund der „Zwischenschaltung“ luxemburgischer Gesellschaften als vielmehr aufgrund der „Ansiedlung“ der Kapitalanlagegesellschaften in bestimmten Drittstaaten eine missbräuchliche Gestaltung zu sehen sein. An dieser Stelle kommt dem Zweck der Gestaltung bzw. dem Zweck des umgangenen Steuergesetzes (hier der Besteuerung in Dänemark) eine besondere Bedeutung zu.

1)      Umgehung des dänischen Ertragsteueraufkommens?

80.      Dabei ist zunächst festzustellen, dass Dänemark nicht um die Besteuerung des Gewinns der erworbenen operativen Gesellschaft (T Danmark) gebracht wurde. Dieser Gewinn wurde ganz normal im Ansässigkeitsstaat (d. h. in Dänemark) besteuert.

81.      Auch der Gewinn der in Dänemark ansässigen Erwerbsgesellschaft (N Danmark 1, jetzt N Luxembourg 1) wurde in Dänemark voll besteuert. Dass dieser Gewinn durch die Zinszahlungen an den Kapitalgeber aus Luxemburg gemindert wurde, entspricht einer Besteuerung der finanziellen Leistungsfähigkeit und der Tatsache, dass Dänemark diese Zinsen als Betriebsausgaben in voller Höhe anerkennt.

82.      Diese Zinsen wurden als Betriebseinnahmen der luxemburgischen Gesellschaft in Luxemburg versteuert. Dass in Luxemburg die Zinszahlungen an deren Kapitalgeber wiederum als Betriebsausgaben berücksichtigt wurden, entspricht auch dort dem Grundsatz einer Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit. Luxemburg besteuerte insofern die Differenz aus den Zinsen (10 %), die aus Dänemark gezahlt wurden, zu den Zinsen (9,96875 %), die an die Kapitalanlagegesellschaften in den Drittstaaten gezahlt wurden.

83.      Die beiden luxemburgischen Gesellschaften sind in Luxemburg unbeschränkt steuerpflichtig und unterliegen dort der Körperschaftsteuer mit ihren Einkünften. Damit liegen die Voraussetzungen des Art. 3 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 2003/49 vor. Darüber hinaus ist festzustellen, dass aus keiner Vorschrift der Richtlinie 2003/49 hervorgeht, dass eine tatsächliche Besteuerung des Nutzungsberechtigten (hier der luxemburgischen Gesellschaften) in einer bestimmten Höhe Voraussetzung der Befreiung ist. Wenn im Ansässigkeitsstaat für den Nutzungsberechtigten entsprechend hohe Betriebsausgaben (oder noch Verlustvorträge aus vergangenen Jahren) bestehen, führt das zwar zu keiner konkreten Besteuerung, dennoch unterliegt dieser Steuerpflichtige der Körperschaftsteuer. Damit fällt er in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/49, und seine Zinseinkünfte werden dann „in einem Mitgliedstaat“ besteuert. Dies ist auch der Fall, wenn im Ansässigkeitsstaat des Nutzungsberechtigten nur eine geringe Körperschaftsteuerbelastung und keine Quellenbesteuerung existiert.

84.      Diese gegebenenfalls bestehende effektive Niedrig- oder Nichtbesteuerung ist Folge der Steuerautonomie eines jeden Staates. Wenn schon in der Union aufgrund fehlender Harmonisierung der Ertragsteuern ein Steuerwettbewerb der Mitgliedstaaten untereinander unionsrechtlich zulässig ist, dann kann einem Steuerpflichtigen nicht vorgeworfen werden, dass er von den Standortvorteilen einzelner Mitgliedstaaten tatsächlich auch in der Realität (d. h. nicht nur auf dem Papier) Gebrauch macht.

2)      Verhinderung der Ausnutzung grenzüberschreitender Informationsdefizite

85.      Bei Lichte betrachtet wird durch die Einschaltung der luxemburgischen Gesellschaften im Ergebnis „lediglich“ eine Quellenbesteuerung der Zinszahlungen in Dänemark vermieden. Wie der Gerichtshof jedoch bereits entschieden hat, wird bei einer Quellenbesteuerung aber eigentlich der Empfänger der Einkünfte (hier der Zinsen) besteuert.(36) Dies geschieht, indem im Moment der Auszahlung ein Teil der Einkünfte bereits an der Quelle durch den Zahlenden einbehalten wird.

86.      Eine Quellenbesteuerung im Ansässigkeitsstaat des Zinsschuldners stellt damit keine eigene Steuerart, sondern nur eine besondere Besteuerungstechnik dar, um im Wesentlichen eine (Mindest‑) Besteuerung des Zinsempfängers abzusichern. Denn insbesondere in Auslandssachverhalten ist nicht immer sichergestellt, dass der Empfänger seine Einkünfte auch ordnungsgemäß versteuert. In der Regel erfährt der Ansässigkeitsstaat des Zinsempfängers nämlich selten etwas von dessen Einkünften aus dem Ausland, wenn nicht – wie mittlerweile in der Union – funktionierende Datenaustauschsysteme zwischen den Finanzbehörden bestehen.

87.      Für eine missbräuchliche Umgehung dieses Gesetzeszwecks (Absicherung der Besteuerung des Zinsempfängers) müssten daher zwei Voraussetzungen vorliegen. Zum einen muss bei einer Direktauszahlung überhaupt ein Steueranspruch Dänemarks bestehen (dazu Nrn. 92 ff.). Zum anderen muss eine Gefahr der Nichtbesteuerung aufgrund einer Nichterfassung dieser Einkünfte im eigentlichen Empfängerstaat existieren.

88.      Sollte daher ein Grund der gewählten Transaktionsstruktur darin zu sehen sein, Zinsen über einen Drittstaat an Anleger zu zahlen, damit deren Ansässigkeitsstaaten keine Informationen über deren Einkünfte erhalten, dann ist in dieser Gesamtkonstruktion meines Erachtens ein Rechtsmissbrauch zu sehen.

89.      Ein solcher Missbrauchsvorwurf könnte wiederum entkräftet werden, wenn die Kapitalanlagegesellschaften den Ansässigkeitsstaaten der Kapitalanleger die entsprechenden Steuerinformationen zur Verfügung stellen oder der Ansässigkeitsstaat der Kapitalanlagegesellschaften über die entsprechenden Informationen verfügt und diese Informationen an die entsprechenden Staaten weiterleitet. Eine solche Unternehmensstruktur würde dann den Zweck der vermiedenen Quellenbesteuerung (dazu oben, Nr. 86) nicht unterlaufen. Auch dies muss das Gericht in seine Gesamtbetrachtung einbeziehen.

d)      Antwort auf Frage 4

90.      Bei der Vermeidung einer Quellenbesteuerung für Zinszahlungen an in Drittsaaten ansässige Kapitalanlagegesellschaften kommt primär eine Vermeidung der Besteuerung der Zinserträge bei den eigentlichen Zinsempfängern (d. h. den Geldgebern) in Betracht. Ein Missbrauch kann hier insbesondere angenommen werden, wenn die gewählte Unternehmensstruktur darauf abzielt, gewisse Informationsdefizite zwischen den involvierten Staaten auszunutzen, um eine effektive Besteuerung der Zinsempfänger zu verhindern.

C.      Zur Angabe des eigentlichen Nutzungsberechtigten (Frage 5)

91.      Mit der fünften Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Mitgliedstaat, der nicht anerkennen will, dass der Empfänger der Zinsen auch der Nutzungsberechtigte im Sinne der Richtlinie 2003/49 ist, weil er nur eine sogenannte künstliche Durchleitungsgesellschaft sei, verpflichtet ist, anzugeben, wen er als den eigentlichen Nutzungsberechtigten ansieht. Damit spricht das vorlegende Gericht im Kern die Frage nach der Beweislast für das Vorliegen eines Missbrauchs an.

92.      Ein Missbrauch der rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten setzt voraus, dass eine von der normalerweise gewählten Gestaltung abweichende legale Gestaltung gewählt wurde, die zu einem günstigeren Ergebnis führt, als die „normale“ Gestaltung. Als „normale Gestaltung“ wäre im vorliegenden Fall eine direkte Darlehensbeziehung zwischen den Geldgebern und der Klägerin des Ausgangsverfahrens für den Erwerb der Zielgesellschaft zu betrachten.

93.      Dass die gewählte Vorgehensweise steuerrechtlich günstiger ist als die normale Gestaltung, muss grundsätzlich die Finanzverwaltung darlegen, wobei den Steuerpflichtigen eine gewisse Mitwirkungspflicht treffen kann. Der Steuerpflichtige kann dann aber „gegebenenfalls Beweise für die wirtschaftlichen Gründe für das Geschäft“ beibringen.(37) Ergibt sich daraus, dass der wesentliche Zweck(38) nicht darin besteht, Steuern zu vermeiden, die normalerweise angefallen wären, kann die gewählte Vorgehensweise nicht als missbräuchlich betrachtet werden, zumal der Staat dem Steuerpflichtigen diese Gestaltungsmöglichkeiten selbst zur Verfügung stellt.

94.      Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs(39) ergibt sich weiterhin, dass die Annahme eines missbräuchlichen Verhaltens zur Folge hat, dass die Situation bestimmt wird, wie sie ohne die die missbräuchliche Praxis darstellenden Umstände bestanden hätte, und sodann diese umqualifizierte Situation anhand der einschlägigen Bestimmungen des nationalen Rechts und des Unionsrechts beurteilt wird. Dazu muss aber feststehen, wer der eigentliche Nutzungsberechtigte ist.

95.      Damit kann sich aus dänischer Sicht ein Missbrauch im Sinne des Art. 5 der Richtlinie 2003/49 nur dann ergeben, wenn bei einer direkten Auszahlung der Zinsen eine entsprechende Besteuerung in Dänemark eintreten würde. Dies ist nach dänischem Recht jedoch ausgeschlossen, wenn bei Außerachtlassung der sogenannten Zwischengesellschaft der eigentliche Zinsempfänger auch ein Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat wäre oder der Zinsempfänger in einem Staat ansässig wäre, mit dem Dänemark ein DBA abgeschlossen hat. Wenn die Kapitalanlagegesellschaften tatsächlich als steuerrechtlich transparente Gesellschaften zu betrachten wären, müsste insofern auf die jeweiligen Geldgeber abgestellt werden, um diese Frage überhaupt beantworten zu können.

96.      Daher kann auf die Frage 5 geantwortet werden, dass der Mitgliedstaat, der nicht anerkennen will, dass eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft – an die die Zinsen gezahlt wurden – Nutzungsberechtigte der Zinsen ist, zur Annahme eines Missbrauchs grundsätzlich angeben muss, wer seiner Ansicht nach der eigentliche Nutzungsberechtigte ist. Dies ist notwendig, um feststellen zu können, ob überhaupt ein steuerrechtlich günstigeres Ergebnis durch die als missbräuchlich eingestufte Gestaltung erreicht wird. Insbesondere bei Auslandssachverhalten kann dabei den Steuerpflichtigen jedoch eine gesteigerte Mitwirkungspflicht treffen.

D.      Zur Berufung auf Art. 5 der Richtlinie 2003/49 (Fragen 2 bis 3)

97.      Mit seinen Fragen 2, 2.1 und 3 möchte das vorlegende Gericht im Ergebnis wissen, ob sich (1) Dänemark unmittelbar auf Art. 5 der Richtlinie 2003/49 berufen kann, um dem Steuerpflichtigen die Steuerbefreiung zu verweigern. Sollte dies nicht der Fall sein, ist zu klären, ob (2) Dänemark mit dem vorliegenden nationalen Recht Art. 5 der Richtlinie 2003/49 doch hinreichend umgesetzt hat.

1.      Keine unmittelbare Anwendung einer Richtlinie zur Begründung von Verpflichtungen zulasten des Einzelnen

98.      Sollte nach Maßgabe der oben genannten Kriterien ein Missbrauch im Sinne von Art. 5 der Richtlinie 2003/49 vorliegen, zeichnet sich der vorliegende Fall durch die Besonderheit aus, dass das dänische Recht keine spezifische Bestimmung zur Umsetzung von Art. 5 der Richtlinie 2003/49 kannte. Auch habe es – so das vorlegende Gericht – keine allgemeine Gesetzesbestimmung über die Verhinderung des Missbrauchs gegeben. Insbesondere die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist deshalb der Auffassung, dass ihr die aus dem nationalen Recht folgende Steuerbefreiung selbst bei der Annahme eines Missbrauchs nicht vorenthalten werden könne.

99.      Allerdings ist eine förmliche Übernahme von Richtlinienbestimmungen (hier von Art. 5 der Richtlinie 2003/49) in spezifische Rechtsvorschriften des nationalen Rechts nicht immer erforderlich. Vielmehr kann der Umsetzung einer Richtlinie je nach ihrem Inhalt bereits durch einen allgemeinen rechtlichen Kontext – einschließlich allgemeiner Grundsätze des nationalen Verfassungs- oder Verwaltungsrechts – Genüge getan sein, wenn dadurch die vollständige Anwendung der Richtlinie in hinreichend klarer und bestimmter Weise garantiert ist.(40)

100. In dem Vorabentscheidungsverfahren erwähnt das vorlegende Gericht die Existenz zweier Grundsätze (die sogenannte Realitätsdoktrin und den Grundsatz des „eigentlichen Beziehers der Einkünfte“). Allerdings sind sich die Beteiligten einig, dass diese hier nicht einschlägig sind, wenn in der Realität formal die Zinsen tatsächlich zunächst an die luxemburgischen Gesellschaften gezahlt wurden.

101. Art. 5 der Richtlinie 2003/49 erlaubt den Mitgliedstaaten jedoch eine entsprechende Missbrauchsbekämpfung. Eine solche entspricht auch einer unionsweiten Praxis. So haben weitestgehend alle Mitgliedstaaten gewisse Instrumentarien zur Abwehr eines Missbrauchs des Rechts zum Zwecke der Steuervermeidung entwickelt.(41) Damit herrscht auch in den nationalen Steuerrechtsordnungen Konsens, dass die Anwendung des Rechts nicht so weit gehen kann, dass missbräuchliche Praktiken von Wirtschaftsteilnehmern toleriert werden müssen. Dieser insofern unionsweit anerkannte Grundsatz(42) findet nunmehr auch seinen Ausdruck in Art. 6 der Richtlinie 2016/1164.

102. Insofern sind alle nationalen Regelungen, gleichviel ob sie zur Umsetzung der Richtlinie 2003/49 ergangen sind oder nicht, jeweils im Einklang mit diesem allgemeinen Rechtsgrundsatz und insbesondere mit Wortlaut und Zielen der Richtlinie 2003/49 sowie ihres Art. 5 auszulegen und anzuwenden.(43) Gegen eine unionsrechtskonforme Auslegung nationalen Rechts spricht nicht, dass sie möglicherweise zulasten des Einzelnen gehen kann. Denn eine durch Bestimmungen des nationalen Rechts vermittelte, d. h. eine mittelbare Anwendung des Unionsrechts zulasten des Einzelnen, ist zulässig.(44)

103. Lediglich eine unmittelbare Anwendung von Art. 5 der Richtlinie 2003/49 zulasten der Klägerin wäre den dänischen Behörden – auch aus Gründen der Rechtssicherheit(45) – versagt. So kann ein Mitgliedstaat dem Einzelnen nicht eine Richtlinienbestimmung entgegenhalten, die er selbst nicht umgesetzt hat.(46) Es entspricht nämlich ständiger Rechtsprechung, dass eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen kann, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist.(47) Ein solcher Mitgliedstaat würde sich selbst „rechtsmissbräuchlich“ verhalten. Einerseits würde er eine an ihn adressierte Richtlinie nicht umsetzen (obwohl er es könnte), andererseits würde er sich auf eine in der nicht umgesetzten Richtlinie enthaltene Möglichkeit zur Missbrauchsbekämpfung berufen.

104. Ebenso wenig dürften sich die zuständigen Behörden im Ausgangsfall dem Einzelnen gegenüber unmittelbar auf den allgemeinen Rechtsgrundsatz des Unionsrechts stützen, wonach ein Rechtsmissbrauch nicht zulässig ist. Denn jedenfalls in den Fällen, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/49 fallen, hat ein solcher Grundsatz in Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie seinen spezifischen Ausdruck gefunden und eine Konkretisierung erfahren.(48) Ließe man daneben noch den unmittelbaren Rückgriff auf einen allgemeinen Rechtsgrundsatz zu, dessen Inhalt weit weniger klar und bestimmt ist, so bestünde die Gefahr, dass das Harmonisierungsziel der Richtlinie 2003/49 – und auch aller weiteren Richtlinien, die konkrete Vorschriften zur Missbrauchsvermeidung (wie z. B. Art. 6 der Richtlinie 2016/1164) enthalten – unterlaufen würde. Im Übrigen würde auch das bereits erwähnte Verbot, nicht umgesetzte Richtlinienbestimmungen unmittelbar zulasten des Einzelnen zur Anwendung zu bringen, auf diese Weise untergraben werden.(49)

2.      Keine Übertragbarkeit der Rechtsprechung im Mehrwertsteuerrecht

105. Dem stehen nicht die Entscheidungen des Gerichtshofs(50) in den Rechtssachen Italmoda und Cussens entgegen. In diesen hat der Gerichtshof entschieden, dass der Grundsatz des Verbots missbräuchlicher Praktiken dahin auszulegen sei, dass er unabhängig von einer nationalen Maßnahme zu seiner Durchsetzung in der nationalen Rechtsordnung unmittelbar angewandt werden kann, um die Befreiung von der Mehrwertsteuer zu versagen, ohne dass die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes dem entgegenstehen.

106. Allerdings betrafen diese beiden Entscheidungen ausschließlich das Mehrwertsteuerrecht. Dieses unterscheidet sich von der hier vorliegenden Materie. Das Mehrwertsteuerrecht ist zum einen viel mehr durch das Unionsrecht harmonisiert und berührt viel weiter gehend unionsrechtliche Interessen durch die daran gekoppelte Finanzausstattung der Union als das Ertragsteuerrecht der Mitgliedstaaten.

107. Zum anderen verpflichtet das Unionsrecht nach Art. 325 Abs. 1 und 2 AEUV die Mitgliedstaaten zur (effektiven) Erhebung einer Mehrwertsteuer,(51) während dies im Ertragsteuerrecht nicht der Fall ist. Hinzu kommt noch die besondere Betrugsanfälligkeit des Mehrwertsteuerrechts, die wohl eine besonders effektive Durchsetzung der Steueransprüche bedingt. Insofern unterscheidet auch der Gerichtshof selbst in seiner jüngsten Entscheidung zwischen dem Mehrwertsteuerrecht und dem sekundären Unionsrecht, welches ausdrücklich eine Erlaubnis zur Missbrauchsbekämpfung enthält.(52) Daher kommt eine unmittelbare Anwendung von Art. 5 der Richtlinie 2003/49 zum Nachteil des Steuerpflichtigen nicht in Betracht.(53)

3.      Zur Existenz einer spezifisch gegen Missbrauch gerichteten nationalen Vorschrift

108. Das vorlegende Gericht wird aber zu prüfen haben, ob nicht bereits allgemeine Bestimmungen oder Grundsätze des innerstaatlichen Rechts (dazu gehören auch von der Rechtsprechung entwickelte Grundsätze) bei einer unionsrechtskonformen Auslegung doch auf den vorliegenden Fall Anwendung finden können, aus denen sich etwa die steuerrechtliche Unbeachtlichkeit von Scheingeschäften oder ein Verbot der missbräuchlichen Berufung auf bestimmte steuerrechtliche Vorteile ergeben könnte.

109. Eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit lässt sich zwar nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nur dann mit Gründen der Bekämpfung missbräuchlicher Praktiken rechtfertigen, wenn das spezifische Ziel der Beschränkung die Verhinderung von Verhaltensweisen ist, die darin bestehen, rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Konstruktionen zu dem Zweck zu errichten, die Steuer zu umgehen, die normalerweise auf die durch Tätigkeiten im Inland erzielten Gewinne zu zahlen ist.(54)

110. Aus diesem Grund kann auf die Fragen 2.1 und 3 geantwortet werden, dass weder § 2 Abs. 2 Buchst d des dänischen Körperschaftsteuergesetzes noch eine DBA-Regelung, die für die Besteuerung von Zinsen auf den Nutzungsberechtigten abstellt, ausreichend sind, um als Umsetzung von Art. 5 der Richtlinie 2003/49 betrachtet werden zu können.

111. Anders sollte dies jedoch im Zusammenhang mit der unionsrechtskonformen Anwendung der sogenannten Realitätsdoktrin und des Grundsatzes des „eigentlichen Beziehers der Einkünfte“ in Dänemark zu beurteilen sein. Diese sind gerade entwickelt worden, um der Problematik Herr zu werden, dass das Zivilrecht viele Gestaltungen ermöglicht, das Steuerrecht aber wirtschaftliche Sachverhalte besteuert. Daher richten sich diese Rechtsgrundsätze gerade spezifisch gegen künstliche Gestaltungen oder den Rechtsmissbrauch durch den Einzelnen und stellen daher im Grundsatz auch eine ausreichend spezifische Rechtsgrundlage für eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar. Soweit die Kläger des Ausgangsverfahrens in der mündlichen Verhandlung mehrfach darauf hingewiesen haben, dass Dänemark keine ausdrückliche Umsetzung des Art. 5 der Richtlinie 2003/49 vorgenommen habe, wäre dies folglich unschädlich. Im Einzelnen hat dies aber das nationale Gericht zu beurteilen.

112. Die in Dänemark entwickelte „Realitätsdoktrin“, in einer unionsrechtskonformen Art und Weise ausgelegt, könnte daher als Grundlage ausreichen, um rein künstliche oder auch missbräuchliche Gestaltungen – sofern solche vorliegen (dazu näher unter Nrn. 57 ff.) – bei der Besteuerung zu ignorieren. Auch die „Realitätsdoktrin“ scheint mir nichts anderes als eine besondere Art der wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu sein, die wohl den meisten Missbrauchsabwehrvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten zugrunde liegt.(55) Deutlich wird dies auch auf unionsrechtlicher Ebene z. B. in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2016/1164, wonach eine Gestaltung in dem Umfang als unangemessen gilt, in dem sie nicht aus triftigen wirtschaftlichen Gründen vorgenommen wurde, die die wirtschaftliche Realität widerspiegeln. Letzteres hat aber das nationale Gericht zu beurteilen.

113. Wenn das Ziel der Gestaltung darin besteht, eine Besteuerung der Anleger zu verhindern, dann erfolgt trotz der formalen Zahlung an die luxemburgischen Gesellschaften bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise die Zahlung eigentlich an die Kapitalanlagegesellschaften bzw. deren Anleger. Die Zahlung an die luxemburgischen Gesellschaften spiegelt dann nicht die wirtschaftliche, sondern nur die zivilrechtliche (formelle) Realität wieder.

E.      Verstoß gegen Grundfreiheiten (Fragen 6 und 7)

114. Da die luxemburgischen Gesellschaften – wie oben unter den Nrn. 34 ff. ausgeführt – grundsätzlich als Nutzungsberechtigte zu betrachten sind, braucht auf die Fragen 6 und 7 des vorlegenden Gerichts nicht mehr eingegangen zu werden.

115. Sofern das vorlegende Gericht bei einer unionsrechtskonformen Anwendung der im nationalen Recht vorhandenen Grundsätze zum Ergebnis gelangt, dass eine missbräuchliche Gestaltung vorliegt, greift eine Quellenbesteuerung zwar unter Umständen ein. Allerdings stellt sich dann die Frage im vorliegenden Fall auch nicht mehr, weil diese Besteuerung Folge des Missbrauchs ist und nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine missbräuchliche Berufung auf das Unionsrecht nicht erlaubt ist.(56)

116. Unabhängig davon hat aber der Gerichtshof auch schon entschieden, dass die unterschiedliche Behandlung von in- und ausländischen Zinsempfängern aufgrund einer unterschiedlichen Besteuerungstechnik bereits keine vergleichbaren Sachverhalte betrifft.(57) Selbst wenn dies als vergleichbarer Sachverhalt beurteilt werden sollte, wäre nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Beschränkung der Grundfreiheit gerechtfertigt, so lange wie die dänische Quellensteuerbelastung des im Ausland ansässigen Zinsempfängers nicht höher ist als die dänische Körperschaftsteuerbelastung eines inländischen Zinsempfängers.(58)

117. Gleiches gilt für eine unterschiedliche Verzinsung bzw. Entstehung der dänischen Körperschaftsteuerschuld beim Zinsempfänger und einer dänischen Quellensteuerabzugsverpflichtung beim Zinszahlenden. Dies sind keine vergleichbaren Sachverhalte, da einmal eine eigene Steuer (Körperschaftsteuer) geschuldet wird und das andere Mal für den Zinsempfänger eine eigentlich fremde Steuer (dessen Einkommen- oder Körperschaftsteuer) einbehalten und abgeführt wird. Eine differenzierende Entstehung und Verzinsung resultiert aus der unterschiedlichen Technik und Funktion einer Quellenbesteuerung (dazu Nr. 86).

VI.    Ergebnis

118. Somit schlage ich vor, die Fragen des Østre Landsret (Landgericht der Region Ost, Dänemark) wie folgt zu beantworten:

1.      Die Frage 1 bis 1.4 ist dahin gehend zu beantworten, dass eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft, die Inhaber der zu verzinsenden Forderung ist, grundsätzlich als Nutzungsberechtigter im Sinne des Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/49/EG über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten anzusehen ist. Etwas anderes gilt, wenn diese nicht auf eigene Rechnung, sondern auf fremde Rechnung für einen Dritten agiert.

Der Begriff des Nutzungsberechtigten ist unionsrechtlich autonom und unabhängig von den Erläuterungen zu Art. 11 des Musterabkommens der OECD von 1977 oder von späteren Fassungen auszulegen.

2.      Auf die Frage 2 ist zu antworten, dass sich ein Mitgliedstaat nicht auf Art. 5 der Richtlinie 2003/49 berufen kann, wenn er diesen nicht umgesetzt hat.

3.      Hinsichtlich Frage 3 ist zu antworten, dass weder § 2 Abs. 2 Buchst. d des dänischen Körperschaftsteuergesetzes noch eine Art. 11 des OECD-Musterabkommens entsprechende Regelung eines Doppelbesteuerungsabkommens als hinreichende Umsetzung von Art. 5 der Richtlinie 2003/49 betrachtet werden können. Dies verbietet jedoch nicht eine unionsrechtskonforme Auslegung und Anwendung allgemeiner Prinzipien und Grundsätze des nationalen Rechts, deren Ziel darin besteht, spezifisch gegen künstliche Gestaltungen oder den Rechtsmissbrauch durch den Einzelnen vorgehen zu können.

4.      Die Frage 4 ist dahin gehend zu beantworten, dass die Annahme eines Missbrauchs von einer Gesamtwürdigung aller Umstände des jeweiligen Falles abhängt, die das nationale Gericht vorzunehmen hat.

a)      Ein Missbrauch im Steuerrecht kann bei rein künstlichen, jeder wirtschaftlichen Realität baren Konstruktionen vorliegen oder wenn der wesentliche Zweck der Konstruktion darin besteht, eine Steuer zu umgehen, die ihrem Gesetzeszweck nach angefallen wäre. Dabei hat die Finanzverwaltung darzulegen, dass ein entsprechender Steueranspruch bei der angemessenen Gestaltung bestanden hätte, während der Steuerpflichtige darzulegen hat, dass beachtliche außersteuerrechtliche Gründe der gewählten Gestaltung zugrunde liegen.

b)      Bei der Vermeidung einer Quellenbesteuerung für Zinszahlungen an in Drittstaaten ansässige Kapitalanlagegesellschaften kommt primär die Vermeidung einer Besteuerung der Zinserträge bei den eigentlichen Zinsempfängern (d. h. den Geldgebern) in Betracht. Ein Missbrauch kann hier insbesondere angenommen werden, wenn die gewählte Unternehmensstruktur dazu dient, gewisse Informationsdefizite zwischen den beteiligten Staaten auszunutzen, um eine effektive Besteuerung der eigentlichen Zinsempfänger zu verhindern.

5.      Auf die Frage 5 ist zu antworten, dass der Mitgliedstaat, der nicht anerkennen will, dass eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft Nutzungsberechtigte der Zinsen ist, zur Annahme eines Missbrauchs angeben muss, wer der eigentliche Nutzungsberechtigte ist. Bei Auslandssachverhalten kann dabei den Steuerpflichtigen jedoch eine gesteigerte Mitwirkungspflicht treffen.

6.      Die Fragen 6 und 7 müssen angesichts der obigen Antworten auf die Fragen 1 und 4 nicht beantwortet werden.


1      Originalsprache: Deutsch.


2      Im Einzelnen sind dies die Rechtssachen C‑118/16, C‑119/16 (beide verbunden mit C‑115/16) und C‑299/16.


3      Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom 3. Juni 2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. 2003, L 157, S.  49).


4      Bekendtgørelse af lov om indkomstbeskatning af aktieselskaber m.v., selskabsskatteloven - Lovbekendtgørelse nr. 1037 af 24. August 2007 (Gesetzesbekanntmachung Nr. 1037 vom 24. August 2007).


5      Kildeskatteloven – Lovbekendtgørelse nr. 1086 af 14. November 2005 (Gesetzesbekanntmachung Nr. 1086 vom 14. November 2005).


6      Offenbar waren auch noch weitere Kapitalgeber, wie Banken und Versicherungen, beteiligt.


7      Damit wird die Tatsache umschrieben, dass die Gesellschaft zwar im Rechtsverkehr agieren kann, steuerrechtlich aber nicht diese, sondern unmittelbar ihre Gesellschafter anteilig den Gewinn der Gesellschaft zugerechnet bekommen und zu versteuern haben. Die Folge ist, dass grundsätzlich nicht der Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft, sondern der Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter anteilig die „Einkünfte der Gesellschaft“ (hier die Zinseinnahmen der Kapitalanlagegesellschaften) besteuert.


8      Urteil vom 21. Juli 2011, Scheuten Solar Technology (C‑397/09, EU:C:2011:499, Rn. 28).


9      Urteil vom 21. Juli 2011, Scheuten Solar Technology (C‑397/09, EU:C:2011:499, Rn. 27) – „In diesem Zusammenhang definiert Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2003/49 diese Zinsen als ‚Einkünfte aus Forderungen jeder Art‘. Nur beim Nutzungsberechtigten können aber Zinsen als Einkünfte aus solchen Forderungen anfallen.“


10      Rule 18 lit. b Verfahrensordnung der OECD: „Recommendations of the Organisation, made by the Council in accordance with Articles 5, 6 and 7 of the Convention, shall be submitted to the Members for consideration in order that they may, if they consider it opportune, provide for their implementation“. Zu finden unter https://www.oecd.org/legal/rules%20of%20Procedure%20OECD%20Oct%202013.pdf.


11      Urteile vom 15. Mai 2008, Lidl Belgium (C‑414/06, EU:C:2008:278, Rn. 22), vom 13. März 2007, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation (C‑524/04, EU:C:2007:161, Rn. 49), vom 7. September 2006, N (C‑470/04, EU:C:2006:525, Rn. 45), vom 12. Mai 1998, Gilly (C‑336/96, EU:C:1998:221, Rn. 31), vom 23. Februar 2006, van Hilten-van der Heijden (C‑513/03, EU:C:2006:131, Rn. 48), siehe dazu aber auch das Urteil vom 16. Mai 2017, Berlioz Investment Fund (C‑682/15, EU:C:2017:373, Rn. 67).


12      Urteil vom 19. Januar 2006, Bouanich (C‑265/04, EU:C:2006:51, Rn. 50 und 56).


13      Urteil vom 17. Juli 1997, Leur-Bloem (C‑28/95, EU:C:1997:369, Rn. 41), und meine Schlussanträge in der Rechtssache Kofoed (C‑321/05, EU:C:2007:86, Nr. 60).


14      Ebenso Urteile vom 22. November 2017, Cussens u. a. (C‑251/16, EU:C:2017:881, Rn. 59), und vom 20. Juni 2013, Newey (C‑653/11, EU:C:2013:409, Rn. 49).


15      Urteile vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas (C‑196/04, EU:C:2006:544, Rn. 35), vom 6. April 2006, Agip Petroli (C‑456/04, EU:C:2006:241, Rn. 20), vom 21. Februar 2006, Halifax u. a. (C‑255/02, EU:C:2006:121, Rn. 68 und 69), vom 9. März 1999, Centros (C‑212/97, EU:C:1999:126, Rn. 24 mit weiteren Nachweisen), siehe auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Kofoed (C‑321/05, EU:C:2007:86, Nr. 57).


16      Urteile vom 17. Dezember 2015, WebMindLicenses (C‑419/14, EU:C:2015:832, Rn. 34), vom 21. Februar 2008, Part Service (C‑425/06, EU:C:2008:108, Rn. 56), und vom 21. Februar 2006, Halifax u. a. (C‑255/02, EU:C:2006:121, Rn. 77).


17      Urteile vom 22. November 2017, Cussens u. a. (C‑251/16, EU:C:2017:881, Rn. 27), vom 5. Juli 2007, Kofoed (C‑321/05, EU:C:2007:408, Rn. 38), vom 6. April 2006, Agip Petroli (C‑456/04, EU:C:2006:241, Rn. 20), vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas (C‑196/04, EU:C:2006:544, Rn. 35), vom 21. Februar 2006, Halifax u. a. (C‑255/02, EU:C:2006:121, Rn. 68 und 69), und vom 9. März 1999, Centros (C‑212/97, EU:C:1999:126, Rn. 24), mit weiteren Nachweisen, siehe dazu auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Kofoed (C‑321/05, EU:C:2007:86, Nr. 57).


18      Richtlinie 90/434/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen (ABl. 1990, L 225, S. 1).


19      Richtlinie (EU) 2016/1164 des Rates vom 12. Juli 2016 mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts (ABl. 2016, L 193, S. 1).


20      Urteile vom 20. Dezember 2017, Deister Holding und Juhler Holding (C‑504/16 und C‑613/16, EU:C:2017:1009, Rn. 60), vom 17. Dezember 2015, WebMindLicenses (C‑419/14, EU:C:2015:832, Rn. 35), vom 18. Juni 2009, Aberdeen Property Fininvest Alpha (C‑303/07, EU:C:2009:377, Rn. 64), vom 13. März 2007, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation (C‑524/04, EU:C:2007:161, Rn. 74), ähnlich Urteil vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas (C‑196/04, EU:C:2006:544, Rn. 55).


21      So noch Urteile vom 20. Juni 2013, Newey (C‑653/11, EU:C:2013:409, Rn. 46), vom 12. Juli 2012, J. J. Komen en Zonen Beheer Heerhugowaard (C‑326/11, EU:C:2012:461, Rn. 35), vom 27. Oktober 2011, Tanoarch (C‑504/10, EU:C:2011:707, Rn. 51), und vom 22. Mai 2008, Ampliscientifica und Amplifin (C‑162/07, EU:C:2008:301, Rn. 28).


22      Für das indirekte Steuerrecht: Urteile vom 22. November 2017, Cussens u. a. (C‑251/16, EU:C:2017:881, Rn. 53), vom 17. Dezember 2015, WebMindLicenses (C‑419/14, EU:C:2015:832, Rn. 36), und vom 21. Februar 2008, Part Service (C‑425/06, EU:C:2008:108, Rn. 45); im Anwendungsbereich der sogenannten Fusionsrichtlinie ähnlich: Urteil vom 10. November 2011, FOGGIA-Sociedade Gestora de Participações Sociais (C‑126/10, EU:C:2011:718, Rn. 35 und 36).


23      So explizit Urteil vom 22. November 2017, Cussens u. a. (C‑251/16, EU:C:2017:881, Rn. 60).


24      Urteil vom 20. Dezember 2017, Deister Holding und Juhler Holding (C‑504/16 und C‑613/16, EU:C:2017:1009, Rn. 73).


25      Vgl. Urteile vom 25. Oktober 2017, Polbud – Wykonawstwo (C‑106/16, EU:C:2017:804, Rn. 40), vom 30. September 2003, Inspire Art, C‑167/01, EU:C:2003:512, Rn. 96), und vom 9. März 1999, Centros (C‑212/97, EU:C:1999:126, Rn. 27).


26      Urteile vom 17. Dezember 2015, WebMindLicenses (C‑419/14, EU:C:2015:832, Rn. 42), vom 22. Dezember 2010, Weald Leasing (C‑103/09, EU:C:2010:804, Rn. 27), vom 21. Februar 2008, Part Service (C‑425/06, EU:C:2008:108, Rn. 47), und vom 21. Februar 2006, Halifax u. a. (C‑255/02, EU:C:2006:121, Rn. 73).


27      Urteile vom 17. Dezember 2015, WebMindLicenses (C‑419/14, EU:C:2015:832, Rn. 42), vom 22. Dezember 2010, RBS Deutschland Holdings (C‑277/09, EU:C:2010:810, Rn. 53).


28      Urteil vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas (C‑196/04, EU:C:2006:544, Rn. 36), vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2003, Barbier (C‑364/01, EU:C:2003:665, Rn. 71).


29      Urteile vom 17. Dezember 2015, WebMindLicenses (C‑419/14, EU:C:2015:832, Rn. 42), und vom 22. Dezember 2010, RBS Deutschland Holdings (C‑277/09, EU:C:2010:810, Rn. 53).


30      Vgl. Urteil vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas (C‑196/04, EU:C:2006:544, Rn. 36); zur unionsrechtlich erlaubten Divergenz von Steuersätzen sogar im harmonisierten Steuerrecht ebenso Urteil vom 17. Dezember 2015, WebMindLicenses (C‑419/14, EU:C:2015:832, Rn. 39 und 40).


31      Urteile vom 13. März 2007, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation (C‑524/04, EU:C:2007:161, Rn. 73), vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas (C‑196/04, EU:C:2006:544, Rn. 50), vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. März 2004, Kommission/Frankreich (C‑334/02, EU:C:2004:129, Rn. 27), und vom 26. September 2000, Kommission/Belgien (C‑478/98, EU:C:2000:497, Rn. 45).


32      Urteil vom 20. Dezember 2017, Deister Holding und Juhler Holding (C‑504/16 und C‑613/16, EU:C:2017:1009, Rn. 66).


33      So in der Rechtssache C‑119/16.


34      So in der Rechtssache C‑117/16.


35      So in der Rechtssache C‑299/16.


36      Urteile vom 24. Juni 2010, P. Ferrero und General Beverage Europe (C‑338/08 und C‑339/08, EU:C:2010:364, Rn. 26 und 34), und vom 26. Juni 2008, Burda (C‑284/06, EU:C:2008:365, Rn. 52).


37      Urteil vom 13. März 2007, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation (C‑524/04, EU:C:2007:161, Rn. 92).


38      Urteile vom 22. November 2017, Cussens u. a. (C‑251/16, EU:C:2017:881, Rn. 53), vom 17. Dezember 2015, WebMindLicenses (C‑419/14, EU:C:2015:832, Rn. 36), und vom 21. Februar 2008, Part Service (C‑425/06, EU:C:2008:108, Rn. 45).


39      Urteile vom 22. November 2017, Cussens u. a. (C‑251/16, EU:C:2017:881, Rn. 47), vom 17. Dezember 2015, WebMindLicenses (C‑419/14, EU:C:2015:832, Rn. 52), und vom 21. Februar 2008, Part Service (C‑425/06, EU:C:2008:108, Rn. 58).


40      In diesem Sinne die ständige Rechtsprechung, vgl. etwa die Urteile vom 5. Juli 2007, Kofoed (C‑321/05, EU:C:2007:408, Rn. 44), vom 6. April 2006, Kommission/Österreich (C‑428/04, EU:C:2006:238, Rn. 99), vom 16. Juni 2005, Kommission/Italien (C‑456/03, EU:C:2005:388, Rn. 51), und meine Schlussanträge in der Rechtssache Kofoed (C‑321/05, EU:C:2007:86, Nr. 62).


41      Zum Teil verfügen die Mitgliedstaaten über Generalklauseln zur Abwehr missbräuchlichen Verhaltens, wie in der Bundesrepublik Deutschland mit § 42 Abgabenordnung, Luxemburg mit § 6 des Steueranpassungsgesetzes, in Belgien mit Art. 344 §1er du code des impôts sur les revenus (Einkommensteuergesetz), in Schweden mit Art. 2 des Gesetzes 1995:575 oder in Finnland mit Art. 28 des Einkommensteuergesetzes; zum Teil gibt es Spezialregelungen (wie in Dänemark bezüglich der Verrechnungspreise nach § 2 Ligningslovens[Veranlagungsgesetz]) oder allgemeine Rechtsgrundsätze (in der Bundesrepublik Deutschland wäre dies der Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, der u. a. aus § 39 ff. Abgabenordnung abgeleitet werden kann).


42      Vgl. nur: Urteile vom 22. November 2017, Cussens u. a. (C‑251/16, EU:C:2017:881, Rn. 27), vom 21. Februar 2006, Halifax u. a. (C‑255/02, EU:C:2006:121, Rn. 68), vom 3. März 2005, Fini H (C‑32/03, EU:C:2005:128, Rn. 32), vom 14. Dezember 2000, Emsland-Stärke (C‑110/99, EU:C:2000:695, Rn. 51), und vom 23. März 2000, Diamantis (C‑373/97, EU:C:2000:150, Rn. 33).


43      Zur Pflicht nationaler Gerichte, innerstaatliches Recht richtlinienkonform auszulegen, vgl. die ständige Rechtsprechung und insbesondere die Urteile vom 4. Juli 2006, Adeneler u. a. (C‑212/04, EU:C:2006:443, Rn. 108 ff.), vom 5. Oktober 2004, Pfeiffer u. a. (C‑397/01 bis C‑403/01, EU:C:2004:584, Rn. 113 ff.), und vom 10. April 1984, von Colson und Kamann (14/83, EU:C:1984:153, Rn. 26).


44      Urteile vom 5. Juli 2007, Kofoed (C‑321/05, EU:C:2007:408, Rn. 45), vom 7. Januar 2004, Wells (C‑201/02, EU:C:2004:12, Rn. 57), vom 14. Juli 1994, Faccini Dori (C‑91/92, EU:C:1994:292, Rn. 20, 25 und 26), und vom 13. November 1990, Marleasing (C‑106/89, EU:C:1990:395, Rn. 6 und 8), sowie meine Schlussanträge in der Rechtssache Kofoed (C‑321/05, EU:C:2007:86, Nr. 65).


45      So ausdrücklich Urteil vom 5. Juli 2007, Kofoed (C‑321/05, EU:C:2007:408, Rn. 42).


46      Urteile vom 22. November 2017, Cussens u. a. (C‑251/16, EU:C:2017:881, Rn. 49), vom 21. September 2017, DNB Banka (C‑326/15, EU:C:2017:719, Rn. 41), vom 5. Juli 2007, Kofoed (C‑321/05, EU:C:2007:408, Rn. 42), vom 19. November 1991, Francovich u. a. (C‑6/90 und C‑9/90, EU:C:1991:428, Rn. 21), vgl. auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Kofoed (C‑321/05, EU:C:2007:86, Nr. 66).


47      Urteil vom 5. Juli 2007, Kofoed (C‑321/05, EU:C:2007:408, Rn. 42), und meine Schlussanträge in der Rechtssache Kofoed (C‑321/05, EU:C:2007:86, Nr. 65), vgl. statt vieler auch das Urteil vom 5. Oktober 2004, Pfeiffer u. a. (C‑397/01 bis C‑403/01, EU:C:2004:584, Rn. 108 und die dort angeführte Rechtsprechung).


48      Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Kofoed (C‑321/05, EU:C:2007:86, Nr. 67) und das Urteil vom 5. Juli 2007, Kofoed (C‑321/05, EU:C:2007:408, Rn. 38 ff.). Ähnlich auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia (C‑73/07, EU:C:2008:266, Rn. 103).


49      Unklar insoweit Urteil vom 22. November 2005, Mangold (C‑144/04, EU:C:2005:709, Rn. 74 bis 77), siehe dazu bereits meine Schlussanträge in der Rechtssache Kofoed (C‑321/05, EU:C:2007:86, Nr. 67), präzise auch Urteil vom 5. Juli 2007, Kofoed (C‑321/05, EU:C:2007:408, Rn. 42).


50      Urteile vom 22. November 2017, Cussens u. a. (C‑251/16, EU:C:2017:881), und vom 18. Dezember 2014, Schoenimport „Italmoda“ Mariano Previti (C‑131/13, C‑163/13 und C‑164/13, EU:C:2014:2455).


51      Urteile vom 8. September 2015, Taricco u. a. (C‑105/14, EU:C:2015:555, Rn. 36 ff.), und vom 26. Februar 2013, Åkerberg Fransson (C‑617/10, EU:C:2013:105, Rn. 26).


52      So ausdrücklich Urteil vom 22. November 2017, Cussens u. a. (C‑251/16, EU:C:2017:881, Rn. 28, 31 und 38).


53      So bereits der Gerichtshof im Urteil vom 5. Juli 2007, Kofoed (C‑321/05, EU:C:2007:408, Rn. 42).


54      Urteile vom 18. Juni 2009, Aberdeen Property Fininvest Alpha (C‑303/07, EU:C:2009:377, Rn. 64), vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas (C‑196/04, EU:C:2006:544, Rn. 55), und vom 13. März 2007, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation (C‑524/04, EU:C:2007:161, Rn. 74).


55      Sehr häufig wird in den Mitgliedstaaten auf den tatsächlichen Inhalt eines Aktes oder einer Transaktion abgestellt – so z. B. in Finnland, Ungarn, Irland, Italien, Litauen, den Niederlanden, Portugal und Slowenien.


56      Vgl. statt vieler: Urteile vom 22. November 2017, Cussens u. a. (C‑251/16, EU:C:2017:881, Rn. 27), vom 21. Februar 2006, Halifax u. a. (C‑255/02, EU:C:2006:121, Rn. 68), und vom 14. Dezember 2000, Emsland-Stärke (C‑110/99, EU:C:2000:695, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).


57      Urteil vom 22. Dezember 2008, Truck Center (C‑282/07, EU:C:2008:762, Rn. 41); bestätigt durch Urteil vom 18. Oktober 2012, X (C‑498/10, EU:C:2012:635, Rn. 26).


58      Vgl. Urteile vom 17. September 2015, Miljoen u. a. (C‑10/14, C‑14/14 und C‑17/14, EU:C:2015:608, Rn. 90), und vom 18. Oktober 2012, X (C‑498/10, EU:C:2012:635, Rn. 42 ff.).

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Abgabenordnung - AO 1977 | § 42 Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten


(1) Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Re

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(1) Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift. Anderenfalls entsteht der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des Absatzes 2 so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

(2) Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.