Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 12. Nov. 2018 - 1 BvR 1373/18

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2018:rk20181112.1bvr137318
bei uns veröffentlicht am12.11.2018

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

1. Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Versagung von nachträglich beantragter Beratungshilfe nach dem Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (Beratungshilfegesetz - BerHG) in einem sozialrechtlichen Verfahren, hier die Rücknahme, Erstattung und Aufrechnung beim Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Sie ist unzulässig. Offen bleiben kann daher die Frage, inwieweit in sozialrechtlichen Verfahren auf die Angebote eines privaten Vereins verwiesen werden kann, um auf der Grundlage von § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG Beratungshilfe zu versagen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 27. Juni 2014 - 1 BvR 256/14 -, www.bverfg.de, Rn. 7; zum pauschalen Verweis an die Behörde BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. Oktober 2015 - 1 BvR 1962/11 -, www.bverfg.de, Rn. 9), wenn dieser Verein, wie die Beschwerdeführerin vorträgt, nur in begrenztem Umfang Beratungsleistungen anbietet.

2

2. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil nicht aufgezeigt wird, dass die Beschwerdeführerin selbst in einem verfassungsbeschwerdefähigen Recht verletzt sein kann. Das Kostenrisiko für ein sozialrechtliches Verfahren liegt nur dann bei der Beschwerdeführerin, wenn Verfahrensbevollmächtigte bei der Übernahme des Mandats nach § 8a Abs. 4 Satz 1 BerHG auf ein solches Risiko hingewiesen haben. Ohne diesen Hinweis liegt das Kostenrisiko, wenn der erst dann gestellte Antrag auf Bewilligung von Beratungshilfe abgelehnt wird, bei den Verfahrensbevollmächtigten. In einer Verfassungsbeschwerde, die sich gegen diese Ablehnung richtet, muss also dargelegt werden, dass ein solcher Hinweis erfolgt ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 12. Februar 2018 - 1 BvR 975/17 -, www.bverfg.de, Rn. 1; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 23. März 2016 - 1 BvR 2831/15 -, www.bverfg.de, Rn. 1). Daran fehlt es hier.

3

3. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde - unter d) - gegen ein Schreiben des Amtsgerichts mit Hinweisen zur Rechtslage wendet, ist sie ebenfalls unzulässig. Es handelt sich bei derartigen Schreiben nicht um einen Akt der öffentlichen Gewalt im Sinne des § 90 Abs. 1 BVerfGG. Das gilt für formlose Mitteilungen über die Rechtslage ebenso wie für eine Auskunft oder Belehrung über die nach Ansicht einer Behörde geltende Rechtslage oder für die Ankündigung eines künftigen Verhaltens (vgl. BVerfGE 3, 162 <172>; 29, 304 <309>; 37, 57 <61>) und für entsprechende Mitteilungen von Gerichten (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. Mai 2006 - 1 BvR 1014/06 -, juris, Rn. 6). Das Amtsgericht hat mit dem unter d) angegriffenen Schreiben seine Rechtsauffassung mitgeteilt und die Beschwerdeführerin zur Stellungnahme aufgefordert. Damit handelt es sich um ein Hinweis- und Anhörungsschreiben, das selbst keine Entscheidung über die Beratungshilfe enthält, sondern im Vorfeld der Ablehnung ergangen ist.

4

4. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

5

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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Referenzen - Gesetze

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Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 93d


(1) Die Entscheidung nach § 93b und § 93c ergeht ohne mündliche Verhandlung. Sie ist unanfechtbar. Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung. (2) Solange und soweit der Senat nicht über die Annahme der Verfassungsb

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 90


(1) Jedermann kann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, Artikel 33, 38, 101, 103 und 104 des Grundgesetzes enthaltenen Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwer

Beratungshilfegesetz - BeratHiG | § 1 Voraussetzungen


(1) Hilfe für die Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens und im obligatorischen Güteverfahren nach § 15a des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung (Beratungshilfe) wird auf Antrag gewährt, wenn 1. Rechts

Beratungshilfegesetz - BeratHiG | § 8a Folgen der Aufhebung der Bewilligung


(1) Wird die Beratungshilfebewilligung aufgehoben, bleibt der Vergütungsanspruch der Beratungsperson gegen die Staatskasse unberührt. Dies gilt nicht, wenn die Beratungsperson 1. Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis davon hatte, dass die Bewilli

Referenzen

(1) Hilfe für die Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens und im obligatorischen Güteverfahren nach § 15a des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung (Beratungshilfe) wird auf Antrag gewährt, wenn

1.
Rechtsuchende die erforderlichen Mittel nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen können,
2.
keine anderen Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme den Rechtsuchenden zuzumuten ist,
3.
die Inanspruchnahme der Beratungshilfe nicht mutwillig erscheint.

(2) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 sind gegeben, wenn den Rechtsuchenden Prozeßkostenhilfe nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung ohne einen eigenen Beitrag zu den Kosten zu gewähren wäre. Die Möglichkeit, sich durch einen Rechtsanwalt unentgeltlich oder gegen Vereinbarung eines Erfolgshonorars beraten oder vertreten zu lassen, ist keine andere Möglichkeit der Hilfe im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2.

(3) Mutwilligkeit liegt vor, wenn Beratungshilfe in Anspruch genommen werden soll, obwohl Rechtsuchende, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen keine Beratungshilfe beanspruchen können, bei verständiger Würdigung aller Umstände der Rechtsangelegenheit davon absehen würden, sich auf eigene Kosten rechtlich beraten oder vertreten zu lassen. Bei der Beurteilung der Mutwilligkeit sind die Kenntnisse und Fähigkeiten der Rechtsuchenden sowie ihre besondere wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen.

(1) Wird die Beratungshilfebewilligung aufgehoben, bleibt der Vergütungsanspruch der Beratungsperson gegen die Staatskasse unberührt. Dies gilt nicht, wenn die Beratungsperson

1.
Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis davon hatte, dass die Bewilligungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Beratungshilfeleistung nicht vorlagen, oder
2.
die Aufhebung der Beratungshilfe selbst beantragt hat (§ 6a Absatz 2).

(2) Die Beratungsperson kann von Rechtsuchenden Vergütung nach den allgemeinen Vorschriften verlangen, wenn sie

1.
keine Vergütung aus der Staatskasse fordert oder einbehält und
2.
die Rechtsuchenden bei der Mandatsübernahme auf die Möglichkeit der Aufhebung der Bewilligung sowie auf die sich für die Vergütung ergebenden Folgen hingewiesen hat.
Soweit Rechtsuchende die Beratungshilfegebühr (Nummer 2500 der Anlage 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes) bereits geleistet haben, ist sie auf den Vergütungsanspruch anzurechnen.

(3) Wird die Bewilligung der Beratungshilfe aufgehoben, weil die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorgelegen haben, kann die Staatskasse von den Rechtsuchenden Erstattung des von ihr an die Beratungsperson geleisteten und von dieser einbehaltenen Betrages verlangen.

(4) Wird im Fall nachträglicher Antragstellung Beratungshilfe nicht bewilligt, kann die Beratungsperson von den Rechtsuchenden Vergütung nach den allgemeinen Vorschriften verlangen, wenn sie diese bei der Mandatsübernahme hierauf hingewiesen hat. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(1) Jedermann kann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, Artikel 33, 38, 101, 103 und 104 des Grundgesetzes enthaltenen Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben.

(2) Ist gegen die Verletzung der Rechtsweg zulässig, so kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden. Das Bundesverfassungsgericht kann jedoch über eine vor Erschöpfung des Rechtswegs eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde.

(3) Das Recht, eine Verfassungsbeschwerde an das Landesverfassungsgericht nach dem Recht der Landesverfassung zu erheben, bleibt unberührt.

(1) Die Entscheidung nach § 93b und § 93c ergeht ohne mündliche Verhandlung. Sie ist unanfechtbar. Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung.

(2) Solange und soweit der Senat nicht über die Annahme der Verfassungsbeschwerde entschieden hat, kann die Kammer alle das Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffenden Entscheidungen erlassen. Eine einstweilige Anordnung, mit der die Anwendung eines Gesetzes ganz oder teilweise ausgesetzt wird, kann nur der Senat treffen; § 32 Abs. 7 bleibt unberührt. Der Senat entscheidet auch in den Fällen des § 32 Abs. 3.

(3) Die Entscheidungen der Kammer ergehen durch einstimmigen Beschluß. Die Annahme durch den Senat ist beschlossen, wenn mindestens drei Richter ihr zustimmen.