Bundessozialgericht Beschluss, 25. Apr. 2018 - B 8 SO 68/17 B

ECLI: ECLI:DE:BSG:2018:250418BB8SO6817B0
published on 25.04.2018 00:00
Bundessozialgericht Beschluss, 25. Apr. 2018 - B 8 SO 68/17 B
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Gericht

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Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 29. April 2016 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Im Streit ist die Höhe von Ansprüchen des Klägers nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).

2

Der prozessunfähige Kläger bezieht laufend Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII (Grundsicherungsleistungen). Er begehrt von dem Beklagten im vorliegenden Verfahren höhere Leistungen für die Zeit vom 1.7.2007 bis zum 30.6.2008. Seine Anträge und die Klagen, die das Sozialgericht (SG) Gießen verbunden hat, hatten keinen Erfolg (Urteil des SG vom 27.3.2012). Das Hessische Landessozialgericht (LSG) hat auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers die Berufung zugelassen (Beschluss vom 5.7.2012) und seine Berufung sodann als unzulässig verworfen, weil er partiell prozessunfähig sei (Urteil vom 26.9.2012). Diese Entscheidung (verbunden mit weiteren 13 Verfahren) hat der Senat aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen, weil das LSG zu Unrecht von der Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 72 Sozialgerichtsgesetz (SGG) abgesehen habe(Beschluss vom 8.4.2014 - B 8 SO 47/13 B). Im Berufungsverfahren hat das LSG die Verfahren wieder getrennt und Justizinspektor S zum besonderen Vertreter bestellt und die Berufung als unzulässig verworfen (Beschluss vom 29.4.2016). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Berufung sei unzulässig. Der für die Zeit vom 1.7.2007 bis 30.6.2008 vom Kläger geltend gemachte Beitrag betrage nur 29,52 Euro (Jahresbeitrag zum Allgemeinen Automobilclub Deutschland ) sowie monatliche Versicherungsbeiträge zur Rechtsschutzversicherung des ADAC in Höhe von insgesamt 81,96 Euro (12 mal 6,83 Euro); der Wert des Beschwerdegegenstandes erreiche damit die Grenze des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG nicht.

3

Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Beschluss und macht geltend, das LSG habe die Sache nicht mehr als unstatthaft verwerfen dürfen, weil es die Berufung zuvor selbst durch Beschluss nach § 144 Abs 1 Satz 1 SGG zugelassen habe. Auf diesem Verfahrensmangel könne der Beschluss auch beruhen. Das LSG habe den Streitgegenstand unzulässig auf die Leistungshöhe nur unter Berücksichtigung des Mitgliedsbeitrags zum ADAC und die Beiträge zur Rechtsschutzversicherung des ADAC beschränkt. Bei zutreffender Auslegung des Klagebegehrens und nach Erteilung entsprechender Hinweise habe aber eine vollständige Überprüfung des Bedarfs des Klägers und des zu berücksichtigenden Einkommens zu erfolgen. Diese Prüfung habe das LSG bezogen auf den streitbefangenen Zeitraum nach wie vor nicht durchgeführt; auch die in Bezug genommene Entscheidung im Parallelverfahren (L 4 SO 86/14 ZVW) enthalte diese Prüfung nicht. Es sei aber nicht auszuschließen, dass sich nach umfassender Prüfung ein Anspruch auf höhere Leistungen ergebe.

4

II. Die Beschwerde ist zulässig. Sie genügt hinsichtlich des geltend gemachten Verfahrensfehlers den Bezeichnungserfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Da der gerügte Verfahrensmangel auch vorliegt, konnte der angefochtene Beschluss gemäß § 160a Abs 5 SGG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden.

5

Das LSG hat zu Unrecht ein Prozessurteil statt eines Sachurteils erlassen. Es war an seine eigene Entscheidung gebunden, die Berufung zuzulassen, obwohl der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 Euro nicht überstieg. Es durfte deshalb die zugelassene Berufung nicht aus diesem Grund als unzulässig verwerfen (vgl § 144 Abs 3 SGG). Die Zulassungsentscheidung eröffnet vielmehr eine vollständige Überprüfung im Berufungsverfahren.

6

Eine Zurückweisung der Beschwerde war auch nicht deshalb geboten, weil bereits feststünde, dass die angegriffene Entscheidung unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt Bestand haben wird (vgl dazu nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160a RdNr 18 mwN). Eine Sachprüfung wegen des streitbefangenen Zeitraums hat das LSG nach wie vor nicht durchgeführt. Es ist dabei im Streit um die Höhe der Leistungen nicht auf die Überprüfung unter den vom Kläger geltend gemachten Gesichtspunkten beschränkt; die Pflicht zur Überprüfung besteht vielmehr unter allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten, worauf der Klägerbevollmächtigte zutreffend hinweist. Diese Prüfung lässt der Beschluss des LSG nicht im Ansatz erkennen, sodass schon angesichts der fehlenden Feststellungen ein Erfolg der Berufung nicht ausgeschlossen ist.

7

Das LSG wird abschließend ggf auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu
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published on 08.04.2014 00:00

Tenor Auf die Beschwerden des Klägers werden die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. September 2012 - L 4 SO 128/12, L 4 SO 177/12, L 4 SO 124/12, L 4 SO 179/12 und L 4 SO 130/12 -
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Annotations

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.