Bundessozialgericht Beschluss, 26. Juli 2016 - B 4 AS 12/16 B

bei uns veröffentlicht am26.07.2016

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14. Dezember 2015 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Streitig sind SGB II-Leistungen in dem Zeitraum von September 2012 bis Februar 2013.

2

Der alleinstehende, SGB II-Leistungen beziehende Kläger bewohnte im streitigen Zeitraum eine knapp 56 qm große Wohnung, für die ihm Unterkunftskosten in Höhe von 370 Euro monatlich entstanden. Nach Anhörung zur Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Aufforderung zur Kostensenkung (Schreiben des Beklagten vom 10.8.2011/27.1.2012) bewilligte der Beklagte für die Monate September 2012 bis Februar 2013 Alg II unter Berücksichtigung des Regelbedarfs für einen alleinstehenden Leistungsberechtigten und monatlicher Unterkunftskosten in Höhe von nur noch 257 Euro bis Dezember 2012 bzw 271,60 Euro ab Januar 2013 (Bescheide vom 21.8.2012 und 21.2.2013; Widerspruchsbescheid vom 25.2.2013).

3

Das SG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, hinsichtlich der Regelleistung sei die Klage unzulässig, weil der Kläger seinen Widerspruch wirksam auf die Kosten der Unterkunft begrenzt habe (Urteil vom 6.8.2015). Die Klage sei auch unbegründet. Das BVerfG habe in seiner Entscheidung vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - festgestellt, dass die Regelleistung - bezogen auf den streitigen Zeitraum - nicht verfassungswidrig ermittelt worden sei. Hinsichtlich der Unterkunftskosten sei die Klage unbegründet. Eine wirksame Begrenzung der Angemessenheit sei durch die vom Kreistagsausschuss für Familie und Soziales beschlossene Richtlinie des Vogtlandkreises erfolgt, die auf einem schlüssigen Konzept beruhe. Die hiergegen von dem Kläger erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg (Beschluss des Sächsischen LSG vom 14.12.2015 - L 2 AS 948/15 NZB).

4

Die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil vom 6.8.2015 hat das LSG nach Anhörung der Beteiligten (Schreiben vom 16.9.2015/29.10.2015) als unzulässig verworfen (Beschluss vom 14.12.2015). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, bezogen auf die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung seien nur noch 648,80 Euro streitig. Die "einzige weitere Rüge" des Klägers zur Verfassungswidrigkeit der Regelleistung für Alleinstehende mit einer "höchsten Erhöhung der Regelleistung" um 60 Euro monatlich wirke sich nicht erhöhend auf den Beschwerdewert aus. Er könne sich nach der Entscheidung des BVerfG vom 23.7.2014 zur Verfassungsmäßigkeit der Regelleistungen nicht mehr auf die von diesem Gericht eingeholten Stellungnahmen zu höheren Regelleistungen berufen.

5

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision. Er macht ua sinngemäß geltend, das SG und das LSG hätten eine Sachentscheidung treffen müssen.

6

II. Auf die Beschwerde des Klägers war der angefochtene Beschluss des LSG vom 14.12.2015 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Er hat formgerecht - den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG entsprechend - und auch in der Sache zutreffend einen Verfahrensfehler(§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) gerügt.

7

Es kann dahinstehen, ob der Kläger mit seinem Vorbringen, sein Anspruch auf den gesetzlichen Richter sei verletzt, weil der Berufungssenat selbst und ohne Stellungnahmen einzelner Senatsmitglieder über den Befangenheitsantrag entschieden habe, einen Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 S 2 GG; § 60 SGG iVm §§ 41 ff ZPO) in dem für eine konkrete Schlüssigkeitsprüfung geforderten Maße dargetan hat. Er hat jedenfalls in seinem Vortrag im Rahmen einer Divergenzrüge die Voraussetzungen eines Verfahrensmangels - Entscheidung durch Prozessurteil anstelle eines Sachurteils - ausreichend dargelegt.

8

Insofern trägt der Kläger vor, das LSG weiche in seinem Beschluss von der Rechtsprechung des BSG ab, nach der sich der Berufungswert aus der Zusammenrechnung von mehreren streitgegenständlichen Ansprüchen ergebe (Hinweis auf BSGE 24, 260, 261 - SozR Nr 13 zu § 149 SGG). Er legt dar, dass die Verfassungswidrigkeit der Regelsätze sowie die "unrechtmäßige Kappung" der Unterkunftskosten weiterhin im Streit gestanden hätten. Weder vor dem SG noch in der Berufungsinstanz habe er die Klage auf höhere Regelleistungen zurückgenommen. Zur Begründung seines Begehrens auf höhere Regelleistungen bezieht er sich auf die Ergebnisse der vom BVerfG in Auftrag gegebenen Gutachten des Paritätischen Gesamtverbandes, des Deutschen Caritasverbandes und des Diakonischen Werks und stellt dar, dass sich unter Beachtung dessen ein Berufungsstreitwert von über 750 Euro ergebe.

9

Damit rügt der Kläger zu Recht, dass das LSG in der Sache hätte entscheiden müssen. Der gerügte Verfahrensmangel liegt vor. Wird zu Unrecht ein Prozessurteil anstelle eines Sachurteils erlassen, so ist ein Verfahrensmangel gegeben, weil beides jeweils eine qualitativ andere Entscheidung ist und sowohl ein Entscheidungs- als auch ein Verfahrensmangel gegeben sind (BSG Beschluss vom 4.7.2011 - B 14 AS 30/11 B - juris; BSG SozR 1500 § 160a Nr 55).

10

Bereits das SG ist in seiner Begründung, nicht jedoch im Tenor seiner Entscheidung, irrtümlich davon ausgegangen, dass sich das Begehren des Klägers auf die Anfechtung der Höhe der Unterkunftskosten beschränkt hat. Gegenstand des Klageverfahrens waren jedoch die Bescheide vom 21.8.2012 und 21.2.2013 idF des Widerspruchsbescheids vom 25.2.2013, die Regelungen und Ausführungen sowohl zur Höhe der Regelbedarfe als auch zu den Unterkunftskosten enthielten. Unter Berücksichtigung der geltend gemachten Erhöhung der Regelbedarfe und eines höheren Betrags für Unterkunftskosten war der Beschwerdewert erreicht.

11

Soweit das Berufungsgericht die Rechtsansicht vertreten hat, dass die Regelleistung bei der Ermittlung des Beschwerdewertes außer Betracht bleiben müsse, folgt der Senat dem nicht. Es liegt kein "willkürlicher bzw rechtsmissbräuchlicher" Antrag zur Erreichung der Berufungsfähigkeit vor. Soweit sich das LSG insoweit auf eine Kommentierung (Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, 11. Aufl 2014, § 144 RdNr 14a mwN) bezogen hat, ist ein solcher, allenfalls ausnahmsweise anzunehmender Sachverhalt hier nicht zu erkennen. Nach der Rechtsprechung des BSG ist von solchen Umständen nur auszugehen, wenn eine eindeutig funktionswidrige Inanspruchnahme einer an sich gegebenen Rechtsschutzmöglichkeit vorliegt, indem etwa ein Anspruch nur ins Spiel gebracht wird, um eine Sachurteilsvoraussetzung "gezielt" herbeizuführen (BSG Urteil vom 5.3.1980 - 9 RV 44/78 - SozR 1500 § 148 Nr 5 S 7) oder - entgegen einer eindeutigen gesetzlichen Regelung - Prozessanträge nur deshalb und ohne gesetzliche Grundlage gestellt werden, um die Berufungsfähigkeit zu erreichen (BSG Urteil vom 22.8.1990 - 10 RKg 29/88 - BSGE 67, 194, 195 = SozR 3-5870 § 27 Nr 1 S 2). Die gezielte Umgehung von Prozessvorschriften muss als "willkürlich" in dem Sinne erscheinen, dass für das Verhalten des Rechtsmittelklägers ein vernünftiger Grund nicht erkennbar ist (BSG Urteil vom 28.2.1978 - 4 RJ 73/77 - SozR 1500 § 146 Nr 7).

12

Eine "gezielte Erweiterung" des prozessualen Begehrens zur Erlangung einer Berufungsfähigkeit ist hier jedoch schon im Ansatz nicht erkennbar. In seiner Klage an das SG vom 28.3.2013 hat der Kläger mit Bezug auf die Vorlage des SG Berlin an das BVerfG formuliert, nach seiner Ansicht müssten höhere Regelleistungen erbracht werden. Auch im Berufungsverfahren hat er sowohl zu deren Höhe als auch zu den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung vorgetragen. Es handelt sich daher nicht um eine "Erweiterung des Klagebegehrens" zur Erlangung einer Berufungsfähigkeit, sondern um ein Klagebegehren, das von vornherein und - nach im Laufe des sozialgerichtlichen Verfahrens ergangener Entscheidung des BVerfG vom 23.7.2014 - möglicherweise wenig erfolgversprechend, gleichwohl aber weiterhin zulässig verfolgt wurde. Eine "Rechtsverpflichtung" des Klägers, einer Beschränkung des prozessualen Anspruchs zuzustimmen bzw dies ausdrücklich zu erklären (dies aber ist erforderlich, wenn der Verwaltungsakt - wie hier - mehrere eigenständige abtrennbare Verfügungen enthält), kann der Senat nicht erkennen.

13

Nach § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde den angefochtenen Beschluss aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen, was - wie ausgeführt - der Fall ist. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch, weil sich das LSG bisher nicht mit den Einwänden des Klägers gegen die Angemessenheitsrichtlinie des Vogtlandkreises vom 24.2.2011 unter Berücksichtigung der von der Firma Analyse und Konzepte ermittelten Richtwerte für angemessene Bruttokaltmieten (Richtwerttabelle) befasst hat.

14

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.

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Bundessozialgericht Beschluss, 26. Juli 2016 - B 4 AS 12/16 B zitiert 10 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160a


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder

Zivilprozessordnung - ZPO | § 41 Ausschluss von der Ausübung des Richteramtes


Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen: 1. in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht;2.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 60


(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten die §§ 41 bis 46 Absatz 1 und die §§ 47 bis 49 der Zivilprozeßordnung entsprechend. (2) Von der Ausübung des Amtes als Richter ist auch ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen

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Bundessozialgericht Beschluss, 04. Juli 2011 - B 14 AS 30/11 B

bei uns veröffentlicht am 04.07.2011

Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. Juli 2010 wird als unzulässig verworfen.
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Bundessozialgericht Urteil, 04. Apr. 2017 - B 4 AS 2/16 R

bei uns veröffentlicht am 04.04.2017

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

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(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten die §§ 41 bis 46 Absatz 1 und die §§ 47 bis 49 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(2) Von der Ausübung des Amtes als Richter ist auch ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat.

(3) Die Besorgnis der Befangenheit nach § 42 der Zivilprozeßordnung gilt stets als begründet, wenn der Richter dem Vorstand einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts angehört, deren Interessen durch das Verfahren unmittelbar berührt werden.

(4) (weggefallen)

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. Juli 2010 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 des Sozialgerichtsgesetzes). Der Kläger hat zur Begründung seiner Beschwerde keinen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe (grundsätzliche Bedeutung, Abweichung oder Verfahrensmangel) gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG schlüssig dargelegt oder bezeichnet.

2

Der Kläger stützt seine Beschwerde als erstes auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Er rügt, dass das LSG seine Berufung wegen Nichterreichens der Berufungssumme von 750 Euro nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG als unzulässig verworfen habe, obwohl seine Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr nach § 144 Abs 1 Satz 2 SGG betroffen habe. Wird zu Unrecht ein Prozessurteil statt eines Sachurteils erlassen, so liegt ein Verfahrensmangel vor, weil beides jeweils eine qualitativ andere Entscheidung ist und sowohl ein Entscheidungs- als auch ein Verfahrensmangel vorliegen (seit BSGE 1, 183; BSGE 2, 245, 252 ff; BSGE 15, 169, 172; BSG SozR 1500 § 160a Nr 55).

3

Die Voraussetzungen dieses Verfahrensmangels sind jedoch der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Denn nach dieser ist zwischen den Beteiligten die Höhe des ernährungsbedingten Mehrbedarfes nach § 21 Abs 5 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) des Klägers umstritten. Entgegen der Ansicht des Beklagten und des LSG lasse sich dieser Streit nicht auf die Zeit von September 2007 bis Februar 2008 begrenzen, über die der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid entschieden habe. Vielmehr müsse beachtet werden, dass nach einem Attest des den Kläger behandelnden Arztes dieser Mehrbedarf zumindest für die Zeit vom 1.9.2007 bis zum 31.8.2009 bestehe.

4

Mit diesem Vortrag wird der behauptete Verfahrensmangel nicht dargetan. Denn zur Bestimmung des Beschwerdewertes oder des Beschwerdegegenstandes nach § 144 Abs 1 SGG ist nicht nur auf den Vortrag des Berufungsführers im Berufungsverfahren abzustellen, sondern dessen Antrag im Berufungsverfahren mit seinem Antrag vor dem Sozialgericht (SG) zu vergleichen. Denn andernfalls könnte der Berufungsführer durch eine entsprechende Antragstellung im Berufungsverfahren die mit dem § 144 Abs 1 SGG verfolgte Beschränkung des Berufungszugangs beliebig unterlaufen(Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, VIII, RdNr 14 f; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 144 RdNr 14). Welchen genauen Antrag der Kläger vor dem SG und welchen genauen Antrag er vor dem LSG gestellt hat sowie welcher Beschwerdewert bzw welche wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr als Beschwerdegegenstand sich daraus ergibt, ist jedoch der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Dies aufzuzeigen wäre aber vor allem auch deswegen notwendig gewesen, weil die Höhe eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs 5 SGB II nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kein eigenständiger Streitgegenstand ist, sondern ein Teil des in der Regel für sechs Monate zu bewilligenden Arbeitslosengeldes II(vgl §§ 19, 21, 41 SGB II; BSG vom 22.3.2010 - B 4 AS 59/09 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 9, RdNr 11).

5

Soweit der Kläger darüber hinaus in materiell-rechtlicher Hinsicht im Hinblick auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins eV zur Gewährung von Krankenkostzulage eine Abweichung des LSG von einer Entscheidung des BSG nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG und die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG rügt, mangelt es an der Darstellung der Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit sowie Entscheidungserheblichkeit der behaupteten Abweichung und Grundsatzfrage. Ein entsprechender Vortrag wäre vor allem deswegen geboten gewesen, weil das LSG - nach der Beschwerdebegründung - nicht in der Sache entschieden, sondern eine Prozessentscheidung erlassen hat.

6

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.