Bundesgerichtshof Versäumnisurteil, 07. Nov. 2018 - XII ZR 109/17

ECLI: ECLI:DE:BGH:2018:071118UXIIZR109.17.0
published on 07/11/2018 00:00
Bundesgerichtshof Versäumnisurteil, 07. Nov. 2018 - XII ZR 109/17
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate
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Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 2. November 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin vertreibt Werbeflächen auf Kraftfahrzeugen und anderen Gegenständen. Die Gegenstände erwirbt sie, um sie an soziale und andere Institutionen zu verleihen. Der Beklagte unterzeichnete am 27. Februar 2014 einen Vertrag über eine Werbefläche auf einem Fahrzeug, das einer Bildungseinrichtung zur Nutzung überlassen wurde. Vereinbart war ein Nettopreis von 1.760 € für eine Vertragslaufzeit von fünf Jahren.

2

Mit der Klage verlangt die Klägerin die Bruttovergütung von 2.094,21 € nebst Zinsen, Mahn- und Inkassokosten. Das Amtsgericht hat die Klage durch unechtes Versäumnisurteil abgewiesen, das Landgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich ihre vom Landgericht zugelassene Revision.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht. Über das Rechtsmittel ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden, weil der Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung in der mündlichen Revisionsverhandlung nicht anwaltlich vertreten war; inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis des Beklagten, sondern auf einer umfassenden Würdigung des Sach- und Streitstandes (BGHZ 37, 79, 81 f.).

I.

4

Das Landgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag als Werkvertrag einzuordnen sei, weil nicht die bloße Gebrauchsüberlassung der Werbefläche im Vordergrund stehe, sondern die mit der Platzierung der Werbung erwartete Werbewirksamkeit als geschuldeter Erfolg. Nur vor diesem Hintergrund sei auch die vergleichsweise hohe Vergütung zu erklären.

5

Die Werbewirksamkeit sei wesentlicher Bestandteil des Vertrags, da sie charakteristisch für den geschuldeten Werbeerfolg sei. Für die Wirksamkeit des Vertrags sei folglich zwingend erforderlich, dass dieser gerade auch in Bezug auf die Werbewirksamkeit hinreichend charakterisiert und bestimmbar sei. Mangels Angaben über den zeitlichen und räumlichen Einsatz des Fahrzeugs sei dies vorliegend nicht gegeben; deren Bestimmung habe auch nicht der Bildungseinrichtung überlassen werden können. Deshalb sei der Vertrag als solcher mangels Bestimmbarkeit der geschuldeten Werkleistung unwirksam.

II.

6

Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

7

1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sind auf den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag nicht die Vorschriften über den Werkvertrag, sondern die Vorschriften über den Mietvertrag anzuwenden. Maßgeblich für die Einordnung des Vertragstyps ist die rechtliche Qualifizierung der vertraglich geschuldeten Hauptleistungspflicht.

8

a) Nicht zu beanstanden ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts, dass aufgrund der von der Klägerin versprochenen Leistungen nicht die - als Werkleistung anzusehende - Anbringung der Werbung auf dem Fahrzeug, sondern die nachfolgend dauerhafte Bereitstellung der Werbefläche als vertragscharakteristische Leistung im Vordergrund steht (vgl. Senatsurteil vom 28. März 2018 - XII ZR 18/17 - juris Rn. 10).

9

b) Die rechtliche Einordnung der vertragscharakteristischen Leistung wird nicht bereits durch die im Auftragsformular verwendeten - weithin offenen - Begriffe wie "Werbemaßnahme", "Werbelaufzeit" bestimmt. Entscheidend für die rechtliche Einordnung sind vielmehr die konkret geschuldeten Leistungen. Sie bestehen nach dem Vertragsinhalt darin, die auf einem näher festgelegten Werbefeld anzubringende Beschriftung über die gesamte Vertragsdauer dort angebracht zu halten, um im laufenden Geschäftsbetrieb der sozialen Institution einen Werbeeffekt zu ermöglichen. Während die Klägerin sich verpflichtete, eine bestimmte Fläche auf dem ihr gehörenden Fahrzeug für eine bestimmte Dauer zur werbemäßigen Nutzung zur Verfügung zu stellen, war gleichzeitig offenkundig, dass sie auf den konkreten Einsatz des Fahrzeugs nach Ort und Zeit keinen Einfluss hatte. Wie das Landgericht selbst hervorhebt, konnte die Klägerin aus der Natur der Sache heraus keine Vorfestlegung des zeitlichen und räumlichen Einsatzes des Fahrzeugs treffen, sondern lediglich die Zurverfügungstellung der Werbefläche als solche versprechen. Insoweit sprechen gerade die vom Landgericht hervorgehobenen Umstände gegen einen bestimmten, werkvertragsmäßig versprochenen Erfolg, sondern vielmehr dafür, dass sich die Vertragspflicht auf dasjenige beschränkte, was in der Hand der Klägerin lag, nämlich die Zurverfügungstellung der Werbefläche als solche.

10

In der Zurverfügungstellung einer konkreten Werbefläche auf dem der Klägerin gehörenden Fahrzeug liegt eine Gebrauchsüberlassung gemäß § 535 BGB, bei der es einer Besitzverschaffung ausnahmsweise nicht bedarf (vgl. Senatsurteile vom 17. Juli 2002 - XII ZR 86/02 - NJW 2002, 3322 f. und vom 28. März 2018 - XII ZR 18/17 - juris Rn. 10; BGHZ 65, 137, 140 = NJW 1976, 105, 106; BGH Urteil vom 1. Februar 1989 - VIII ZR 126/88 - NJW-RR 1989, 589, 590 mwN). Die Überlassung einer Werbefläche auf einem in Benutzung der Bildungseinrichtung stehenden Kraftfahrzeug unterscheidet sich rechtlich nicht von der Reklame an Straßenbahnen, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung als Mietverhältnis qualifiziert worden ist (BGH Urteil vom 1. Februar 1989 - VIII ZR 126/88 - NJW-RR 1989, 589, 590 und RGZ 141, 99, 102). Soweit der Senat ähnlich gelagerte Werbegestattungen als Rechtspacht eingestuft hat (vgl. Senatsurteil vom 26. Januar 1994 - XII ZR 93/92 - NJW-RR 1994, 558: Driving Range; Senatsbeschluss vom 23. Dezember 1998 - XII ZR 49/97 - NJW-RR 1999, 845: Bandenwerbung), führt dies gemäß § 581 Abs. 2 BGB ebenfalls zur Anwendung von Mietrecht.

11

Dem steht auch nicht das Urteil des X. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 19. Juni 1984 (X ZR 93/83 - NJW 1984, 2406, 2407) entgegen. In jenem Fall lag der Schwerpunkt - anders als im vorliegenden Fall - ersichtlich auf werksvertragstypischen Leistungen.

12

c) Die Mietsache war auch durch Angabe einer genau bezeichneten Werbefläche in dem Vertrag hinreichend konkret bestimmt. Weiterer Bestimmungen zum konkreten Werbeerfolg bedurfte es entgegen der Ansicht des Landgerichts zur Wirksamkeit des Vertrags nicht.

13

2. Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann nicht in der Sache abschließend entscheiden, da noch Feststellungen zur Passivlegitimation des Beklagten zu treffen sind, die dieser mit Hinweis auf ein geschäftsbezogenes Handeln für eine GmbH bestritten hat.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, Karlsruhe, durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.

Klinkhammer     

      

Günter     

      

Nedden-Boeger

      

Guhling     

      

Krüger     

      

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(1) Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Er hat die auf der Mietsache ruhenden Lasten zu tragen.

(2) Der Mieter ist verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten.

(1) Durch den Pachtvertrag wird der Verpächter verpflichtet, dem Pächter den Gebrauch des verpachteten Gegenstands und den Genuss der Früchte, soweit sie nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft als Ertrag anzusehen sind, während der Pachtzeit zu gewähren. Der Pächter ist verpflichtet, dem Verpächter die vereinbarte Pacht zu entrichten.

(2) Auf den Pachtvertrag mit Ausnahme des Landpachtvertrags sind, soweit sich nicht aus den §§ 582 bis 584b etwas anderes ergibt, die Vorschriften über den Mietvertrag entsprechend anzuwenden.