Bundesgerichtshof Urteil, 09. Okt. 2001 - XI ZR 281/00

bei uns veröffentlicht am09.10.2001

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 281/00 Verkündet am:
9. Oktober 2001
Weber,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 9. Oktober 2001 durch den Vorsitzenden Richter
Nobbe und die Richter Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. Müller und
Dr. Wassermann

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 5. September 2000 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen, soweit darüber nicht bereits durch Nichtannahmebeschluß des erkennenden Senats vom 8. Mai 2001 entschieden worden ist.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten noch darüber, ob die beklagte Sparkasse verpflichtet ist, dem Kläger "einen Kontokorrentkreditvertrag neu anzufertigen" und über verschiedene Konten Rechnung zu legen. Dem liegt im wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Bezirkssparkasse S. (im folgenden: Bezirkssparkasse), gewährte dem Kläger mit Verträgen vom 29. Januar 1988 zwei Tilgungsdarlehen über 212.000 DM und 288.000 DM auf den Konten Nr. ...74 und Nr. ...84 und mit Vertrag vom 22. März 1994 ein weiteres Darlehen von 206.000 DM auf dem Konto
Nr. ...34. Unter dem 31. Oktober 1996 stellte sie dem Kläger weiter einen unbefristeten Kontokorrentkredit bis zum Höchstbetrag von 190.000 DM auf dessen Girokonto Nr. ...22 zur Verfügung. Als Sicherheit dienten der Bezirkssparkasse Grundschulden in Höhe von insgesamt 918.000 DM, die auf dem Wohngrundstück des Klägers in P. lasten.
Mit Schreiben vom 27. November 1997 kündigte die Bezirkssparkasse die Geschäftsbeziehung mit sofortiger Wirkung und forderte den Kläger erfolglos auf, den von ihr errechneten Schuldsaldo in Höhe von insgesamt 802.012,12 DM bis zum 15. Dezember 1997 auszugleichen. Am 13. November 1998 sperrte sie das Girokonto des Klägers.
Der Kläger hat u.a. geltend gemacht, die Kündigung der Geschäftsbeziehung und die Sperrung des Girokontos seien unwirksam. Im Jahre 1996 sei mit der Bezirkssparkasse vereinbart worden, daß der ihm seinerzeit eingeräumte Kontokorrentkredit nicht nur auf 190.000 DM, sondern auf 290.000 DM erhöht werde. Ihm stehe deshalb die "Anfertigung" eines neuen Kontokorrentkreditvertrages zu. Seit 1996/97 habe es Unregelmäßigkeiten in der Kontenabrechnung und Rechnungslegung durch die Bezirkssparkasse gegeben.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Kontensperrung des Girokontos Nr. ...22 vom 13. November 1998 aufzuheben und die ein- und ausgehenden monatlichen ARV-Renten des Klägers in Höhe von je 1.619,06 DM zu gewährleisten,
2. ihm den Kontokorrentkredit in Höhe von 20.256,65 DM zur Verfügung zu stellen,
3. den Kontokorrentkreditvertrag Nr. ...22 bis zum Höchstbetrag von 290.000 DM neu anzufertigen,
4. ab 1997 für die Darlehenskonten Nr. ...84, Nr. ...74 sowie Nr. ...34 und das Kontokorrentkonto Nr. ...22 Rechnung zu legen , Abrechnungen zu erteilen und zuzustellen.
Das Landgericht hat durch Einzelrichter die Klage hinsichtlich des Antrages zu Ziffer 3) als unzulässig und im übrigen als unbegründet abgewiesen. Mit der Berufung hat der Kläger in erster Linie beantragt , das landgerichtliche Urteil für nichtig zu erklären und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen. Hilfsweise hat er mit den Berufungsanträgen zu Ziffer 2 a) – d) die erstinstanzlich gestellten Anträge wiederholt und zusätzlich hilfsweise beantragt, die zugunsten der Bezirkssparkasse eingetragenen, auf seinem Grundstück lastenden Grundschulden zu löschen.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung hinsichtlich der Klageanträge zu Ziffer 3) und 4) (= Berufungsanträge zu 2 c und d) als unzulässig verworfen und sie im übrigen zurückgewiesen.
Die Revision des Klägers, mit der er seine in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter verfolgt, hat der Senat, soweit die Berufung nicht als unzulässig verworfen worden ist, nicht angenommen.

Entscheidungsgründe:



Die hinsichtlich der Berufungsanträge zu Ziffer 2 c) und d) gemäû § 547 ZPO zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet.

I.


Das Berufungsgericht hat - soweit es die Berufung als unzulässig verworfen hat - im wesentlichen ausgeführt:
Hinsichtlich der Klageanträge zu Ziffer 3) und 4) genüge die Berufungsbegründung nicht den Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Sie greife zwar die Klageabweisung im Ergebnis an, enthalte aber nicht die gesetzlich gebotene Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils. Es werde nicht dargelegt, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Erwägungen die Klageabweisung nach Auffassung des Klägers unrichtig sein solle. Mit dem bloûen Hinweis darauf, daû die Beklagte gemäû Verbraucherschutzgesetz zur Neuausfertigung eines Kontokorrentkreditvertrages und im Rahmen einer ordentlichen Buchführung zur Erfassung aller laufenden Gutschriften und Belastungen, zur Hinterlegung von Kontoauszügen, zur Ermittlung und Zustellung von Jahresabschluûsalden verpflichtet sei, gehe der Kläger nicht konkret auf den Streitfall und die zur Klageabweisung führenden Gründe des Landgerichts ein. Die pauschale Bezugnahme auf die erstinstanzlichen Ausführungen und unerledigt gebliebene Beweisantritte enthielten keine hinreichend genaue Auseinandersetzung mit dem landgerichtlichen Urteil. Es stelle auch keine zulässige Berufungsbegründung dar, wenn die Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften gerügt und deswegen in erster Linie die Urteilsaufhebung und Zurückverweisung an das Landgericht beantragt werde.

II.


Diese Beurteilung hält rechtlicher Prüfung im Ergebnis stand.
1. Nachzuprüfen ist das Berufungsurteil nur noch insoweit, als es die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen hat. Im übrigen ist die Revision des Klägers bereits durch den Nichtannahmebeschluû des Senats vom 8. Mai 2001 beschieden. Als unzulässig verworfen hat das Berufungsgericht die Berufung ausweislich des Urteilstenors nur hinsichtlich der Klageanträge zu Ziffer 3) und 4). Den in erster Linie gestellten Antrag, das Urteil des Landgerichts für nichtig zu erklären und den Rechtsstreit zurückzuverweisen, hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei sachlich beschieden. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob seiner Ansicht, die Geltendmachung eines Verfahrensfehlers sei ungeeignet , der angefochtenen Entscheidung die Grundlage zu nehmen, und stelle deshalb keine zulässige Berufungsbegründung dar, gefolgt werden könnte.
2. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, daû der Kläger das Urteil des Landgerichts hinsichtlich der Klageanträge zu Ziffer
3) und 4) nicht zulässig mit der Berufung angefochten hat.

a) Nach § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO muû die Berufungsbegründung die bestimmte Bezeichnung der im einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) sowie der neuen Tatsachen, Beweismittel und Beweiseinreden enthalten, die eine Partei zur Rechtfertigung ihrer Berufung anzuführen hat. Die Vorschrift soll gewährleisten, daû der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz ausreichend vorbereitet wird, indem sie den Berufungsführer anhält, die Beurteilung des Streit-
falls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchen Gründen das angefochtene Urteil für unrichtig gehalten wird. Die Begründung muû demnach zum einen erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist, und zum anderen im einzelnen angeben, aus welchen Gründen er die tatsächliche oder rechtliche Würdigung des vorinstanzlichen Urteils in den angegebenen Punkten für unrichtig hält. Es reicht nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch den Erstrichter mit formelhaften Wendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen (st.Rspr. des BGH, vgl. nur Urteil vom 24. Januar 2000 - II ZR 172/98, NJW 2000, 1576 m.w.Nachw.).

b) Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht.
aa) Was den Klageantrag zu Ziffer 3) anbelangt, hat das Landgericht das Rechtsschutzinteresse verneint, da der Kläger unmittelbar auf Bereitstellung zusätzlicher Kreditmittel in Höhe von 100.000 DM bzw. auf Annahme seines entsprechenden Vertragsantrags durch die Beklagte habe klagen können.
Ob diese Begründung zutreffend war, kann dahingestellt bleiben, denn in der Berufungsbegründung findet sich kein Hinweis, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Klageabweisung als unzulässig rechtsfehlerhaft gewesen sein soll. Die formelhafte Erklärung , die Beklagte sei verpflichtet, "gemäû Verbraucherschutzgesetz einen KK-Kreditvertrag in Höhe von 290.000 DM neu auszufertigen" (GA II 9), stellt ebensowenig eine ausreichende Begründung dar wie
der pauschale Hinweis, es werde auf "das Vorbringen des Klägers in erster Instanz einschlieûlich aller Beweisangebote" Bezug genommen.
bb) Hinsichtlich des auf Rechnungslegung gerichteten Klageantrages zu Ziffer 4) hat das Landgericht ausgeführt, unstreitig habe die Bezirkssparkasse über die Konten Rechnung gelegt; soweit der Kläger hierbei pauschal oder unter Hinweis auf Anlagen Unregelmäûigkeiten behaupte, sei sein Vortrag unsubstantiiert.
Auch damit setzt sich die Berufungsbegründung nicht in der gebotenen Weise auseinander, sondern wiederholt lediglich formelhaft die bereits in erster Instanz vertretene Rechtsansicht, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, "alle laufenden Gutschriften und Belastungen zu erfassen, Kontoauszüge zur Abholung zu hinterlegen, Jahres /Abschluû-/ Salden... zu ermitteln und zwecks Anerkennung durch den Kontoinhaber diesem zuzustellen". Konkrete Gründe, warum die Beklagte zur nochmaligen Rechnungslegung und Neuabrechnung der Konten verpflichtet gewesen sein soll, fehlen. Insbesondere werden Unregelmäûigkeiten bei der Kontoführung oder Rechnungslegung nicht substantiiert dargelegt.

III.


Die Revision des Klägers, dessen hilfsweise gestellten Antrag auf Zustimmung der Beklagten zur Löschung der sein Anwesen belastenden Grundschulden das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei als nicht sachdienlich angesehen hat, war daher zurückzuweisen.

Nobbe Siol Bungeroth
Müller Wassermann

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(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 547 Absolute Revisionsgründe


Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,1.wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;2.wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Ges

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Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 172/98 Verkündet am:
24. Januar 2000
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum notwendigen Inhalt einer Berufungsbegründung.
BGH, Urteil vom 24. Januar 2000 - II ZR 172/98 - OLG Hamm
LG Detmold
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 24. Januar 2000 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Henze,
Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und die Richterin Münke

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 5. Mai 1998 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden zu 91 % dem Beklagten und zu 9 % der Klägerin auferlegt.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien, die sich im Frühsommer 1992 kennengelernt hatten, strebten ein Zusammenleben auf Dauer an und hatten Heiratspläne. Mit Vertrag vom 14. September 1992 erwarb der Beklagte eine Eigentumswohnung, an der er der Klägerin am selben Tage ein lebenslanges, unentgeltliches Wohnungsrecht bestellte; das Wohnungsrecht wurde am 7. Januar 1993 im Grundbuch eingetragen. Die Parteien bewohnten die Eigentumswohnung zunächst
gemeinsam. Nachdem es zwischen ihnen zu Auseinandersetzungen gekommen war, widerrief der Beklagte im Herbst 1994 die Schenkung des Wohnungsrechts und zog im Juni 1995 aus der Wohnung aus. Als die Klägerin daraufhin den Einbau eines neuen Türschlosses an der Eingangstür zur Wohnung veranlaßte, ließ es der Beklagte wieder auswechseln und verschaffte sich noch zweimal im Juli 1995 Zutritt zu der Eigentumswohnung. Die Klägerin nimmt den Beklagten mit der Klage auf Unterlassung des Betretens der Wohnung in Anspruch , während der Beklagte mit der Widerklage von ihr die Bewilligung der Löschung des Wohnungsrechts und die Herausgabe und Räumung der Wohnung verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Widerklage abgewiesen, im übrigen aber ihr Rechtsmittel als unzulässig verworfen. Gegen das Urteil des Berufungsgerichts haben beide Parteien Revision eingelegt. Der Senat hat durch Beschluß vom 20. September 1999 das Rechtsmittel des Beklagten nicht angenommen.

Entscheidungsgründe:


Die gemäß § 547 ZPO zulässige Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.
I. Das Oberlandesgericht hält die Berufung der Klägerin hinsichtlich der Abweisung ihrer Klage durch das Landgericht für unzulässig, weil ihre Berufungsbegründung insoweit nicht den Erfordernissen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO genüge. Nachdem das Landgericht die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs nach § 862 BGB mit eingehender tatsächlicher und rechtlicher Würdigung verneint habe, reiche der bloße Hinweis der Klägerin auf
die Tatsache der Bestellung des Wohnrechts sowie die ebenfalls unstreitigen Tatsachen der Auswechselung des Türschlosses und das nochmalige Betreten der Wohnung durch den Beklagten für eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung nicht aus. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
II. Nach § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO muß die Berufungsbegründung die bestimmte Bezeichnung der im einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) sowie der neuen Beweismittel und Beweiseinreden enthalten , die die Partei zur Rechtfertigung ihrer Berufung anzuführen hat. Die Vorschrift soll gewährleisten, daß der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz ausreichend vorbereitet wird, indem sie den Berufungsführer anhält, die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchen Gründen das angefochtene Urteil für unrichtig gehalten wird. Die Begründung muß demnach zum einen erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist, und zum anderen im einzelnen angeben, aus welchen Gründen er die tatsächliche und rechtliche Würdigung des vorinstanzlichen Urteils in den angegebenen Punkten für unrichtig hält. Es reicht nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch den Erstrichter mit formelhaften Wendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen (st. Rspr. des BGH, vgl. zuletzt Urteile vom 6. Mai 1999 - III ZR 265/98, MDR 1999, 952; vom 4. Oktober 1999 - II ZR 361/98, NJW 1999, 3784 - jew. m.w.N.).
Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung der Klägerin hinsichtlich der Klage nicht gerecht. Sie erschöpft sich - außer einer unzureichenden Bezugnahme auf "das gesamte erstinstanzliche Vorbringen" – in der Fest-
stellung, daß der Beklagte der Klägerin ein unentgeltliches alleiniges und lebenslängliches Wohnrecht bestellt habe, eigenmächtig das Schloß habe auswechseln lassen und sich gewaltsam Zutritt zur Eigentumswohnung verschafft habe. Dieser schlichten Wiederholung von Tatsachen, die bereits im Landgerichtsurteil als unstreitig dargestellt sind, läßt sich auch nicht ansatzweise entnehmen , was nach Auffassung der Klägerin am Urteil des Landgerichts falsch sein soll. Nachdem das Landgericht einen Unterlassungsanspruch gemäß § 862 BGB nach ausführlicher Auseinandersetzung mit den insoweit im Vordergrund stehenden Streitigkeiten zwischen den Parteien und unter Erörterung der rechtlichen Bedeutung des vereinbarten Wohnungsrechtes für unbegründet erachtet hatte, hätte die Klägerin um so eindeutiger angeben müssen, gegen welche dieser Ausführungen des Urteils ihr Angriff sich richten und wie er begründet werden sollte. Derartige Einwendungen gegen das Landgerichtsurteil lassen sich jedoch auch nicht dem Zusammenhang der weiteren Ausführungen der Berufungsbegründungsschrift entnehmen, die sich ersichtlich nur auf den Streitgegenstand der Widerklage beziehen.
Röhricht Henze Goette Kurzwelly Münke