Bundesgerichtshof Urteil, 10. Aug. 2011 - X ZR 4/10

bei uns veröffentlicht am10.08.2011
vorgehend
Bundespatentgericht, 2 Ni 7/08, 16.07.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 4/10 Verkündet am:
10. August 2011
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. August 2011 durch den Richter Keukenschrijver, die Richterin
Mühlens, die Richter Gröning, Dr. Bacher und die Richterin Schuster

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts vom 16. Juli 2009 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des am 3. Januar 1995 angemeldeten deutschen Patents 195 00 066 (Streitpatents) mit der Bezeichnung "Schulterstütze für Violinen", für das die Unionspriorität einer US-amerikanischen Patentanmeldung vom 10. Januar 1994 in Anspruch genommen ist, und das zehn Patentansprüche umfasst. Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut: "Schulterstütze für Violinen oder violinenähnliche Musikinstrumente , umfassend: (a) einen länglichen, steifen Boden (21, 81), der einen oberen Abschnitt (23, 82), welcher eine Oberfläche (22, 108) definiert, und einen unteren Abschnitt (26, 83), welcher als Polster ausgebildet ist, ein erstes und ein zweites Ende aufweist, wobei der untere Abschnitt (26, 83) entsprechend der Schulter einer Person geformt ist, (b) eine erste in Gebrauchsstellung im wesentlichen aufrechte Stütze (31, 85), die am Boden (21, 81) nahe dessen ersten Ende angeordnet ist, und eine zweite in Gebrauchsstellung im wesentlichen aufrechte Stütze (31a, 101), die am Boden (21, 81) nahe dessen zweiten Ende angeordnet ist, (c) wobei jede Stütze (31, 31a; 85, 101) mit einem Drehzapfen (37, 37a; 87, 99) versehen ist, der in der Gebrauchsstellung in Bezug auf den Boden (21, 81) nach oben ragt und eine im wesentlichen aufrechte Drehachse aufweist, welche im wesentlichen senkrecht zur Oberfläche (22, 108) verläuft, (d) wobei der Drehzapfen (37, 87) der ersten Stütze (31, 85) an dessen oberen Ende mit einem im wesentlichen U-förmigen ersten Klemmteil (39 - 41, 88 - 90) versehen ist und der Drehzapfen (37a, 99) der zweiten Stütze (31a, 101) an dessen oberen Ende mit einem im wesentlichen U-förmigen zweiten Klemmteil (39a - 41a, 96 - 98) versehen ist, wobei die Uförmigen Klemmteile (39 - 41, 88 - 90; 39a - 41a, 96 - 98) miteinander zusammenwirken, derart, um an einander gegenüberliegenden Seitenwandabschnitten des Instruments zu dessen lösbarer Befestigung am Boden (21, 81) zur Anlage bringbar zu sein, dadurch gekennzeichnet, dass (i) jede Stütze (31, 31a; 85, 101) eine Klappeinrichtung (30 etc., 30a etc; 91 etc., 106 etc.) aufweist, die (ii) eine Klappbewegung der jeweiligen Stütze (31, 31a; 85, 101) um eine quer zur Längserstreckung des Bodens (21, 81) verlaufende Drehachse (30, 30a; 91, 106) gestattet, (iii) aus einer bzw. in eine Stellung, in welcher die Drehachse des jeweiligen Drehzapfens (37, 37a; 87, 99) im wesentlichen aufrecht steht, (iv) in eine bzw. aus einer in Bezug auf die Längserstreckung des Bodens (21, 81) nach unten und einwärts geklappten Stellung, in welcher die Drehachse des jeweiligen Drehzapfens (37, 37a; 87, 99) im wesentlichen parallel zur Oberfläche (22, 108) verläuft und (v) in welcher die U-förmigen Klemmteile (39 - 41, 88 - 90; 39a - 41a, 96 - 98) im wesentlichen bündig mit der Oberfläche (22, 108) und zwischen den Drehachsen (30, 30a; 91, 106) angeordnet sind."
2
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, und sich hierzu u.a. auf die Veröffentlichung der internationalen Anmeldung WO 91/05329 (A2, im Patentgerichtsurteil als D1 bezeichnet) und die Veröffentlichung der britischen Patentanmeldung 871 826 (A4, im Urteil des Patentgerichts als D3 bezeichnet) gestützt. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt.
3
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihr Ziel der Klageabweisung weiter verfolgt. Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent mit zwei Hilfsanträgen.
4
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

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Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
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I. Das Streitpatent betrifft eine Schulterstütze für Violinen, Bratschen und ähnliche Musikinstrumente. Solche am Instrument befestigte Schulterstützen sollen dem Musiker das Halten des Instruments erleichtern. Sie besitzen eine Auflagefläche, die auf der Schulter des Musikers aufliegt. Das Instrument ist dabei auf einem bestimmten, vom Musiker gewählten Niveau abgestützt, das von seinem Körperbau und insbesondere von der Länge seines Halses abhängt (vgl. Streitpatent, Beschr. Sp. 1 Z. 7-14).
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Nach den Ausführungen im Streitpatent entfällt unter den zahlreichen am Markt befindlichen Schulterstützen ein wesentlicher Marktanteil auf solche mit festem Boden. Die (auf den Erfinder des Streitpatents zurückgehende) Veröffentlichung A2 beschreibt solche Schulterstützen mit einem festen Bodenteil, mit dem ein Boden bezeichnet wird, der im Allgemeinen fest ist, jedoch noch eine gewisse eigene Elastizität aufweist, die zur Erzeugung einer Klemmkraft dient, mit der die Gabelteile das Instrument ergreifen.
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Bekannte, voll einstellbare Schulterstützen sind zu groß, um sie bequem im Geigenkasten mit unterbringen zu können. Demgegenüber beschreibt die A4 eine Schulterstütze, die aus zusammenklappbaren Teilen besteht und damit im Instrumentenkasten mit untergebracht werden kann, allerdings nicht ohne Komplikationen, weil sie selbst eingeklappt noch eine beträchtliche Bauhöhe aufweist. Sie ist zudem aus vielen Einzelteilen zusammengesetzt. Nicht zuletzt deshalb besitzt sie einen nur eingeschränkt steifen Boden.
9
Durch das Streitpatent soll eine konstruktiv einfache und kompakt ausgestaltete Schulterstütze für Violinen und ähnliche Musikinstrumente zur Verfü- gung gestellt werden, die bei Beibehaltung der Vorteile bekannter Konstruktionen in ihrer Nichtgebrauchsstellung eine geringe Bauhöhe aufweist (vgl. Beschr. Sp. 2 Z. 5-13).
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Hierfür stellt Patentanspruch 1 eine Schulterstütze für Violinen oder violinenähnliche Musikinstrumente mit den folgenden Merkmalen unter Schutz: 1. Die Schulterstütze umfasst
a) einen länglichen, steifen (nach Hilfsantrag I: festen) Boden, a1) der einen eine Oberfläche definierenden oberen Abschnitt, und a2) einen unteren Abschnitt, der als Polster ausgebildet ist, mit einem ersten und einem zweiten Ende aufweist, a3) wobei der untere Abschnitt entsprechend der Schulter einer Person geformt ist,
b) eine erste, in Gebrauchsstellung im Wesentlichen aufrechte Stütze , die am Boden nahe dessen erstem Ende angeordnet ist, und eine zweite, in Gebrauchsstellung im Wesentlichen aufrechte Stütze, die am Boden nahe dessen zweitem Ende angeordnet ist,
c) wobei jede Stütze mit einem Drehzapfen versehen ist, der in der Gebrauchsstellung in Bezug auf den Boden nach oben ragt und eine im Wesentlichen aufrechte Drehachse aufweist, die im Wesentlichen senkrecht zur Oberfläche verläuft,
d) wobei der Drehzapfen der ersten Stütze an dessen oberen Ende mit einem im Wesentlichen U-förmigen ersten Klemmteil versehen ist und der Drehzapfen der zweiten Stütze an dessen oberen Ende mit einem im Wesentlichen U-förmigen zweiten Klemmteil versehen ist, d1) wobei die U-förmigen Klemmteile derart miteinander zusammenwirken , dass sie an einander gegenüberliegenden Seitenwandabschnitten des Instruments zu dessen lösbarer Befestigung am Boden zur Anlage gebracht werden können, 2. wobei jede Stütze eine Klappeinrichtung aufweist,
a) die eine Klappbewegung der jeweiligen Stütze um eine quer zur Längserstreckung des Bodens verlaufende Drehachse gestattet,
b) aus einer bzw. in eine Stellung, in der die Drehachse des jeweiligen Drehzapfens im Wesentlichen aufrecht steht,
c) in eine bzw. aus einer in Bezug auf die Längserstreckung des Bodens nach unten und einwärts geklappten Stellung, c1) in der die Drehachse des jeweiligen Drehzapfens im Wesentlichen parallel zur Oberfläche verläuft und c2) in der die U-förmigen Klemmteile im Wesentlichen bündig mit der Oberfläche und zwischen den Drehachsen angeordnet sind.
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II. Das Patentgericht seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
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Die A2 offenbare dem Fachmann, einem berufserfahrenen, mit der Entwicklung von Zubehörteilen für den Geigenbau betrauten Ingenieur der Fachrichtung allgemeiner Maschinenbau oder Feinwerktechnik mit Fachhochschulabschluss , eine Schulterstütze mit einem länglichen, steifen Boden, der einen oberen Abschnitt mit einer Oberfläche definiere und einen unteren, als Polster entsprechend der Schulter einer Person ausgebildeten Abschnitt aufweise. Weiterhin offenbare sie zwei in Gebrauchsstellung im Wesentlichen aufrechte Stützen , die jeweils nahe den beiden Enden des Bodens angeordnet seien. Dabei sei jede Stütze mit einem Drehzapfen versehen, der in Gebrauchsstellung relativ zum Boden nach oben rage und eine im Wesentlichen senkrecht zur Oberfläche des Bodens verlaufende, aufrechte Drehachse aufweise. Die Drehzapfen seien jeweils am oberen Ende der beiden Stützen mit einem im Wesentlichen U-förmigen Klemmteil versehen, wobei die Klemmteile miteinander derart zusammenwirkten , dass sie an einander gegenüberliegenden Seitenwandabschnitten des Instruments zu dessen lösbaren Befestigung am Boden zur Anlage gebracht werden könnten. Damit sei die Merkmalsgruppe 1 in der A2 offenbart.
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Die A4 offenbare eine Schulterstütze, die einen länglichen steifen Boden aufweise, der mit Polstermaterial überzogen und dessen Unterseite entsprechend der Schulter einer Person geformt sei. Weiter zeige sie eine in Gebrauchsstellung im Wesentlichen aufrechte Stütze, die um eine Achse quer zur Längserstreckung des Bodens geklappt werden könne, und an der Klemmteile befestigt seien.
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Der damit verbundene Vorteil der Faltbarkeit und Kompaktheit rege den Fachmann an, auch bei einer Schulterstütze gemäß der A2 deren Stützen um eine Achse quer zur Längserstreckung des Bodens umklappbar auszubilden, indem er die Stützen aus den L-förmigen Verbindern heraustrenne und um eine Achse quer zum Boden drehbar lagere. Somit gelange der Fachmann zu einer Schulterstütze, die auch die Merkmale der Gruppe 2 umfasse.
15
Auch dem Gegenstand der in erster Instanz gestellten Hilfsanträge fehle die Patentfähigkeit. Die darin enthaltenen zusätzlichen Merkmale ergäben sich ebenfalls in naheliegender Weise aus dem aus A2 und A4 bekannten Stand der Technik.
16
III. Dies hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren stand.
17
1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist nicht patentfähig, denn er ergab sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik (§ 4 PatG).
18
Dabei kann offen bleiben, ob mit dem Patentgericht der maßgebliche Fachmann als ein Ingenieur mit der Fachrichtung Maschinenbau oder Feinwerktechnik oder - was näher liegen mag - als Techniker oder Handwerker auf diesen Gebieten oder entsprechend dem Vortrag der Beklagten als Geigenbauer zu definieren ist, der langjährige Erfahrung beim Geigenbau und der Gestaltung von Schulterstützen sammeln konnte. Jedenfalls muss davon ausgegangen werden, dass der Fachmann auf das Wissen des Geigenbauers wie auch des Musikers zurückgreift und die Anforderungen beachtet, die sich in klanglicher Hinsicht für den Musiker ergeben. Auch ein Geigenbauer hätte eine Ausgestaltung einer Schulterstütze entsprechend der A2 mit einem Klappmechanismus aufgrund der Anregung aus der A4 als naheliegende Änderung erkannt.
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Die Merkmale der Gruppe 1 für eine Schulterstütze sind, wie das Patentgericht unangegriffen und zutreffend festgestellt hat, aus der A2 bekannt. Auch die Gegenüberstellung der Zeichnungen für das erste Ausführungsbeispiel im Streitpatent und der A2 zeigt deutlich, dass eine Schulterstütze nach der Lehre des Streitpatents - abgesehen von der Klappbarkeit der beiden Stützen am Ende des jeweiligen Bodens - hinsichtlich ihrer Struktur und dem Aufbau einer Schulterstütze gemäß der A2 entspricht: Figur 1 der A2 Figur 1 des Streitpatents
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Bei dem Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents handelt es sich folglich um eine Weiterentwicklung der A2, die durch die Merkmalsgruppe 2 ergänzt wird.
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Dies gilt auch für die im Merkmal 1a enthaltene Anweisung, einen "steifen" (festen) Boden für die Schulterstütze zu wählen. Diese Eigenschaft wird in der A2 zwar nicht ausdrücklich angesprochen. Das Streitpatent bringt indessen selbst zutreffend zum Ausdruck, dass der Fachmann für die A2 von einem festen Bodenteil ausgeht (Beschr. Sp. 1 Z. 26-32). Auch die A4 spricht von einer ausreichend steifen Ausbildung (Patentanspruch 1: "a part sufficiently rigid to resist gripping pressure"

).

22
Die A4 lehrt in ihrer nebenstehend wiedergegebenen Figur 3, bei einer Dreipunktabstützung eine in Gebrauchsstellung im Wesentlichen aufrechte Stütze so auszubilden, dass diese um eine Achse quer zur Längserstreckung des Bodens geklappt werden kann. Die Klappbarkeit zu übernehmen hatte der Fachmann schon deshalb Anlass, weil er sich mit Schwierigkeiten aufgrund der Größe der Stütze konfrontiert sah; die A4 zeigte, wie diese Schwierigkeiten bei einer Dreipunktstütze auf einfache Weise behoben werden konnten (vgl. Beschr. S. 2 Z. 77-80: "... the construction is somewhat modified to enable the rest to fold into a compact bundle easily stowed in the pocket or with the violin in its case").
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Bedingt durch die Konstruktion als Dreipunktstütze sieht die A4 allerdings nur an einem Ende des Bodens eine stegförmige, einklappbare Stütze vor. Bei einer Ausgestaltung der Schulterstütze als Vierpunktstütze entsprechend der A2 lag es für den Fachmann aber nahe, beide Stützen mit einem Klappmechanismus zu versehen. Von ihm war nämlich zu erwarten, dass er aus der A4 die Klappbarkeit der Stützen als wesentliches Element für die Herstellung eines kompakten Zustands der Schulterstütze erkennt, wie dies auch sonst vielfältig bei Gebrauchsgegenständen der Fall ist; die Klägerin hat insoweit beispielhaft auf die einklappbaren Bügel von Brillen verwiesen. Dabei musste der Fachmann auch erkennen, dass er eine kompakte Vierpunktstütze nicht einfach durch einen Nachbau der in der A4 beschriebenen Stütze erreichen kann. Ausgehend von der A2 musste es sich ihm aufdrängen, nur die Klappbarkeit der Stütze als solche aus der zu A4 übernehmen und diese auf eine Schulterstütze entsprechend der Struktur und dem Aufbau der A2 auf deren beide Stützen so zu übertragen, dass die L-förmigen Stützträger an dem Punkt nach innen zusammengeklappt werden können, der dem Scharnier in der A4 entspricht.
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Dieser Übertragungsvorgang eines Elements der A4 auf die A2 war nicht mit technischen Schwierigkeiten verbunden; jedenfalls lässt die Lehre des Streitpatents solche nicht erkennen. Die Herstellung eines Klappmechanismus mittels Seitenflansche (45a) mit darin enthaltenen koaxialen Öffnungen (53a, 54a) und einem Gelenkzapfen (30a) entsprechend den nebenstehenden Figuren 3 und 4 aus dem Streitpatent war eine gängige Methode hierfür, wobei ein solcher Mechanismus regelmäßig einen (festen oder gefederten) Anschlag aufweist, bis zu dem die Drehbewegung vollzogen werden kann. Die Übertragung des Klappmechanismus aus der A4, wie er in der Merkmalsgruppe 2 im Einzelnen beschrieben wird, auf eine Schulterstütze gemäß der A2 war deshalb eine naheliegende Maßnahme (§ 4 Satz 1 PatG). Es lag nahe, die erst wenige Jahre zuvor entwickelte und bekannt gewordene Schulterstütze gemäß der A2 um einen Klappmechanismus anzureichern, mit dem entsprechend der in der A4 für eine einzelne Stütze gezeigten Konstruktion beide Stützen faltbar und kompakt im Geigenkasten verstaut werden können.
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2. Die Beklagte hat für die Patentansprüche 2 bis 10 - abgesehen von den gestellten Hilfsanträgen - einen selbständigen oder sich aus der Kombination untereinander oder mit Patentanspruch 1 ergebenden erfinderischen Gehalt nicht geltend gemacht.
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IV. Die Berufung bleibt auch ohne Erfolg, soweit sie sich auf die zuletzt gestellten Hilfsanträge stützt.
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1. a) Nach Hilfsantrag I soll Patentanspruch 1 durch das ursprünglich offenbarte Merkmal eines "länglichen, festen Bodens, durch den in Gebrauchsstellung eine Klemmkraft auf die Violine oder das violinenähnliche Musikinstrument ausgeübt wird" beschränkt werden. Das weitere zusätzlich aufgenommene Merkmal, wonach "Anschläge vorgesehen sind, welche die Klappbewegung auf etwa 90° aus einer niedergeklappten Stellung, in welcher der jeweilige Drehzapfen im wesentlichen parallel zur Längserstreckung des Bodens liegt, in eine aufrechte Stellung, in welcher der jeweilige Drehzapfen im wesentlichen senkrecht zur Oberfläche (22, 108) und zur Längserstreckung des Bodens verläuft, begrenzen" ergibt sich aus Unteranspruch 6, der auch in der Patentanmeldung - dort als Unteranspruch 4 - enthalten ist.
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b) Diese zusätzlichen Merkmale verhelfen dem Gegenstand von Patentanspruch 1 indessen nicht zur Patentfähigkeit.
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Die Ausübung einer Klemmkraft auf die Violine über den länglichen, festen (steifen) Boden war dem Fachmann aus der A2 und aus der A4 bekannt. Diese Kraft wird in der A2 zwar nur insofern erwähnt, als die Teile, welche das Instrument halten, als Klemmteile bezeichnet werden. Der A2 ist hierzu aber eindeutig und unmittelbar zu entnehmen, dass diese Klemmkraft über die Distanz der beiden Klemmteile zusammen mit diesem Boden hergestellt wird. Dem entspricht die Offenbarung in Patentanspruch 1 der A4.
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Um diese Klemmkraft entsprechend der A2 auch dann zu bewirken, wenn die Stützen aufgrund der Anregung seitens der A4 mit einem Klappmechanismus versehen werden, wird der Fachmann einen festen Anschlag für diesen Mechanismus wählen, an dem die klappbaren Stützen in der Gebrauchsstellung einen festen Halt finden. So bleibt er nahe an der Konstruktion der A2, die es aus seiner Sicht weiter zu entwickeln gilt, ohne - wozu er keinen Anlass hatte - bekannte Vorteile dieser Schulterstütze aufzugeben. Die Gestaltung eines solchen Anschlags stößt weder auf technische Schwierigkeiten noch sind solche in der Patentschrift dargestellt; sie stellt vielmehr eine gängige Ausführung für eine Klappmechanik dar. Ein solcher Anschlag war deshalb für die Weiterentwicklung der A2 mit einem Klappmechanismus zu erwarten und naheliegend.
31
2. Nach Hilfsantrag II ist zusätzlich das Merkmal vorgesehen, dass "die Drehzapfen in der jeweiligen Stütze um eine in Gebrauchsstellung in Längsrichtung des Bodens verlaufende Achse schwenkbar angeordnet sind".
32
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beschränkung mit diesem zusätzlichen Merkmal zulässig ist. Die Schwenkbarkeit der Drehzapfen um eine längs des Bodens verlaufende Achse begründet nämlich nicht die Patentfähigkeit des so verteidigten Patentanspruchs.
33
Dieses Merkmal war dem Fachmann aus der A2 bekannt, in der es mit der nebenstehenden Figur 3 dargestellt sowie im Text (S. 4 Z. 2730 ) beschrieben wird ("The side members 27, 28 are each pivotable about a longitudinal axis 29, 30. The longitudinal axes 29, 30 are generally parallel with the support plane 23 and with the elongation of the base 12"). Der Fachmann hatte auch insoweit keinen Grund, die Vorteile der A2 aufzugeben. Es war daher für ihn naheliegend, auch dieses Merkmal weiterhin vorzusehen.
34
Soweit sich die Beklagte erboten hat, Angaben zur Materialbeschaffenheit in Patentanspruch 1 aufzunehmen, führte dies nicht zu einer abweichenden Beurteilung der Patentfähigkeit.
35
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO.
Keukenschrijver Mühlens Gröning
Bacher Schuster
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 16.07.2009 - 2 Ni 7/08 -

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Aug. 2011 - X ZR 4/10 zitiert 4 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Patentgesetz - PatG | § 4


Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Gehören zum Stand der Technik auch Unterlagen im Sinne des § 3 Abs. 2, so werden diese

Referenzen

Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Gehören zum Stand der Technik auch Unterlagen im Sinne des § 3 Abs. 2, so werden diese bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht gezogen.

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)