vorgehend
Bundespatentgericht, 5 Ni 103/09, 19.01.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 36/11 Verkündet am:
30. Juli 2013
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 30. Juli 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Meier-Beck, die Richterin Mühlens, den Richter Dr. Grabinski, die
Richterin Schuster und den Richter Dr. Deichfuß

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 19. Januar 2011 verkündete Urteil des 5. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist Inhaberin des am 13. Dezember 1993 angemelde1 ten europäischen Patents 0 635 373 (Streitpatents), das die Priorität einer japanischen Patentanmeldung vom 20. Juli 1993 und dreier japanischer Patentanmeldungen vom 29. November 1993 in Anspruch nimmt.
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Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache: "An ink cartridge comprising: an ink-reserving portion with a porous member for storing ink; an ink-supply portion for supplying ink from said ink-reserving portion to an outside of said ink cartridge; characterized in that an ink-inducing element is arranged between said inkreserving portion and said ink-supply portion so as to press said porous member of said ink-reserving portion so that said porous member is deformed; a holding member for holding said ink inducing element; a restriction member to limit said ink inducing element to slide toward said ink-supply portion; said ink-inducing element is slidably held by said holding member, and is formed as a bundle of fibers in which each fiber is provided along a sliding direction of said ink-inducing element."
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Das Streitpatent war bereits Gegenstand einer Nichtigkeitsklage, mit der mangelnde Patentfähigkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 geltend gemacht wurde. Die Klage ist erfolglos geblieben; die Berufung hat der Senat mit Urteil vom 4. Oktober 2007 (X ZR 182/03, juris ) zurückgewiesen. Mit ihrer Klage greift die Klägerin das Streitpatent erneut im Umfang
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des Patentanspruchs 1 wegen mangelnder Patentfähigkeit an. Sie macht geltend, die Beklagte habe die Erfindung vor dem ersten Prioritätstag, jedenfalls aber nach diesem offenkundig vorbenutzt; die Priorität der japanischen Patentanmeldung Hei 5-179195 vom 20. Juli 1993 sei nicht wirksam in Anspruch genommen. Außerdem sei der Gegenstand von Patentanspruch 1 gegenüber dem druckschriftlichen Stand der Technik nicht neu, jedenfalls aber durch diesen nahegelegt. Das Patentgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewie5 sen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der diese ihr Klageziel weiterverfolgt. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


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Die Berufung ist nicht begründet. I. Zu Recht hat das Patentgericht die Klage für zulässig gehalten.
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Weder wirkt die Rechtskraft des Urteils im ersten Nichtigkeitsverfahren gegen die Klägerin, noch ist die Klägerin als "Strohmann" der Klägerin des vorangegangenen Verfahrens an einer erneuten Klage gehindert. Auch die Beklagte behauptet nicht, dass die jetzige Klägerin die
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Rechtsnachfolgerin der damaligen Klägerin sei. Sie trägt vielmehr vor, die Geschäftstätigkeit des Vertriebs von Tintenpatronen in Deutschland habe unter der vollen Kontrolle der Schweizer Muttergesellschaft beider Klägerinnen, der P. AG, gestanden. Von dieser habe die jetzige Klägerin diesen Geschäftsbereich im Wege von "Asset Deals" erworben, während die frühere Nichtigkeitsklägerin nicht mehr geschäftlich tätig sei. Daraus ergibt sich nicht, dass die Klägerin nach § 325 ZPO gehindert wäre, Nichtigkeitsklage zu erheben. Hierfür genügt eine enge wirtschaftliche Verflechtung nicht. Die Rechtskraft wirkt vielmehr grundsätzlich nur zwischen den Parteien des rechtskräftig entschiedenen Rechtsstreits und den Personen, die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Soweit sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung auf § 631a BGB und die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hierzu berufen hat, kommt eine Übertragung des dieser Vorschrift zugrundeliegenden Rechtsgedankens auf den vorliegenden Fall nicht in Betracht. Sinn dieser Vorschrift ist es, dass der Arbeitnehmer durch den Betriebsübergang keinen Nachteil erleidet, insbesondere seine Arbeitsstelle nicht verliert (BAG, Urteil vom 19. März 2009 - 8 AZR 722/07, BAGE 130, 90 = NJW 2009, 3260). Derartige oder vergleichbare Ge- sichtspunkte stehen hier nicht im Raum, so dass schon von daher eine entsprechende Anwendung ausscheidet. Die Beklagte hat auch nicht dargelegt, dass die jetzige Klägerin als
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"Strohmann" der früheren Klägerin an der Klage gehindert wäre. Dem steht entgegen, dass die Klägerin jedenfalls auch ein Eigeninteresse an der Nichtigerklärung des Streitpatents hat (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juni 1987 - X ZR 97/86, GRUR 1987, 900, 903 - Entwässerungsanlage). Auf diese Entscheidung hat sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung bezogen und ausgeführt, es komme danach jedenfalls die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben in Betracht. Anders als in dem dort Entschiedenen liegen im vorliegenden Fall jedoch keine Besonderheiten vor, die dies gerechtfertigt erscheinen ließen. Diese Besonderheiten bestanden in dem dort entschiedenen Fall darin, dass der Geschäftsführer der Klägerin zugleich deren alleiniger Gesellschafter war. Nach der Entscheidung des Senats wäre in einem solchen Fall eine den Alleingesellschafter treffende Nichtangriffspflicht wertlos, wenn er diese im "Gewand der Gesellschaft" umgehen könnte. Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt hier nicht vor. II. Das Streitpatent betrifft eine Tintenpatrone zum Speichern von
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Tinte, die dem Tintenstrahlkopf eines Druckers zugeführt werden soll. Die Patentschrift beschreibt eingangs die Nachteile, die bei bekannten Druckern mit lösbarer Verbindung von Patrone und Druckkopf im Falle der Trennung der Verbindung auftreten. Es könne Luft in die Tintenpatrone eindringen und verhindern, dass eine Tintenbahn zwischen dem Aufzeichnungskopf und der Tintenpatrone gebildet werde (S. 2 Z. 56 bis 58). Auch könne Luft im Tintenzuführabschnitt in dem Tintenabsorber komprimiert werden, wenn der Tinteneinlassabschnitt des Aufzeichnungskopfes in die Tintenpatrone eingesetzt werde, wobei die Luft ebenfalls die Ausbildung der Tintenbahn verhindere (S. 3 Z. 22 bis 34). Zur Vermeidung dieser Nachteile sei ein Ventilmechanismus zum Schließen des Tintenauslasses vorgeschlagen worden, um das Einströmen von Luft in die Tintenbahn während des Trennens und Wiederverbindens zu verhindern. Dies führe jedoch zu höheren Produktionskosten und zu zusätzlichen Teilen. Die Patrone weise zudem eine höhere Baugröße und ein schlechtes Betriebsverhalten auf (S. 13 Z. 43 bis 47). Dem Streitpatent liegt das Problem zugrunde, nach dem Trennen
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und Verbinden der Tintenpatrone mit einem Aufzeichnungskopf kostengünstig und zuverlässig das Lecken von Tinte zu verhindern und eine beständige Tintenzufuhr sicherzustellen.
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Die erfindungsgemäße Lösung hat der Senat in seinem Urteil vom 4. Oktober 2007 wie folgt gegliedert: 1. Tintenpatrone mit 1.1 einem Tintenspeicherteil mit einem porösen Element zum Speichern von Tinte, 1.2 einem Tintenzuführabschnitt zum Zuführen der Tinte vom Tintenspeicherteil zur Außenseite der Tintenpatrone und 1.3 einem Tinteninduzierelement zwischen dem Tintenspeicherteil und dem Tintenzuführabschnitt. 2. Das Tinteninduzierelement 2.1 ist so gegen das poröse Element gedrückt, dass dieses verformt ist, 2.2 ist von einem Halteglied so gehalten, 2.2.1 dass es zum Tintenzuführabschnitt gleiten kann, 2.2.2 wobei die Gleitbewegung durch ein Begrenzungsglied begrenzt wird, und 2.3 ist als Faserbündel ausgebildet, dessen Fasern in Gleitrichtung angeordnet sind.
Merkmal 2.2 bezeichnet entgegen der Auffassung der Berufung
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keine optionale Ausgestaltung, die zur Verwirklichung der patentgemäßen Lehre nicht zwingend vorliegen müsste. Es trifft allerdings zu, dass die Streitpatentschrift als erstes Ausführungsbeispiel in Figur 3a und 3b eine Tintenpatrone zeigt, bei der das Tinteninduzierelement (47) vom Lagerabschnitt (41) der Patrone gehalten wird (S. 7 Z. 18), während beim zweiten Ausführungsbeispiel das Element (47) gleiten kann. Diesen Unterschied stellt die Streitpatentschrift auf Seite 14 Zeilen 5 bis 8 dar. Dort heißt es: "Fig.12 is a cross sectional view of a second embodiment of the recording unit in accordance with the present invention. In this embodiment an ink-including element 47 is able to slide in a holder portion 41 to contact with filter 43 of the recording head 2 in a direction of a pointing arrow D.” Weiter werden in der Streitpatentschrift die Vor- und Nachteile der beiden Ausführungsformen dargestellt (S. 14 Z. 12 bis 16). Auch dort wird der Unterschied zwischen beiden Ausführungsformen darin gesehen, dass bei der zweiten Ausführungsform das Tinteninduzierelement gleitfähig sein soll, während es bei der ersten feststehend gehalten ist. Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist demgegenüber (nur) ein gleitfähiges, in seiner Bewegung zum Tintenzuführabschnitt durch ein Begrenzungselement limitiertes Tinteninduzierelement. Der Widerspruch zwischen Patentanspruch und Beschreibung kann nicht dadurch aufgelöst werden, dass Patentanspruch 1 des Streitpatents so ausgelegt wird, dass gleichwohl beide Ausführungsformen unter Patentanspruch 1 fallen. Vielmehr darf die Beschreibung nur insoweit berücksichtigt werden, wie sie sich als Erläuterung des Gegenstands des Patentanspruchs lesen lässt (BGH, Urteil vom 10. Mai 2011 - X ZR 16/09, BGHZ 189, 330 - Okklusionsvorrichtung). Insbesondere darf der engere Patentanspruch nicht nach Maßgabe der weiter gefassten Beschreibung interpretiert werden. Der Patentanspruch hat vielmehr Vorrang gegenüber der Beschreibung (BGH, Urteile vom 7. September 2004 - X ZR 255/01, BGHZ 160, 204, 209 - bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; vom 13. Februar 2007 - X ZR 74/05, BGHZ 171, 120 - Kettenradanordnung I; vom 17. April 2007 - X ZR 72/05, BGHZ 172, 88, 97 - Ziehmaschinenzugeinheit I; vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 36/08, GRUR 2010, 602 - Gelenkanordnung

).


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III. Das Patentgericht hat diesen Gegenstand für patentfähig erachtet und dies wie folgt begründet: Die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass Patronen mit den
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Merkmalen des Streitpatents vor dem ersten Prioritätstag offenkundig vorbenutzt worden seien. Die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen zeigten dies nicht. Die vernommenen Zeugen hätten den Vortrag der Klägerin nicht bestätigt. Eine weitere Beweisaufnahme sei nicht veranlasst. Es sei von der Klägerin auch kein Anscheinsbeweis erbracht worden, aufgrund dessen die Beklagte, wie von der Klägerin gefordert, Geschäftsunterlagen über Produktion und Vertrieb der Tintenpatronen aus dem Jahr 1993 vorzulegen habe. Nach der Vernehmung des gegenbeweislich benannten Zeugen U. bestehe vielmehr kein Zweifel, dass es zwei Versionen der Patrone gegeben habe, die von außen gesehen kaum Unterscheidungsmerkmale aufgewiesen hätten. Zur Planung der verbesserten (patentgemäßen ) Version habe der Zeuge eindeutige Angaben gemacht, die es als unzutreffend, zumindest aber als höchst zweifelhaft erscheinen ließen, dass zum Prioritätszeitpunkt bereits die patentgemäße Version vertrieben worden sei oder sich in einem auf der CEBIT 1993 ausgestellten Rechner befunden hätten.
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Auf die behauptete Benutzung im Prioritätsintervall komme es nicht an. Die Tintenpatrone nach Patentanspruch 1 sei in der ersten Prioritätsanmeldung als eigenständiger Erfindungsgegenstand offenbart. Zwar umfasse die Voranmeldung ein Tintenstrahlaufzeichnungsgerät als Ganzes. Hieraus entnehme der Fachmann aber nicht, dass die angemeldete Erfindung nur ein derartiges Aufzeichnungsgerät betreffe. Schon die Darstellung der Aufgabe der Erfindung lasse vielmehr erkennen, dass die vorgeschlagene Lösung im Wesentlichen von der Beschaffenheit der Tintenpatrone getragen werde. Zudem sei die Tintenpatrone als solche ausdrücklich als zweite Ausführungsform der Erfindung beschrieben. Auch wenn ein allein auf die Ausgestaltung der Tintenpatrone gerichteter Patentanspruch nicht formuliert sei, so zeige die Beschreibung der zweiten Ausführungsform , dass schon die Tintenpatrone allein Gegenstand der Erfindung sein solle. Dies erkenne der Fachmann auch deshalb, weil die in den Patentansprüchen und in der Beschreibung enthaltenen Angaben zum Aufzeichnungsgerät und zum Druckkopf dem am Anmeldetag bekannten Stand der Technik entsprochen hätten. Der Gegenstand des Streitpatents werde auch durch die veröffent17 lichte europäische Patentanmeldung 0 444 654 (D1) nicht vorweggenommen. Bei der Aufzeichnungseinheit nach der D1 würden die Komponenten Druckkopf und Tintenbehälter untrennbar miteinander verbunden. Sie sei mithin nicht für ein wiederholtes Trennen und Zusammenfügen geeignet. Die Lehre des Streitpatents beruhe auch auf erfinderischer Tätig18 keit. Wenn der Fachmann eine Ausgestaltung habe auffinden wollen, die für ein wiederholtes Trennen und Zusammenfügen von Druckkopf und Patrone geeignet sei, habe er die in der D1 vorgeschlagene Lösung nicht zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen gemacht. Jedenfalls führe die in der D1 vorgeschlagene Lösung nicht in naheliegender Weise zur Lehre des Streitpatents. Die japanische Offenlegungsschrift Hei 5-104735 (D3) gebe bereits eine Ausgestaltung der Patrone und ihrer tintenleitenden Verbindungselemente für eine separate Handhabung an. Damit bestehe kein Anlass, diese abzuändern. Überlegungen des Fachmanns zu einer solchen Abänderung führten im Übrigen nicht zur Erfindung. Die japanische Offenlegungsschrift Hei 4-179553 (D2) zeige schon kein poröses Element im Tintenspeicherabschnitt der Patrone. Außerdem sei das Induzierelement (50) wie bei der D1 und der D3 unverschiebbar befestigt und stehe über die Patronenwandung nach außen vor. Schon deswegen habe der Fachmann dieser Schrift keine Anregung zur Schaffung der patentgemäßen Tintenpatrone entnehmen können. Eine Zusammenschau der Druckschriften sei schon für sich ge19 nommen nicht naheliegend gewesen. Jede der bekannten Ausführungsformen habe bereits eine konstruktiv abgeschlossene Ausgestaltung gezeigt. Die Veränderung eines einzelnen Verbindungselements oder Verbindungsprinzips ziehe eine Anpassung der übrigen Elemente nach sich und zwinge daher zur Neukonstruktion. Selbst wenn man unterstelle, dass der Fachmann gleichwohl eine Zusammenschau vornehme, fehle es an einem Anlass, gerade die entsprechenden Merkmale zu einem Ganzen zusammenzuführen und andere Merkmale wegzulassen.
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IV. Dies wird von der Berufung nur zum Teil angegriffen und hält insgesamt der Nachprüfung stand. 1. Soweit das Patentgericht nach dem Ergebnis der Beweis21 aufnahme eine offenkundige Vorbenutzung vor dem ersten Prioritätstag verneint hat, greift die Klägerin diese - aus Rechtsgründen nicht zu beanstandende - Beweiswürdigung nicht mehr an. Sie macht vielmehr geltend, in der von der Beklagten vorgetragenen Übermittlung der konstruktiven Details des Tintentanks an einen Zulieferer zum Zwecke der Kostenschätzung in der Zeit von Ende Juni bis zum 23. Juli liege eine offenkundige Vorbenutzung. Dies trifft nicht zu, da unter den gegebenen Umständen auch unabhängig von der von der Beklagten behaupteten ausdrücklichen Geheimhaltungsvereinbarung eine vertrauliche Behandlung der Unterlagen zu der Neuentwicklung zu erwarten war (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1998 - X ZR 137/94, Mitt. 1999, 362, 364 - Herzklappenprothese

).

2. Auf eine offenkundige Benutzung in der Folgezeit kommt es
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nicht an, denn das Streitpatent kann die Priorität vom 20. Juli 1993 in Anspruch nehmen. Der Gegenstand der Erfindung ist in dieser Voranmeldung unmittelbar und eindeutig offenbart. Das Patentgericht hat dies mit rechtsfehlerfreien Erwägungen, die
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als solche auch nicht angegriffen werden und keiner Ergänzung bedürfen, zutreffend ausgeführt. Die Berufung legt demgegenüber ein nicht gerechtfertigtes Gewicht auf den Umstand, dass die Erfindung in der Anmeldung als Tintenstrahlaufzeichnungseinheit bezeichnet wird und die Patentansprüche der Anmeldung auf eine solche Einheit gerichtet sind. Dies ist solange unschädlich, wie der Anmeldung nicht entnommen werden muss, dass die zum Patentschutz angemeldete Erfindung erst und nur darin besteht , dass die in Übereinstimmung mit dem Streitpatent näher beschriebene Tintenpatrone mit einem Aufzeichnungskopf bestimmter Beschaffenheit zusammengefügt wird. Davon kann aus den vom Patentgericht angeführten Gründen keine Rede sein, und dies liegt auch deswegen fern, weil Aufzeichnungskopf und Tintenpatrone ohnehin voneinander abtrennbar sind und bereits in Anspruch 1 der Prioritätsanmeldung ausdrücklich als voneinander abtrennbar bezeichnet werden. Die durch das Streitpatent geschützte, zur Verbindung mit einem Tintenstrahlaufzeichnungskopf bestimmte und geeignete Tintenpatrone wird in der Anmeldung offenbart, die diese Tintenpatrone - sachlich übereinstimmend - als in neuer Weise ausgebildeten Bestandteil einer - an sich bekannten - Tintenstrahlaufzeich- nungseinheit beschreibt. Klar gestützt wird dies schon durch die Darstellung der Aufgabe der Erfindung in Abschnitt 6 der Beschreibung, wonach die Erfindung darauf zielt, für Tintenstrahlaufzeichnungseinheiten, bei denen Tintenstrahlaufzeichnungskopf und Tintenpatrone beliebig voneinander trennbar sind, eine kostengünstige Tintenpatrone mit einer hohen Zuverlässigkeit anzubieten, die gegenüber dem Stand der Technik eine höhere Leistungsfähigkeit aufweist und durch die eine konstante Tintenversorgung erzielbar ist. Allein eine solche Tintenpatrone wird demgemäß auch bei der Erörterung einer zweiten Ausführungsform der Erfindung beschrieben (Abschn. 21). Dort wird auch dargestellt, dass durch den Aufbau der Patrone der Tinteninduzierungskörper stabil mit dem Filter anliegt, auch wenn der Tinteninduzierungskörper mit einer großen Maßtoleranz in den Längsrichtungen ausgelegt wird. Damit kann der Fachmann erkennen , dass die angemeldete Erfindung - auch und vor allem - in der Gestaltung der Tintenpatrone zum Ausgleich von Längentoleranzen liegt. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass Merkmal 2.2 in der
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Anmeldung nicht unmittelbar und eindeutig offenbart sei, kann ihr nicht beigetreten werden. In Abschnitt 21 der Beschreibung ist ausdrücklich erwähnt , dass das Tinteninduzierelement parallel zur Filteranlagerichtung des Tintenstrahlaufzeichnungskopfes verschiebbar angeordnet und durch einen an der Tintenpatrone vorgesehenen Anschlag vor einem Herausfallen nach außen geschützt sei; durch diesen Aufbau liege der Tinteninduzierungskörper stabil in dem Filter an. Der in Bezug genommenen Figur 10 ist zu entnehmen, dass der Verschiebeweg durch die seitliche Führung des Tinteninduzierelements einerseits und den in der Beschreibung erwähnten Anschlag andererseits bestimmt wird. Damit ist die gleitende Lagerung in einem Halteglied nach Merkmal 2.2 klar offenbart.
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3. Der druckschriftliche Stand der Technik nimmt den Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents nicht vorweg, dieser war dem Fachmann auch nicht durch den druckschriftlichen Stand der Technik nahegelegt.
a) Die Ausführungen des Patentgerichts zu den Druckschriften D1
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und D2 werden von der Berufung nicht angegriffen und lassen keinen Rechtsfehler erkennen.
b) Die Klägerin hat sich in der mündlichen Verhandlung vor allem
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auf die neu entgegengehaltene japanische Offenlegungsschrift Hei 5-96742 (D5) bezogen und ausgeführt, das Tinteninduzierelementsei bei dieser Ausgestaltung innerhalb des Auslassabschnitts durch den Abschnitt 55, der ein Halteelement sei, gleitfähig gehalten. Eine Verhinderung einer solchen Gleitbewegung werde im Dokument nicht angesprochen. Da das Faserbündel nicht fixiert sei, sei es ebenso wie das Tinteninduzierelement des Streitpatents gleitfähig oder beweglich angeordnet. Dies trifft nicht zu. In Abschnitt 21 der Beschreibung der D5 wird
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allerdings angegeben, dass von der Unterfläche des porösen Teils ausgehend ein Ende des Faserbündelstreifens in die Spitzbohrung eingesetzt wird. Dies lässt es offen, ob das Faserbündel auch nach dem Einsetzen in die Spitzbohrung beweglich bleibt. Abschnitt 25 beschreibt jedoch sodann, dass die Tintenpatrone so ausgebildet ist, dass bei dem Anbringen des Faserbündelstreifens das Vorderteil dieses Streifens dicht an dem elastischen porösen Teil anliegt, wodurch das Eindringen von Luft verhindert und der Durchfluss der Tinte vereinfacht werde. Dies bedeutet, dass zwischen dem elastischen Element und dem Faserbündelstreifen ein Kontakt besteht, der voraussetzt, dass die Lagerung des Faserbündels die erforderliche Festigkeit aufweist, damit gewährleistet ist, dass das Faserbündel gegenüber dem elastischen porösen Teil nicht zurückweicht, sondern dort dicht anliegt. Dies wird in Abschnitt 27 dahingehend näher beschrieben, dass der Faserbündelstreifen mit hoher Dichte an der Spitzbohrung vorgesehen sei, um die Leckage der Tinte so gering wie möglich zu halten. Die hohe Dichte wird auch im Abschnitt 21 der Beschreibung hervorgehoben. Danach kann der Fachmann der D5 keine gleitfähige oder bewegliche Anordnung im Sinne des Merkmals 2.2 entnehmen. Er erhält mithin durch die D5 auch keine Anregung, eine solche zum Ausgleich von Längentoleranzen einzusetzen.
c) Die von der Klägerin weiter neu eingeführte japanische
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Offenlegungsschrift Hei 4-110157 (D4) kommt dem Streitpatent nicht näher als die D5. Insbesondere ist auch in dieser Schrift eine gleitfähige Lagerung nicht beschrieben. Die Annahme, die D4 offenbare mit dem Faserbündel 49 ein gleitfähiges Tinteninduzierelement, ist eine aus dem Streitpatent an den Stand der Technik herangetragene Interpretation und findet in der Schrift keine Stütze. Die Stirnseite des Faserbündelteils ist nach der Beschreibung der D4 eben ausgebildet und ragt vom Öffnungsende des Tintenreservoirs 48 derart nach oben hervor, dass diese Stirnseite dicht am Filterelement 38 anliegt, wenn die Tintenpatrone 30 montiert wird, d.h. wenn das Tintenreservoir 48 ins Öffnungsteil des Tintenwegs 33 der Tintenpatrone eingesteckt wird (Übers. S. 10, letzter Abs.). Alternativ kann ein Filterelement 138 statt auf der Seite der Tintenpatrone 130 auf der Seite des Tintenaufnahmeteils 142 vorgesehen sein (Übers. S. 13, 3. Abs.). Eine gleitfähige oder bewegliche Anordnung im Sinne des Merkmals 2.2 des Streitpatents ist bei keiner Alternative beschrieben, dargestellt oder aus dem funktionalen Zusammenhang ableitbar. Damit ergab sich für den Fachmann aus der D4 auch keine Anregung, eine solche Anordnung zum Ausgleich von Längentoleranzen des Faserbündelteils vorzusehen.
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d) Was schließlich die D3 betrifft, so sieht der Senat keinen Anlass, von seiner bereits im Urteil vom 4. Oktober 2007 getroffenen Würdigung abzuweichen. Soweit die Klägerin mit einer Gleitfähigkeit des Tinteninduzierelements bei der Montage oder einer theoretischen Gleitfähigkeit , die bestünde, wenn sie nicht verhindert würde, argumentiert, rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung.
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V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO. Meier-Beck Mühlens Grabinski Schuster Deichfuß
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 19.01.2011 - 5 Ni 103/09 (EU) -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 325 Subjektive Rechtskraftwirkung


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IM NAMEN DES VOLKES
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4. Oktober 2007
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. Oktober 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Scharen, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck
und Gröning

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 24. September 2003 verkündete Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des europäischen Patents 0 635 373 (Streitpatents ), das unter Inanspruchnahme japanischer Patentanmeldungen vom 20. Juli und 29. November 1993 am 13. Dezember 1993 angemeldet und unter anderem mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilt worden ist. Es betrifft ein "ink jet recording apparatus using recording unit with ink cartridge having ink inducing element" und umfasst 39 Patentansprüche.
2
Der allein angegriffene Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Englisch: "An ink cartridge comprising: an ink-reserving portion with a porous member for storing ink; an ink-supply portion for supplying ink from said ink-reserving portion to an outside of said ink cartridge; characterized in that an ink-inducing element is arranged between said ink-reserving portion and said ink-supply portion so as to press said porous member of said ink-reserving portion so that said porous member is deformed ; a holding member for holding said ink inducing element; a restriction member to limit said ink inducing element to slide toward said ink-supply portion; said ink-inducing element is slidably held by said holding member, and is formed as a bundle of fibers in which each fiber is provided along a sliding direction of said ink-inducing element."
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Die Klägerin will erreichen, dass Patentanspruch 1 für nichtig erklärt wird, weil die Lehre des Streitpatents nicht neu sei und jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
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Das Bundespatentgericht hat die Klage abgewiesen.
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Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.
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Die Beklagte tritt dem entgegen.
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Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr. S. B. , , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


8
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist neu. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung steht auch nicht fest, dass die Lehre des Patentanspruchs 1 des Streitpatents nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht und aus diesem Grunde Patentanspruch 1 für nichtig zu erklären wäre.
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I. Das Streitpatent betrifft eine Tintenstrahlaufzeichnungsvorrichtung, z.B. einen Tintenstrahldrucker. Diese weist einen Schlitten auf, an dem die Aufzeichnungseinheit (auch Tintenstrahleinheit) lösbar montiert werden kann. In die Aufzeichnungseinheit sind der Tintenstrahlkopf (auch Aufzeichnungskopf) und die Tintenpatrone (auch Tintentank) integriert, wobei Tintenstrahlkopf und Tintenpatrone gleichfalls lösbar miteinander verbunden sind.
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Die Beschreibung (S. 2 Z. 38 f.) gibt an, dass bei solchen Vorrichtungen die Tintenpatrone mit einem Mechanismus versehen sein muss, der einen Unterdruck erzeugt, bei dem der Wassersäulendruck der Tinte auf einem Wert gehalten wird, der in ausreichender Weise geringer ist als der Atmosphärendruck , um ein Lecken von Tinte aus den Düsen des Aufzeichnungskopfes zu stoppen. Als in der Tintenpatrone vorgesehener Mechanismus zum Erzeugen eines Unterdrucks finde - wie in der Beschreibung weiter ausgeführt wird - ein poröses Element als Tintenabsorptionselement Verwendung, das eine Kapillarkraft des porösen Elements erzeuge. Bei der Vorrichtung, die in der japanischen Patentanmeldung 2-187364 beschrieben werde, besitze die Tintenpatrone eine solche Konstruktion. Der Tinteneinlassabschnitt des Aufzeichnungskopfes sei unter Druck in den Tintenabsorber der Tintenpatrone eingesetzt, um den Wirkungsgrad in Bezug auf den Verbrauch der Tinte zu erhöhen. Die Kapillarkraft des porösen Elements werde dabei an dieser Stelle erhöht, indem der Tintenabsorber um den Tinteneinlassabschnitt herum verformt werde.
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Bei lösbaren Aufzeichnungsköpfen ergibt sich jedoch, wie die Beschreibung weiter ausführt, die Schwierigkeit, dass nach Trennen und Verbinden von Tintenpatrone und Aufzeichnungskopf dieser keine Tinte aus der Tintenpatrone aufnimmt. Dies liegt vor allem daran, dass beim Trennen Luft in die Tintenpatrone eindringt und so verhindert, dass eine durchgehende Tintenbahn zwischen der Tintenpatrone und dem Aufzeichnungskopf gebildet wird. Zusätzlich zu diesem Problem soll nach der Streitpatentschrift berücksichtigt werden, dass, wenn der Aufzeichnungskopf von dem Vorratsbehälter getrennt ist, Tinte aus dem Tintenverbindungsabschnitt leckt; es soll gewährleistet werden, dass dem Aufzeichnungskopf ständig die geeignete Menge an Tinte zugeführt wird und beim Verbrauch der in der Tintenpatrone gespeicherten Tinte der Wirkungsgrad möglichst groß ist (Streitpatentschrift S. 3 Z. 52-54).
12
Die Streitpatentschrift bezeichnet es vor diesem Hintergrund als Aufgabe der Erfindung, eine Tintenpatrone mit geringen Kosten und hoher Zuverlässigkeit zu schaffen, bei der nach dem Trennen und Verbinden eines Aufzeichnungskopfes und einer Tintenpatrone das Lecken von Tinte verhindert und eine beständige Tintenzufuhr sichergestellt wird.

13
Die Streitpatentschrift schlägt hierzu eine Tintenpatrone mit folgenden Merkmalen vor: Tintenpatrone mit 1. einem Tintenspeicherteil mit einem porösen Element zum Speichern von Tinte, 2. einem Tintenzuführabschnitt zum Zuführen der Tinte vom Tintenspeicherteil zur Außenseite der Tintenpatrone und 3. einem Tinteninduzierelement zwischen dem Tintenspeicherteil und dem Tintenzuführabschnitt.
4. DasTinteninduzierelement
4.1 ist so gegen das poröse Element gedrückt, dass dieses verformt ist,
4.2 ist von einem Halteglied so gehalten,
4.2.1 dass es zum Tintenzuführabschnitt gleiten kann,
4.2.2 wobei die Gleitbewegung durch ein Begrenzungsglied begrenzt wird, und
4.3 ist als Faserbündel ausgebildet, dessen Fasern in Gleitrichtung angeordnet sind.
14
Damit umfasst die Tintenpatrone nach Patentanspruch 1 des Streitpatents einen Tintenspeicherteil mit einem porösen Element zum Speichern von Tinte und einen Tintenzuführabschnitt. Zwischen dem Tintenspeicherteil und dem Tintenzuführabschnitt ist ein Tinteninduzierelement angeordnet, das aus einem Faserbündel besteht, wobei jede Faser parallel zum Tintenstrom vom Tintenspeicher zum Tintenzuführabschnitt angeordnet ist. Merkmal 4.1 ist dabei so zu verstehen, dass das Tinteninduzierelement permanent so gegen das poröse Element gedrückt ist, dass dieses verformt ist; die Verformung erfolgt nicht erst beim Verbinden von Tintenpatrone und Aufzeichnungskopf. Dies ergibt sich daraus, dass Gegenstand des Patentanspruchs 1 eine Patrone als solche ist, nicht dagegen eine Patrone, die einem Aufzeichnungskopf Tinte zuführt; letzteres ist erst Gegenstand von Patentanspruch 4. Dieses Verständnis des Patentanspruchs 1 ist durch die - maßgebliche - englische Fassung vorgegeben, als danach das Tinteninduzierelement so gegen das poröse Element gedrückt ist, dass dieses verformt ist (is deformed). Das Tinteninduzierelement kann in einem Halteglied gleiten, wobei ein Begrenzungselement die Gleitbewegung in axialer Richtung beschränkt. Über die Gleitbewegung können Toleranzen in der Länge der Fasern des Faserbündels ausgeglichen werden.
15
II. Die Lehre des Streitpatents ist neu. Sie wird in keiner der entgegengehaltenen Druckschriften vollständig beschrieben. Keine der Entgegenhaltungen offenbart ein Element, das zum Tintenzuführabschnitt gleiten kann und über eine Gleitbewegung die Toleranzen des Tinteninduzierelements ausgleichen kann. Dies gilt auch für die US-Patentschrift 3 355 239 (D3).
16
Die US-Patentschrift 3 355 239 (D3) zeigt eine Schreib-/Zeichenvorrichtung (Marker). Diese weist einen rohrförmigen Tank auf, in dem sich poröses Füllmaterial befindet, das die Tinte speichert. Sie hat eine Spitze aus zu Kapillarwirkung fähigem Material, deren hinteres Ende in das poröse Füllmaterial hineinragt und deren vorderes Ende als Schreibspitze ausgebildet ist. Die Spitze ist so gelagert, dass sie sich bei einer Zunahme des Schreibdrucks nach innen bewegt und das Ende des Füllmaterials zusammendrückt. Dies bewirkt, dass der Tintenfluss zunimmt. Setzt man den rohrförmigen Tintentank mit der Tintenpatrone gleich, stellt der hintere Teil der Spitze das Tinteninduzierelement dar, das das Füllmaterial verformt und für eine Zunahme des Tintenflusses sorgt. Dieses ist jedoch nicht als Faserbündel ausgebildet. Eine Gleitbewegung zum Ausgleich der Toleranzen in der Länge dieses Faserbündels ist daher weder erforderlich noch vorgesehen. Damit verwirklicht die Vorrichtung nach dieser Schrift jedenfalls nicht diese Merkmale der Lehre des Streitpatents.
17
III. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung steht auch nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Lehre des Streitpatents nach dem Stand der Technik für den Fachmann nahegelegt war.
18
Mit dem gerichtlichen Sachverständigen geht der Senat davon aus, dass auf dem Gebiet der Entwicklung von Tintenstrahlaufzeichnungsvorrichtungen Diplomingenieure (TU oder FH) tätig sind, die durch praktische Tätigkeiten auf diesem Gebiet Erfahrung im methodischen Konstruieren und in der Entwicklung gesammelt haben.
19
Verhandlung und Beweisaufnahme haben keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass unter Berücksichtigung der Kenntnisse und Erfahrungen eines solchen Fachmanns Veranlassung dafür bestand, eine elastische Gestaltung zum Ausgleich von Toleranzen im Faserbündel durch ein Tinteninduzierelement gemäß Merkmalsgruppe 4 zu erreichen.
20
Mit der Ausgestaltung des Tinteninduzierelements gemäß Merkmalsgruppe 4 wird gewährleistet, dass zu jeder Zeit ein luftblasenfreier Kontakt zwischen dem Tinteninduzierelement und dem Tintenkanal des Aufzeichnungskopfes besteht. Eine Lösung, die dieses Ziel erreicht, gab es bereits im Stand der Technik. Die japanische Offenlegungsschrift 05-104735 (D4) betrifft eine Tintenpatrone mit einem Gehäuse, das ein poröses Teil zur Aufnahme der Tinte enthält, und einem Tintenauslass, in dem sich ein poröses Teil oder Faserbündelteil befindet, das in Kontakt mit dem porösen Teil in dem Gehäuse steht und eine höhere Dichte als dieses aufweist. Dieses Faserbündel ist, wie das Bundespatentgericht ausgeführt und der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, in dem Halteelement (25) befestigt, damit erreicht wird, dass das Faserbündel sich in das Speicherelement hineindrückt, um einen ungestörten Tintenfluss vom porösen Element zum Tintenkanal im Aufzeichnungskopf zu gewährleisten. Toleranzen in den Abmessungen des Faserbündels werden bei der Lösung nach dieser Schrift durch ein poröses Kissen aufgefangen, das am Aufzeichnungskopf angebracht ist. Dieses wird in der Entgegenhaltung als "elastisches poröses Teil" (33) bezeichnet. Damit wird ein feststehendes - nicht wie beim Streitpatent ein gleitendes - Teil zum Ausgleich der Toleranzen eingesetzt, das zudem am Aufzeichnungskopf angebracht ist. Aus Sicht des Fachmanns mag Anlass bestanden haben, über eine Verlagerung dieses Elements vom Aufzeichnungskopf an die Patrone nachzudenken, beispielsweise deshalb, weil die Patrone das kostengünstigere Element ist und zudem in regelmäßigen Abständen ausgetauscht wird. Das führte den Fachmann aber noch nicht zur Lösung des Streitpatents. Wollte er lediglich eine solche Verlagerung erreichen, bestand die vergleichsweise einfache Möglichkeit, das poröse Kissen nach oben zu verschieben, am Ende des Faserbündels zu befestigen und dann das poröse Element im Tintentank entsprechend einzustellen. Die Hilfsmittel, den jeweiligen Druck so einzustellen, hat der Fachmann nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen im Prioritätszeitpunkt des Streitpatents beherrscht. Die Lösung des Streitpatents verlangte demgegenüber eine Neukonstruktion , bei der ein elastisches Zwischenteil durch eine konzeptionell anders zu bewertende federnde gleitfähige Lagerung des Tinteninduzierelements ersetzt wird. Zwar waren dem Fachmann, wie der gerichtliche Sachverständige ausgeführt hat und wovon auch das Bundespatentgericht ausgegangen ist, aus der Konstruktionstechnik allgemein Mittel bekannt, einen Toleranzausgleich, wie ihn das Streitpatent vorschlägt, vorzusehen. Auf sie überzugehen, setzte aber zunächst die Abstraktion des Problems der elastischen Bauweise und sodann die Wahl eines anderen Konstruktionsansatzes voraus. Der Fachmann kannte zwar die dazu einsetzbaren Mittel, deren Verwendung nahegelegen haben mag, wenn der Schritt zu der anderen Konzeption vollzogen war. Der Senat kann jedoch nicht feststellen, dass für den Fachmann Anlass bestand, diesen, eine Neukonstruktion verlangenden Schritt zu vollziehen.
21
Die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften gaben hierzu gleichfalls keine Veranlassung.
22
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 PatG i.V. mit § 97 ZPO.
Melullis Scharen Mühlens
Meier-Beck Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 24.09.2003 - 4 Ni 35/02 (EU) -

(1) Das rechtskräftige Urteil wirkt für und gegen die Parteien und die Personen, die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind oder den Besitz der in Streit befangenen Sache in solcher Weise erlangt haben, dass eine der Parteien oder ihr Rechtsnachfolger mittelbarer Besitzer geworden ist.

(2) Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts zugunsten derjenigen, die Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, gelten entsprechend.

(3) Betrifft das Urteil einen Anspruch aus einer eingetragenen Reallast, Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld, so wirkt es im Falle einer Veräußerung des belasteten Grundstücks in Ansehung des Grundstücks gegen den Rechtsnachfolger auch dann, wenn dieser die Rechtshängigkeit nicht gekannt hat. Gegen den Ersteher eines im Wege der Zwangsversteigerung veräußerten Grundstücks wirkt das Urteil nur dann, wenn die Rechtshängigkeit spätestens im Versteigerungstermin vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten angemeldet worden ist.

(4) Betrifft das Urteil einen Anspruch aus einer eingetragenen Schiffshypothek, so gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 16/09 Verkündet am:
10. Mai 2011
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Okklusionsvorrichtung
EPÜ Art. 69

a) Bei Widersprüchen zwischen den Patentansprüchen und der Beschreibung
sind solche Bestandteile der Beschreibung, die in den Patentansprüchen keinen
Niederschlag gefunden haben, grundsätzlich nicht in den Patentschutz
einbezogen. Die Beschreibung darf nur insoweit berücksichtigt werden, als
sie sich als Erläuterung des Gegenstands des Patentanspruchs lesen lässt.

b) Offenbart die Beschreibung mehrere Möglichkeiten, wie eine bestimmte
technische Wirkung erzielt werden kann, ist jedoch nur eine dieser Möglichkeiten
in den Patentanspruch aufgenommen worden, begründet die Benutzung
einer der übrigen Möglichkeiten regelmäßig keine Verletzung des Patents
mit äquivalenten Mitteln.
BGH, Urteil vom 10. Mai 2011 - X ZR 16/09 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 10. Mai 2011 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Meier-Beck, den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens, den
Richter Dr. Grabinski und die Richterin Schuster

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten zu 1 werden das am 22. Dezember 2008 verkündete Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf aufgehoben und das am 31. Juli 2007 verkündete Urteil der 4b-Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert, soweit zum Nachteil der Beklagten zu 1 erkannt worden ist. Die Klage wird - auch im Umfang der Klageerweiterung in der Berufungsinstanz - abgewiesen. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin in erster und zweiter Instanz tragen der Beklagte zu 2 ein Achtel und die Klägerin sieben Achtel. Die Beklagte zu 1 wird von allen Kosten freigestellt. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens sowie die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 in erster und zweiter Instanz. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3 und 4 in erster Instanz trägt die Klägerin 15%. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist seit 2006 eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten, am 10. Juli 1995 international angemeldeten europäischen Patents 808 138 (Klagepatents), das eine Intravaskulär -Okklusionsvorrichtung und ein Verfahren zu deren Herstellung betrifft.
2
Die mit der Klage geltend gemachten Patentansprüche 1 und 16 lauten in der Verfahrenssprache Englisch und in der deutschen Übersetzung der Patentschrift : "1. A collapsible medical device (60) comprising a metal fabric formed of braided strands, the device (60) having a collapsed configuration for delivery through a channel in a patient's , and has a generally dumbbell-shaped expanded configuration with two expanded diameter portions (64) separated by a reduced diameter portion (62) formed between opposed ends of the device, characterized in that clamps (15) are adapted to clamp the strands at the opposed ends of the device. 16. A method of forming a medical device according to any one of the preceding claims, the method comprising the steps of (a) providing a metal fabric formed of a plurality of braided strands, the strands being formed of a metal which can be heat treated to substantially set a desired shape; (b) deforming the metal fabric to generally conform to an internal wall surface of a moulding element; (c) heat treating the metal fabric in contact with the surface of the moulding element at an elevated temperature, the temperature and the duration of the heat treatment being sufficient to substantially set the shape of the fabric in its deformed state; (d) removing the metal fabric from contact with the moulding element and (e) clamping the opposite ends of the strands of the device with clamps." "1. Kollabierbare medizinische Vorrichtung (60), umfassend ein aus geflochtenen Metalllitzen gebildetes Metallgewebe, wobei die Vorrichtung (60) eine kollabierte Konfiguration zur Zuführung durch einen Kanal in einem Patienten hat und eine allgemein hantelförmige entfaltete Konfiguration mit zwei Teilen mit erweitertem Durchmesser (64) hat, die durch einen zwischen entgegengesetzten Enden der Vorrichtung gebildeten Teil mit reduziertem Durchmesser (62) getrennt sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Klemmen (15) zum Festklemmen der Litzen an den entgegengesetzten Enden der Vorrichtungen ausgeführt sind. 16. Verfahren zum Herstellen einer medizinischen Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei das Verfahren die folgenden Schritte umfasst: (a) Bereitstellen eines Metallgewebes, das aus einer Mehrzahl von geflochtenen Litzen gebildet ist, wobei die Litzen aus einem Metall hergestellt werden, das wärmebehandelt werden kann, um im Wesentlichen eine gewünschte Form festzulegen; (b) Verformen des Metallgewebes, damit es allgemein einer inneren Wandfläche eines Formelements entspricht ; (c) Wärmebehandeln des Metallgewebes in Kontakt mit der Oberfläche des Formelements bei einer erhöhten Temperatur, wobei die Temperatur und die Dauer der Wärmebehandlung ausreichen, um die Form des Gewebes in seinem verformten Zustand im Wesentlichen festzulegen; (d) Entfernen des Metallgewebes aus dem Kontakt mit dem Formelement und (e) Festklemmen der entgegengesetzten Enden der Litzen der Vorrichtung mit Klemmen."
3
Die Beklagte zu 1, deren Geschäfte der Beklagte zu 2 geführt hat, vertreibt unter der Bezeichnung "F. O. " ein Verschlussimplantat zur Behandlung von Septumdefekten aus einem Metallgewebe, dessen (in der deutschen Übersetzung des Patentanspruchs als Litzen bezeichnete) Drähte aus einer Nickel-Titan-Legierung (Nitinol) bestehen. Die Drähte werden um etwa 180° umgeschlagen, wodurch die Drahtenden sämtlich am proximalen Ende der fertigen Vorrichtung zu liegen kommen. Nach einer formgebenden Wärmebehandlung wird über das Drahtbündelende eine Nitinolmuffe geschoben. Das Drahtbündel wird am proximalen Ende der Muffe abgeschnitten und ein Endabschnitt mit der Muffe verschweißt.
4
Die Klägerin hat deswegen die Beklagten zu 1 und 2 sowie die Beklagte zu 3 und deren Geschäftsführer, den Beklagten zu 4, wegen wortlautgemäßer, jedenfalls aber äquivalenter Verletzung des Klagepatents auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen. Das Landgericht hat im Wesentlichen antragsgemäß erkannt.
5
Im Berufungsverfahren hat die Klägerin im Weg der Anschlussberufung die Klage gegenüber den Beklagten zu 1 und 2 auf eine weitere Ausführungsform erweitert. Sie hat außerdem die Beklagten zu 1 und 2 auch aus einem deutschen Gebrauchsmuster und einem weiteren europäischen Patents in Anspruch genommen, insoweit die Klage jedoch wieder zurückgenommen.
6
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auch der Anschlussberufung entsprochen (OLG Düsseldorf, InstGE 10, 248).
7
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte zu 1 (im Folgenden auch: Beklagte) ihr Klageabweisungsbegehren in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:


8
Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung zur Abweisung der gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Klage.
9
I. Das Berufungsgericht hat dem Klagepatent das technische Problem entnommen, eine kollabierbare medizinische Vorrichtung, insbesondere eine solche, mit der Blutgefäße eines Patienten verschlossen werden können (Embolisationsvorrichtung ), zur Verfügung zu stellen, die präzise in ein Gefäß eingesetzt und am Ort ihres Einsatzes ohne Schwierigkeiten entfaltet werden kann.
10
Das Berufungsgericht hat Patentanspruch 1 des Klagepatents wie folgt gegliedert: 1. Kollabierbare medizinische Vorrichtung, die ein Metallgewebe umfasst. 2. Das Metallgewebe ist aus geflochtenen Metalllitzen (in der Verfahrenssprache : braided metal strands) gebildet. 3. Die Vorrichtung hat a. eine kollabierte Konfiguration zur Zuführung durch einen Kanal in einem Patienten und b. eine allgemeine hantelförmige entfaltete Konfiguration. 4. Die allgemein hantelförmige (entfaltete) Konfiguration hat a. zwei Teile mit erweitertem Durchmesser, die b. durch einen Teil mit reduziertem Durchmesser getrennt sind, der zwischen entgegengesetzten Enden der Vorrichtung gebildet ist; 5. Klemmen zum Festklemmen der Litzen (clamps … to clamp the strands) sind an den entgegengesetzten Enden der Vorrichtung aus- geführt.
11
Eine Ausführungsform zeigt Figur 5A des Klagepatents:
12
II. Die Beklagte zu 1 hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die angegriffenen Ausführungsformen FigullaPFO (Patent Foramen Ovale )-Occluder und FigullaASD-Occluder, katheterbasierte Verschlussimplantate zur Behandlung von Atriumseptumdefekten (Vorhofscheidewanddefekten), nämlich Perforationen der Herzscheidewand, gefertigt, auf einem Kongress in Frankfurt am Main vorgestellt, im Internet beworben und in den Verkehr gebracht (Abbildungen im Berufungsurteil S. 11 bis 13). Die Litzen bestehen dabei aus einstückigen Nitinoldrähten, die um etwa 180° umgeschlagen werden, wodurch die Litzenenden zusammen mit den in fertigem Zustand ohnehin dort positionierten Litzenenden sämtlich am späteren proximalen Ende der Vorrichtung und nicht an deren entgegengesetzten Enden zu liegen kommen. Diese ersten Ausführungsformen weisen einen Ring aus Nitinol (einer Nickel-Titan-Legierung mit "Formgedächtnis") auf, mit dem ein definierter proximaler Endabschnitt verschweißt oder verschmolzen wird; an dem Nitinolring wird eine Stahlmuffe mit Innengewinde befestigt, um ein Einschrauben eines Führungsdrahts zu ermöglichen. Die zweite Ausführungsform verzichtet auf den Nitinolring, die Stahlmuffe wird unmittelbar auf das zuvor verschweißte Ende des Drahtbündels aufgesetzt.
13
III. Das Berufungsgericht hat mit dem Landgericht angenommen, die angegriffene Ausführungsform I entspreche wortlautgemäß der technischen Lehre des Patentanspruchs 1. Die Verwirklichung der Merkmale 2 bis 4b des Sachanspruchs werde von den Beklagten mit Recht nicht in Abrede gestellt. Die Vorrichtungen seien auch kollabierbare Vorrichtungen im Sinn des Merkmals 1; auf Embolisationsvorrichtungen sei der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht beschränkt. Auch aus der Hantelform der geschützten Vorrichtung ergebe sich keine Einschränkung des Einsatzbereichs der Vorrichtung; diese könne auch zur Behandlung von Septumdefekten verwendbar sein. Das Berufungsgericht hat dabei angenommen, dass die erfindungsgemäße Vorrichtung in der kollabierten Form etwa mit Hilfe eines Katheters in ein Gefäß des Patienten eingeführt werden könne; werde sie aus dem distalen Ende des Katheters entlassen , könne sie eine definiert entfaltete Form einnehmen, die es gewährleiste, dass sie sich nicht unbeabsichtigt vom Einsatzort entfernen könne. Die Vorrich- tung werde innerhalb des zu verschließenden Gefäßes so positioniert, dass ihre Achse generell mit derjenigen des Blutgefäßes übereinstimme. Die besondere Hantelform der entfalteten Konfiguration begrenze dabei die Möglichkeit, dass sich die Verschlussvorrichtung gegenüber der Gefäßachse im Winkel verdrehe. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch von der Revision nicht beanstandet.
14
Ebenso sei das Merkmal 5 verwirklicht. Mit der erstmals in der Berufungsinstanz aufgestellten Behauptung, zur festen Verbindung der Drähte diene nicht die Nitinolmuffe, die keine Klemmwirkung entfalte, sondern die Plasmaschweißverbindung der Drahtenden mit der Muffe, könnten die Beklagten nicht gehört werden. Erfolglos bleibe schließlich das Vorbringen der Beklagten, dass die angegriffene Vorrichtung die Drähte nur an einem Ende der Vorrichtung zusammenführe. Dies entspreche noch dem technischen Wortsinn des Merkmals 5, denn der in der Patentbeschreibung hervorgehobene, erfindungsgemäß durch das Vorsehen von Klemmen angestrebte Schutz der Litzen gegen ein Ausfasern einzelner Drahtenden und ihr Zurückkehren in die ungeflochtene Position erscheine nur dort notwendig, wo ein abgeschnittenes freies Ende vorliege , das ausfasern könne. Die Klagepatentschrift beschreibe (Abs. 27/28 der Beschreibung), dass auch aus einem flachen Gewebe, wie es in Figur 1B dargestellt sei, erfindungsgemäße Verschlussvorrichtungen durch Umschlagen der vier Enden des Gewebestücks nach oben hergestellt werden könnten. Die sich nach dem Festklemmen bildende leere Tasche brauche dann nur am oberen "Rand" zusammengeklammert zu werden. Zwar lehre das Klagepatent bei philologischer Betrachtung mehrere Klemmen und schreibe darüber hinaus vor, mit diesen Klemmen die Litzen an den entgegengesetzten Enden der Vorrichtung , also sowohl am proximalen als auch am distalen Ende, festzuklemmen. Bei diesem rein sprachlichen Verständnis bleibe der Fachmann jedoch nicht stehen. Er sehe, dass die Klemmen dem Bündeln der Litzen dienten, und zwar unabhängig davon, ob die Litzen in gestrecktem Zustand belassen oder ihre Enden durch Umbiegen übereinander gelegt seien, denn dadurch hörten die beiden Litzenenden nicht auf zu existieren. Der Fachmann werde deshalb davon ausgehen, dass Patentanspruch 1 in seinem technischen Sinngehalt auch Ausführungen umfasse, bei denen beide Litzenenden übereinander gelegt und nur an einem Ende der Vorrichtung gebündelt seien. Aus Absatz 27 der Beschreibung in Verbindung mit Figur 1B ergebe sich, dass die Herstellung eines Okkluders aus einem flachen Gewebestück durch Umschlagen erfasst sein solle , bei der nur eine Klemme erforderlich sei. In dieser Ausführungsvariante ergebe es mit Rücksicht auf die Funktion der Klemmen nur einen technischen Sinn, Klemmen dort anzubringen, wo überhaupt freie Litzenenden vorhanden seien. Der im Patentanspruch verwendete Plural "Klemmen" stehe dem nicht entgegen, denn der Fachmann begreife die Formulierung vor dem Hintergrund des in Absatz 27 erläuterten Ausführungsbeispiels als Gattungsbezeichnung. Dieser Auslegung stehe auch nicht entgegen, dass auch Merkmal 4 auf die entgegengesetzten Enden der Vorrichtung Bezug nehme und dort eindeutig das proximale und das distale Ende der Vorrichtung selbst gemeint seien. Denn in Merkmal 4 gehe es um die Bestimmung der Lage des mittleren Teils der Vorrichtung mit reduziertem Durchmesser. Fehl gehe auch der durch die Entscheidung der Rechtbank Den Haag im niederländischen Verletzungsverfahren untermauerte Einwand der Beklagten, der Anmelder habe im Erteilungsverfahren auf Patentschutz für Ausführungsformen nach Absatz 27 verzichtet, weil die Erteilungsakten grundsätzlich kein zulässiges Auslegungsmaterial seien. Der Fachmann, dem sich aus der Patentschrift nicht erschließe, dass - wie die Beklagten meinten - Teile der Beschreibung hätten gestrichen werden müssen, werde die betreffenden Textstellen als Erläuterung des geschützten Gegen- stands verstehen und versuchen, sie in einen sinnvollen Gesamtzusammenhang zu bringen, bei dem sich Widersprüche nicht ergäben.
15
Hinsichtlich der mit der Anschlussberufung eingeführten zweiten Ausführungsform gälten dieselben Erwägungen. Ein Unterschied zur Ausführungsform I bestehe lediglich darin, dass die Drahtenden ohne Nitinolring verschweißt seien und auf die verschweißten Enden eine Stahlhülse zur Verbindung mit einem Führungsdraht aufgeschoben werde. Für die Stahlhülse gelte wie für die Nitinolhülse der ersten Ausführungsform, dass sie die Drahtenden aufnehme und schon dadurch zusammenhalte.
16
IV. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
17
Dabei kann für die Prüfung einer wortsinngemäßen Patentbenutzung zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass die von der Beklagten vertriebenen Vorrichtungen eine Klemme im Sinn des Merkmals 5 des Patentanspruchs 1 des Klagepatents nach der Gliederung des Berufungsurteils aufweisen, mit der die Drahtenden geklemmt werden.
18
Merkmal 5 verlangt weiter an den entgegengesetzten Enden der Vorrichtung angebrachte Klemmen ("clamps (15) are adapted to clamp the strands at the opposed ends of the device"). Diesem Erfordernis entspricht eine einzige, an einem Ende der Vorrichtung angebrachte Klemme nicht.
19
Zwar sagt weder der Begriff "Klemmen" (clamps) noch der Begriff "Enden" (ends) für sich genommen etwas darüber aus, wie viele von ihnen vorhan- den sein müssen; grundsätzlich ist auch eine Auslegung dahin denkbar, dass es sich um Gattungsbegriffe handelt, wie dies das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend gesehen hat. Das Berufungsgericht hat aber nicht hinreichend berücksichtigt , dass mit der Formulierung "at the opposed ends of the device" eine Festlegung dahin getroffen ist, dass Klemmen an den entgegengesetzten Enden der Vorrichtung angebracht werden sollen, und dass damit notwendigerweise zwei Klemmen vorhanden sein müssen, wie dies auch die englischen (vgl. das Urteil des High Court vom 31. Juli 2009 - [2009] EWHC 2013 (Ch) Rn. 68 ff., 72, 76, 77 und das Urteil des Court of Appeal vom 22. Juni 2010 - [2010] EWCA Civ 702 Rn. 48 ff.) und niederländischen Gerichte (Urteil der Rechtbank Den Haag ('s-Gravenhage) vom 29. Oktober 2008 - 2992367/HA ZA 07-3614 Rn. 4.2, 4.3; Urteil des Gerechtshof Den Haag ('s-Gravenhage) vom 19. Oktober 2010 - 200.020.925/01) gesehen haben.
20
Die entgegengesetzten Enden der Vorrichtung werden, wie das Berufungsgericht nicht verkennt, bereits in Merkmal 4 b erwähnt und können dort nicht anders als wörtlich verstanden werden. Die Annahme des Berufungsgerichts , die entgegengesetzten Enden seien in Merkmal 4 b anders zu verstehen als in Merkmal 5, findet weder im Patentanspruch noch in der Beschreibung eine Stütze.
21
Das Berufungsgericht hat sich insoweit maßgeblich von der Überlegung leiten lassen, dass von Patentanspruch 1 auch Ausführungsformen umfasst seien, bei denen die Drähte durch Umbiegen übereinander gelegt und deshalb nur an einem Ende der Vorrichtung gebündelt seien, weswegen Patentanspruch 16 auch auf ein Festklemmen der entgegengesetzten Enden der Litzen und nicht der Vorrichtung abstelle. Zwar kann sich diese Begründung auf die Erwähnung einer durch Umschlagen herzustellenden "leeren Tasche" ("the fabric can be inverted upon itself to form a recess or depression and the fabric can be clamped about this recess to form an empty pocket ... before the fabric is cut") in Absatz 27 der Beschreibung des Klagepatents (in der maßgeblichen Verfahrenssprache) stützen. Dieser Rückgriff auf die Beschreibung vermag die Auslegung durch das Berufungsgericht jedoch nicht zu tragen:
22
Die Erwägung des Berufungsgerichts, einer Klemme bedürfe es erkennbar nur dort, wo Drahtenden zu klemmen seien, geht, wie die Revision mit Recht rügt, daran vorbei, dass sich nach Patentanspruch 1 an beiden Enden der Vorrichtung Drahtenden befinden, die zusammengeklemmt werden können und geklemmt werden müssen, um ein Ausfasern zu vermeiden. Eine Ausführungsform , bei der es auf einer Seite an solchen Drahtenden fehlt, kann daher nicht dazu herangezogen werden, entgegen dem klaren Wortlaut des Patentanspruchs ein Festklemmen sämtlicher Litzen an ein und demselben Ende der Vorrichtung statt an den entgegengesetzten als wortsinngemäße Verwirklichung der erfindungsgemäßen Lehre anzusehen.
23
Nach der Vorgabe in Art. 69 Abs. 1 Satz 1 EPÜ wird der Schutzbereich eines Patents durch die Patentansprüche bestimmt. Damit diese Bestimmung so erfolgen kann, dass die Ziele des Artikels 1 des Auslegungsprotokolls erreicht werden, ist zunächst unter Berücksichtigung von Beschreibung und Zeichnungen der technische Sinngehalt zu ermitteln, der dem Wortlaut des Patentanspruchs aus fachmännischer Sicht beizumessen ist. Zwar ist ein buchstäbliches Verständnis der Patentansprüche nicht zur Erfassung des geschützten Gegenstands geeignet, andererseits darf der Schutzgegenstand aber auch nicht durch Verallgemeinerung konkreter, im Anspruch angegebener Lösungsmittel erweitert werden (vgl. Ballhaus/Sikinger, GRUR 1986, 337, 341). Insbesondere darf ein engerer Patentanspruch nicht nach Maßgabe einer weiter ge- fassten Beschreibung interpretiert werden. Der Patentanspruch hat vielmehr Vorrang gegenüber der Beschreibung (BGH, Urteile vom 7. September 2004 - X ZR 255/01, BGHZ 160, 204, 209 = GRUR 2004, 1023 - bodenseitige Vereinzelungseinrichtung ; vom 13. Februar 2007 - X ZR 74/05, BGHZ 171, 120 = GRUR 2007, 410 - Kettenradanordnung I; vom 17. April 2007 - X ZR 72/05, BGHZ 172, 88, 97 = GRUR 2007, 778, 779 - Ziehmaschinenzugeinheit I; vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 36/08, GRUR 2010, 602 - Gelenkanordnung). Was in den Patentansprüchen keinen Niederschlag gefunden hat, kann nicht unter den Schutz des Patents fallen. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind zwar nach Art. 69 Abs. 1 Satz 2 EPÜ zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen , da diese der Erläuterung der Patentansprüche dienen. Beschreibung und Zeichnungen sind mithin heranzuziehen, um den Sinngehalt des Patentanspruchs zu ermitteln. Ihre Heranziehung darf aber weder zu einer inhaltlichen Erweiterung noch zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortsinn des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen (BGH, aaO - bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; BGH, aaO - Ziehmaschinenzugeinheit I; BGH, aaO - Gelenkanordnung). Lassen sich die technische Lehre der Beschreibung und die technische Lehre des Patentanspruchs nicht in Einklang bringen, ist der Patentanspruch maßgeblich (vgl. schon BGH, Urteile vom 29. November 1988 - X ZR 63/87, BGHZ 106, 84, 93 f. = GRUR 1989, 205, 208 - Schwermetalloxidationskatalysator ; vom 16. Juni 1987 - X ZR 51/86, BGHZ 101, 159 = GRUR 1987, 794 - Antivirusmittel). Bei Widersprüchen zwischen Patentansprüchen und Beschreibung sind solche Bestandteile der Beschreibung, die in den Patentansprüchen keinen Niederschlag gefunden haben, grundsätzlich nicht in den Patentschutz einbezogen. Die Beschreibung darf somit nur insoweit berücksichtigt werden, als sie sich als Erläuterung des Gegenstands des Patentanspruchs lesen lässt.
Auch die Überlegung, dass die Fachwelt grundsätzlich bestrebt ist, die
24
Patentschrift in einem sinnvollen Zusammenhang zu lesen und ihren Gesamtinhalt im Zweifel so zu verstehen, dass sich Widersprüche nicht ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 2008 - X ZB 13/06, GRUR 2008, 887 - Momentanpol II; Urteil vom 31. März 2009 - X ZR 95/05, BGHZ 180, 215 = GRUR 2009, 653 - Straßenbaumaschine), führt hier nicht zu einer Einbeziehung der insoweit übereinstimmenden angegriffenen Ausführungsformen in den Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Klagepatents. Dieser Grundsatz wird nämlich durch den Vorrang des Patentanspruchs eingegrenzt. Kann, wie hier, der Wortlaut des Patentanspruchs mit einer Beschreibungsstelle nicht in Einklang gebracht werden , kann die Beschreibung nicht zur "Korrektur" des Patentanspruchs herangezogen werden; andernfalls würde gegen den Grundsatz des Vorrangs des Patentanspruchs verstoßen.
25
Relevante Widersprüche zwischen Beschreibung und Patentansprüchen sind, was die Lage der Klemmen an den entgegengesetzten Enden betrifft, allerdings zu verneinen. Die Beschreibungsstelle, auf die sich das Berufungsgericht gestützt hat (Abs. 27), lässt sich nicht ohne Weiteres mit Patentanspruch 1 in Verbindung bringen. Sie besagt nämlich lediglich, dass bei Verwendung eines flachen Gewebes entsprechend der Figur 1B des Klagepatents als Ausgangsmaterial dieses umgeklappt und geklammert werden kann, um eine "leere Tasche" (an empty pocket) zu bilden, bevor es zugeschnitten wird (before the fabric is cut). In dieser unklaren Passage wird nicht ausgeführt, ob und inwie- fern sich aus der Tasche eine praktisch brauchbare allgemein hantelförmige Konfiguration herstellen lässt, wie sie Gegenstand von Patentanspruch 1 ist (Merkmal 4); das Berufungsgericht hat auch ausdrücklich offen gelassen, ob dies möglich ist. Die Textpassage schließt zudem unmittelbar an Absatz 26 an, in dem nichtpatentgemäße Formen der Fixierung der Drahtenden erörtert wer- den. Damit betrifft sie ersichtlich schon kein Ausführungsbeispiel der erfindungsgemäßen Vorrichtung, sondern beschreibt nicht mehr als einen möglichen Arbeitsschritt beim Herstellungsvorgang und nicht das fertige patentgemäße Erzeugnis. Damit kann die Beschreibungsstelle, auf die sich das Berufungsgericht gestützt hat, aber nicht die Grundlage für eine den Wortsinn des Patentanspruchs korrigierende Auslegung des Patentanspruchs bilden. Es kann daher auch hier unerörtert bleiben, ob es der Grundsatz, dass nicht auf Vorgänge im Erteilungsverfahren zurückgegriffen werden darf, die im Patent keinen Niederschlag gefunden haben (BGH, Urteil vom 12. März 2002 - X ZR 43/01, BGHZ 150, 161 = GRUR 2002, 511 - Kunststoffrohrteil), auch verbietet, auf Patentveröffentlichungen wie die amtlich veröffentlichte Patentanmeldung oder frühere Fassungen der später etwa im Einspruchsverfahren oder im Beschränkungsverfahren geänderten Patentschrift zurückzugreifen, wenn sich der Gehalt der maßgeblichen Fassung der Patentschrift erst aus einem Vergleich mit diesen erschließt und damit zu einem Niederschlag auch in dieser geführt hat (vgl. hierzu schon BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 36/08, GRUR 2010, 602 Rn. 33 - Gelenkanordnung).
26
Da es mithin jedenfalls an Klemmen an den entgegengesetzten Enden der Vorrichtung fehlt, ist eine wortsinngemäße Verletzung zu verneinen. Die abweichende Betrachtung des Berufungsgerichts führt zur Einbeziehung einer Unterkombination in den Patentschutz. Dies ist, wie der Senat bereits wiederholt ausgeführt hat, nicht statthaft (BGH, Urteil vom 31. Mai 2007 - X ZR 172/04, BGHZ 172, 298 = GRUR 2007, 1059 - Zerfallszeitmessgerät; BGHZ 180, 215 = GRUR 2009, 653 - Straßenbaumaschine).
27
V. Das Berufungsurteil ist mithin aufzuheben. Einer Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht bedarf es nicht, da der Senat in der Sache selbst entscheiden kann. Die Klage gegen die Beklagte zu 1 erweist sich als unbegründet, da die angegriffenen Ausführungsformen die erfindungsgemäße Lehre auch nicht mit äquivalenten Mitteln verwirklichen und daher nicht in den Schutzbereich des Klagepatents fallen.
28
1. Für die Prüfung der geltend gemachten, vom Berufungsgericht folgerichtig nicht erörterten Patentverletzung mit äquivalenten Mittel kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass die Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsformen , bei denen nur eine einzige Klemme vorhanden ist, die sämtliche Drähte an einem (dem proximalen) Ende der Vorrichtung zusammenhält, während das andere Ende der Vorrichtung auf Grund der dort umgeschlagenen Drähte verschlossen ist, mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln dasselbe Problem löst wie der in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellte Gegenstand, bei dem die Klemmen an den entgegengesetzten Enden der Vorrichtung ausgeführt sind, und dass der Fachmann, wie die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 15. April 2011 noch einmal eingehend dargelegt hat, durch seine Fachkenntnisse dazu befähigt ist, die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden (Senat, Urteil vom 12. März 2002 - X ZR 168/00, BGHZ 150, 149, 154 = GRUR 2002, 515 - Schneidmesser I).
29
2. Zu verneinen ist dagegen, dass die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sind. Die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln ist daher aus fachmännischer Sicht nicht als gleichwertig in Betracht zu ziehen (vgl. u.a. Senat, Urteile vom 12. März 2002 - X ZR 168/00, BGHZ 150, 149, 154 - Schneidmesser I und vom 14. Dezember 2010 - X ZR 193/03, GRUR 2011, 313 Rn. 35 - Crimpwerkzeug IV). Zu dieser rechtlichen Beurteilung, zu der der Bundesgerichtshof als Revisionsge- richt berufen ist, bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
30
Eine Aussage darüber, ob eine vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichende Ausführung in den Schutzbereich eines Patents fällt, kann zwar regelmäßig nur dann getroffen werden, wenn sich der Tatrichter mit den betreffenden Fragen befasst hat. Denn bei der Gleichwirkung handelt es sich um eine Frage, deren Beantwortung tatrichterlicher Feststellungen bedarf, die in der Revisionsinstanz nicht nachgeholt werden können (BGH, Urteile vom 22. November 2005 - X ZR 81/01, GRUR 2006, 313 Rn. 22 - Stapeltrockner und vom 17. April 2007, GRUR 2007, 959 Rn. 28 - Pumpeinrichtung). Dies liegt aber daran, dass der Tatrichter gegebenenfalls keinen Anlass hatte, Feststellungen zu einer vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichenden, indessen gleichwohl die technische Wirkung der Erfindung erzielenden Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform zu treffen. Insoweit kann jedoch im Streitfall auf die Feststellungen zur tatsächlichen Beschaffenheit der angegriffenen Ausführungsform zurückgegriffen werden, die das Berufungsgericht als wortsinngemäße Benutzung gewertet hat und auf die auch die Klägerin die von ihr hilfsweise geltend gemachte äquivalente Verletzung stützt.
31
Die Gleichwertigkeit des abweichenden Mittels ist hingegen eine Rechtsfrage , die der revisionsrechtlichen Prüfung zugänglich ist. Sie hängt zwar in der Regel entscheidend ebenfalls von den in der Tatsacheninstanz zu klärenden tatsächlichen Grundlagen ab (BGH, Urteile vom 22. November 2005, aaO Rn. 23 - Stapeltrockner und vom 14. Dezember 2010, aaO Rn. 36 - Crimpwerkzeug IV). Das schließt jedoch nach § 563 Abs. 3 ZPO nicht aus, dass sie vom Revisionsgericht unmittelbar entschieden werden kann, wenn diejenigen tatsächlichen Feststellungen, die die Annahme einer äquivalenten Verletzung gegebenenfalls tragen könnten, bereits getroffen sind und weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind (BGH, Urteile vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 36/08, aaO - Gelenkanordnung und vom 14. Dezember 2010, aaO Rn. 34 ff. - Crimpwerkzeug IV). So liegt der Fall hier.
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Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die "Litzen" entweder in gestrecktem Zustand belassen werden oder ihre Enden - gleichwirkend - durch Umbiegen übereinander gelegt und dann nur an einem Ende der Vorrichtung gebündelt werden können. Daran schließt sich die weitere Überlegung an, dass es in diesem Fall nicht erforderlich ist, zwei Klemmen zu verwenden, sondern dass beide Enden mit einer einzigen Klemme erfasst und zusammengehalten werden können. Die eine, sämtliche Litzenenden erfassende Klemme wird danach als Ersatzmittel für die zwei Klemmen angesehen, die nach dem Wortlaut des Patentanspruchs die Litzen einerseits am proximalen, andererseits am distalen Ende zusammenklemmen. Auf dieser Grundlage verficht auch die Klägerin eine gleichwertige Benutzung des Klagepatents.
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Diese Überlegung ist schon in ihrem Ausgangspunkt nicht am Patentanspruch orientiert. Das Klagepatent (auch der Patentanspruch, der ein aus geflochtenen Metalllitzen gebildetes Metallgewebe verlangt, Merkmal 2) verknüpft die geschützte Vorrichtung eng mit dem Herstellungsverfahren. Welche Varianten der erfindungsgemäßen Vorrichtung aus fachmännischer Sicht aufgrund von am Patentanspruch orientierten Überlegungen als gleichwertig in Erwägung zu ziehen sind, lässt sich deshalb nicht unabhängig von der Frage beantworten, ob und wie sich eine solche geänderte Ausführungsform einfach und kostengünstig so herstellen lässt, wie dies das Klagepatent für die dem Wortsinn des Patentanspruchs entsprechende Ausführung der Vorrichtung lehrt, nämlich in Form des in Figur 1A gezeigten Flechtschlauchs (wie er im Übrigen auch von der von der Klägerin herangezogenen japanischen Gebrauchsmusterveröffentlichung Hei 04-47415 verwendet wird). Demgegenüber hat die Überlegung, die Litzen könnten auch um 180° umgebogen werden, so dass alle Litzenenden an demselben Ende der Vorrichtung liegen, schon deshalb keine Grundlage im Patentanspruch, weil nicht erkennbar ist, wozu eine derartige Ausgestaltung bei der Bereitstellung eines (schlauchförmigen) Metallgewebes dienen sollte, aus dem sich eine Vorrichtung mit den Merkmalen 3 bis 5, d.h. mit freien, jeweils mit einer Klemme zusammen zu haltenden Drahtenden an beiden Enden der Vorrichtung , formen lässt.
34
Die Funktion der Klemmen an den entgegengesetzten Enden der Vorrichtung erschöpft sich nicht darin, dort die Drahtenden durch Klemmwirkung zusammenzuhalten. Vielmehr soll die Vorrichtung an beiden Enden geschlossen werden, indem das Metallgewebe gehindert wird, sich aufzulösen (Abs. 25 der Beschreibung). Die Erwägung der Klägerin, die technische Lehre des Klagepatents werde nicht verlassen, wenn auf Grund des in der Patentschrift offenbarten Herstellens der patentgemäßen Vorrichtung (scil. aus einem flachen Metallgewebe bzw. einer daraus geformten "leeren Tasche") oder auch nach Umschlagen eines Schlauchgewebes nach dem Vorbild der japanischen Gebrauchsmusterveröffentlichung ein offenes Drahtende nur noch auf einer Seite vorliege und dann auch nur dort eine Klemme zum Einsatz komme, während das andere Ende durch das ausdrücklich beschriebene Umschlagen des Gewebes verschlossen sei, und der Fachmann werde eine abweichende Ausgestaltung , bei der das eine Ende durch Umschlagen und das andere Ende durch Vorsehen von Klemmen geschlossen werde, als an der technischen Lehre des Merkmals 5 orientiert ansehen, greift daher zu kurz. Denn der Patentanspruch begnügt sich weder mit der Anforderung, die offenen Drahtenden klemmend zusammenzuhalten, noch mit der Anforderung, beide offenen Enden der Vorrichtung zu verschließen, sondern verlangt, dass der Verschluss an diesen beiden Enden der Vorrichtung in der Weise ausgeführt wird, dass dort die (Enden der) Drähte mittels Klemmen festgeklemmt werden. Er trifft damit eine Auswahl aus den in Absatz 26 der Beschreibung erwähnten vielfältigen Möglichkeiten , die Enden der gewünschten Gewebelänge "alternativ" (durch Löten, Hartlöten, Schweißen oder auf andere Weise) zu fixieren.
35
Bei der Prüfung der Orientierung am Patentanspruch, die Voraussetzung der Einbeziehung einer als gleichwirkend auffindbaren Abwandlung der wortsinngemäßen Lehre in den Schutzbereich des Patents ist, darf dies nicht außer Betracht bleiben. Orientierung am Patentanspruch setzt voraus, dass der Patentanspruch in allen seinen Merkmalen nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Überlegungen des Fachmanns bildet (BGH, Urteil vom 29. November 1988 - X ZR 63/87, BGHZ 106, 84, 90 f. = GRUR 1989, 205 - Schwermetalloxidationskatalysator; Urteil vom 12. März 2002 - X ZR 168/00, BGHZ 150, 149, 154 = GRUR 2002, 515 - Schneidmesser I). Trifft der Patentanspruch eine Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Möglichkeiten, eine technische Wirkung zu erzielen, müssen die fachmännischen Überlegungen zu möglichen Abwandlungen gerade auch mit dieser Auswahlentscheidung in Einklang stehen. Nur solche fachmännischen Überlegun- gen sind daher auch im Streitfall an der durch den Patentanspruch geschützten technische Lehre orientiert, die auch der Auswahlentscheidung des Patentanspruchs Rechnung tragen, an beiden Enden der Vorrichtung die Drähte mittels einer Klemme durch eine Klemmverbindung zusammenzuhalten. Ebenso wenig wie das im Patentanspruch vorgesehene Klemmen an beiden Enden der Vorrichtung durch eine Schweiß- oder sonstige Verbindung ersetzt werden darf, die vom Klagepatent zwar offenbart, aber nicht beansprucht wird, darf an einem Ende der Vorrichtung die Klemmverbindung durch eine andere Verbindungsform ersetzt werden. Eine solche andere Verbindungsform stellt es aber - wie auch die Klägerin ihren Überlegungen zur Gleichwertigkeit zugrunde legt - dar, wenn die Verbindung der Drähte am distalen Ende der Vorrichtung durch das Umschlagen des Gewebes erfolgt.
36
Entgegen der Auffassung des englischen Berufungsgerichts, das gemeint hat, die "Schneidmesser-Fragen" enthielten nichts, was der dritten der in Improver v. Remington ([1990] FSR 181) von J. Hoffmann als Teil seiner Wiedergabe von Lord Diplocks Auslegungsansatz in Catnic gestellten Fragen entspreche (aaO Rn. 28 f.), führt somit die Prüfung der Orientierung am Patentanspruch zum Ausschluss einer Ausführungsform aus dem Schutzbereich des Patents, die zwar offenbart oder für den Fachmann jedenfalls auffindbar sein mag, von der der Leser der Patentschrift aber annehmen muss, dass sie - aus welchen Gründen auch immer - nicht unter Schutz gestellt werden sollte (vgl. BGH, aaO, 159 - Schneidmesser I).
37
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 100 Abs. 1 ZPO. Meier-Beck Keukenschrijver Mühlens Grabinski Schuster
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 31.07.2007 - 4b O 297/06 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 22.12.2008 - I-2 U 65/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 255/01 Verkündet am:
7. September 2004
Weschenfelder
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
BGHZ: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung
PatG 1981 § 14; EPÜ Art. 69
Ein Ausführungsbeispiel erlaubt regelmäßig keine einschränkende Auslegung
eines die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs.
Bei der Auslegung eines Patentanspruchs kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen
werden, in ihm enthaltenen Angaben sei eine über Selbstverständlichkeiten
hinausgehende Bedeutung beizumessen.
Im Patentverletzungsprozeß kommt im Hinblick auf die Auslegung eines Patentanspruchs
durch den Tatrichter eine Bindung des Revisionsgerichts nur insoweit
in Betracht, als der Tatrichter sich mit konkreten tatsächlichen Umständen
befaßt hat, die für die Auslegung von Bedeutung sein können.
BGH, Urt. v. 07.09.2004 - X ZR 255/01 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. September 2004 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richter Scharen, Keukenschrijver, die
Richterin Mühlens und den Richter Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 6. Dezember 2001 verkündete Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf aufgehoben.
Die Sache wird zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des unter anderem mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 637 395 (Klagepatents), das auf einer am 8. Februar 1995 veröffentlichten Anmeldung vom 28. Januar 1994 beruht. Das am 21. Mai 1997 veröffentlichte Klagepatent hat in einem rechtskräftig abgeschlossenen Nichtigkeitsverfahren eine Ände-
rung erfahren. Patentanspruch 1 des in deutscher Verfahrenssprache erteilten Klagepatents lautet danach:
"Ein- und Ausgabevorrichtung für runde, ein Identifikations- und/ oder Kommunikationselement aufweisende Parkkarten (2) zur gebührenpflichtigen Betätigung einer Parkschranke (39), mit einem Vorratsbehälter (1), der bodenseitig eine Vereinzelungseinrichtung (3) für die Parkkarten (2) aufweist, einem anschließenden Fallschacht (4) mit mindestens einem zentralen Leitschacht (11) und davon abzweigenden, eine jeweilige Neigung aufweisenden Seitenschächten (12, 13) für eine rollende Aus- und Eingabe von Parkkarten (2) unter Schwerkraft und einer Meßstelle (24) im zentralen Leitschacht (11) für ein Lesen der auszugebenden und/oder zurückgegebenen Parkkarten (2), die mit einer Steuerung zur Betätigung der Parkschranke (39) verbunden ist."
Die unter der Geschäftsführung unter anderem des Beklagten zu 2 stehende Beklagte zu 1 stellt her und vertreibt unter der Bezeichnung "S. Parksysteme " für wiederverwendbare Parkkarten aus Kunststoff in Form runder Münzen sowie Einfahrtkontrollgeräte mit der Bezeichnung "E. ". Die hierbei verwendeten Ein- und Ausgabevorrichtungen weisen u.a. einen Vorratsbehälter für die Münzen auf. In diesem läuft ein Förderband um, dessen Glieder jeweils eine den Münzen entsprechende Ausnehmung hat. Am Boden des Vorratsbehälters gelangt jede Münze in eine Ausnehmung und wird zu einer im Vorratsbehälter weiter oben liegenden Ausgabe befördert. Über einen sich anschließenden Schacht fällt die Münze in eine Ausnehmung eines andreaskreuzartigen Vorrichtungsteils. Durch Drehbewegung desselben wird sie schließlich entweder an einen weiteren
Schacht übergeben, der zu der für den Kunden zugänglichen Ausgabestelle führt, oder an einen anderen Kanal, der in einem Auffangbehälter endet.
Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Vorrichtung verwirkliche Patentanspruch 1 des Klagepatents mit wortsinngemäßen Mitteln. Die Beklagten stellen das in Abrede, weil die angegriffene Ausführungsform sich hinsichtlich der bodenseitigen Vereinzelungsvorrichtung im Vorratsbehälter, des Fallschachts und der Meßstelle von der patentgemäßen Lehre unterscheide.
Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß zu Unterlassung und Rechnungslegung verurteilt sowie festgestellt, daß die Beklagten zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung bzw. Schadensersatz verpflichtet sind. Auf die hiergegen von den Beklagten eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision und dem Antrag,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Beklagten nach Maßgabe ihrer im Berufungsrechtszug konkretisierten Anträge zu verurteilen.
Die Beklagten treten diesem Begehren entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision hat in der Sache Erfolg; sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
1. Das Klagepatent betrifft Vorrichtungen, die bestimmte Karten zur Betätigung einer Parkschranke entgegennehmen und ausgeben können. Es handelt sich um runde, vorzugsweise scheibenförmige Karten, die wiederverwendbar sind und eine als Identifikations- und/oder Kommunikationselement bezeichnete Ausstattung haben. Diese dient entweder der individuellen Kennung der Karte oder der Abspeicherung von Daten, wie etwa Datum und Einfahrtzeit, die für eine Parkgebührenrechnung erforderlich sind. Damit die Karten wiederholt einund ausgegeben werden können, müssen sie - wie es in Sp. 1 Z. 30 ff. der Beschreibung des Klagepatents angeben ist - in der Vorrichtung gelagert, einer Lese-Schreibstation zugeführt und in Ausgabeöffnungen befördert werden, die dem Parkkunden zugänglich sind. Deshalb - so die weitere Darstellung in Sp. 1 Z. 35 ff. der Beschreibung des Klagepatents - müssen die Parkkarten mehrere Transportwege zurücklegen, wofür im allgemeinen Transportbänder oder Transportrollen vorgesehen sind, was konstruktiv aufwendig und störanfällig ist. Hieraus ergibt sich als Problem, das es erfindungsgemäß zu lösen gilt, eine Ein- und Ausgabevorrichtung für runde, ein Identifikations- und/oder Kommunikationselement aufweisende Parkkarten zur gebührenpflichtigen Betätigung einer Parkschranke zu schaffen, die sicher und zuverlässig arbeitet und dabei einfach aufgebaut ist (Sp. 1 Z. 44-49 der Beschreibung des Klagepatents).
2. Das Berufungsgericht hat den Lösungsvorschlag nach Patentanspruch 1 in der geltenden Fassung des Klagepatents wie folgt gegliedert:
1. Ein- und Ausgabevorrichtung für runde, ein Identifikationsund /oder Kommunikationselement aufweisende Parkkarten zur gebührenpflichtigen Betätigung einer Parkschranke mit
1.1 einem Vorratsbehälter,
1.2 einem Fallschacht
1.3 und einer Meßstelle;
2. der Vorratsbehälter weist bodenseitig eine Vereinzelungseinrichtung für die Parkkarten auf;
3. der sich an den Vorratsbehälter anschließende Fallschacht umfaßt
3.1 mindestens einen zentralen Leitschacht und
3.2 davon abzweigende, eine jeweilige Neigung aufweisende Seitenschächte für eine rollende Aus- und Eingabe von Parkkarten unter Schwerkraft;
4. die Meßstelle ist
4.1 im zentralen Leitschacht für ein Lesen der auszugebenden und zurückgegebenen Parkkarten angeordnet
4.2 und mit einer Steuerung zur Betätigung der Parkschranke verbunden.
Gegen diese Gliederung bestehen ebensowenig Bedenken wie gegen die auf den Erläuterungen in Sp. 1 Z. 51-58 der Beschreibung des Klagepatents basierenden Feststellungen des Berufungsgerichts, daß durch die in Patentanspruch 1 des Klagepatents vorgeschlagene Lösung die formbedingten Vorteile runder, scheibenförmiger Parkkarten, insbesondere ihr Rollvermögen, für den
Ein- und Ausgabevorgang benutzt würden, weitgehend ohne angetriebene Beförderungssysteme gearbeitet werden könne und dabei die für eine Ausgabe und Rücknahme der Parkkarten erforderlichen Transportwege miteinander kombiniert und dadurch auch minimiert seien. Hiergegen sind Rügen auch nicht erhoben.
3. Das Berufungsgericht hat nach § 9 Satz 2 PatG verbotene Verletzungshandlungen der Beklagten verneint, weil die angegriffene Ausführungsform jedenfalls das Merkmal 2 des Patentanspruchs 1 des Klagepatents nicht verwirkliche. Ausgehend von dem allgemeinen Sprachgebrauch für den Begriff "Vereinzelungsvorrichtung" müsse erfindungsgemäß insoweit ein Vorrichtungsteil vorhanden sein, das die Parkkarten nicht nur von einem Vorrat abtrenne, sondern auch dafür sorge, daß sie abgetrennt blieben und auf diese Weise vereinzelt dem gemäß Merkmal 3 an den Vorratsbehälter anschließenden Fallschacht zugeführt würden. Die Vereinzelung der im Vorratsbehälter befindlichen Parkkarten selbst müsse im Bereich von dessen Boden beginnen. Da die Karten der Schwerkraft unterworfen seien, lasse sich nämlich nur so auch die letzte eines Vorrats zur Ausgabe an die Parkkunden nutzen. Die bodenseitige Vereinzelung sei eine Selbstverständlichkeit, auf die einem Fachmann gegenüber nicht hingewiesen werden müsse. Deshalb besage die Kennzeichnung "bodenseitig" mehr als das. Der Fachmann erfahre hierdurch, daß die Einrichtung, welche die Parkkarten vereinzelne und anschließend einzeln dem Fallschacht zuführe , sich als solche ausschließlich im Bereich des Bodens des Vorratsbehälters befinden müsse. Denn das gewährleiste auch, daß die Parkkarten, die sich nach den Ausführungen in Sp. 2 Z. 1-4 der Beschreibung des Klagepatents vor allem unter dem Einfluß ihres Eigengewichts, also nach unten, bewegen sollten, nicht entgegen der Schwerkraft nach oben transportiert werden müßten, wozu ein - nach Sp. 1 Z. 54-56 der Beschreibung des Klagepatents möglichst zu vermeidendes - angetriebenes Beförderungssystem erforderlich sei.

Das Berufungsgericht hat also Patentanspruch 1 des Klagepatents (Merkmal 2) eine Aussage auch darüber entnommen, wo die Parkkarten vereinzelt aus dem Vorratsbehälter in den Fallschacht gelangen müssen, nämlich im Bereich des Bodens des Vorratsbehälters.
4. Diese Auslegung bekämpft die Revision zu Recht. Sie bedeutet eine Einschränkung des Gegenstands des Patentanspruchs 1 des Klagepatents unter dessen Wortlaut, die sich aus diesem Anspruch nicht entnehmen läßt.

a) Maßgebliche Grundlage dafür, was durch ein europäische Patent unter Schutz gestellt ist, ist gemäß Art. 69 Abs. 1 Satz 1 EPÜ der Inhalt der Patentansprüche (vgl. z.B. auch BGHZ 98, 12 - Formstein). Die Frage, ob eine bestimmte Anweisung zum Gegenstand eines Anspruchs des Patents gehört, entscheidet sich deshalb danach, ob sie in dem betreffenden Patentanspruch Ausdruck gefunden hat (BGHZ 106, 84, 94 - Schwermetalloxidationskatalysator ). Das Protokoll zur Auslegung von Art. 69 EPÜ drückt dies durch seinen Hinweis aus, daß die Patentansprüche nicht lediglich als Richtlinie dienen dürften. Das verleiht dem in dem betreffenden Patentanspruch gewählten Wortlaut entscheidende Bedeutung. Was - bei sinnvollem Verständnis - mit ihm nicht so deutlich einbezogen ist, daß es vom Fachmann als zur Erfindung gehörend erkannt wird, kann den Gegenstand dieses Patentanspruchs nicht kennzeichnen. Auch die zur Erfassung des Sinngehalts eines Patentanspruchs vorgesehene Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen des betreffenden Patents darf weder zu einer inhaltlichen Erweiterung noch zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortlaut des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen.

b) Der Wortlaut von Patentanspruch 1 des Klagepatents läßt jedoch nicht erkennen, daß mit ihm festgelegt sein soll, aus welchem Bereich des Vorratsbehälters die Parkkarten als vereinzelte Stücke in den anschließenden Fallschacht gelangen sollen. Die Frage, wo die Übermittlung der vereinzelten Parkkarten erfolgt, betrifft die Anordnung von Vorratsbehälter und Fallschacht zueinander. Insoweit heißt es im Patentanspruch aber nur, daß letzterer sich an ersteren anschließt. Auch eine Beziehung dieses Anschlusses zur Vereinzelungsvorrichtung ist im Patentanspruch 1 des Klagepatents nicht hergestellt. Die Vereinzelungsvorrichtung ist vielmehr nur als Teil (Einrichtung) beschrieben, das der Vorratsbehälter bodenseitig aufweist. Die - wovon an sich auch das Berufungsgericht ausgegangen ist - nächstliegende Deutung dieser Kennzeichnung ist deshalb, daß nach Merkmal 2 die vorrichtungsmäßige Gestaltung innerhalb des Vorratsbehälters lediglich derart sein muß, daß eine Vereinzelung der im Vorratsbehälter lagernden Parkkarten im Bereich des Behälterbodens stattfindet.

c) Eine weitergehende, den Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Klagepatents nach Maßgabe der Auslegung durch das Berufungsgericht einengende Bedeutung des Merkmals 2 ergibt sich auch nicht bei Heranziehung der Beschreibung des Klagepatents. Hinsichtlich der Übermittlung der Parkkarten vom Vorratsbehälter zum Fallschacht heißt es in Sp. 2 Z. 1-2 der Beschreibung des Klagepatents lediglich, die Parkkarten gelangten jeweils einzeln von einem Stapel Parkkarten abgetrennt in einen Fallschacht. Das beschreibt nur, daß die Parkkarten jeweils als vereinzelte in den Fallschacht gelangen müssen, nicht aber, von welchem Bereich des Vorratsbehälters aus dies zu geschehen hat.
Auch aus den die Vereinzelungsvorrichtung selbst betreffenden Angaben der Beschreibung des Klagepatents ergibt sich nichts anderes. Mit der Vereinzelungsvorrichtung befaßt sich die Beschreibung erstmals in Sp. 3 Z. 8 ff.. Dort
erfährt der Leser zwar, die Vereinzelungsvorrichtung durch einen schachtförmigen Verengungsteil am bodenseitigen Ende des Vorratsbehälters zu bilden, in dem sich die Parkkarten übereinander aufstapeln können, und einen Abstreifer vorzusehen, der die jeweils zuunterst liegende Parkkarte und vorzugsweise jeweils allein diese in den Fallschacht überführt. Die Wortwahl in Sp. 3 Z. 8 der Beschreibung des Klagepatents, die Vereinzelungseinrichtung könne in dieser Weise gestaltet sein, weist diese Textstelle aber als Beschreibung eines Ausführungsbeispiels aus. Ein Ausführungsbeispiel erlaubt regelmäßig jedoch keine einschränkende Auslegung des die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs (vgl. Sen.Urt. v. 09.05.1985 - X ZR 44/84, GRUR 1985, 967, 968 - Zuckerzentrifuge, m.w.N.). Dieser zum früheren deutschen Patentrecht entwickelte Grundsatz ist auch und gerade unter der Geltung des Art. 69 EPÜ zu beachten. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung findet deshalb auch durch den Umstand keine Rechtfertigung, daß Beschreibung und Zeichnungen des Klagepatents auch ansonsten nur Beispiele behandeln, bei denen die Übermittlung der Karten von der Vereinzelungsvorrichtung zum Fallschacht örtlich am Boden des Vorratsbehälters erfolgt.
Eine entsprechender Wortsinn des Gegenstands des Anspruchs 1 des Klagepatents folgt schließlich auch nicht daraus, daß nach der Beschreibung des Klagepatents die Erfindung erlaubt, weitgehend ohne angetriebene Beförderungssysteme zu arbeiten. Abgesehen davon, daß auch hier nicht die Rede davon ist, daß patentgemäß jegliche Beförderungsmittel zu vermeiden sind bzw. vermieden werden, ist der diesbezügliche Hinweis in Sp. 1 Z. 54 f. im Hinblick auf die in Sp. 1 Z. 30-43 wiedergegebene Gestaltung im Stand der Technik erfolgt. Da in Sp. 1 Z. 32-34 nur das Lagern, Zuführen zu einer LeseSchreibstation und das Befördern in Ausgabeöffnungen genannt sind und hiervon zunächst einmal nur die beiden letzten Vorgänge als solche zu erkennen sind, welche die in Sp. 1 Z. 36 f. genannten Transportwege erfordern, betrifft die
Beanstandung nachteiliger Transportbänder oder -rollen im Stand der Technik, wenn nicht sogar überhaupt, so doch vorrangig den dem Vorratsbehälter nachgeschalteten Transport der Karten, wie er bisher im allgemeinen erfolgte. Bei zwangloser Befassung mit der die Erfindung als solche (und nicht schon bestimmte Ausführungsbeispiele) betreffenden Beschreibung des Klagepatents führt mithin auch dies zu der Deutung, daß das Klagepatent erlauben soll, während der dann auch in Sp. 2 Z. 2 - Sp. 3 Z. 7 allein näher beschriebenen Transportwege , welche die Parkkarte nach Verlassen des Vorratsbehälters durchlaufen muß, ohne angetriebene Beförderungssysteme auszukommen, eine etwaige Förderung am Boden des Vorratsbehälters vereinzelter Karten innerhalb des Vorratsbehälters mittels eines angetriebenen Beförderungssystems aber nicht ausgeschlossen sein soll.

d) Unter diesen Umständen wird die Auslegung des Berufungsgerichts auch nicht durch das Argument des Berufungsgerichts gestützt, die bodenseitige Vereinzelung im Vorratsbehälter sei bei derartigen Einrichtungen eine Selbstverständlichkeit, die als solche keiner Erwähnung in einem Patentanspruch bedürfe. Der Erfinder hat es in der Hand, wie er seine Erfindung mittels eines Patentanspruchs umschreibt. Dies schließt ein, zur zutreffenden Kennzeichnung der Neuerung im Patentanspruch auch Selbstverständliches zu benennen. Deshalb kann bei der Auslegung eines Patentanspruchs nicht einfach davon ausgegangen werden, daß darin enthaltene Kennzeichnungen eine über Selbstverständlichkeiten hinausgehende Bedeutung beizumessen sei. Nach dem zuvor Ausgeführten enthalten Patentanspruch 1 des Klagepatents und die ihn als solchen erläuternden Teile der Beschreibung des Klagepatents auch nichts, wonach im konkreten Fall die Annahme einer solchen Bedeutung geboten wäre. Im Hinblick auf Merkmal 2 besagt Patentanspruch 1 des Klagepatents - sinnvoll verstanden - vielmehr nicht mehr, als daß in dem Vorratsbehälter
durch eine bodenseitig wirkende Einrichtung dafür gesorgt werden muß, daß die Karten am Boden vereinzelt werden.
5. An dieser Auslegung ist der Senat nicht auf Grund prozeßordnungsgemäß getroffener tatrichterlicher Feststellungen gehindert. Nach ständiger Rechtsprechung ist es eine Rechtsfrage, wie ein Patent auszulegen ist und ob ein Patentanspruch im Instanzenzug richtig erkannt und in seinem Inhalt verstanden worden ist (z.B. Sen.Urt v. 26.09.1996 - X ZR 72/94, GRUR 1997, 116 - Prospekthalter; v. 27.10.1998 - X ZR 56/96, Mitt. 1999, 365 - Sammelförderer; BGHZ 142, 7, 15 - Räumschild). Lediglich im Bereich der Tatsachenfeststellung liegende Grundlagen tatrichterlicher Auslegung eines Patentanspruchs sind im Revisionsverfahren hinzunehmen, falls in Bezug auf das Verfahren kein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben wurde (BGHZ 142, 7, 15 - Räumschild, m.w.N.). Daß solche Grundlagen die tatrichterliche Auslegung eines Patentanspruchs mitbestimmt haben, kann jedoch nur angenommen werden , wenn und soweit der Tatrichter entscheidungserheblichen Sachverhalt ermittelt und festgestellt hat (vgl. auch hierzu Sen.Urt. v. 18.05.1999 - X ZR 156/97, GRUR 1999, 977, 979 - Räumschild, insoweit nicht abgedr. in BGHZ 142, 7 ff.). Das ist noch nicht der Fall, wenn der Tatrichter - wie auch hier das Berufungsgericht - im Rahmen seiner Ausführungen mit Rücksicht darauf, daß bei der Bestimmung des Inhalts der Patentansprüche einschließlich der dort verwendeten Begriffe auf das Verständnis des Fachmanns auf dem betreffenden Gebiet abzustellen ist (st. Rspr. z.B. BGHZ 150, 149, 153 - Schneidmesser I, m.w.N.), gelegentlich hiervon spricht.
Der hiermit angesprochene Fachmann ist nicht mit einer tatsächlich existierenden Person gleichzusetzen, weil Patentschriften sich an alle Fachleute richten (vgl. Sen.Urt. v. 24.03.1998 - X ZR 39/95, GRUR 1998, 1003, 1004 - Leuchtstoff). Eine dem Gebot der Rechtssicherheit genügende einheitliche
inhaltliche Erfassung einer patentierten Erfindung wäre auf der Grundlage individueller Kenntnisse und Fähigkeiten auch gar nicht möglich. Fachmännisches Denken, Erkennen und Vorstellen wird deshalb bemüht, um mit dem auf dem betreffenden Gebiet der Technik üblichen - allgemeinen - Fachwissen sowie den durchschnittlichen Kenntnissen, Erfahrungen und Fähigkeiten der dort tätigen Fachwelt und dem hierdurch geprägten sinnvollen Verständnis vom Inhalt einer Lehre zum technischen Handeln eine verläßliche Entscheidungsgrundlage zu haben. Das führt freilich dazu, daß die maßgebliche Sicht selbst unmittelbarer Feststellung entzogen ist. Auf sie kann nur mittels wertender Würdigung der tatsächlichen Umstände geschlossen werden, die ihrerseits - unmittelbar oder auch nur mittelbar - geeignet sind, etwas über die hiernach entscheidenden Verhältnisse auszusagen. Das bedeutet zugleich, daß im Patentverletzungsprozeß eine Bindung des Revisionsgerichts nur insoweit in Betracht kommt, als das angefochtene Urteil erkennen läßt, daß der Tatrichter sich mit konkreten tatsächlichen Umständen befaßt hat, die für die Auslegung des betreffenden Patentanspruchs von Bedeutung sein können. Hierbei handelt es sich vor allem um Umstände, die eine Erfassung der maßgeblichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen innerhalb der Fachwelt ermöglichen, aber auch um andere Umstände, die sonstwie Rückschlüsse auf die fachliche Sicht des durch Beschreibung und Zeichnungen erläuterten Patentanspruchs erlauben.
Hieran fehlt es im Streitfall. Die Hinweise des Berufungsgerichts auf das Verständnis des Fachmanns sind bloße Annahmen. Hierauf beruht gerade auch die Folgerung, die den tragenden Gesichtspunkt des Berufungsgerichts bildet und aus dem Umstand hergeleitet ist, daß bei der vom Senat vorgenommenen Auslegung mit der durch Merkmal 2 gekennzeichneten Anweisung lediglich eine Selbstverständlichkeit zum Ausdruck gebracht wird. Mangels gegenteiliger tatrichterlicher Feststellungen ist deshalb der revisionsrechtlichen Überprüfung zu
Grunde zu legen, daß im vorliegenden Fall keine Umstände existieren, die der vom Senat vorgenommenen Auslegung entgegenstehen.
5. Diese Auslegung erlaubt nicht, das Vorhandensein des Merkmals 2 bei der angegriffenen Ausführungsform zu verneinen. Denn auch bei ihr gibt es eine Vorrichtung in dem Vorratsbehälter, die dort lagernde Parkkarten am Boden des Behälters vereinzelt. Das angefochtene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die notwendigen, bisher aber unterbliebenen Feststellungen zur ebenfalls streitigen Verwirklichung der Merkmale 3 und 4 bei der angegriffenen Ausführungsform getroffen werden können.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Mühlens Asendorf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 74/05 Verkündet am
13. Februar 2007
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Kettenradanordnung
EPÜ Art. 69; PatG § 14

a) Zur Beurteilung der Frage, ob eine Patentverletzung vorliegt, bedarf es zunächst
der Befassung mit der technischen Lehre, die sich aus der Sicht des
vom Klagepatent angesprochenen Fachmanns aus dem Patentanspruch
ergibt. Dazu ist der Sinngehalt des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit
und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der
Erfindung liefern, unter Heranziehung der den Patentanspruch erläuternden
Beschreibung und Zeichnungen durch Auslegung zu ermitteln.

b) Die Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen, ein im Patentanspruch
verwendeter Begriff werde auf einem bestimmten Fachgebiet in einem
eindeutig festgelegten Sinne verwendet, entbindet nicht von der richterlichen
Aufgabe, unter Heranziehung der Beschreibung die Bedeutung
dieses Begriffs im Zusammenhang des Patentanspruchs zu klären.
BGH, Urteil vom 13. Februar 2007 - X ZR 74/05 - OLG München
LG München I
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richterin
Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck, Asendorf und Gröning

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 12. Mai 2005 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 313 345 (Klagepatents). Anspruch 1 des Klagepatents, das am 20. Oktober 1988 unter Inanspruchnahme japanischer Prioritäten vom 21. Oktober 1987 und 4. Juni 1988 angemeldet wurde, lautet: "A multistage sprocket assembly for a bicycle comprising at least one larger diameter sprocket (1), at least one smaller diameter sprocket (2) and a drive chain (3), and the or each larger diameter sprocket (1) having at its outer periphery a given number of teeth which are spaced at intervals corresponding to the pitch of the chain (3) and the or each smaller diameter sprocket (2) having at its outer periphery teeth which are smaller in number than the teeth of said larger diameter sprocket (1) and are spaced at intervals corresponding to the pitch of the chain (3), said sprockets (1) and (2) being assembled so that the centre (O2) between a pair of adjacent teeth of said larger diameter sprocket (1) is positioned on a tangent extending form the centre (O1) between a pair of adjacent teeth of said smaller diameter sprocket, said tangent extending along the path of travel of the driving chain (3) in engagement with said smaller diameter sprocket (2) when said chain (3) shifted therefrom into engagement with said larger diameter sprocket (1), the distance between said centres (O1, O2) being at least substantially an integer multiple of the chain pitch, characterised in that said larger diameter sprocket (1) is provided with a chain guide surface (4) on the inside surface of the sprocket (1) facing the smaller diameter sprocket (2) and at a position on said larger diameter sprocket (1) which corresponds to the path of travel between said centres (O1, O2) between adjacent teeth of the sprocket where the chain makes contact with the larger diameter sprocket (1), said chain guide surface (4) having such a shape and size as to receive an entire link plate of a link of said chain and to cause the link to be biased towards the larger diameter sprocket (1) as the chain leaves the smaller diameter sprocket and starts to engage with a tooth of the larger diameter sprocket (1), said tooth being the tooth behind said centre (O2) between adjacent teeth of the larger diameter sprocket in the direction of drive rotation."
2
In der Klagepatentschrift ist dieser Anspruch wie folgt in die deutsche Sprache übersetzt: "Mehrstufige Kettenradanordnung für ein Fahrrad, enthaltend mindestens ein Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser, mindestens ein Kettenrad (2) mit einem kleineren Durchmesser und eine Antriebskette (3), wobei das Kettenrad (1) oder jedes der Kettenräder (1) mit einem größeren Durchmesser an seinem Außenumfang eine gegebene Anzahl an Zähnen aufweist, die in Abständen voneinander angeordnet sind, die dem Lochabstand der Kette (3) entsprechen, sowie das Kettenrad (2) oder jedes der Kettenräder (2) mit einem kleineren Durchmesser an seinem Außenumfang Zähne aufweist, deren Anzahl kleiner als die Anzahl der Zähne des Kettenrads (1) mit einem größeren Durchmesser ist und die in Abständen voneinander angeordnet sind, die dem Lochabstand der Kette (3) entsprechen, und wobei die Kettenränder (1) und (2) derart angeordnet sind, dass die Mitte (O2) zwischen einem Paar benachbarter Zähne des Kettenrads (1) mit einem größeren Durchmesser sich auf einer Tangente befindet, die sich von der Mitte (O1) zwischen einem Paar benachbarter Zähne des Kettenrads mit einem kleineren Durchmesser aus entlang des Laufwegs der Antriebskette (3) im Eingriff mit dem Kettenrad (2) mit einem kleineren Durchmesser erstreckt, wenn die Kette (3) von dort in Eingriff mit dem Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser versetzt wird, wobei die Entfernung zwischen den genannten Mitten (O1, O2) mindestens im Wesentlichen ein ganzzahliges Vielfaches des Lochabstandes der Kette ist, dadurch gekennzeichnet, dass das genannte Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser an seiner Innenoberfläche mit einer Kettenführungsoberfläche (4) versehen ist, die dem Kettenrad (2) mit einem kleineren Durchmesser zugewandt ist, und auf dem Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser an einer Position, die im Laufweg zwischen den genannten Mitten (O1, O2) zwischen benachbarten Zähnen der Kettenräder, wo die Kette mit dem Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser in Kontakt kommt, wobei die Kettenführungsoberfläche (4) eine derartige Gestalt und Größe aufweist, dass sie eine ganze Gliedplatte eines Gliedes der Kette aufnimmt und bewirkt, dass das Glied in Richtung auf das Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser vorgespannt wird, wenn die Kette das Kettenrad mit einem kleineren Durchmesser verlässt und beginnt, mit einem Zahn des Kettenrads (1) mit einem größeren Durchmesser in Eingriff zu kommen, wobei dieser Zahn der Zahn hinter der Mitte (O2) zwischen benachbarten Zähnen des Kettenrads mit einem größeren Durchmesser in der Antriebsdrehrichtung ist."
3
Die nachfolgenden Figuren 1 bis 3 der Klagepatentschrift zeigen ein Ausführungsbeispiel.


4
Die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 war, und die Beklagte zu 3 vertreiben in der Bundesrepublik Deutschland unter den Bezeichnungen "S. 5.0" und "S. 7.0" Kettenradanordnungen für Fahrräder, deren Ausgestaltung in dem für den Rechtsstreit interessierenden Bereich aus den nachstehend wiedergegebenen, von der Klägerin als Anlagen K 38-3, K 38-12 und K 38-13 vorgelegten Photographien ersichtlich ist.
5
Die Klägerin sieht hierin eine Verletzung des Klagepatents und nimmt die Beklagten deswegen auf Unterlassung und Auskunft sowie auf Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadensersatz in Anspruch.
6
Das Landgericht hat, sachverständig beraten, im Wesentlichen antragsgemäß erkannt. Nach Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


7
Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
8
I. Das Klagepatent betrifft eine mehrstufige Kettenradanordnung für ein Fahrrad mit Kettenrädern (Ritzeln) unterschiedlichen Durchmessers, zwischen denen zum Gangwechsel die Antriebskette versetzt wird.
9
Die Klagepatentschrift erläutert, dass herkömmlicherweise bei einer solchen mehrstufigen Kettenradanordnung - wie im japanischen Gebrauchsmuster Sho 55-28617 und entsprechend in der US-Patentschrift 4 268 259 beschrieben - ein Kettenrad mit kleinerem und ein Kettenrad mit (nächst)größerem Durchmesser so angeordnet sind, dass sich die Mitte zwischen einem Paar benachbarter Zähne des größeren Kettenrads auf der Tangente befindet, die sich von der Mitte zwischen einem Paar benachbarter Zähne des kleineren Kettenrads erstreckt, und dass die Entfernung zwischen diesen Mittelpunkten ein ganzzahliges Vielfaches des Lochabstands (der Teilung) der Kette ist. Hierdurch kann bei der Versetzung der Kette auf das nächstgrößere Kettenrad ein in Antriebsdrehrichtung hinter der genannten Mitte angeordneter erster Zahn des größeren Kettenrads leicht in Eingriff mit der Antriebskette gebracht werden, wozu die Kette durch eine Schaltung in Richtung zum größeren Kettenrad schräggestellt ("biased") wird. Die Kette passt dabei besonders gut auf den "ersten Zahn", wenn das betreffende Glied der Kette, die abwechselnd aus Paaren innerer und äußerer Gliedplatten besteht, ein Kettenglied mit äußeren Gliedplatten ist.
10
Selbst wenn jedoch ein solches Kettenglied mit dem "ersten Zahn" korrespondiert , greifen die Endfläche des Kettenstifts und die äußere Oberfläche der äußeren Gliedplatte nach den Darlegungen der Klagepatentschrift störend an der inneren Oberfläche des größeren Kettenrads an, so dass die Kette nicht weiter in Richtung auf das größere Kettenrad transportiert werden kann und infolgedessen den ersten Zahn nicht zuverlässig ergreift. Als ähnlich problematisch wird der Schaltvorgang für den Fall geschildert, dass ein Kettenglied mit inneren Gliedplatten mit dem "ersten Zahn" korrespondiert.
11
Dem Klagepatent liegt das technische Problem zugrunde, die Zuverlässigkeit des Schaltvorgangs unter Berücksichtigung dieser geschilderten Schwierigkeiten weiter zu verbessern.
12
Erfindungsgemäß soll dies durch eine mehrstufige Kettenradanordnung erreicht werden, die nach Maßgabe der nachfolgenden Merkmalsgliederung
a) zumindest ein Kettenrad mit größerem Durchmesser,
b) zumindest ein Kettenrad mit kleinerem Durchmesser und
c) eine Antriebskette umfasst;
d) jedes Kettenrad weist an seinem Umfang eine gegebene Anzahl von Zähnen auf, deren Abstand voneinander der Teilung der Antriebskette entspricht;
e) die Anzahl der Zähne des Kettenrads mit kleinerem Durchmesser ist geringer als die Anzahl der Zähne des Kettenrads mit größerem Durchmesser;
f) die Kettenräder sind so angeordnet, dass die Mitte (O2) zwischen einem Paar benachbarter Zähne des größeren Kettenrads sich auf einer Tangente befindet, f1) die sich von der Mitte O1 zwischen einem Paar benachbarter Zähne des kleineren Kettenrads erstreckt ("extending from the centre …"); f2) die sich entlang des Laufwegs der Antriebskette im Eingriff mit dem kleineren Kettenrad erstreckt, wenn die Kette von dort zum Eingriff in das größere Kettenrad umgeschaltet wird, f3) wobei der Abstand zwischen den Mittelpunkten (O1, O2) jedenfalls im Wesentlichen ("at least substantially" ) ein ganzzahliges Vielfaches der Kettenteilung ist;
g) das größere Kettenrad ist mit einer Kettenführungsfläche versehen, die g1) an der inneren Oberfläche dieses Kettenrads dem kleineren Kettenrad zugewandt ist und g2) sich dort befindet, wo die Kette auf dem Laufweg zwischen den Mittelpunkten (O1, O2) mit dem größeren Kettenrad in Berührung kommt;
h) die Kettenführungsfläche weist eine derartige Gestalt und Größe auf, dass sie h1) eine ganze Gliedplatte eines Kettengliedes aufnimmt ("to receive an entire link plate of a link …") und h2) bewirkt, dass das Kettenglied in Richtung auf das größere Kettenrad schräggestellt wird ("to cause the link to be biased towards the larger diameter sprocket"), wenn die Kette das kleinere Kettenrad verlässt und der Eingriff mit einem Zahn des größeren Kettenrads beginnt, h3) wobei der betreffende Zahn in Antriebsdrehrichtung hinter der Mitte (O2) liegt.
13
Die Klagepatentschrift erläutert das Merkmal h dahin, dass der Kettenführungsabschnitt groß genug ausgeführt ist, um die ihm zugewandten Gliedplatten der Kette aufzunehmen, so dass die Kette um einen vorbestimmten Betrag in Richtung auf die äußere Oberfläche des größeren Kettenrads abgelenkt werden kann ("can deviate at a predetermined amount towards …") und so zuverlässig den ersten Zahn ergreift (Sp. 6 Z. 2-8, Sp. 11 Z. 1-12 [Übersetzung S. 8 letzter Abs., S. 16 erster Abs.]).
14
II. Das Berufungsgericht verneint eine Verletzung des Klagepatents, weil die angegriffenen Ausführungsformen die Merkmale f bis f2 sowie h1 nicht verwirklichten. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt:
15
Der im Berufungsrechtszug bestellte Sachverständige habe dargelegt, dass der Begriff "Tangente an eine Kurve in einem bestimmten Punkt P" mathematisch eindeutig definiert sei und der Fachmann ihn in technischen Beschreibungen wie dem Klagepatent auch in diesem Sinne verstehen werde, ohne davon abweichende Bedeutungen in Betracht zu ziehen. Der Sachverständige habe festgestellt, dass eine Kette die Verzahnung eines Kettenrades auf einer Tangente im exakten mathematischen Sinn verlassen könne, wenn die Symmetrielinie der Kette im Punkt P senkrecht zur Winkelhalbierenden bzw. zum Radiusvektor des Teilkreises stehe. Bei den angegriffenen Ausführungsformen verlasse die Kette das kleinere Kettenrad in dem maßgeblichen Punkt O1 nicht auf einer solchen Tangente. Zutreffend weise der Sachverständige darauf hin, dass das Klagepatent lediglich einen einzigen Hinweis für die Kurve enthalte, an der O1 liegen solle, nämlich die Zeichnung nach Figur 1. Von diesem Punkt müsse sich die Tangente erstrecken. Das hierzu in Widerspruch stehende Vorbringen der Klägerin führe zu keiner anderen tatsächlichen oder rechtlichen Betrachtungsweise. Die Klägerin setze im Ergebnis ihr Verständnis des Klagepatents an die Stelle des Verständnisses des Sachverständigen.
16
Zum Merkmal h1 komme der Sachverständige zum Ergebnis, dass der Begriff "ganze Gliedplatte" sich eindeutig auf Umriss und Tiefe der Kettenführungsfläche beziehe, die so dimensioniert werden solle, dass eine ganze Gliedplatte aufgenommen werden könne. Merkmal h1 löse "nach den Feststellungen des Sachverständigen" die Aufgabe, die Behinderung der Querbewegung der Kette senkrecht zur Kettenradebene zu beseitigen und eine definierte Führung der Kette in der Kettenradebene durch Formschluss mit der Führungsebene zu ermöglichen. Nach den Messungen des gerichtlichen Sachverständigen liege bei den angegriffenen Ausführungsformen die Tiefe mit 0,6 mm um 40 % unter der Dicke einer ganzen Gliedplatte; im Umriss sei gleichfalls eine deutliche Abweichung von ca. 2,5 mm festzustellen. Auch äquivalent werde Merkmal h1 nicht verwirklicht. Beim Gangwechsel könne die Gliedplatte in den hinteren Teil der Führungsfläche nicht eintauchen und stoße seitlich am Kettenrad an. Das vom Klagepatent angestrebte Ziel, die Behinderung der Bewegung der Kette senkrecht zur Kettenradebene zu beseitigen, werde damit nicht erreicht; es werde lediglich eine Verringerung erzielt. Die Funktion der Führung der Kette durch Formschluss in der Kettenradebene auf das benachbarte größere Ketten- rad werde nicht oder nur noch in praktisch bedeutungslosem Umfang erreicht. Nach den Feststellungen des Sachverständigen sei von der Beklagten offenbar eine Lösung entwickelt worden, die sich aus dem Klagepatent nicht eher ableiten lasse als aus bereits bekannten Patenten. Auch in Bezug auf Merkmal h1 gelte, dass die Klägerin im Ergebnis ihr Verständnis an die Stelle des Verständnisses des Sachverständigen setze.
17
III. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Verneinung der Verletzungsfrage beruht auf einer rechtsfehlerhaften Auslegung des Patentanspruchs.
18
1. Zur Beurteilung der Frage, ob eine Patentverletzung vorliegt, bedarf es zunächst der Befassung mit der technischen Lehre, die sich aus der Sicht des vom Klagepatent angesprochenen Fachmanns aus den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit ergibt (vgl. BGHZ 159, 221, 226 - Drehzahlermittlung, m.w.N.). Der Sinngehalt des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, ist unter Heranziehung der den Patentanspruch erläuternden Beschreibung und Zeichnungen (Art. 69 Abs. 1 Satz 2 EPÜ; § 14 Satz 2 PatG) durch Auslegung zu ermitteln. Was sich hieraus als geschützter Gegenstand ergibt, ist eine Rechtsfrage, weshalb die Auslegung des Patentanspruchs vom Revisionsgericht in vollem Umfang nachgeprüft werden kann (st. Rspr.; s. nur BGHZ 142, 7, 15 - Räumschild; BGHZ 160, 204, 213 - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Die Aufgabe der Auslegung des Patentanspruchs darf somit nicht dem gerichtlichen Sachverständigen überlassen werden, sondern obliegt dem Gericht. Zwar bildet das Verständnis des Fachmanns von den im Patentanspruch verwendeten Begriffen und vom Gesamtzusammenhang des Patentanspruchs die Grundlage der Auslegung, weil sich der Patentanspruch an die Fachleute eines bestimmten Gebiets der Technik richtet. Das bedeutet jedoch nur, dass sich der Tatrichter Das bedeutet jedoch nur, dass sich der Tatrichter gegebenenfalls sachverständiger Hilfe bedienen muss, wenn es um die Frage geht, welche objektiven technischen Gegebenheiten, welches Vorverständnis der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Sachkundigen, welche Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen und welche methodische Herangehensweise dieser Fachleute das Verständnis des Patentanspruchs und der in ihm verwendeten Begriffe bestimmen oder jedenfalls beeinflussen können (BGHZ 164, 261, 268 - Seitenspiegel). Das auf dieser Grundlage zu klärende richtige Verständnis des Patentanspruchs selbst ist hingegen unmittelbarer Feststellung regelmäßig entzogen (BGHZ 160, 204, 213 - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Das Gericht ist deswegen gehindert , die Ergebnisse eines Sachverständigengutachtens einfach zu übernehmen ; sachverständige Äußerungen sind vom Tatrichter vielmehr eigenverantwortlich daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit sie Angaben enthalten, die Aufklärung im Hinblick auf entscheidungserhebliche und allein von dem erkennenden Gericht zu beantwortende Fragen zu bieten vermögen (Sen.Urt. v. 7.3.2001 - X ZR 176/99, GRUR 2001, 770 - Kabeldurchführung II). Das Verständnis des Sachverständigen vom Patentanspruch genießt als solches bei der richterlichen Auslegung grundsätzlich ebenso wenig Vorrang wie das Verständnis einer Partei.
19
Das angefochtene Urteil genügt diesen Anforderungen nicht. Das Berufungsgericht hat nicht den Sinngehalt des Patentanspruchs unter Heranziehung der Patentbeschreibung und der Zeichnungen ermittelt, sondern sich letztlich darauf beschränkt, die Ausführungen des Sachverständigen wiederzugeben und auf sie zu verweisen, ohne sie daraufhin zu überprüfen, inwieweit sie mit dem im Lichte der Beschreibung interpretierten Patentanspruch in Einklang stehen. Vielmehr hat es die von ihm zitierten Ausführungen des Sachverständigen - ersichtlich nicht nur im Sinne eines Vergreifens im Ausdruck - als "Feststellungen" zum Inhalt des Patentanspruchs behandelt. Unter Missachtung der vorste- henden Grundsätze ist das Berufungsgericht vom Verständnis des gerichtlichen Sachverständigen ausgegangen, das es als aufgrund seiner fachlichen Autorität maßgeblich bewertet, anstatt eigenverantwortlich den technischen Sinngehalt des Patentanspruchs zu ergründen. Deutlich wird dies insbesondere bei der Auslegung des in Merkmal f verwendeten Begriffs der Tangente, bei der sich das Berufungsgericht die Auffassung des Sachverständigen zu eigen gemacht hat, der Fachmann werde den mathematisch eindeutig definierten Begriff in technischen Beschreibungen wie dem Klagepatent auch in diesem Sinne verstehen , ohne davon abweichende Bedeutungen in Betracht zu ziehen, und bei den Ausführungen des Berufungsgerichts zur Lage des Punktes O1 auf einer Kurve, zu der das Klagepatent in der Figur 1 lediglich "einen einzigen Hinweis" enthalte. In beiden Fällen wird der Grundsatz missachtet, dass die Merkmale eines Patentanspruchs nicht für sich stehen, sondern im Zusammenhang des gesamten Anspruchs zu verstehen sind und die Beschreibung zur Ermittlung dieses Sinnzusammenhangs heranzuziehen ist (BGHZ 150, 149, 155 f. - Schneidmesser I; BGHZ 159, 221, 226 - Drehzahlermittlung; Sen.Urt. v. 2.3.1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 912 - Spannschraube). Ist die technische Lehre des Patentanspruchs aber nicht ermittelt, fehlt es bereits an der erforderlichen Grundlage, um sachgerecht prüfen können, ob eine angegriffene Ausführungsform in den Schutzbereich eines Klagepatents fällt.
20
2. Im Hinblick auf die vom Berufungsgericht bei den angegriffenen Ausführungsformen verneinten Merkmale f bis f2 und h1 führt die Auslegung des Patentanspruchs 1 zu folgendem Ergebnis:
21
a) Die Merkmalsgruppe f hat die Anordnung der Kettenräder zueinander zum Gegenstand. Wie bereits ausgeführt, ist Ziel dieser schon aus den in der Klagepatentschrift angeführten Druckschriften (japanisches Gebrauchsmuster Sho 55-28617 und US-Patentschrift 4 268 259) vorbekannten Zuordnung, eine Verbesserung des Schaltvermögens der Gangschaltung dadurch zu erreichen , dass beim Gangwechsel zum Kettenrad mit dem größeren Durchmesser ein als erster Zahn (11) bezeichneter Schaltzahn des größeren Kettenrades leicht in Eingriff mit der Antriebskette gebracht werden kann (vgl. Sp. 1 Z. 11-30 [Übersetzung S. 1 zweiter Abs.]).
22
Die Zuordnung der Kettenräder wird durch die Erstreckung einer als Tangente bezeichneten Geraden und den Abstand zwischen der Mitte O1 zwischen einem Paar benachbarter Zähne des kleineren Kettenrads und der Mitte O2 zwischen einem Paar benachbarter Zähne des größeren Kettenrads bestimmt. Der Abstand beträgt gemäß Merkmal f3 - jedenfalls im Wesentlichen - ein ganzzahliges Vielfaches der Kettenteilung. Damit wird erreicht, dass beim Gangwechsel der in Antriebsrichtung vor der Mitte O2 liegende (erste) Schaltzahn des größeren Kettenrads aufgrund des vorbestimmten Verhältnisses problemlos in den zwischen einem Paar äußerer Gliedplatten gebildeten Zahnaufnahmeraum eingreifen kann (vgl. Sp. 1 Z. 42-52, Sp. 3 Z. 49-54 [Übersetzung S. 2 zweiter Abs., S. 5 dritter Abs.]). Da es um die Festlegung der für den Zahneingriff vorbestimmten Kettenteilung geht, muss sich die maßgebliche Tangente mit den Punkten O1 und O2 gemäß Merkmal f2 entlang des Laufwegs der Antriebskette erstrecken.
23
Eine derart definierte Tangente hat ihren für die relevante Länge maßgeblichen Ausgangspunkt dort (und erstreckt sich dementsprechend von dort), wo die Kette vom kleineren Kettenrad abläuft, um den Gangwechsel zum größeren Kettenrad zu ermöglichen. Merkmal f1 konkretisiert insoweit mit der Mitte O1 zwischen einem Paar benachbarter Zähne des kleineren Kettenrads den Punkt, von dem sich die Tangente erstreckt und von dem ausgehend bestimmt wird, ob der Abstand zur Mitte O2, welche sich in Antriebsrichtung hinter dem (ersten) Schaltzahn des größeren Kettenrads befindet, im Wesentlichen ein ganzzahliges Vielfaches der Kettenteilung im Sinne von Merkmal f3 beträgt. Die den tangentialen Kettenablauf im Punkt O1 schneidende Mittellinie zwischen einem Paar benachbarter Zähne des kleineren Kettenrads erlaubt dabei eine eindeutige Festlegung des (längenbestimmenden) Ausgangspunktes der erfindungsgemäßen Tangente. Vor diesem Hintergrund bedarf es aus technischer Sicht und in Übereinstimmung mit dem Anspruchswortlaut keiner weiteren Konkretisierung der Lage der Punkte O1 und O2. Da sich die erfindungsgemäße Tangente entlang des (geradlinigen) Laufwegs der Antriebskette erstreckt, ergeben sich diese von selbst aus den Schnittpunkten der Mittellinie zwischen den benachbarten Zähnen mit einer in Übereinstimmung mit dem Kettenverlauf angelegten Geraden. Eine entlang des Laufwegs der Antriebskette angelegte Gerade stellt auch eine Tangente dar, da die Antriebskette beim Gangwechsel stets tangential vom kleineren Kettenrad, über welches sie sich auf dem Wälzkreis bewegt, abläuft.
24
Dass eine erfindungsgemäße Tangente darüber hinaus nur vorliegt, wenn sie - entsprechend den Ausführungen des vom Berufungsgericht hinzugezogenen Sachverständigen - im Punkt O1 dieselbe Steigung aufweist wie ein die Mitte O1 schneidender Teilkreis des Kettenrads, so dass die Tangente dort ihren Berührpunkt mit dem Teilkreis hat und senkrecht zur Winkelhalbierenden steht, lässt sich der technischen Lehre des Klagepatents nicht entnehmen. Wie der vorstehend ermittelte Sinngehalt der Merkmale zeigt, führen weder die Verwendung des Begriffs Tangente noch die Anweisung in Merkmal f1, die Tangente müsse sich von der Mitte O1 erstrecken, zu einem solchen Verständnis. Bei seiner abweichenden Beurteilung hat sich das Berufungsgericht wie der gerichtliche Sachverständige allein von der mathematischen Definition einer Tangente leiten lassen und den technischen Zusammenhang aus dem Auge verloren, in dem der Begriff im Klagepatent verwendet wird. Auch der Einwand der Revisionserwiderung, der Berührpunkt der Tangente mit dem Wälzkreis verändere sich im Falle einer Änderung des Kettenabzugswinkels, wäre nur dann maßgeblich, wenn der Berührpunkt und seine Lage fest vorgegeben wären. Patentanspruch 1 und die zu seiner Auslegung heranzuziehende Patentbeschreibung befassen sich jedoch nicht mit dem Berührpunkt. Dies ist auch ohne weiteres einleuchtend, da sich dieser Punkt beim tangentialen Ablauf der Antriebskette vom Kettenrad von selbst einstellt. Anhaltspunkte dafür, dass mit der in Merkmal f1 angesprochenen Erstreckung der Tangente von der Mitte O1 nicht nur ausgesagt ist, dass die Tangente im oben genannten Sinne ihren für die Abstandsbestimmung zur Mitte O1 maßgeblichen Anfangspunkt hat, sondern gefordert wird, dass sie außerdem gerade dort ihren Berührpunkt an einem Teilkreis haben muss, sind der Patentschrift nicht zu entnehmen. Der vom Berufungsgericht in Bezug genommene Sachverständige sieht eine technische Funktion einer solchen Anordnung zwar darin, dass bei kleinen Zähnezahldifferenzen ein den Kettenradwechsel störender Kontakt zwischen der Antriebskette und dem entgegen der Antriebsrichtung übernächsten auf den Punkt O1 folgenden Zahn des kleineren Kettenrads vermieden werden kann. Diese Funktion weist die Klagepatentschrift der Tangente und der Lage ihres Berührpunktes jedoch nicht zu. Vielmehr würde das von dem gerichtlichen Sachverständigen für richtig gehaltene Verständnis eine völlig unübliche Durchmesserdifferenz zwischen aufeinanderfolgenden Kettenrädern bedingen, die weder in der Beschreibung noch in den Zeichnungen des Klagepatents irgendeine Stütze findet. In keiner Figur ist die Lage der erfindungsgemäßen Tangente eingezeichnet. Lediglich die Darstellung des Ausführungsbeispiels gemäß Figur 1 erlaubt es überhaupt, entsprechend den Vorgaben der Merkmalsgruppe f eine Tangente nachträglich anzulegen. Die vom Berufungsgericht geforderte Tangente ergibt sich hieraus jedoch nicht, da eine Tangente, die im Ausführungsbeispiel am Punkt O1 ihren Berührpunkt mit einem (fiktiven) Teilkreis hat, sich nicht - auch nur annähernd - entlang des Laufwegs der Antriebskette erstreckt.
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Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung rechtfertigt schließlich auch der in der Klagepatentschrift (Sp. 1 Z. 12-15 [Übersetzung S. 1 zweiter Abs.]) gegebene Hinweis auf das US-Patent 4 268 259 (Anlage K 6) kein anderes Auslegungsergebnis. Zur Patentbeschreibung, die nach Art. 69 Abs. 1 Satz 2 EPÜ zur Auslegung der Patentansprüche und zur Klärung der in der Patentschrift verwendeten Begriffe heranzuziehen ist, gehören zwar auch die in der Beschreibung genannten Druckschriften des Standes der Technik, soweit auf sie zur Ergänzung der Patentbeschreibung Bezug genommen wird (vgl. Sen.Urt. v. 27.10.1998 - X ZR 56/96, Mitt. 1999, 365, 367 - Sammelförderer). Die US-Patentschrift gibt für ein im oben genannten Sinne eingeschränktes Verständnis des Begriffs Tangente jedoch nichts her. Die von der Revisionserwiderung angeführte Beschreibungsstelle der US-Patentschrift (Sp. 2 Z. 37-50) umschreibt die Tangente als Tangentenlinie X-X oder eine von der Mitte O2 - in der Klagepatentschrift mit O1 bezeichnet - auf einer Tangentialebene in Bezug auf das kleinere Zahnrad und entlang des Laufwegs der Kette gezeichnete Linie ("… tangent line X-X or a line drawn from the center O2 on the tangent plane with respect to the smaller diameter sprocket 2 and along the travel of the chain 4 …”). Da die Antriebskette beim Gangwechsel tangential vom kleineren Kettenrad abläuft, befindet sich eine sich entlang des Laufs der Antriebskette erstreckende Gerade stets in einer tangentialen Ebene in Bezug auf das kleinere Kettenrad. Die Mitte zwischen zwei benachbarten Zähnen des kleineren Kettenrads muss dazu nicht den Berührpunkt einer Tangente darstellen, die als solche auch unabhängig von der tangentialen Erstreckung der Antriebskette verlaufen kann. Die Tangentenlinie X-X bezieht sich lediglich auf die zeichnerische Darstellung der sich entlang des Kettenverlaufs erstreckenden Gerade in Figur 1 der US-Patentschrift und definiert keine weitere geometrische Anforderung. Die gegenteilige Ansicht der Revisionserwiderung, Kettenverlauf und die Tangentenlinie X-X könnten voneinander abweichen, findet keinen Anhalt in der US-Patentschrift.
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Nach allem durfte das Berufungsgericht das Vorliegen einer erfindungsgemäßen Tangente im Sinne der Merkmale f bis f2 nicht allein deshalb verneinen , weil die Antriebskette das kleinere Kettenrad nicht auf einer Tangente verlässt , die an einem Teilkreis des Kettenrades im Punkt O1 anliegt, also dort senkrecht zur Winkelhalbierenden steht. Ob die angegriffenen Ausführungsformen in tatsächlicher Hinsicht so ausgestaltet sind, dass sie von den Merkmalen f bis f2 Gebrauch machen, wird das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsrechtszug unter Beachtung des vorstehend ermittelten Sinngehalts des Patentanspruchs 1 festzustellen haben.
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b) Während Merkmalsgruppe g die Lage der erfindungsgemäßen Kettenführungsfläche auf dem größeren Kettenrad vorgibt, befasst sich Merkmalsgruppe h mit Größe und Gestalt der Kettenführungsfläche. Sie werden in funktionaler Hinsicht durch Merkmal h2 bestimmt, wonach Gestalt und Größe der Kettenführungsfläche bewirken, dass das Kettenglied in Richtung auf das größere Kettenrad schräggestellt werden kann. Diese Wirkungsangabe versteht sich vor der vom Klagepatent am Stand der Technik geübten Kritik, dass die dem kleineren Kettenrad zugewandte (innere) Oberfläche des größeren Kettenrads einer ausreichenden Schrägstellung der Antriebskette für den Gangwechsel entgegenwirken kann, weil die äußere Gliedplatte und gegebenenfalls die Endfläche eines Kettenzapfens an die innere Oberfläche des größeren Kettenrades stoßen mit der Folge, dass die Kette möglicherweise nicht hinreichend zum größeren Kettenrad hin abgelenkt werden kann, um ein zuverlässiges Eingreifen mit einem (ersten) Schaltzahn zu gewährleisten (vgl. Sp. 1 Z. 42 bis Sp. 2 Z. 42 [Übersetzung S. 2 zweiter Abs. bis S. 3 zweiter Abs.]). Die erfindungsgemäße Ausgestaltung der Kettenführungsfläche soll es demgegenüber ermöglichen , die Kette beim Versetzen vom kleineren zum größeren Kettenrad zuverlässig - d.h. insbesondere ohne das vorgenannte schädliche Anstoßen - um einen vorbestimmten Betrag in Richtung zur Oberfläche des größeren Ketten- rads schrägstellen zu können (vgl. Sp. 3 Z. 42-48 [Übersetzung S. 5 dritter Abs.]).
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Mit welcher räumlich-körperlichen Ausgestaltung diese Wirkung erzielt werden soll, gibt Merkmal h1 an. Gestalt und Größe der Kettenführungsfläche werden hierzu in Beziehung zur Gliedplatte gesetzt und dadurch charakterisiert, dass sie diese ganz aufnehmen. Mit der Aufnahme ist ein Raum vorhanden, der groß genug ausgeführt ist, um die Kette zuverlässig um einen vorbestimmten Betrag in Richtung zur Oberfläche des größeren Kettenrads bewegen zu können (vgl. Sp. 6 Z. 2-8, Sp. 11 Z. 1-12 [Übersetzung S. 8 letzter Abs., S. 16 erster Abs.]). Merkmal h1 lehrt insoweit, dass der Aufnahmeraum dann hinreichend groß dimensioniert ist, wenn die Gliedplatte nicht nur teilweise, sondern ganz aufgenommen wird. Vollständige Aufnahme bedeutet, dass die Begrenzung des Aufnahmeraums in ihrem radialen Umriss nicht kleiner gestaltet sein soll als der Längsumriss der Gliedplatte. Anderenfalls käme die Gliedplatte zwangsläufig nicht nur mit dem Aufnahmeraum, sondern auch mit der ihn begrenzenden, nicht vertieften inneren Oberfläche des größeren Kettenrads in Kontakt. Ein solcher Kontakt kann zu der unerwünschten Ablenkung der Kette weg vom größeren Kettenrad führen und damit verhindern, dass die Kette in erfindungsgemäßer Weise zuverlässig um den vorbestimmten Betrag zum größeren Kettenrad schräggestellt wird. Der vom Klagepatent vorausgesetzte Raum zur Aufnahme einer ganzen Gliedpatte kann, wie dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1 der Klagepatentschrift zu entnehmen ist, auch dann noch vorhanden sein, wenn die Gliedplatte über den Boden der Führungsfläche hinausragt. Entscheidend ist, dass es nicht zu dem vorerwähnten schädlichen Kontakt mit der unvertieften Kettenradoberfläche kommt und die Fläche ihre Führungsfunktion erfüllt, die Kette zuverlässig um einen vorbestimmten Betrag in Richtung zur Oberfläche des größeren Kettenrads zu bewegen.
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Die nicht unmittelbar durch den Anspruchswortlaut geklärte Frage, ob sich das Kriterium der Aufnahme einer ganzen Gliedplatte daneben auch auf die Tiefe der Kettenführungsfläche in der Weise bezieht, dass die axiale Tiefe des Aufnahmeraums zumindest der Dicke einer Gliedplatte entsprechen muss, so dass eine Gliedplatte axial betrachtet vollständig in den Aufnahmeraum eintauchen kann, ist zu verneinen. Die Tiefe des von der Kettenführungsfläche gebildeten Aufnahmeraums bestimmt, um welchen Betrag die Kette zum größeren Kettenrad schräggestellt werden kann. Dieser vorbestimmte Betrag gewährleistet , dass die Kette zuverlässig in Eingriff mit einem Zahn des größeren Kettenrads gebracht und der Gangwechsel vom kleineren zum größeren Kettenrad problemlos vollzogen werden kann. Entspricht ein Paar der äußeren Gliedplatten dem ersten Schaltzahn (11), gelangt der Zahn zwischen diesen in Eingriff. Entspricht ein Paar der inneren Gliedplatten dem ersten Schaltzahn, kommt nicht der - weniger große - Zwischenraum zwischen diesem Paar mit dem ersten Schaltzahn, sondern erst der Zwischenraum der dem Paar nachfolgenden Paar äußerer Gliedplatten mit dem zweiten Schaltzahn (12) in Eingriff (vgl. Sp. 3 Z. 49 bis Sp. 4 Z. 2, Sp. 10 Z. 33-40 [Übersetzung S. 5 dritter Abs., S. 15 zweiter Abs.]). Dabei gilt es zu verhindern, dass die dem größeren Kettenrad zugewandte innere Gliedplatte auf dem ersten Schaltzahn aufreitet ("riding on the first tooth") (Sp. 5 Z. 43-50, Sp. 6 Z. 8-16 [Übersetzung S. 8 dritter Abs., S. 9 erster Abs.]). Die Kettenführungsfläche muss dementsprechend einerseits tief genug für den Eingriff des ersten Schaltzahns zwischen einem Paar der äußeren Gliedplatten sein, darf aber andererseits nicht so tief sein, dass es zu einem Aufreiten einer inneren Gliedplatte auf dem Zahn kommt. Dieses Anforderungsprofil schließt solche Ausführungsformen ein, bei denen die Kettenführungsfläche eine geringere Tiefe als die Dicke einer Gliedplatte aufweist. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn eine solche Tiefe Voraussetzung dafür wäre, überhaupt zu den vorgenannten Steuerungsverhältnissen zu gelangen. Derartiges ist der Patentbeschreibung jedoch nicht zu ent- nehmen und erscheint auch in technischer Hinsicht nicht plausibel, da die Dicke der Kettenglieder allenfalls einer von mehreren Faktoren - etwa neben der Materialdicke der Kettenräder und der Gestaltung der Schaltzähne - sein kann, die Einfluss darauf haben, welche Tiefe die Kettenführungsfläche im Einzelfall zum Erzielen der erwünschten Steuerungsverhältnisse aufweisen muss.
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Kettenführungsflächen mit geringerer Tiefe als die Dicke einer Gliedplatte vom Schutzbereich des Klagepatents auszunehmen - wie es das Berufungsgericht unter Verweis auf den Sachverständigen unternommen hat -, lässt sich auch nicht mit der Erwägung begründen, mit der in Merkmal h1 vorgesehenen Aufnahme einer ganzen Gliedplatte solle eine definierte (Radial-) Führung in der Kettenradebene durch Formschluss mit der Führungsebene ermöglicht werden. Weder das der Erfindung zugrunde liegende Problem noch die sonstige Patentbeschreibung rechtfertigen eine solche einschränkende Betrachtung. Dem Klagepatent geht es in erster Linie um die Beseitigung der Nachteile, die sich im Stand der Technik daraus ergeben, dass die Kette bei der für den Gangwechsel zum größeren Kettenrad erforderlichen Querbewegung senkrecht zur Kettenradebene - also axial und nicht radial - durch dessen innere Oberfläche störend abgelenkt wird. Lediglich im Rahmen der Beschreibung der Ausführungsalternative , die Kettenführungsfläche durch einen Ausschnitt ("cutout") zu bilden, wird dargelegt, die Bewegung der Kette könne geführt sein und ein abgestufter Bereich 4a ("stepped portion 4a") die Gliedplatte beim Versetzen aufnehmen (Sp. 6 Z. 19-23 [Übersetzung S. 9 zweiter Abs.]). Der Abstufung mag hierbei der technische Sinn zukommen, in radialer Hinsicht eine gewisse Abstützung der Gliedplatte herbeizuführen und so einem Herausrutschen der Gliedplatte aus der Kettenführungsfläche entgegenzuwirken. Zum einen handelt es sich bei der Abstufung und den mit ihr eröffneten radialen Führungsmöglichkeiten der Kette jedoch nicht um einen notwendigen Bestandteil des patentgemäßen Gegenstandes. Zum anderen hat sich die Tiefe der Abstufung an der oben beschriebenen - allein im Mittelpunkt der patentgemäßen Lehre stehenden - Führung der Kette senkrecht zur Kettenradebene zu orientieren, was bedeutet , dass als Folge der Abstufung keine Tiefe der Kettenführungsfläche erreicht werden darf, die zu einem Aufreiten einer inneren Gliedplatte auf dem ersten Schaltzahn führen kann. Dies kann je nach den gegebenen Verhältnissen erfordern, die Abstufung geringer ausfallen zu lassen als die Dicke einer Gliedplatte. Dafür, dass umgekehrt wegen der Abstufung und der mit ihr verbundenen Wirkungen die Möglichkeiten der axialen Führung der Kette auf Kettenführungsflächen mit einer bestimmten Mindesttiefe - etwa entsprechend der Dicke einer Gliedplatte - beschränkt sein sollen, fehlt es hingegen an jedem Anhaltspunkt.
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Merkmal h1 ist schließlich auch nicht in der Weise zu verstehen, dass mit der Aufnahme einer ganzen Gliedplatte eine radiale Abstützung entlang der ganzen Führungsfläche erreicht werden soll. Die Antriebskette wird beim Gangwechsel schräg zum größeren Kettenrad gestellt. Die Gliedplatten bewegen sich demgemäß nicht mehr parallel zum größeren Kettenrad, sondern in einem bestimmten Winkel (axial) auf das Kettenrad zu. Patentgemäß ist deshalb vorgesehen, die Tiefe der Kettenführungsfläche stufenweise zu verändern oder sie über ihre gesamte Länge hinweg schräg verlaufen zu lassen (Sp. 7 Z. 11-16 [Übersetzung S. 10 vierter Abs.]), was einschließt, die Schräge auf der Höhe der nicht vertieften inneren Kettenradoberfläche beginnen zu lassen. Danach unterfallen aber auch solche Ausführungsformen der technischen Lehre des Klagepatents, bei denen eine radiale Abstützung nur partiell stattfindet, sei es, weil die Gliedplatte aufgrund ihrer vorgegebenen Schräglage nur in ihrem vorderen Bereich hinreichend tief in die Kettenführungsfläche eintauchen kann, sei es, weil die sich gestuft oder durchgehend schräg vertiefende Führungsfläche nur bereichsweise eine Tiefe erreicht, die eine technisch nennenswerte radiale Abstützung erlaubt.
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Zieht man diese Auslegung für die Verletzungsprüfung heran, hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht eine identische (wortsinngemäße) Benutzung des Merkmals h1 verneint. Seine Feststellung, bei den angegriffenen Ausführungsformen sei die Kettenführungsfläche in ihrem radialen Umriss kleiner (ca. 2,5 mm) gestaltet als der Umriss einer Gliedplatte, bezieht sich ersichtlich (auch) auf die durch eine Stufe gebildete Begrenzung der Führungsfläche an ihrem vom ersten Schaltzahn radial entfernten Ende. Damit bietet die Führungsfläche nicht im Sinne von Merkmal h1 den für die Aufnahme einer ganzen Gliedplatte erforderlichen Raum.
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3. Rechtsfehlerhaft sind jedoch die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht eine Verwirklichung des Merkmals h1 mit abgewandelten (äquivalenten ) Mitteln verneint hat.
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a) Die Zugehörigkeit einer vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichenden Ausführung zum Schutzbereich erfordert zunächst, dass sie das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln löst (BGHZ 150, 149, 154 - Schneidmesser I).
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Wie die Auslegung von Patentanspruch 1 ergeben hat, wird mit der Aufnahme einer ganzen Gliedplatte in der Führungsfläche erreicht, dass die Kette zuverlässig um einen vorbestimmten (axialen) Betrag in Richtung zur Oberfläche des größeren Kettenrads bewegt werden kann. Die Kette wird nicht durch ein Anstoßen an der nicht vertieften inneren Oberfläche des größeren Kettenrads störend abgelenkt. Bei den angegriffenen Ausführungsformen hat die kleiner als der Gliedplattenumriss gestaltete Begrenzung der Kettenführungsfläche an ihrem vom ersten Schaltzahn radial entfernten Ende zur Folge, dass die Gliedplatte dort zumindest an der oberen Kante der Stufe zur Kettenführungsfläche mit der nicht vertieften Oberfläche des größeren Kettenrads in Kontakt kommen kann. Der Kontakt schlösse eine Gleichwirkung aus, wenn er die Gliedplatte daran hinderte, sich schräg in die Führungsfläche zu stellen und auf diese Weise die Kette um einen durch die Tiefe der Führungsfläche vorbestimmten Betrag in Richtung zum größeren Kettenrad zu führen. Dass derartige Verhältnisse bei den angegriffenen Ausführungsformen vorliegen, lässt sich den Feststellungen des Berufungsgerichts jedoch nicht entnehmen. Soweit das Berufungsgericht unter Verweis auf die Ausführungen des Sachverständigen meint, eine Behinderung der axialen Querbewegung der Kette werde bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht vollständig, sondern lediglich in einem verringerten Umfang vermieden, rechtfertigt dies die Verneinung einer Patentverletzung mit abgewandelten Mitteln schon deshalb nicht, weil nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine patentrechtliche Gleichwirkung schon bei im Wesentlichen die patentgemäßen Wirkungen erzielenden Gestaltungen gegeben ist (vgl. Sen.Urt. v. 2.3.1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 914 - Spannschraube; Urt. v. 28.6.2000 - X ZR 128/98, GRUR 2000, 1005, 1006 - Bratgeschirr - m.w.N.). Eine solche Wirkung kommt bei einer Verkürzung der Kettenführungsfläche an ihrem vom Schaltzahn radial entfernten Ende jedenfalls dann in Betracht, wenn die Verkürzung so geringfügig ist, dass die Gliedplatte noch im Wesentlichen ungehindert schräg in die Fläche einlaufen oder über die Stufenkante schräg in sie abkippen kann. Eine Führung der Kette um einen vorbestimmten Betrag in Richtung zum größeren Kettenrad erscheint auch hier noch im Wesentlichen möglich. Ob derartige Verhältnisse bei den angegriffenen Ausführungsformen verwirklicht sind, bedarf allerdings tatrichterlicher Feststellungen, die im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden können. Hierzu hat das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsrechtszug Gelegenheit.
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b) Gelangt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass die angegriffenen Ausführungsformen die erfindungsgemäßen Wirkungen erzielen, wird es weiter zu prüfen haben, ob seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigten, die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden (BGHZ 150, 149, 153 - Schneidmesser I). War - was nach dem Vorstehenden naheliegt - auch dies der Fall, wird das Berufungsgericht der Frage nachzugehen haben, ob die Überlegungen , die der Fachmann hierzu anstellen musste, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sind, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zog (BGHZ 150, 149, 154 - Schneidmesser I). Hierbei handelt es sich um eine Rechtsfrage (Sen.Urt. v. 22.11.2005 - X ZR 81/01, GRUR 2006, 313, 316 - Stapeltrockner). Bei ihrer Beantwortung ist der in der gelehrten vollständigen Aufnahme zum Ausdruck kommende Lösungsgedanke zu beachten, die Kettenführungsfläche groß genug zu gestalten, um die Kette zuverlässig um einen vorbestimmten Betrag in Richtung zur Oberfläche des größeren Kettenrads bewegen zu können (vgl. Sp. 6 Z. 2-8 [Übersetzung S. 8 letzter Abs.]). Abweichungen, die aufgrund ihrer Geringfügigkeit und räumlichen Lage (noch) nicht zu einem Kontakt der Gliedplatte mit der unvertieften Oberfläche des Kettenrads führen, der die Kette in technisch bedeutsamer Weise an der Bewegung um den vorbestimmten Betrag hindern kann, stehen mit diesem Gedanken grundsätzlich in Einklang. Aus dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 ergibt sich nichts anderes. Die Anweisung, eine ganze Gliedplatte aufzunehmen, stellt eine verbale Umschreibung des geschützten Gegenstandes dar, die insgesamt auslegungsbedürftig ist und der von vornherein nicht das Maß an Eindeutigkeit und Exaktheit zukommt , welches der Fachmann mit technisch eindeutig definierten Zahlen- oder Maßangaben (z.B. Winkel-, Mengen- oder Gewichtsangaben) verbindet. Ohne Stütze in der Patentbeschreibung kann Merkmal h1 daher nicht der Sinngehalt beigemessen werden, einen Grenzwert anzugeben, den es im Zweifel exakt einzuhalten gilt und der Abweichungen generell nicht mehr als gleichwertig gegenüber dem geschützten Gegenstand erscheinen lässt.
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IV. Gelangt das Berufungsgericht bei seiner erneuten Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Merkmale f bis f2 und h1 wortsinngemäß bzw. mit äquivalenten Mitteln verwirklicht sind, wird es die Prüfung nachzuholen haben, ob die angegriffenen Ausführungsformen auch das zwischen den Parteien ebenfalls umstrittene Merkmal f3 aufweisen.
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Schließlich wird das Berufungsgericht gegebenenfalls der von ihm offengelassenen Frage nachzugehen haben, ob der Einwand der Beklagten durchgreift , eine von den angegriffenen Ausführungsformen verwirklichte äquivalente Lösung stelle mit Rücksicht auf den Stand der Technik keine patentfähige Erfindung dar (vgl. BGHZ 98, 12 - Formstein).
Melullis Mühlens Meier-Beck
Asendorf Gröning
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 11.06.2003 - 21 O 21210/00 -
OLG München, Entscheidung vom 12.05.2005 - 6 U 4058/03 -

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)