vorgehend
Landgericht München I, 21 O 9433/99, 09.07.2003
Oberlandesgericht München, 6 U 4244/03, 29.09.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 153/05 Verkündet am:
12. Februar 2008
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Mehrgangnabe
ZPO § 286 D; PatG § 14; EPÜ Art. 69 Abs. 1

a) Aufgabe des Sachverständigen ist die Vermittlung von Fachwissen zur richterlichen
Beurteilung von Tatsachen und im Patentverletzungsprozess insbesondere
die Vermittlung derjenigen fachlichen Kenntnisse, die das Gericht benötigt, um die
geschützte technische Lehre zu verstehen und den diese Lehre definierenden Patentanspruch
unter Ausschöpfung seines Sinngehalts selbst auslegen zu können.
Das Verständnis des Sachverständigen vom Patentanspruch genießt als solches
bei der richterlichen Auslegung grundsätzlich ebenso wenig Vorrang wie das Verständnis
einer Partei (Fortführung von BGHZ 171, 120 – Kettenradanordnung).

b) Allein aus Ausführungsbeispielen darf nicht auf ein engeres Verständnis des Patentanspruchs
geschlossen werden, als es dessen Wortlaut für sich genommen
nahelegt. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Auslegung des Patentanspruchs unter
Heranziehung der Beschreibung und der Zeichnungen ergibt, dass nur bei Befolgung
einer solchen engeren technischen Lehre derjenige technische Erfolg erzielt
wird, der erfindungsgemäß mit den im Anspruch bezeichneten Mitteln erreicht
werden soll.
BGH, Urteil vom 12. Februar 2008 – X ZR 153/05 – OLG München
LG München I
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Februar 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis
und die Richter Scharen, Keukenschrijver, Prof. Dr. Meier-Beck und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 29. September 2005 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 383 350 sowie der deutschen Patente 41 42 867 und 41 43 603 (im Folgenden: Klagepatente A, B u. C). Anspruch 1 des Klagepatents A, das am 16. Februar 1990 unter Inanspruchnahme einer japanischen Priorität vom 17. Februar 1989 angemeldet wurde, lautet: "A change-speed hub having: a fixed shaft (1); a hub body (2) rotatably mounted on the fixed shaft (1); a drive member (3) rotata- bly mounted on the fixed shaft (1) for transmitting a drive force to the hub body (2) selectively through a plurality of transmission channels; clutch means (20, 92, 71, 72, 73, 74) for selecting one from the transmission channels; a plurality of sun gears (11, 12) rotatably mounted on the fixed shaft (1) and having diameters differing from each other; whereby said sun gears (11, 12) have axial movements thereof substantially limited; a control member (80) being rotatably mounted on the fixed shaft (1); said control member (80) including at least a first control portions (81) each for controlling one of said clutches (20, 92), and said control member (80) being operable externally of said hub body (2) for providing a plurality of speeds through the selection of said transmission channel, c h a r a c t e r i z e d i n t h a t said clutch means includes lock claws (73, 74) provided on the sun gears (11, 12) and engaging members (71, 72) provided on the fixed shaft (1) for engaging with the lock claws (73, 74), the lock claws (73, 74) being urged in engaging directions with the engaging members and that said control means (80) includes a clutch control member shiftable in a region of the sun gears, said clutch control member having a plurality of effecting portions (83, 82) positioned in accordance with the positions of corresponding engaging members (71, 72), said effecting portions (83, 82) prohibiting, in dependence on the position of the control member, engagement between certain predetermined lock claws (73, 74) and the corresponding engaging members (71, 72) by shifting to predetermined relative positions with respect to the engaging members (83, 82)."
2
Anspruch 1 des am 23. Dezember 1991 unter Inanspruchnahme einer japanischen Priorität vom 28. Dezember 1990 angemeldeten Klagepatents B lautet: "Mehrgangschaltnabe für ein Fahrrad, mit
a) einer Nabenachse (1);
b) einem Antreiber (2) und einer Nabenhülse (3), die beide drehbar auf der Nabenachse (1) abgestützt sind;
c) einem ersten Planetengetriebe (4), welches im Kraftfluss zwischen dem Antreiber (2) und der Nabenhülse (3) angeordnet ist, umfassend von einem Planetenträger (4a) aufgenommene Planetenräder (11b, 12b), die im Eingriff mit auf der Nabenachse (1) angeordneten Sonnenrädern (11a, 12a) stehen, einen Zahnkranz (15), der mit den Planetenrädern (12b) im Eingriff ist;
d) Schaltmitteln, um den Antrieb für die Nabenhülse (3) wahlweise vom Planetenträger (4a) oder vom Zahnkranz (15) abzuleiten;
e) einer den Sonnenrädern (11a, 12a) zugeordneten Steuereinrichtung (8) zur Erzielung eines Freilauf- oder Verriegelungszustands durch ein- und ausschaltbare Sonnenradkupplungen; d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass
f) im Kraftfluss zwischen dem Antreiber (2) und der Nabenhülse (3) ein zweites Planetengetriebe (5) angeordnet ist, umfassend von einem Planetenträger (5a) aufgenommene Planetenräder (13b, 14b), die im Eingriff mit auf der Nabenachse (1) angeordneten Sonnenrädern (13a, 14a) stehen, einen Zahnkranz (16), der mit den Planetenrädern (14b) im Eingriff ist;
g) wobei jedem der Sonnenräder (13a, 14a) eine durch dieselbe Steuereinrichtung (8) betätigbare Sonnenradkupplung (23, 24) zugeordnet ist, um die Sonnenräder (13a, 14a) in einen Freilauf - oder Verriegelungszustand zu bringen."
3
Anspruch 1 des am selben Tag unter Inanspruchnahme derselben Priorität angemeldeten Klagepatents C hat folgenden Wortlaut: "Geschlossene Gangschaltvorrichtung mit einer feststehenden Welle (1), mit einem Antriebsteil (2) und einer drehbar auf der feststehenden Welle (1) abgestützten Nabenhülse (3); mit einem Planetengetriebe (4) zur Aufnahme des Antriebs von dem Antriebsteil (2), wobei das Planetengetriebe (4) aufweist: eine auf der feststehenden Welle (1) angeordnete Vielzahl von Sonnenrädern (11a, 12a), mit dem Sonnenrad (11a, 12a) kämmende Planetenräder (11b, 12b), mit einem Planetenträger (4a) zur Aufnahme der Planetenräder (11b, 12b) und mit einem mit den Planetenrädern (11b, 12b) kämmenden Zahnkranz (15); wobei die Gangschaltvorrichtung eine zwischen den Sonnenrädern (11a, 12a) und der feststehenden Welle (1) angeordnete Sonnenradkupplungseinrichtung (21, 22, 25) aufweist, welche einen Eingriff zwischen den Sonnenrädern (11a, 12a) und der feststehenden Welle (1) zulässt, und mit einer Steuereinrichtung (8) zur Steuerung der Sonnenradkupplungseinrichtung (21, 22, 25), mit einer ersten in einer Richtung wirksamen Abtriebskupplung (17), welche zwischen der Nabenhülse (3) und dem Planetenträger (4a) des Planetengetriebes (4) angeordnet ist und mit einer zweiten Abtriebskupplung (18) zwischen der Nabenhülse (3) und dem Zahnkranz (15) des Planetengetriebes (4), d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die zweite Abtriebskupplung (18) eine nur in eine Richtung wirkende Abtriebskupplung ist und das Planetengetriebe (4) ein Übersetzungs-Getriebemechanismus ist, bei welchem der Planetenträger (4a) als Antriebsteil wirkt und die Sonnenradkupplungseinrichtung (21, 22, 25) jeweils den Sonnenrädern (11a, 12a) zugeordnet ist, wobei jede Sonnenradkupplungseinrichtung (21, 22) als eine nur in einer Richtung wirksame Kupplungseinrichtung (21a, 22a) ausgebildet ist und eine Trenneinrichtung (25) zum Unterbrechen der Antriebsübertragung über die in einer Richtung wirksame Kupplungseinrichtung (21a, 22a) aufweist, wobei die Trenneinrichtung (25) mit einem Steuerbereich (31, 32) zur Verhinderung des Eingriffs zwischen den Sonnenrädern (11a, 12a) und der feststehenden Welle (1) versehen ist."
4
Die Beklagte zu 1, deren Geschäfte der Beklagte zu 2 führt, vertreibt in Deutschland unter der Bezeichnung "S. " eine Zwölfgangnabe für Fahrräder, wie sie aus den von der Klägerin zur Akte gereichten Musterstücken (Anlagen K 8 u. K 9) ersichtlich ist.
5
Die Klägerin sieht hierin eine Verletzung der Klagepatente und nimmt die Beklagten deswegen auf Unterlassung und Auskunft sowie auf Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadenersatz in Anspruch.
6
Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Das ebenfalls sachverständig beratene Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die – vom Senat zugelassene – Revision der Klägerin, mit der diese ihre Berufungsanträge weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:


7
Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, dem auch die Entscheidung über die Kosten der Revision zu übertragen ist.

I.


8
1. Klagepatent A betrifft eine Mehrgangnabe, wie sie insbesondere bei Fahrrädern Verwendung findet.
9
Die Klagepatentschrift verweist einleitend auf eine vorbekannte Mehrgangnabe mit zwei drehbar auf einer feststehenden Achse angeordneten Sonnenrädern. Die Achse umfasse zwei axial bewegliche Schaltteile. Das erste steuere eine Kupplung zur Auswahl des für einen bestimmten Gang erforderlichen Übertragungskanals. Das zweite Schaltteil diene zur Ansteuerung eines Feststellmechanismus und bewirke, dass das erste oder zweite Sonnenrad mit der Achse verriegelt werde. Wie aus dem japanischen Patent 53-14820 (Anlage K 4, englische Übersetzung Anlage K 4a) ersichtlich, könne eine solche Nabe viele Gänge aufweisen; zur Bedienung seien zwei Schaltteile erforderlich.
10
Nur ein Schaltteil weist den weiteren Darlegungen der Patentschrift zufolge die aus der deutschen Offenlegungsschrift 24 58 871 (Anlage K 5) ersichtliche Mehrgangnabe auf. Die Sonnenräder seien hier auf der feststehenden Welle fixiert. Das einzige Schaltteil bewege Kupplungen, mittels derer Einrückklauen in Eingriff mit jeweils zugeordneten Zahnkränzen gebracht würden, um das Übersetzungsverhältnis auszuwählen. Dies erfordere allerdings einen erheblichen Betätigungsaufwand (large control effort).
11
Dem Klagepatent liegt das technische Problem zugrunde, eine im Hinblick auf die geschilderten Nachteile verbesserte Mehrgangnabe bereitzustellen, bei der die auf das Schaltteil einwirkende Belastung wirksam verringert ist und dem Benutzer das Gefühl einer leichtgängigen Gangumschaltung vermittelt wird.
12
Erfindungsgemäß soll dies durch eine Mehrgangnabe erreicht werden, die folgende Merkmale aufweist: 1. eine feststehende Achse (1), auf der drehbar angebracht sind
a) ein Nabenkörper (2);
b) ein Antriebsglied (3) zum Übertragen einer Antriebskraft auf den Nabenkörper (2) über einen aus einer Vielzahl möglicher ausgewählten Übertragungskanal (transmission channel);
c) eine Vielzahl von Sonnenrädern (11, 12), aa) die jeweils einen unterschiedlichen Durchmesser aufweisen und bb) deren Bewegung in axialer Richtung begrenzt (substantially limited) ist;
d) ein Schaltglied (control member 80); 2. Kupplungsmittel (clutch means 20, 92, 71-74) zur Auswahl der Übersetzung, die aufweisen:
a) auf den Sonnenrädern (11, 12) vorgesehene Feststellklauen (lock claws 73, 74) und
b) auf der feststehenden Achse (1) vorgesehene Eingriffsteile (engaging members 71, 72) für den Eingriff mit den Feststellklauen,
c) wobei die Feststellklauen in Richtung des Eingriffs mit den Eingriffsteilen gespannt sind; 3. das Schaltglied (control member 80)
a) weist mindestens einen ersten Schaltbereich (control portion 81) zur jeweiligen Ansteuerung einer der Kupplungen (20, 92) auf und
b) ist von außerhalb des Nabenkörpers (2) so betätigbar , dass sich durch die Auswahl des Übertragungskanals (der Übersetzung) eine Vielzahl von Gängen ergibt; 4. das Schaltmittel (said control means 80) weist ein Kupplungsbetätigungsteil (clutch control member) auf, das
a) in einem Bereich der Sonnenräder verstellbar ist (shiftable in a region of the sun gears) und
b) eine Vielzahl von Wirkbereichen (effecting portions 83, 82) aufweist, die aa) in Übereinstimmung mit der Position korrespondierender Eingriffsteile (71, 72) angeordnet sind und bb) je nach Stellung des Schaltglieds den Eingriff zwischen bestimmten vorgegebenen Feststellklauen (73, 74) und den entsprechenden Eingriffsteilen (71, 72) dadurch verhindern, dass in vorgegebene relative Positionen zu den Eingriffsteilen umgeschaltet wird.
13
Die Patentschrift (S. 2 Z. 38-47 [vgl. Übersetzung S. 3 erster u. zweiter Abs.]) erläutert das erfindungsgemäße Schaltglied (control member) dahin, dass es drehbetätigt oder axial bewegt wird (rotatably operated or moved axial- ly). Dabei dienten der erste Schaltbereich zur Auswahl der Übersetzung und ein zweiter und dritter Schaltbereich zur Ansteuerung des Sonnenrades, welches mittels der Feststellmechanik auf der Achse festgelegt werden soll. Die erfindungsgemäße Ausgestaltung ermögliche es damit, die Übersetzung und die festzulegenden Sonnenräder mit einer sehr einfachen Drehbewegung (very simple rotational operation) des Schaltglieds (control member) zu wählen, was nicht nur eine zuverlässige Funktion gewährleiste, sondern dem Benutzer auch das Gefühl einer leichtgängigen Schaltung vermittle.
14
2. Die Klagepatente B und C betreffen ebenfalls Mehrgangnaben für Fahrräder.
15
Beide Klagepatentschriften (S. 2 Z. 5 ff.) gehen als Stand der Technik von der im Klagepatent A offenbarten Mehrgangnabe mit nur einem Planetengetriebe aus, dessen Planetenräder sich auf einem Planetenträger abstützen und mit einem Zahnkranz (Hohlrad) in Eingriff stehen. Mittels einer Antriebswahlkupplung – so die Beschreibungen – werde entweder der Planetenträger oder der Zahnkranz ausgewählt, um das Antriebsmoment vom Antreiber zu übernehmen. Außerdem sei eine Abtriebswahlkupplung vorgesehen, mit welcher entweder der Planetenträger oder der Zahnkranz zur Übertragung des Antriebsmoments auf die Nabenhülse angewählt werde.
16
Die Klagepatentschriften (S. 2 Z. 13 ff. bzw. S. 2 Z. 14 ff.) erläutern die Funktion der aus dem Klagepatent A bekannten Nabe außerdem dahingehend, dass bei Einleitung der Antriebskraft über den Planetenträger die auf die Sonnenräder wirkende Kraft die entgegengesetzte Richtung gegenüber der Kraft habe, welche wirke, wenn die Antriebskraft nicht über den Planetenträger, sondern den Zahnkranz (Hohlrad) eingeleitet werde (einmal mit und einmal entgegen dem Uhrzeigersinn; vgl. auch die schematische Darstellung dieses Sachverhalts in Fig. 24a u. 24b). Daraus ergebe sich die Notwendigkeit, ein Drehen der Sonnenräder um die Welle sowohl in der einen als auch der anderen Drehrichtung unterbinden zu müssen. Bei der vorbekannten Mehrgangnabe besitze daher jedes Sonnenrad zwei jeweils in die entgegengesetzte Übertragungsrichtung wirkende Kupplungen sowie eine Steuerungseinrichtung, die eine Unterbrechung der Kraftübertragung für den Antrieb erlaube. Die Klagepatentschriften B und C bewerten die Betätigung der Sonnenräder mittels dieser Kupplungen als kompliziert. Besonders problematisch sei es unter diesen Voraussetzungen , mehrere Planetengetriebe zu verbinden, um ein Planetengetriebe mit mehreren Gangstufen zu bilden. Zwischen Planetengetrieben der vorbekannten Art eine einfache Verbindung herzustellen, würde mehrere Abtriebswahlkupplungen erforderlich machen, deren Betätigung kompliziert sei, und zu einer Konstruktion mit großen Abmessungen führen.
17
Den Klagepatenten B und C liegt vor diesem Hintergrund das technische Problem zugrunde, eine Mehrgangnabe mit einer vereinfachten Betätigung der Sonnenräder und der Abtriebswahlkupplung bereitzustellen sowie einen kompakten Aufbau für eine Mehrgangnabe zu erreichen, die mehrere Planetengetriebe enthält.
18
Beim Klagepatent B soll dies durch eine Mehrgangschaltnabe erreicht werden, die gemäß der nachfolgenden Merkmalsgliederung umfasst: 1. eine Nabenachse (1), auf der ein Antreiber (2) und eine Nabenhülse (3) jeweils drehbar abgestützt sind; 2. ein erstes und ein zweites Planetengetriebe (4, 5), das jeweils
a) im Kraftfluss zwischen dem Antreiber (2) und der Nabenhülse (3) angeordnet ist,
b) undumfasst: aa) von einem Planetenträger (4a, 5a) aufgenommene Planetenräder (11b, 12b, 13b, 14b), die im Eingriff mit auf der Nabenachse (1) angeordneten Sonnenrädern (11a, 12a, 13a, 14a) stehen, und bb) einen Zahnkranz (15, 16), der mit den Planetenrädern im Eingriff ist; 3. Schaltmittel, um den Antrieb der Nabenhülse (3) wahlweise vom Planetenträger (4a) oder vom Zahnkranz (15, des ersten Planetengetriebes) abzuleiten, und 4. eine Steuereinrichtung (8),
a) die den Sonnenrädern (11a, 12a, 13a, 14a) zugeordnet ist und
b) durch die jeweils eine Sonnenradkupplung (21, 22, 23, 24) betätigbar ist, um die Sonnenräder (11a, 12a; 13a, 14a) in einen Freilauf- oder Verriegelungszustand zu bringen.
19
Klagepatent C will das technische Problem mit einer geschlossenen Gangschaltvorrichtung lösen, die nach Maßgabe der folgenden Merkmalsgliederung aufweist: 1. ein Antriebsteil (2) sowie eine feststehende Achse (1), auf der eine Nabenhülse (3) drehbar abgestützt ist; 2. ein zur Aufnahme des Antriebs vom Antriebsteil (2) bestimmtes Planetengetriebe (4), das
a) eine auf der feststehenden Welle angeordnete Vielzahl von Sonnenrädern (11a, 12a),
b) mit dem Sonnenrad (11a, 12a) kämmende Planetenräder (11b, 12 b),
c) einen Planetenträger (4a) zur Aufnahme der Planetenräder (11b, 12b) und
d) einen Zahnkranz (15), der mit den Planetenrädern (11b, 12b) kämmt, aufweist, und
e) ein Übersetzungs-Getriebemechanismus ist, bei welchem der Planetenträger (4a) als Antriebsteil wirkt; 3. eine jeweils den Sonnenrädern (11a, 12a) zugeordnete Sonnenradkupplungseinrichtung (21, 22, 25) , die
a) zwischen den Sonnenrädern (11a, 12a) und der feststehenden Achse (1) angeordnet ist und
b) einen Eingriff zwischen den Sonnenrädern (11a, 12a) und der feststehenden Achse (1) zulässt;
c) jeweils als in nur eine Richtung wirksame Kupplungseinrichtung (21a, 22a) ausgebildet ist und
d) eine Trenneinrichtung (25) aufweist aa) zum Unterbrechen der Antriebsübertragung über die Kupplungseinrichtung (21a, 22a), bb) mit einem Steuerbereich (31, 32) zur Verhinderung des Eingriffs zwischen den Sonnenrädern (11a, 12a) und der feststehenden Welle (1); 4. eine Steuereinrichtung (8) zur Steuerung der Sonnenradkupplungseinrichtung (21, 22, 25); 5. eine erste Abtriebskupplung (17), welche
a) zwischen der Nabenhülse (3) und dem Planetenträger (4a) des Planetengetriebes (4) angeordnet ist und
b) in einer Richtung wirksam ist, und 6. eine zweite Abtriebskupplung (18), welche
a) zwischen der Nabenhülse (3) und dem Zahnkranz (15) des Planetengetriebes (4) angeordnet ist und
b) eine nur in eine Richtung wirkende Abtriebskupplung ist.
20
Den Klagepatentschriften (S. 2 Z. 41 ff. bzw. S. 2 Z. 42 ff.) zufolge entfällt beim erfindungsgemäßen Nabenaufbau die Notwendigkeit, die Drehbewegung der Sonnenräder in beide Drehrichtungen unterbinden zu müssen. Für die Betätigung der Sonnenräder reichten einseitig wirksame Kupplungen sowie Einrichtungen zum Unterbrechen der Kraftübertragung in einer Richtung – wie ein drehbares Betätigungselement – aus. Als Antriebsteil wirke der Planetenträger des als Übersetzungsgetriebe ausgebildeten Planetengetriebes. Somit könne die Abtriebswahlkupplung eine erste Abtriebskupplung und eine zweite Abtriebskupplung aufweisen, die einmal zwischen Nabenhülse und Planetenträger und einmal zwischen Nabenhülse und Zahnkranz angeordnet seien, dabei nur in einer Richtung wirkten und keine Ansteuerung von außen erforderten.

II.


21
Das Berufungsgericht verneint eine Verletzung der Klagepatente, weil die angegriffene Ausführungsform beim Klagepatent A Merkmal 4, beim Klagepatent B Merkmal 3 und beim Klagepatent C die Merkmale 5 und 6 nicht verwirkliche. Im Wesentlichen wird dies wie folgt begründet:
22
1. Der gerichtliche Sachverständige habe zum Klagepatent A ausgeführt , das in Merkmal 4 aufgeführte Kupplungsbetätigungsteil sei erfindungsgemäß Bestandteil der Schalteinrichtung, befinde sich im Bereich der Sonnenräder und sei dort verstellbar. Das (vom Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der deutschen Übersetzung des Patentanspruchs im Klagepatent als Betätigungsteil bezeichnete) Schaltglied bestehe aus (nur) einem Bauteil. Das Kupplungsbetätigungsteil sei als Bereich des Schaltgliedes im Bereich der Sonnenräder zu verstehen und werde durch die Funktion der Wirkbereiche umschrieben. Aufgrund der gutachterlichen Feststellungen sei davon auszugehen, dass es eigentlicher Gegenstand der Erfindung nach dem Klagepatent A sei, mit (nur) einem Schaltglied verschiedene Wirkflächen zu aktivieren. Zu berücksichtigen sei ferner, dass erfindungsgemäß das Schaltglied drehbar auf der feststehenden Welle angeordnet sei und das Kuppl ungsbetätigungsteil (als dessen Bestandteil) dieselbe Drehbewegung ausführe wie das Schaltglied.
23
Die angegriffene Ausführungsform verfüge nach Darstellung des Sachverständigen über kein Kupplungsbetätigungsteil im Bereich der Sonnenräder. Die dort verwendeten Nockenstangen, in denen die Klägerin das erfindungsgemäße Kupplungsbetätigungsteil sehen wolle, seien nicht um die feststehende Achse drehbar. Die Schalteinrichtung bestehe aus mehreren unterschiedlichen Teilen, wobei sich lediglich die Nockenstangen zum Teil im Bereich der Sonnenräder befänden. Nach – der bereits erstinstanzlich geäußerten – Auffassung des Sachverständigen lägen indessen die wesentlichen Eigenschaften des Kupplungsbetätigungsteils darin, ein Bestandteil des Schaltglieds und funktioneller Wirkbereich zur Auswahl des Übertragungskanals (der Übersetzung) im Bereich der Sonnenräder zu sein. Auch von einer Verwirklichung des Merkmals 4 mit äquivalenten Mitteln könne nicht ausgegangen werden. Gemäß den Ausführungen des Sachverständigen sei bei der angegriffenen Mehrgangnabe die Aufgabe, durch bestimmte Schaltelemente den Kraftfluss über den Feststellmechanismus des gewählten Sonnenrades zu verhindern, außerhalb des Bereichs der Sonnenräder über mehrere Bauelemente gelöst. Zwar riefen die Nockenstangen die gleiche praktische Wirkung hervor wie das erfindungsgemäße Schaltglied, jedoch sei der Sachverständige der Auffassung, dass die Lehre des Klagepatents A, mit nur einem Schaltglied verschiedene Wirkflächen zu aktivieren , keinen Hinweis auf die bei der angegriffenen Mehrgangnabe realisierte Lösung gebe.
24
2. Zum Verständnis von Merkmal 3 des Klagepatents B verweist das Berufungsgericht gleichfalls auf die Ausführungen des Sachverständigen. Nach diesen seien beim Erfindungsgegenstand die beiden Planetenträger drehfest miteinander verbunden und erfolge der Antrieb für die Nabenhülse stets nur über den ersten Planetenträger (4a), auch dann, wenn die Kraft über den zweiten Planetenträger (5a) eingeleitet werde. Die zur Arretierung der Sonnenräder (21, 22) dienenden Schaltmittel legten fest, ob der Antrieb für die Nabenhülse (3) unmittelbar vom ersten Planetenträger (4a) über die Freilaufkupplung (17) oder vom Zahnkranz (15) über die Freilaufkupplung (18) erfolge. Der Sachverständige habe insoweit klargestellt, dass das Antriebsmoment zur Nabenhülse nicht nochmals gewandelt werden dürfe.
25
Bei der angegriffenen Ausführungsform werde nach den Darlegungen des Sachverständigen nur über den Zahnkranz (13) und die Kupplung (14) und nicht (unmittelbar) über einen Planetenträger Kraft auf die Nabenhülse weitergeleitet. Während beim Gegenstand des Klagepatents die Getriebe (4 u. 5) hintereinander geschaltet seien, seien bei der angegriffenen Ausführungsform die Getriebe (21 u. 22) parallel geschaltet. Keiner ihrer Zahnkränze (11 bis 13) könne eindeutig dem in Merkmal 3 bezeichneten Zahnkranz (15) zugewiesen werden. Bei der angegriffenen Ausführungsform sei zudem die auf die Nabenhülse übertragene Gesamtleistung nicht mit der auf den Planetenträger (22) übertragenen Leistung identisch. Merkmal 3 sei damit nicht wortsinngemäß verwirklicht. Auch eine Benutzung des Merkmals mit äquivalenten Mitteln scheide aus. Bei der angegriffenen Ausführungsform werde das Drehmoment für den Antrieb der Nabenhülse sowohl vom ersten Planetenträger (18) und Zahnkranz (11) als auch von einem zweiten Planetenträger (22) und Zahnkranz (13) übertragen. Damit fehle es nach der Auffassung des Sachverständigen an der erforderlichen Gleichwirkung, da die Lösung, den Antrieb vom Planetenträger und vom Zahnkranz abzuleiten, Merkmal 3 nur "anteilig" beschreibe.
26
Ob die angegriffene Ausführungsform Merkmal 4 b verwirklicht, hat das Berufungsgericht dahinstehen lassen.
27
3. Zum Klagepatent C habe der Sachverständige ausgeführt, dass der Antrieb der Nabenhülse (3), wie dem Fachmann aus dem Stand der Technik geläufig, entweder über die in Merkmal 5 oder die in Merkmal 6 bezeichnete Abtriebskupplung erfolge. Die Abtriebskupplungen (17, 18) müssten nach den Feststellungen des Sachverständigen stets alternativ geschaltet sein. Aus den Merkmalen 5 und 6 ergebe sich, dass die beiden Abtriebskupplungen parallel zur Nabenhülse angeordnet seien. Das Planetengetriebe ermögliche folglich nur dann eine Kraftübertragung, wenn entweder die erste oder die zweite Abtriebskupplung geschlossen sei.
28
Bei der angegriffenen Nabe seien die Kupplungen (14, 16) nicht stets alternativ geschaltet. Die Kupplung (14) sei bei der Übertragung eines Kraftmoments auf die Nabenhülse immer im Eingriff. Die ebenfalls nicht stets alternativ geschaltete Kupplung (17) sei nicht zwischen Zahnkranz und Nabenhülse angeordnet und stelle daher keine Abtriebskupplung dar. Auch die Kupplung (16) sei keine Abtriebskupplung, da die von ihr auf den zweiten Planetenträger (22) und das Planetenrad (41) übertragene Leistung nicht mit der (letztlich) auf die Nabenhülse übertragenen Leistung identisch, sondern größer sei. Aufgrund dieser Darlegungen des Sachverständigen sei eine wortsinngemäße Verwirklichung der Merkmale 5 und 6 zu verneinen. Auch eine Verwirklichung mit äquivalenten Mitteln sei nicht gegeben, da es nach den Ausführungen des Sachverständigen keine gleichwirkende Lösung darstelle, die Kupplungen im Momentenfluss hintereinander zu schalten. Ein Hinweis auf eine solche Lösung sei dem Klagepatent C nicht zu entnehmen.

III.


29
Mit diesen Ausführungen genügt das angefochtene Urteil nicht den rechtlichen Anforderungen, die an die Auslegung eines Patentanspruchs und die Prüfung seiner Verwirklichung durch eine im Patentverletzungsprozess angegriffene Ausführungsform zu stellen sind.
30
1. Zur Beurteilung der Frage, ob eine Patentverletzung vorliegt, bedarf es zunächst der Befassung mit der technischen Lehre, die sich aus der Sicht des vom Klagepatent angesprochenen Fachmanns aus den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit ergibt (BGHZ 171, 120 Tz. 18 – Kettenradanordnung; Sen.Beschl. v. 17.4.2007 – X ZB 9/06, GRUR 2007, 859 Tz. 13 – Informationsübermittlungsverfahren I [für BGHZ 172, 108 vorgesehen]). Der Sinngehalt des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, sind unter Heranziehung der den Patentanspruch erläuternden Beschreibung und Zeichnungen (Art. 69 Abs. 1 Satz 2 EPÜ; § 14 Satz 2 PatG) durch Auslegung zu ermitteln. Was sich hieraus als geschützter Gegenstand ergibt, ist eine Rechtsfrage, weshalb die Auslegung des Patentanspruchs vom Revisionsgericht auch in vollem Umfang nachgeprüft werden kann (st. Rspr.; s. nur BGHZ 142, 7, 15 – Räumschild; BGHZ 160, 204, 213 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Die Aufgabe der Auslegung des Patentanspruchs darf somit nicht dem gerichtlichen Sachverständigen überlassen werden, sondern obliegt dem Gericht (BGHZ 171, 120 Tz. 18 – Kettenradanordnung).
31
Zwar bildet das fachmännische Verständnis der im Patentanspruch verwendeten Begriffe und des Gesamtzusammenhangs des Patentanspruchs die Grundlage der Auslegung, weil sich der Patentanspruch an die Fachleute eines bestimmten Gebiets der Technik richtet. Das bedeutet jedoch nur, dass sich der Tatrichter gegebenenfalls sachverständiger Hilfe bedienen muss, wenn es um die Frage geht, inwieweit objektive technische Gegebenheiten, ein etwaiges Vorverständnis der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Sachkundigen, ihre üblicherweise zu erwartenden Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen und die methodische Herangehensweise solcher Fachleute das Verständnis des Patentanspruchs und der in ihm und in der Beschreibung verwendeten Begriffe bestimmen oder jedenfalls beeinflussen können (BGHZ 164, 261, 268 – Seitenspiegel ; BGHZ 171, 120 Tz. 18 – Kettenradanordnung).
32
Das auf dieser Grundlage zu klärende richtige Verständnis des Patentanspruchs kann hingegen nicht durch Sachaufklärung "festgestellt" werden, sondern ist das Ergebnis richterlicher Auslegung vor dem Hintergrund des – gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe – festgestellten technischen Sachverhalts (BGHZ 160, 204, 213 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Die primäre Aufgabe des Sachverständigen ist – im Patentverletzungsverfahren nicht anders als sonst im Zivilprozess – die Vermittlung von Fachwissen zur richterlichen Beurteilung von Tatsachen (BGHZ 37, 389, 393 f.; 159, 254, 262; BGH, Urt. v. 18.3.1993 – IX ZR 198/92, NJW 1993, 1796, 1797); darüber hinaus kann dem Sachverständigen die Ermittlung von Anknüpfungstatsachen überlassen werden, wenn schon dafür eine dem Richter fehlende besondere Sachkunde erforderlich ist (§ 404a Abs. 5 ZPO). Der Sachverständige wird deshalb im Patentverletzungsprozess nicht hinzugezogen, um das Klagepatent auszulegen, sondern um dem Gericht, wenn hierzu der Vortrag der Parteien nicht ausreicht, diejenigen fachlichen Kenntnisse zu verschaffen, die es benötigt , um die geschützte technische Lehre zu verstehen und den diese Lehre – als Grundlage der Verletzungsprüfung und der Schutzbereichsbestimmung – definierenden Patentanspruch unter Ausschöpfung seines Sinngehalts selbst auslegen zu können. Das Gericht ist deswegen gehindert, die Schlüsse, die ein Sachverständiger aus seinem Fachwissen auf den Inhalt der technischen Lehre des Klagepatents zieht, ohne weiteres zu übernehmen. Dies gilt insbesondere auch deswegen, weil der Sachverständige vielfach geneigt sein wird, sich eher an den aus seiner fachlichen Sicht typischerweise aussagekräftigeren Ausführungsbeispielen der Erfindung als an den abstrakteren Formulierungen des Patentanspruchs zu orientieren. Sachverständige Äußerungen sind vom Tatrichter deshalb stets eigenverantwortlich daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit sie Angaben enthalten, die Aufklärung im Hinblick auf entscheidungserhebliche und allein von dem erkennenden Gericht zu beantwortende Fragen zu bieten vermögen (Sen.Urt. v. 7.3.2001 – X ZR 176/99, GRUR 2001, 770, 772 – Kabeldurchführung II). Das Verständnis des Sachverständigen vom Patentanspruch genießt als solches bei der richterlichen Auslegung grundsätzlich ebenso wenig Vorrang wie das Verständnis einer Partei (BGHZ 171, 120 Tz. 18 – Kettenradanordnung).
2. Das angefochtene Urteil genügt den sich hieraus ergebenden An33 forderungen an die Auslegung eines Patentanspruchs nicht. Das Berufungsgericht hat nicht den Sinngehalt der Patentansprüche unter Heranziehung der Patentbeschreibungen und der Zeichnungen ermittelt, sondern sich darauf beschränkt , die Ausführungen des Sachverständigen wiederzugeben und auf sie zu verweisen, ohne sie daraufhin zu überprüfen, inwieweit sie mit den im Lichte der jeweiligen Beschreibung interpretierten Patentansprüchen in Einklang stehen und deren Sinngehalt und Reichweite ausschöpfen. Ohne die vorstehenden Grundsätze zu beachten, ist das Berufungsgericht allein vom Verständnis des gerichtlichen Sachverständigen ausgegangen, das es als aufgrund dessen fachlicher Autorität maßgeblich angesehen hat, anstatt eigenverantwortlich den technischen Sinngehalt der Patentansprüche zu ergründen. Deutlich wird dies insbesondere, soweit sich das Berufungsgericht die Auffassung des Sachverständigen zu eigen gemacht hat, das in Merkmal 4 des Klagepatents A genannte Kupplungsbetätigungsteil sei als ein Bereich des Schaltglieds zu verstehen, welches aus nur einem Bauteil bestehen dürfe, bei seiner Annahme, Merkmal 3 des Klagepatents B setze voraus, dass die beiden Planetenträger – obwohl erst der untergeordnete Patentanspruch 3 ebendies ausdrücklich beansprucht – drehfest miteinander verbunden seien, dass die Planetengetriebe hintereinander geschaltet seien und dass das Antriebsmoment zwischen Nabenhülse und Planetenträger oder Zahnkranz nicht nochmals gewandelt werde, sowie bei der Annahme, die in den Merkmalen 5 und 6 des Klagepatents C genannten Abtriebskupplungen müssten parallel zur Nabenhülse angeordnet und stets alternativ geschaltet sein. Dem Wortlaut der jeweiligen Patentansprüche 1 sind diese Vorgaben nicht zu entnehmen. Dass – unter Heranziehung der Patentbeschreibungen und Zeichnungen – erkennbare technische Notwendigkeiten oder Zusammenhänge ein eingeschränktes Verständnis der im Patentanspruch beschriebenen Lehre gebieten, hat das Berufungsgericht weder geprüft noch festgestellt.
Von dieser Prüfung war das Berufungsgericht auch nicht entbunden, so34 weit die Ausführungen des Sachverständigen in Einklang mit den in den Patentbeschreibungen erläuterten und dargestellten Ausführungsbeispielen stehen. Denn eine entsprechende Beschränkung der Auslegung wäre mit dem Grundsatz unvereinbar, dass ein Ausführungsbeispiel regelmäßig keine einschränkende Auslegung eines die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs erlaubt (BGHZ 160, 204, 210 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung ; Sen.Urt. v. 17.4.2007 – X ZR 72/05, GRUR 2007, 778 Tz. 18, 21 – Ziehmaschinenzugeinheit [für BGHZ 172, 88 vorgesehen]).
35
3. Ist somit die technische Lehre der Patentansprüche nicht ermittelt, fehlt es bereits an der erforderlichen Grundlage, um sachgerecht prüfen können , ob das angegriffene Erzeugnis wortsinngemäß oder als äquivalente Ausführungsform in den Schutzbereich der Klagepatente fällt. Auch eine eigene Auslegung der Patentansprüche durch das Revisionsgericht kommt unter diesen Umständen nicht in Betracht (vgl. Sen.Urt. v. 31.5.2007 – X ZR 172/04, GRUR 2007, 1059 Tz. 39 – Zerfallszeitmessgerät [für BGHZ vorgesehen]). Die Möglichkeit, die für die Anspruchsauslegung relevanten tatsächlichen Feststellungen durch eine Revisionsrüge oder eine Gegenrüge als verfahrensfehlerhaft getroffen oder unvollständig zu rügen, ist erheblich erschwert, wenn der Tatrichter keine eigene Auslegung des Patentanspruchs vorgenommen hat und den Parteien erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht die (mögliche) Relevanz bestimmter tatsächlicher Gesichtspunkte für die richterliche Auslegung des Patentanspruchs verdeutlicht wird. Gerade bei komplexen Sachverhalten, wie sie im Streitfall vorliegen, entspricht es zudem fairer Verfahrensführung , die erste vollständige richterliche Bewertung des technischen Sachverhalts nicht erst in letzter Instanz vorzunehmen und damit der Überprüfung in dem vom Gesetz vorgesehenen Rechtsmittelverfahren zu entziehen.

IV.


36
Der Rechtsstreit ist daher unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
37
1. Das Berufungsgericht wird bei der Auslegung der Klagepatente insbesondere zu prüfen haben, inwieweit seine bisherigen Annahmen zur Ausgestaltung und Wirkungsweise der erfindungsgemäßen Mehrgangnaben lediglich mögliche Ausführungsformen der beanspruchten technischen Lehren betreffen oder diese selbst in der allgemeinen Form charakterisieren, in der sie im jeweiligen Patentanspruch 1 für die Klägerin geschützt sind. Aus der stets gebotenen Heranziehung der Beschreibung und der Zeichnungen kann sich dabei ein engeres Verständnis des Patentanspruchs ergeben, als es dessen Wortlaut für sich genommen nahelegt (vgl. Sen.Urt. v. 2.3.1999 – X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 911 f. – Spannschraube). Jedoch bedarf dies im Einzelnen sorgfältiger Prüfung und darf insbesondere nicht daraus geschlossen werden, dass Beschreibung und Abbildungen lediglich einige der unter den Wortlaut des Patentanspruchs fallenden möglichen Ausführungsformen betreffen. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Auslegung des Patentanspruchs unter Heranziehung der Beschreibung und der Zeichnungen ergibt, dass nur bei Befolgung einer solchen engeren technischen Lehre derjenige technische Erfolg erzielt wird, der erfindungsgemäß mit den im Anspruch bezeichneten Mitteln erreicht werden soll. In diesem Zusammenhang können auch objektive technische Gegebenheiten eine Rolle spielen, die in der Patentschrift nicht erwähnt sind, jedoch zum Wissen des Fachmanns gehören, und daher das Verständnis des Patentanspruchs beeinflussen können, etwa weil aus der Sicht des Fachmanns nur eine bestimmte Ausgestaltung geeignet erscheint, den erfindungsgemäßen Erfolg herbeizuführen oder sich umgekehrt eine bestimmte Ausgestaltung von vornherein zur Erreichung des erfindungsgemäßen Erfolges ungeeignet darstellt.
38
Sofern sich das Berufungsgericht bei dieser Prüfung erneut sachverständig beraten lassen sollte, wird es zu erwägen haben, einen anderen Sachverständigen hinzuzuziehen, da der Umstand, dass der Sachverständige Prof. Dr.Ing. H. sein für das Landgericht erstattetes schriftliches Gutachten bereits dreimal schriftlich ergänzt hat und in beiden Instanzen schon einmal mündlich angehört worden ist, den unbefangenen Zugang des Sachverständigen zu den Sachfragen behindern könnte, bei deren Beurteilung er das Berufungsgericht beraten soll.
39
2. Zu den einzelnen Klagepatenten ist noch zu bemerken:
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a) KlagepatentA
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Zu den für die Auswahl der Übersetzung notwendigen Kupplungsmitteln (clutch means) gehören gemäß Merkmal 2 die für die Festlegung der jeweiligen Sonnenräder auf der Welle zuständigen Feststellklauen (lock claws 73, 74) und die mit ihnen zusammenwirkenden Eingriffsteile (engaging members 71, 72). Mit der Betätigung des insoweit gelehrten Feststellmechanismus befasst sich die vom Berufungsgericht als nicht verwirklicht angesehene Merkmalsgruppe 4, wobei Patentanspruch 1 in diesem Funktionszusammenhang das Schaltglied (control member 80) als Schaltmittel (control means 80) bezeichnet. Dass trotz divergierender Bezeichnungen keine unterschiedlichen Bauteile angesprochen sein dürften, zeigt sich neben der schon im Anspruchswortlaut enthaltenen Bezugnahme (said) auch darin, dass sowohl in Merkmal 4 b bb als auch in der Patentbeschreibung der Begriff "control member" in synonymer Form bei der Umschreibung des Feststellmechanismus für die Sonnenräder verwendet wird (vgl. etwa S. 2 Z. 44-46; S. 4 Z. 48-53 [Übersetzung S. 3 zweiter Abs.; S. 9 erster Abs.]).
42
Das Schaltmittel umfasst dem Anspruchswortlaut zufolge ein Kupplungsbetätigungsteil mit einer Vielzahl von Wirkbereichen (includes a clutch control member … having a plurality of effecting portions). Anordnung und Ausgestal- tung der Wirkbereiche werden mittelbar durch ihre räumlich-körperliche Beziehung zu den in Merkmal 2b genannten Eingriffsteilen (Merkmal 4 b aa) und durch ihre Umschaltfunktion (Merkmal 4 b bb) umschrieben. Im zuletzt genannten Zusammenhang wird gelehrt, dass die Wirkbereiche den Eingriff bestimmter Feststellklauen jeweils in Abhängigkeit von der Stellung des Schaltglieds (in dependence on the position of the control member) verhindern. Ob diese Ab- hängigkeit Folge einer einteiligen Ausgestaltung von Schaltglied und Kupplungsbetätigungsteil oder Folge eines – wie z.B. beim ersten Schaltbereich durch Formschluss erreichten (vgl. S. 5 Z. 16-22; Fig. 15 [Übersetzung S. 10 letzter Abs. übergreifend auf S. 11]) – funktionalen Zusammenwirkens beider Teile ist, lässt Patentanspruch 1 nach seinem Wortlaut offen.
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Dafür, dass die zur Auslegung heranzuziehende Patentbeschreibung ein eingeschränktes Verständnis des Patentanspruchs tragen könnte, sind bislang keine Anhaltspunkte erkennbar. Der Erzielung des in der Patentbeschreibung (S. 2 Z. 44-46; S. 4 Z. 51-53 [Übersetzung S. 3 zweiter Abs.; S. 9 erster Abs. a.E.]) herausgestellten Vorteils, sowohl das Übersetzungsverhältnis als auch die an der Achse festzusetzenden Sonnenräder durch eine einfache Drehbewegung des Schaltgliedes auswählen zu können, muss eine mehrteilige Ausgestaltung nicht entgegenstehen. Ebenso wenig muss mit ihr ein im Verhältnis zu einer einteiligen Ausgestaltung weitergehender Betätigungsaufwand verbunden sein, wie ihn die Klagepatentschrift mit Blick auf die deutsche Offenlegungsschrift 24 58 871 kritisiert (S. 2 Z. 28-29 [Übersetzung S. 2 dritter Abs.]).
Dass beim Ausführungsbeispiel des Klagepatents eine einteilige Ausführungsform verwirklicht ist, da dort die – in der Patentbeschreibung auch als zweiter und dritter Schaltbereich bezeichneten – Wirkbereiche (82, 83) durch vorspringende Abschnitte (projecting portions) gebildet werden, die sich zwischen Nuten des zylindrischen Betätigungsteils befinden (S. 5 Z. 23 ff.; Fig. 8-12 [Übersetzung S. 11 zweiter Abs.]), rechtfertigt, wie ausgeführt, für sich genommen kein anderes Auslegungsergebnis.
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Das Berufungsgericht wird auch zu berücksichtigen haben, dass Merkmal 3 a eine Merkmal 4 entsprechende Formulierung bezogen auf das Verhältnis des Schaltglieds zu seinem ersten Schaltbereich enthält (control member including … a first control portion), mit der die Patentbeschreibung ausdrücklich eine mehrteilige Ausgestaltung verbindet, wenn dort ausgeführt wird, dass der erste Schaltbereich als selbständiges Bauteil ausgebildet sein kann, welches lediglich drehfest mit dem Schaltglied zusammengesteckt ist (vgl. S. 5 Z. 16-22; Fig. 15 [Übersetzung S. 10 letzter Abs. übergreifend auf S. 11]).
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Das Schaltglied ist zwar gemäß Merkmal 1 d drehbar auf der Achse angebracht , um durch eine von außen gesteuerte Drehbetätigung (rotational ope- ration) auch eine Festlegung der Sonnenräder herbeiführen zu können (vgl. S. 2 Z. 44-46 [Übersetzung S. 3 zweiter Abs.]). Das bedeutet jedoch nicht notwendigerweise , dass das Kupplungsbetätigungsteil und seine Wirkbereiche ihrer Funktion ebenfalls im Rahmen einer Drehbewegung um die Achse nachkommen müssen. Merkmal 4 b bb gebietet, dass die Positionsveränderung der Wirkbereiche in Abhängigkeit von der (Dreh-)Stellung des Schaltglieds erfolgt. Die Annahme, dass dieser Funktionszusammenhang auf die Herbeiführung einer mit dem Betätigungsteil übereinstimmenden Drehbewegung des Kupplungsbetätigungsteils und seiner Wirkbereiche beschränkt sein soll, bedarf der Überprüfung und entsprechend den Ausführungen zu 1 gegebenenfalls näherer Begründung.
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Das Kupplungsbetätigungsteil muss verstellbar sein, um die in der Merkmalsgruppe 2 genannte, aus Feststellklauen und Eingriffsteilen bestehende Kupplung zu betätigen. Dass Merkmal 4 a diese Funktion in räumlichen Zusammenhang zu den Sonnenrädern (shiftable in a region of the sun gears) stellt, wird vor dem Hintergrund zu sehen sein, dass die in Richtung zu den Eingriffsteilen gespannten Feststellklauen auf den Sonnenrädern vorgesehen sind (Merkmal 2 a) und sich ein Verstellen des Kupplungsbetätigungsteils dementsprechend im Bereich der Sonnenräder auswirken muss. Dazu verfügt das Kupplungsbetätigungsteil über Wirkbereiche, welche relativ zu den Eingriffsteilen in verschiedene Positionen bewegt werden können und so in vorgegebener Weise den Eingriff bestimmter Feststellklauen und die damit verbundene Arretierung eines Sonnenrads an der Achse verhindern (vgl. Merkmal 4 b bb). Dies hat im Bereich der die Feststellklauen aufweisenden Sonnenräder zu geschehen. Für den von Merkmal 4 a geforderten räumlichen Bezug zu den Sonnenrädern könnte es genügen, wenn das Kupplungsbetätigungsteil ein derartiges Verstellen seiner Wirkbereiche in verschiedene Positionen erlaubt. Dass darüber hinausgehend die räumliche Ausdehnung des Kupplungsbetätigungsteils auf den Bereich der Sonnenräder beschränkt ist oder die Verstellbewegung ausschließlich in diesem Bereich stattfinden oder von ihm ausgehen darf, ist hingegen auf der Grundlage des bislang festgestellten Sachverhalts nicht zu erkennen. Da die Positionierung der Wirkbereiche des Kupplungsbetätigungsteils von der Stellung des Schaltglieds abhängig ist, besteht zwischen den Teilen ein funktionaler Zusammenhang, der einschließt, dass die Verstellbewegung des Kupplungsbetätigungsteils durch die (Dreh-)Bewegung des – über den Bereich der Sonnenräder hinausgehenden (vgl. S. 5 Z. 4-5 [Übersetzung S. 10 zweiter Abs.]) und von außerhalb des Nabenkörpers betätigbaren (vgl. Merkmal 3 b) – Schaltglieds ausgelöst und gesteuert wird und mit dieser sogar identisch ist, wenn – wie beim Ausführungsbeispiel der Erfindung – Schaltglied und Kupplungsbetätigungsteil einstückig ausgestaltet sind oder wenn zwischen beiden Teilen eine drehfeste Verbindung besteht. Dann erscheint es aber technisch ohne Belang, ob das Kupplungsbetätigungsteil räumlich über den Bereich der Sonnenräder hinausgeht und erst dort in das Schaltglied übergeht oder in sonstiger Weise eine Verbindung mit ihm herstellt.
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b) KlagepatentB
48
Um die Nabenhülse antreiben zu können, muss zwischen Antreiber (2) und Nabenhülse (3) ein Kraftfluss bestehen. Erstes und zweites Planetengetriebe sind in diesem Kraftfluss angeordnet (Merkmal 2 a), also in getriebespezifischer Weise zur Übertragung der vom Antreiber ausgehenden Kraft auf die Nabenhülse in der Lage. In welcher Weise und auf welchem Weg die Kraftübertragung erfolgt, gibt Merkmal 2 a seinem Wortlaut nach nicht vor. Patentanspruch 1 verlangt allerdings das Vorhandensein von Schaltmitteln. Diese müssen , wie aus Merkmal 3 folgt, derart ausgestaltet und angeordnet sein, dass sie die geforderte Ableitung des Antriebs für die Nabenhülse ermöglichen, d.h. wahlweise in einem Schaltzustand die Ableitung vom Planetenträger und in einem anderen Schaltzustand die Ableitung vom Zahnkranz erlauben.
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Die Verneinung der Verletzungsfrage durch das Berufungsgericht beruht maßgeblich auf der Erwägung, dass nach Merkmal 3 nicht nur eine Wahl zwischen Planetenträger und Zahnkranz des ersten Planetengetriebes möglich, sondern der Antrieb außerdem ausschließlich, also daneben nicht auch zu einem Anteil von einem parallel geschalteten weiteren Planetengetriebe, sowie in unmittelbarer, nicht weiter (z.B. durch ein weiteres Getriebe) umgewandelter Form von den in Merkmal 3 genannten Antriebsmitteln auf die Nabenhülse ab- geleitet sein muss. Den Antrieb wahlweise vom Planetenträger oder Zahnkranz abzuleiten, ist aus dem Klagepatent A bekannt. Die in der Klagepatentschrift B an dem bekannten Nabenaufbau bemängelte Notwendigkeit, die Bewegung der Sonnenräder in beiden Drehrichtungen unterbinden zu müssen, beruht darauf, dass der Zahnkranz nicht allein als Abtriebselement des (einzigen) Planetengetriebes eingesetzt wird, sondern ihm daneben auch die Aufgabe zufällt, das Antriebsmoment vom Antreiber zu übernehmen, wenn nicht er, sondern der Planetenträger als Abtriebselement des Planetengetriebes verwendet wird. Dies führt je nachdem, ob als Element zur Übernahme des Antriebsmoments (vom Antreiber ) der Planetenträger und als Abtriebselement (zur Nabenhülse) der Zahnkranz eingesetzt werden oder ob Planetenträger und Zahnkranz die jeweils umgekehrte Funktion wahrnehmen, dazu, dass die auf die Sonnenräder ausgeübte Kraft einmal in die eine und einmal in die andere Drehrichtung der Sonnenräder wirkt (vgl. S. 2 Z. 13 ff.). Patentanspruch 1 des Klagepatents B vermeidet diese Konsequenz durch das Vorsehen eines zweiten Planetengetriebes mit einem (zweiten) Planetenträger (5a) und einem (zweiten) Zahnkranz (16). Da nunmehr diese selektiv als Element zur Übernahme des Antriebsmoments vom Antreiber benutzt werden können (vgl. S. 4 Z. 9-11; Unteranspruch 4), entfällt die Notwendigkeit , dem Zahnkranz (15) des ersten Planetengetriebes neben seiner Funktion als Abtriebselement auch noch die Funktion eines Antriebselements für das erste Planetengetriebe mit den oben beschriebenen nachteiligen Folgen zuweisen zu müssen. Beim erfindungsgemäßen Nabenaufbau reicht es demgemäß für die Übertragung des Antriebsmoments auf die Nabenhülse aus, die Drehbewegung der Sonnenräder (jeweils) in nur einer Drehrichtung zu unterbinden (vgl. S. 2 Z. 42-44; S. 3 Z. 3-5). Jedem der Sonnenräder braucht deshalb nur eine – in eine Drehrichtung wirkende – Sonnenradkupplung zugewiesen werden, die durch dieselbe Steuereinrichtung betätigbar ist (vgl. Merkmal 4 b; S. 2 Z. 45-47; S. 9 Z. 26-30).
Es bedarf der näheren Prüfung, ob und gegebenenfalls inwiefern es für
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das Erreichen dieser mit der technischen Lehre des Patentanspruchs 1 verbundenen Vorteile und Wirkungen von Belang ist, ob Planetenträger und Zahnkranz des ersten Planetengetriebes das Antriebsmoment unmittelbar oder nur mittelbar – etwa über ein weiteres Planetengetriebe gewandelt – zur Nabenhülse ableiten. Gegebenenfalls bedarf es ferner der näheren Erörterung, ob und inwiefern es dem Eintritt dieser Wirkungen und Vorteile entgegensteht, wenn der Antrieb nicht ausschließlich, sondern nur zu einem Anteil vom ersten Planetengetriebe abgeleitet wird. Denn letzteres bedeutet nicht zwangsläufig, dass für die Übertragung des Antriebsmoments eine Unterbrechung der Drehbewegung der Sonnenräder in beide Drehrichtungen möglich sein muss.
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Entgegen der Ansicht der Revisionsbeklagten folgt auch nicht daraus, dass Patentanspruch 1 lediglich im Hinblick auf den Planetenträger und den Zahnkranz des ersten Planetenträgers eine Ableitung des Antriebs für die Nabenhülse voraussetzt, ohne weiteres im Umkehrschluss, dass eine parallele Ableitung des Antriebs über das zweite oder die nach der Beschreibung (S. 9 Z. 24-26) möglichen weiteren Planetengetriebe ausgeschlossen sein soll. Dem könnte schon entgegenstehen, dass Patentanspruch 1 für das zweite Planetengetriebe wie für das erste nur ganz allgemein voraussetzt, dass es "im Kraftfluss" zwischen Antreiber und Nabenhülse angeordnet ist (Merkmal 2 a), was auch eine parallele Antriebsableitung einschließen würde. Im Übrigen bietet die Patentbeschreibung keinen ersichtlichen Anhalt für die Annahme, dass Parallelableitungen grundsätzlich Aufbau- und Betätigungsnachteile mit sich bringen, denen mit der in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten Lehre begegnet werden soll. Insbesondere ist bislang nichts dafür erkennbar, dass aus der Sicht des von dem Klagepatent angesprochenen Fachmanns etwas anderes aus der Kritik des Klagepatents (S. 2 Z. 32-34) an dem Betätigungsaufwand und dem Abmessungsumfang einer aus mehreren Getrieben gemäß Klagepatent A ge- bildeten Nabe und den damit zusammenhängenden objektiven technischen Gegebenheiten folgen könnte.
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c) KlagepatentC
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Für die Verwirklichung der in Patentanspruch 1 des Klagepatents C unter Schutz gestellten technischen Lehre genügt ein Planetengetriebe (4). Ihm ist die Funktion zugewiesen, den Antrieb vom Antreiber (2) aufzunehmen (Merkmal
2) und mittels des Getriebemechanismus (zur Nabenhülse) zu übersetzen (Merkmal 2 e). Der Planetenträger wirkt dabei als Antriebsteil (Merkmal 2 e). Der Abtrieb des vom Planetengetriebe aufgenommenen und übersetzten Antriebsmoments erfolgt über die in den Merkmalen 5 und 6 genannten Abtriebskupplungen. Diese ermöglichen aufgrund ihrer unterschiedlichen Anordnung – einmal zwischen Nabenhülse und Planetenträger und einmal zwischen Nabenhülse und Zahnkranz – unterschiedliche Abtriebswege, nämlich entsprechend ihrer Anordnung einmal über den Planetenträger und einmal über den Zahnkranz. In der Patentbeschreibung (S. 2 Z. 48-51) werden die beiden Abtriebskupplungen deshalb auch als Abtriebswahlkupplung bezeichnet.
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Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, ob es erforderlich ist, die Abtriebskupplungen unmittelbar vor der Nabenhülse und unmittelbar hinter dem Planetenträger bzw. dem Zahnkranz anzuordnen, um die Wahl zwischen den beiden unterschiedlichen Abtriebswegen zu ermöglichen. Sollte dies nicht der Fall sein, muss die Zwischenschaltung weiterer Bauteile in den Kraftfluss zwischen Nabenhülse und Planetenträger oder Zahnkranz auch sonst der Erzielung der erfindungsgemäßen Wirkungen und Vorteile nicht zwangsläufig entgegenstehen. Das gilt sowohl, soweit die Patentschrift herausstellt, die erfindungsgemäßen Kupplungen wirkten nur in eine Richtung und erforderten keine Ansteuerung von außen (vgl. S. 2 Z. 51-54), als auch, soweit es dem Klagepa- tent darum geht, eine Vereinfachung des Nabenaufbaus dadurch zu erreichen, dass die Drehbewegung der Sonnenräder nur noch in einer Richtung relativ zur Welle unterbunden können werden muss (vgl. S. 2 Z. 41-46). Dass daneben eine Vereinfachung des Nabenaufbaus auch durch die beim erfindungsgemäßen Ausführungsbeispiel verwirklichte Anordnung der Abtriebskupplungen unmittelbar zwischen Nabenhülse einerseits und Planetenträger und Zahnkranz andererseits erreicht werden soll, lässt sich dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 und der zu seiner Auslegung heranzuziehenden Patentbeschreibung hingegen nicht erkennbar entnehmen.
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Dies könnte dagegen sprechen, aus der in den Merkmalen 5 a und 6 a gelehrten Anordnung der Abtriebskupplungen herzuleiten, diese dürften im Verhältnis zur Nabenhülse nur parallel wie beim Ausführungsbeispiel und nicht auch hintereinander geschaltet sein. Denn auch bei einer Hintereinanderschaltung über ein gemeinsames Bauteil können die Abtriebskupplungen – wenn auch nicht unmittelbar – zwischen Nabenhülse einerseits und Planetenträger und Zahnkranz andererseits angeordnet sein und damit eine Wahl des Abtriebswegs über den Planetenträger oder den Zahnkranz ermöglichen. Da Patentanspruch 1 keine Vorgaben zu den Schaltungsverhältnissen der ersten und zweiten Abtriebskupplung macht, muss es aus dem Anspruch auch nicht herausführen , dass im Kraftfluss hintereinander angeordnete Abtriebskupplungen bei der Kraftübertragung nicht stets alternativ, sondern auch kumulativ geschaltet werden. Ob sich, wie die Revisionsbeklagten meinen, aus dem in der Patentbeschreibung (vgl. S. 2 Z. 9-11, Z. 48-51) verwendeten Begriff der Abtriebswahlkupplung etwas anderes ableiten lässt, erscheint zweifelhaft. Denn auch ihm sind keine einschränkenden Vorgaben dafür zu entnehmen, mit welchen konkreten Schaltungsverhältnissen die aus erster und zweiter Abtriebskupplung gebildete Funktionseinheit "Abtriebswahlkupplung" die Wahl des Abtriebswegs zu erreichen hat.
Demgemäß wird das Berufungsgericht erneut zu prüfen haben, ob die in
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den Merkmalen 5 a und 6 a gelehrte Anordnung der Abtriebskupplungen nicht auch dann verwirklicht wird, wenn die Kupplungen (16, 14) nicht parallel, sondern hintereinander angeordnet sind und im Kraftfluss nicht stets alternativ, sondern gleichzeitig – mit stetem Eingriff der Kupplung (14) – geschaltet werden.
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Ebenso wird das Berufungsgericht die vom ihm in Bezug genommene Annahme des Sachverständigen kritisch zu prüfen haben, bei der Kupplung (16) der angegriffenen Ausführungsform handle es sich um keine Abtriebskupplung , da die von ihr auf den zweiten Planetenträger (22) übertragene Leistung mit der (letztlich) auf die Nabenhülse übertragenen Leistung nicht identisch, sondern größer sei. Die in dem Begriff Abtriebskupplung zum Ausdruck kommende Funktion der Kupplung bezieht sich auf den Abtrieb des vom (ersten) Planetengetriebe aufgenommenen und übersetzten Antriebsmoments. Der in Merkmal 5 a gelehrten räumlich-körperlichen Anordnung der ersten Kupplung zwischen dem (ersten) Planetenträger und der Nabenhülse kommt damit – jedenfalls primär – der Sinngehalt zu, einen Abtriebsweg zwischen beiden Elementen zu eröffnen. Dass mit der gelehrten Anordnung darüber hinaus auch sichergestellt werden soll, dass die vom (ersten) Planetenträger übernommene Leistung auf diesem Weg nicht – z.B. durch ein zwischengeschaltetes Getriebe – weiter gewandelt wird und mit der an die Nabenhülse abgegebenen Leistung identisch ist, ist gegenwärtig nicht zu erkennen. Gegen ein solches Verständnis könnte vielmehr sprechen, dass die Patentbeschreibung (S. 8 Z. 35-41) Anzahl und Aufbau verwendbarer Planetengetriebe grundsätzlich in das Belieben des Fachmanns stellt, soweit dadurch die Erzielung der erfindungsgemäßen Wirkungen wie die Übertragung des Antriebsmoments in eine Richtung mit Hilfe von nur in eine Richtung wirkenden Sonnenradkupplungen nicht in Frage gestellt wird. Ist das gewährleistet, muss auch die Zwischenschaltung eines Pla- netengetriebes in den Kraftfluss zwischen Abtriebskupplung und Nabenhülse nicht ausgeschlossen sein.
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Schließlich wird das Berufungsgericht erneut zu prüfen haben, ob es gegen die Verwirklichung des Merkmals 5 a spricht, wenn bei der angegriffenen Nabe nur ein Teil des Antriebs für die Nabenhülse über das erste Planetengetriebe und dessen Kupplung (16) läuft. Die Kupplung verliert hierdurch weder ihre Abtriebsfunktion für das (erste) Planetengetriebe, noch ändert sich etwas daran, dass sie im Sinne des Merkmals 5 a zwischen (erstem) Planetenträger und Nabenhülse angeordnet ist und dadurch ein Abtriebsweg zwischen beiden Teilen eröffnet wird. Ebenso wie beim Klagepatent B erscheint erörterungsbedürftig , ob eine parallele Ableitung des Antriebs für die Nabenhülse vermieden werden soll und den Merkmalen 5 und 6 der Sinngehalt beizumessen ist, mit den Abtriebskupplungen die alleinigen Mittel zu bezeichnen, über die der Antrieb auf die Nabenhülse abzuleiten ist.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Meier-Beck Asendorf
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 09.07.2003 - 21 O 9433/99 -
OLG München, Entscheidung vom 29.09.2005 - 6 U 4244/03 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Patentgesetz - PatG | § 14


Der Schutzbereich des Patents und der Patentanmeldung wird durch die Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 404a Leitung der Tätigkeit des Sachverständigen


(1) Das Gericht hat die Tätigkeit des Sachverständigen zu leiten und kann ihm für Art und Umfang seiner Tätigkeit Weisungen erteilen. (2) Soweit es die Besonderheit des Falles erfordert, soll das Gericht den Sachverständigen vor Abfassung der Bew

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Bundesgerichtshof Urteil, 02. Juni 2015 - X ZR 103/13

bei uns veröffentlicht am 02.06.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X Z R 1 03/ 1 3 Verkündet am: 2. Juni 2015 Hartmann Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juli 2008 - X ZB 13/06

bei uns veröffentlicht am 08.07.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZB 13/06 vom 8. Juli 2008 in dem Rechtsbeschwerdeverfahren betreffend die Einspruchssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein Momentanpol II PatG § 14, § 21 Abs. 1 Nr. 4 Für die Feststellung des Offenbarungsgehalts d

Referenzen

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

Der Schutzbereich des Patents und der Patentanmeldung wird durch die Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 9/06
vom
17. April 2007
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Informationsübermittlungsverfahren
Abs. 1 Nr. 1

a) Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für das Einspruchsverfahren
nach § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG in den vom 1. Januar 2002 bis zum
30. Juni 2006 geltenden Fassungen ist nicht verfassungswidrig.

b) Auch im Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahren setzt die Prüfung
, ob der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 PatG nicht patentfähig
ist, die Auslegung des Patentanspruchs voraus. Dazu ist zu ermitteln
, was sich aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns aus den
Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit als
unter Schutz gestellte technische Lehre ergibt.
BGH, Beschl. v. 17. April 2007 - X ZB 9/06 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 17. April 2007 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter Scharen, Keukenschrijver,
Prof. Dr. Meier-Beck und Gröning

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 20. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 6. März 2006 wird auf Kosten der Patentinhaberin zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 25.000,-- € festgesetzt.

Gründe:


1
I. DieRechtsbeschwerdeführerin ist Inhaberin des am 14. Mai 1999 angemeldeten deutschen Patents 199 22 068 (Streitpatents), das ein "Verfahren und (ein) System zum Übermitteln von Symbolen von einem Sender zu einem Empfänger" betrifft und 24 Patentansprüche umfasst. Patentanspruch 1 lautet (Nummerierung der Verfahrensschritte hinzugefügt):
2
Verfahren zum Übermitteln von Symbolen von einem Sender zu einem Empfänger, mit den Schritten: [1] sendeseitig wird ein bestimmtes Symbol ausgewählt; [2] sendeseitig wird ein dem ausgewählten Symbol zugeordneter, dieses vollständig bezeichnender sprachlicher Ausdruck (Text) ermittelt; [3] dem sprachlichen Ausdruck (Text) wird eine Kennung hinzugefügt , die den sprachlichen Ausdruck als verschlüsseltes Symbol kennzeichnet; [4] der gekennzeichnete sprachliche Ausdruck (Text) wird als Zeichenfolge von dem Sender zu dem Empfänger gesendet; [5] empfangsseitig wird das dem gekennzeichneten sprachlichen Ausdruck (Text) zugeordnete Symbol aus einem Speichermittel ausgewählt und [6] das ausgewählte Symbol wird auf einer Anzeigeeinrichtung des Empfängers dargestellt.
3
Die Einsprechende hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Das Bundespatentgericht, vor dem das Einspruchsverfahren nach § 147 Abs. 3 PatG durchgeführt worden ist, hat das Patent widerrufen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Patentinhaberin.
4
II. Die Rechtsbeschwerde ist kraft Zulassung statthaft (§ 147 Abs. 3 Satz 5 i.d.F. vom 9.12.2004 i.V.m. § 100 Abs. 1 PatG) und auch im Übrigen zulässig.
5
Sie eröffnet die Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses nach Art einer Revision (BGHZ 133, 18, 19 - Informationssignal). Diese Nachprüfung ist inhaltlich nicht auf die Nachprüfung der Entscheidung des Bundespatentgerichts beschränkt, von einer Aussetzung des Verfahrens abzusehen.
6
Das Patentgericht hat im Tenor des angefochtenen Beschlusses eine unbeschränkte Zulassung der Rechtsbeschwerde ausgesprochen. Aus den Gründen ergibt sich, dass die Rechtsbeschwerde "zur Klärung der Frage, ob das Gericht einem Aussetzungsantrag im Hinblick auf eine erhobene Verfassungsbeschwerde auch dann stattzugeben habe, wenn aus seiner Sicht keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Norm bestünden" zugelassen worden ist. Daraus ergibt sich jedoch keine Beschränkung der Nachprüfung.
7
Zwar kann die Zulassung der Rechtsbeschwerde, ebenso wie die der Revision (s. dazu BGHZ 53, 152, 155; 101, 276, 278; 111, 158,166; BGH, Urt. v. 21.09.2006 - I ZR 2/04, NJW-RR 2007, 182, 183), auf einen abgrenzbaren Teil des Beschwerdeverfahrens beschränkt werden (BGHZ 88, 191, 193 - Ziegelsteinformling I; Sen.Beschl. v. 03.12.1996 - X ZB 1/96, GRUR 1997, 360, 361 - Profilkrümmer; v. 29.04.2003 - X ZB 4/01, GRUR 2003, 781 - Basisstation ; v. 19.10.2004 - X ZB 34/03, GRUR 2005, 143 - Rentabilitätsermittlung; st. Rspr.). Dabei muss es sich aber um einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffes handeln, der Gegenstand einer Teilentscheidung sein könnte oder auf den der Rechtsbeschwerdeführer selbst die Rechtsbeschwerde beschränken könnte. Dies ist hier nicht der Fall.
8
Die Entscheidung des Gerichts über die Aussetzung des Verfahrens ist im patentgerichtlichen Verfahren zwar durch gesonderten Beschluss möglich. Sie ist aber nicht gesondert anfechtbar, weder in Fällen, in denen das Patentgericht wie im Streitfall über den Einspruch in erster Instanz entscheidet noch in Fällen, in denen es im Beschwerde- bzw. im Nichtigkeitsverfahren (vgl. hierzu § 110 Abs. 6 PatG) die Aussetzung des Verfahrens gesondert beschließt. Nach § 99 Abs. 2 PatG findet eine Anfechtung der Entscheidungen des Patentgerichts nur statt, soweit das Patentgesetz sie zulässt. Das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde, das § 252 ZPO im Zivilprozess erster Instanz in Fällen der Aussetzung eröffnet, ist im patentgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehen. Die Rechtsbeschwerde nach § 100 PatG ist nur statthaft gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts, durch die über eine Beschwerde nach § 73 oder über die Aufrechterhaltung oder den Widerruf eines Patents nach § 61 Abs. 2 entschieden worden ist. Eine Zwischenentscheidung über die Aussetzung ist keine Entscheidung über die Beschwerde oder über die Aufrechterhaltung oder den Widerruf des Patents und unterliegt damit nicht der Rechtsbeschwerde. Ein abtrennbarer Teil des Streitstoffes liegt demnach nicht vor, so dass die Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht nicht auf den rechtlichen Teilaspekt der Aussetzung begrenzt werden kann.
9
III. Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent mit der Begründung widerrufen, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
10
1. Das Bundespatentgericht hat hierzu ausgeführt: Aus der USPatentschrift 5 784 001 sei ein Verfahren zum Übermitteln von Symbolen von einem Sender zu einem Empfänger bekannt. Beim Sender werde aus mehreren zur Verfügung stehenden Symbolen ein bestimmtes Symbol (z.B. ein Telefonsymbol "TELEPHONE", Fig. 2, 4) ausgewählt und ein dem ausgewählten Symbol zugeordneter numerischer Ausdruck (z.B. "01", Fig. 2) ermittelt. Diesem numerischen Ausdruck werde eine Kennung ("#") hinzugefügt, die den numerischen Ausdruck als verschlüsseltes Symbol kennzeichne. Der so gekennzeichnete numerische Ausdruck ("#01") werde von dem Sender zu dem Empfänger gesendet. Alternativ zu einem gekennzeichneten numerischen Ausdruck (z.B.
"#01") könne auch ein das Symbol bezeichnender sprachlicher Ausdruck (key word "CALL" oder "PHONE") zum Empfänger gesendet werden. Beim Empfänger würden die vom Sender übermittelten Wörter bzw. sprachlichen Ausdrücke mit gespeicherten Schlüsselwörtern verglichen. Stimme ein Wort der übermittelten Nachricht mit einem gespeicherten Schlüsselwort (z.B. "CALL" oder "PHONE") überein, werde auf dem Display des Empfängers sowohl das dem Schlüsselwort (z.B. "PHONE") entsprechende Symbol (Telefonsymbol) als auch das Schlüsselwort selbst ("PHONE") dargestellt. In Fig. 20 sei ein Beispiel gezeigt , bei dem die übermittelte Nachricht ausschließlich aus den sprachlichen Ausdrücken "CALL" und "HOME" bestehe, während auf dem Display des Empfängers nur die beiden zugeordneten Symbole (Telefonsymbol und Haussymbol ) und nicht die zugehörigen Schlüsselwörter "CALL" und "HOME" dargestellt würden. Wolle der Fachmann - ein Dipl.-Ing. (FH) für Informatik mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung von Software für Datenübertragungseinrichtungen - dieses Beispiel ausführen, so müsse er eine Anzeige der sprachlichen Ausdrücke "CALL" und "HOME" unterbinden. Dazu liege es für den Fachmann auf der Hand, jeden einzelnen sprachlichen Ausdruck genauso wie die numerischen Ausdrücke mit einer Kennung (z.B. #) als verschlüsseltes Symbol zu kennzeichnen. Damit sei der Fachmann beim Gegenstand des Patentanspruchs 1 angelangt, ohne erfinderisch tätig zu werden.
11
2. Die Rechtsbeschwerde rügt, das Patentgericht habe rechtsfehlerhaft lediglich geprüft, ob der über den Inhalt der US-Patentschrift 5 784 001 hinausgehende Teil des Streitpatents auf erfinderischer Tätigkeit beruhe, anstatt der Prüfung den Gegenstand des Streitpatents in seiner Gesamtheit zu unterziehen.
12
3. Der Angriff der Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
13
a) Zutreffend ist allerdings ihr Ausgangspunkt, dass sich die Prüfung, ob der Gegenstand des Patentanspruchs patentfähig ist (hier: ob er dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war), auf die im Patentanspruch geschützte technische Lehre in ihrer Gesamtheit beziehen muss und sich nicht auf einen Teil, wie etwa die kennzeichnenden Merkmale eines zweiteiligen Patentanspruchs , beschränken darf (BGHZ 147, 137, 141 - Trigonellin; Sen.Urt. v. 08.12.1983 - X ZR 15/82, GRUR 1984, 272, 274 - Isolierglasscheibenrandfugenfüllvorrichtung ). Für die Prüfung dieses Gegenstandes reicht es nicht aus, zu untersuchen, ob sich der Wortlaut des Patentanspruchs auf eine Entgegenhaltung aus dem Stand der Technik oder einen Gegenstand, den der Stand der Technik dem Fachmann nahegelegt hat, lesen lässt. Vielmehr ist es grundsätzlich erforderlich, dass zunächst der Gegenstand des Patentanspruchs ermittelt wird, indem der Patentanspruch unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen aus der Sicht des von der Erfindung angesprochenen Fachmanns ausgelegt wird. Für die Prüfung der Patentfähigkeit im Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahren gilt dies ebenso wie für das Nichtigkeitsverfahren (Sen.Urt. v. 07.11.2000 - X ZR 145/98, GRUR 2001, 232 - Brieflocher) und den Verletzungsprozess (BGHZ 159, 221, 226 - Drehzahlermittlung). Denn erst wenn diese Auslegung erfolgt ist, steht der Gegenstand der nachfolgenden Überprüfung auf Patentfähigkeit fest.
14
Die Auslegung ist Rechterkenntnis und demgemäß richterliche Aufgabe (BGHZ 160, 204, 213 - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; BGHZ 166, 305, 311 - Vorausbezahlte Telefongespräche; Sen.Urt. v. 13.02.2007 - X ZR 74/05, Tz. 18 - Kettenradanordnung, für BGHZ bestimmt). Sie wird freilich , wie jede Auslegung, auf tatsächlicher Grundlage getroffen, zu der neben den objektiven technischen Gegebenheiten auch ein bestimmtes Vorverständnis der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Sachkundigen sowie Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen und methodische Herangehensweise dieser Fachleute gehören, die das Verständnis des Patentanspruchs und der in ihm verwendeten Begriffe bestimmen oder jedenfalls beeinflussen können (BGHZ 164, 261, 268 - Seitenspiegel). Zu ermitteln ist, was sich aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns aus den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit als unter Schutz gestellte technische Lehre ergibt (Sen.Urt. "Kettenradanordnung" aaO; Melullis, Festschrift für Eike Ullmann, S. 503, 512 f.).
15
b) Das Bundespatentgericht hat sich nicht in erkennbarer Weise mit dem richtigen Verständnis des Patentanspruchs befasst. Im Streitfall erweist sich dies jedoch im Ergebnis als unschädlich, da die Auslegung, die das Rechtsbeschwerdegericht selbständig vornehmen kann (st. Rspr.; s. nur BGHZ 142, 7, 15 - Räumschild; BGHZ 160, 204, 213 - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung ), nicht ergibt, dass der Patentanspruch insgesamt oder hinsichtlich einzelner Merkmale anders zu verstehen ist als das Bundespatentgericht auf der Grundlage des Anspruchswortlauts angenommen hat. Weiterer tatsächlicher Feststellungen, die im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht getroffen werden könnten, bedarf es hierzu nicht; auch die Rechtsbeschwerde macht insoweit nichts geltend.
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c) Die Streitpatentschrift betrifft ein Verfahren zum Übermitteln von Symbolen von einem Sender zu einem Empfänger.
17
Sie bezeichnet es als beispielsweise bei Mobiltelefonen bekannt, beim Übersenden einer Nachricht vom Sender ausgewählte Symbole als solche zu übermitteln. Aus der veröffentlichten internationalen Patentanmeldung WO 97/10429 sei ferner ein Verfahren zum Übermitteln von Symbolen von einem Sender zu einem Empfänger bekannt, bei dem sendeseitig ein Symbol ausgewählt werde, ein diesem zugeordneter sprachlicher Ausdruck (Text) er- mittelt werde, dieser Text als Zeichenfolge vom Sender zum Empfänger gesendet werde, empfangsseitig das dem Text zugeordnete Symbol aus einem Speichermittel ausgewählt werde und dieses Symbol sodann auf einer Anzeigeeinrichtung dargestellt werde.
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Als nachteilig sieht die Streitpatentschrift an diesen sowie einem weiteren bekannten Verfahren an, dass entweder die Symbole als solche übermittelt werden müssten, was eine erhebliche Datenmenge und entsprechende Übermittlungszeit erfordere, oder aber die Symbole nicht sicher als solche erkannt werden könnten.
19
Daraus ergibt sich im Wesentlichen in Übereinstimmung mit der im Streitpatent angegebenen Aufgabe das Problem, ein Verfahren anzugeben, das es erlaubt, die für die Übermittlung der Symbolinformation erforderliche Datenmenge zu reduzieren.
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Diese Aufgabe soll durch die im Patentanspruch angegebenen Verfahrensschritte 1 bis 6 gelöst werden. Indem nicht das ausgewählte Symbol (Merkmal 1), sondern ein dieses vertretender Text übermittelt wird (Merkmale 2 und 4), kann die Datenmenge reduziert werden. Zugleich wird dadurch, dass dem Text eine Kennung hinzugefügt wird (Merkmal 3), sichergestellt, dass der übermittelte Text auf Empfängerseite eindeutig als Symbolinformation interpretiert (Merkmal 5) und das Symbol auf der Anzeigeeinrichtung des Empfängers dargestellt wird (Merkmal 6).
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d) Hiernach hat das Bundespatentgericht jedenfalls im Ergebnis zutreffend angenommen, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 dem Fachmann durch die US-Patentschrift 5 784 001 nahegelegt war.
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Nach seinen rechtsfehlerfreien und auch von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Ausführungen ist dieser Vorveröffentlichung ein Verfahren zu entnehmen, bei der sendeseitig einem bestimmten Symbol eine dieses bezeichnende Ziffernfolge zugeordnet ist. Dieser Ziffernfolge ist das Zeichen # vorangestellt, das die nachfolgenden Ziffern als Symbolcode kennzeichnet (Sp. 3 Z. 18-21). Die gesamte Zeichenfolge wird übermittelt, als Symbolcode erkannt und das Symbol auf der Anzeigeeinrichtung des Empfängers dargestellt (Sp. 3 Z. 38-42).
23
Dieses Verfahren unterscheidet sich von dem erfindungsgemäßen nur dadurch, dass die übermittelte Symbolinformation nicht, wie in Merkmal 2 angegeben , durch eine Buchstabenfolge ("Text"), sondern durch eine Ziffernfolge dargestellt wird. Abgesehen davon, dass, worauf das Bundespatentgericht abgehoben hat, bei dem vorbekannten Verfahren alternativ auch die Übermittlung von Schlüsselwörtern vorgesehen ist, kann dieser Unterschied jedoch keine erfinderische Tätigkeit begründen. Denn der "dem ausgewählten Symbol zugeordnete , dieses vollständig bezeichnende sprachliche Ausdruck (Text)" hat wie der Zifferncode im Stand der Technik nur die Funktion eines eindeutigen Symbolcodes , der mit einer geringen Datenmenge auskommt. Da der Symbolcode nicht dazu bestimmt ist, dem Empfänger als solcher angezeigt zu werden, sondern nur auf Empfängerseite wiederum eindeutig einem Symbol zugeordnet werden soll, das für den Empfänger sichtbar ist, liegt es auf der Hand, dass es unerheblich ist, ob der zur Symbolcodierung verwendete alphanumerische Code aus Ziffern oder aus Buchstaben besteht oder ob er ein Wort einer gesprochenen Sprache ergibt, sofern er nur eindeutig ist. Welcher Möglichkeit er sich bediente, stand daher im freien Belieben des Fachmanns.
24
III. Der Senat hat keinen Anlass gesehen, das Rechtsbeschwerdeverfahren entsprechend § 148 ZPO auszusetzen.
25
Hält das Gericht ein Gesetz für verfassungswidrig, ist es gemäß § 100 Abs. 1 GG verpflichtet, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Wenn das entscheidungserhebliche Gesetz - wie hier - bereits Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde ist, ist eine Aussetzung in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO zulässig (BGHZ 162, 373, 376 - Aussetzung wegen Parallelverfahren; BGH, Beschl. v. 18.07.2000 - VIII ZR 323/99, RdE 2001, 20; v. 25.03.1998 - VIII ZR 337/97, NJW 1998, 1957). Es besteht aber keine Verpflichtung des Gerichts, das Verfahren in einem solchen Fall auszusetzen; es hat hierüber nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Eine Aussetzung kommt in einem derartigen Fall insbesondere dann in Betracht, wenn Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der betreffenden Vorschrift bestehen und die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit weder einfach noch ohne großen Zeitaufwand zu erledigen ist (so in dem vom Bundesgerichtshof zur Aussetzung wegen behaupteter Verfassungswidrigkeit des Stromeinspeisungsgesetzes entschiedenen Fall, aaO NJW 1998, 1957). Bestehen hingegen keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der entscheidungserheblichen Vorschrift, hat grundsätzlich das Interesse der Verfahrensbeteiligten, die nicht auf eine Aussetzung angetragen haben, an einer zügigen Erledigung des Verfahrens Vorrang. So ist es auch hier, denn § 147 Abs. 3 PatG in den bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassungen des Gesetzes ist verfassungsgemäß.
26
Die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG ist nicht verletzt. Das Einspruchsverfahren vor dem Bundespatentgericht ermöglicht es jedem Dritten, die Rechtmäßigkeit der Erteilung eines Patents, das seinem Inhaber ein gegenüber jedem Dritten wirkendes Ausschließlichkeitsrecht verleiht, durch ein unabhängiges Gericht überprüfen zu lassen. Der Gesetzgeber ist nach dem Grundgesetz nicht gehalten, die diese Überprüfung abschließende gerichtliche Entscheidung ihrerseits einer Nachprüfung zugänglich zu machen, denn Art. 19 Abs. 4 GG garantiert nur den Rechtsweg, nicht aber einen Instanzenzug (BVerfGE 49, 329, 343; 87, 48, 61; 92, 365, 410; 96, 27, 39; st. Rspr.).
27
Es ist auch nicht zutreffend, dass das Einspruchsverfahren vor dem Bundespatentgericht, wie die Patentinhaberin meint, materiell Verwaltungstätigkeit darstellte. Zwar kann im Einspruchsverfahren das Patent in den gesetzlichen Grenzen gestaltet werden. Das ändert aber nichts daran, dass das Einspruchsverfahren im Kern der gerichtlichen Überprüfung einer Verwaltungsentscheidung dient (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucks. 14/7140, S. 60 f.; Sen.Beschl. v. 02.03.1999 - X ZB 14/97, GRUR 1999, 571, 572 - künstliche Atmosphäre; Schwendy/Keukenschrijver/Schuster in Busse, PatG, 6. Aufl., § 147 Rdn. 26 f.), indem es insbesondere die Nachprüfung ermöglicht, ob das Patentamt die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der Patentfähigkeit des Gegenstands des Patents zutreffend bejaht hat (§ 21 Nr. 1 PatG), zu Recht angenommen hat, dass die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 21 Nr. 2 PatG), und zu Recht angenommen hat, dass der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung nicht hinausgeht (§ 21 Nr. 4 PatG). Das vom Gesetzgeber zeitweise suspendierte Einspruchsverfahren vor der Patentabteilung stellt aus verfassungsrechtlicher Sicht ein Vorverfahren dar, das - ähnlich dem Widerspruchsverfahren nach der Verwaltungsgerichtsordnung - es der Erteilungsbehörde ermöglicht, dem Rechtsschutzbegehren des Einsprechenden durch einen vollständigen oder teilweisen Widerruf des Patents abzuhelfen.
28
Ein solches Vorverfahren ist verfassungsrechtlich nicht geboten. Es stand dem Gesetzgeber daher frei, es - zeitweise - abzuschaffen.
29
Gegen die zeitweise Suspendierung des Einspruchsverfahrens vor der Patentabteilung bestehen auch im Hinblick auf den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) keine Bedenken. Dass die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts davon abhängt, ob die Einspruchsfrist vor oder - wie im Streitfall - nach dem 1. Januar 2002 begonnen hat, liegt in der Natur einer verfahrensrechtlichen Regelung , die notwendigerweise einen Zeitpunkt bestimmen muss, von dem an sie Geltung beansprucht, und damit Sachverhalte, die in den einen Zeitraum fallen, anders behandeln muss als diejenigen, die den für den anderen Zeitraum geltenden Regeln unterliegen. Art. 3 Abs. 1 GG schützt jedoch nicht vor jeder Ungleichbehandlung, sondern nur vor der ungerechtfertigten Verschiedenbehandlung. Der allgemeine Gleichheitssatz ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 55, 72, 88; 88, 87, 96 f.; 101, 239, 269; st. Rspr.). Dass der Patentanmelder keinen oder nur begrenzten Einfluss darauf hat, wann die Einspruchsfrist gegen das ihm erteilte Patent beginnt, begründet keinen sachlichen Einwand gegen den vom Gesetzgeber gewählten Stichtag. Es war vielmehr sachgerecht und naheliegend, die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts davon abhängig zu machen, zu welchem Zeitpunkt ein Patent mit dem Einspruch angegriffen werden konnte.
30
Ebenso wenig ist der allgemeine Gleichheitssatz dadurch verletzt, dass dem Patentinhaber, dessen Patent durch das Bundespatentgericht widerrufen worden ist, ein weiterer Rechtsbehelf nur unter den Voraussetzungen des § 100 PatG zu Gebote steht, während der Einsprechende das aufrechterhaltene Patent noch mit der Nichtigkeitsklage angreifen kann. Mit der Nichtigkeitsklage stellt der Gesetzgeber jedem Dritten die Möglichkeit zur Verfügung, die Rechtsbeständigkeit eines Patents auch dann zur gerichtlichen Überprüfung zu stellen, wenn die Einspruchsfrist abgelaufen und ein Einspruchsverfahren nicht mehr anhängig ist. Da die Verletzungsgerichte an die Erteilung eines Patents gebunden sind, solange das Patent nicht (rechtskräftig) widerrufen oder für nichtig erklärt ist, ermöglicht das Gesetz damit jederzeit die Überprüfung, ob das erteilte Ausschließlichkeitsrecht von jedermann zu beachten ist oder nicht. Daraus lässt sich nicht herleiten, auch dem Patentinhaber, dessen Patent mit der Folge widerrufen worden ist, dass die Wirkungen des Patents als von Anfang an nicht eingetreten gelten (§ 21 Abs. 3 Satz 1 PatG), müsse eine "zweite Chance" eingeräumt werden.
31
Da auch das Bundespatentgericht keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Norm hatte, hat es seinerseits rechtsfehlerfrei davon abgesehen, das Einspruchsverfahren auszusetzen.
32
IV. Die Rechtsbeschwerde ist hiernach mit der Kostenfolge des § 109 Abs. 1 Satz 2 PatG zurückzuweisen.
33
Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Meier-Beck Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 06.03.2006 - 20 W(pat) 305/03 -

Der Schutzbereich des Patents und der Patentanmeldung wird durch die Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen.

(1) Das Gericht hat die Tätigkeit des Sachverständigen zu leiten und kann ihm für Art und Umfang seiner Tätigkeit Weisungen erteilen.

(2) Soweit es die Besonderheit des Falles erfordert, soll das Gericht den Sachverständigen vor Abfassung der Beweisfrage hören, ihn in seine Aufgabe einweisen und ihm auf Verlangen den Auftrag erläutern.

(3) Bei streitigem Sachverhalt bestimmt das Gericht, welche Tatsachen der Sachverständige der Begutachtung zugrunde legen soll.

(4) Soweit es erforderlich ist, bestimmt das Gericht, in welchem Umfang der Sachverständige zur Aufklärung der Beweisfrage befugt ist, inwieweit er mit den Parteien in Verbindung treten darf und wann er ihnen die Teilnahme an seinen Ermittlungen zu gestatten hat.

(5) Weisungen an den Sachverständigen sind den Parteien mitzuteilen. Findet ein besonderer Termin zur Einweisung des Sachverständigen statt, so ist den Parteien die Teilnahme zu gestatten.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 176/99 Verkündet am:
7. März 2001
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Kabeldurchführung II
Der Tatrichter darf die Ergebnisse eines Sachverständigengutachtens nicht
ohne weiteres übernehmen. Sachverständige Ä ußerungen sind vom Tatrichter
eigenverantwortlich daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit sie Angaben
enthalten, die Aufklärung im Hinblick auf entscheidungserhebliche und allein
von dem erkennenden Gericht zu beantwortende Fragen zu bieten vermögen.
Das Urteil muß erkennen lassen, daß dies geschehen ist.
BGH, Urteil vom 07.03.2001 - X ZR 176/99 - OLG München
LG München I
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter Rogge, die Richter
Dr. Jestaedt, Scharen, die Richterin Mühlens und den Richter Dr. MeierBeck

für Recht erkannt:
Unter Zurückweisung der Revision des Klägers im übrigen wird das am 22. Juli 1999 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München aufgehoben, soweit es die auf Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten gerichteten Klageanträge unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts München I vom 18. Dezember 1992 abgewiesen und insoweit die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger war bis zu dessen Ablauf eingetragener Inhaber des Gebrauchsmusters 89 13 829.5 (Klagegebrauchsmusters), das auf eine Anmeldung vom 23. November 1989 zurückgeht. Die Beklagte hat das Löschungsverfahren betrieben. Das Klagegebrauchsmuster ist teilweise gelöscht worden; Schutzanspruch 1 ist in folgender Fassung aufrechterhalten worden:
"Vorrichtung zum Abdichten eines in einer Schrankwand eines Schaltschranks angebrachten Lochs zur Durchführung eines Kabels in den Schaltschrank mit zwei an der Außenseite der Schrankwand an gegenüberliegenden Seiten des Lochs angeordneten Teilen, wobei jedes der beiden Teile innen mit einem Körper aus Schaumgummi oder Kunststoffschaumstoff versehen ist, welche das Kabel umschließen, wobei an einem der beiden Teile wenigstens eine Schelle zur Befestigung des Kabels befestigt ist und die beiden Teile durch Schrauben miteinander verbunden sind, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die beiden Teile durch die beiden Teile eines zweiteiligen rechteckigen Gehäuses (1) gebildet sind, welches an seiner von der Schrankwand (6) abgewandten Seite (8) wenigstens eine Öffnung (9-11) und an seiner der Schrankwand (6) zugewandte Seite eine Öffnung (4) um das Loch in der Schrankwand zur Durchführung des Kabels (7) aufweist, daß die Teilungsfuge (12), die das Gehäuse (1) der Länge nach teilt, durch die Kabelöffnungen (9-11) an der von der Schaltschrankwand (6) abgewandten Seite (8) des
Gehäuses (1) hindurchgeht, daß die Schelle (18-20) zur Kabelbefestigung an der Innenseite eines der beiden Gehäuseteile (3) befestigt ist, daß die Schrauben (22, 23), die in hülsenförmigen Vorsprüngen (27, 28) an der Innenseite eines Gehäuseteils (3) vorgesehene Gewinde eingreifen, das Gehäuse (1) zusammenhalten und das von den Schrauben (22, 23) zusammengehaltene Gehäuse (1) an der Schrankwand (6) befestigbar ist."
Ein weiteres, von einem Dritten betriebenes Gebrauchsmusterlöschungsverfahren ist wegen Ablaufs des Klagegebrauchsmusters in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden.
Die Beklagte stellte her und vertrieb vor Ablauf des Klagegebrauchsmusters eine Kabeldurchführungsvorrichtung SZ.2400 in Form eines eckigen Gehäuses , in das in jeweils eigene Kammern Schaumstoffmanschetten zur Einlage der Kabel und Zugentlastungsschellen eingefügt sind. Der Kläger sieht hierdurch sein Klagegebrauchsmuster verletzt.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt und - jeweils im wesentlichen wie beantragt - auf Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung erkannt.
Das mit der Berufung angerufene Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat der Senat dieses Berufungsurteil aufgehoben (Urt. v. 04.02.1997, BGHZ 134, 353 - Kabeldurchführung). Das Berufungsgericht, an das die Sache zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen worden ist, hat ein Sachverständigengutachten
eingeholt und die auf Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung gerichtete Klage erneut abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat das Oberlandesgericht dem Kläger auferlegt, wobei es erkannt hat, daß der Kläger im Umfang des aufgrund des Zeitablaufs des Klagegebrauchsmusters übereinstimmend für erledigt erklärten Unterlassungsantrags die Kosten gemäß § 91 a ZPO zu tragen habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die erneute Revision des Klägers, mit der beantragt wird,
das Berufungsurteil aufzuheben und nach den Schlußanträgen des Klägers in der Berufungsinstanz zu erkennen.
Die Beklagte ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.

Entscheidungsgründe:


I. Die Revision ist unzulässig, soweit sie sich gegen die nach § 91 a ZPO ergangene Kostenentscheidung des Oberlandesgerichts wendet. Eine Kostenentscheidung eines Oberlandesgerichts nach § 91 a ZPO ist nicht anfechtbar (§§ 567 Abs. 4, 99 Abs. 1 ZPO). Dies gilt auch dann, wenn sie als sogenannte Mischentscheidung im Rahmen eines streitigen Urteils getroffen wird (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 91 a Rdn. 27, 56 jeweils m.w.N.).
II. Im übrigen ist die Revision zulässig und auch begründet.

1. Das Berufungsgericht hat in der Sache ausgeführt: Das Klagegebrauchsmuster gehe von einem Stand der Technik aus, bei dem das in der Wand eines Schaltschranks zum Durchführen eines Kabels mit angebrachtem Stecker vorzusehende Loch mit zwei Platten abgedeckt werde. Die Platten wiesen halbkreisförmige Ausnehmungen auf und würden links und rechts des Kabels so auf das Loch gelegt, daß sie aneinanderstießen und sich eine kreisrunde Öffnung für das Kabel ergebe. Wegen der Fuge zwischen den beiden Platten und der kreisförmigen Öffnung für das Kabel werde bei dieser Abdekkung die gewünschte Dichtigkeit nicht erreicht. Auch werde das Kabel nicht fixiert; der Stecker im Schaltschrank werde schon bei nur relativ geringem Zug auf das Kabel herausgezogen. Hiernach liege der Erfindung zugrunde, eine Vorrichtung zur Verfügung zu stellen, die eine hohe Dichtigkeit und eine Zugentlastung des Kabels gewährleiste. Gelöst werde die damit verbundene Problematik durch den Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters, der sich - wie auch die Parteien übereinstimmend meinten - in folgende Merkmale gliedern lasse:
1. Vorrichtung zum Abdichten eines in einer Schrankwand eines Schaltschranks angebrachten Lochs zur Durchführung eines Kabels in den Schaltschrank mit
2. zwei an der Außenseite der Schrankwand an gegenüberliegenden Seiten des Lochs angeordneten Teilen,
2.1. wobei jedes der beiden Teile innen mit einem Körper aus Schaumgummi oder Kunststoffschaumstoff versehen ist, welche das Kabel umschließen,
2.2. wobei an einem der beiden Teile wenigstens eine Schelle zur Befestigung des Kabels befestigt ist,
2.3. die beiden Teile durch Schrauben miteinander verbunden sind,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß
3. die beiden Teile durch die beiden Teile eines zweiteiligen rechteckigen Gehäuses gebildet sind,
3.1. welches an seiner von der Schrankwand abgewandten Seite wenigstens eine Öffnung
3.2. und an seiner der Schrankwand zugewandten Seite eine Öffnung
3.2.1. um das Loch in der Schrankwand
zur Durchführung des Kabels aufweist,
3.3. daß die Teilungsfuge, die das Gehäuse der Länge nach teilt,
3.4. durch die Kabelöffnungen an der von der Schaltschrankwand abgewandten Seite des Gehäuses hindurchgeht,
3.5. daß die Schelle zur Kabelbefestigung an der Innenseite eines der beiden Gehäuseteile befestigt ist,
4.1. daß die Schrauben, die in hülsenförmigen Vorsprüngen an der Innenseite eines Gehäuseteils vorgesehene Gewinde eingreifen, das Gehäuse zusammenhalten und
4.2. das zusammengehaltene Gehäuse an der Schrankwand befestigbar ist.
Diese Feststellungen des Berufungsgerichts einschließlich seiner Merkmalsanalyse lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Auch die Revision erhebt insoweit keine Beanstandungen.
2. Das Berufungsgericht hat die auf Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung gerichteten Klageanträge abgewiesen, weil die durch die angegriffene Ausführungsform verkörperte Lösung Erfindungsqualität besitze und deshalb vom Schutzbereich des Klagegebrauchsmusters nicht umfaßt werde. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt: Die Merkmale 2.1 (Schaumgummiabdichtung) und 2.2/3.5 (Schellenbefestigung an der Innenseite ) seien bei der Kabeldurchführungsvorrichtung SZ.2400 nicht in einer mit der Anweisung des Schutzanspruchs 1 identischen Form verwirklicht. Der Dichtungskörper fülle die Gehäusehälften nicht aus; für die Schaumstoffkörper der angegriffenen Ausführungsform seien vielmehr eigene Facheinteilungen ge-
schaffen. Das Kabel sei nicht mit einer Schelle an einem Gehäuseteil befestigt; bei der angegriffenen Ausführungsform sei es mittels Schellenverbindung in einer weiteren Facheinteilung eingespannt. Das führe zwar zu Funktions- und Wirkungsgleichheit, bedeute aber konstruktive Unterschiede zur Lehre des Klagegebrauchsmusters. Die Überwindung dieser Unterschiede beruhe nach den Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen auf eigenständigen erfinderischen Überlegungen des Durchschnittsfachmanns, die vom Stand der Technik in keiner Weise beeinflußt seien.

a) Bei der Feststellung, daß die angegriffene Ausführungsform auf eigenständiger erfinderischer Überlegung beruhe, ist das Berufungsgericht nicht den Anforderungen gerecht geworden, denen der Tatrichter bei der Würdigung dessen zu genügen hat, was als wahr zu erachten ist.
Der Tatrichter hat nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO den Streitstoff in tatsächlicher Hinsicht erschöpfend zu prüfen und zu würdigen. Von einer eigenen Bewertung ist er auch dann nicht enthoben, wenn er ein Sachverständigengutachten eingeholt hat. Dessen Ergebnisse dürfen deshalb nicht ohne weiteres übernommen werden; auch sachverständige Ä ußerungen sind eigenverantwortlich daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit sie Angaben enthalten, die Aufklärung im Hinblick auf entscheidungserhebliche und allein von dem erkennenden Gericht zu beantwortende Fragen zu bieten vermögen. Die einzelnen Schritte der vorgenommenen Prüfung und Würdigung müssen in dem daraufhin ergehenden Urteil zwar nicht in allen Einzelheiten dargelegt werden (§ 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO); das Urteil muß jedoch erkennen lassen, daß der Tatrichter die erforderlichen Schritte vollzogen hat; es muß die tragenden Gesichtspunkte
für die der Entscheidung zugrundeliegende Überzeugung in der Begründung nachvollziehbar darlegen.
Daran fehlt es hier. Was die Frage einer sich in der angegriffenen Ausführungsform verkörpernden erfinderischen Leistung anlangt, verweist das angefochtene Urteil ausschließlich auf die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen. Diese beschränken sich ihrerseits im schriftlichen Gutachten auf die Aussage, die Überwindung der konstruktiven Unterschiede, welche die Schaffung einer Facheinteilung mit Einstichen für die Aufnahme eines Abdichtungskörpers , einer davon beabstandeten weiteren Facheinteilung für die Aufnahme der das Kabel einspannenden und fixierenden Schellenverbindung und die Abkehr von der unmittelbaren Befestigung des Kabels mittels einer Schelle an einer der beiden Gehäuseteile umfaßten, hätten mehr als nur einen erfinderischen Schritt erfordert, um zu der angegriffenen Ausführungsform zu gelangen ; der Durchschnittsfachmann werde nämlich jeden dieser zu überwindenden Unterschiede als nicht von der Lehre des Klagegebrauchsmusters umfaßt begreifen. Das ist - auch wenn man die ansonsten umfangreichen schriftlichen und mündlichen Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen mitheranzieht - kaum mehr als eine Behauptung. Schon das hätte Anlaß zu näherer Darlegung geben müssen, warum das Berufungsgericht sich gleichwohl von der Meinung des gerichtlichen Sachverständigen hat überzeugen lassen.
Bei der Feststellung, daß der angegriffenen Ausführungsform eine erfinderische Tätigkeit zugrunde liegt, hat das Berufungsgericht außerdem die aktenkundig gemachten Ä ußerungen des vom Kläger hinzugezogenen Privatgutachters nicht berücksichtigt. Dieser Sachverständige ist ausweislich seines Ergänzungsgutachtens zu dem Ergebnis gelangt, die angegriffene Ausführungs-
form verkörpere die Entwicklung einer durch Spritzguß herstellbaren serienreifen Vorrichtung, wie man sie von einem Durchschnittsfachmann bei Beachtung der allgemeinen Gestaltungsrichtlinien erwarten müsse. Mit dieser dem gerichtlichen Gutachten entgegenstehenden Bewertung hat das Berufungsgericht sich - anders als hinsichtlich anderer Differenzen in der Begutachtung durch die beiden Sachverständigen - in keiner Weise befaßt. Das widerspricht dem Grundsatz, daß zu der dem Tatrichter gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO obliegenden Beweiswürdigung insbesondere gehört, sich auch mit solchen Umständen und Beweismitteln auseinanderzusetzen, die zu einer anderen als der getroffenen Beurteilung führen können (Sen.Urt. v. 16.09.1997 - X ZR 54/95, GRUR 1998, 366, 368 - Ladewagen). Das schließt ein, auch das in Erwägung zu ziehen, was einem vorgelegten Privatgutachten über einen entscheidungserheblichen Punkt zu entnehmen ist. Denn jede widersprüchliche Begutachtung kann Anlaß zu Zweifeln geben, ob die von Gerichtsseite eingeholte Begutachtung ausreichende Grundlage für die Überzeugungsbildung bietet (vgl. Sen.Urt. v. 20.07.1999 - X ZR 121/96, GRUR 2000, 138 - Knopflochnähmaschinen).
Daß ein Anlaß zu solchen Zweifeln gerade auch hier nicht von vornherein ausgeschlossen werden konnte, ergibt die durch Ausbildung und beruflichen Werdegang belegte Qualifikation des gerichtlichen Sachverständigen einerseits und des von dem Kläger eingeschalteten Privatgutachters andererseits. Der gerichtliche Sachverständige ist nach seinem Studium und seiner etwa fünfjährigen Industrietätigkeit Metallurge; es ist auch nicht ersichtlich, daß er aufgrund seiner sich daran anschließenden Tätigkeit beim Deutschen Patentamt und am Bundespatentgericht besondere Erfahrungen auf dem hier interessierenden technischen Gebiet der Schaltschrankabdichtung hat erwerben
können. Das schließt zwar nicht aus, daß sein Gesamtkenntnis- und Erfahrungsschatz - wie es das Berufungsgericht angenommen hat - für die Beantwortung der Streitfragen des vorliegenden Falles ausreichend ist, zumal der gerichtliche Gutachter während seiner patentrechtlichen Tätigkeit mit Schutzrechten auch auf Gebieten wie Bauzubehör, Beschläge, Sicherheitseinrichtungen und Brandschutz befaßt war. Der Privatgutachter kann aber als Professor der Fachhochschule München, der als solcher den Fachbereich Feinwerk- und Mikrotechnik/Physikalische Technik, Entwicklungsmethodik, Mechatronik, Konstruktionstechnik betreut, als gerade auf dem hier interessierenden Gebiet der Technik besonders sachkundig gelten. Auch das hätte nähere eigene Darlegungen des Berufungsgerichts erfordert, warum es in der eingangs genannten Frage dem gerichtlichen Sachverständigen folgt (Sen., aaO - Ladewagen).

b) Die Feststellung, die angegriffene Ausführungsform liege außerhalb des äquivalente Lösungen umfassenden Schutzbereichs des Klagegebrauchsmusters , ist schließlich deshalb von Rechtsirrtum geprägt, weil der gerichtliche Sachverständige und ihm folgend das Berufungsgericht sie allein aufgrund einer Bewertung der Kabeldurchführungsvorrichtung SZ.2400 in ihrer konkreten Gestaltung getroffen haben.
Der Umstand, daß eine angegriffene Ausführungsform ihrerseits eine nicht durch den Stand der Technik nahegelegte erfinderische Lehre zum technischen Handeln verkörpert, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (zuletzt BGHZ 142, 7 - Räumschild, m.w.N.) noch kein hinreichender Grund, eine Benutzung einer durch ein (älteres) Patent geschützten Lehre zu verneinen. Für das Gebrauchsmuster gilt nichts anderes. Auch hier kann die angegriffene Ausführungsform zugleich eine allgemeinere Lehre verkörpern
und wegen ihrer sie konkretisierenden Gestaltung erfinderischen Charakter haben. Beinhaltet eine angegriffene Ausführungsform eine erfinderische Leistung , ist deshalb auch dann, wenn die Verletzungsklage auf ein Gebrauchsmuster gestützt ist, regelmäßig zu prüfen, ob die angegriffene Ausführungsform vom Fachmann als Ausgestaltung einer - konkrete Gestaltungsmerkmale der angegriffenen Ausführungsform außer Betracht lassenden, von der angegriffenen Ausführungsform aber gleichwohl verkörperten - allgemeineren Lehre zum technischen Handeln erkannt werden kann, die entweder wortsinngemäß mit einem Anspruch des Klageschutzrechts übereinstimmt oder sich diesem gegenüber als äquivalent darstellt (vgl. wiederum zum Patent: Sen.Urt. v. 12.07.1990 - X ZR 121/88, GRUR 1991, 436, 440 - Befestigungsvorrichtung II). Diese Möglichkeit ist auch im vorliegenden Fall nicht von vornherein ausgeschlossen , weil das Berufungsgericht gerade wegen der Abkammerungen im Inneren des Gehäuses der angegriffenen Ausführungsform, also wegen einer zu gebrauchsmustergemäßen Merkmalen hinzutretenden besonderen Gestaltung der angegriffenen Ausführungsform deren Erfindungsqualität bejaht hat.
Die danach erforderliche Prüfung geht im Falle abgewandelter, aber gleichwirkender Ausführungsformen dahin, ob für eine die angegriffene Ausführungsform erfassende allgemeinere Lehre festgestellt werden kann, daß sie vom Durchschnittsfachmann aufgrund von Überlegungen aufgefunden werden konnte, die sich an der in dem Schutzanspruch umschriebenen Erfindung orientieren. Diese Prüfung hat das Berufungsgericht nicht vorgenommen. Auch der gerichtliche Sachverständige hat sich mit dieser Frage nicht befaßt.
3. Das angefochtene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben; die Sache ist vielmehr an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, dem zur Herbei-
führung einer einheitlichen Kostenentscheidung auch die Befugnis einzuräumen ist, über die das Revisionsverfahren betreffenden Kosten zu befinden. Das Berufungsgericht wird dabei Rechnung zu tragen haben, daß rechtskräftig entschieden ist, daß der Kläger hinsichtlich des erledigten Teils des Rechtsstreit (Unterlassungsklage) gemäß § 91 a ZPO die Kosten zu tragen hat. Die für eine eigene abschließende Sach- und Kostenentscheidung des Senats notwendige Entscheidungsreife kann nicht festgestellt werden, weil noch tatrichterliche, Kenntnisse und Fähigkeit des Durchschnittsfachmanns betreffende Feststellungen notwendig sein können.
Die Entscheidungsreife folgt insbesondere nicht aus einem Geständnis der Beklagten. Zu Unrecht rügt die Revision, das Berufungsgericht habe übersehen , daß die Beklagte im Sinne des § 288 ZPO zugestanden habe, die angegriffene Ausführungsform beruhe wegen ihrer abweichenden Merkmale nicht auf einem erfinderischen Schritt.
Ein Geständnis ist Zugestehen der Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung des Gegners. Vorhandensein oder Fehlen eines erfinderischen Schrittes sind keine Tatsachen; denn sie können nur aufgrund einer komplexen Bewertung erkannt werden, die sich sowohl an rechtlichen als auch an tatsächlichen Maßstäben zu orientieren hat.
Deshalb geht auch der Vorwurf der Revision fehl, das Berufungsgericht habe eine etwaige Erfindungsqualität der angegriffenen Ausführungsform nicht berücksichtigen dürfen, weil dies in eindeutigem Widerspruch zu dem jahrelangen früheren Tatsachenvortrag der Beklagten stehe, ohne daß nachvollziehbare Gründe für die Ä nderung dieses Vortrags angegeben seien.

4. Bei der erneuten Verhandlung wird das Berufungsgericht sich nicht auf eine Befassung mit der Frage beschränken können, ob die Kabeldurchführungsvorrichtung SZ.2400 als abgewandelte Ausführungsform in den Schutzbereich des Klagegebrauchsmusters fällt. Es wird vielmehr - vorrangig - auch noch einmal der Behauptung des Klägers nachzugehen haben, daß die angegriffene Ausführungsform den Anweisungen zu 2.1 (Schaumgummiabdichtung) und 2.2/3.5 (Schellenbefestigung an der Innenseite) ihrem vernünftig verstandenen Wortsinne nach genüge, was - ausgehend von den Feststellungen des Berufungsgerichts zu den sonstigen Merkmalen des Schutzanspruchs - bedeuten würde, daß die Kabeldurchführungsvorrichtung SZ.2400 insgesamt von der Lehre des Schutzanspruchs 1 wortlautgemäß Gebrauch macht. Denn die Auslegung des Schutzanspruchs durch das Berufungsgericht, die zur Verneinung einer wortsinngemäßen Benutzung der Merkmale 2.1 und 2.2/3.5 geführt hat, ist ebenfalls nicht rechtsfehlerfrei.

a) Zur Begründung seiner Annahme, Merkmal 2.1 (Schaumgummiabdichtung ) sei bei der angegriffenen Ausführungsform nicht identisch verwirklicht , hat das Berufungsgericht wiederum nur auf das eingeholte Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen verwiesen. Ergänzend ist lediglich ausgeführt, es sei verständlich, wenn der Gerichtssachverständige Schlüsse daraus ziehe, daß die Gebrauchsmusterschrift in der Beschreibung auf S. 2 unten sowie S. 4 unten angebe, die beiden Gehäusehälften seien bzw. jede Gehäusehälfte sei "gefüllt"; das sei auch aus der Zeichnung, welche die Erfindung näher erläutere , zu entnehmen. Hieraus ergibt sich, daß nach Ansicht des Berufungsgerichts die Anweisung zu Merkmal 2.1 dahin geht, daß Schaumgummi oder Kunststoff-
schaumstoff das zweiteilige, rechteckige Gehäuse in Form von Körpern aus diesem Material ausfüllt. Das kann in dieser Form keinen Bestand haben.
Die Verständlichkeit eines Schlusses, den ein gerichtlicher Sachverständiger zieht, bietet für sich allein keine Gewähr dafür, daß das richtige Ergebnis gefunden worden ist. Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen außerdem nicht erkennen, daß die maßgeblichen Auslegungsgrundsätze beachtet worden sind.
Der Gegenstand eines Gebrauchsmusterschutzanspruchs wird durch den Anspruchswortlaut definiert (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 GebrMG). Er, nicht die Beschreibung oder die Zeichnungen, ist deshalb maßgeblich. Entscheidend ist, welche Lehre zum technischen Handeln der Durchschnittsfachmann den durch den Schutzanspruch in Worte gefaßten Anweisungen entnimmt. Dies verbietet eine einengende Auslegung von in den Schutzanspruch aufgenommenen allgemein gehaltenen Anweisungen jedenfalls dann, wenn ihre Befolgung trotz der allgemeinen Fassung geeignet ist, zu der Lösung des Problems beizutragen , das dem Schutzrecht zugrunde liegt. Die betreffende Anweisung hat dann eine ohne weiteres im Sinne des Schutzrechts liegende sinnvolle Bedeutung und bedarf nach Aufgabe und Lösung des Schutzrechts keiner Konkretisierung. Sofern die Beschreibung oder die Zeichnungen des Schutzrechts konkretisierte Gestaltungen beschreiben, kennzeichnen sie unter diesen Umständen lediglich bevorzugte Ausführungen der allgemeiner gefaßten Anweisung des Schutzanspruchs.
Ein solcher Fall kann auch hier gegeben sein, weil - worauf die Revision zu Recht hinweist - der Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters seinem
Wortlaut nach nur verlangt, daß beide Gehäuseteile innen mit einem Körper aus Schaumgummi oder Kunststoffschaumstoff versehen sind, wodurch das Kabel umschlossen wird.
Der Merkmal 2.1 betreffende Wortlaut geht danach zunächst ganz allgemein dahin, die beiden Teile des Gehäuses der Vorrichtung innen mit einem Körper aus Schaumgummi oder Kunststoffschaumstoff zu versehen. Einem Fachmann, der das Problem bewältigen will, das durch das Klagegebrauchsmuster gelöst werden soll, muß es nicht notwendig erscheinen, das gesamte Gehäuseinnere mit dem vorgeschlagenen Material zu füllen. Bei einer Kabeldurchführung vermittels gattungsgemäßer Vorrichtung ergeben sich verschiedene Stellen bzw. Bereiche, die einer Abdichtung bedürfen; das sind zum einen die Trennfuge zwischen den beiden Teilen der Vorrichtung (Teilungsfuge gemäß Merkmal 3.3), zum anderen die zwischen Kabel und Vorrichtung umlaufende Fuge und schließlich die Fuge, die bei stirnseitiger Anlage der Vorrichtung zwischen dieser und der Schrankwand entsteht. Bei der den Stand der Technik betreffenden Nachteilsschilderung in der Beschreibung (S. 2 2. Abs.) sind nur die beiden ersten als die Dichtigkeit beeinträchtigende Gegebenheiten erwähnt. Hieraus kann entnommen werden, daß die Fuge zwischen der Vorrichtung und der Schrankwand - ohne daß es einer Festlegung durch den Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters bedürfte - anderweit zuverlässig abgedichtet werden kann. Bestätigt wird dies durch die Beschreibung des Ausführungsbeispiels und die Fig. 2. Danach kann diese Abdichtung beispielsweise durch ein umlaufendes Profilgummi erfolgen (S. 6 2. Abs.). Aber auch bezüglich der Teilungsfuge (Merkmal 3.3) erwähnt die Beschreibung einen Dichtring als Abdichtung (S. 6 1. Abs.). Dies läßt es entbehrlich erscheinen , im Inneren Körper aus Schaumgummi oder Kunststoffschaumstoff zu ha-
ben, welche diese Fuge über ihre gesamte Länge abdecken. Lediglich für den umlaufenden Spalt zwischen dem Kabel und den Gehäusehälften der Vorrichtung gilt etwas anderes. Insoweit ist eine andere Abdichtungsmöglichkeit nicht erwähnt. Hier muß sich deshalb der jeweilige Körper aus Schaumgummi oder Kunststoffschaumstoff bewähren. Hierzu muß das Kabel von dem Schaumstoffmaterial umschlossen sein, wie es im Schutzanspruch 1 auch ausdrücklich und die im übrigen allgemeine Anweisung konkretisierend heißt. Im Lichte der den Schutzanspruch 1 erläuternden Beschreibung kann damit in dieser Notwendigkeit das die Lösung gemäß Merkmal 2.1 Kennzeichnende liegen. Dies wird bestätigt durch Seite 2 letzter Abs. der Beschreibung, weil es dort heißt, dadurch, daß das Kabel umschlossen werde, werde es sicher abgedichtet. Angesichts der in der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters angegebenen Möglichkeiten, Trennfuge und Fuge zwischen Vorrichtung und Schrankwand undurchlässig zu machen, ist hiermit dann auch die eigentliche Abdichtung des Lochs in der Schrankwand beschrieben, wie auf S. 6 1. Abs. der Beschreibung erwähnt ist. Mithin legt das Klagegebrauchsmuster dem Fachmann nahe, Merkmal 2.1 lediglich die Anweisung zu entnehmen, in beiden Teilen des Gehäuses einen das Kabel umschließenden Körper aus Schaumgummi bzw. Kunststoffschaumstoff vorzusehen.
Dies hat das Berufungsgericht unbeachtet gelassen, weil es - wiederum - kritiklos die Ansicht des gerichtlichen Sachverständigen übernommen hat. Befaßt sich ein gerichtlicher Sachverständiger mit der Auslegung des Wortlauts eines Schutzanspruchs, gehört zu der vom Tatrichter vorzunehmenden Würdigung vor allem auch die Überprüfung, ob dabei den Auslegungsregeln genügt ist. Diese Prüfung hätte hier ergeben, daß der gerichtliche Sachverständige bei seiner Bewertung des Schutzanspruchs 1 den Vorrang der An-
spruchsfassung vor der Beschreibung und den Zeichnungen mißachtet hat. Überdies fehlt selbst in der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters jeglicher Hinweis für die Richtigkeit der die abschließende Meinung des gerichtlichen Sachverständigen prägenden Ansicht, erfindungsgemäß sorge das Zusammenpressen der beiden Gehäuseschalen dafür, daß das darin angeordnete gummielastische Dichtungsmaterial aus der kabelaustrittsseitigen Öffnung teilweise herausgepreßt und gegen den Randbereich des Lochs der Schrankwand abdichtend gedrückt werde. Ein solcher Vorgang ist im Klagegebrauchsmuster weder beschrieben noch gezeigt. Dafür, daß er nach dem fachmännischen Verständnis erfindungswesentlich sei, fehlt damit jeder Beleg.

b) Auch der Verneinung einer wortsinngemäßen Verwirklichung der Merkmale 2.2/3.5 (Schellenbefestigung an der Innenseite) liegt keine Auslegung des Schutzanspruchs 1 des Klagegebrauchsmusters zugrunde, wie sie nach dem Vorgesagten im Verletzungsrechtsstreit erforderlich ist. Der Senat hat bereits im ersten Urteil beanstandet, daß das Berufungsgericht nicht auf den Vortrag des Klägers eingegangen sei, die Schellen seien bei der angegriffenen Ausführungsform in Ausnehmungen einer Gehäusehälfte so angeordnet , daß sie beim Schließen der Gehäusehälften in den Ausnehmungen und damit an der Innenseite einer Gehäusehälfte befestigt seien. Dies habe eine Darlegung erfordert, warum nach dem Verständnis des Durchschnittsfachmanns eine in drei Ebenen unbewegliche Anbringung erforderlich sei und warum der Durchschnittsfachmann aufgrund des Schutzanspruchs 1 des Klagegebrauchsmusters in Verbindung mit der Beschreibung des Schutzrechts eine formschlüssige Verbindung, die eine Zugentlastung des Kabels in axialer Richtung bewirke, nicht für ausreichend erachte. Auf diese Darlegung habe nicht verzichtet werden können, weil gegen das Verständnis des Berufungsge-
richts die Zielsetzung des Klagegebrauchsmusters spreche, auch eine Zugentlastung des Kabels zu erreichen (S. 2 Abs. 2 u. 3, insbes. S. 3 Abs. 2 der Beschreibung). Zwar seien in den Ausführungsbeispielen nach Fig. 1 des Klagegebrauchsmusters die Schellen in allen drei Ebenen unbeweglich, weil sie mit Schrauben befestigt seien (S. 5 Abs. 2 der Beschreibung). Auf eine solche Befestigung stelle aber der Anspruch 1 des Klagegebrauchsmusters nicht ab; ausweislich S. 3 Abs. 2 der Beschreibung genüge es, eine Schelle vorzusehen, mit der das Kabel befestigt werde. Hierzu sei eine unbewegliche Befestigung in drei Ebenen nicht ohne weiteres erforderlich. Bei vernachlässigbarem Spiel des Kabels in der dritten Ebene, wie es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei der angegriffenen Ausführungsform gegeben sei, könne eine Sicherung des Kabels in zwei Richtungsebenen genügen.
Diesen Beanstandungen trägt das angefochtene Urteil nicht Rechnung. Wiederum ist nur ein Schluß des gerichtlichen Sachverständigen als verständlich bezeichnet. Er ist allein daraus gezogen worden, daß nach der Beschreibung S. 5 oben die jeweilige Schelle an dem Steg der Gehäusehälfte mit Schrauben befestigt sei, während bei der angegriffenen Ausführungsform ein das Kabel umgreifende Schellenpaar in ein eigenes Fach allein formschlüssig eingelegt sei. Das ist keine Befassung mit den vom Senat genannten Gesichtspunkten. Vor allem die Erläuterung des Schutzanspruchs 1 auf S. 3 Abs. 2 der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters haben der gerichtliche Sachverständige und demgemäß auch das Berufungsgericht vernachlässigt. Hierdurch ist dem Fachmann nahegelegt, daß nach Schutzanspruch 1 jede Befestigung einer Kabelschelle an der Innenseite des Gehäuses ausreicht, die bei in der Schelle eingeklemmtem Kabel verhindert, daß der Stecker in dem Schaltschrank herausgezogen wird, wenn Zug auf das Kabel wirkt.

5. Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen, daß der Fachmann, der sich mit der Lehre des Klagegebrauchsmusters beschäftigt, keine sich etwa aus seinem allgemeinen Fachwissen ergebende Hinderungsgründe sieht, die Merkmale 2.1 und 2.2/3.5 in der wie vorstehend ausgeführt durch das Schutzrecht nahegelegten Weise zu verstehen, und sollte der nochmalige Vergleich der angegriffenen Ausführungsform mit der Lehre des Gebrauchsmusters ergeben, daß eine wortsinngemäße Benutzung vorliegt, kann es aus Rechtsgründen nicht auf die Frage ankommen, ob der angegriffenen Ausführungsform eine erfinderische Leistung zugrunde liegt. Diese Frage ist allein von Bedeutung, wenn eine angegriffene Ausführungsform in mindestens einer Hinsicht von den Anweisungen des sinnvoll verstandenen Wortlauts des Schutzanspruchs abweicht und deshalb zu klären ist, ob sie gleichwohl vom Ausschließlichkeitsschutz umfaßt ist.
Sollte das Berufungsgericht hingegen wiederum zu dem Ergebnis gelangen , daß die Kabeldurchführungsvorrichtung SZ.2400 lediglich als abgewandelte Ausführungsform zum Schutzbereich des Klagegebrauchsmusters gehören kann, wird es für den Fall, daß die Prüfung, die nach den zu 2. gemachten Ausführungen nachzuholen ist, eine Einbeziehung der angegriffenen Ausführungsform in den Schutzbereich ergibt, dem sogenannten FormsteinEinwand nach Maßgabe der Ausführungen des Senats in dem ersten Revisionsurteil nachzugehen haben.
Rogge Jestaedt Scharen

Mühlens Meier-Beck

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 172/04 Verkündet am:
31. Mai 2007
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Zerfallszeitmessgerät
Unterzeichnet der Vorsitzende das Protokoll, das die Verkündung eines Urteils beurkundet
, erst nach Ablauf von fünf Monaten nach dem Verkündungstermin, bleibt die bis zu
diesem Zeitpunkt mangels einer in der Form des § 165 ZPO nachweisbaren Verkündung
fristgerechte Berufung weiterhin zulässig.
Der Schutzbereich eines Gebrauchsmusters ist nach gleichen Grundsätzen zu bestimmen
wie der Schutzbereich eines Patents.
EPÜ Art. 69 Abs. 1; PatG § 14; GebrMG § 12a
Der Schutzbereich eines Patents oder Gebrauchsmusters umfasst keine Unter- oder Teilkombinationen
der Merkmale der beanspruchten technischen Lehre.
Hat das Berufungsgericht eine Auslegung des Patent- oder Schutzanspruchs unterlassen,
ist für eine Sachentscheidung des Revisionsgerichts aufgrund einer eigenen Auslegung
des Anspruchs regelmäßig kein Raum.
BGH, Urt. v. 31. Mai 2007 - X ZR 172/04 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 31. Mai 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter
Scharen, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 30. September 2004 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger war Inhaber des am 1. Dezember 1994 angemeldeten und nach Erlass des Berufungsurteils durch Ablauf der Höchstschutzdauer erloschenen deutschen Gebrauchsmusters 94 19 245 (Klagegebrauchsmusters), dessen Eintragung am 9. März 1995 bekanntgemacht worden ist. Schutzanspruch 1 lautet: "Automatisches Zerfallszeit-Messgerät für die pharmazeutische Qualitäts- und Produktionskontrolle von Tabletten und Dragees, bestehend aus einem in einem mit einem Flüssigkeitsvolumen versehenen Becherglas (70) angeordneten korbartigen Gestell (10) zur senkrechten Halterung einer Anzahl von beidseitig offen ausgebildeten und mit ihren bodenseitigen Öffnungen auf einer siebplattenartig ausgebildeten Bodenplatte (11) stehenden Glasröhren (30, 31), wobei die Bodenplatte (11) des korbartigen Gestells (10) eine der Anzahl der aufzunehmenden Glasröhren (30, 31) entsprechende Anzahl von in etwa den Abmessungen der bodenseitigen Öffnungen der Glasröhren (30, 31) entsprechenden kreisförmigen Siebplatten (40, 41, 42, 43, 44, 45) als Standflächen für die Glasröhren (30, 31) aufweist, wobei jede Siebplatte (40 bis 45) aus zwei Strom durchflossenen , Elektroden bildenden Drahtgeflechtshälften (40a, 40b; 41a, 41b; 42a, 42b; 43a, 43b; 44a, 44b; 45a, 45b) besteht, die unter Ausbildung eines eine geringe Breite aufweisenden Schlitzes (51, 52, 53, 54, 55) in einem Abstand voneinander angeordnet sind und wobei jede Glasröhre (30, 31) einen mittels eines in dem Glasrohrinnenraum liegenden Schwimmers (60), der auf seiner den Drahtgeflechtshälften (40a, 40b bis 45a, 45b) der Siebplatten (40 bis 45) zugekehrten Unterseite (61) ein Kontaktelement aufweist, mit senkrechten Durchbohrungen oder außenrandseitigen Einschnitten abgedeckten Prüfling (T) aufnimmt, einem Mikroprozessor (80) zur Erfassung und Auswertung der unterschiedlichen Widerstände zwischen den unüberbrückten und mittels des Kontaktelements eines jeden Schwimmers überbrückten Drahtgeflechtshälften-Elektroden, einer das Gestell mit den Glasröhren (30, 31) in dem Becherglas (70) in vorgegebenen Zeiteinheiten auf- und abbewegenden Antriebseinrichtung (15) und einem elektronischen Signalgeber, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Siebplatten (40 bis 45) jeweils einen außenseitig umlaufenden , durch den Schlitz (50 bis 55) getrennten Ring (40''') aus elektrisch leitfähigem Material aufweisen und dass das Kontaktelement als Kontaktgerüst (61) aus elektrisch leitfähigem Material mit mindestens drei Kontaktpunkten zur Kontaktierung des umlaufenden Ringes (40''') ausgebildet ist, wobei das Kontaktgerüst (61) in den Schwimmer (60) integriert ist."
2
Der Kläger beanstandet zwei von den Beklagten zu 2 und 3, deren Geschäfte vom Beklagten zu 1 geführt werden, hergestellte und vertriebene Messgeräte als gebrauchsmusterverletzend. Bei dem einen Gerät ist die Unterseite des Schwimmers mit einem Metallring versehen, bei dem anderen weist der Metallring zusätzlich drei rechteckige Kontaktspitzen auf. Der Kläger hat die Beklagten deswegen auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen.
3
Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.
4
Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Klägers. Hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs haben die Parteien den Rechtsstreit in der Revisionsinstanz in der Hauptsache für erledigt erklärt. Im Übrigen verfolgt der Kläger seine zweitinstanzlichen Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:


5
Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits zu übertragen ist.
6
I. Das Berufungsgericht hat zu Recht in der Sache entschieden; die Berufung der Beklagten war zulässig.
7
1. Zu den Umständen des Erlasses und der Verkündung des landgerichtlichen Urteils hat das Berufungsgericht festgestellt: Zu dem vom Landgericht bestimmten Verkündungstermin hat ein nur von zwei Richtern unterschriebener Tenor des landgerichtlichen Urteils vorgelegen; über dessen Verkündung verhält sich ein Protokoll vom 20. Februar 2003, das nur mit der Paraphe des Vorsitzenden der Zivilkammer abgezeichnet worden und erst nachträglich im August 2004 von dem Vorsitzenden der Zivilkammer mit voller Namensunterschrift unterzeichnet worden ist. Das vollständige Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 27. Oktober 2003 und dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 3. November 2003 zugestellt worden.
8
2. Die Berufung der Beklagten ist am 28. November 2003 bei Gericht eingegangen und nach Hinweis darauf, dass die absolute Berufungsfrist abgelaufen sein könnte, mit einem am 12. Dezember 2003 eingegangenen Schriftsatz begründet worden. Zugleich haben die Beklagten einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Darüber hinaus ergibt sich aus den Akten, dass das landgerichtliche Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung ergangen ist. In der mündlichen Verhandlung ist ein Verkündungstermin auf den 13. Februar 2003 bestimmt worden. In diesem Verkündungstermin ist ein Be- schluss verkündet worden, durch den der Verkündungstermin auf den 20. Februar 2003 ausgesetzt worden ist.
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3. Das Berufungsgericht hat bei diesem Sachverhalt angenommen, die fehlende Protokollierung der Verkündung habe bis zum Abschluss der Berufungsinstanz nachgeholt werden können, was im August 2004 auf die Nachfrage des Senats hin geschehen sei. Die Nachholung der Protokollierung führe nicht dazu, dass die Berufung nunmehr als nicht mehr fristgemäß erfolgt zu bewerten sei. Möglicherweise habe ein Wiedereinsetzungsgrund vorgelegen. Der Senat bevorzuge aber eine Lösung nach den Grundsätzen, wie sie in einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 17.4.1996 - VIII ZR 108/95, NJW 1996, 1669) niedergelegt seien. Danach brauche eine Berufung gegen ein Scheinurteil nicht wiederholt zu werden, wenn das Urteil später Wirksamkeit erlange. Hier habe die Nachholung der Unterschrift zwar möglicherweise bewirkt , dass das Urteil rückwirkend auf den Zeitpunkt der protokollierten Verkündung wirksam geworden sei. Dies ändere aber nichts daran, dass es überhaupt erst mit ordnungsgemäßer Unterzeichnung des Protokolls als Urteil existent geworden sei. Jedenfalls gelte der allgemeine Rechtsgedanke, dass Fehler des Gerichts nicht zu einer Benachteiligung der Parteien führen sollten, weshalb in dem anhängigen Verfahren eine Sachprüfung durchzuführen sei.
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4. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.
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a) Nach § 310 ZPO wird das Urteil in einem anzuberaumenden Termin verkündet. Nach § 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO ist die Verkündung eines Urteils im Protokoll festzustellen, wobei das Protokoll vom Vorsitzenden und vom Urkundsbeamten zu unterschreiben ist (§ 163 Abs. 1 ZPO). Die Beachtung der für die Verkündung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden (§ 165 ZPO). Hier ist das Protokoll bei der Verkündung nicht unterschrieben worden. Es lag zudem nur eine Urteilsformel vor, die von nur zwei Richtern unterschrieben war. Das Urteil muss jedoch, wenn es in einem Verkündungstermin verkündet wird, nach § 310 Abs. 2 ZPO in vollständiger Form abgefasst sein. Dazu gehören nach § 315 Abs. 1 ZPO die Unterschriften der Richter, die an der Entscheidung mitgewirkt haben, und nach § 313 Abs. 1 Nrn. 5 und 6 ZPO der Tatbestand und die Entscheidungsgründe. Die Verlautbarung des Urteils hat daher an mehreren Formfehlern gelitten.
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b) Nach der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen vom 14. Juni 1954 (BGHZ 14, 39) stehen Verkündungsmängel dem wirksamen Erlasse eines Urteils jedoch nur entgegen, wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde, so dass von einer Verlautbarung im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann. Sind deren Mindestanforderungen hingegen gewahrt, hindern auch Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse das Entstehen eines wirksamen Urteils nicht (BGHZ 14, 39, 44 f.). Zu den Mindestanforderungen gehört, dass die Verlautbarung von dem Gericht beabsichtigt war oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und die Parteien von Erlass und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet worden sind. Mit dem Wesen der Verlautbarung nicht unvereinbar ist etwa eine Bekanntgabe des Urteils durch Zustellung statt durch Verkündung in öffentlicher Sitzung, da dies eine gesetzlich vorgesehene, wenn auch bestimmten Urteilen vorbehaltene Verlautbarungsform erfüllt. Auf die Frage, ob in diesem Sinne eine zwar fehlerhafte, aber doch wirksame Verkündung vorliegt, ist es ohne Einfluss, wenn nur zwei Richter das verkündete Urteil unterschrieben haben. Das Urteil ist dann im Fall seiner Verkündung existent geworden, wenngleich möglicherweise anfechtbar (BGHZ 137, 49, 52). Ein Urteil ist auch dann wirksam verkündet worden, wenn es in dem zur Verkündung anberaum- ten Termin noch nicht in vollständiger Form abgefasst war. Tatbestand und Entscheidungsgründe sind nicht wesensmäßige Voraussetzungen eines Urteils (BGH, Beschl. v. 29.9.1998 - KZB 11/98, NJW 1999, 143, 144).
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c) Die Besonderheit des vorliegenden Falls besteht darin, dass das Protokoll, durch das allein die Beachtung der für die Verkündung vorgeschriebenen Förmlichkeiten bewiesen werden kann, nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erst nach Ablauf der Fünfmonatsfrist des § 517 ZPO unterschrieben worden ist. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Berufung jedenfalls zulässig , denn mangels Protokollierung fehlte es an einer wirksamen Verkündung. Der Senat lässt offen, ob die Unterzeichnung des Protokolls noch nach Ablauf der Fünfmonatsfrist rechtlich zulässig war und rückwirkend die Verkündungsmängel beseitigte und damit Beweis für die im angegebenen Termin erfolgte Verkündigung erbrachte. Jedenfalls konnte durch die durch die Nachholung der Unterschrift auf dem Verkündungsprotokoll nachträglich bewirkte Protokollierung der Verkündung der Zulässigkeit der Berufung nicht die Grundlage entzogen werden. Auf eine Nachholung der Unterschrift mit der Folge, dass damit die Berufung verfristet und infolge dessen unzulässig wurde, konnten sich die Berufungskläger nicht einstellen. Sie mussten hiermit auch nicht rechnen und konnten dem durch die ihnen allenfalls zuzumutende Einholung von Erkundigungen oder die Einsicht in die Gerichtsakten auch nicht entgehen.
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II. In der Sache hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen, weil die beanstandete Ausführungsform vom Gegenstand des Klagegebrauchsmusters weder wortsinngemäß noch im Sinne einer unvollkommenen Benutzung oder unter dem Gesichtspunkt des Teilschutzes Gebrauch mache. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
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1. Das Klagegebrauchsmuster betrifft ein automatisches Zerfallszeitmessgerät für die pharmazeutische Qualitäts- und Produktionskontrolle von Tabletten und Dragees. Das Gerät besteht aus einem Becherglas, in das ein korbartiges Gestell eingestellt wird. Dieses dient zur Halterung einer Anzahl beidseitig offener Glasröhren in senkrechter Lage. Die Glasröhren stehen mit ihren bodenseitigen Öffnungen auf einer siebplattenartigen Bodenplatte des korbartigen Gestells. Die Bodenplatte hat eine der Anzahl der aufzunehmenden Glasröhren entsprechende Anzahl kreisförmiger Öffnungen. Diese entsprechen in ihren Abmessungen den Maßen der aufzunehmenden Röhren und sind als Siebplatten ausgebildet. Jede Siebplatte besteht aus zwei Siebplattenhälften. Die Hälften sind durch einen Schlitz von geringer Breite in einem Abstand voneinander angeordnet und von Strom durchflossen. Jede der Glasröhren hat in ihrem Innenraum einen Schwimmer. Dieser hat auf seiner der Siebplatte zugekehrten Unterseite ein Kontaktelement. Der Schwimmer hat senkrechte Durchbohrungen oder außenseitige Einschnitte zur Aufnahme des Prüflings. Die Vorrichtung ist weiter mit einem Mikroprozessor ausgestattet, der die unterschiedlichen Widerstände zwischen den unüberbrückten und den mittels des Kontaktelements eines jeden Schwimmers überbrückten Siebplattenhälften-Elektroden erfasst und auswertet.
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Die Gebrauchsmusterunterlagen beschreiben entsprechende im Stand der Technik bekannte Zerfallszeitmessgeräte, z.B. das aus der deutschen Patentschrift 33 25 739 bekannte Gerät. Jeder Schwimmer hat auf seiner Unterseite eine Kontaktplatte. Zum Zerfallszeitpunkt liegt der Schwimmer plan auf der zweigeteilten Siebplatte auf und überbrückt zur Bestimmung des Zerfallszeitpunkts die beiden Hälften elektrisch. Die Beschreibung bezeichnet es als problematisch , dass sich bei Tabletten, die mit einem Lackfilm überzogen sind, der ungelöste Lackfilm zwischen den Siebplattenhälften und dem Schwimmer fest- setze und einen elektrischen Kontakt der Siebplatten untereinander verhindern könne. Vor diesem Hintergrund gibt die Beschreibung als Aufgabe der Erfindung an, ein automatisches Zerfallszeitmessgerät für die pharmazeutische Qualitäts- und Produktionskontrolle von Tabletten und Dragees zu schaffen, das (auch) die Zerfallszeitmessung von "befilmten" Arzneimitteln erlaubt (S. 5 Abs. 2). Das Klagegebrauchsmuster schlägt dazu vor, bei einem Messgerät der bekannten Art die Siebplatten mit einem außenseitig umlaufenden Ring auszustatten , der durch einen Schlitz getrennt ist und aus elektrisch leitfähigem Material besteht, und als Kontaktelement ein in den Schwimmer integriertes Kontaktgerüst aus elektrisch leitfähigem Material mit mindestens drei Kontaktpunkten zur Kontaktierung des umlaufenden Rings zu verwenden.
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Die Beschreibung erläutert diese Lösung dahin, dass die Auflagepunkte durch Kontaktärmchen an den Enden des Kontaktgerüsts gebildet würden, die besonders zur Kontaktierung geeignet seien, da sie aufgrund ihrer geringen Auflagefläche in der Lage seien, sich bei verbleibenden Filmresten zwischen Kontaktgerüst und umlaufendem Ring durch den Film zu drücken und einen Kontakt herzustellen. Vorteilhafterweise soll das Kontaktgerüst als Kreuz bzw. Dreibein ausgebildet sein, dessen Außenmaße derart bemessen sind, dass es mit allen Enden bzw. den Kontaktärmchen auf dem umlaufenden Ring aufliegen kann. Das Kontaktgerüst sei dabei derart in den Schwimmer eingearbeitet, dass dieser eine ebene Unterseite aufweise und nur die Kontaktärmchen aus der Unterseite herausragten. Durch diese (bevorzugte) Ausgestaltung bestehe zwischen Siebplatte und Kontaktgerüst ein Zwischenraum, in dem die Hülle der aufgelösten Tablette verbleiben könne, ohne die Kontaktierung zur Feststellung der Zerfallszeit zu verhindern.
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Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1, 2 und 4 der Gebrauchsmusterunterlagen zeigen ein Ausführungsbeispiel.


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2. Das Berufungsgericht hat festgestellt, die Siebplatten der angegriffenen Ausführungsformen seien nicht mit einem außenseitig umlaufenden Ring versehen. Das Klagegebrauchsmuster sei deshalb, so hat das Berufungsgericht ausgeführt, nicht wortsinngemäß benutzt. Die beanstandeten Ausführungsformen verletzten das Klagegebrauchsmuster auch nicht im Sinne einer ver- schlechterten Ausführungsform. Zwar solle unterstellt werden, dass der angestrebte Erfolg im Wesentlichen erreicht werde, da auf der Hand liege, dass der elektrische Kontakt bei verbleibenden Filmresten jedenfalls besser ausgelöst werden könne, wenn ein Ring an der Unterseite des Schwimmers vorgesehen sei, als wenn der Schwimmer mit der flächigen Kontaktplatte ausgestattet sei. Jedoch könne eine unvollkommene Benutzung nur dann schutzrechtsverletzend sein, wenn alle Merkmale der Erfindung identisch oder äquivalent benutzt würden. Dies sei nicht der Fall, da die angegriffenen Ausführungsformen keinen die Siebplatten umlaufenden Ring aufwiesen. Eine Gebrauchsmusterverletzung komme daher nur noch unter dem Gesichtspunkt des Schutzes einer Teilkombination in Betracht, der jedoch jedenfalls dann ausscheide, wenn die besondere Bedeutung des nicht verwirklichten Merkmals in der Patentschrift besonders hervorgehoben werde. So verhalte es sich mit dem Merkmal des die Siebplatten außenseitig umlaufenden Rings, dessen Bedeutung in den Gebrauchsmusterunterlagen an verschiedenen Stellen hervorgehoben werde. Auch die funktionale Bezogenheit der Merkmale des kennzeichnenden Teils des Schutzanspruchs 1 mache deutlich, dass der umlaufende Ring ein wesentliches Element des Gegenstands des Klagegebrauchsmusters sei. Selbst wenn der Fachmann erkenne, dass das von dem Erfinder erkannte technische Problem in etwa gleichwirkend auch bei Weglassen des Rings erreicht werden könne, dürfe der Schutz des Gebrauchsmusters mit Rücksicht auf das Gebot der Rechtssicherheit dennoch nicht durch Weglassen dieses erfindungswesentlichen Merkmals erweitert werden.
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3. Die Revision rügt, das Berufungsgericht gehe fehlerhaft davon aus, dass eine äquivalente ebenso wie eine identische Benutzung die wortsinngemäße Verwirklichung aller Merkmale des Schutzanspruchs voraussetze. Da das Berufungsgericht annehme, die angegriffenen Ausführungsformen erreich- ten im Wesentlichen den erfindungsgemäßen Erfolg, halte es ersichtlich die im Schutzanspruch genannten Lösungsmittel Kontaktpunkte und Siebplatte mit umlaufendem Ring und die von den Beklagten verwendeten Austauschmittel Kontaktpunkte bzw. -ring und durchgängige Siebplatte für gleichwirkend. Aufgrund seiner weiteren Annahme, dass der Fachmann diese Gleichwirkung auch als solche erkenne, hätte das Berufungsgericht auf eine äquivalente Verletzung erkennen müssen. Ein unter Umständen schlechterer Wirkungsgrad der angegriffenen Ausführungsformen ändere daran nichts. Das Berufungsgericht habe ferner die Voraussetzungen eines Teilschutzes verkannt. Nach der Senatsentscheidung "Beheizbarer Atemluftschlauch" (BGHZ 115, 204) komme es für die Frage, ob ein Teilschutz gewährt werde, nur dann auf die Abwägung zwischen Schutzinteresse des Erfinders und der Rechtssicherheit für Dritte an, wenn bei der angegriffenen Ausführungsform ein Merkmal ersatzlos fehle, das als einziges zur Lösung einer eigenständigen Aufgabe diene. Der bei den angegriffenen Ausführungsformen fehlende umlaufende Ring diene jedoch lediglich der Erhöhung des Wirkungsgrades der Erfindung und sei entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts für das Klagegebrauchsmuster nicht kennzeichnend und erst recht kein wesentliches Merkmal der Erfindung. Vielmehr sei der umlaufende Ring integraler Bestandteil der Siebplatte, die bei beiden angegriffenen Ausführungsformen verwirklicht sei. Zur Klärung der für die Auslegung des Klagegebrauchsmusters wesentlichen Frage, ob die Ausgestaltung der Siebflächen mit einem umlaufenden Ring für die Lösung der Aufgabe von Bedeutung ist, wäre das Berufungsgericht zur Einholung des von beiden Parteien angebotenen Sachverständigengutachtens gehalten gewesen.
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4. Die Angriffe der Revision sind ganz überwiegend unbegründet. In einem entscheidenden Punkt hält das Berufungsurteil jedoch der Nachprüfung nicht stand.

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a) Nicht zu beanstanden ist es, dass das Berufungsgericht eine wortsinngemäße Benutzung des Klagegebrauchsmusters verneint hat. Zwar erfordert eine solche Beurteilung grundsätzlich, dass zunächst der Gegenstand des Schutzanspruchs ermittelt wird, indem dieser Anspruch unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen aus der Sicht des von der Erfindung angesprochenen Fachmanns ausgelegt wird (st. Rspr., s. nur Sen.Beschl. v. 17.4.2007 - X ZB 9/06, Tz. 13 - Informationsübermittlungsverfahren I, für BGHZ bestimmt). Im Streitfall kann jedoch nicht zweifelhaft sein, dass die angegriffenen Ausführungsformen keinen die Siebplatten umlaufenden Ring aufweisen; auch die Revision erhebt insoweit keine Rügen.
23
b) Zutreffend hat das Berufungsgericht ferner eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters unter dem Gesichtspunkt des Teilschutzes ausgeschlossen.
24
Der Gegenstand eines Gebrauchsmusters wird - nicht anders als der Gegenstand eines Patents durch den Patentanspruch - durch den Schutzanspruch bestimmt, in dem anzugeben ist, was durch die Eintragung des Gebrauchsmusters unter Schutz gestellt werden soll (§ 4 Abs. 3 Nr. 3 GebrMG). Der Inhalt der Schutzansprüche, zu dessen Auslegung Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen sind, bestimmt auch den Schutzbereich des Gebrauchsmusters (§ 12a GebrMG).
25
Aus dem gleichgewichtig neben dem Gesichtspunkt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung stehenden Gebot der Rechtssicherheit leitet der Senat dabei in ständiger Rechtsprechung ab, dass der durch Auslegung zu ermittelnde Sinngehalt der Patent- oder Schutzansprüche nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs bildet; diese hat sich an den Ansprüchen auszurichten (s. nur BGHZ 106, 84, 90 f. - Schwermetalloxidationskatalysator; BGHZ 150, 149, 154 - Schneidmesser I).
26
Für die Bestimmung des Schutzbereichs von Ansprüchen, die Zahlenoder Maßangaben enthalten, hat der Senat hervorgehoben, dass solche Angaben an der Verbindlichkeit des Patentanspruchs als maßgeblicher Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs teilnehmen. Die Aufnahme von Zahlenoder Maßangaben in den Anspruch verdeutlicht, dass sie den Schutzgegenstand des Patents mitbestimmen und damit auch begrenzen sollen (BGHZ 118, 210, 218 f. - Chrom-Nickel-Legierung). Es verbietet sich daher, solche Angaben als minder verbindliche, lediglich beispielhafte Festlegungen der geschützten technischen Lehre anzusehen, wie dies in der Rechtsprechung zur Rechtslage im Inland vor Inkrafttreten des Art. 69 EPÜ und der entsprechenden Neuregelung des nationalen Rechts für möglich erachtet worden ist (BGHZ 150, 149, 155 - Schneidmesser I). Eine eindeutige Zahlenangabe bestimmt und begrenzt vielmehr den geschützten Gegenstand grundsätzlich insoweit abschließend; ihre Über- oder Unterschreitung ist daher in aller Regel nicht mehr zum Gegenstand des Patentanspruchs zu rechnen (BGHZ 150, 149, 156 - Schneidmesser I). Ebenso gilt für die Bestimmung eines über den technischen Sinngehalt des Anspruchs hinausreichenden Schutzbereichs, dass im Anspruch enthaltene Zahlen- oder Maßangaben mit den angegebenen Werten den geschützten Gegenstand begrenzen. Im Rahmen der Schutzbereichsbestimmung darf deshalb vom Sinngehalt der Zahlen- und Maßangaben nicht abstrahiert werden. Bei der Prüfung der Frage, ob der Fachmann eine Ausführungsform mit einem vom Anspruch abweichenden Zahlenwert aufgrund von Überlegungen , die sich am Sinngehalt der im Anspruch umschriebenen Erfindung orientie- ren, als gleichwirkende Lösung auffinden kann, muss deshalb die sich aus der Zahlenangabe ergebende Eingrenzung des objek tiven, erfindungsgemäß zu erreichenden Erfolgs berücksichtigt werden (BGHZ 150, 149, 157 - Schneidmesser I). Als im Sinne des Patentanspruchs gleichwirkend kann nur eine Ausführungsform angesehen werden, die als eine solche auffindbar ist, die nicht nur überhaupt die Wirkung eines - im Anspruch zahlenmäßig eingegrenzten - Merkmals der Erfindung erzielt, sondern auch gerade diejenige, die anspruchsgemäß der zahlenmäßigen Eingrenzung dieses Merkmals zukommen soll. Fehlt es daran, ist auch eine objektiv und für den Fachmann erkennbar technisch ansonsten gleichwirkende Ausführungsform vom Schutzbereich des Patents grundsätzlich nicht umfasst.
27
Wie bei anderen Elementen des Patentanspruchs darf deshalb die anspruchsgemäße Wirkung nicht unter Außerachtlassung von im Anspruch enthaltenen Zahlen- und Maßangaben bestimmt werden. Es reicht daher für die Einbeziehung abweichender Ausführungsformen in den Schutzbereich grundsätzlich nicht aus, dass die erfindungsgemäße Wirkung im Übrigen aus fachmännischer Sicht unabhängig von der Einhaltung des Zahlenwertes eintritt. Erschließt sich kein abweichender Zahlenwert als im Sinne des anspruchsgemäßen Wertes gleichwirkend, erstreckt sich der Schutzbereich insoweit nicht über den Sinngehalt des Patentanspruchs hinaus (BGHZ 150, 149, 158 f. - Schneidmesser I). Die anspruchsgemäße Wirkung des zahlenmäßig bestimmten Merkmals wird in diesem Fall durch die (genaue) Einhaltung eines Zahlenwertes bestimmt und kann daher notwendigerweise durch einen abweichenden Zahlenwert nicht erzielt werden. In einem solchen Fall genügt es nicht, dass aus fachmännischer Sicht auch eine von der Zahlenangabe abstrahierende Lehre als technisch sinnvoll erkennbar ist.
28
Der Senat hat in diesem Zusammenhang ferner hervorgehoben, dass der Anmelder nicht immer den vollen technischen Gehalt einer Erfindung erkennen und ausschöpfen wird. Beschränkt sich ein technisches Schutzrecht bei objektiver Betrachtung auf eine engere Anspruchsfassung, als dies vom technischen Gehalt der Erfindung und gegenüber dem Stand der Technik geboten wäre, darf die Fachwelt gleichwohl darauf vertrauen, dass der Schutz entsprechend beschränkt ist. Dem Schutzrechtsinhaber ist es dann verwehrt, nachträglich Schutz für etwas zu beanspruchen, was er nicht unter Schutz hat stellen lassen (BGHZ 150, 149, 159 - Schneidmesser I).
29
Aus diesen Grundsätzen ergibt sich, dass Gegenstand und Schutzbereich eines technischen Schutzrechts, die nicht unter Außerachtlassung von im Anspruch enthaltenen Zahlen- und Maßangaben bestimmt werden können, ebenso wenig und erst recht nicht unter Außerachtlassung einzelner räumlichkörperlich oder funktional definierter Merkmale des Anspruchs bestimmt werden dürfen. Dies liefe darauf hinaus, der Schutzbereichsbestimmung nicht den erteilten Patentanspruch oder den der Eintragung zugrunde gelegten Schutzanspruch des Gebrauchsmusters zugrunde zu legen, sondern einen fiktiven Anspruch , der aus der Kombination lediglich einzelner Merkmale des Anspruchs besteht. Damit verlöre der Anspruch seine Bedeutung als maßgebliche Grundlage der Schutzbereichsbestimmung zugunsten eines aus der Beschreibung abgeleiteten allgemeineren Erfindungsgedankens alten Rechts. Mit Art. 69 EPÜ wäre dies ebenso wenig vereinbar wie mit den - in gleicher Weise auszulegenden - nationalen Schutzbereichsnormen in § 14 PatG und § 12a GebrMG.
30
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Senatsurteil vom 24. September 1991 (BGHZ 115, 204 - Beheizbarer Atemluftschlauch). Dort hat der Senat vielmehr ausdrücklich offengelassen, ob unter der Geltung des Art. 69 Abs. 1 EPÜ ein patentrechtlicher Teilschutz anzuerkennen ist (BGHZ 115, 204, 207).
31
Auf die vom Berufungsgericht erörterte Frage, ob es sich bei der im Schutzanspruch 1 enthaltenen Anweisung, die Siebplatten jeweils mit einem außenseitig umlaufenden, durch den Schlitz getrennten Ring aus elektrisch leitfähigem Material zu versehen, um ein "wesentliches" Merkmal der Erfindung handelt, kommt es somit nicht an. Da der Schutzanspruch den Ring vorschreibt, kann er vielmehr nur durch eine Ausführungsform verletzt werden, die entweder - wie nicht - einen solchen Ring im Wortsinn des Anspruchs aufweist oder sich eines gleichwertigen Ersatzmittels bedient.
32
Ebenso unerheblich ist das Vorbringen der Revision, der umlaufende Ring diene lediglich der Erhöhung des Wirkungsgrades der Erfindung und sei für das Klagegebrauchsmuster "nicht kennzeichnend". Ebenso wenig wie eine zahlenmäßige Eingrenzung eines Merkmals der Erfindung darf ein Merkmal, das den Wirkungsgrad eines Elements der geschützten Lehre näher bestimmt, bei der Bestimmung des Gegenstands und des Schutzbereichs der Erfindung außer Acht bleiben.
33
c) Zu Recht bemängelt die Revision jedoch, dass das Berufungsgericht auch eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters mit vom Wortsinn des Anspruchs abweichenden Mitteln verneint, obwohl es andererseits zugunsten des Klägers unterstellt, dass die angegriffenen Ausführungsformen den erfindungsgemäßen Erfolg jedenfalls im Wesentlichen erreichen.
34
Die Einbeziehung einer vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichenden Ausführungsform in den Schutzbereich eines Patents setzt nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 150, 149, 154 - Schneidmesser I) dreierlei voraus: 1. Das der Erfindung zu Grunde liegende Problem muss mit zwar abgewandelten , aber objektiv gleichwirkenden Mitteln gelöst werden. 2. Seine Fachkenntnisse müssen den Fachmann befähigen, die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden. 3. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sein, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zieht. Diese Voraussetzungen gelten für eine Gebrauchsmusterverletzung mit gleichwertigen Mitteln gleichermaßen.
35
Die erste Voraussetzung hat das Berufungsgericht zugunsten des Klägers unterstellt, die beiden weiteren hat es nicht geprüft. Für die Verneinung einer äquivalenten Verletzung bietet das Berufungsurteil damit keine ausreichende Grundlage.
36
5. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar. Weder kann ausgeschlossen werden, dass die - unterstellt - gleichwirkende Lösung für den Fachmann auffindbar war, noch lässt sich die notwendige Orientierung am Schutzanspruch verneinen, da dessen Sinngehalt nicht ermittelt ist (dazu nachfolgend zu 6).
37
6. Ebenso wenig kann der Senat selbst im Sinne einer Klageabweisung entscheiden. Auch dem steht entgegen, dass das Berufungsgericht den Sinngehalt des Patentanspruchs nicht ermittelt hat.
38
Zwar kann das Revisionsgericht die Auslegung eines Schutzanspruchs grundsätzlich selbst vornehmen, weil die Auslegung Rechterkenntnis und demgemäß nicht dem Tatrichter vorbehalten ist (BGHZ 142, 7, 15 - Räumschild BGHZ 160, 204, 212 - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; Sen.Urt. v. 13.2.2007 - X ZR 74/05, Tz. 18 - Kettenradanordnung, für BGHZ bestimmt). Wie jede Auslegung wird jedoch auch die Auslegung des Schutzanspruchs auf tatsächlicher Grundlage getroffen, zu der neben den objektiven technischen Gegebenheiten auch ein bestimmtes Vorverständnis der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Sachkundigen sowie Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen und methodische Herangehensweise dieser Fachleute gehören, die das Verständnis des Anspruchs und der in ihm verwendeten Begriffe bestimmen oder jedenfalls beeinflussen können (BGHZ 164, 261, 268 - Seitenspiegel). Denn zu ermitteln ist, was sich aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns aus den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit als unter Schutz gestellte technische Lehre ergibt (Sen.Urt. "Kettenradanordnung", aaO; Sen.Beschl. v. 17.4.2007 - X ZB 9/06, Tz. 13 - Informationsübermittlungsverfahren I, für BGHZ bestimmt; Melullis, Festschrift für Eike Ullmann, S. 503, 512 f.).
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Hat der Tatrichter keine eigene Auslegung des Patentanspruchs oder Schutzanspruchs vorgenommen, fehlt dem Revisionsgericht regelmäßig die Grundlage für die Prüfung, ob sämtliche notwendigen tatsächlichen Grundlagen der Auslegung rechtsfehlerfrei festgestellt sind und ob bei erneuter Prüfung durch das Berufungsgericht ergänzende tatrichterliche Feststellungen zu erwar- ten sind. Auch ist den Parteien in einem solchen Fall die Möglichkeit verschlossen , die für die Anspruchsauslegung relevanten tatsächlichen Annahmen als verfahrensfehlerhaft getroffen oder unvollständig zu rügen. Die fehlende Auslegung des Anspruchs durch das Berufungsgericht erfordert daher in der Regel die Zurückverweisung der Sache.
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Im Streitfall enthält das Berufungsurteil keine hinreichenden Ausführungen zu der Frage, welche technische Funktion das Klagegebrauchsmuster dem die Siebplatten umlaufenden Ring einerseits und dem Kontaktgerüst mit mindestens drei Kontaktpunkten zur Kontaktierung des umlaufenden Ringes andererseits beimisst. Das Berufungsgericht bemerkt lediglich, der angestrebte Erfolg werde im Wesentlichen erreicht, wenn der Schwimmer mit einem Ring anstatt mit einer flächigen Kontaktplatte ausgestattet werde, und führt im Zusammenhang mit der Erörterung eines Teilschutzes aus, der die Siebplatten umlaufende Ring diene dazu, von den Kontaktpunkten kontaktiert zu werden. Damit bleibt unklar, ob die erfindungsgemäße Ausgestaltung von Siebplattenring und Kontaktpunkten lediglich der zuverlässigen Ausgestaltung des elektrischen Kontaktes oder auch der Herstellung eines Freiraumes zwischen Schwimmer und Siebplatte zur Aufnahme des Tablettenfilms dient und welche Vorgaben der Schutzanspruch an die räumlich-körperliche Ausgestaltung der diesem Zweck oder diesen Zwecken dienenden Mittel stellt. Der Senat kann nicht ausschließen , dass bei der Klärung dieser Fragen tatrichterliche Feststellungen Bedeutung gewinnen.
41
III. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
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1. Die Prüfung, ob eine angegriffene Ausführungsform das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit gleichwertigen Mitteln löst, erfordert zu- nächst die Ermittlung des Sinngehalts der Schutzansprüche und der Wirkungen , die mit den anspruchsgemäßen Merkmalen - je für sich und in ihrer Gesamtheit - erzielt werden, sowie die tatrichterliche Feststellung, ob und gegebenenfalls mit welchen konkreten, vom Wortsinn des Anspruchs abweichenden Mitteln diese Wirkungen von der angegriffenen Ausführungsform erreicht werden (BGHZ 150, 149, 153 - Schneidmesser I; Sen.Urt. v. 25.10.2005 - X ZR 136/03, GRUR 2006, 311, 312 - Baumscheibenabdeckung; Sen.Urt. v. 22.11.2005 - X ZR 81/01, GRUR 2006, 313, 315 - Stapeltrockner).
43
2. Das Berufungsgericht wird daher zunächst den Sinngehalt des Schutzanspruchs zu klären haben.
44
Das Landgericht hat angenommen, die im Schutzanspruch genannten mindestens drei Kontaktpunkte des Kontaktgerüstes könnten auch durch eine Vielzahl von Kontaktpunkten verwirklicht werden, die "am Ende sogar einen Ring darstellen" könnten. Es hat dabei jedoch den Gesamtinhalt der Gebrauchsmusterunterlagen nicht erkennbar berücksichtigt. In der Beschreibung wird die erfindungsgemäße Lösung dahin erläutert, dass die mindestens drei möglichen "Auflagepunkte" auf dem umlaufenden Ring durch "Kontaktärmchen" an den Enden des Kontaktgerüstes gebildet werden, die aufgrund ihrer geringen Auflagefläche in der Lage seien, sich durch die Folie zu drücken. Auch wenn die Kontaktärmchen erst in Schutzanspruch 2 genannt werden, so könnte die Verwendung dieses Begriffs und die Zuweisung der Funktion, sich durch die Filmreste drücken zu können, in der allgemeinen Beschreibung der Erfindung doch darauf hindeuten, dass die Erfindung eine begrenzte Anzahl diskreter Kontaktpunkte voraussetzt, die durch einen umlaufenden Ring nicht bereitgestellt werden.
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3. Sodann wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob die angegriffenen Ausführungsformen oder auch nur diejenige, bei der der am Schwimmer angeordnete Ring mit Kontaktspitzen versehen ist, den erfindungsgemäßen Erfolg mit abweichenden, jedoch gleichwertigen Mitteln herbeiführen.
46
Bei dieser Prüfung wird zu beachten sein, dass unter erfindungsgemäßem Erfolg diejenige technische Wirkung zu verstehen ist, die aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns mit den einzelnen Merkmalen der Erfindung für sich und in ihrem funktionalem Zusammenwirken erzielt werden soll. Der erfindungsgemäße Erfolg darf daher nicht auf einen "Haupteffekt" reduziert werden, sondern kann gegebenenfalls einen komple xen Zusammenhang unterschiedlicher technischer Wirkungen umfassen. In diesem Zusammenhang wird sich das Berufungsgericht insbesondere mit der Wirkung und dem Zusammenwirken der Kontaktpunkte des Kontaktgerüsts und dem umlaufenden Ring um die Siebplatte zu befassen haben.
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Sollte hiernach bei der einen oder anderen angegriffenen Ausführungsform die erforderliche Gleichwirkung zu bejahen sein, wird sich das Berufungsgericht die oben erwähnten beiden weiteren, zur Annahme der Gleichwertigkeit erforderlichen Fragen zu stellen haben.
Melullis Scharen Mühlens
Meier-Beck Asendorf
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 20.02.2003 - 315 O 370/02 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 30.09.2004 - 3 U 202/03 -