Bundesgerichtshof Urteil, 21. Feb. 2017 - X ZR 1/15

bei uns veröffentlicht am21.02.2017
vorgehend
Bundespatentgericht, 3 Ni 16/13, 16.09.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 1/15 Verkündet am:
21. Februar 2017
Hartmann
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
ECLI:DE:BGH:2017:210217UXZR1.15.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Februar 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning, Dr. Grabinski und Hoffmann und die Richterin Dr. Kober-Dehm

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 16. September 2014 abgeändert und wie folgt neu gefasst: Das deutsche Patent 101 01 219 wird dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass in Patentanspruch 1 das Wort "nun" durch die Wendung "der Luftstrom nun als stoßartiger Reinigungsluftstrom von dem Gebläse (21)" ersetzt wird und dass sich die Patentansprüche 2, 9, 10 und 11 auf die so geänderte Fassung rückbeziehen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 9/10 der Klägerin und zu 1/10 der Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des am 12. Januar 2001 angemeldeten deutschen Patents 101 01 219 (Streitpatents), das einen Schmutzsauger betrifft.
Patentanspruch 1, auf den zehn weitere Patentansprüche zurückbezogen sind, lautet: "Schmutzsauger mit einem mindestens in zwei Filterteile (3, 4) geteilten Filter (2), welcher an/in einem Schmutzsaugerbehälter (1) angeordnet ist und welche Filterteile (3, 4) einzeln mit einem Luftstrom eines Gebläses (21) beaufschlagbar sind, und mit zwei Ventilen zur getrennten Steuerung der Abreinigung der Filterteile (3, 4) des Filters (2), dadurch gekennzeichnet, dass im Normalbetrieb die mindestens zwei Filterteile (3, 4) von dem schmutzbehafteten Luftstrom radial von außen nach innen durchsetzt sind, und dass jedem der mindestens zwei Filterteile (3, 4) ein Drei-Wege-Ventil zugeordnet ist, welche in der Reinigungsstellung schlagartig umschalten , so dass bei dem jeweiligen Filterteil (3 oder 4) der Luftstrom umgekehrt wird und nun von radial innen nach radial außen die radial außen befindlichen Schmutzpartikel abreinigt, während das/die andere/n Filterteil/e (4 oder 3) nach wie vor in Funktion bleibt/en, weil das dort angeordnete Drei-Wege-Ventil in seiner Betriebsstellung verbleibt."
2
Die Klägerin hat das Streitpatent im Umfang des Patentanspruchs 1 sowie der darauf rückbezogenen Patentansprüche 2, 9, 10 und 11 angegriffen. Sie hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei insoweit weder patentfähig noch so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen könne. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und hilfsweise in zwölf geänderten Fassungen verteidigt.
3
Das Patentgericht hat das Streitpatent im angegriffenen Umfang für nichtig erklärt. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie das Streitpatent zuletzt mit einem neuen Hauptantrag in der Fassung des zweitinstanzlichen Hilfsantrags IA und mit 13 Hilfsanträgen in der erteilten und in der Fassung der erstinstanzlichen Hilfsanträge verteidigt. In Patentanspruch 1, auf dessen geänderte Fassung sich die weiteren mit der Nichtigkeitsklage angegriffenen Patentansprüche 2, 9, 10 und 11 rückbeziehen sollen, soll nach der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung das Wort "nun" durch die Wendung "der Luftstrom nun als stoßartiger Reinigungsluftstrom von dem Gebläse (21)" ersetzt werden. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


4
Die zulässige Berufung der Beklagten führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage, soweit sie sich gegen die im Berufungsverfahren verteidigte Fassung des Streitpatents richtet.
5
I. Das Streitpatent betrifft einen Schmutzsauger.
6
1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift ist bekannt, Schmutzsauger mit einem geteilten Ringfilter auszurüsten, so dass, während die eine der beiden Filterhälften abgereinigt wird, die andere weiterhin in Betrieb bleiben kann.
7
In der Streitpatentschrift werden unterschiedliche im Stand der Technik bekannte Filteranordnungen beschrieben, die so gestaltet sind, dass die Filter bei laufendem Betrieb abgereinigt werden können. Die deutsche Patentschrift 41 38 223 (D5) betrifft ein Sauggerät für Reinigungszwecke mit einer Filteranlage mit zwei separaten Filtern, von denen wahlweise der eine oder der andere mit einem Ventilschieber geschlossen oder geöffnet werden kann, so dass stets ein Filter in Betrieb bleibt, während der andere abgereinigt wird. Die Streitpatentschrift bezeichnet es als nachteilig, dass bei dieser Anordnung kein stoßartiger Abreinigungsimpuls entstehe und daher die Filter relativ schlecht gereinigt würden. Die deutsche Offenlegungsschrift 37 09 671 (B2) offenbare einen Partikelfilter , insbesondere zum Filtern von Dieselabgasen, bei dem das zu reinigende Gas den Filterkörper von außen nach innen durchströme, während die Filterkerzen von innen mit Druckluft beaufschlagbar seien. Bei diesem System könne - so erläutert die Streitpatentschrift - der Filterkörper während des Motorbetriebes ohne zusätzliche Temperaturerhöhung regeneriert werden, indem mit der Druckluft die Partikel vom Filterkörper abgeblasen und in einen Sammelbehälter befördert würden. Die deutsche Offenlegungsschrift 43 06 284 (B3) beschreibe ein Verfahren zur Abscheidung von festen Verbrennungsrückständen aus Abgasen von Verbrennungskraftmaschinen. Hierbei würden die Abgase durch einen drehbaren Filter geleitet, in dem die festen Verbrennungsrückstände kurzzeitig zurückgehalten und anschließend mit angesaugter Frischluft und zusätzlich zugeführter Druckluft aus dem Filter wieder ausgeblasen und zusammen mit der Frischluft in den Verbrennungsraum der Kraftmaschine zur Nachverbrennung zurückgeführt würden.
8
2. Das Patentgericht hat unter Bezugnahme auf die Formulierung der Aufgabe in der Streitpatentschrift angenommen, diese bestehe darin, bei einem aus dem Stand der Technik bekannten Schmutzsauger die Abreinigung des Filters insbesondere durch eine stoßartige Abreinigung wirksamer zu gestalten. Die stoßartige Abreinigung des Filters gehört indessen nicht zur Aufgabe, sondern ist bereits Teil der erfindungsgemäßen Lösung. Das technische Problem ist daher allgemeiner darin zu sehen, die Abreinigung des Filters eines Schmutzsaugers zu verbessern.
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Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in der mit dem Hauptantrag zuletzt verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 einen Schmutzsauger vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (die abweichende Gliederung des Patentgerichts ist in eckigen Klammern wiedergegeben ): 1. Der Schmutzsauger weist auf: 1.1 einen Schmutzsaugerbehälter (1), 1.2 einen Filter (2), der 1.2.1 am oder im Schmutzsaugerbehälter (1) angeordnet [2] und 1.2.2 mindestens in zwei Filterteile (3, 4) geteilt ist [1]; 1.3 jedem der Filterteile (3, 4) zugeordnete Drei-WegeVentile zur getrennten Steuerung der Abreinigung der Filterteile (3, 4) [4; 6] und 1.4 ein Gebläse (21). 2. Die Filterteile (3, 4) sind einzeln mit einem Luftstrom eines Gebläses (21) beaufschlagbar [3]. 3. Im Normalbetrieb werden die Filterteile (3, 4) von dem schmutzbehafteten Luftstrom radial von außen nach innen durchsetzt [5]. 4. In der Reinigungsstellung 4.1 schaltet das dem zu reinigenden Filterteil (3 oder 4) zugeordnete Drei-Wege-Ventil schlagartig um [7] und 4.2 wird infolgedessen bei dem zu reinigenden Filterteil (3 oder 4) der Luftstrom umgekehrt und reinigt nun als stoßartiger Reinigungsluftstrom von dem Gebläse (21) von radial innen nach radial außen die radial außen befindlichen Schmutzpartikel ab [8; 9], 4.3 während die den anderen Filterteilen zugeordneten DreiWege -Ventile in der Betriebsstellung verbleiben [10] und 4.4 die anderen Filterteile (4 oder 3) infolgedessen nach wie vor in Funktion bleiben [10].
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3. Mit Blick auf einige dieser Merkmale bedarf der Patentanspruch der Erläuterung:
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a) Die Streitpatentschrift enthält weder eine allgemeine Definition des Begriffs "Schmutzsauger" noch macht sie Angaben zum Einsatzgebiet des streitpatentgemäßen Schmutzsaugers nach Merkmal 1.
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aa) Das Patentgericht hat angenommen, der Fachmann werde, da dem Begriff "Schmutzsauger" in der Fachwelt keine eindeutige, feststehende Bedeutung zukomme, den Sinngehalt von Merkmal 1 anhand des in der Streitpatentschrift geschilderten Standes der Technik ermitteln, der zugleich auch für die Bestimmung des zuständigen Fachmanns maßgeblich sei. Im Streitfall sei dies ein Maschinenbauingenieur mit langjähriger praktischer Erfahrung und speziellen Kenntnissen bei der Konstruktion von Filtern für schmutz- oder partikelbehaftete Luftströme, der hinsichtlich der Steuerung bei Bedarf einen Elektrotechniker zu Rate ziehe. Dieser Fachmann werde den Begriff "Schmutzsauger" entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf mobile, handbetriebene Sauggeräte für Reinigungszwecke, wie Haushalts- oder Gewerbestaubsauger einengen , sondern darunter allgemein eine Saugvorrichtung für partikelbehaftete Luft verstehen. Dementsprechend erfasse das Streitpatent neben Haushalts- oder Gewerbestaubsaugern beispielsweise auch Abscheider für Abgase von Verbrennungskraftmaschinen oder Abscheider in pneumatischen Förderanlagen.
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bb) Dies hält den Angriffen der Berufung nicht stand.
14
Das Streitpatent betrifft, auch wenn die Streitpatentschrift weder Angaben zur Größe der streitpatentgemäßen Vorrichtung noch dazu enthält, ob diese mobil oder ortsfest ist, Sauggeräte, die der Aufnahme bzw. Entfernung von Schmutz dienen, nicht jedoch Abscheider, die zur Trennung von Stoffgemischen eingesetzt werden und in der Regel zur vollständigen Entfernung eines oder mehrerer Bestandteile des Stoffgemisches führen sollen.
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Die in der Streitpatentschrift dargelegte Aufgabenstellung nimmt ausschließlich auf die der D5 zugrundeliegende Erfindung Bezug. Danach will das Streitpatent die Abreinigung von Filtern bei Schmutzsaugern verbessern, indem es einen stoßartigen Reinigungsimpuls vorsieht, dessen Fehlen bei dem Sauger der D5 in der Streitpatentschrift als nachteilig geschildert wird. Der weitere in der Streitpatentschrift erörterte Stand der Technik, der Filterlösungen zum Filtern von Dieselabgasen (B2) oder zum Abscheiden von Verbrennungsrückständen (B3) betrifft, wird dagegen weder bei der Formulierung der Aufgabe noch bei der Erläuterung der erfindungsgemäßen Lösung aufgegriffen. Insbesondere fehlen Ausführungen dazu, welchen Nachteilen derartiger Einrichtungen begegnet werden und wie die erfindungsgemäße Lösung insoweit zu Verbesserungen beitragen soll. Der Hinweis in der Streitpatentschrift, dass der Reinigungszyklus für den Benutzer unbemerkt stattfinde (Beschr. Abs. 14, 17 und 45) spricht ebenfalls nicht dafür, dass das Streitpatent auch Einrichtungen der in den Druckschriften B2 und B3 geschilderten Art erfasst. Denn bei in derartigen Einrichtungen oder pneumatischen Saugförderanlagen eingesetzten Abscheidern ist im Hinblick darauf, dass es hierbei regelmäßig darauf ankommt, einen Stoff aus dem durch den Abscheider geleiteten Stoffgemisch in möglichst reiner Form zu erhalten, eine kontrollierte Reinigung erforderlich. Demgegenüber geht es bei Sauggeräten zu Reinigungszwecken nicht darum, den durch das Gerät geleiteten schmutzbehafteten Luftstrom zu reinigen, als vielmehr darum , mittels eines zur Erzeugung einer Sogwirkung eingesetzten Luftstroms Schmutz von einem zu reinigenden Gegenstand, typischerweise einer Bodenfläche , aufzunehmen. Schließlich zeigen auch die von der Beklagten vorgelegten Patent- und Offenlegungsschriften (Anlagenkonvolut B8), in denen zur Be- zeichnung der Erfindung der Begriff "Schmutzsauger" verwendet wird, dass der Begriff zur Bezeichnung von Geräten zum Aufsaugen von Schmutz und Flüssigkeiten gebräuchlich und nicht in dem umfassenden Sinn zu verstehen ist, den das Patentgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat.
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b) Im Hinblick darauf, dass die Parteien - ausgehend von unterschiedlichen Interpretationen des Begriffs "Luftstrom" - über das Verständnis des Merkmals 4.2 streiten, bedarf die erfindungsgemäße Lehre in Bezug auf die Verhältnisse in der Reinigungsstellung des beanspruchten Schmutzsaugers näherer Erläuterung.
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aa) Der Begriff des "Luftstroms" wird in den Merkmalen 2, 3 und 4.2 verwendet. Den Kern des Streitpatents bildet eine Filteranordnung, die durch die Aufteilung des Filters in mindestens zwei, nach Merkmal 2 einzeln mit einem Luftstrom eines Gebläses beaufschlagbare Filterteile eine effiziente Abreinigung des Filters ermöglichen soll, ohne dass der Saugbetrieb unterbrochen werden muss. Hierfür sieht das Streitpatent vor, dass das bei dem zu reinigenden Filterteil , das nach Merkmal 3 in der Betriebsstellung von dem schmutzbehafteten Luftstrom radial von außen nach innen durchsetzt wird, der Luftstrom durch schlagartiges Umschalten des diesem Filterteil zugeordneten Drei-Wege-Ventils umgekehrt wird und so die außen an dem Filterteil befindlichen Schmutzpartikel abgeblasen werden (Merkmale 4.1 und 4.2).
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bb) Das Patentgericht hat angenommen, dass nach der allgemeinen Lehre des Streitpatents die Abreinigung der Filterteile ausschließlich durch die mit dem schlagartigen Umschalten des Drei-Wege-Ventils bewirkte Luftstromumkehr bei dem betreffenden Filterteil erreicht werde, wobei entsprechend den Angaben in der Streitpatentschrift unter "schlagartig" ein Zeitrahmen von Millisekunden bis Zehntelsekunden zu verstehen sei. Dabei sei Patentan- spruch 1 nicht so zu verstehen, dass zur Abreinigung nur die Abluft der im Normalbetrieb befindlichen Filterteile zu verwenden sei. Vielmehr sei nach dem Wortlaut des Anspruchs nicht ausgeschlossen, auch Außenluft aus der Umgebung des Schmutzsaugers zur Abreinigung zu verwenden. Merkmal 4.2 gebe lediglich vor, dass der Luftstrom am abzureinigenden Filterteil umgekehrt werde , lege aber nicht fest, woher der Luftstrom komme. Insbesondere lasse sich Merkmal 4.2 nicht entnehmen, dass es sich bei dem dort genannten Luftstrom um denselben wie in den Merkmalen 2 und 3 und damit um die Abluft der im Normalbetrieb befindlichen Filterteile handeln müsse.
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cc) Ob diese Auslegung für die erteilte Fassung des Streitpatents zutrifft, kann offen bleiben. Mit der Ergänzung des Merkmals 4.2, dass der Luftstrom, nachdem er durch das schlagartige Umschalten des dem zu reinigenden Filterteil zugeordneten Drei-Wege-Ventils umgekehrt worden ist, nun als stoßartiger Reinigungsluftstrom von dem Gebläse die an dem Filterteil radial außen befind- lichen Schmutzpartikel abreinigt, wird jedenfalls vorgegeben, dass der Reinigungsluftstrom nicht nur vom Gebläse erzeugt wird, sondern von der Abluftseite des Gebläses her kommt und das schlagartige Umschalten des Drei-WegeVentils dazu dient, diesen Gebläseabluftstrom stoßartig auf die Innenseite des zu reinigenden Filterteils zu richten (Abs. 14, 42 f. der Beschreibung).
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II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
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Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung sei nicht neu. Die Kombination sämtlicher Merkmale werde durch die deutsche Offenlegungsschrift 25 40 672 (D1) vorweggenommen, die einen Abscheider für pneumatische Saugförderanlagen betreffe, in dem das Fördergut aus der Förderluft abgeschieden und in einem Auffangbehälter gesammelt werde. In dem Abscheider befinde sich eine Filtereinrichtung für die durch einen Saugstutzen abzuziehende Förderluft, deren Filter im Gegenstrom zur Abzugsrichtung der Förderluft abzureinigen seien. Die Filtereinrichtung bestehe aus zwei durch eine Scheidewand voneinander getrennten Filterpatronen, die einzeln mit einem Luftstrom des Gebläses beaufschlagbar seien, wobei der partikelbehaftete Luftstrom die Filter im Reinigungsbetrieb radial von außen nach innen durchströme. Ferner sei die in der D1 beschriebene Filtereinrichtung mit zwei unabhängig voneinander betätigbaren Drei-Wege-Ventilen zur getrennten Steuerung der Abreinigung der beiden Filterpatronen versehen. Im Abreinigungsbetrieb werde der Luftstrom der jeweiligen Filterpatronen durch Schalten des Ventils umgekehrt , der nun radial von innen nach außen verlaufe und dabei die radial außen befindlichen Partikel abreinige. Während dieser Abreinigung verbleibe das jeweils andere Ventil in seiner Betriebsstellung für den Normalbetrieb, so dass die andere Filterpatrone nach wie vor im Reinigungsbetrieb betrieben werden könne. Damit seien in der D1 alle Merkmale des Streitpatents bis auf das schlagartige Umschalten des Drei-Wege-Ventils in der Reinigungsstellung nach Merkmal 4.1 ausdrücklich offenbart. Dieses Merkmal lese der Fachmann bei der D1 aber mit, weil es sich bei den dort eingesetzten Drei-Wege-Ventilen um - wie auch von der Beklagten nicht bestritten werde - Elektromagneten mit Schaltzeiten im Bereich von Millisekunden bis Zehntelsekunden handle, und beim Streitpatent das schlagartige Umschalten der Ventile in eben dieser Zeitspanne erfolge. Dass die D1 Außenluft zur Abreinigung verwende, führe zu keiner anderen Beurteilung der Patentfähigkeit.
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Die Verteidigung von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag IA sei nicht zulässig, weil dadurch der Schutzbereich des Streitpatents gegenüber der erteilten Fassung erweitert werde. Mit dem zusätzlichen Merkmal "als stoßartiger Reinigungsluftstrom des Gebläses (21)" würden auch Schmutzsauger beansprucht, bei denen der stoßartige Reinigungsluftstrom durch das Gebläse erzeugt werde, was beispielsweise durch eine getaktete Schaltung der Saugstärke des Gebläses möglich wäre. Nach der erteilten Fassung des Streitpatents werde die stoßartige Abreinigung aber nur durch ein schlagartiges Umschalten der Drei-Wege-Ventile bewirkt, während das Gebläse unverändert weiterbetrieben werde. Der stoßartige Reinigungsluftstrom durch das Gebläse betreffe somit einen technischen Aspekt, der in seiner konkreten Ausgestaltung nicht als zur streitpatentgemäßen Erfindung gehörend zu entnehmen sei und daher ein Aliud darstelle.
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Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung der Hilfsanträge IB, II und VII sei sowohl gegenüber der erteilten Fassung des Streitpatents als auch gegenüber den ursprünglichen Anmeldunterlagen unzulässig erweitert. Dementsprechend sei auch die Verteidigung in den Fassungen der Hilfsanträge VIII, X und XI unzulässig, da sie jeweils die Merkmale aus Hilfsantrag VII mit Merkmalen aus den übrigen Hilfsanträgen kombinierten. In den Fassungen der Hilfsanträge III, V und VI sei der Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht neu, da die Entgegenhaltung D1 auch die in diesen Fassungen zusätzlich enthaltenen Merkmale vorwegnehme.
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In den Fassungen der Hilfsanträge IV und IX sei der Gegenstand von Patentanspruch 1 dem Fachmann durch die D1 in Verbindung mit der US-amerikanischen Patentschrift 3 385 033 (D2) nahegelegt. Die D1 beschäftige sich wie das Streitpatent mit der Technologie einer effizienten Abreinigung von Partikelfiltern , so dass der Fachmann Anlass gehabt habe, diese Entgegenhaltung in Betracht zu ziehen. Die D1 offenbare einen Abscheider mit einer Filtervorrichtung mit zwei parallel betriebenen Filtereinsätzen, bei denen durch Schaltung eines Drei-Wege-Ventils jeweils ein Filtereinsatz durch Luftstromumkehr und dem dadurch verursachten Luftstromstoß von der Reinluftseite des Filters her abgereinigt werden könne. Auf der Suche nach einer Lösung für eine wirksame- re Abreinigung von Filterteilen im laufenden Betrieb stoße der Fachmann auf die D2, die einen Staubfilter mit mehreren Filterteilen betreffe. Dieser Entgegenhaltung entnehme er, dass eine Abreinigung mit der gefilterten Luft aus der Abluftseite des Gebläses möglich sei und eine Druckdifferenz zwischen Reinluftseite und Filter- bzw. Staubkammer, die bei der in der D2 beschriebenen Filtereinrichtung durch den Überdruck im Reinluftkanal erreicht werde, eine hoch effiziente Abreinigung ermögliche. Er werde daher die nach der D1 vorgesehene Abluftkammer des Gebläses so ausgestalten, dass sie über das DreiWege -Ventil mit der Filterkammer der Filterteile verbindbar sei, um die Druckdifferenz zwischen der Abluft- und der Staubluftseite beizubehalten. Da es zum Fachwissen gehöre, dass ein Schmutzsauger auf der Saugseite stets eine Saugkammer und auf der Abluftseite eine Abluftkammer aufweise, ergäben sich sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 in der Fassung von Hilfsantrag IV in naheliegender Weise aus der D1 und der D2. Zwar sei der Beklagten darin zuzustimmen, dass nach der D2 eine geringe Druckdifferenz zwischen dem Reinluftkanal und der Staubkammer für eine Abwärtsbewegung der Filterseitenwände ausreiche, die dann zum Abplatzen des abgelagerten Staubs führe. Indessen schließe auch der Wortlaut von Hilfsantrag IV eine derartige Abwärtsbewegung der Filterseitenwände nicht aus. Außerdem werde die streitpatentgemäße stoßartige Abreinigung durch Umkehrung des Luftstroms dadurch nahegelegt , dass nach der D2 die Abwärtsbewegung heftig sein solle, um den Staub stoßartig zu erschüttern oder abzusprengen. Auch der Einwand der Beklagten , dass bei der Vorrichtung nach der D2 zwei Gebläse eingesetzt würden, greife nicht durch. Die D2 offenbare die Möglichkeit, auf das separate Gebläse im Reinluftkanal zugunsten des Gebläses im Absaugkanal zu verzichten.
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III. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Berufung im Umfang des zuletzt gestellten Antrags nicht stand. Soweit die Beklagte das Streitpatent nicht mehr verteidigt, ist es allerdings ohne weitere Sachprüfung für nichtig zu erklä- ren (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2006 - X ZR 236/01, BGHZ 170, 215 - Carvedilol

II).

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1. Die Verteidigung des Streitpatents mit dem neuen Haupantrag ist nach § 116 Abs. 2 PatG zulässig. Sie ist sachdienlich und kann auf Tatsachen gestützt werden, die der Senat der Verhandlung und Entscheidung über die Berufung nach § 117 PatG zugrunde zu legen hat.
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Der neue Hauptantrag entspricht weitgehend dem bereits vom Patentgericht geprüften erstinstanzlichen Hilfsantrag IA. Mit der Umformulierung des Merkmals "als stoßartiger Reinigungsluftstrom des Gebläses (21)" in "als stoßartiger Reinigungsluftstrom von dem Gebläse (21)" hat die Beklagte auf die Beurteilung des Hilfsantrags durch das Patentgericht in dem mit der Berufung angegriffenen Urteil reagiert. Die Verteidigung in der Fassung des neuen Hauptantrags ist vor diesem Hintergrund sachdienlich (§ 116 Abs. 2 Nr. 1 PatG).
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2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der zuletzt verteidigten Fassung geht nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldeunterlagen hinaus. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus der Ergänzung, dass der umgekehrte Luftstrom das Filterteil als stoßartiger Reinigungsluftstrom von dem Gebläse abreinige, keine Erweiterung gegenüber dem Inhalt der ursprüng- lichen Anmeldeunterlagen. In der Offenlegungschrift des Streitpatents heißt es in Absatz 11 nahezu übereinstimmend mit den Erläuterungen in Absatz 14 der Streitpatentschrift, wichtigstes Merkmal der Erfindung sei, dass ein stoßartiger Reinigungsluftstrom von der Turbine (in der Streitpatentschrift: von dem Gebläse ) in die erste Filterhälfte eingeleitet wird, wobei aber gleichzeitig auch während des Abreinigungsvorgangs stets die zweite Filterhälfte in Betrieb bleibt.
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3. Ebenso wenig führt die in der zuletzt verteidigten Fassung des Patentanspruchs 1 enthaltene Wendung "der Luftstrom nun als stoßartiger Reini- gungsluftstrom von dem Gebläse (21)" zu einer unzulässigen Erweiterung des Schutzbereichs des Streitpatents. Das Patentgericht hat in Bezug auf den erstinstanzlichen Hilfsantrag IA angenommen, dass das zusätzliche Merkmal "als stoßartiger Reinigungsluftstrom des Gebläses (21)" zu einer Erweiterung des Schutzbereichs des Streitpatents führe, weil damit auch Schmutzsauger beansprucht würden, bei denen der stoßartige Reinigungsluftstrom durch das Gebläse erzeugt werde, während nach der erteilten Fassung die stoßartige Abreinigung nur durch ein schlagartiges Umschalten der Drei-Wege-Ventile bewirkt werde. Diese Beurteilung trifft für die zuletzt verteidigte Fassung des Streitpatents nicht zu. Wie oben ausgeführt, impliziert die Formulierung "als stoßartiger Reinigungsluftstrom von dem Gebläse" nicht, dass der "Stoß" vom Gebläse erzeugt wird, sondern beschreibt die Wirkung der durch das schlagartige Umschalten des Drei-Wege-Ventils erzielten Umlenkung des Gebläseabluftstroms und präzisiert damit lediglich das in der erteilten Fassung des Patentanspruchs 1 enthaltene Merkmal, dass der Luftstrom umgekehrt wird. Damit ist dem Einwand, die geänderte Fassung habe ein Aliud zum Gegenstand, die Grundlage entzogen.
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4. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung ist patentfähig.
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a) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in dieser Fassung ist neu (§ 3 Abs. 1 PatG). Er wird entgegen der Auffassung der Klägerin weder durch die deutsche Offenlegungsschrift 25 40 672 (D1) noch durch die weiteren von der Klägerin im Berufungsverfahren für die fehlende Neuheit des Gegenstands von Patentanspruch 1 noch in Bezug genommenen Entgegenhaltungen vorweggenommen.
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aa) Die D1 betrifft einen für pneumatische Saugförderanlagen bestimmten Abscheider, insbesondere zum Beschicken von kunststoffverarbeitenden Maschinen. Im Oberteil des Abscheiders befindet sich eine Filtereinrichtung, bei der zwei Filterpatronen mit radial durchströmtem Filtereinsatz, getrennt durch eine Scheidewand, untereinander angeordnet sind. Die Innenräume beider Filterpatronen sind durch eine Ventileinrichtung für den Förderluftabzug an den Saugstutzen und für den Gutsaustrag an die Außenluft anschließbar. In einer bevorzugten Ausführung umfasst die Ventileinrichtung zwei unabhängig voneinander betätigbare Drei-Wege-Ventile, von denen jedes einer Filterpatrone zugeordnet ist, um deren Innenraum wechselweise an die Außenluft oder an den Saugstutzen anzuschließen (D1 S. 3-4). Für den Abscheidevorgang schließt die Ventileinrichtung die Innenräume beider Filterpatronen an den Saugstutzen an - bei der unteren Filterpatrone geschieht dies über ein den Innenraum der oberen Filterpatrone durchsetzendes Rohr - und sperrt zugleich die Öffnungen zur Außenluft. Die Förderluft durchströmt die Einsätze beider Filterpatronen, die die darin schwebenden Staubteilchen abfangen, und zieht durch den Saugstutzen ab (D1 S. 5). Zur Abreinigung des unteren Filtereinsatzes schließt die Ventileinrichtung den Innenraum der oberen Filterpatrone an den Saugstutzen an und verbindet den Innenraum der unteren Filterpatronen über das durch den Innenraum der oberen Filterpatrone verlaufende Rohr mit der Außenluft. Dabei durchströmt der Saugzug den unteren Filtereinsatz von innen nach außen und entfernt die auf diesem anhaftenden Staubteilchen, die überwiegend in den darunter befindlichen Behälter abgeworfen werden. Der Rest wird mit der abziehenden Reinigungsluft durch den Einsatz der oberen Filterpatrone abgefangen. Für die Abreinigung des oberen Filtereinsatzes wird der Innenraum der oberen Patrone über die Ventileinrichtung an die Außenluft und der Innenraum der unteren Filterpatrone an den Saugstutzen angeschlossen, so dass die Saugluft den oberen Filtereinsatz von innen nach außen durchströmt und die darauf befindlichen Staubteilchen entfernt (D1 S. 6).
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Abgesehen davon, dass der in der Entgegenhaltung D1 beschriebene Abscheider nicht als Schmutzsauger im Sinne des Streitpatents anzusehen ist, offenbart die D1 jedenfalls nicht die Merkmale 4.3 und 4.4.
34
Zwar werden bei dem Abscheider nach der D1 die Filtereinsätze wie beim Streitpatent durch einen Luftstrom gereinigt, der gegenüber demjenigen in der Betriebsstellung umgekehrt ist. Aus den Erläuterungen der D1 zur Abreinigung der Filtereinsätze ergibt sich aber, dass bei der Reinigung eines der beiden Filtereinsätze jeweils auch der andere Filtereinsatz beteiligt ist. Ein gleichzeitiger Arbeitsbetrieb ist damit während des Reinigungsprozesses anders als beim Streitpatent nach den Merkmalen 4.3 und 4.4 nicht möglich.
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bb) Die US-amerikanische Patentschrift 3 385 033 (D2) betrifft einen Staubfilter für Gas- oder Luftreinigungsanlagen, der mehrere in einer Staubkammer angeordnete Filterschläuche aufweist und sich während des laufenden Betriebs selbst reinigt.
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Im Normalbetrieb wird der staubhaltige Luftstrom in die Staubkammer eingeleitet. Der Luftstrom durchströmt die Filterschläuche von außen nach innen. Dabei lagert sich der Staub auf der Außenseite der Filterschläuche ab, während die gefilterte Luft über Sammelrohre aufgrund der Druckdifferenz zwischen diesen Sammelrohren und der Staubkammer nach oben in den Absaugkanal abströmt (D2 Sp. 4 Z. 18-34 = S. 6 Z. 16-25 der Übers.). Zur Abreinigung der Filterschläuche wird über ein Ventil die Öffnung des Sammelkanals für die gefilterte Luft an dem betreffenden Filterschlauch verschlossen und die entsprechende Öffnung des Sammelkanals für die Reinluft (clean air) geöffnet. Ein über eine Ansaugöffnung mit der Umgebungsluft verbundenes Gebläse erzeugt in dem Sammelkanal für Reinluft einen Überdruck, so dass die Reinluft in den jeweiligen Filterschlauch hinein- und diesen von innen nach außen durchströmt. Dadurch wird der auf dem Filterschlauch angesammelte Staub erschüttert oder platzt ab und fällt in einen dafür vorgesehenen Behälter (D2 Sp. 4 Z. 34-62 = S. 6 Z. 25 - S. 7 Z. 15 der Übers.). Zur Abreinigung der Filter wird reine Luft, d.h. im Wesentlichen staubfreie Luft benötigt. Ist die Umgebungsluft nicht staubfrei , kann die Ansaugöffnung des Gebläses statt mit der Umgebungsluft mit dem Absaugkanal verbunden werden, um für die Abreinigung der Filter gefilterte Luft zu erhalten, die wiederum über das Gebläse in den jeweiligen zur Reinigung anstehenden Filterschlauch getrieben wird (D2 Sp. 3 Z. 75 - Sp. 4 Z. 4 = S. 5 Z. 32 - S. 6 Z. 2 der Übers.). Nach den Erläuterungen in der D2 kann bei dieser Konstruktion auch auf dieses Gebläse zugunsten einer Einrichtung verzichtet werden, die im Absaugkanal ein Vakuum erzeugt (means producing a vaccum in the exhaust conduit; vgl. D2 Sp. 4 Z. 4-7 = S. 6 Z. 2-4 der Übers.).
37
Die D2 offenbart in keiner der beschriebenen Ausführungsformen sämtliche Merkmale des Gegenstands von Patentanspruch 1. Soweit bei der Abreinigung der Filterschläuche die reine oder gefilterte Luft über ein Gebläse in die Filterschläuche getrieben wird, sind die Merkmale 1.4 und 4.2 nicht verwirklicht. Das Gebläse, das reine oder gefilterte Luft in die Filterschläuche zu deren Reinigung treibt, muss nach den Ausführungen in der D2 eine Leistung aufweisen, die ausreicht, den Ausgangsdruck (output pressure) in einer bestimmten Größenordnung über dem Ansaugdruck (intake pressure) zu halten (D2 Sp. 3 Z. 69-73 = S. 5 Z. 27-30 der Übers.). Dies setzt voraus, dass für die Ansaugung des zu reinigenden Gases oder der zu reinigenden Luft ein weiteres Gebläse vorhanden ist, weil es ansonsten nicht möglich wäre, in- und außerhalb der Filterschläuche unterschiedlich hohe Drücke aufrechtzuerhalten. Dies gilt entgegen der Annahme des Patentgerichts auch für die Ausführungsform, bei der die Ansaugöffnung des Gebläses statt mit der Umgebungsluft mit dem Absaugka- nal verbunden ist, um gefilterte Luft für die Reinigung der Filter zu erhalten. Denn bei dieser Variante wird, anders als das Patentgericht angenommen hat, nicht auf das separate Gebläse im Reinluftkanal zugunsten des Gebläses im Absaugkanal verzichtet. Vielmehr wird das Gebläse, das bei reiner Umgebungsluft mit dieser verbunden ist, an den Absaugkanal angeschlossen, wenn die Umgebungsluft nicht den erforderlichen Reinheitsgrad aufweist. Das weitere Gebläse, mit dem das zu reinigende Gas angesaugt wird, bleibt hiervon unberührt. Demgegenüber sieht das Streitpatent lediglich ein Gebläse vor. Aber auch bei der Ausführungsform der D2, bei der das mit dem Ansaugkanal verbundene Gebläse durch eine Vakuumerzeugungseinrichtung ersetzt werden kann, fehlt es an einer Offenbarung von Merkmal 4.2. Bei dieser Ausgestaltung weist die Vorrichtung nach der D2 zwar nur ein Gebläse auf. Allerdings wird hierbei der Reinigungsluftstrom - anders als beim Streitpatent - nicht vom Gebläse von innen nach außen durch den Filter gedrückt, sondern aufgrund des Unterdrucks, den die anstelle des Gebläses mit dem Ansaugkanal verbundene Vakuumerzeugungseinrichtung erzeugt.
38
cc) Die deutsche Offenlegungsschrift 1 407 945 (D3) betrifft einen Filter für mit festen Teilchen beladene Fluide, der mit mehreren parallel arbeitenden Zellen ausgestattet ist. Jede dieser Zellen ist mit einer eigenen Fördereinrichtung , wie beispielsweise einem Ventilator oder einer Pumpe, ausgestattet, die mit ihrer Saugseite unmittelbar an eine Zelle angeschlossen ist. Im Normalbetrieb strömt das Fluid durch die Zellen und wird nach der Filtrierung abgezogen. Zur Reinigung wird die Fördereinrichtung der betreffenden Zelle gestoppt, wodurch die Sperrwirkung des Ventilators oder der Pumpe aufgehoben wird, so dass das Fluid in entgegengesetzter Richtung durchströmen kann und dadurch das Filterelement gereinigt wird. Die Zellen werden einzeln gereinigt, so dass bei den jeweils verbleibenden Zellen der Förderbetrieb aufrechterhalten werden kann.
39
Mit der Strömungsumkehr zur Reinigung von Filtern offenbart die D3 ein auch bei dem streitpatentgemäßen Schmutzsauger vorgesehenes Prinzip. Allerdings ist ein wesentliches Kriterium der in der D3 beschriebenen Einrichtung, dass diese ohne die dort als schwerfällig bewerteten Drei-Wege-Ventile auskommt (D3 S. 5 Abs. 2). Die D3 offenbart damit zumindest nicht die Merkmale 1.3 und 4.1. Dies stellt auch die Klägerin nicht in Abrede. Soweit sie allerdings geltend macht, der Gegenstand von Patentanspruch 1 werde durch den in der D3 geschilderten bisherigen Stand der Technik vorweggenommen, kann ihr nicht beigetreten werden. In der Entgegenhaltung D3 wird eingangs ausgeführt , dass die automatische Reinigung von Filtern durch Strömungsumkehr bekanntermaßen mit zwei Maßnahmen sichergestellt werde, nämlich durch Auslösen einer Strömungsumkehr über eine entsprechende Steuerung von Ventilen und durch Abklopfen der Filter auf mechanischem, pneumatischem oder aerodynamischem Wege. Bei dem in der D3 geschilderten Stand der Technik werden das zu filternde Gut und das Fluid zunächst über eine Pumpe in einen Kanal vorgetrieben, der über Klappenventile mit den Filterzellen in Verbindung steht. Ist das entsprechende Klappenventil geöffnet, wird das Fluid durch das entsprechende Filterelement hindurchgedrückt. Um den für die Reinigung des Filters erforderlichen Gegenstrombetrieb auszulösen, werden die Zellen über ein anderes Ventil mit einem weiteren Kanal verbunden, der an eine weitere Pumpe angeschlossen ist, die einen Unterdruck erzeugt und so dafür sorgt, dass das Fluid in entgegengesetzter Richtung durch das Filterelement tritt (D3 S. 7 und Figur 3). Damit fehlt es zumindest an der Offenbarung des Merkmals 2 und der Merkmale 4.1 und 4.2, aus denen sich ergibt, dass der Luftstrom durch das Gebläse umgekehrt wird, das ihn auch erzeugt hat.
40
dd) Die kanadische Patentschrift 700 483 (D4) betrifft einen Abscheider zur Trennung von Feststoffen und Fluiden (fluid-material separator), der auch in Entstaubungsanlagen zum Einsatz kommen kann und sich über eine Strö- mungsumkehr selbst reinigt (D4 S. 2 Abs. 2). Wie der in der D2 beschriebene Staubfilter setzt der Abscheider nach der D3 zur Reinigung der Filter Reinluft (clean air) ein. Damit ist, unabhängig davon, ob man Merkmal 1 als verwirklicht ansieht, jedenfalls Merkmal 4.3 nicht offenbart, aus dem sich ergibt, dass für die Reinigung des Filters der Einsatz von Abluft vorgesehen ist.
41
ee) Die deutsche Patentschrift 41 38 223 (D5) betrifft ein Sauggerät für Reinigungszwecke, das einen mit einem Saugeinlass versehenen Sammelbehälter aufweist, der über eine Saugleitung mit einem Saugaggregat in Verbindung steht. In der Saugleitung befindet sich ein Filter. Zur Abreinigung der Filter ist in der Saugleitung auf der dem Sammelbehälter abgewandten Seite des Filters eine Fremdluftzufuhr angeordnet, die gegenüber der Saugleitung abgedichtet wahlweise auf verschiedene Teilbereiche des Filters aufsetzbar ist (D5 Sp. 1 Z. 38-44). In einer als besonders vorteilhaft geschilderten Ausführungsform sind zwischen Sammelbehälter und Saugaggregat statt nur einer Öffnung mit einem Filter mindestens zwei parallel durchströmte, jeweils mit Einzelfiltern verschlossene Öffnungen vorgesehen, so dass während der Abreinigung des einen Filters der Saugbetrieb über den anderen Filter aufrechterhalten werden kann (D5 Sp. 1 Z. 64 - S. 2 Z. 12). Bei dem in der D5 dargestellten Ausführungsbeispiel erfolgt der Wechsel vom Saugbetrieb in die Reinigungsstellung über ein modulares Bauteil, das ein zylindrisches Gehäuse aufweist und zwischen Sammelbehälter , dessen Oberseite es abdichtet, und Saugaggregat angeordnet ist. Das zylindrische Gehäuse weist an seiner Unterseite eine Auslassöffnung auf, die durch den Boden des modularen Bauteils verschlossen wird, und steht über eine flexible Verbindungsleitung mit der Außenluft in Verbindung. Das Gehäuse ist um eine senkrecht auf dem Boden des modularen Bauteils stehende Lagerachse gelagert und in drei Positionen verschwenkbar. Im Saugbetrieb befindet sich das Gehäuse in einer Zwischenstellung, in der die Auslassöffnung des Gehäuses und damit die Fremdluftzufuhr durch den Boden des modularen Bauteils verschlossen ist, so dass das Saugaggregat über beide Durchstromöffnungen durch die Einzelfilter Luft aus dem Sammelbehälter ansaugt. Zur Abreinigung der Einzelfilter wird das Gehäuse mittels eines Antriebsmotors so weit verschwenkt , dass seine Auslassöffnung eine der beiden Durchstromöffnungen abgedichtet überdeckt und über die Außenluftzufuhr des Gehäuses Fremdluft angesaugt wird, die über die Durchstromöffnung in den Sammelbehälter strömt und so den betreffenden Einzelfilter abreinigt (D5 Sp. 3 Z. 12 - Sp. 4 Z. 16).
42
Die D5 betrifft damit zwar wie das Streitpatent einen Schmutzsauger, bei dem durch eine entsprechende Gestaltung der Filter eine Abreinigung der Filter möglich ist, ohne dass der Saugbetrieb unterbrochen werden müsste. Nicht offenbart werden jedoch die Merkmale 1.3 und 4.1, da bei der D1 die Umstellung vom Saugbetrieb in die Reinigungsstellung nicht über Drei-Wege-Ventile erfolgt. Außerdem fehlt es an der Offenbarung des Merkmals 4.2, da der Filter nicht mittels eines stoßartigen Reinigungsluftstroms gereinigt wird.
43
b) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung war dem Fachmann auch nicht durch den Stand der Technik nahegelegt (§ 4 Satz 1 PatG).
44
aa) Der Fachmann ist entgegen der Annahme des Patentgerichts nicht anhand des in der Streitpatentschrift dargestellten Standes der Technik, sondern nach dem Gegenstand des Streitpatents zu bestimmen. Danach ist zuständiger Fachmann ein Maschinenbauingenieur, der Erfahrungen und Kenntnisse in der Filter-, Strömungs- und Elektrotechnik im Zusammenhang mit der Konstruktion von Sauggeräten für Reinigungszwecke hat.
45
bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin führen die Entgegenhaltungen D5 und D2 den Fachmann nicht zu der Erfindung.
46
(1) Es ist bereits fraglich, ob der Fachmann, der vor die Aufgabe gestellt ist, die Reinigungsleistung eines Schmutzsaugers zu verbessern, wie er in der D5 beschrieben ist, die D2 überhaupt in seine Überlegungen einbezieht. Die D2 betrifft einen Staubfilter für eine Gas- oder Luftreinigungsanlage, die darauf ausgerichtet ist, möglichst reines Gas oder reine Luft zu erhalten. Der erfindungsgemäße Schmutzsauger dient dagegen nicht der Luftreinigung. Vielmehr wird hierbei die Luft lediglich als Medium zur Aufnahme und Entfernung von Schmutz eingesetzt.
47
(2) Unabhängig hiervon ist nicht ersichtlich, inwieweit der Fachmann durch eine Kombination der D5 mit der D2 zum Gegenstand der Erfindung hätte gelangen können. Zwar mag die D2 - wie die Klägerin geltend macht - eine Möglichkeit offenbaren, wie trotz verschmutzter Umgebungsluft eine effiziente Reinigung von Filtern durch den Einsatz von gefilterter (Ab-)Luft erreicht werden kann. Selbst wenn der Fachmann vor diesem Hintergrund das über eine flexible Verbindungsleitung mit der Außenluft in Verbindung stehende zylindrische Gehäuse der D5 durch das den Sammelkanal für Reinluft und den Absaugkanal enthaltende Oberteil der D2 ersetzte, erhielte er allenfalls einen Schmutzsauger , der entweder zwei Gebläse oder ein Gebläse und eine Vakuumerzeugungseinrichtung benötigt. Eine Anregung, den Schmutzsauger so zu konstruieren , dass sowohl der reguläre Saugbetrieb als auch die Reinigung der Filter über nur ein Gebläse gesteuert werden kann, gab die D2 dagegen nicht.
48
cc) Die weiteren Entgegenhaltungen kommen dem Gegenstand des Streitpatents nicht näher.
49
5. Anhaltspunkte dafür, dass die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann, liegen nicht vor. Das Patentgericht hat sich - nach seinem Ausgangspunkt konsequent - nicht mit dem von der Klägerin in der ersten Instanz noch geltend gemachten Nichtigkeitsgrund der unzureichenden Offenbarung befasst. In seinem Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG hat das Patentgericht jedoch ausgeführt, dass der Fachmann mit den Darlegungen zur Abreinigungsstellung bei dem in der Streitpatentschrift dargestellten Ausführungsbeispiel (Beschr. Abs. 39-42 und Abs. 44-48) hinreichende Angaben zur Ausführung des Gegenstands des Streitpatents erhalte. Dies ist nicht zu beanstanden; auch die Klägerin hat diesen Nichtigkeitsgrund im Berufungsverfahren nicht mehr aufgegriffen.
50
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
51
V. Der Senat hat die verkündete Urteilsformel wegen offenbarer Unrichtigkeit gemäß § 319 ZPO dahin ergänzt, dass sich die ebenfalls angegriffenen Patentansprüche 2, 9, 10 und 11 auf die geänderte Fassung des Patentanspruchs 1 rückbeziehen. Dies entspricht dem Hauptantrag der Beklagten, mit dem diese das Streitpatent mit einem kompletten Anspruchssatz verteidigt hat, wonach Patentanspruch 1 die aus dem Tenor ersichtliche Fassung erhalten soll und die Ansprüche 2, 9, 10 und 11 sich auf diese Fassung rückbeziehen sollen.
Richter am Bundesgerichtshof Gröning kann infolge Urlaubsabwesenheit nicht unterschreiben. Meier-Beck Meier-Beck Grabinski
Hoffmann Kober-Dehm
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 16.09.2014 - 3 Ni 16/13 -

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(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Zivilprozessordnung - ZPO | § 319 Berichtigung des Urteils


(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen. (2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil un

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

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Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Gehören zum Stand der Technik auch Unterlagen im Sinne des § 3 Abs. 2, so werden diese

Patentgesetz - PatG | § 3


(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung od

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(1) In dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats weist das Patentgericht die Parteien so früh wie möglich auf Gesichtspunkte hin, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung

Patentgesetz - PatG | § 117


Auf den Prüfungsumfang des Berufungsgerichts, die verspätet vorgebrachten, die zurückgewiesenen und die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sind die §§ 529, 530 und 531 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden. Dabei tritt an die Stelle de

Patentgesetz - PatG | § 116


(1) Der Prüfung des Bundesgerichtshofs unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. (2) Eine Klageänderung und in dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats eine Verteidigung mit e

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Bundesgerichtshof Urteil, 19. Dez. 2006 - X ZR 236/01

bei uns veröffentlicht am 19.12.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 236/01 Verkündet am: 19. Dezember 2006 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja B

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 236/01 Verkündet am:
19. Dezember 2006
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Carvedilol II
EPÜ Art. 52 Abs. 4; PatG § 5 Abs. 2

a) Die Verabreichung einer für die Behandlung einer bestimmten Krankheit
vorgesehenen Medizin als solche ist ein therapeutisches Verfahren zur Behandlung
des menschlichen Körpers. Sie ist nicht Element der Herrichtung
eines Stoffes zur Verwendung bei der Behandlung einer Krankheit (Abgrenzung
zu BGHZ 88, 209, 217 - Hydropyridin).

b) Ist eine dem Patentschutz nicht zugängliche Dosierungsempfehlung eines
von mehreren Merkmalen eines Patentanspruches, so ist sie jedenfalls nicht
zur Beurteilung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit heranzuziehen. Es
bleibt offen, ob die Aufnahme der Dosierungsempfehlung dazu führt, dass
der Patentanspruch insgesamt vom Schutz ausgeschlossen ist.
BGH, Urt. vom 19. Dezember 2006 - X ZR 236/01 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Dezember 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. MeierBeck
und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 18. September 2001 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen, die auch die Kosten der Nebeninterventionen zu tragen hat.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 7. Februar 1996 unter Inanspruchnahme der Prioritäten der deutschen Patentanmeldung 195 03 995 vom 8. Februar 1995 sowie der US-amerikanischen Patentanmeldung 483 635 vom 7. Juni 1995 angemeldeten und mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 808 162 (Streitpatents ). Es betrifft die "Verwendung von Carbazolverbindungen zur Herstellung eines Arzneimittels für die Behandlung von kongestivem Herzversagen".
Das Streitpatent umfasst 12 Ansprüche. Die Patentansprüche 1, 3, 4, 6 und 10 haben in der Verfahrenssprache Englisch folgenden Wortlaut:
1. The use of a compound which is both a β-adrenoreceptor antagonist and a α1-adrenoreceptor antagonists for the manufacture of a medicament for decreasing mortality resulting from congestive heart failure in mammals, alone or in conjunction with one or more other therapeutic agents, said agents selected from the group consisting of an angiotensin converting enzyme inhibitor, a diuretic and a cardiac glycosides.
3. The use of a compound according to claim 1 or 2, wherein said compound is carvedilol.
4. The use of a compound according to claim 3, whereby a pharmaceutical formulation containing either 3.125 or 6.25 mg carvedilol in a single unit are administered for a period of 7-28 days, once or twice daily as an initial dose.
6. The use of a compound according to claim 3, whereby a pharmaceutical formulation containing either 25.0 or 50.0 mg carvedilol in a single unit are administered once or twice as a maintenance dose.
10. The use of carvedilol for the manufacture of a medicament for decreasing mortality resulting from congestive heart failure in mammals according to the following regimen:

a) administering a pharmaceutical formulation which contains either 3.125 or 6.25 mg carvedilol per single unit for a period of 7-28 days, given once or twice daily,

b) administering thereafter a pharmaceutical formulation which contains 12.5 mg carvedilol per single unit for a period of additional 7-28 days, given once or twice daily and

c) administering finally a pharmaceutical formulation which contains either 25.0 or 50.0 mg carvedilol per single unit, given once or twice daily as a maintenance dose.
2
Wegen des Wortlauts der unmittelbar und mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2, 5, 7-9 und 12 sowie des unmittelbar auf Patentanspruch 10 rückbezogenen Patentanspruchs 11 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
3
Die Klägerin hat die Nichtigerklärung des Streitpatents für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland begehrt. Sie hat zur Begründung geltend gemacht, die Lehre des Streitpatents sei nicht neu und beruhe jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
4
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent antragsgemäß für nichtig erklärt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, in der sie das Streitpatent mit folgenden Patentansprüchen 1 und 2 verteidigt: "1. Verwendung von Carvedilol zur Herstellung eines Medikaments zur Senkung der Mortalität aufgrund kongestiven Herz- versagens bei menschlichen Patienten in Verbindung mit einem Hemmer für Angiotensin umwandelndes Enzym, einem Diuretikum und einem Digitalis-Glykosid, wobei das Medikament in einer Eingangsdosis von 3,125 mg oder 6,250 mg Carvedilol pro Tag über einen Zeitraum von 7 bis 28 Tagen verabreicht wird, gefolgt von Dosierungssteigerungen jeweils im Abstand von 14 Tagen bis zu einer maximalen Dosis von 2 x 25 mg Carvedilol pro Tag.
2. Verwendung von Carvedilol zur Herstellung eines Medikaments zur Senkung der Mortalität aufgrund kongestiven Herzversagens bei Säugern in Verbindung mit mehreren anderen therapeutischen Mitteln, wobei diese Mittel ausgewählt sind aus der Gruppe, bestehend aus einem Hemmer für Angiotensin umwandelndes Enzym, einem Diuretikum und einem Digoxin , wobei das Medikament in einer Anfangsdosis von 3,125 mg oder 6,25 mg Carvedilol vorzugsweise 2 x täglich über einen Zeitraum von 14 Tagen verabreicht wird, gefolgt von einer Verdoppelung der Dosis jeweils im Abstand von 14 Tagen bis zu einer Erhaltungsdosis zwischen 25 und 50 mg, vorzugsweise 2 x täglich."
5
In einem ersten Hilfsantrag verteidigt die Beklagte das Streitpatent mit zwei Patentansprüchen, die sich von denjenigen des Hauptantrags durch Weglassung der Dosierungsanweisungen unterscheiden: "1. Verwendung von Carvedilol zur Herstellung eines Medikaments zur Senkung der Mortalität aufgrund kongestiven Herzversagens bei menschlichen Patienten in Verbindung mit ei- nem Hemmer für Angiotensin umwandelndes Enzym, einem Diuretikum und einem Digitalis-Glykosid.
2. Verwendung von Carvedilol zur Herstellung eines Medikaments zur Senkung der Mortalität aufgrund kongestiven Herzversagens bei Säugern in Verbindung mit mehreren anderen therapeutischen Mitteln, wobei diese Mittel ausgewählt sind aus der Gruppe, bestehend aus einem Hemmer für Angiotensin umwandelndes Enzym, einem Diuretikum und einem Digoxin."
6
In einem zweiten Hilfsantrag verteidigt die Beklagte das Streitpatent mit folgenden Patentansprüchen: "1. Verwendung von Carvedilol zur Herstellung eines Medikaments zur Senkung der Mortalität aufgrund kongestiven Herzversagens bei menschlichen Patienten in Verbindung mit einem Hemmer für Angiotensin umwandelndes Enzym, einem Diuretikum und einem Digitalis-Glykosid, wobei das Medikament zur Verabreichung in einer Eingangsdosis von 3,125 mg oder 6,25 mg Carvedilol pro Tag über einen Zeitraum von 7 bis 28 Tagen, gefolgt von Dosierungssteigerungen jeweils im Abstand von 14 Tagen bis zu einer maximalen Dosis von 2 x 25 mg pro Tag hergerichtet ist.
2. Verwendung von Carvedilol zur Herstellung eines Medikaments zur Senkung der Mortalität aufgrund kongestiven Herzversagens bei Säugern in Verbindung mit mehreren anderen therapeutischen Mitteln, wobei diese Mittel ausgewählt sind
aus der Gruppe, bestehend aus einem Hemmer für Angiotensin umwandelndes Enzym, einem Diuretikum und einem Digoxin , wobei das Medikament zur Verabreichung in einer Anfangsdosis von 3,125 mg oder 6,25 mg Carvedilol vorzugsweise 2 x täglich über einen Zeitraum von 14 Tagen, gefolgt von einer Verdoppelung der Dosis jeweils im Abstand von 14 Tagen bis zu einer Erhaltungsdosis zwischen 25 und 50 mg, vorzugsweise 2 x täglich, hergerichtet ist."
7
In der Berufungsinstanz haben die Streithelferinnen ihren Beitritt zum Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin erklärt. Der Senat hat die Nebeninterventionen durch Beschluss vom 17. Januar 2006 zugelassen (BGHZ 166, 18 - Carvedilol I).
8
Der Senat hat ein schriftliches Gutachten und ein Ergänzungsgutachten des Professors Dr. T. M. eingeholt; seine Ausführungen hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt. Die Beklagte hat ein Gutachten des Professors Dr.M. H. sowie fünf gutachtliche Stellungnahmen des Professors Dr. Dr. E. E. zu den Akten gereicht. Die Klägerin hat zwei gutachtliche Stellungnahmen des Professors Dr. R. H. , die Streithelferin zu 1 ein Gutachten des Dr. J. B. und die Streithelferin zu 2 eine Stellungnahme des Dr. Dr. W. A. vorgelegt.

Entscheidungsgründe:


9
Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.
10
I. 1. Das Streitpatent betrifft in der in erster Linie verteidigten Fassung die Verwendung von Carvedilol zur Herstellung eines Medikaments zur Senkung der Mortalität aufgrund kongestiven Herzversagens, wobei das Carvedilol in Verbindung mit einem Hemmer für Angiotensin umwandelndes Enzym, einem Diuretikum und einem Digitalis-Glykosid (Patentanspruch 1) oder mit mehreren von diesen drei anderen therapeutischen Mitteln (Patentanspruch 2) verabreicht wird, und zwar nach dem Hauptantrag der Beklagten nach einem bestimmten, einschleichenden Dosierungsschema.
11
Das Streitpatent schildert als Stand der Technik, chronische (Stauungs-) Herzinsuffizienz (congestive heart failure; CHF) mit einer Kombination aus einem ACE-Hemmer (Verbindung, welche die Umwandlung von Angiotensin I in das gefäßverengend wirkende Angiotensin II verhindert), einem Diuretikum und einem Herzglykosid zu behandeln. Da Herzinsuffizienz zu hoher Sterblichkeit führe, seien Therapeutika sehr wünschenswert, welche die Sterblichkeit der an dieser Krankheit leidenden Patienten senkten. Die Streitpatentschrift erwähnt sodann erste Untersuchungen zur Behandlung von Herzinsuffizienz mit Carvedilol , wobei sich einige positive Wirkungen bei Hämodynamik und Symptomen gezeigt hätten (DasGupta P. et al., 1992, Entgegenhaltung 6) und eine günstige Wirkung von Carvedilol auf die Funktion der linken Herzkammer festgestellt worden sei (Senior R. et al., 1992, Entgegenhaltung 3).
12
Ausgehend von diesem Stand der Technik möchte das Streitpatent Carvedilol als Mittel zur Senkung der Mortalität aufgrund einer Stauungsherzinsuffizienz verfügbar machen. Dafür schlägt Patentanspruch 1 in der hauptsächlich verteidigten Fassung vor: 1. Verwendung von Carvedilol zur Herstellung eines Medikaments 2. zur Senkung der Mortalität aufgrund kongestiven Herzversagens bei menschlichen Patienten 3. in Verbindung mit 3.1 einem Hemmer für Angiotensin umwandelndes Enzym, 3.2 einem Diuretikum und 3.3 einem Digitalis-Glykosid, 4. wobei das Medikament verabreicht wird 4.1 in einer Eingangsdosis von 4.1.1 3,125 mg oder 6,250 mg Carvedilol pro Tag 4.1.2 über einen Zeitraum von 7 bis 28 Tagen, 4.2.1 gefolgt von Dosissteigerungen 4.2.2 jeweils im Abstand von 14 Tagen 4.3 bis zu einer maximalen Dosis von 2 x 25 mg Carvedilol pro Tag.
13
Patentanspruch 2 lässt sich wie folgt gliedern (Unterschiede zu Patentanspruch 1 fett hervorgehoben): 1. Verwendung von Carvedilol zur Herstellung eines Medikaments 2. zur Senkung der Mortalität aufgrund kongestiven Herzversagens bei Säugern 3. in Verbindung mit mehreren anderen therapeutischen Mitteln, wobei diese Mittel ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus 3.1 einem Hemmer für Angiotensin umwandelndes Enzym, 3.2 einem Diuretikum und 3.3 einem Digoxin, 4. wobei das Medikament verabreicht wird 4.1 in einer Anfangsdosis von 4.1.1 3,125 mg oder 6,25 mg Carvedilol vorzugsweise 2 x täglich 4.1.2 über einen Zeitraum von 14 Tagen 4.2.1 gefolgt von einer Verdoppelung der Dosis 4.2.2 jeweils im Abstand von 14 Tagen 4.3 bis zu einer Erhaltungsdosis zwischen 25 und 50 mg, vorzugsweise 2 x täglich.
14
3. Die Streitpatentschrift schildert Carvedilol als Arzneimittel mit Mehrfachwirkung. Es wirke sowohl als kompetitiver nicht selektiver β-Adrenoreceptor -Antagonist (Betablocker) wie auch als Vasodilatator. Die gefäßerweiternde Wirkung von Carvedilol beruhe in erster Linie auf einer α1-Adrenoreceptor -Blockierung, während die β-Adrenoreceptor-blockierende Wirkung des Arzneimittels eine reflektorische Tachykardie (erhöhte Herzschlagfrequenz) verhindere, wenn es bei der Behandlung von Bluthochdruck verwendet werde. Carvedilol verringere auch die Infarktgröße beim akuten Myokardinfarkt am Ratten -, Hunde- und Schweinemodell (Ruffolo et al., Entgegenhaltung 5). Bei klinischen Studien sei entdeckt worden, dass Carvedilol bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz die Sterblichkeit um etwa 67 % vermindere. Dieses Ergebnis sei überraschend gewesen, weil Betablocker eine unerwünschte kardiodepressive Wirkung hätten und deshalb im Allgemeinen kontraindiziert bei Pati- enten seien, die an Herzinsuffizienz litten. Zudem hätten kurz vor dem Prioritätstag Studien mit den Betablockern Metoprolol und Bisoprolol bei der Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz keinen Unterschied bei der Sterblichkeit zwischen mit diesen Mitteln behandelten Patienten und placebobehandelten Patienten gezeigt (S. 5 Z. 15-26).
15
II. Das Streitpatent ist, nachdem es jedenfalls auch in einer zulässigerweise eingeschränkten Fassung verteidigt wird, in dem Umfang, in dem es nicht mehr verteidigt wird, ohne weitere Sachprüfung für nichtig zu erklären (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urt. v. 04.06.1996 - X ZR 49/94, GRUR 1996, 857, 858 - Rauchgasklappe; insoweit nicht in BGHZ 133, 57 abgedruckt). Aber auch mit den Patentansprüchen 1 und 2 in den hauptsächlich und hilfsweise verteidigten Fassungen hat das Streitpatent keinen Bestand.
16
1. Es kann offenbleiben, ob die Patentansprüche in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung zulässig sind. Bedenken ergeben sich insoweit daraus, dass sie in Merkmalsgruppe 4 eine bloße Dosisempfehlung enthalten, die angibt, in welchen Mengen das Carvedilol enthaltende Medikament zu welchen Zeiten Patienten verabreicht werden soll. Die Verabreichung einer für die Behandlung einer bestimmten Krankheit vorgesehenen Medizin als solche ist ein therapeutisches Verfahren zur Behandlung des menschlichen Körpers. Es ist nicht Element der Herrichtung eines Stoffs zur Verwendung bei der Behandlung einer Krankheit (vgl. BGHZ 88, 209, 217 - Hydropyridin), sondern folgt dieser. Die Bestimmung des geeigneten individuellen Therapieplans für einen Patienten einschließlich der Verschreibung und Dosierung von Medikamenten ist prägender Teil der Tätigkeit des behandelnden Arztes und damit ein nach Art. 52 Abs. 4 EPÜ und § 5 Abs. 2 PatG dem Patentschutz entzogenes Verfahren. Zwar kommt ein Verwendungsanspruch auch für die Herrichtung eines bestimmten Stoffs zur Behandlung einer Krankheit in Betracht, die durch einen im Vertrieb beigefügten Beipackzettel oder einen Verwendungshinweis auf der Packung erfolgt. Ein Patentschutz für von der Herrichtung des Stoffs gelöste, reine Dosierungsempfehlungen ergibt sich daraus jedoch nicht. Soweit das Bundespatentgericht in seiner neueren Praxis (Urt. v. 22.03.1996 - 14 W (pat) 116/94, GRUR 1996, 868 - Knochenzellenpräparat) hierzu einen anderen Standpunkt einnimmt, ist ihm nicht beizutreten. Ein anderes Ergebnis wäre mit dem Wortlaut des Art. 52 Abs. 4 EPÜ unvereinbar und würde diese Bestimmung eines wesentlichen Teils des ihr zugedachten Anwendungsbereichs berauben.
17
Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob die Aufnahme der nicht patentfähigen Dosierungsempfehlung dazu führt, dass die Patentansprüche des Hauptantrags insgesamt vom Schutz ausgeschlossen sind, wie dies etwa das Europäische Patentamt annimmt (vgl. etwa Beschl. v. 11.06.1997 - T 329/94, GRUR Int. 1998, 608 - Verfahren zur Blutextraktion/BAXTER; v. 15.05.1995 - T 82/93, GRUR Int. 1996, 945 - Herzphasensteuerung/TELECTRONICS). Aus Art. 52 Abs. 4 EPÜ, der die Freiheit der ärztlichen Therapie schützt, ist jedenfalls abzuleiten, dass die Dosisempfehlung zur Beurteilung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit nicht heranzuziehen ist. Gegenstand der Prüfung auf Schutzfähigkeit sind daher nur die Merkmale ohne diese Anweisung, wie sie auch in Hilfsantrag 1 zusammengefasst sind, der den Ansprüchen des Hauptantrags , jedoch ohne die Merkmale, welche die Dosierung von Carvedilol betreffen, entspricht.
18
2. Es kann auch dahinstehen, ob die Beklagte für die Patentansprüche des Hilfsantrags 1 zu Recht die von ihr genannten Prioritäten in Anspruch nimmt. Auch wenn dies unterstellt wird und damit die älteste beanspruchte Priorität (08.02.1995) heranzuziehen ist, erweisen sich die mit den Patentansprü- chen in der Fassung dieses Antrags beanspruchten Gegenstände als nicht patentfähig.
19
2.1. Zum unterstellten Prioritätstag wurde die Anwendung von Carvedilol zur Behandlung von Herzinsuffizienz auf der Grundlage klinischer Versuche in der Fachöffentlichkeit bereits in großem Umfang diskutiert (etwa Olsen et al., Entgegenhaltung 8, 1993; Krum et al., Entgegenhaltung 13, 1993; DasGupta et al., Entgegenhaltung 9, 1990; Kelly, Entgegenhaltung 57, 1993; Senior et al., Entgegenhaltung 3, 1992; Fowler, Entgegenhaltung 61, 1993, S. 62).
20
Jedenfalls in der Veröffentlichung von Krum wird ausdrücklich beschrieben , dass die mit Carvedilol behandelten Patienten weiterhin als Standardtherapie eine Kombination aus Digoxin, Diuretika und ACE-Hemmern erhielten. Digoxin ist ein Digitalis-Glykosid. Bereits Swedberg et al. berichteten 1979 über den gleichzeitigen Einsatz von Betablockern mit Digitalis und Diuretika (Entgegenhaltung 24). DasGupta (S. 118) und Kelly (S. 47 l. Sp.) schildern die parallele Behandlung an Herzinsuffizienz leidender Patienten mit Carvedilol und Diuretika , wobei Kelly (S. 47, r. Sp.) auch die gleichzeitige Einnahme von ACEHemmern vorschlägt. Fowler erwähnt vielversprechende, vorläufige Studien zum Einsatz von Carvedilol bei der Behandlung von Herzinsuffizienz bei Aufrechterhaltung der Standardtherapie aus Digoxin, Diuretika und ACE-Hemmern. Damit waren jedenfalls Merkmal 1 sowie die Merkmalsgruppe 3 beider verteidigter Patentansprüche im unterstellten Prioritätszeitpunkt aus dem Stand der Technik bekannt.
21
2.2. Der Patentschutz stützt sich vor diesem Hintergrund allein auf den spezifischen Zweck einer Senkung der Mortalität durch die Verwendung des als Arzneimittel bekannten Stoffes Carvedilol in Kombination mit der ebenso bekannten Standardtherapie der genannten drei weiteren Arzneimittel auf dem bekannten Anwendungsgebiet der Behandlung von Herzinsuffizienz. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob sich aus dieser Zweckbestimmung hier die Neuheit der Lehre des Streitpatents herleiten lässt.
22
Bei als solchen bekannten Arzneimitteln hat der Senat bisher Neuheit nur angenommen, wenn es um die Herrichtung des Stoffes für die Behandlung einer Krankheit ging, die mit ihm bisher nicht therapiert worden war (Sen., aaO - Hydropyridin; BGHZ 164, 220 - Arzneimittelgebrauchsmuster). Eine Schutzfähigkeit eines weiteren Therapieziels (etwa Mortalitätssenkung gegenüber der Behandlung von Symptomen), das beim bekannten Einsatz eines bekannten Medikaments zur Behandlung einer bestimmten Krankheit schon im Stand der Technik erreicht, jedoch noch nicht beschrieben wurde, lässt sich der Rechtsprechung des Senats dagegen nicht entnehmen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Berufung herangezogenen Entscheidung BGHZ 101, 159 - Antivirusmittel. Dort hat der Senat zwar ausgeführt, in Bezug auf den zweckgebundenen Stoffschutz scheide eine Benutzung des Patentgegenstands aus, wenn ein anderer als der im Patent genannte Zweck verwirklicht werde (aaO S. 164). Aus dem Zusammenhang dieser zur früheren deutschen Rechtlage ergangenen Entscheidung ergibt sich aber, dass mit dem Zweck der Verwendung dort allein die Vorbeugung gegen und die Behandlung einer bestimmten Erkrankung gemeint war. Geschützt war der final determinierte Einsatz eines Stoffes als Antivirusmittel; er wurde jedoch von der dortigen Verletzungsbeklagten zur Behandlung der Parkinsonschen Krankheit eingesetzt.
23
Soweit der Senat in seiner Entscheidung "Arzneimittelgebrauchsmuster" (aaO S. 222) ausgeführt hat, bei der medizinischen Indikation werde zur Erzielung einer präventiven oder therapeutischen Wirkung auf einen menschlichen oder tierischen Körper eingewirkt, ging es um die Abgrenzung zu Arbeitsverfahren , die vom Gebrauchsmusterschutz ausgeschlossen sind. Aus dieser Ent- scheidung folgt daher nichts für die Auffassung der Berufung, der bekannte Einsatz eines bekannten Arzneimittels zur Behandlung einer bestimmten Krankheit solle dann patentfähig sein, wenn bei dieser Behandlung nunmehr bewusst ein Therapieziel verfolgt wird, das tatsächlich schon bisher erreicht wurde.
24
Zudem handelt es sich bei der Neuheit um einen patentrechtlichen Begriff normativen Charakters (vgl. Kraßer, Lehrbuch des Patentrechts, 5. Aufl., S. 280). Es ist daher unerheblich, ob der vom Europäischen Patentübereinkommen nicht benutzte Terminus der medizinischen Indikation im medizinischen Sprachgebrauch auch durch das jeweils mit der Behandlung einer Krankheit verfolgte Therapieziel und nicht nur durch Krankheit und Behandlungsmethode definiert wird. Nach dem Gedanken des Art. 54 Abs. 5 EPÜ ist maßgebend, ob die Anwendung des Stoffes in einem der in Art. 52 Abs. 4 EPÜ genannten Verfahren nicht zum Stand der Technik gehört. Dass dieses Merkmal durch bisher nicht bekannte weitere therapeutische Anwendungen bei dem gleichen Krankheitsbild erfüllt werden kann, erscheint auch mit Blick auf den Zweck der Regelung nicht ohne weiteres einsichtig.
25
Letztlich kann aber die Schutzfähigkeit der von der Beklagten beanspruchten Verwendung von Carvedilol zur Mortalitätssenkung ebenso dahinstehen wie die Frage, ob der Gegenstand des Streitpatents etwa in der Veröffentlichung von Fowler (Entgegenhaltung 61) vorweggenommen wurde. Jedenfalls beruht er auch in den noch verteidigten Fassungen der Patentansprüche nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Art. 56 EPÜ).
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2.3. Das Bundespatentgericht hat als für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit maßgeblichen Fachmann einen Facharzt für innere Medizin mit Erfahrungen in der Behandlung von Herz- und Kreislauferkrankungen angese- hen. Der Senat vermag dieser Auffassung nicht beizutreten. Die Bewertung der für eine Erfindung aufzubringenden Entwicklungsarbeit hängt davon ab, welche Kenntnisse und Fähigkeiten von einem mit Neuerungen auf dem jeweiligen Fachgebiet betrauten Fachmann erwartet werden dürfen (Sen. in st. Rspr., etwa Urt. v. 29.02.2000 - X ZR 166/97 - Warenregal, bei Bausch, Nichtigkeitsrechtsprechung in Patentsachen Bd. 3, 365, 369 f.). Es kann auch für den unterstellten Prioritätszeitpunkt nicht davon ausgegangen werden, dass Medikamente zur Behandlung von Herzinsuffizienz typischerweise von niedergelassenen oder klinischen Ärzten allein entwickelt wurden, die diese Medikamente später in ihrer Praxis anwendeten. Das hat der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Herzmittel werden und wurden - wie gemeinhin auch sonst Arzneimittel - von Spezialistenteams in pharmazeutischen Unternehmen, Universitätskliniken oder anderen medizinischen Forschungseinrichtungen entwickelt. Mitglied eines solchen Teams war hier jedenfalls auch ein Wissenschaftler, der als Kardiologe qualifiziert war und zusätzlich Kenntnisse der Pharmakologie besaß. Er verfügte über einschlägige Erfahrungen bei der Entwicklung von Herzmitteln. Dem Team wird ferner entweder angehört oder für Konsultationen zur Verfügung gestanden haben auch ein Biometriker , der Methoden zur Planung, Durchführung und Auswertung klinischer Experimente und Studien bereitstellen konnte, ohne die eine Zulassung von Arzneimitteln nicht möglich war. Der maßgebliche Fachmann wird daher entgegen der Auffassung der Beklagten bei seiner Entwicklungsarbeit keineswegs nur solche Publikationen berücksichtigt haben, die den Kriterien der evidenzbasierten Medizin genügen, also insbesondere mit Studien belegt sind, die einem besonders qualifizierten Studiendesign als Voraussetzung der Arzneimittelzulassung genügen.
27
2.4. Vor diesem Hintergrund war es schon im Februar 1995, dem früheren der beanspruchten Prioritätszeitpunkte, naheliegend, Carvedilol auch als Mittel zur Senkung der Mortalität bei Herzinsuffizienz zu verwenden. Der Senat stimmt damit im Ergebnis und weitgehend auch in der Begründung mit der Entscheidung des kanadischen Bundesgerichts (T-1871-01 v. 18.07.2003 - Ministry of Health and Pharmascience vs. Glaxo Smith Kline, 2002 FC 899, Noel J.) überein.
28
Im Stand der Technik fand der Fachmann die Behandlung von Herzinsuffizienz mit Carvedilol in Kombination mit einem ACE-Hemmer, einem Diuretikum und einem Digoxin bzw. Digitalis-Glykosid vor. Der Fachmann konnte der Fachliteratur auch verschiedene Hinweise auf eine mortalitätssenkende Wirkung von Carvedilol bei Patienten entnehmen, die an Herzinsuffizienz leiden.
29
a) Der gerichtliche Sachverständige hat ausgeführt, schon seit Ende der 1970er Jahre habe in der Fachwelt das Bedürfnis bestanden, die Frage zu prüfen , ob Beta-Rezeptorenblocker und unter ihnen auch speziell Carvedilol die Prognose - und damit die Überlebenschance - bei Patienten mit Herzinsuffizienz verbessern können. Er hat dazu auf die Studie von Swedberg et al. aus dem Jahr 1979 (Entgegenhaltung 24) verwiesen. In dieser Publikation wird auf der Grundlage einer kleinen klinischen Studie die Auffassung vertreten, dass Betablocker als zusätzliche Gabe zu Digitalis und Diuretika bei der Behandlung von schwerer dekompensierter Kardiomyopathie (COCM) die Myokardfunktion und damit die Prognose verbessern. Allerdings hatte diese Studie deutliche methodische Schwächen (z.B. geringe Patientenanzahl, retrospektive Auswahl der Kontrollgruppe, nicht randomisierte Prüfung) und Carvedilol gehörte nicht zu den geprüften Betablockern (vgl. Tabelle S. 1375 l. oben der Entgegenhaltung). Der Privatgutachter der Beklagten, Prof. H. , hat in seiner Stellungnahme ausgeführt, dass seit Beginn der 1980er Jahre das Interesse der medizinischen Fachwelt nicht mehr nur darauf ausgerichtet war, die Symptome der Patienten zu lindern, sondern auch deren Prognose zu verbessern.

30
Pitt (1992, Entgegenhaltung 23) berichtet in einer Abhandlung über die Bedeutung von Betablockern bei der Vorbeugung gegen den plötzlichen Herztod , dass Daten aus mehreren sorgfältig angelegten, großen, placebokontrollierten Doppelblindstudien nach Anwendung von Betablockern eine Senkung der Gesamtmortalität wie auch der Häufigkeit des plötzlichen Herztods vermuten ließen. Weiter heißt es, neue β-adrenerge Blocker mit vasodilatierenden (gefäßerweiternden) Eigenschaften eröffneten einen neuen Weg zur Überprüfung der Hypothese, dass β-adrenerge Blocker bei der Prophylaxe des plötzlichen Herztods nützlich seien (Einl. Entgegenhaltung 23, letzter Satz). Wie DasGupta (Entgegenhaltung 10) bereits 1991 ausführlich erläutert hat, ist Carvedilol ein vasodilatierender Betablocker. Carvedilol war laut Pitt (I-109 r.) auch einer von zwei für eine Studie der SOLVD-Gruppe des National Heart, Lung and Blood Institute der USA ausgewählten Betablocker. Mit dieser Studie sollten bei Patienten, die eine linksventrikuläre Auswurffraktion ≤ 35 % hatten, die Mortalität insgesamt und das Auftreten des plötzlichen Herztods geprüft werden. Der gerichtliche Sachverständige hat in der von Pitt diskutierten Verwendung von Carvedilol zur Prophylaxe des plötzlichen Herztods einen der Mechanismen erkannt, über den Carvedilol zur Verminderung der Sterblichkeit bei Herzinsuffizienz führen kann. Der Gutachter der Klägerin, Prof. Dr. R. H. , hat ausgeführt, dass der plötzliche Herztod (innerhalb einer Stunde nach Auftreten kardialer Beschwerden) in 40 % der Fälle Todesursache bei chronischer Herzinsuffizienz ist; dies ist von den Verfahrensbeteiligten nicht in Frage gestellt worden.
31
Auch Senior et al. (Entgegenhaltung 3) sprechen 1992 eine mögliche, signifikante Verringerung der Mortalität bei der Behandlung von Herzinsuffizienz mit Carvedilol an. Dass einer der Mitautoren zehn Jahre später die damaligen Ausführungen als durch Fakten nicht belegte Spekulation bezeichnet hat, steht ihrer Eignung, dem Fachmann Versuche in dieser Richtung nahezulegen, nicht entgegen. Anregungen dieser Art sind häufig das Ergebnis von Hypothesen, die umso mehr Gewicht erhalten, wenn sie - wie hier - zum maßgeblichen Zeitpunkt der Priorität durch andere, gleichartige Überlegungen und Erwartungen gestützt werden.
32
In dem ebenfalls 1992 erschienenen Aufsatz von Feuerstein et al. (Entgegenhaltung
7) wird berichtet, dass die Morbidität und Mortalität nach akutem Myokardinfarkt durch Betablocker sowohl in Tierstudien als auch in klinischen Prüfungen reduziert werde. Allerdings gebe es keinen Beweis, mit dem die schützenden Wirkungen des Betablockers und Vasodilatators Carvedilol auf das Myokard belegt werden könnten. Die Autoren fanden aber in Tierstudien mit Ratten, Schweinen und Hunden ihre Hypothese bestätigt, dass Carvedilol aufgrund seiner zusätzlichen Wirkungen zu höherem Herzschutz als ausschließliche Betablocker führe. Abschließend heißt es, diese Ergebnisse der Tiermodelle könnten möglicherweise dazu beitragen, dass Carvedilol bei der Behandlung von Herzinsuffizienz verwendet werde (S. 141 r. u.). Die mögliche Anwendung von Carvedilol bei Herzinsuffizienz wird in dieser Schrift also in Zusammenhang mit der mortalitätssenkenden Wirkung von Carvedilol nach einem Myokardinfarkt gebracht.
33
Kennedy et al. (Entgegenhaltung 26) veröffentlichten 1993 Ergebnisse einer retrospektiven Auswertung der sogenannten CAST-Studie, mit der sie insbesondere den Zusammenhang zwischen einer Betablocker-Therapie und der Morbidität bzw. Mortalität bei Patienten untersuchten, die einen Myokardinfarkt überlebt hatten und gleichzeitig unter dekompensierter Herzinsuffizienz litten. Als Ergebnis ihrer Studie wurde bekanntgegeben, dass die BetablockerTherapie mit einer signifikant besseren Überlebensrate bei neu aufgetretener oder sich verschlechternder dekompensierter Herzinsuffizienz einherging. Die Autoren erkennen darin einen zusätzlichen Beleg für Nutzen und Sicherheit einer Betablocker-Therapie bei Post-Infarkt-Patienten mit anamnestisch bekannter dekompensierter Herzinsuffizienz. Allerdings wird nicht berichtet, welcher Betablocker verwendet wurde. In dem ausführlichen Bericht über ihre Untersuchung (Entgegenhaltung 27) findet sich bei Kennedy et al. als Fig. 5 auf S. 679 eine Grafik, welche die Mortalität der untersuchten Patienten mit Herzinsuffizienz mit und ohne Einnahme von Betablockern anschaulich macht und die Vorteilhaftigkeit der Betablocker-Therapie im Hinblick auf die Mortalität zeigt.
34
Fowler (Entgegenhaltung 61, S. 62) befasst sich 1993 mit dem Potential von Carvedilol bei der Behandlung von Herzinsuffizienz. In den Schlussfolgerungen des Aufsatzes wird ausgeführt, Carvedilol besitze mit seiner Wirkung als Betablocker und Gefäßerweiterer zwei Eigenschaften, die mit verbesserten Überlebenschancen von Patienten mit Herzgefäßerkrankungen verbunden seien. Fowler fordert ausdrücklich große klinische Studien, um die Wirkung von Carvedilol auf die Mortalität von Patienten mit Herzinsuffizienz beurteilen zu können. Dabei erwartet er positive Ergebnisse, denn am Schluss seines Beitrags stellt er fest, dass sein gegenwärtiges Verständnis die Entwicklung eines Mittels mit kombiniert beta-blockierender und gefäßerweiternder Wirkung rechtfertige (S. 65 u. r. und S. 66 l. o.).
35
Einen zusammenfassenden Überblick zum Stand der Forschung bei der Verwendung von Betablockern zur Behandlung von Herzinsuffizienz geben Doughty et al. 1994 (Entgegenhaltung 2). Sie referieren die Ergebnisse aus Studien mit Betablockern, die bei Patienten nach Myokardinfarkt auf eine günstige Beeinflussung der Mortalität hinweisen, einschließlich solcher Patienten, die auch an Herzinsuffizienz leiden. Es bleibe jedoch unsicher, inwieweit die Ergebnisse der Post-Infarkt-Studien verallgemeinert werden könnten. In der auf S. 817 oben wiedergegebenen Tabelle wird Carvedilol als einer von sechs Be- tablockern ausdrücklich erwähnt. In ihren Schlussfolgerungen auf S. 819 stellen die Autoren die Erforderlichkeit weiterer Studien fest, um zu bestimmen, ob Betablocker die Mortalität bei Herzinsuffizienz weiter senken könnten und deshalb eine nützliche Ergänzung für die bestehende Therapie seien.
36
b) Zusammenfassend zeigt sich, dass in der Literatur der Einsatz von Betablockern und insbesondere auch von Carvedilol zur Behandlung von Herzinsuffizienz bereits als vielversprechende Therapie diskutiert wurde. Jedenfalls ab 1992/93 hatte der Fachmann aufgrund der Aufsätze von Pitt (Entgegenhaltung 23), Senior (Entgegenhaltung 3), Feuerstein (Entgegenhaltung 7) und insbesondere Fowler (Entgegenhaltung 61) Anlass, konkret Carvedilol für eine mortalitätssenkende Wirkung bei Herzinsuffizienz in Erwägung zu ziehen. Auch Doughty et al. haben 1994 die Frage der Auswirkung einer Therapie mit Betablockern unter Einbeziehung von Carvedilol auf die Mortalität der Patienten aufgeworfen. Für Patienten, die einen Myokardinfarkt überlebt hatten, war die Auswirkung von Betablockern (etwa CAST-Studie in der Auswertung von Kennedy 1993) und auch speziell von Carvedilol (Feuerstein 1992 am Tiermodell) mit positivem Ergebnis untersucht worden. Nach Durchführung einer geeigneten klinischen Studie konnte die mortalitätssenkende Wirkung von Carvedilol bei Herzinsuffizienz allgemein ohne weiteres festgestellt werden.
37
c) Nicht gefolgt werden kann der Beklagten, soweit sie eine erfinderische Leistung daraus ableiten will, dass nach den aus ihrer Sicht wenig überzeugenden Ergebnissen der Studien mit Metoprolol (MDC-Trial) und Bisoprolol (CIBIS) kein Anlass bestand, gerade Carvedilol zum Gegenstand vertiefter Untersuchungen zu machen. Beide Studien betrafen andere Stoffe; ihre Ergebnisse waren aus der Sicht des damaligen Fachmanns auf Carvedilol weder zu übertragen , noch ließen sie Schlüsse auf dessen Wirkung zu, wie auch durch das Schrifttum dieser Zeit belegt wird.

38
Ziel der MDC-Studie, in die 383 Patienten mit Herzinsuffizienz einbezogen waren, war die Prüfung, ob sich der Betablocker Metoprolol günstig auf Überlebenschancen und Morbidität auswirkt (Waagstein et. al., Lancet 1993, 1441, Dokument 18). Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass Metoprolol keine Auswirkung auf die Gesamtmortalität hat.
39
In der CIBIS-Studie wurde die Wirkung des Betablockers Bisoprolol bei 641 Patienten mit Herzinfarkt geprüft (vgl. Circulation 1994, 1765, Dokument 19). Die Studie konnte keinen statistisch signifikanten Unterschied bei der Mortalität zwischen der mit Bisoprolol und der mit Placebo behandelten Patientengruppe feststellen (Einl., l. Sp., S. 1767, r. o.). Allerdings heißt es auch, dass in der CIBIS-Studie eine Mortalitätssenkung (an enhounced effect on survival) bei Patienten ohne vorherigen Myokardinfarkt festgestellt worden sei (S. 1771 r. Mitte). Die beteiligten Wissenschaftler hielten Studien zum Nachweis einer vorteilhaften Wirkung von Bisoprolol auf die Mortalität für notwendig.
40
Es war am Prioritätstag bekannt, dass Carvedilol im Gegensatz zu vielen anderen Betablockern und insbesondere zu Metoprolol und Bisoprolol außer der β-rezeptorenblockierenden Wirkung auch die adrenergen α-Rezeptoren blockiert, die sich im Wesentlichen in der Gefäßwand von kleinen Arterien (Widerstandsgefäßen ) befinden. Carvedilol bewirkt deshalb im Gegensatz zu konventionellen Betablockern auch eine Gefäßerweiterung im Bereich der Widerstandsgefäße. Der gerichtliche Sachverständige meint zwar, bei Carvedilol habe sich aus den Wirkmechanismen keine Senkung der Mortalität vorhersagen lassen, weil die zusätzlichen gefäßerweiternden Effekte von Carvedilol sich zu denen der ACE-Hemmer addierten und so trotz günstiger symptomatischer Wirkungen zu einer Erhöhung der Mortalität hätten führen können (Ergänzungsgutachten S. 5 u. 6). Demgegenüber haben DasGupta et al. 1991 auf neue therapeutische Möglichkeiten aufgrund der auch gefäßerweiternden Wirkung des neuen Betablockers Carvedilol hingewiesen (Entgegenhaltung 10). Die Autoren äußern, es könne erwartet werden (may be expected), dass die Mehrfachwirkung von Carvedilol der negativen Inotropie, die konventionelle Betablocker bei Monotherapie hätten, entgegenwirke (S. 12, r. u.). Damit würden die wichtigsten Einschränkungen des Einsatzes von Betablockern, insbesondere bei dekompensierter Herzinsuffizienz ischämischen Ursprungs, überwunden. Zur Begründung ihrer Erwartung verweisen die Autoren auf eine Studie von Di Lanarda et al., die bei Patienten mit Herzinsuffizienz, die zuvor keinen Herzinfarkt erlitten hatten, die akuten hämodynamischen Wirkungen von Carvedilol mit denen von Metoprolol verglichen. Deren Ergebnisse legten ein ähnliches Maß an Betablockade nahe. Jedoch zeigten die mit Carvedilol behandelten Patienten zusätzliche Reaktionen, die bei Patienten, die Metoprolol genommen hätten, nicht beobachtet worden seien, nämlich einen gesenkten Blutdruck, verringerten Gefäßwiderstand und niedrigeren linksventrikulären Füllungsdruck (S. 15, r. u.). Unter Hinweis auf weitere, bereits durchgeführte Untersuchungen meinen DasGupta et al., die zu Carvedilol gewonnenen Daten könnten eine signifikante Auswirkung auf die klinische Behandlung der Herzinsuffizienz haben , wenn sie durch zukünftige Studien bestätigt würden. Abschließend wird ausgeführt, Carvedilol sei ein einzigartiger Vasodilatator, der zugleich als Betablocker wirke, und eine weiterführende Bewertung seiner Sicherheit und Wirksamkeit werde empfohlen.
41
Pitt berichtet 1992 (Entgegenhaltung 23), dass eine Schwierigkeit bei der Behandlung von Patienten mit Herzinsuffizienz mit Betablockern bisher darin bestehe, dass man befürchte, eine manifeste Herzinsuffizienz oder eine Lungenstauung zu verursachen, und dass die Substanzen hinsichtlich ihrer Verträglichkeit und Compliance langfristig problematisch seien. Einige der neueren β-adrenergen Blocker seien jedoch von Interesse, da sie über vasodilatierende Eigenschaften verfügten, die möglicherweise die langfristige Toleranz und Compliance des Patienten verbesserten. Die SOLVD-Gruppe ziehe daher für eine umfangreiche Mortalitätsstudie neben Nebivolol Carvedilol, einen selektiven Betablocker mit α-adrenergen blockierenden Eigenschaften, in Betracht (I-109, r. u.).
42
Auch Rosendorff (Entgegenhaltung 53) wies 1993 darauf hin, dass insbesondere Carvedilol die Vorteile einer β- und α1-Blockade einschließlich peripherer Gefäßerweiterung kombiniere. Es gebe einige noch zu bestätigende Hinweise darauf, dass Carvedilol die linksventrikuläre diastolische Funktion verbessere und eine Regression linksventrikulärer Hypertrophie bewirke und dass es bei der Behandlung einiger Patienten mit Herzinsuffizienz oder Arrhythmie nützlich sein könne (Einl., letzter Abs.). Die möglichen günstigen Wirkungen von Carvedilol durch Verbesserung der zentralen Hämodynamik bei Patienten mit Herzinsuffizienz müssten in groß angelegten, weitsichtig kontrollierten Untersuchungen bestätigt werden (S. 39, l. o.).
43
Lessem/Lukas (Entgegenhaltung 54) führen 1993 aus, Carvedilol als ein nicht selektives β- und α1-blockierendes Arzneimittel sei als antihypertensives, antianginales Arzneimittel und für eine Hilfstherapie gegen Herzinsuffizienz entwickelt worden. Nachdem Studien gezeigt hätten, dass Vasodilatatoren gut für Patienten mit Herzinsuffizienz seien, und wegen positiver Erfahrungen mit dem vasodilatierenden Betablocker Buzindolol sei Carvedilol bei Patienten mit Herzinsuffizienz getestet worden. Unter Hinweis auf eine Studie von DasGupta meinen die Autoren, Carvedilol könne aufgrund seines vasodilatatorischen Mechanismus im Vergleich zu anderen Betablockern die bessere Wahl für Patienten mit verschlechterter linksventrikulärer Funktion neben ischämischer Herzkrankheit sein. Die Nützlichkeit einer solchen Therapie müsse aber bei einer Patientengruppe nachgewiesen werden, die groß genug sei, um zu einer be- hördlichen Zulassung für eine Verbindung mit einem Hauptwirkmechanismus zu gelangen, der momentan in diesem Krankheitsstadium kontraindiziert sei.
44
Louis et al. berichten 1994 (Entgegenhaltung 55) unter Hinweis auf die Entgegenhaltung 8 und 13, bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz aufgrund von systolischer linksventrikulärer Dysfunktion sei festgestellt worden, dass Carvedilol signifikante Verbesserungen der myokardialen Hämodynamik in Langzeittherapie bewirke, und zwar auch bei Patienten, die eine Hintergrundtherapie mit ACE-Hemmern erhielten (S. 88, r. o.). Abschließend betrachten die Autoren Carvedilol als einen wichtigen neuen Wirkstoff bei der Behandlung insbesondere von chronischem Herzversagen (S. 91, r. o.). Es lagen also im Prioritätszeitpunkt bereits Studien vor, die gegen die vom gerichtlichen Sachverständigen berichtete, möglicherweise negative Addition der gefäßerweiternden Wirkungen von Carvedilol und ACE-Hemmern sprachen.
45
Diese zahlreichen Veröffentlichungen belegen, dass Carvedilol nach Auffassung zahlreicher Autoren gerade wegen seiner gefäßerweiternden Eigenschaften ein interessanter Betablocker für die Therapie von Herzinsuffizienz mit Betablockern war.
46
d) Carvedilol war, auch im Hinblick auf eine mortalitätssenkende Wirkung , Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Diskussionen. Der gerichtliche Sachverständige hat es als wohl begründete Hypothese von Doughty et al. (Entgegenhaltung 2) bezeichnet, dass durch eine Betablockade die Mortalität bei Herzinsuffizienz weiter reduziert und dadurch die damals bekannte Therapie sinnvoll ergänzt werden könne (Gutachten, S. 6 u./7 o.). Der Aufsatz von Fowler bringt in der Schlussbemerkung deutlich eine Erfolgserwartung hinsichtlich der Feststellung einer mortalitätssenkenden Wirkung von Carvedilol bei Patienten mit Herzinsuffizienz nach einer entsprechenden, groß angelegten Studie zum Ausdruck (S. 65 r. u. bis S. 66 l. o.). Fowler schlägt vor, eine solche große klinische Studie zur Prüfung der Mortalitätswirkung von Carvedilol durchzuführen. Die Aufsätze von Pitt (Entgegenhaltung 23), Senior (Entgegenhaltung 3) und Feuerstein (Entgegenhaltung 7) begründeten ebenfalls für den Fachmann die Erwartung einer mortalitätssenkenden Wirkung von Carvedilol.
47
Pitt (Entgegenhaltung 23, S. 109, r. 2. Abs.) berichtet über eine von der SOLVD-Studiengruppe geplante, umfangreiche Mortalitätsstudie zur Überprüfung der Wirksamkeit von Carvedilol und Magnesium beim plötzlichen Herztod von Patienten mit Herzinsuffizienz. Dabei sollte die Standardtherapie mit ACEHemmer , Digoxin und Diuretika je nach Bedarf der Patienten aufrechterhalten bleiben.
48
Es gab, wie der gerichtliche Sachverständige ausgeführt hat, zwar auch Argumente, die gegen eine mortalitätssenkende Wirkung von oder sogar für eine Erhöhung der Mortalität durch Carvedilol sprachen. Dadurch bestand, was der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, in der Fachwelt aber gerade ein Bedürfnis, sich in einer aussagekräftigen Studie Klarheit über die Wirkung von Carvedilol auf die Mortalität von Patienten mit Herzinsuffizienz zu verschaffen.
49
e) Irrelevant ist in diesem Zusammenhang, dass es bis 1997 weder für Carvedilol noch für andere Betablocker eine behördliche Zulassung zur Behandlung der Herzinsuffizienz gab. Denn für ein neu entwickeltes Arzneimittel kann es per se noch keine Zulassung geben, da das Zulassungsverfahren notwendig am Ende der Entwicklung steht. Ebenfalls nicht entscheidend ist, dass die manifeste Herzinsuffizienz in der fachärztlichen Praxis als Kontraindikation für Carvedilol galt. Der im Bereich der Arzneimittelforschung und -entwicklung tätige Fachmann hatte unabhängig von Vorstellungen auf Seiten der Anwender aufgrund der Diskussion um die Wirkung von Carvedilol bei der Behandlung von Herzinsuffizienz am Prioritätstag Anlass, sich mit diesem Wirkstoff und seinen Auswirkungen auf die Mortalität der Patienten näher zu befassen.
50
III. Auch in der Fassung der Patentansprüche nach Hilfsantrag 2 erweist sich das Streitpatent nicht als schutzfähig.
51
1. Gegen die Zulässigkeit der Patentansprüche nach Hilfsantrag 2 bestehen allerdings keine Bedenken. Hilfsantrag 2 sieht in beiden Patentansprüchen vor, dass das Carvedilol enthaltende Medikament zur Verabreichung in bestimmten Dosierungen über bestimmte Zeiträume hergerichtet ist. Geschützt werden soll also die Verwendung einer chemischen Substanz bei der therapeutischen Behandlung des menschlichen Körpers, die zu dieser Verwendung hergerichtet ist, etwa durch eine zweckmäßige Konfektionierung der Tablettengrößen , einen Aufdruck auf der Packung oder den dieser beiliegenden Begleitzettel. Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine solche Verwendung einer chemischen Substanz nicht durch § 5 Abs. 1 PatG vom Patentschutz ausgenommen (grundlegend BGHZ 88, 209, 215 - Hydropyridin). Für den mit § 5 Abs. 2 Satz 1 PatG wörtlich übereinstimmenden Art. 52 Abs. 4 EPÜ gilt nichts anderes. Den Patentansprüchen des Hilfsantrags 2 steht daher das Verbot der Patentierung von Verfahren zur chirurgischen und therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers nicht entgegen.
52
2. Der Vorschlag, das Medikament zur Verabreichung nach dem Dosierungsschema der Patentansprüche des Hilfsantrags 2 herzurichten, beruht jedoch jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die einschleichende Dosierung von Betablockern und insbesondere Carvedilol bei der Behandlung von Herzinsuffizienz in Dosen und Zeiträumen, die sich allenfalls geringfügig und jedenfalls naheliegend von dem Dosierungsschema der Beklagten unterschei- den, ist auch bei Unterstellung der früheren der von der Beklagten beanspruchten Prioritäten im Stand der Technik nachgewiesen.
53
So haben Olsen et al. 1991 (Entgegenhaltung 62) und 1993 (Entgegenhaltung
8) über Studien berichtet, bei denen unter Herzinsuffizienz leidenden Patienten Carvedilol in einem Dosierungsschema verabreicht wurde, das demjenigen der verteidigten Patentansprüche sehr nahe kommt. Fowler (Entgegenhaltung 61) berichtet über diese Versuche unter Angabe des Dosierungsschemas.
54
Kelly schildert 1993 eine geplante Carvedilol-Studie. Die in dieser Studie vorgeschlagene Dosierung ist aus Sicht des Fachmanns mit derjenigen der verteidigten Patentansprüche praktisch identisch (S. 47 r.). Die bei Kelly angegebene Anfangsdosis von 3,125 mg zweimal täglich für sieben Tage ist als eine Alternative in Patentanspruch 1 (täglich 6,25 mg Carvedilol über einen Zeitraum von sieben Tagen) enthalten, die 6,25 mg zweimal täglich in der zweiten Woche bei Kelly sind es als erste Dosissteigerung nach einer Woche und damit Ausgangspunkt der weiteren Dosissteigerungen ebenfalls. Die Maximaldosen von zweimal 25 mg sind bei Kelly und in Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 identisch. Lediglich der zeitliche Abstand der Dosissteigerungen beträgt bei Kelly eine Woche und nicht wie im Patentanspruch 1 14 Tage. Die beanspruchten weiteren Dosissteigerungen im Zeitraum von 14 Tagen waren jedoch ebenfalls bei der einschleichenden Therapie von Herzinsuffizienz mit Carvedilol bekannt. So berichten Olsen et al. 1991 (Entgegenhaltung 62) und 1993 (Entgegenhaltung
8) darüber, bei der Behandlung von unter Herzinsuffizienz leidenden Patienten mit einer nach einer Woche verabreichten Initialdosis von 3,125 mg die Dosis während des nächsten Behandlungsmonats von zweimal täglich 6,25 mg bis zu einer maximalen Dosis von zweimal täglich 25 mg (bei Patienten mit einem Körpergewicht von weniger als 75 kg) gesteigert zu haben. Eine solche einschleichende Dosierung umfasst insbesondere einen Verdoppelungszeitraum von etwa 14 Tagen, da bei einer Verdoppelung auf zweimal 12,5 mg nach 14 Tagen die nächste Verdoppelung auf zweimal 25 mg in etwa innerhalb weiterer 14 Tage erfolgen muss, um die Maximaldosis binnen eines Monats zu erreichen. Dem Fachmann waren aus dem Stand der Technik daher Behandlungspläne mit Carvedilol bekannt, die eine wöchentliche oder eine etwa 14tägige Dosissteigerung einschlossen. Das Streitpatent hat hierunter eine Auswahl getroffen. Die Berufung hat jedoch nicht geltend gemacht, dass die Entscheidung für den 14tägigen Erhöhungszeitraum auf erfinderischer Tätigkeit beruhte. Insbesondere beruft sie sich nicht auf besondere Wirkungen, Eigenschaften , Vorteile oder Effekte einer Dosissteigerung im Abstand von 14 Tagen anstelle einer Woche.
55
Auch das Dosierungsschema des mit Hilfsantrag 2 verteidigten Patentanspruchs 2 unterscheidet sich von demjenigen bei Kelly lediglich durch den Verdoppelungszeitraum, der aber aus den Veröffentlichungen von Olsen bekannt war. Der anspruchsgemäßen Dosierung von 3,125 mg oder 6,25 mg Carvedilol vorzugsweise zweimal täglich über einen Zeitraum von 14 Tagen entspricht der Vorschlag bei Kelly, Patienten zweimal täglich über eine Woche 3,125 mg (insgesamt also 6,25 mg) zu verabreichen und die Dosis in der zweiten Woche auf zweimal täglich 6,25 mg Carvedilol zu steigern. Eine erfinderische Tätigkeit liegt in dem Dosierungsschema daher auch hier nicht.
56
Die Berufung macht nicht geltend, dass der Fachmann bei der Konfektionierung von Carvedilol in mit den beanspruchten Dosierungsschemata übereinstimmenden Einheiten für ein Medikament auf Schwierigkeiten stieß.
57
Da die Patentansprüche des Hilfsantrags 2 in allen übrigen Merkmalen dem Hauptantrag und Hilfsantrag 1 entsprechen, teilen sie auch deren Schicksal , die Schutzfähigkeit des Streitpatents nicht begründen zu können.
58
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit §§ 97, 101 ZPO.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Kirchhoff
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 18.09.2001 - 3 Ni 44/00 (EU) -

(1) Der Prüfung des Bundesgerichtshofs unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge.

(2) Eine Klageänderung und in dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats eine Verteidigung mit einer geänderten Fassung des Patents sind nur zulässig, wenn

1.
der Gegner einwilligt oder der Bundesgerichtshof die Antragsänderung für sachdienlich hält und
2.
die geänderten Anträge auf Tatsachen gestützt werden können, die der Bundesgerichtshof seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung nach § 117 zugrunde zu legen hat.

Auf den Prüfungsumfang des Berufungsgerichts, die verspätet vorgebrachten, die zurückgewiesenen und die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sind die §§ 529, 530 und 531 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden. Dabei tritt an die Stelle des § 520 der Zivilprozessordnung der § 112.

(1) Der Prüfung des Bundesgerichtshofs unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge.

(2) Eine Klageänderung und in dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats eine Verteidigung mit einer geänderten Fassung des Patents sind nur zulässig, wenn

1.
der Gegner einwilligt oder der Bundesgerichtshof die Antragsänderung für sachdienlich hält und
2.
die geänderten Anträge auf Tatsachen gestützt werden können, die der Bundesgerichtshof seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung nach § 117 zugrunde zu legen hat.

(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.

(2) Als Stand der Technik gilt auch der Inhalt folgender Patentanmeldungen mit älterem Zeitrang, die erst an oder nach dem für den Zeitrang der jüngeren Anmeldung maßgeblichen Tag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind:

1.
der nationalen Anmeldungen in der beim Deutschen Patent- und Markenamt ursprünglich eingereichten Fassung;
2.
der europäischen Anmeldungen in der bei der zuständigen Behörde ursprünglich eingereichten Fassung, wenn mit der Anmeldung für die Bundesrepublik Deutschland Schutz begehrt wird und die Benennungsgebühr für die Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 79 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens gezahlt ist und, wenn es sich um eine Euro-PCT-Anmeldung (Artikel 153 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens) handelt, die in Artikel 153 Abs. 5 des Europäischen Patentübereinkommens genannten Voraussetzungen erfüllt sind;
3.
der internationalen Anmeldungen nach dem Patentzusammenarbeitsvertrag in der beim Anmeldeamt ursprünglich eingereichten Fassung, wenn für die Anmeldung das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist.
Beruht der ältere Zeitrang einer Anmeldung auf der Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung, so ist Satz 1 nur insoweit anzuwenden, als die danach maßgebliche Fassung nicht über die Fassung der Voranmeldung hinausgeht. Patentanmeldungen nach Satz 1 Nr. 1, für die eine Anordnung nach § 50 Abs. 1 oder Abs. 4 erlassen worden ist, gelten vom Ablauf des achtzehnten Monats nach ihrer Einreichung an als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

(3) Gehören Stoffe oder Stoffgemische zum Stand der Technik, so wird ihre Patentfähigkeit durch die Absätze 1 und 2 nicht ausgeschlossen, sofern sie zur Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren bestimmt sind und ihre Anwendung zu einem dieser Verfahren nicht zum Stand der Technik gehört.

(4) Ebenso wenig wird die Patentfähigkeit der in Absatz 3 genannten Stoffe oder Stoffgemische zur spezifischen Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren durch die Absätze 1 und 2 ausgeschlossen, wenn diese Anwendung nicht zum Stand der Technik gehört.

(5) Für die Anwendung der Absätze 1 und 2 bleibt eine Offenbarung der Erfindung außer Betracht, wenn sie nicht früher als sechs Monate vor Einreichung der Anmeldung erfolgt ist und unmittelbar oder mittelbar zurückgeht

1.
auf einen offensichtlichen Mißbrauch zum Nachteil des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers oder
2.
auf die Tatsache, daß der Anmelder oder sein Rechtsvorgänger die Erfindung auf amtlichen oder amtlich anerkannten Ausstellungen im Sinne des am 22. November 1928 in Paris unterzeichneten Abkommens über internationale Ausstellungen zur Schau gestellt hat.
Satz 1 Nr. 2 ist nur anzuwenden, wenn der Anmelder bei Einreichung der Anmeldung angibt, daß die Erfindung tatsächlich zur Schau gestellt worden ist und er innerhalb von vier Monaten nach der Einreichung hierüber eine Bescheinigung einreicht. Die in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Ausstellungen werden vom Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesanzeiger bekanntgemacht.

Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Gehören zum Stand der Technik auch Unterlagen im Sinne des § 3 Abs. 2, so werden diese bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht gezogen.

(1) In dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats weist das Patentgericht die Parteien so früh wie möglich auf Gesichtspunkte hin, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung sein werden oder der Konzentration der Verhandlung auf die für die Entscheidung wesentlichen Fragen dienlich sind. Dieser Hinweis soll innerhalb von sechs Monaten nach Zustellung der Klage erfolgen. Ist eine Patentstreitsache anhängig, soll der Hinweis auch dem anderen Gericht von Amts wegen übermittelt werden. Das Patentgericht kann den Parteien zur Vorbereitung des Hinweises nach Satz 1 eine Frist für eine abschließende schriftliche Stellungnahme setzen. Setzt das Patentgericht keine Frist, darf der Hinweis nicht vor Ablauf der Frist nach § 82 Absatz 3 Satz 2 und 3 erfolgen. Stellungnahmen der Parteien, die nach Fristablauf eingehen, muss das Patentgericht für den Hinweis nicht berücksichtigen. Eines Hinweises nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die zu erörternden Gesichtspunkte nach dem Vorbringen der Parteien offensichtlich erscheinen. § 139 der Zivilprozessordnung ist ergänzend anzuwenden.

(2) Das Patentgericht kann den Parteien eine Frist setzen, binnen welcher sie zu dem Hinweis nach Absatz 1 durch sachdienliche Anträge oder Ergänzungen ihres Vorbringens und auch im Übrigen abschließend Stellung nehmen können. Die Frist kann verlängert werden, wenn die betroffene Partei hierfür erhebliche Gründe darlegt. Diese sind glaubhaft zu machen.

(3) Die Befugnisse nach den Absätzen 1 und 2 können auch von dem Vorsitzenden oder einem von ihm zu bestimmenden Mitglied des Senats wahrgenommen werden.

(4) Das Patentgericht kann Angriffs- und Verteidigungsmittel einer Partei oder eine Klageänderung oder eine Verteidigung des Beklagten mit einer geänderten Fassung des Patents, die erst nach Ablauf einer hierfür nach Absatz 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn

1.
die Berücksichtigung des neuen Vortrags eine Vertagung des bereits anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung erforderlich machen würde und
2.
die betroffene Partei die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
3.
die betroffene Partei über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Der Entschuldigungsgrund ist glaubhaft zu machen.

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen.

(2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(3) Gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, findet sofortige Beschwerde statt.