Bundesgerichtshof Urteil, 20. Jan. 2010 - IV ZR 24/09

bei uns veröffentlicht am20.01.2010
vorgehend
Landgericht Hannover, 8 O 58/07, 12.06.2008
Oberlandesgericht Celle, 8 U 148/08, 15.01.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 24/09 Verkündetam:
20.Januar2010
Heinekamp
Justizhauptsekretär
alsUrkundsbeamter
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, den Richter Seiffert, die Richterin Dr. Kessal-Wulf, den
Richter Felsch und die Richterin Harsdorf-Gebhardt auf die mündliche
Verhandlung vom 20. Januar 2010

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 15. Januar 2009 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 12. Juni 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger unterhielt bei der Beklagten eine Schaustellerkaskoversicherung unter anderem für ein Kinderfahrgeschäft (Freifallturm), das ausweislich eines Nachtrags zum Versicherungsschein vom 26. Juni 2006 gegen "Diebstahl ganzes Fahrzeug mit 20% Selbstbeteiligung" versichert war. Dem Versicherungsvertrag lagen Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB Schausteller 2001) zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten: "§ 5 Obliegenheiten vor dem Schadenfall … 5. Aufenthalte bis zu 30 Tagen (§ 2 Nr. 2) Dauert ein Aufenthalt zwischen den Veranstaltungen länger als 10 Tage, so muß vom 11. Tage des Aufenthaltes an eine erhöhte Sicherheit der versicherten Gegenstände gegen unbefugten Zugang gewährleistet sein. Dies kann entweder durch ständige Beaufsichtigung oder durch Abstellen auf rundum hoch (mindestens 1,5 m) eingezäunten und mit verschlossenen Zugängen versehenen Grundstücken oder in verschlossenen festen Gebäuden geschehen. Als Beaufsichtigung gilt die ständige Anwesenheit des Versicherungsnehmers oder einer von ihm beauftragten Vertrauensperson beim Geschäft, verbunden mit Kontrollen. … 7. Verletzt der Versicherungsnehmer oder sein Repräsentant eine der Obliegenheiten gemäß Nr. 1 bis 6, so ist der Versicherer nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 und Abs. 2 VVG leistungsfrei. Abweichend von § 6 Abs. 1 S. 3 VVG bleibt der Versicherer wegen Verletzung einer vor Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllenden Obliegenheit auch dann leistungsfrei, wenn er von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch macht. … § 13 Kündigung nach dem Versicherungsfall 1. Nach dem Eintritt eines Versicherungsfalles können sowohl der Versicherungsnehmer als auch der Versicherer den Versicherungsvertrag kündigen. …"
2
Im Nachtrag zum Versicherungsschein war unter "Klausel 4 - Diebstahl und Raub" unter Nr. 3c folgende Regelung enthalten: "Erhöhte Sicherheit (§ 5 Nr. 5 AVB Schausteller) muß bereits bei Aufenthalten von über 24 Stunden gewährleistet sein."
3
Der Kläger beschickte mit dem Freifallturm im Juli 2006 das Schützenfest in G. . Nach dessen Beendigung ließ er bei seiner Abreise am Abend des 9. Juli 2006 das Fahrgeschäft zurück. Mit seiner Beaufsichtigung beauftragte er den Zeugen K. , der diese Aufgabe am Abend des 11. Juli 2006 auf den Zeugen Kö. übertrug. Bei seiner Rückkehr am 12. Juli 2006 um die Mittagszeit stellte der Kläger fest, dass das Fahrgeschäft von unbekannten Tätern entwendet worden war.
4
Beklagte Die lehnte am 4. Oktober 2006 wegen der Verletzung vereinbarter Sicherheitsvorschriften Versicherungsleistungen ab. Bereits am 28. Juli 2006 hatte sie anlässlich der Regulierung eines weiteren Versicherungsfalles - des Sturmschadens an einem ebenfalls versicherten Wohnwagen - die Kündigung gemäß § 13 AVB Schausteller 2001 erklärt.
5
Das Landgericht hat die auf Zahlung des Zeitwertes des Freifallturms abzüglich des Selbstbehalts gerichtete Klage in Höhe von 75.640 € nebst Zinsen abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Dagegen wendet sie sich mit ihrer Revision.

Entscheidungsgründe:


6
Das zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
7
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Es sei unstreitig ein Versicherungsfall eingetreten. Auf Leistungsfreiheit könne sich die Beklagte nicht berufen. Es fehle schon am objektiven Tatbestand einer Obliegen- heitsverletzung. Der Nachtrag zum Versicherungsschein vom 26. Juni 2006 enthalte nicht nur in Klausel 4 Nr. 3c, sondern auch in Klausel 2 Nr. 4 eine Ergänzung zu § 5 Nr. 5 AVB Schausteller 2001. Danach dürfe der Versicherungsnehmer abgestellte Fahrzeuge und/oder abgestellte oder aufgebaute Geschäfte nicht länger als 24 Stunden unbeaufsichtigt lassen. Der genaue Zusammenhang zwischen den beiden Regelungen erschließe sich dem Versicherungsnehmer nicht. Diese Unklarheit sei der Beklagten als Versicherer anzulasten. Zugunsten des Versicherungsnehmers sei daher davon auszugehen, dass bei einem Zeitraum von bis zu 24 Stunden eine Beaufsichtigung des Fahrgeschäftes nicht notwendig sei.
8
Landgericht Das habe zutreffend festgestellt, dass ab Dienstagabend nach Abfahrt des Zeugen K. das Fahrgeschäft nicht mehr im Sinne der Versicherungsbedingungen hinreichend beaufsichtigt worden sei. Denn der Zeuge Kö. , der mit seinem Wohnwagen 300 m Luftlinie entfernt vom Freifallturm gestanden habe, sei weder ständig am Fahrgeschäft anwesend gewesen, noch habe er dieses ständig beobachtet oder Kontrollen vor Ort vorgenommen. Der Zeuge Kö. sei aber nur von Dienstagabend gegen 19.00 Uhr bis zum Eintreffen des Klägers am Mittwochmittag für die Beaufsichtigung des Fahrgeschäftes zuständig gewesen, mithin über einen Zeitraum von weniger als 24 Stunden. Der Zeuge K. hingegen habe bis Dienstagabend den Sicherheitsvorschriften genügt. Er habe das Fahrgeschäft aus etwa 200 m Entfernung frei im Blick gehabt und zweimal täglich Kontrollgänge vorgenommen. Das reiche aus, weil eine "ständige Anwesenheit" vom durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht so verstanden werden müsse, dass eine Aufsichtsperson die gesamte Zeit über gleichsam "auf einem Stuhl neben dem Fahrgeschäft sitzen" und dieses beaufsichtigen müsse.

9
Unabhängig davon sei die Beklagte ihrer Kündigungsobliegenheit aus § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG a.F. nicht nachgekommen. Diese gesetzliche Regelung sei in § 5 Nr. 7 AVB Schausteller 2001 nicht wirksam abbedungen , da die Klausel zum Nachteil des Klägers als Versicherungsnehmer von ihr abweiche (§ 15a VVG a.F). Die Kündigung vom 28. Juli 2006 habe die Beklagte im Zuge der Abwicklung eines anderen Versicherungsfalles ausgesprochen. Dadurch sei keine Kündigung des gesamten Versicherungsverhältnisses erfolgt unter Einbeziehung auch des streitbefangenen Freifallturms. Nach § 30 Abs. 1 VVG a.F. stehe dem Versicherer dann, wenn die Voraussetzungen für eine Kündigung nur wegen eines Teils der versicherten Gegenstände vorlägen, das Recht zur Kündigung für die übrigen Teile nur zu, wenn anzunehmen sei, dass er für diese allein den Vertrag unter den gleichen Bedingungen nicht geschlossen haben würde. Davon sei hier - bei insgesamt 15 versicherten Schaustellergeschäften - nicht auszugehen; anderes habe die Beklagte nicht dargelegt. Von der Kündigungspflicht sei die Beklagte schließlich nicht deshalb entbunden, weil mit dem Diebstahl des Freifallturms zugleich das versicherte Interesse entfallen sei. Bei dem entsprechenden Fahrgeschäft handele es sich um keine "Massenware", die ohne weiteres etwa ins Ausland verschoben werden könne. Überdies bestehe das versicherte Interesse für die übrigen Fahrgeschäfte - als Sachgesamtheit - fort.
10
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung aus mehreren Gründen nicht stand. Die Beklagte ist gegenüber dem Kläger von ihrer Leistungspflicht frei geworden.
11
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich der Inhalt der Sicherheitsobliegenheit ausschließlich aus § 5 Nr. 5 AVB Schausteller 2001 i.V. mit der zwischen den Parteien vereinbarten Klausel 4 Nr. 3c. Diese ist im Nachtrag zum Versicherungsschein vom 26. Juni 2006 enthalten, der nach den vom Berufungsgericht auf Grundlage des unstreitigen Parteivorbringens getroffenen Feststellungen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen ergänzt.
12
Nach a) ständiger Rechtsprechung des Senats sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (Senat in BGHZ 123, 83, 85).
13
b) Ein verständiger Versicherungsnehmer wird bei der gebotenen aufmerksamen Durchsicht der Versicherungsbedingungen schon den einleitenden Formulierungen der betreffenden Klauseln 2 und 4 entnehmen, welchen - klar voneinander abgegrenzten - Anwendungsbereich diese haben sollen. Die Klausel 4 ist mit "Diebstahl und Raub" überschrieben und bezieht sich gemäß Nr. 1 auf die versicherten Fahrgeschäfte nebst den darin enthaltenen versicherten Sachen, wenn diese zusammen mit dem Fahrzeug entwendet werden. Die Klausel 2 trägt hingegen die Überschrift "Einbruchdiebstahl und Raub" und erfasst nach Nr. 1 alle Waren und sonstigen zum Geschäft gehörenden beweglichen Gegenstände , soweit diese sich in einem allseitig fest umschlossenen Fahrzeug befinden. Darum geht es hier ersichtlich nicht, weil das Fahrgeschäft in seiner Gesamtheit abhanden gekommen ist. Der Unterschied zwischen einem Diebstahl - der Entwendung des gesamten Fahrgeschäfts - und einem Einbruchdiebstahl - des Eindringens in ein Fahrgeschäft unter Entwendung nur des Inhalts - ist auch einem juristischen Laien geläufig und kann von einem verständigen Versicherungsnehmer entsprechend eingeordnet werden. Die vom Berufungsgericht hervorgehobene Unklarheit der Versicherungsbedingungen, weil dem Versicherungsnehmer nicht deutlich werde, welche der Verhaltensanforderungen - Klausel 4 Nr. 3c oder Klausel 2 Nr. 4 des Nachtrags - für ihn im gegebenen Fall maßgeblich sein solle, besteht somit nicht.
14
Der (2) Versicherungsnehmer wird weiter der - allein maßgeblichen - Klausel 4 Nr. 3c entnehmen, dass gegenüber § 5 Nr. 5, 7 AVB Schausteller 2001 veränderte Verhaltensanforderungen vereinbart sein sollen. Eine erhöhte Sicherheit nach Maßgabe des § 5 Nr. 5 AVB Schausteller 2001 muss bereits bei einem Aufenthalt von über 24 Stunden gewährleistet sein. Die von ihm zu erfüllende Sicherheitsobliegenheit wird der Versicherungsnehmer nach alledem so verstehen, dass er für den Fall, dass der (gesamte) Aufenthalt zwischen den Veranstaltungen länger als 24 Stunden dauert, für eine erhöhte Sicherheit Sorge tragen muss, nämlich durch das Abstellen des Fahrgeschäfts auf einem besonders gesicherten Gelände bzw. in einem verschlossenen festen Gebäude oder ständige Beaufsichtigung.
15
c) In dieser Lesart ist die Klausel 4 Nr. 3c hinreichend transparent (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB); sie ist auch nicht nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, weil sie mit dem durch die Rechtsprechung geprägten Leitbild des Rechts der Obliegenheiten vor und nach Eintritt des Versicherungsfalles (§ 6 VVG a.F.) zu vereinbaren ist.
16
(1) Die Klausel führt dem Versicherungsnehmer seine Rechte und Pflichten klar und durchschaubar vor Augen. Sie ist für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht nur verständlich, sondern lässt auch die damit für ihn verbundenen wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen, wie dies nach den Umständen vom Versicherer gefordert werden kann (vgl. BGHZ 136, 394, 401 f.; 141, 137, 143; 147, 354, 361 f.; Senatsurteile vom 30. April 2008 - IV ZR 241/04 - VersR 2008, 816 Tz. 14 f. und vom 26. September 2007 - IV ZR 252/06 - VersR 2007, 1690 Tz. 16). Sie verweist ausdrücklich auf § 5 Nr. 5 AVB Schausteller 2001 und bringt zum Ausdruck, dass die dort näher umschriebenen Sicherheitsanforderungen bereits bei Aufenthalten von über 24 Stunden gewährleistet sein müssen. Den Bezug zwischen der ursprünglichen und der abgeänderten Fassung der Sicherheitsvorschrift kann der Versicherungsnehmer ohne weiteres herstellen. Die Klausel lässt somit mit der erforderlichen Eindeutigkeit - und ohne die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Versicherungsnehmers zu überfordern - erkennen, was im Einzelnen von ihm verlangt wird, um sich den Versicherungsschutz durch bestimmte Handlungen zu erhalten (vgl. Senatsbeschluss vom 30. April 2008 - IV ZR 53/05 - VersR 2008, 961 Tz. 5; Senatsurteile vom 9. Dezember 1987 - IVa ZR 155/86 - VersR 1988, 267 unter II; vom 17. Dezember 2008 - IV ZR 9/08 - VersR 2009, 341 Tz. 18).
17
(2) Durch die in Klausel 4 Nr. 3c formulierte Verhaltensanforderung wird der Versicherungsnehmer nicht unzumutbar belastet, insbesondere sein von der Beklagten versprochener Versicherungsschutz nicht unangemessen ausgehöhlt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die in § 5 Nr. 5 AVB Schausteller 2001 aufgenommenen und in Klausel 4 Nr. 3c modifizierten Sicherheitsvorkehrungen schon bei nur kurzfristigen Aufenthalten zwischen zwei Veranstaltungen - etwa von einigen wenigen Stunden - zu treffen wären. Davon ist indes hier nicht auszugehen. Ein Aufenthalt für einen Zeitraum von mehr als einem Tag erhöht objektiv nachvollziehbar das Diebstahlsrisiko, so dass vom Versicherungsnehmer verlangt werden kann, für entsprechende Maßnahmen Sorge zu tragen. Dies umso mehr, als der Versicherungsnehmer die freie Wahl hat, eine Person seines Vertrauens mit der Beaufsichtigung zu beauftragen oder das versicherte Fahrgeschäft auf ein eingezäuntes und mit verschlossenen Zugängen versehenes Grundstück oder in ein verschlossenes festes Gebäude zu verbringen.
18
Der 2. vereinbarten Sicherheitsobliegenheit ist der Kläger nicht hinreichend nachgekommen.
19
a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist davon auszugehen , dass der Zeuge Kö. das ihm anvertraute Fahrgeschäft in der Zeit ab Dienstagabend bis Mittwochmittag nicht genügend beaufsichtigt hat. Dieser hat sich überwiegend in seinem etwa 300 m Luftlinie entfernten Wohnwagen aufgehalten, nur gelegentlich einen Blick auf den Freifallturm geworfen und insbesondere keine Kontrollgänge unternommen. Darin ist keine ständige, mit Kontrollen verbundene Beaufsichtigung i.S. von § 5 Nr. 5 AVB Schausteller 2001 zu sehen.
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b) Hingegen kommt es - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht darauf an, dass der Zeuge Kö. die Aufsicht über das Fahrgeschäft nur weniger als 24 Stunden wahrgenommen hat. So ist der Inhalt der Klausel 4 Nr. 3c ersichtlich nicht aufzufassen, auch die - hier nicht einschlägige - Klausel 2 Nr. 4 wäre nicht in diesem Sinne zu verstehen. Vielmehr ist bei einem Aufenthalt zwischen den Veranstaltungen, der länger als 24 Stunden dauert, danach durchgängig eine erhöhte Si- cherheit des versicherten Gegenstandes zu gewährleisten, die in einer ständigen Anwesenheit des Versicherungsnehmers oder einer von ihm beauftragten Vertrauensperson beim Geschäft, verbunden mit entsprechenden Kontrollen, besteht. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen , dass ein über längere Zeit unbeaufsichtigtes Fahrgeschäft den Diebstahlsanreiz für Dritte erhöht. Jede andere Interpretation setzt sich mit dem Wortlaut, aber auch mit dem Sinn und Zweck der Klausel in Widerspruch. Wenn sich die beauftragte Person lediglich alle 24 Stunden vergewissert, dass mit dem versicherten Fahrzeug alles in Ordnung ist, um danach das Geschäft wieder für 24 Stunden sich selbst zu überlassen , liefe das Erfordernis einer - auf Dauer angelegten - "ständigen Anwesenheit" inhaltlich leer; von den Anforderungen der Sicherheitsvorschrift wären der Versicherungsnehmer oder die von ihm beauftragte Person nahezu völlig entbunden.
21
c) Somit ist der objektive Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung gegeben. Die Verschuldensvermutung des § 6 Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. hat der Kläger nicht widerlegt; auch der Kausalitätsgegenbeweis des § 6 Abs. 2 VVG a.F. ist durch ihn nicht geführt.
22
3. Das Berufungsgericht hat allerdings richtig gesehen, dass die Beklagte die Kündigungsobliegenheit aus § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG a.F. in § 5 Nr. 7 AVB Schausteller 2001 nicht wirksam abbedingen konnte (vgl. dazu Senatsurteil vom 29. Juni 1983 - IVa ZR 220/81 - VersR 1983, 949 unter II). Jedoch erweist sich dies als nicht entscheidungserheblich.
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a) Zwar trifft es zu, dass die Beklagte keine Kündigung erklärt hat, die sich auf den streitbefangenen Versicherungsfall und die damit verbundene Obliegenheitsverletzung bezieht. Eine solche Kündigung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG a.F. ist aber dann entbehrlich, wenn der Vertrag noch vor Ablauf der Kündigungsfrist aus anderen Gründen seine Beendigung gefunden hat; eine weitere Kündigung wäre eine überflüssige Formalität. Auch könnte dem Zweck der Kündigungsobliegenheit nicht mehr Rechnung getragen werden, der darin liegt, dem Versicherer die Möglichkeit zu nehmen, mit dem Einwand der Leistungsfreiheit bis zum nächsten Versicherungsfall zu warten, gleichwohl aber inzwischen in den Genuss der Prämie zu kommen, bzw. dem Versicherungsnehmer gegenüber klarzustellen, dass er den Verstoß gegen die Obliegenheit für so schwerwiegend ansieht, dass er sich zu einer Kündigung veranlasst sieht (vgl. Senat in BGHZ 118, 275, 280 f.; Urteile vom 5. März 1986 - IVa ZR 63/84 - VersR 1986, 380 unter 3; vom 22. Juni 1988 - IVa ZR 25/87 - VersR 1988, 1013 unter II 2; vgl. ferner BGH, Urteil vom 28. Februar 1963 - II ZR 8/60 - VersR 1963, 426 unter II).
24
Ob b) eine Kündigung nach § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG a.F. bereits deshalb nicht mehr erfolgen musste, weil mit dem Diebstahl zugleich das versicherte Interesse entfallen war (vgl. Senatsurteil vom 15. Januar 1997 - IV ZR 335/95 - VersR 1997, 443 unter 2 b), kann dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls war das Versicherungsverhältnis bereits durch die Kündigung vom 28. Juli 2006 einen Monat nach deren Zugang insgesamt beendet worden. Das Berufungsgericht wird mit seiner Ansicht, auf diese Kündigung komme es nicht an, dem Umstand nicht gerecht, dass die Beklagte ausweislich ihres Schreibens von ihrem Kündigungsrecht nach § 13 AVB Schausteller 2001 Gebrauch gemacht hatte. Gegen die Wirksamkeit einer solchen, in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen vereinbarten, ausschließlich objektiven Voraussetzungen folgenden Kündigungsmöglichkeit bestehen keine Bedenken, sofern sie - wie hier - unter denselben Voraussetzungen für beide Vertragsparteien gilt (vgl.
Senatsurteil vom 27. März 1991 - IV ZR 130/90 - VersR 1991, 580 unter II 3). Sie ist vor dem Hintergrund der §§ 96, 113, 158 VVG a.F. zu sehen, wobei es gleich ist, ob diese Bestimmungen als allgemeiner Grundgedanke des Versicherungsrechts für die Sachversicherung schlechthin (vgl. Senatsurteil vom 27. März 1991 aaO; bejahend Langheid in Römer /Langheid, VVG 2. Aufl. § 96 Rdn. 4 f.; Martin, Sachversicherungsrecht 3. Aufl. L II Rdn. 4 f.) oder nur für ihre ausdrücklich im Versicherungsvertragsgesetz geregelten Arten - der Feuer- und der Hagelversicherung - gelten. Die vertragliche Vereinbarung eines Kündigungsrechts, das der in den §§ 96, 113, 158 VVG a.F. enthaltenen gesetzlichen Kündigungsbefugnis entspricht, ist in jedem Falle unbedenklich (vgl. auch Kollhosser in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 96 Rdn. 2).
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c) Der Sinn eines solchen Kündigungsrechts besteht darin, "das Versicherungsverhältnis" zu kündigen, mithin dem Kündigenden die Berechtigung zu geben, sich aus der gesamten Vertragsbeziehung zu lösen (Langheid aaO Rdn. 18). Auf die Bestimmung des § 30 VVG a.F. und seine entsprechende Anwendbarkeit für § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG a.F. kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
26
d) Das Berufungsgericht hat dies bei seiner Auslegung des Schreibens vom 28. Juli 2006 nicht ausreichend bedacht; es entfernt sich zudem vom eindeutigen Wortlaut der Kündigung. Diese hatte nicht allein den versicherten Wohnwagen anlässlich des seitens der Beklagten regulierten Sturmschadens zum Gegenstand. Bereits im Briefkopf ihres Schreibens hat die Beklagte die "Schaustellerkaskoversicherung" mit der dazu gehörigen Versicherungsnummer … angeführt, mithin das Vertragsverhältnis in seiner Gesamtheit bezeichnet. Ferner wird das Kündigungsrecht gemäß § 13 AVB Schausteller 2001 gegen Ende des Schreibens ausdrücklich in Bezug genommen, und zwar ohne jede Einschränkung dahin, dass es sich nur um eine Teilkündigung handeln sollte.
27
4. Mithin war die Beklagte von der Kündigungsobliegenheit jedenfalls deshalb befreit, weil das Versicherungsverhältnis insgesamt durch die Kündigung vom 28. Juli 2006 und damit noch vor Beginn der Kündigungsfrist nach § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG a.F. beendet worden ist. Sie hat dem Kläger daher zu Recht die begehrte Versicherungsleistung versagt.
Terno Seiffert Dr. Kessal-Wulf
Felsch Harsdorf-Gebhardt
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 12.06.2008 - 8 O 58/07 -
OLG Celle, Entscheidung vom 15.01.2009 - 8 U 148/08 -

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(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 113 Pflichtversicherung


(1) Eine Haftpflichtversicherung, zu deren Abschluss eine Verpflichtung durch Rechtsvorschrift besteht (Pflichtversicherung), ist mit einem im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Versicherungsunternehmen abzuschließen. (2) Der Versicherer hat dem V

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 30 Anzeige des Versicherungsfalles


(1) Der Versicherungsnehmer hat den Eintritt des Versicherungsfalles, nachdem er von ihm Kenntnis erlangt hat, dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. Steht das Recht auf die vertragliche Leistung des Versicherers einem Dritten zu, ist auch dieser z

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 96 Kündigung nach Veräußerung


(1) Der Versicherer ist berechtigt, dem Erwerber einer versicherten Sache das Versicherungsverhältnis unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zu kündigen. Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats ab der Kenntnis des Ver

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 158 Gefahränderung


(1) Als Erhöhung der Gefahr gilt nur eine solche Änderung der Gefahrumstände, die nach ausdrücklicher Vereinbarung als Gefahrerhöhung angesehen werden soll; die Vereinbarung bedarf der Textform. (2) Eine Erhöhung der Gefahr kann der Versicherer nich

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(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren.

(2) Für die Übermittlung des erteilten Rats und der Gründe hierfür gilt § 6a.

(3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation nach den Absätzen 1 und 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherer ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf seine Möglichkeit auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch nach Absatz 5 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.

(4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist; Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend. Der Versicherungsnehmer kann im Einzelfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.

(5) Verletzt der Versicherer eine Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 4, ist er dem Versicherungsnehmer zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Versicherer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des § 210 Absatz 2 nicht anzuwenden, ferner dann nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird.

(1) Der Versicherungsnehmer hat den Eintritt des Versicherungsfalles, nachdem er von ihm Kenntnis erlangt hat, dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. Steht das Recht auf die vertragliche Leistung des Versicherers einem Dritten zu, ist auch dieser zur Anzeige verpflichtet.

(2) Auf eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer im Fall der Verletzung der Anzeigepflicht nach Absatz 1 Satz 1 nicht zur Leistung verpflichtet ist, kann sich der Versicherer nicht berufen, wenn er auf andere Weise vom Eintritt des Versicherungsfalles rechtzeitig Kenntnis erlangt hat.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren.

(2) Für die Übermittlung des erteilten Rats und der Gründe hierfür gilt § 6a.

(3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation nach den Absätzen 1 und 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherer ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf seine Möglichkeit auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch nach Absatz 5 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.

(4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist; Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend. Der Versicherungsnehmer kann im Einzelfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.

(5) Verletzt der Versicherer eine Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 4, ist er dem Versicherungsnehmer zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Versicherer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des § 210 Absatz 2 nicht anzuwenden, ferner dann nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
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AVB f. Feuervers. (AFB 87) § 11 Nr. 1
Die Bestimmung "Behördliche Wiederherstellungsbeschränkungen bleiben unberücksichtigt"
in § 11 Nr. 1 AFB 87 benachteiligt den Versicherungsnehmer wegen
Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 9 AGBG, jetzt § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB)
unangemessen und ist deshalb unwirksam.
BGH, Urteil vom 30. April 2008 - IV ZR 241/04 - OLG Köln
LG Köln
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Richter Seiffert,
Dr. Schlichting, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter
Felsch auf die mündliche Verhandlung vom 30. April 2008

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 28. September 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Feuerversicherung wegen zweier Brandschäden im Juni und Oktober 1998 auf ihrem Fabrikgelände in Anspruch, auf dem sie ein Edelstahlhammerwerk und ein Ringwalzwerk betreibt. Über den bereits regulierten Neuwertschaden von ca. 755.000 DM hinaus macht sie Ersatz von Mehrkosten in Höhe von ca. 130.000 € wegen behördlich vorgegebener Baumaßnahmen zum Schutz der Umwelt und der Mitarbeiter geltend. Es geht um Schallschutzmaßnahmen für das Dach der Hammerhalle, eine doppelwandige Ausführung der Ölhärteanlage mit Leckageanzeige und eine Anlage zur Absaugung des Ölnebels. Die Durchführung der beiden zuerst genannten Maßnahmen hatte das Staatliche Umweltamt im Zuge des die Änderung genehmigungsbedürftiger Anlagen nach § 15 des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) betreffenden Anzeigeverfahrens mit Schreiben vom 17./18. August 1998 verlangt. Die von der Klägerin nach dieser Vorschrift angezeigte Erneuerung des Dachs und der Ölhärteanlage erfüllte die geforderten Voraussetzungen. Demgemäß entschied das Umweltamt durch Freistellungsbescheide vom 8. September und 13. Oktober 1998, dass für die angezeigten Vorhaben kein Genehmigungsverfahren nach § 16 Abs. 1 BImSchG erforderlich sei. Den Einbau der Anlage zur Absaugung der Ölnebel verlangte das Umweltamt aus Gründen des Arbeitsschutzes nach Behauptung der Klägerin bei einer Besprechung vom 6. November 1998.
2
Dem Versicherungsvertrag vom März 1994 mit Nachtrag vom Dezember 1997 liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Feuerversicherung (AFB 87) zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten: "§ 5 Versicherungswert 1. Versicherungswert von Gebäuden ist
a) der Neuwert; Neuwert ist der ortsübliche Neubauwert einschließlich Architektengebühren sowie sonstiger Konstruktions- und Planungskosten; … § 11 Entschädigungsberechnung; Unterversicherung 1. Ersetzt werden
a) bei zerstörten oder infolge eines Versicherungsfalles abhanden gekommenen Sachen der Versicherungswert (§ 5) unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles;
b) bei beschädigten Sachen die notwendigen Reparaturkosten zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalles zuzüglich einer durch den Versicherungsfall etwa entstandenen und durch die Reparatur nicht auszugleichenden Wertminderung , höchstens jedoch der Versicherungswert unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles; die Reparaturkosten werden gekürzt, soweit durch die Reparatur der Versicherungswert der Sache gegenüber dem Versicherungswert unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles erhöht wird. Restwerte werden angerechnet. Behördliche Wiederherstellungsbeschränkungen bleiben unberücksichtigt. …"
3
Mehrkosten infolge behördlicher Wiederherstellungsbeschränkungen sind durch die Klauseln 2302 und 2303 mitversichert, die auszugsweise wie folgt lauten: "Mehrkosten durch behördliche Wiederherstellungsbeschränkungen (ohne Restwerte) (2302) 1. Abweichend von den dem Vertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind Erhöhungen des Schadenaufwandes durch Mehrkosten infolge behördlicher Wiederherstellungsbeschränkungen mitversichert. 2. Ersetzt werden bis zu der hierfür vereinbarten Versicherungssumme die tatsächlich entstandenen Mehrkosten für die Wiederherstellung der versicherten und vom Schaden betroffenen Sache durch behördliche Auflagen auf der Grundlage bereits vor Eintritt des Versicherungsfalles erlassener Gesetze und Verordnungen. Soweit behördliche Auflagen mit Fristsetzung vor Eintritt des Versicherungsfalles erteilt wurden, sind die dadurch entstehenden Mehrkosten nicht versichert. 3. Aufwendungen, die dadurch entstehen, dass infolge behördlicher Wiederherstellungsbeschränkungen Reste der versicherten und vom Schaden betroffenen Sache nicht wieder verwertet werden können, sind nicht versichert. … Berücksichtigung von behördlichen Wiederherstellungsbeschränkungen für Restwerte (Klausel 2303) 1. Abweichend von den dem Vertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind bei der Anrechnung des Restwertes für die versicherte und vom Schaden betroffene Sache behördliche Wiederherstellungsbeschränkungen zu berücksichtigen. …"
4
Beklagte Die verweigert die Erstattung der geltend gemachten Mehrkosten, weil das Umweltamt die Maßnahmen nicht durch förmliche Auflagen nach § 36 Abs. 2 Nr. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) angeordnet habe. Nur durch solche Auflagen verursachte Mehrkosten seien nach der Klausel 2302 mitversichert.
5
Demgegenüber meint die Klägerin, es komme nicht auf die Form der behördlichen Vorgaben an, sondern darauf, ob sie zur Wiederherstellung einer dem Versicherungswert entsprechenden Sache objektiv erforderlich seien und zu Recht verlangt würden. Der Anspruch ergebe sich im Übrigen nicht erst aus der Klausel 2302, sondern bereits aus §§ 5, 11 Nr. 1 AFB 87 und könne durch die die Erweiterung des Versicherungsschutzes bezweckenden Klauseln 2302 und 2303 nicht eingeschränkt werden.
6
Die gegen die Beklagte als führenden Versicherer gerichtete Klage auf Zahlung ihres Anteils in Höhe von 39.241,93 € hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.

Entscheidungsgründe:


7
Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache.
8
I. Das Berufungsgericht (VersR 2005, 265) hat offen gelassen, ob sich der Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Mehrkosten aufgrund behördlicher Wiederherstellungsbeschränkungen in der Neuwertversicherung aus §§ 5, 11 Nr. 1 AFB 87 ergebe und sich die Regelung in § 11 Nr. 1 Abs. 3 AFB 87, wonach behördliche Wiederherstellungsbeschränkungen unberücksichtigt bleiben, nur auf die Anrechnung von Restwerten in Absatz 2 der Klausel beziehe. Bei den vereinbarten Klauseln 2302 und 2303 handele es sich um Besondere Bedingungen des Versicherungsvertrages. Diese Spezialregelungen zu Mehrkosten durch behördliche Wiederherstellungsbeschränkungen verdrängten die allgemeine Regelung in den AFB 87. In Nr. 1 der Klausel 2302 werde zudem ausdrücklich klargestellt, dass nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen Mehrkosten infolge behördlicher Wiederherstellungsbeschränkungen nicht mitversichert seien. Ein Anspruch aus Nr. 1 und 2 der Klausel 2302 scheitere bereits daran, dass eine behördliche Auflage i.S. der Klausel nicht vorliege. Zwar möge zweifelhaft sein, ob der Begriff "behördliche Auflage" allein auf die Definition und rechtliche Einordnung in § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG zurückzuführen sei, weil der Begriff "Auflage" nicht nur im Verwaltungsrecht, sondern auch im Strafrecht und Zivilrecht verwendet werde. Es sei auch nicht zu verkennen, dass durch die Einführung des Anzeigeverfahrens in § 15 BImSchG ein gesetzliches Verfahren geschaffen worden sei, wonach die Abstimmung einer geplanten Änderung der Anlage mit der Behörde im Vorfeld den Erlass von sonst gebotenen rechtlichen Auflagen im Genehmigungsverfahren überflüssig machen und Zeit und Kosten - bei einer Betriebsunterbrechungsversicherung auch zum Vorteil des Versicherers - sparen könne. Trotz dieser Interessenlage sei bei der Auslegung des Begriffs "behördliche Auflage" aus Gründen der Rechtsklarheit an dem Erlass einer einzelfallbezogenen rechtsverbindlichen Regelung der Behörde festzuhalten. Den im Schreiben des Umweltamtes vom 17./18. August 1998 und in der Besprechung vom 6. November 1998 geforderten Maßnahmen habe keine für die Klägerin rechtsverbindliche, einzelfallbezogene Regelung der Behörde zugrunde gelegen. Ob die Klägerin nach der Gesetzeslage verpflichtet gewesen sei, die Maßnahmen durchzuführen, sei unerheblich.
9
II. Mit dieser Begründung lässt sich die Abweisung der Klage nicht rechtfertigen.
10
1. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des Vertragswerks ist schon vom Ansatz her verfehlt. Es durfte nicht offen lassen , ob sich der geltend gemachte Anspruch bereits aus §§ 5, 11 Nr. 1 AFB 87 ergibt. Die Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen (hier der AFB 87) hängt nicht davon ab, ob Klauseln, die zusätzlich vereinbart werden können, vereinbart worden sind oder nicht (vgl. Senatsurteile vom 17. März 1999 - IV ZR 89/98 - VersR 1999, 748 unter 2 und vom 15. November 1989 - IVa ZR 212/88 - VersR 1990, 200 f.; Martin , Sachversicherungsrecht 3. Aufl. Q IV Rdn. 64). § 11 AFB 87 ist vielmehr aus sich heraus auszulegen unabhängig davon, ob der sich aus den Allgemeinen Bedingungen ergebende Versicherungsschutz durch die Vereinbarung Besonderer Bedingungen oder von Zusatzklauseln eingeschränkt oder erweitert wird. Soll der Leistungsumfang abweichend von den AVB - wie hier durch die Klauseln 2302 und 2303 - erklärtermaßen und nach dem Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers unzweifelhaft erweitert werden (vgl. Boldt, Die Feuerversicherung 7. Aufl. S. 29 f.; Johannsen/Johannsen in Bruck/Möller, VVG 8. Aufl. Bd. III Anm. H 167 S. 702), ist es rechtlich fehlerhaft, daraus eine Einschränkung des nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen versprochenen Versicherungsschutzes abzuleiten (Senatsurteil vom 17. März 1999 aaO; Schnitzler, Der Schaden als Leistungsgrenze in der Sachversicherung [§ 55 VVG] S. 209).
11
2. Die Grundlage für den geltend gemachten Anspruch ergibt sich demgemäß aus §§ 5, 11 Nr. 1 AFB 87. Als Versicherungswert ist - soweit hier von Bedeutung - der Neuwert vereinbart.
12
a) Nach § 11 Nr. 1a AFB 87 wird bei zerstörten Sachen der Versicherungswert (§ 5) unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles ersetzt. Versicherungswert von Gebäuden ist nach § 5 Nr. 1a AFB 87 der Neuwert, definiert als der ortsübliche Neubauwert einschließlich Architektengebühren sowie sonstiger Konstruktions- und Planungskosten. Der ortsübliche Neubauwert umfasst die Kosten, die erforderlich sind, um ein Gebäude gleicher Art, Güte und Zweckbestimmung im neuwertigen Zustand wieder herzustellen (vgl. § 11 Nr. 5a AFB 87; Martin aaO Q IV Rdn. 11). Ist eine Wiederherstellung aus tatsächlichen, rechtlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht mehr in gleicher, sondern nur noch in besserer Art und Güte möglich, so ist die nächst bessere und realisierbare Art und Güte zugrunde zu legen (Senatsurteil vom 21. Februar 1990 - IV ZR 298/88 - VersR 1990, 488 unter 2; Kollhosser in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 5 AFB 87 Rdn. 3; Martin aaO Q IV Rdn. 14, 17; Engels, VP 1989, 88 f.). Der zu ersetzende ortsübliche Neubauwert umfasst da- mit insbesondere unvermeidliche Mehrkosten infolge behördlicher Wiederherstellungsbeschränkungen (Kollhosser aaO und § 55 VVG Rdn. 43, § 83 VVG Rdn. 2 a.E. sowie § 15 VGB 88 Rdn. 3; Martin aaO Q IV Rdn. 23-25 und 29-32; BK/Dörner/Staudinger, § 83 VVG Rdn. 6; Schnitzler aaO S. 199). Das folgt aus dem Zweck der Neuwertversicherung, den Versicherungsnehmer vor den ungeplanten, ihm durch den Versicherungsfall aufgezwungenen, mit der Wiederherstellung verbundenen Kosten zu schützen, auch soweit sie den Zeitwert übersteigen (vgl. Senatsurteil vom 21. Februar 1990 aaO und BGHZ 137, 318, 326 f.; Martin aaO R III Rdn. 20). Ob Mehrkosten infolge behördlicher Wiederherstellungsbeschränkungen zu ersetzen sind, hängt nicht von der Form der behördlichen Vorgaben ab, sondern davon, ob es rechtmäßig ist, die Wiederherstellung davon abhängig zu machen (vgl. Martin aaO Q IV Rdn. 44).
13
b) Die gleichen Grundsätze gelten für den Ersatz der notwendigen Reparaturkosten bei beschädigten Sachen, weil § 11 Nr. 1b AFB 87 ebenfalls auf den Versicherungswert abstellt, also den Neuwert unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles als Obergrenze (vgl. Senatsurteil vom 24. Januar 2007 - IV ZR 84/05 - VersR 2007, 489 unter 3; Martin aaO R III Rdn. 13, 16, 28).
14
3. Der sich aus § 5 Nr. 1a i.V. mit dem ersten Satz/Absatz in § 11 Nr. 1 AFB 87 ergebende Anspruch wird durch den (üblicherweise und auch im Folgenden als Absatz 3 bezeichneten) Satz "Behördliche Wiederherstellungsbeschränkungen bleiben unberücksichtigt" nicht wirksam eingeschränkt. Diese Bestimmung benachteiligt den Versicherungsnehmer wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 9 AGBG, jetzt § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) unangemessen und ist deshalb unwirksam.
15
Nach a) dem Transparenzgebot ist der Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben auch, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BGHZ 147, 354, 361 f.)
16
b) Diesen Anforderungen genügt § 11 Nr. 1 Abs. 3 AFB 87 nicht.
17
Schon aa) die Formulierung "Behördliche Wiederherstellungsbeschränkungen bleiben unberücksichtigt" weist den durchschnittlichen Versicherungsnehmer, auf dessen Verständnismöglichkeiten es ankommt (BGHZ 123, 83, 85), nicht mit der gebotenen und möglichen Klarheit darauf hin, dass es um Mehrkosten infolge behördlicher Wiederherstellungsbeschränkungen geht und diese nicht ersetzt werden. Der Satz wird vom Schriftbild her auch nicht ohne weiteres als selbständiger Absatz erkannt. Deshalb können Zweifel aufkommen, ob er sich nur auf die im Satz/Absatz davor erwähnten Restwerte oder auch auf die unter a) und
b) geregelten Wiederherstellungs- und Reparaturkosten bezieht.
18
bb)Demgemäßverwun dert es nicht, dass die Auslegung von § 11 Nr. 1 Abs. 3 AFB 87 in der Literatur umstritten ist (vgl. Schnitzler aaO S. 206 ff.).
19
Einige Autoren meinen, die Nichtberücksichtigung behördlicher Wiederherstellungsbeschränkungen beziehe sich allein auf die Anrech- nung von Restwerten (Kollhosser aaO § 5 AFB 87 Rdn. 3; Martin aaO Q IV Rdn. 33-36; Engels aaO; Josten/Horn, Die Feuer-IndustrieVersicherung S. 34).
20
Nach anderer Auffassung enthält die Klausel einen vollständigen Ausschluss der durch behördliche Wiederherstellungsbeschränkungen verursachten Mehrkosten, und zwar für den Fall von Nr. 1a und Nr. 1b (Boldt aaO; Johannsen/Johannsen aaO Anm. H 167 S. 701 f.; ebenso wohl auch Dietz, Wohngebäudeversicherung 2. Aufl. R 2.2; Schnitzler aaO S. 208 ff.).
21
cc) Die Auslegung, die Klausel beziehe sich nur auf die Anrechnung von Restwerten, lässt sich zwar für denjenigen hören, der über vertiefte rechtliche Kenntnisse in der Neuwertversicherung von Gebäuden verfügt. Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer, der § 11 Nr. 1 AFB 87 verständig würdigend aufmerksam durchsieht und einen Sinnzusammenhang mit der Bestimmung des Versicherungswerts in § 5 AFB 87 erkennt, wird sich dies nicht als ernsthaft in Betracht kommende Auslegungsmöglichkeit erschließen. Selbst Martin (aaO Q IV 33, 63, R II 25) kommt zu dem Ergebnis, dass der allein in Betracht kommende Verkaufswert der Reste durch behördliche Wiederherstellungsbeschränkungen nicht beeinflusst werde und die Klausel deshalb kein Anwendungsgebiet habe.
22
Der um Verständnis bemühte Versicherungsnehmer wird der Klausel aber nicht jede Bedeutung absprechen. Er kann ihr immerhin noch entnehmen, dass sie wie die Anrechnung der Restwerte auf eine Kürzung der Ersatzleistung abzielt. Ob die Nichtberücksichtigung von behördlichen Wiederherstellungsbeschränkungen nur die Wiederherstellung zerstörter Sachen oder auch die notwendigen Reparaturkosten bei beschädigten Sachen betrifft, bleibt allerdings im Dunkeln. Zudem werden die mit dem völligen Ausschluss solcher Mehrkosten verbundenen wirtschaftlichen Nachteile dem Versicherungsnehmer auch nicht annähernd vor Augen geführt. Insbesondere bei älteren Industrieanlagen kann dies wegen neuer Gesetze zum Schutz der Umwelt und über die Anlagensicherheit zu Mehrkosten in einer Größenordnung führen, die eine Wiederherstellung für den Versicherungsnehmer wirtschaftlich unmöglich machen.
23
III. Nach der Zurückverweisung und eventuell ergänzendem Parteivortrag wird das Berufungsgericht die Sache in tatsächlicher Hinsicht aufzuklären und die Rechtmäßigkeit der behördlichen Vorgaben zu prüfen haben. Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass sich die in den vorinstanzlichen Schriftsätzen erwähnte Baugenehmigung für das Hal- lendach und das im Schriftsatz der Beklagten vom 24. Juni 2004 erwähnte Sachverständigengutachten F. (GA II 378) nicht bei den Akten befinden.
Seiffert Dr. Schlichting Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 11.12.2003 - 24 O 336/02 -
OLG Köln, Entscheidung vom 28.09.2004 - 9 U 9/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 252/06 Verkündetam:
26.September2007
Heinekamp
Justizhauptsekretär
alsUrkundsbeamter
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Klausel in einer Invaliditäts-Zusatzversicherung "Versicherungsschutz besteht
nicht für Invalidität, die ganz oder überwiegend eingetreten ist aufgrund angeborener
oder solcher Krankheiten, die im ersten Lebensjahr in Erscheinung getreten sind", ist
unwirksam.
BGH, Urteil vom 26. September 2007 - IV ZR 252/06 - Kammergericht
LG Berlin
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung
vom 26. September 2007

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 15. August 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Kläger Der verlangt von der Beklagten Versicherungsleistungen aus einer im April 1998 für seinen im Januar 1996 geborenen Sohn genommenen Invaliditäts-Zusatzversicherung. Dem Versicherungsverhältnis liegen unter anderem Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Invaliditäts-Zusatzversorgung von Kindern zugrunde (im Folgenden: AVB 97), die in ihrem Abschnitt C auszugsweise wie folgt lauten: "1 Wer kann versichert werden? Die Versicherung kann für Kinder vom vollendeten ersten bis zum vollendeten 16. Lebensjahr abgeschlossen werden.

2
Was ist durch diesen Vertrag versichert? (Versicherungsfall) 2.1 Wir bieten Versicherungsschutz für die während der Wirksamkeit des Vertrages durch schwere Krankheit oder Unfall unfreiwillig eingetretene Invalidität. Als solche gilt in diesem Zusatzvertrag eine dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit, die nach den Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes einen Grad der Behinderung (GdB) von wenigstens 50 erreicht. 2.2 Als Zeitpunkt für den Eintritt der Invalidität gilt der Zugang des Antrags auf Feststellung einer Behinderung beim Versorgungsamt. …
5
Welchen Einfluss haben Versicherungsunfähigkeit und Ausschlüsse auf den Vertrag? 5.1 Nicht versicherbar und trotz Beitragszahlung nicht versichert sind Personen, bei denen bereits vor Vertragsbeginn eine Invalidität bestand. 5.2 Wird eine vor Vertragsbeginn bestehende Invalidität erst während der Wirksamkeit des Vertrages durch Bescheid festgestellt, erlischt der Vertrag rückwirkend ab Beginn; bereits gezahlte Beiträge werden erstattet. Dies gilt entsprechend, wenn wir nach 6.1 und 6.2 keine Leistung erbringen.
6
In welchen Fällen ist der Versicherungsschutz ausgeschlossen? Versicherungsschutz besteht nicht für Invalidität, die ganz oder überwiegend eingetreten ist aufgrund 6.1 angeborener oder solcher Krankheiten, die im ersten Lebensjahr in Erscheinung getreten sind."
2
Im September 1998 wurde beim Sohn des Klägers anlässlich einer Lippenbändchenblutung ein ererbter Blutgerinnungsdefekt (leichte Hämophilie
A) diagnostiziert. Das zuständige Versorgungsamt setzte mit Bescheid vom 24. August 2000 den Grad der Behinderung auf 20 fest. Nachdem beim Sohn des Klägers verschiedentlich Gelenkblutungen aufgetreten waren, gingen die behandelnden Ärzte von einer mittelschweren Form der Hämophilie A aus. Das Versorgungsamt erhöhte den Grad der Behinderung auf entsprechenden Antrag des Klägers mit Bescheid vom 7. Mai 2004 zunächst auf 30; im Widerspruchsverfahren erging am 12. November 2004 ein Abhilfebescheid, wonach der Grad der Behinderung mit Wirkung vom 1. Mai 2003 nunmehr 80 betrug.
3
Der Kläger machte daraufhin bei der Beklagten zugunsten seines versicherten Sohnes Rentenansprüche ab Mai 2003 geltend. Die Beklagte lehnte Versicherungsleistungen ab, weil gemäß Abschnitt C Ziff. 6.1 AVB 97 kein Versicherungsschutz für Invalidität bestehe, welche ganz oder überwiegend aufgrund von angeborenen Krankheiten eingetreten sei. Nach Ziff. 5.2 AVB 97 erlösche der Vertrag deshalb rückwirkend ab Beginn; die vom Kläger bis dahin entrichteten Beiträge zahlte die Beklagte zurück.
4
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung einer lebenslangen monatlichen Rente in Höhe von 282 € ab April 2005, der ab Juni 2003 bis März 2005 aufgelaufenen Rückstände in Höhe von 6.468 € nebst Zinsen und der außergerichtlichen, nicht anrechenbaren Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 480,12 € nebst Zinsen verurteilt. Es hat die Klage lediglich wegen des Rentenanspruches für den Monat Mai 2003 abgewiesen, weil nach Ziff. 4.2 AVB 97 die Rente erst ab dem Ersten des auf den Eintritt der Invalidität folgenden Monats zu zahlen sei. Die Berufung der Beklagten hatte in vollem Umfang Erfolg. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


5
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
6
I. Dieses hat ausgeführt: Der Sohn des Klägers leide unstreitig an einer angeborenen Krankheit. Daher bestehe kein Versicherungsschutz nach Ziff. 6.1 AVB 97. Die genannte Bestimmung sei kontrollfähig, da sie das unter Ziff. 2 AVB 97 gegebene Hauptleistungsversprechen der Beklagten einschränke. Sie sei jedoch weder unklar (§ 305c Abs. 2 BGB) noch inhaltlich unangemessen (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB).
7
Die Klausel in Ziff. 6.1 AVB 97 sei eindeutig gefasst. Sie könne insbesondere nicht dahin ausgelegt werden, Versicherungsschutz bei angeborenen Erkrankungen sei lediglich dann ausgeschlossen, falls diese im ersten Lebensjahr in Erscheinung getreten seien. Der in Ziff. 6.1 AVB 97 enthaltene Relativsatz beziehe sich nur auf die zweite Alternative , die dadurch inhaltlich näher umschrieben werde. Kein Versicherungsschutz bestehe danach für angeborene oder im ersten Lebensjahr in Erscheinung getretene Krankheiten. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer werde den Begriff der "angeborenen Krankheit" als entweder genetisch bedingt oder während der Geburt entstanden verstehen.
Auch wenn es keinen abschließenden Katalog angeborener Krankheiten gebe, seien die bei der Geburt entstandenen Krankheiten regelmäßig von Anfang an bekannt, die genetisch bedingten zumindest in der Mehrzahl der Fälle aufgrund ihrer Erscheinungsform - wie etwa beim DownSyndrom - oder der durch Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen gewonnenen Erkenntnisse; bei der Bluterkrankheit sei jedenfalls der Erbgang bekannt. Da eine Versicherbarkeit nach den Zusatzbedingungen der Beklagten erst nach vollendetem ersten Lebensjahr bestehe, werde die angeborene Krankheit jedenfalls bei Stellung des Versicherungsantrages häufig bekannt sein. Vom Leistungsausschluss nicht erfasst seien hingegen die Erkrankungen, die erst nach der Geburt entstanden seien, auch wenn dabei genetische Dispositionen eine Rolle gespielt hätten. Die Abgrenzung einer bloßen genetischen Disposition von einer schon bestehenden genetisch bedingten Erkrankung möge im Einzelfall nicht einfach sein. Hier genüge es jedoch, den Ausschlusstatbestand eng auszulegen. Die Klausel sei somit hinreichend bestimmt; ein Verstoß gegen das Transparenzgebot nicht gegeben.
8
Die Klausel in Ziff. 6.1 AVB 97 weiche auch nicht von den Grundgedanken der gesetzlichen Regelung in §§ 16 ff. VVG ab. Eine Konstellation , wonach der Versicherer von der Möglichkeit einer Risikoprüfung vor Vertragsschluss absehe, gleichwohl aber von seiner Leistungspflicht solche Fälle ausnehmen wolle, die aufgrund nachträglicher Feststellung auf vor Vertragsschluss gegebene Gefahrumstände zurückzuführen seien , liege hier nicht vor. Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 2. März 1994 - IV ZR 109/93 - VersR 1994, 549) habe nicht entschieden, dass Leistungsausschlüsse generell eine unzulässige Aushöhlung des Versicherungsschutzes darstellten, wenn sie keine rein temporären nach ihrem Entstehungszeitpunkt eingegrenzten Risiken, sondern solche beträfen, die bereits vor Vertragsschluss angelegt, dem Versicherungsnehmer indes nicht bekannt gewesen seien und daher auch bei wahrheitsgemäßen Angaben nicht hätten berücksichtigt werden können. Der vorliegende Ausschluss beziehe sich auf einen bestimmten Ausschnitt von Erkrankungen , die anlage- oder geburtsbedingt und mit einem besonders hohen Risiko dauerhafter Invalidität verbunden seien. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer werde nicht ohne weiteres damit rechnen, dass die Invalidität seines Kindes aufgrund einer angeborenen Erkrankung überhaupt versicherbar sei; denn derartige Erkrankungen würden im Allgemeinen eher als schicksalhafte Fügung denn als versicherbares Risiko angesehen. Die Herausnahme bestimmter Erkrankungen im Wege des objektiven Risikoausschlusses gefährde den Vertragszweck nicht, sondern sei im Interesse der Begrenzung der Prämien sachgerecht und nicht von vornherein unangemessen. Das Versicherungsvertragsgesetz sehe auch nicht vor, dass der Versicherer alle vorvertraglich bestehenden oder angelegten Risiken übernehmen müsse, nach denen bei Antragstellung gefragt werde, die aber noch unbekannt seien und daher wahrheitsgemäß nicht angegeben werden könnten.
9
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
10
1. Zu folgen ist dem Berufungsgericht allerdings darin, dass sich für die Interpretation der streitbefangenen Klausel in Ziff. 6.1 AVB 97 Zweifel nicht ergeben und die Regelung daher nicht unklar im Sinne von § 305c Abs. 2 BGB ist.
11
a) Das Berufungsgericht hat richtig gesehen, dass es zunächst einer Auslegung der betreffenden Bestimmung bedarf, weil nur so Klarheit über ihren Inhalt gewonnen werden kann. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (vgl. BGHZ 123, 83, 85). Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an. Unklar gemäß § 305c Abs. 2 BGB sind Klauseln, bei denen nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel bleibt und mindestens zwei Auslegungen rechtlich vertretbar sind (BGHZ 112, 65, 68 f.; Senatsurteil vom 9. Juli 2003 - IV ZR 74/02 - VersR 2003, 1163 unter II 2 c). Davon ist bei Ziff. 6.1 AVB 97 nicht auszugehen.
12
Vielmehr b) folgt aus Wortlaut und systematischem Zusammenhang der Klausel, dass es um angeborene Krankheiten oder um solche Krankheiten geht, die im ersten Lebensjahr in Erscheinung getreten sind; der betreffende Relativsatz bezieht sich allein auf die zweite Klauselalternative. Es müssen sich somit nicht auch die angeborenen Krankheiten schon im ersten Lebensjahr äußerlich manifestiert haben. Anderenfalls - und das wird der verständige Versicherungsnehmer ohne weiteres erkennen - hätte die erste Alternative keine selbständige Bedeutung; sie wäre neben dem zweiten Klauselteil überflüssig. Es hätte genügt, allgemein von Krankheiten zu sprechen, die - ob angeboren oder nicht - im ersten Lebensjahr in Erscheinung getreten sind. Das Berufungsgericht formuliert den Klauselinhalt daher zutreffend als "angeborene oder im ersten Lebensjahr in Erscheinung getretene Krankheiten". Danach erweist sich die Klausel als eindeutig.
13
2. Dem Berufungsgericht ist weiter darin zuzustimmen, dass die Klausel mit ihrem durch Auslegung gewonnenen Inhalt grundsätzlich kontrollfähig ist. Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB ist lediglich die Leistungsbeschreibung , die den unmittelbaren Gegenstand der geschuldeten Hauptleistung festlegt und ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann, einer Überprüfung entzogen. Die Vorschrift hindert eine richterliche Inhaltskontrolle hingegen nicht, wenn die betreffende Klausel nach ihrem Wortlaut und erkennbaren Zweck das vom Versicherer gegebene Hauptleistungsversprechen lediglich einschränkt, verändert, ausgestaltet oder sonst modifiziert (BGHZ 141, 137, 141; 142, 103, 109 f.). So liegt es hier.
14
Hauptleistungsversprechen Das der Beklagten wird in Ziff. 2.1 Satz 1 AVB 97 näher umschrieben. Die Beklagte bietet Versicherungsschutz für während der Wirksamkeit des Vertrages durch schwere Krankheit oder Unfall unfreiwillig eingetretene Invalidität. Dieses Versprechen wird durch die streitbefangene Klausel teilweise zurückgenommen , indem aus dem Kreis der versicherten, auf schwerer Krankheit oder Unfall beruhenden dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit solche Versicherungsfälle ausgenommen werden, bei denen sich die während der Wirksamkeit des Vertrages eingetretene Invalidität auf angeborene oder solche Krankheiten zurückführen lässt, die im ersten Lebensjahr in Erscheinung getreten sind.
15
3. Eine inhaltliche Kontrolle von Ziff. 6.1 AVB 97 ergibt, dass die Klausel den Versicherungsnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt und daher unwirksam ist.
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a) Die Klausel entspricht bereits nicht den Erfordernissen, die sich aus dem Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) ergeben. Der Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingungen ist gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass eine Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben auch, dass sie die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Ist der Verwender diesem Gebot nicht gefolgt, liegt schon darin eine unangemessene Benachteiligung des anderen Vertragspartners (BGHZ 136, 394, 401 f.; 141, 137, 143; 147, 354, 361 f.).
17
(1) Der Versicherungsnehmer wird anhand einer Gesamtschau der Versicherungsbedingungen zu dem Schluss kommen, dass darin unterschieden wird zwischen dem Invaliditätseintritt, der Invaliditätsfeststellung und dem Nachweis bzw. der Geltendmachung der Invalidität. Als Invalidität gilt nach Ziff. 2.1 AVB 97 eine dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit, die nach den Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes einen Grad der Behinderung von wenigstens 50 erreicht; für den Zeitpunkt ihres Eintritts ist nach Ziff. 2.2 AVB 97 auf den Zugang des Antrags auf Feststellung einer Behinderung beim Versorgungsamt abzustellen. Die Invalidität wird ferner durch Bescheid des Versorgungsamtes festgestellt und durch dessen Vorlage nachgewiesen und geltend gemacht (Ziff. 3.1 AVB 97). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
18
Der (2) Versicherungsnehmer erkennt ebenso, dass Versicherungsschutz allein dann besteht, wenn die Invalidität (erst) während der Wirksamkeit des Vertrages eingetreten ist. Das ergibt sich für ihn sowohl aus Ziff. 2.1 AVB 97 ("für die während der Wirksamkeit des Vertrages durch schwere Krankheit oder Unfall unfreiwillig eingetretene Invalidität") als auch aus Ziff. 5.1 und 5.2 AVB 97. Den Bestimmungen unter Ziff. 1 AVB 97 ist überdies zu entnehmen, dass die Versicherung überhaupt nur für Kinder vom vollendeten ersten Lebensjahr an abgeschlossen werden kann. Für eine Invalidität, die bereits im ersten Lebensjahr eingetreten ist, kann von vornherein kein Versicherungsschutz begründet werden, weil bei Abschluss des Versicherungsvertrages kein versicherbares Interesse besteht. Wenn die versicherte Person bereits invalide ist, kann sie für die Zukunft gegen dieses Risiko nicht (mehr) versichert werden (vgl. Senatsurteil vom 25. Januar 1989 - IVa ZR 189/87 - VersR 1989, 351 unter

1).


19
(3) Tritt aber die Invalidität während bestehenden Vertrages ein, so ist grundsätzlich Versicherungsschutz gegeben. Die Regelung unter Ziff. 6.1 AVB 97 enthält daher einen Ausschlusstatbestand, wenn es dort heißt, Versicherungsschutz bestehe nicht für Invalidität, die ganz oder überwiegend eingetreten sei aufgrund angeborener oder solcher Krankheiten , die im ersten Lebensjahr in Erscheinung getreten seien. Es gelten dann nach Ziff. 5.2 Satz 2 AVB 97 dieselben Rechtsfolgen, wie sie in Ziff. 5.2 Satz 1 AVB 97 formuliert werden. Der Vertrag soll rückwirkend ab Beginn erlöschen; bereits gezahlte Beiträge werden erstattet.
20
Dadurch (4) wird dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer zwar hinreichend transparent, dass der Versicherer unter anderem immer dann keine Leistungen erbringen will, wenn die während bestehenden Vertrages eingetretene Invalidität auf einer angeborenen Krankheit beruht , wie dies nach den Feststellungen des Berufungsgerichts beim Sohn des Klägers als Folge einer ererbten Blutgerinnungsstörung der Fall ist. Dem Versicherungsnehmer erschließt sich aber nicht hinreichend, wann von einer "angeborenen Krankheit" auszugehen ist, weil ihm dieser Begriff nicht näher erläutert wird. Die Klausel veranschaulicht ihm nicht, unter welchen Voraussetzungen von einer "angeborenen Krankheit" auszugehen ist. Der bloße Hinweis in den Informationen und Erklärungen zum Versicherungsantrag auf angeborene und geburtsbedingte Krankheiten "wie Mongolismus etc.", reicht dafür nicht aus. Es ist für den Versicherungsnehmer - selbst bei enger Auslegung, wie sie für Ausschlussklauseln geboten ist (BGHZ 88, 228, 231) - daher nicht ohne weiteres durchschaubar , wann er Versicherungsschutz erwarten kann und wann dieser ausgeschlossen sein soll.
21
(5) Ohne Zweifel erfasst die Klausel solche Beeinträchtigungen der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit, die bei Abschluss des Geburtsvorgangs äußerlich erkennbar werden und sich als "angeborene Krankheiten" ohne weiteres feststellen lassen. Darin erschöpft sich der Anwendungsbereich der Klausel jedoch ersichtlich nicht, denn solche Beeinträchtigungen wären zugleich "im ersten Lebensjahr in Erscheinung getreten". Dem Versicherungsnehmer wird dennoch nicht vor Augen geführt , was der Versicherer unter dem unscharfen Begriff der "angeborenen Krankheiten" sonst verstehen möchte, ob also insbesondere auch solche Erkrankungen unter den Ausschlusstatbestand fallen sollen, die auf einer bestimmten ("angeborenen") genetischen Disposition beruhen. Dieser Umstand gewinnt vor dem Hintergrund an Bedeutung, dass im Zuge des medizinischen Fortschritts immer mehr - bis dahin nicht als "angeboren" erkannte und eingeordnete - Erkrankungen auf eine genetische Veranlagung zurückzuführen sind, die bereits bei Geburt bestanden hat, auch wenn die darauf beruhende Erkrankung erst zu einem wesent- lich späteren Zeitpunkt in Erscheinung tritt. Es bleibt allein dem Versicherungsnehmer überlassen, den Begriff der "angeborenen Krankheiten" zu interpretieren und die wirtschaftlichen Risiken abzuschätzen, die für ihn mit der Klausel in Ziff. 6.1 AVB 97 verbunden sein können, obwohl es Aufgabe des Versicherers wäre, ihm diese mit der gebotenen Transparenz zu verdeutlichen.
22
b) Zudem ist die von der Beklagten verwendete Klausel inhaltlich unangemessen, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist, und auch wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB).
23
Die (1) Klausel unterliegt zum einen durchgreifenden Bedenken, soweit ausnahmslos alle angeborenen Krankheiten vom Leistungsausschluss erfasst werden; der Versicherer möchte auf diese Weise sämtliche vor Beginn des Vertrages durch "angeborene Krankheiten" angelegte Versicherungsfälle von seiner Leistungspflicht ausnehmen.
24
Durch einen derart weit reichenden Leistungsausschluss werden Sinn und Zweck des hier genommenen Versicherungsvertrages verfehlt. Die vom Kläger für seinen Sohn abgeschlossene Zusatzversicherung ist darauf gerichtet, die versicherte Person vom vollendeten ersten bis zum vollendeten 16. Lebensjahr gegen das Risiko einer Invalidität "durch schwere Krankheit oder Unfall" abzusichern. Gerade in dieser Lebensspanne tritt krankheitsbedingte Invalidität typischerweise nicht dadurch ein, dass sich eine "schwere Krankheit" neu entwickelt, sondern sie beruht häufig darauf, dass sich eine "angeborene Krankheit" in einer dau- ernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit manifestiert. In einem Leistungsausschluss, der solche "angeborenen Krankheiten" ohne jede Eingrenzung umfasst, liegt daher eine die Erreichung des Vertragszweckes gefährdende Einschränkung der Hauptleistungspflicht des Versicherers und des damit korrespondierenden Anspruchs auf Versicherungsschutz.
25
(2) Nach Ziff. 6.1 AVB 97 sind zum anderen neben den angeborenen auch alle sonstigen Krankheiten ausgenommen, die im ersten Lebensjahr der versicherten Person "in Erscheinung getreten" sind. Diese Formulierung schließt jedenfalls ein Verständnis nicht aus, dass nicht nur dem späteren Versicherungsnehmer bei Antragstellung bereits bekannte und bewusste Erkrankungen gemeint sind, sondern der Leistungsausschluss auch zum Tragen kommen soll, wenn die Erkrankung bei lediglich objektiver Betrachtung hervorgetreten ist, unabhängig davon, ob der Antragsteller diese erkennt oder erkennen konnte. Dafür spricht gerade die Wortwahl "in Erscheinung getreten", die weiter reicht als ein Abstellen auf solche Erkrankungen, von denen der Versicherungsnehmer Kenntnis hat. Die Eintrittspflicht des Versicherers hängt damit auch davon ab, ob bei Betrachtung ex post davon auszugehen ist, dass die später zur Invalidität führende Erkrankung - wenn nicht vom Versicherungsnehmer selbst, so doch von vertragsfremden Personen - anhand bestimmter Anzeichen hätte festgestellt und als solche eingeordnet werden können.
26
Mit diesem Inhalt der Klausel weicht die Beklagte bei Erkrankungen , die im ersten Lebensjahr der versicherten Person in Erscheinung getreten sind, zu Ungunsten des Versicherungsnehmers von den Grundgedanken der §§ 16 ff. VVG ab (§ 34a VVG).

27
Nach aa) den Vorschriften der §§ 16 ff. VVG hat der Versicherungsnehmer bei der Schließung des Vertrages alle ihm bekannten Umstände , die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen; aufgrund der angezeigten Umstände hat der Versicherer sodann eine Risikoprüfung vorzunehmen und zu entscheiden, ob er den Antrag auf Versicherungsschutz annehmen möchte. Werden hinsichtlich dem Versicherungsnehmer bekannter Umstände unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht, sehen die §§ 16 ff. VVG dafür entsprechende Sanktionen vor.
28
Diese Regelungen sollen zwischen den Parteien des Versicherungsvertrages eine Ausgewogenheit der für beide Seiten wichtigen Abschätzung der jeweiligen Gefahrenlage vor Vertragsschluss gewährleisten. Der Versicherungsnehmer soll gegen den Willen des Versicherers keinen Wissensvorsprung bezüglich derjenigen Umstände behalten dürfen , die für die Beurteilung von Bedeutung sind, ob sich im Laufe der Versicherung voraussichtlich ein Versicherungsfall ereignen wird oder nicht. Dementsprechend bezieht sich die gesetzliche Anzeigeobliegenheit , bei deren Verletzung der Versicherer durch Rücktritt leistungsfrei werden kann, auch nur auf Gefahrumstände, die dem Versicherungsnehmer bekannt sind, nicht dagegen auf ihm unbekannt gebliebene. Ob der Versicherer von der ihm gesetzlich eingeräumten Risikoprüfungsmöglichkeit mit vorangehenden Fragen zu Gefahrumständen Gebrauch macht und damit gegebenenfalls im Versicherungsfall Leistungsfreiheit erlangen kann, steht allerdings grundsätzlich in seinem Belieben. Da sich Leistungsfreiheit aber nur aus einer (schuldhaft begangenen) Verletzung der Anzeigeobliegenheit herleiten lässt, kann er, wenn er die Möglichkeit zur Risikoprüfung genutzt hat, nur dann zurücktreten, wenn ein dem Versicherungsnehmer bekannter Gefahrumstand ihm - gefragt oder ungefragt - nicht mitgeteilt worden ist (vgl. Senatsurteile vom 2. März 1994 - IV ZR 109/93 - VersR 1994, 549 unter 2 b; vom 7. Februar 1996 - IV ZR 155/95 - VersR 1996, 486 unter 3).
29
bb) Der Versicherer entzieht sich dieser vom Gesetz vorgesehenen Risikoverteilung dadurch, dass er formularmäßig Leistungsausschlüsse für Vorerkrankungen vorsieht, selbst wenn diese dem Versicherungsnehmer (schuldlos) unbekannt geblieben sind. Die Vereinbarung eines solchen Leistungsausschlusses, der - wie hier - an die Stelle einer auf den Einzelfall bezogenen Risikoprüfung treten soll, wie sie vom Gesetz gefordert ist, läuft der dem Schutz des Versicherungsnehmers dienenden Bestimmung des § 34a VVG und der im Rahmen der §§ 16 ff. VVG dem Versicherer obliegenden Gefahrtragung zuwider. Wenn die Leistungspflicht des Versicherers nicht mehr davon abhängen soll, dass er nach eigenverantwortlicher Abschätzung der ihm vom Versicherungsnehmer offenbarten Gefahrenlage die Absicherung gegen die wirtschaftlichen Folgen eines von beiden Parteien nur für möglich gehaltenen zukünftigen Ereignisses (hier: Eintritt der Invalidität) übernommen hat, wäre zugleich seine Hauptleistungspflicht unzulässig ausgehöhlt (vgl. Senatsurteil vom 2. März 1994 aaO unter 2 c); auch deshalb ist die Klausel unwirksam.
30
Soweit 4. sich die Beklagte darauf beruft, ihr Schreiben vom 5. Januar 2005 sei - ebenso wie ihre daran anschließenden Schreiben - zumindest konkludent als Erklärung des Rücktritts im Sinne des § 20 VVG zu verstehen, kann dem nicht gefolgt werden. In diesen Schreiben lehnt die Beklagte Versicherungsschutz unter Hinweis auf Ziff. 6.1 AVB 97 ab, nicht aber bezieht sie sich darauf, der Kläger habe die von ihr gestellten Gesundheitsfragen unrichtig beantwortet, insbesondere eine ihm bekannte Eigenschaft der Kindesmutter als Konduktorin der Bluterkrankheit nicht offenbart.
31
III. Das Berufungsgericht wird daher zu klären haben, ob - wie von der Beklagten geltend gemacht - Invalidität bereits bei Abschluss des Vertrages vorlag.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf RiBGH Dr. Franke ist durch Urlaub an der Unterschrift verhindert. Terno
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 15.11.2005 - 7 O 121/05 -
KG Berlin, Entscheidung vom 15.08.2006 - 6 U 175/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 9/08 Verkündetam:
17.Dezember2008
Heinekamp
Justizhauptsekretär
alsUrkundsbeamter
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
1. Der Grundsatz der engen Auslegung von Risikoausschlussklauseln in Allgemeinen
Versicherungsbedingungen gilt auch, wenn es um die Frage geht, ob eine
Bestimmung überhaupt einen Risikoausschluss enthält oder einen im Bedingungswerk
an anderer Stelle enthaltenen oder einen gesetzlichen Risikoausschluss
(wie § 61 VVG a.F.) zum Nachteil des Versicherungsnehmers erweitert.
2. Eine Klausel, nach der der Versicherungsnehmer bei allen Handlungen die
Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns seines Geschäftszweiges wahrzunehmen
hat, ist als solche nicht als Erweiterung der Leistungsfreiheit nach § 61
VVG a.F. schon bei leicht fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles zu
verstehen (Aufgabe von BGH, Urteil vom 24. November 1971 - IV ZR 135/69 -
VersR 1972, 85).
BGH, Urteil vom 17. Dezember 2008 - IV ZR 9/08 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Richter Seiffert,
Dr. Schlichting, die Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richter Felsch und
Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung vom 17. Dezember 2008

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 15. November 2007 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 29. November 2007 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Klägerin, Die eine Schmuckherstellerin, nimmt die Beklagte aus einem Vertrag über eine Transport-, Reise- und Warenlagerversicherung auf Zahlung von 113.464 € in Anspruch. Sie behauptet, ihrem Geschäftsführer sei am 7. Dezember 2005 während einer Verkaufsreise auf der niederländischen Antilleninsel Sankt Maarten in den Geschäftsräumen des Autovermieters bei der Rückgabe des Fahrzeugs eine Tasche mit 156 Schmuckstücken gestohlen worden.
2
Die Beklagte beruft sich auf Leistungsfreiheit wegen grob fahrlässiger , jedenfalls aber leicht fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles nach § 61 VVG a.F. i.V. mit Nr. 7.1 der Allgemeinen Versi- cherungsbedingungen (AVB). Nr. 7 AVB enthält "Allgemeine vertragliche Bestimmungen". Nr. 7.1. AVB lautet: "Allgemeine Pflichten Der Versicherungsnehmer hat bei allen Handlungen die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns des Edelstein-, Schmuck- und Uhrengewerbes wahrzunehmen."
3
Außerdemmachtdie Beklagte Leistungsfreiheit wegen Verletzung der Aufsichtsobliegenheit nach Nr. 4.5.1 AVB und der Obliegenheit zur Anzeige bei der Polizei nach Nr. 7.5.3 AVB geltend.
4
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagte zur Zahlung von 84.835,20 € verurteilt. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


5
Die Revision hat keinen Erfolg.
6
Das I. Berufungsgericht (VersR 2008, 679) hat Leistungsfreiheit nach § 61 VVG a.F. i.V. mit Nr. 7.1 AVB verneint, weil dem Geschäftsführer der Klägerin keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne und Nr. 7.1 AVB nicht so auszulegen sei, dass Leistungsfreiheit schon bei Herbeiführung des Versicherungsfalles durch einfache Fahrlässigkeit eintrete. Eine solche Verschärfung des Sorgfaltsmaßstabes lasse sich der Klausel, deren Wortlaut zur Frage der Leistungsfreiheit schweige, im Rahmen der gebotenen Auslegung nicht entnehmen. Einer möglichen gegenteiligen Auslegung stehe jedenfalls die Unklarheitenregelung in § 305c Abs. 2 BGB entgegen. Im Übrigen wäre die Klausel wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 i.V. mit § 310 Abs. 1 BGB unwirksam.
7
Leistungsfreiheit Auf wegen Obliegenheitsverletzung könne die Beklagte sich nicht berufen.
8
Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil zur Klärung der Voraussetzungen einer wirksamen Abänderung des § 61 VVG a.F. durch Allgemeine Versicherungsbedingungen eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich erscheine.
9
II. Die Revision ist unzulässig, soweit die Beklagte die Entscheidung des Berufungsgerichts zur Frage der Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung und zur Schadenhöhe angreift.
10
Das Berufungsgericht hat die Revision ersichtlich nur beschränkt auf die Leistungsfreiheit nach § 61 VVG a.F. zugelassen. Das ergibt sich aus der Begründung für die Zulassung und ferner aus Seite 12 unten/13 Abs. 1 und 2 des Urteils. Diese Beschränkung ist zulässig. Sie betrifft den Anspruch insgesamt dem Grunde nach. Eine Beschränkung der Revision auf den Anspruchsgrund ist zulässig (BGH, Urteil vom 13. Juli 2004 - VI ZR 273/03 - NJW 2004, 3176 unter II 1 m.w.N.; ebenso nur auf die Höhe des Anspruchs, BGH, Urteil vom 17. Januar 2008 - IX ZR 172/06 - NJW-RR 2008, 786 Tz. 9). Die Beschränkung auf die Leistungsfreiheit nach § 61 VVG a.F. ist auch unabhängig von den anderen, vom Berufungsgericht abgelehnten Gründen, auf die die Beklagte ihre Leistungsfreiheit stützt. Die Beschränkung der Revision auf eine von mehreren selbständigen Einwendungen gegen einen Anspruch ist ebenfalls zulässig (BGHZ 53, 152, 154 f.), allerdings nicht lediglich auf die Rechtsfrage , unter welchen Voraussetzungen eine dem Versicherungsnehmer nachteilige Abänderung von § 61 VVG a.F. wirksam ist.
11
Das III. Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Beklagte nicht nach § 61 VVG a.F. von der Verpflichtung zur Leistung frei ist.
12
Der 1. Geschäftsführer der Klägerin hat den Versicherungsfall nicht durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt.
13
a) Ob die Fahrlässigkeit im Einzelfall als einfach oder grob zu werten ist, ist Sache der tatrichterlichen Würdigung. Sie erfordert eine Abwägung aller objektiven und subjektiven Tatumstände und entzieht sich deshalb weitgehend einer Anwendung fester Regeln. Diese tatrichterliche Würdigung ist mit der Revision nur beschränkt angreifbar. Nachgeprüft werden kann nur, ob in der Tatsacheninstanz der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit verkannt worden ist oder ob beim Bewerten des Grades der Fahrlässigkeit wesentliche Umstände außer Betracht geblieben sind (Senatsurteil vom 29. Januar 2003 - IV ZR 173/01 - VersR 2003, 364 unter II 3 c).
14
Den b) Ausführungen des Berufungsgerichts ist zu entnehmen, dass es den Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit (vgl. dazu Senatsurteil vom 29. Januar 2003 aaO unter II 2) nicht verkannt hat. Die Wertung des Verhaltens des Geschäftsführers der Klägerin als nicht grob fahrlässig beruht auf einer nachvollziehbaren Würdigung aller wesentlichen Umstände der konkreten Situation, in der er sich im Geschäftslokal des Autovermieters befand, und ist deshalb revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Soweit die beweispflichtige Beklagte in der Revisionsbegründung darauf hinweist, der Geschäftsführer der Klägerin sei möglicherweise von dem Dieb schon seit längerem als Schmuckhändler erkannt und bis zum Autovermieter verfolgt worden und er habe auch der im Geschäftslokal befindlichen unbekannten jungen Frau und dem hinter ihm befindlichen Mann misstrauen müssen, handelt es sich um bloße Vermutungen und - wie auch bei den übrigen Ausführungen - um unbeachtliche eigene Würdigung.
15
2. § 61 VVG a.F. kann zwar grundsätzlich durch Vereinbarung zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgeändert werden (vgl. Senatsurteil vom 21. April 1993 - IV ZR 33/92 - VersR 1993, 830 unter I 3 b). Der Senat folgt aber der Auslegung des Berufungsgerichts, dass Nr. 7.1 AVB diesen Risikoausschluss nicht auf die Herbeiführung des Versicherungsfalles durch einfache Fahrlässigkeit i.S. eines Verstoßes gegen die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns erweitert.
16
a) aa) Nach heute gefestigter Rechtsprechung (vgl. BGHZ 123, 83, 85 und Senatsurteil vom 17. Mai 2000 - IV ZR 113/99 - VersR 2000, 1090 unter 2 und ständig) und inzwischen allgemein anerkannter Auffassung sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtli- che Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an. Für eine an diesen Grundsätzen orientierte Auslegung ist nicht maßgeblich, was sich der Verfasser der Bedingungen bei ihrer Abfassung vorstellte (Senatsurteil vom 17. Mai 2000 aaO unter 2 a; vgl. dazu und zum überholten Maßstab der "gesetzesähnlichen" Auslegung auch Römer in Römer /Langheid, VVG 2. Aufl. vor § 1 Rdn. 15 ff.). Entgegen der Ansicht der Revision kann die für individualvertragliche Vereinbarungen geltende Auslegungsregel, nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei anzunehmen , eine vertragliche Bestimmung solle nach dem Willen der Parteien einen bestimmten rechtserheblichen Inhalt haben (BGH, Urteil vom 18. Mai 1998 - II ZR 19/97 - NJW 1998, 2966 unter B I 2 vor a), bei Allgemeinen Versicherungsbedingungen jedenfalls dann nicht angewendet werden, wenn der vom Versicherer mit einer Klausel verfolgte Zweck für den Versicherungsnehmer nicht hinreichend erkennbar zum Ausdruck gebracht ist.
17
Bei bb) Risikoausschlussklauseln führt das Interesse des Versicherungsnehmers in der Regel dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck der Klausel dies gebietet. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht. Deshalb sind Risikoausschlussklauseln nach ständiger Rechtsprechung des Senats eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert (Senatsurteil vom 17. März 1999 - IV ZR 89/98 - VersR 1999, 748 unter 2 a).
18
Diese strengen Maßstäbe sind auch und erst recht dann anzulegen , wenn es um die Frage geht, ob eine bestimmte Klausel überhaupt einen Risikoausschluss enthält oder einen im Bedingungswerk an anderer Stelle enthaltenen oder einen gesetzlichen Risikoausschluss (wie § 61 VVG a.F.) zum Nachteil des Versicherungsnehmers erweitert. Dem Versicherungsnehmer muss schon in der Klausel oder im engen textlichen Zusammenhang damit unmissverständlich vor Augen geführt werden , dass bei Vorliegen bestimmter Umstände oder Nichtbeachtung ihm auferlegter Sorgfaltspflichten der Versicherungsschutz ausgeschlossen ist. Mithin setzt eine von § 61 VVG a.F. zum Nachteil des Versicherungsnehmers abweichende und damit konstitutive Vereinbarung über Leistungsfreiheit bereits bei leicht fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles voraus, dass er auf diese Rechtsfolge deutlich hingewiesen wird. Das Berufungsgericht hat deshalb seine frühere gegenteilige Ansicht (VersR 1982, 1189, 1190) mit Recht aufgegeben. Bei einer an diesen Maßstäben orientierten Auslegung hält auch der Senat an seiner im Urteil vom 24. November 1971 (IV ZR 135/69 - VersR 1972, 85, 86) vertretenen Auffassung nicht mehr fest. Die dort beurteilten Versicherungsbedingungen enthielten zwar eine erkennbare Verknüpfung zwischen Verletzung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns und der Leistungsfreiheit, allerdings in § 9 AVB nach den für gefahrmindernde Obliegenheiten geltenden, auf die Beweislast des Versicherungsnehmers für fehlendes Verschulden abstellenden Grundsätzen. Eine solche vom Leitbild des § 61 VVG a.F. abweichende Verschärfung wäre auch nach § 307 BGB unwirksam.
19
b) Aus Nr. 7.1 AVB ist für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht ansatzweise zu erkennen, dass bei Nichtbeachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns der Versicherungsschutz ausgeschlossen sein soll. Irgendein Bezug zur Leistungsfreiheit nach § 61 VVG a.F. und eine durch die Klausel zu seinem Nachteil bezweckte Her- absetzung des Verschuldensmaßstabes geht für ihn daraus nicht hervor. Unter welchen Voraussetzungen nachteilige Folgen für den Versicherungsschutz drohen, kann er erst den nachfolgenden Bestimmungen entnehmen. So enthält Nr. 7.2 AVB als Voraussetzung für den Versicherungsschutz konkrete Regelungen über die Aufbewahrung der versicherten Sachen und Sicherungseinrichtungen. Nr. 7.5 AVB trifft Bestimmungen für den Schadenfall. Nr. 7.8 AVB weist auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung nach Maßgabe der §§ 6 und 62 VVG a.F. hin. Weder diese Klauseln noch das Merkblatt für Reiselagerbegleiter enthalten einen Anhaltspunkt dafür, dass bei Verletzung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nach Nr. 7.1 AVB der Verlust des Versicherungsschutzes nach § 61 VVG a.F. in Betracht kommt. Auch die speziellen Klauseln zur Reiselagerversicherung weisen unter Nr. 4.3 AVB mit der Überschrift "Nicht versicherte Gefahren und Schäden" und unter Nr. 4.5 zu "Aufbewahrungsvorschriften" als "Voraussetzung für den Versicherungsschutz" darauf nicht hin. Dies kann den Versicherungsnehmer nur in der Annahme bestärken, dass Nr. 7.1 AVB ihn gemäß der Überschrift "Allgemeine Pflichten" nur allgemein auf diese hinweisen soll, nicht aber darauf, dass deren Nichtbeachtung konkrete Folgen für den Versicherungsschutz hat.
Seiffert Dr. Schlichting Dr. Kessal-Wulf
Felsch Dr. Franke

Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 01.03.2007 - 15 O 82/06 KfH IV -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 15.11.2007 - 12 U 69/07 -

(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren.

(2) Für die Übermittlung des erteilten Rats und der Gründe hierfür gilt § 6a.

(3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation nach den Absätzen 1 und 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherer ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf seine Möglichkeit auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch nach Absatz 5 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.

(4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist; Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend. Der Versicherungsnehmer kann im Einzelfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.

(5) Verletzt der Versicherer eine Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 4, ist er dem Versicherungsnehmer zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Versicherer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des § 210 Absatz 2 nicht anzuwenden, ferner dann nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird.

(1) Der Versicherer ist berechtigt, dem Erwerber einer versicherten Sache das Versicherungsverhältnis unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zu kündigen. Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats ab der Kenntnis des Versicherers von der Veräußerung ausgeübt wird.

(2) Der Erwerber ist berechtigt, das Versicherungsverhältnis mit sofortiger Wirkung oder für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode zu kündigen. Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats nach dem Erwerb, bei fehlender Kenntnis des Erwerbers vom Bestehen der Versicherung innerhalb eines Monats ab Erlangung der Kenntnis, ausgeübt wird.

(3) Im Fall der Kündigung des Versicherungsverhältnisses nach Absatz 1 oder Absatz 2 ist der Veräußerer zur Zahlung der Prämie verpflichtet; eine Haftung des Erwerbers für die Prämie besteht nicht.

(1) Eine Haftpflichtversicherung, zu deren Abschluss eine Verpflichtung durch Rechtsvorschrift besteht (Pflichtversicherung), ist mit einem im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Versicherungsunternehmen abzuschließen.

(2) Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer unter Angabe der Versicherungssumme zu bescheinigen, dass eine der zu bezeichnenden Rechtsvorschrift entsprechende Pflichtversicherung besteht.

(3) Die Vorschriften dieses Abschnittes sind auch insoweit anzuwenden, als der Versicherungsvertrag eine über die vorgeschriebenen Mindestanforderungen hinausgehende Deckung gewährt.

(1) Als Erhöhung der Gefahr gilt nur eine solche Änderung der Gefahrumstände, die nach ausdrücklicher Vereinbarung als Gefahrerhöhung angesehen werden soll; die Vereinbarung bedarf der Textform.

(2) Eine Erhöhung der Gefahr kann der Versicherer nicht mehr geltend machen, wenn seit der Erhöhung fünf Jahre verstrichen sind. Hat der Versicherungsnehmer seine Verpflichtung nach § 23 vorsätzlich oder arglistig verletzt, beläuft sich die Frist auf zehn Jahre.

(3) § 41 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Herabsetzung der Prämie nur wegen einer solchen Minderung der Gefahrumstände verlangt werden kann, die nach ausdrücklicher Vereinbarung als Gefahrminderung angesehen werden soll.

(1) Der Versicherer ist berechtigt, dem Erwerber einer versicherten Sache das Versicherungsverhältnis unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zu kündigen. Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats ab der Kenntnis des Versicherers von der Veräußerung ausgeübt wird.

(2) Der Erwerber ist berechtigt, das Versicherungsverhältnis mit sofortiger Wirkung oder für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode zu kündigen. Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats nach dem Erwerb, bei fehlender Kenntnis des Erwerbers vom Bestehen der Versicherung innerhalb eines Monats ab Erlangung der Kenntnis, ausgeübt wird.

(3) Im Fall der Kündigung des Versicherungsverhältnisses nach Absatz 1 oder Absatz 2 ist der Veräußerer zur Zahlung der Prämie verpflichtet; eine Haftung des Erwerbers für die Prämie besteht nicht.

(1) Eine Haftpflichtversicherung, zu deren Abschluss eine Verpflichtung durch Rechtsvorschrift besteht (Pflichtversicherung), ist mit einem im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Versicherungsunternehmen abzuschließen.

(2) Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer unter Angabe der Versicherungssumme zu bescheinigen, dass eine der zu bezeichnenden Rechtsvorschrift entsprechende Pflichtversicherung besteht.

(3) Die Vorschriften dieses Abschnittes sind auch insoweit anzuwenden, als der Versicherungsvertrag eine über die vorgeschriebenen Mindestanforderungen hinausgehende Deckung gewährt.

(1) Als Erhöhung der Gefahr gilt nur eine solche Änderung der Gefahrumstände, die nach ausdrücklicher Vereinbarung als Gefahrerhöhung angesehen werden soll; die Vereinbarung bedarf der Textform.

(2) Eine Erhöhung der Gefahr kann der Versicherer nicht mehr geltend machen, wenn seit der Erhöhung fünf Jahre verstrichen sind. Hat der Versicherungsnehmer seine Verpflichtung nach § 23 vorsätzlich oder arglistig verletzt, beläuft sich die Frist auf zehn Jahre.

(3) § 41 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Herabsetzung der Prämie nur wegen einer solchen Minderung der Gefahrumstände verlangt werden kann, die nach ausdrücklicher Vereinbarung als Gefahrminderung angesehen werden soll.

(1) Der Versicherungsnehmer hat den Eintritt des Versicherungsfalles, nachdem er von ihm Kenntnis erlangt hat, dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. Steht das Recht auf die vertragliche Leistung des Versicherers einem Dritten zu, ist auch dieser zur Anzeige verpflichtet.

(2) Auf eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer im Fall der Verletzung der Anzeigepflicht nach Absatz 1 Satz 1 nicht zur Leistung verpflichtet ist, kann sich der Versicherer nicht berufen, wenn er auf andere Weise vom Eintritt des Versicherungsfalles rechtzeitig Kenntnis erlangt hat.

(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren.

(2) Für die Übermittlung des erteilten Rats und der Gründe hierfür gilt § 6a.

(3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation nach den Absätzen 1 und 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherer ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf seine Möglichkeit auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch nach Absatz 5 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.

(4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist; Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend. Der Versicherungsnehmer kann im Einzelfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.

(5) Verletzt der Versicherer eine Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 4, ist er dem Versicherungsnehmer zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Versicherer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des § 210 Absatz 2 nicht anzuwenden, ferner dann nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird.