Bundesgerichtshof Urteil, 29. Sept. 2004 - IV ZR 170/03

bei uns veröffentlicht am29.09.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 170/03 Verkündet am:
29. September 2004
Heinekamp
Justizobersekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
ARB 94 § 3 (1) d) dd) i.V. mit bb)
Der Leistungsausschluß in § 3 (1) d) dd) i.V. mit bb) ARB 94 (Baufinanzierungsklausel
) setzt keinen Bezug zu einem spezifischen Baurisiko voraus.
Auf den genauen Errichtungsstand bei dem Erwerb der Immobilie kommt es nicht
an, sondern darauf, daß der Erwerbsvorgang nicht losgelöst von der Planung und
Errichtung des Gebäudes oder Gebäudeteils ist.
BGH, Urteil vom 29. September 2004 - IV ZR 170/03 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 29. September 2004

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 3. Juli 2003 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Deckungsschutz aus einer bei de r Beklagten genommenen Privat- und Berufs-Rechtsschutzversicherung für Nichtselbständige , der die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung 1994 (ARB 94) der Beklagten zugrunde liegen.
Aufgrund notariellen Kaufvertragsangebotes vom 28. November 1996 erwarben der Kläger und seine Ehefrau als Ersterwerber eine Neubaueigentumswohnung. In dem Vertrag ist unter anderem folgendes vereinbart :

"§ 2 Verkauf … Der Vertragsgegenstand befindet sich in einem Neubau, der - bis auf die Außenanlagen - im November 1996 fertiggestellt wird. … § 5 Gewährleistung 1. Die Gewährleistungsansprüche des Käufers richten sich nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches. Die Verjährungsfrist für die Gewährleistungsansprüche in bezug auf Mängel am Bauwerk beträgt somit fünf Jahre ab Besitzübergang. Zusätzlich tritt die Verkäuferin … eventuelle Gewährleistungsansprüche gegen Unternehmer, Handwerker und sonstige am Bauwerk Beteiligte an den Käufer ab, … ." Der Erwerb der Eigentumswohnung wurde über die D. B. B. AG (Bausparkasse) finanziert.
Der Kläger möchte gegen die Bausparkasse Schadense rsatzansprüche wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten bei der Darlehensvergabe gerichtlich geltend machen. Er wirft ihr vor, Risiken im Zusammenhang mit den zu erzielenden Mieteinkünften bei weit überhöht kalkulierten Nettomieten verschwiegen, ihn arglistig getäuscht und mit dem Verwalter des Mietpools kollusiv zusammengewirkt zu haben. Die Beklagte verweigert Deckungsschutz unter Bezugnahme auf den Risikoausschluß in § 3 (1) d) dd) ARB 94. § 3 ARB 94 - soweit hier von Interesse - lautet:

"Rechtsschutz besteht nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in (1) ursächlichem Zusammenhang mit …
d) … bb) der Planung oder Errichtung eines Gebäudes oder Gebäudeteiles, das sich imEigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befindet oder das dieser zu erwerben oder in Besitz zu nehmen beabsichtigt, … dd) der Finanzierung eines der unter aa) bis cc) genannten Vorhaben." Der Kläger meint, für den Risikoausschluß fehle es an dem erforderlichen sachlichen Zusammenhang zwischen Rechtsstreitigkeit und konkreter Bauleistung. Die Pflichtverletzungen der Bausparkasse fielen in den Bereich des Bankenrechts.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Deckun gsschutzklage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht gelangt bei der Auslegung der Klausel zu dem Ergebnis, daß der Risikoausschluß - im Gegensatz zu dem in § 4 (1) k ARB 75 - bei der Baufinanzierung auch dann eingreift, wenn sich lediglich das Finanzierungsrisiko, nicht aber ein besonderes Baurisiko verwirklicht.
Der Rechtsstreit mit der Bausparkasse stehe in ein em inneren sachlichen Zusammenhang mit dem ausgeschlossenen Finanzierungsrisiko. Dazu gehöre auch eine unzutreffende Einschätzung der Amortisation der Kreditaufnahme aufgrund von Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzungen , wie sie der Kläger der Bausparkasse vorwirft.
Die Finanzierung betreffe trotz der Bezeichnung de s Geschäfts als Kaufvertrag ein Vorhaben gemäß § 3 (1) d) bb) ARB 94. Nach der vertraglichen Vereinbarung sei von einer Verpflichtung des Veräußerers auf Erstellung eines Bauwerks auszugehen. Solche Verträge mit Herstellungsverpflichtung , bei denen sich Sachmängelansprüche des Erwerbers nach Werkvertragsrecht richten, gehörten zu dem Bereich der "Planung, Errichtung oder genehmigungspflichtigen baulichen Veränderung von Gebäuden oder Gebäudeteilen".
Ein innerer Zusammenhang mit einem klassischen Bau risiko müsse bei § 3 (1) d) dd) ARB 94 nicht bestehen. Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer sei erkennbar, daß Versicherungsschutz insgesamt für die als riskant angesehene Baufinanzierung versagt werden solle.

II. Das hält rechtlicher Überprüfung stand.
Der Kläger fühlt sich über den Wert der von ihm al s Kapitalanlage erworbenen Eigentumswohnung getäuscht aufgrund wahrheitswidriger Angaben zu den erzielbaren Mieteinnahmen und damit zur Wirtschaftlichkeit des Anlagemodells. Er möchte Ersatz für die ihm entstandenen Vermögenseinbußen wegen pflichtwidriger Aufklärung und Beratung durch die Bausparkasse über die Ertragsfähigkeit des von ihr finanzierten Anlageobjektes. Für dieses Schadensersatzbegehren, das er gegen die Bausparkasse gerichtlich durchsetzen möchte, hat die Beklagte keine Leistungen zu erbringen. Die Gewährung von Rechtsschutz ist für die Wahrnehmung solcher rechtlichen Interessen gemäß § 3 (1) d) dd) i.V. mit bb) ARB 94 ausgeschlossen.
Das ergibt die Auslegung der Klausel.
1. Nach der Rechtsprechung des Senats sind Allgeme ine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muß. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (BGHZ 84, 268, 272; 123, 83, 85 und ständig). Bei Risikoausschlüssen geht das Interesse des Versicherungsnehmers regelmäßig dahin, daß der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck der Klausel dies gebietet. Ihr Anwendungsbereich darf mithin nicht weiter ausgedehnt werden, als es ihr Sinn unter Beachtung des wirtschaftlichen Ziels und der gewählten

Ausdrucksweise erfordert. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, daß sein Versicherungsschutz Lücken hat, ohne daß ihm diese hinreichend verdeutlicht werden (BGHZ 65, 142, 145; Senatsurteil vom 17. März 1999 - IV ZR 89/98 - VersR 1999, 748 unter 2 a und ständig).
2. Danach ist die Klausel wie folgt auszulegen:

a) Ausgehend vom Wortlaut erkennt der Versicherung snehmer, daß der ihm für Ersatzansprüche der geltend gemachten Art nach dem vereinbarten Versicherungsschutz zunächst allgemein zugesagte Rechtsschutzanspruch (§§ 1, 2, 25 ARB 94) durch den in § 3 ARB 94 enthaltenen Katalog der "Ausgeschlossenen Rechtsangelegenheiten" wieder eingeschränkt werden soll. Versicherungsschutz soll bei den im einzelnen umschriebenen Rechtsangelegenheiten bzw. Risiken nicht bestehen , der Rechtsschutz wird insoweit ausgeschlossen.

b) Bei Durchsicht des Ausschlußkataloges wird er i m Falle des Erwerbs einer Neubaueigentumswohnung auf § 3 (1) d) ARB 94 gewiesen. Die dort unter aa) bis dd) näher ausgestalteten Risikoausschlüsse für rechtliche Auseinandersetzungen um Baumaßnahmen aller Art und die sie begleitenden Vorgänge können allein einschlägig sein, wenn - was ihnen gemeinsam ist - ein ursächlicher Zusammenhang mit der betreffenden Rechtsstreitigkeit besteht (vgl. Harbauer/Maier, Rechtsschutzversicherung 7. Aufl. § 3 ARB 94/2000 Rdn. 2, 6). Damit verfolgt § 3 (1) d) ARB 94 den - auch für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbaren - Zweck, die erfahrungsgemäß besonders kostenträchtigen und im Kostenrisiko schwer überschaubaren und kaum kalkulierbaren

rechtlichen Streitigkeiten in diesem Bereich bis hin zu den unter dd) gesondert aufgenommenen Finanzierungsvorgängen von der Versicherung auszunehmen, weil nur für einen verhältnismäßig kleinen Teil der in der Risikogemeinschaft zusammengeschlossenen Versicherungsnehmer ein solches Risiko entstehen kann (vgl. Senatsurteil vom 19. Februar 2003 - IV ZR 318/02 - VersR 2003, 454 unter II 2, zu § 4 (1) k ARB 75; OLG Karlsruhe r+s 2002, 418 m. Anm. Armbrüster, EWiR 2002, 551).

c) Bei einem in Aussicht genommenen Rechtsstreit m it einem den Erwerb einer Eigentumswohnung finanzierenden Kreditgeber wird der Blick des Versicherungsnehmers direkt auf den Ausschluß unter dd) gelenkt , der bereits seinem Wortlaut nach Finanzierungsstreitigkeiten erfassen soll, wenn sie sich auf ein Vorhaben beziehen, das in den drei vorherigen Risikoausschlüssen aufgeführt ist. Dabei wird er sogleich vor allem den Ausschluß unter bb) in Betracht ziehen, der mit der Planung und Errichtung von Gebäuden, die ein Versicherungsnehmer erwerben will, Vorhaben umschreibt, die einen deutlichen Bezug zu dem Erwerb von neu zu errichtenden Eigentumswohnungen aufweisen. Dagegen hat er keine Veranlassung, den Finanzierungsstreit unmittelbar und allein auf den Ausschluß unter bb) zu beziehen, denn ihm muß nach dem Klauseltext der für Finanzierungsangelegenheiten gedachte Ausschluß unter dd) als die spezielle Regelung erscheinen gegenüber dem allgemein alle Planungs- und Errichtungsangelegenheiten ansprechenden Ausschluß unter bb). Der Risikoausschluß unter dd) tritt mithin für ihn erkennbar selbständig neben die Grundstückerwerbs- und Baumaßnahmen im eigentlichen Sinn erfassenden Ausschlüsse unter aa) bis cc) und dehnt den Ausschlußbereich auf damit zusammenhängende Finanzierungsangelegenheiten ausdrücklich aus.

aa) Bei der Finanzierungsklausel unter dd) wird de m verständigen Versicherungsnehmer sodann die weite Fassung dieses Ausschlusses vor Augen geführt. Streitigkeiten im ursächlichen Zusammenhang mit der Finanzierung solcher Vorhaben werden schlechthin ausgeschlossen. Nach dem klaren Wortlaut, der Einschränkungen weder vorsieht noch sonst dafür einen Anhalt bietet, fallen alle Streitigkeiten mit dem finanzierenden Kreditinstitut unter die Ausschlußklausel. Unerheblich ist danach insbesondere, ob der Streit seine Grundlage in dem baurechtlichen Verhältnis selbst oder lediglich in dem Kreditvertrag findet. Der Ausschluß greift, sofern nur der geforderte bloße ursächliche Zusammenhang mit der Finanzierung des Vorhabens besteht; die Klausel knüpft diesen Zusammenhang an die Finanzierung der Baumaßnahme und nicht mehr an das Bauvorhaben selbst (vgl. Harbauer/Maier, aaO Rdn. 6 d; ders. VersR 1997, 394, 397).
bb) Für eine einschränkende Auslegung dieser Klaus el dahin, daß der Rechtsstreit sich als Verwirklichung des typischen Baurisikos darstellen müsse, ist danach kein Raum (vgl. OLG Karlsruhe r+s 2002, 418; offen gelassen in OLG Karlsruhe NJW-RR 2003, 247; Prölss/Martin/ Armbrüster, VVG 27. Aufl. § 3 ARB 94 Rdn. 3). Bei anderer Interpretation - wie sie die Revision fordert - blieben für den erkennbar gewollten umfassenden Ausschluß der Baufinanzierungsrisiken allenfalls die wenigen Fallgestaltungen, in denen die Finanzierungsmodalität, um die gestritten wird, unmittelbar mit den Bauleistungen zusammenhängt, wie dies etwa bei einer Auseinandersetzung um eine Auszahlung nach Baufortschritt angenommen werden könnte (vgl. OLG Hamm VersR 2000, 630; OLG Bamberg VersR 1995, 529; Maier, VersR 1997, 394, 397). Der um Ver-

ständnis bemühte Versicherungsnehmer kann aber bei der sprachlichen Gestaltung dieser Klausel und ihrem erkennbaren Zweck vernünftigerweise nicht die Erwartungshaltung entwickeln, Rechtsschutz für alle Finanzierungsstreitigkeiten zugesagt bekommen zu haben, es sei denn, sie seien Ausdruck des spezifischen Baurisikos.
Das gilt auch mit Blick auf das Gebot, Risikoaussc hlußklauseln eng auszulegen. Es kann dahinstehen, ob für die jeweiligen Risikoausschlüsse unter aa) bis cc) separat weiterhin ein Bezug zu dem spezifischen Baurisiko zu verlangen ist (vgl. Senatsurteil vom 19. Februar 2003 aaO zu § 4 (1) k ARB 75; OLG Köln VersR 1998, 1013; OLG Stuttgart NVersZ 2001, 373; Harbauer/Maier, aaO Rdn. 6 b m.w.N.). Die Ausgestaltung der Finanzierungsklausel unter dd) gibt für ein solches Verständnis keine Grundlage. Das Finanzierungsrisiko ist vom Versicherungsschutz ausgenommen, auch wenn das spezifische Baurisiko im konkreten Streit nicht berührt wird.
cc) Daraus ergibt sich für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer mit der vom Senat verlangten Deutlichkeit (vgl. Urteil vom 19. Februar 2003 aaO unter II 2 b), daß auch aus seiner Sicht nach den ARB 94 bei mißglückten Immobilien-Kapitalanlagen für Auseinandersetzungen , die sich auf den Vorwurf fehlerhafter Finanzierungsberatung durch das Kreditinstitut gründen, Rechtsschutz nicht gewährt wird. Das schließt vor allem auch dann Versicherungsschutz aus, wenn die Aufklärung des Finanzierungsinstituts über mögliche Risiken bei den zu realisierenden Renditen fehlerhaft gewesen sein soll (vgl. Harbauer/Maier, aaO Rdn. 6 d).

Diese Auslegung hat auch das Berufungsgericht zutr effend herausgearbeitet. Sie beruht nicht etwa, wie die Revision meint, auf einer vergleichenden Betrachtung mit der Vorgängerklausel in den ARB 75, die der durchschnittliche Versicherungsnehmer aber nicht kennt, sondern allein auf den Erkenntnismöglichkeiten bei umsichtiger Beschäftigung mit dem Klauselwerk seines Versicherungsvertrages (vgl. Senatsurteil vom 17. Mai 2000 - IV ZR 113/99 - VersR 2000, 1090 unter 2).
3. Nach dieser Auslegung fällt das Rechtsschutzbeg ehren des Klägers unter den Risikoausschluß des § 3 (1) d) dd) i.V. mit bb) ARB 94. Auf die Erwägungen der Revision und der Revisionserwiderung zu dem Risikoausschluß in Verbindung mit einem Grundstückserwerb gemäß aa) der Klausel kommt es daher nicht an. Der Erwerb der Eigentumswohnung ist ein Vorhaben nach bb) der Klausel, das die Bausparkasse finanziert hat.

a) Im Sinne dieses Risikoausschlusses war die Eige ntumswohnung des Klägers als Gebäude, das der Versicherungsnehmer zu erwerben beabsichtigte, vom Veräußerer zu planen und zu errichten. Der notarielle Erwerbsvertrag läßt - vor allem mit Blick auf die Beschreibung des Vertragsgegenstandes in § 2 und die Festlegung der Gewährleistungsansprüche in § 5 - keine Zweifel, daß die Veräußererseite die Verpflichtung übernommen hat, die gesamte Neubauanlage und damit auch das vom Versicherungsnehmer zu erwerbende Sonder- und Gemeinschaftseigentum an der von ihm gewählten Eigentumswohnung herzustellen.
Daß ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer kei ne besonderen Kenntnisse besitzen muß über die materiell-rechtliche Einordnung von

Erwerbsverträgen dieser Art einerseits und ihre werkvertragliche Einbindung andererseits, steht dem - anders als die Revision meint - nicht entgegen. Entscheidend ist, daß er der Vereinbarung entnehmen kann - worauf die Revisionserwiderung zu Recht abstellt -, daß der Veräußerer verpflichtet ist, für die vertragsgerechte Errichtung des Gebäudes, das er erwerben will, zu sorgen, und daß ihm daraus Ansprüche auf vollständige Erfüllung sowie - im Fall von Baumängeln - Gewährleistung zustehen. Erwerbsverträge mit Herstellungsverpflichtung dieser Art werden daher nach allgemeiner Ansicht den Bauvorhaben im Sinne dieses Risikoausschlusses zugeordnet (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1993 - IV ZR 87/93 - VersR 1994, 44; OLG Frankfurt r+s 2002, 288; OLG Köln r+s 1994, 423).

b) Auf den genauen Errichtungsstand der Immobilie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw. darauf, ob sie schon fast oder vollständig fertiggestellt war, kommt es hier nicht an. Maßgeblich ist, daß es sich nicht um einen isolierten Erwerb handelt, unabhängig von Baumaßnahmen der vorgenannten Art. Der Bezug zu einer solchen Baumaßnahme entfällt bei Erwerbsverträgen mit entsprechender Herstellungsverpflichtung nicht bereits zwangsläufig mit der Fertigstellung des Objektes insgesamt oder auch nur des zu erwerbenden Objektteiles. Für den verständigen Versicherungsnehmer bleibt zunächst die Eigenschaft als Bauvorhaben im Sinne der Klausel erhalten unabhängig davon, ob er den Erwerbsvertrag in einem Zeitpunkt abschließt, in dem mit der Erstellung noch nicht begonnen worden ist, noch erhebliche oder auch nur geringe (Rest-)Arbeiten ausstehen oder die Arbeiten bereits abgeschlossen sind. Der Erwerbsvorgang darf nur nicht losgelöst von der Planung und Errichtung des Gebäudes oder Gebäudeteiles sein (vgl. BGH, Urteil vom

10. November 1993 aaO; OLG Frankfurt r+s 2002, 288; OLG Köln r+s 2000, 423; OLG Karlsruhe r+s 2002, 418 und NJW-RR 2003, 247; Harbauer /Maier, aaO Rdn. 6 b). Wo die Grenze im einzelnen zu ziehen ist, bedarf hier keiner weiteren Erörterung. Unstreitig war das Bauvorhaben bei Vertragsschluß noch nicht abgeschlossen und der Bezug zu seiner Errichtung und der sich daraus für die Vertragsparteien ergebenden werkvertraglichen Rechte und Pflichten ist in dem Erwerbsvertrag verbindlich festgelegt.

c) Entgegen der Auffassung der Revision spielt es ferner keine Rolle, daß der Erwerber auf die Errichtung des Bauwerks keinen Einfluß nehmen konnte und das Darlehen nur dazu diente, den "Kaufpreis für den Erwerb eines von einem Dritten errichteten Gebäudes oder Gebäudeteiles aufzubringen".
Der Risikoausschluß knüpft nicht an die Eigenschaf t des Versicherungsnehmers als Bauherren an, sondern an die - wie vorstehend unter II. 2. c) aa) ausgeführt - Finanzierung von Bauvorhaben. Eine solche Finanzierung setzt nicht etwa voraus, daß der Kreditbetrag selbst als Entgelt für die Bauleistung verwendet wird. Nur das "Vorhaben" muß finanziert werden. Das ist aber auch der Fall, wenn mit dem Darlehensbetrag das vom Darlehensnehmer erworbene Bauobjekt bezahlt wird. Finanzierungsangelegenheiten bei Erwerbsvorgängen, die die entsprechende Erstellung von Baulichkeiten mit enthalten, sollen nach der dem Versicherungsnehmer vorgegebenen Ausschlußklausel vom Rechtsschutz ausgenommen werden. Der Versicherer will diese Risiken mit ihrem nicht unerheblichen Streitpotential für verhältnismäßig wenige der bei ihm rechtsschutzversicherten Versicherungsnehmer nicht übernehmen. Das wird

dem verständigen Versicherungsnehmer bei aufmerksamer Lektüre dieser Klausel auch bewußt. Bei Kapitalanlagen dieser Art sind daher auch Finanzierungsstreitigkeiten, wie sie zwischen dem Kläger und der Bausparkasse bestehen, von der Rechtsschutzversicherung ausgenommen.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch

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URTEIL
IV ZR 318/02 Verkündet am:
19. Februar 2003
Heinekamp
Justizobersekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
ARB 75 § 4 (1) k
Die Ausschlußklausel des § 4 (1) k ARB 75 umfaßt nicht auch das Erwerbsrisiko
(hier: Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds).
BGH, Urteil vom 19. Februar 2003 - IV ZR 318/02 - OLG Köln
LG Köln
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Richter
Seiffert und Dr. Schlichting, die Richterinnen Ambrosius und
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Februar 2003

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 13. August 2002 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 13. Dezember 2001 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, daß der Feststellungsausspruch wie folgt lautet: Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus deren Beteiligung an dem geschlossenen Immobilienfonds Nummer 35, S. M. der WGS, gegen 1. den Initiator des Projekts, K. N. , 2. den Geschäftsführer der Treuhandgesellschaft, T. F. , und 3. die Treuhandgesellschaft, F. Wirtschaftstreuhand GmbH, bedingungsgemäßen Versicherungsschutz aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrag - Versicherungsnummer: .... - zu gewähren.
Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin zu 2) unterhält bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung , die den Kläger zu 1) als mitversicherte Person einschließt. Dem Vertrag liegen Allgemeine Versicherungsbedingungen zugrunde, die den ARB 75 entsprechen.
Im Jahre 1994 zeichneten die Kläger zwei Anteile an dem geschlossenen "WGS-Immobilien-Fonds Nr. 35". Gesellschaftszweck war die Vermietung von Wohn- und Geschäftsräumen in einem damals noch in Errichtung befindlichen Objekt in S. . Entgegen den Angaben im Prospekt wurden für das Gebäude statt 12 nur 7 Geschosse genehmigt, was die vermietbare Fläche entsprechend verringerte. Ferner waren die anfallenden Vertriebskosten nicht vollständig ausgewiesen. Die Kläger nehmen deshalb den geschäftsführenden Gesellschafter der Fonds-GbR und den Geschäftsführer der Treuhand-GmbH auf Schadensersatz in ! " Höhe von 96.503,18 DM (= 49.341,29

zufolge den Aufwendungen für den Erwerb der Fondsanteile einschließlich Nebenkosten und dem Verlust an Nettomieteinnahmen für die Zeit von Dezember 1994 bis September 1997 entspricht. Die Treuhandgesell- $# % & ' ( ) schaft halten sie in Höhe von 2.868,58 DM (= 1.466,68 sersatzpflichtig , weil diese zugunsten der bauausführenden Firma unberechtigt Gelder vom Treuhandkonto freigegeben habe.
Die Beklagte hat die Erteilung einer Deckungszusage unter Hinweis auf § 4 (1) k ARB 75 verweigert, der wie folgt lautet: " § 4 Allgemeine Risikoausschlüsse (1) Der Versicherungsschutz bezieht sich nicht auf die Wahrnehmung rechtlicher Interessen...
k) die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Planung, Errichtung oder genehmigungspflichtigen baulichen Veränderung eines im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befindlichen oder von diesem zu erwerbenden Grundstückes , Gebäudes oder Gebäudeteiles stehen." Die Kläger begehren die Feststellung, daß die Beklagte ihnen bedingungsgemäßen Versicherungsschutz zu gewähren hat. Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf ihre Berufung ist die Klage abgewiesen worden. Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer - zugelassenen - Revision.

Entscheidungsgründe:


Das Rechtsmittel der Kläger hat Erfolg.

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts sind die Voraussetzun- gen der Risikoausschlußklausel des § 4 (1) k ARB 75 erfüllt. Ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Planung und Errichtung eines Bauwerkes sei gegeben. Die Kläger hätten ihr Anlagegeschäft zu einem Zeitpunkt getätigt, als die Immobilie, die Gegenstand ihrer Investition gewesen sei, sich noch in der Bauphase befunden habe. Die planmäßige Fertigstellung des Gebäudes mit 12 Stockwerken habe für sie entscheidende Bedeutung gehabt, weil davon der Wert ihrer Fondsanteile abhängig gewesen sei. Ob die Kläger als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden seien, sei ohne Relevanz. Es genüge, daß der Prospekt eine solche Eigentümerstellung ausdrücklich vorsehe. Auf die rechtlichen Unterschiede zwischen einem geschlossenen Immobilienfonds und einem Bauherrenmodell komme es dabei nicht an. Ebenso sei unerheblich, daß die Kläger keine werkvertraglichen, sondern deliktische Ansprüche geltend machen wollten.
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Beklagte hat den Klägern für die von ihnen verfolgten Schadensersatzansprüche bedingungsgemäß Versicherungsschutz zu gewähren.
1. Nach der Rechtsprechung des Senats sind Allgemeine Versicherungsbedingungen - hier der Risikoausschluß des § 4 (1) k ARB 75 - so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muß. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeit eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Inter-

essen an (BGHZ 84, 268, 272; BGHZ 123, 83, 85 und ständig). Bei Risikoausschlüssen geht das Interesse des Versicherungsnehmers regelmäßig dahin, daß der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck der Klausel dies gebietet. Ihr Anwendungsbereich darf mithin nicht weiter ausgedehnt werden, als es ihr Sinn unter Beachtung des wirtschaftlichen Ziels und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, daß er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne daß ihm diese hinreichend verdeutlicht werden (BGHZ 65, 142, 145; Senatsurteil vom 17. März 1999 - IV ZR 89/98 - VersR 1999, 748 unter 2 a).
2. Die Ausschlußklausel des § 4 (1) k ARB 75 verfolgt den - auch für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbaren - Zweck, die erfahrungsgemäß besonders kostenträchtigen und im Kostenrisiko schwer überschaubaren und kaum kalkulierbaren rechtlichen Streitigkeiten um Baumaßnahmen aller Art und die sie unmittelbar begleitenden Vorgänge von der Versicherung auszunehmen, weil nur für einen verhältnismäßig kleinen Teil der in der Risikogemeinschaft zusammengeschlossenen Versicherungsnehmer ein solches Risiko entstehen kann.

a) Sie stellt dafür auf den unmittelbaren Zusammenhang mit der Planung und Errichtung eines Gebäudes ab. Maßgebend ist, ob die vom Versicherungsnehmer angestrebte Rechtsverfolgung der Planung und Errichtung eines Gebäudes zuzuordnen ist. Der geforderte Zusammenhang muß dabei nicht nur zeitlich bestehen, sondern es muß darüber hinaus auch ein innerer sachlicher Bezug gegeben sein (vgl. Senatsurteile vom 16. Oktober 1985 - IVa ZR 49/84 - VersR 1986, 132 unter 2; vom 1. Februar 1989 - IVa ZR 247/87 - VersR 1989, 470 unter 2; vom

14. Februar 1990 - IV ZR 4/89 - VersR 1990, 485 unter 4; vom 10. November 1993 - IV ZR 87/93 - VersR 1994, 44 unter 3). Die Klausel erfaßt das Baurisiko, für das Auseinandersetzungen typisch sind, die über die anläßlich eines Bauvorhabens erbrachten Leistungen geführt werden. Es geht um die Wahrung der rechtlichen Interessen, die der Bauherr an der Planung und Errichtung eines mangelfreien Gebäudes hat. Nur das offenbart sich dem verständigen Versicherungsnehmer bei unbefangener Lektüre der streitbefangenen Klausel. Es erschließt sich ihm hingegen nicht, daß er keinen Deckungsschutz für die Durchsetzung von Ansprüchen haben soll, die zu dem Bauvorhaben selbst in keinem unmittelbaren Bezug stehen, sich vielmehr aus dem Erwerb eines zur Bebauung vorgesehenen Grundstückes (Senatsurteil vom 10. November 1993 aaO unter 3) oder - wie hier - dem Erwerb von Fondsanteilen ergeben , selbst wenn der Zweck der Gesellschaft, der die Kläger beigetreten sind, in der Errichtung und der Verwaltung einer Immobilie besteht.

b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist dieser besondere Zusammenhang im Falle der Kläger zu verneinen. Die von ihnen verfolgten Ansprüche betreffen nicht das dem Leistungsausschluß allein unterfallende Baurisiko. Die Kläger halten nicht die Planung oder Errichtung des Objekts für fehlerhaft. Sie machen statt dessen geltend, der Prospekt enthalte wahrheitswidrige Angaben über die Höhe der anfallenden Vertriebskosten und über die Genehmigungsfähigkeit der dort ausgewiesenen , zur späteren Vermietung vorgesehenen 12 Geschosse. Sie fühlen sich über den Wert der erworbenen Fondsanteile getäuscht und von dem geschäftsführenden Gesellschafter der Immobilienfonds-GbR und dem Geschäftsführer der Treuhand-GmbH deliktisch geschädigt. Ähnlich verhält es sich mit den Ansprüchen aus unerlaubter Handlung,

die sich gegen die Treuhand-GmbH richten, weil diese in Kenntnis da- von, daß das Bauvorhaben nicht prospektgerecht umsetzbar war, ihr anvertraute Gelder unberechtigt ausgezahlt haben soll. Die Rechtsverfolgung der Kläger ist damit dem - anders gearteten - Erwerbsrisiko zuzuordnen. Ihr Vorwurf des Betruges und der Untreue steht außerhalb des mit der Klausel verfolgten Zwecks; er betrifft insbesondere keinen Vorgang , der die Baumaßnahme unmittelbar begleitet und mit dieser in dem geforderten qualifizierten Zusammenhang gestanden hat. Die Täuschung , auf die die Kläger sich berufen, mag die Werthaltigkeit der Fondsanteile zum Gegenstand haben, insbesondere weil sich eine geringere Geschoßzahl auf die aus der Immobilie zu erzielenden Mieterträge auswirkt; einen Baumangel hat dies jedoch nicht zur Folge. Das gilt erst recht für die der Treuhand-GmbH angelastete unerlaubte Handlung. Will der Versicherer auch diese mit dem Erwerb verbundenen Risiken vom Versicherungsschutz ausschließen, muß er die Klausel entsprechend deutlich formulieren. Da die Beklagte dies unterlassen hat, ist die Klausel in dem engeren Sinne zu verstehen, daß sie allein das - hier nicht berührte - Baurisiko umfaßt.
Der Senat hat diesen Standpunkt bereits in seinem Urteil vom 10. November 1993 (aaO unter 3 und 4) vertreten. Soweit sich aus dem Senatsurteil vom 16. Oktober 1985 (aaO unter 2) etwas anderes ergibt, hält er an der dortigen Sichtweise nicht fest.
3. Die Beklagte kann den Klägern nicht entgegenhalten, die Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen sei mutwillig. In §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 17 Abs. 1 Satz 1 ARB 75 bringt der Versicherer zum Ausdruck, daß er Versicherungsschutz unter den sachlichen Voraussetzungen gewährt,

unter denen eine Partei Prozeßkostenhilfe gemäß § 114 ZPO beanspruchen kann (Senatsurteil vom 16. September 1987 - IVa ZR 76/86 - VersR 1988, 174 unter I 1). Einer mittellosen Partei, die sich zum Erhalt ihrer Ansprüche einen nach § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB n.F. 30 Jahre vollstreckbaren Titel verschaffen möchte und deshalb Prozeßkostenhilfe begehrt, ist indes kein Mutwillen anzulasten.
Seiffert Dr. Schlichting Ambrosius
Dr. Kessal-Wulf Felsch

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 113/99 Verkündet am:
17. Mai 2000
Schick
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
AUB 61 § 3 Abs. 4

a) Bei der Ermittlung des Zwecks einer Risikoausschlußklausel kommt es auf
deren - dem Versicherungsnehmer aus der Klausel selbst nicht erschließbare
- Entstehungsgeschichte auch dann nicht an, wenn deren Berücksichtigung
zu einem dem Versicherungsnehmer günstigeren Ergebnis führen könnte.

b) Zur Auslegung des Begriffs "Bewußtseinsstörung" im Sinne des § 3 Abs. 4
AUB 61.
BGH, Urteil vom 17. Mai 2000 - IV ZR 113/99 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Schmitz, die Richter Dr. Schlichting, Terno, Seiffert
und die Richterin Ambrosius auf die mündliche Verhandlung vom 17. Mai
2000

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Teil- und Grundurteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 15. April 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger beansprucht eine Invaliditätsentschädigung aus einer Unfallversicherung, die er 1987 bei der Beklagten genommen hat. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB 61 i.d.F. von 1984, VerBAV 1984 S. 10), die Besonderen Bedingungen für die Unfallversicherung mit planmäßiger Erhöhung von Leistung und

Beitrag und die Besonderen Bedingungen für die Unfallversicherung mit progressiver Invaliditätsstaffel zugrunde. Aufgrund der vereinbarten Dynamisierung belief sich die Versicherungssumme für Invalidität ab 1. Juni 1996 auf 240.000 DM.
Am 21. Juni 1996 befuhr der Kläger mit seinem PKW die Bundesstraße B 292 von L. kommend in Richtung Ö.. Kurz vor Ö. geriet er mit seinem Fahrzeug auf die Gegenfahrbahn und kollidierte mit zwei entgegenkommenden Fahrzeugen. Der Kläger erlitt bei dem Unfall eine offene Ellenbogenluxationsfraktur links mit Zertrümmerung des Olecranons, eine Kopfwunde und Prellungen; seit dem Unfall ist die Beweglichkeit seines linken Ellenbogens eingeschränkt. Er kann seinen Beruf als Schreiner nicht mehr ausüben.
Der Kläger, der eine Invaliditätsentschädigung in Höhe von 288.000 DM begehrt, hat behauptet, ihm sei nur für einen kurzen Moment "schwarz vor Augen" geworden. Dadurch habe er die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und sei auf die Gegenfahrbahn geraten, wo es schließlich zum Unfall gekommen sei. Bei seinem Zustand habe es sich lediglich um eine vorübergehende Schwäche ohne krankhafte Ursache gehandelt, die weniger als zwei Sekunden gedauert habe.
Die Beklagte verweigert Versicherungsleistungen. Unfälle infolge von Geistes- oder Bewußtseinsstörungen seien nach den vereinbarten Bedingungen von der Versicherung ausgeschlossen. Eine Bewußtseinsstörung habe beim Kläger vorgelegen und zu dem Unfall geführt. Denn der vom Kläger als "schwarz vor Augen werden" beschriebene Zustand

sei krankhafter Natur gewesen und habe nicht nur einen kurzen Moment, vielmehr über eine längere Fahrstrecke hinweg, jedenfalls für einige Sekunden angedauert.
Das Landgericht hat die Klage - mit der neben dem Zahlungsanspruch auch ein Feststellungsantrag verfolgt worden ist - abgewiesen. Das Berufungsgericht hat - unter Zurückweisung des Rechtsmittels des Klägers im übrigen - ausgesprochen, daß die Leistungsklage dem Grunde nach gerechtfertigt ist, und hat den Rechtsstreit zur Höhe an das Landgericht zurückverwiesen. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die vollständige Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung , soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, und in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. a) Das Berufungsgericht erachtet den Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung einer Invaliditätsentschädigung für dem Grunde nach gerechtfertigt. Nach seiner Auffassung ist die Beklagte nicht gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 AUB 61 von der Leistung frei, weil sich der Unfall nicht infolge einer Bewußtseinsstörung im Sinne dieser Klausel ereignet habe.

§ 3 Abs. 4 AUB 61 lautet: "§ 3 - Ausschlüsse Ausgeschlossen von der Versicherung sind: ... (4) Unfälle infolge von Schlaganfällen, epileptischen Anfällen und solchen Krampfanfällen, die den ganzen Körper des Versicherten ergreifen, von Geistes- oder Bewußtseinsstörungen , auch soweit diese durch Trunkenheit verursacht sind. Die Ausschlüsse gelten nicht, wenn diese Anfälle oder Störungen durch ein unter die Versicherung fallendes Unfallereignis hervorgerufen waren."
b) Zur Begründung seiner Auffassung führt das Berufungsgericht im wesentlichen aus: Zwischen den Parteien sei unstreitig, daß es zu dem Unfall gekommen sei, weil dem Kläger "schwarz vor Augen" geworden sei und er deshalb die Gewalt über das Fahrzeug verloren habe. Streitig sei lediglich, ob dieser Zustand beim Kläger nur einen kurzen Moment oder - wie die Beklagte geltend mache - über eine längere Fahrstrecke hinweg, jedenfalls einige Sekunden, gedauert habe. Selbst wenn man aber von der Behauptung der Beklagten ausgehe, habe beim Kläger eine Bewußtseinsstörung im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 1 AUB 61nicht vorgelegen. "Schwarz vor Augen werden" sei eine typische Schwindelempfindung. Die Frage, ob auch ein so gekennzeichneter Schwindelanfall eine Bewußtseinsstörung im Sinne dieser Klausel darstelle, sei in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Sie sei aber jedenfalls für kurzzeitige Schwindelanfälle, die nicht länger als einige Sekunden andauerten , verneinend zu beantworten.
Es sei anerkannt, daß Klauseln, welche die vom Versicherer übernommene Gefahr beschränkten, nicht weiter ausgelegt werden dürften,

als es ihr Zweck erfordere. Dabei sei - ohne daß es auf das Verständnis des Versicherungsnehmers ankomme - bei der Ermittlung des Zwecks einer Risikobegrenzung auch die Entstehungsgeschichte der Klausel zu berücksichtigen, wenn das zu einem für den Versicherungsnehmer günstigeren Ergebnis führe. Hier zeige die Entstehungsgeschichte des § 3 Abs. 4 AUB 61, daß jedenfalls kurzzeitige Schwindelanfälle nicht zu den dort genannten Bewußtseinsstörungen gehören sollten. Denn in den vor den AUB 61 geltenden Unfallversicherungs-Bedingungen seien Schwindelanfälle noch ausdrücklich neben den Geistes- und Bewußtseinsstörungen angeführt worden. Daraus folge, daß der Bedingungsgeber damals in Schwindelanfällen etwas anderes als eine Geistes- oder Bewußtseinsstörung gesehen habe. Schwindelanfälle seien in § 3 Abs. 4 AUB 61 auch keineswegs nur aus redaktionellen Gründen nicht mehr genannt worden. Es sei vielmehr beabsichtigt gewesen, diese Fallgruppe nicht mehr in den Ausschlußtatbestand aufzunehmen und den Versicherungsschutz insoweit zu verbessern. Es verbiete sich deshalb, kurzzeitige Schwindelanfälle unter den Begriff der Bewußtseinsstörung in § 3 Abs. 4 Satz 1 AUB 61 zu subsumieren und darauf beruhende Unfälle vom Versicherungsschutz auszunehmen.
Der Senat folgt dieser Auslegung schon in ihrem Ansatz nicht.
2. a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind Allgemeine Geschäftsbedingungen des Versicherers im Sinne des § 1 AGBG. Dieser Charakter der Versicherungsbedingungen bestimmt die bei ihrer Auslegung anzuwendenden Maßstäbe; er hindert es, sie "gesetzesähnlich" auszulegen. Vielmehr sind - nach der gefestigten Rechtsprechung des

Bundesgerichtshofs - Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen , wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges verstehen muß (BGHZ 123, 83, 85 m.w.N.). Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an. Für eine an diesen Grundsätzen orientierte Auslegung ist nicht maßgeblich, was sich der Verfasser der Bedingungen bei ihrer Abfassung vorstellte (Senatsurteil vom 2. Oktober 1985 - IVa ZR 184/83 - VersR 1986, 177, 178). Die Entstehungsgeschichte der Bedingungen, die der Versicherungsnehmer typischerweise nicht kennt, hat bei der Auslegung - wie auch sonst bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen (vgl. Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGBGesetz , 8. Aufl. § 5 Rdn. 22) - außer Betracht zu bleiben; versicherungswirtschaftliche Überlegungen können allenfalls insoweit Berücksichtigung finden, wie sie sich aus dem Wortlaut der Bedingungen für den verständigen Versicherungsnehmer unmittelbar erschließen (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 9. Dezember 1987 - IVa ZR 151/86 - VersR 1988, 282 unter II; vom 18. Dezember 1991 - IV ZR 204/90 - VersR 1992, 349 unter 3; vom 6. März 1996 - IV ZR 275/95 - VersR 1996, 622 unter 3 b).

b) Für die Auslegung des § 3 Abs. 4 Satz 1 AUB 61 - einer Risikoausschlußklausel - gilt nichts anderes. Das Berufungsgericht entnimmt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insoweit zwar zutreffend, daß solche Klauseln grundsätzlich eng auszulegen sind und nicht weiter ausgelegt werden dürfen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirt-

schaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert (Senatsurteile vom 23. November 1994 - IV ZR 48/94 - VersR 1995, 162 unter 3 b; vom 17. März 1999 - IV ZR 89/98 - NVersZ 1999, 394 unter 2 a). Entgegen seiner Auffassung kommt es aber auch in diesem Rahmen bei der Ermittlung des Zwecks der Ausschlußklausel auf deren - dem Versicherungsnehmer aus der Klausel selbst nicht erschließbare - Entstehungsgeschichte auch dann nicht an, wenn deren Berücksichtigung zu einem dem Versicherungsnehmer günstigeren Ergebnis führen könnte. Denn auch die für Risikoausschlußklauseln geltende Auslegungsregel beruht weder auf einer die Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte ermöglichenden "gesetzesähnlichen" Auslegung gerade solcher Klauseln, noch setzt sie eine solche voraus. Vielmehr erfährt diese Regel gerade durch eine Auslegung, die auf die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers abstellt, Rechtfertigung und Sinn (vgl. Senatsurteil vom 17. März 1999, aaO). Die dem Versicherungsnehmer unbekannte Entstehungsgeschichte der Ausschlußklausel kann in diesem Rahmen keine Berücksichtigung finden, gleichviel ob sie für eine Auslegung zugunsten des Versicherungsnehmers oder zugunsten des Versicherers von Bedeutung sein könnte. Für die Auslegung von Risikoausschlußklauseln insoweit zur gesetzesmäßigen Auslegung zurückzukehren, besteht kein Anlaß (Senatsurteil vom 17. März 1999, aaO).

c) Demgemäß erweist sich bereits der Auslegungsansatz des Berufungsgerichts als nicht rechtsfehlerfrei. Denn für die Frage, ob der Begriff Bewußtseinsstörung in § 3 Abs. 4 Satz 1 AUB 61 auch kurzzeitige Schwindelanfälle erfaßt, kommt es nicht darauf an, daß Schwindelanfälle

in früheren Unfallversicherungsbedingungen noch neben Bewußtseinsstörungen angeführt waren und daß - aus welchen Gründen auch immer - bei Abfassung der AUB 61 davon Abstand genommen worden ist. Das vom Berufungsgericht unter Berücksichtigung dieser Umstände gewonnene Auslegungsergebnis trägt daher die angefochtene Entscheidung nicht.
3. a) Bei einer Auslegung des § 3 Abs. 4 Satz 1 AUB 61, die sich an den Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers orientiert, nimmt der Begriff "Bewußtseinsstörung" einen Zustand, bei dem dem Versicherten "schwarz vor Augen" wird und in dessen Folge es zu einem Unfall kommt, nicht von vornherein vom Anwendungsbereich der Klausel aus.
Der - auch dem verständigen Versicherungsnehmer erkennbare - Sinn der Ausschlußklausel liegt darin, vom Versicherungsschutz solche Unfälle auszunehmen, die sich als Folge einer schon vor dem Unfall vorhandenen - gefahrerhöhenden - gesundheitlichen Beeinträchtigung beim Versicherten darstellen. Dabei muß diese Beeinträchtigung so beschaffen sein, daß sie eine den Unfall vermeidende Reaktion des Versicherten nicht zuläßt ("Unfälle infolge von ..."). Das gilt gleichermaßen für die angeführten Anfalleiden wie für die mit einem Sammelbegriff umschriebenen Bewußtseins- oder Geistesstörungen. Auch diese Störungen können zwar - wie der Zusammenhang verdeutlicht - von nur kurzzeitiger Dauer sein, müssen aber dennoch so beschaffen sein, daß es in ihrer Folge zu einem Unfall kommt. Eine Bewußtseinsstörung im Sinne der Klausel setzt danach nicht den Eintritt völliger Bewußtlosigkeit vor-

aus, es genügen vielmehr solche gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit des Versicherten, die die gebotene und erforderliche Reaktion auf die vorhandene Gefahrenlage nicht mehr zulassen, die also den Versicherten außerstande setzen, den Sicherheitsanforderungen seiner Umwelt zu genügen (Senatsurteile vom 27. Februar 1985 - IVa ZR 96/83 - VersR 1985, 583 unter II 1; vom 7. Juni 1989 - IVa ZR 137/88 - VersR 1989, 902, 903 li. Sp. unten; vom 10. Oktober 1990 - IV ZR 231/89 - r+s 1991, 35 = VVGE § 3 AUB Nr. 8). Eine solche Störung liegt mithin dann vor, wenn die dem Versicherten bei normaler Verfassung innewohnende Fähigkeit, Sinneseindrücke schnell und genau zu erfassen, sie geistig zu verarbeiten und auf sie angemessen zu reagieren, ernstlich beeinträchtigt ist (Senatsurteil vom 7. Juni 1989, aaO); sie muß einen Grad erreicht haben, bei dem die Gefahrenlage nicht mehr beherrscht werden kann (Senatsurteil vom 10. Oktober 1990, aaO).
Ob eine Bewußtseinsstörung in diesem Sinne vorliegt, hängt damit sowohl vom Ausmaß der gesundheitlichen Beeinträchtigung der Aufnahme - und Reaktionsfähigkeit als auch von der konkreten Gefahrenlage ab, in der sich der Versicherte befindet. Das macht - wie der Senat wiederholt klargestellt hat (zuletzt Senatsurteil vom 10. Oktober 1990, aaO) - eine fallbezogene Betrachtung erforderlich. An einer solchen hat es das Berufungsgericht fehlen lassen.

b) Für diese Betrachtung ist nicht entscheidend, ob sich der vom Kläger beschriebene Zustand, ihm sei vor dem Unfall "schwarz vor Augen" geworden, als ein Schwindelanfall einordnen läßt. Denn eine sol-

che Einordnung allein gibt keinen ausreichenden Anhalt für die Beantwortung der Frage, ob mit diesem Zustand eine gesundheitliche Beeinträchtigung der Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit in einem Ausmaß vorgelegen hat, daß die konkrete Gefahrenlage, in der sich der Kläger befand, nicht mehr beherrscht werden konnte.
Eine solche Beeinträchtigung - und damit eine Bewußtseinsstörung im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 1 AUB 61 - wird auch nicht von vornherein dadurch ausgeschlossen, daß der vom Kläger beschriebene Zustand - wie vom Berufungsgericht unterstellt - einige Sekunden gedauert hat. Denn auch eine solche nur kurzzeitige gesundheitsbedingte Störung der Aufnahme- und Gegenwirkungsmöglichkeit kann geeignet sein, dem Versicherten die Fähigkeit zu nehmen, die konkrete Gefahrenlage, in der er sich befindet, zu beherrschen.
Das Berufungsgericht hat Feststellungen zur konkreten Gefahrenlage und zum Ausmaß der Beeinträchtigung des Klägers - seiner Auslegung der Ausschlußklausel folgend - bislang nicht getroffen. Die danach notwendige Aufhebung seiner Entscheidung gibt den Parteien Gelegenheit , zu den tatsächlichen Voraussetzungen des Risikoausschlusses unter Beachtung seiner Auslegung durch den Senat gegebenenfalls ergänzend vorzutragen. Auf der Grundlage der danach zu treffenden Feststellungen wird vom Berufungsgericht zu beurteilen sein, ob beim Kläger eine Bewußtseinsstörung im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 1 AUB 61 vorlag.
Dr. Schmitz Dr. Schlichting Terno

Seiffert Ambrosius