Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juli 2014 - III ZR 391/13

bei uns veröffentlicht am03.07.2014
vorgehend
Landgericht Darmstadt, 10 O 562/03, 06.06.2007
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, 13 U 105/07, 28.08.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 391/13
Verkündet am:
3. Juli 2014
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Juli 2014 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dr. Herrmann
, Wöstmann, Seiters und Reiter

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 13. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 28. August 2013 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsrechtszugs hat der Kläger zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Die Beklagte bietet Telekommunikationsleistungen an. Der Kläger ist Inhaber eines von ihr bereitgestellten DSL-Anschlusses. Hierfür haben er und die Rechtsvorgängerin der Beklagten ein zeit- und volumenunabhängiges Pauschalentgelt vereinbart.
2
Die Beklagte weist dem Rechner, den der Kunde zur Einwahl in das Internet nutzt, für die Dauer der einzelnen Verbindung eine IP-Adresse zu, die sie einem ihr zugeteilten Großkontingent entnimmt. Diese Adresse besteht aus einer mit einer Telefonnummer vergleichbaren, aus vier Blöcken gebildeten Ziffernfolge , die die Kommunikation vernetzter Geräte (z.B. Web-Server, E-Mail- Server oder Privatrechner) ermöglicht. Nach Beendigung der Verbindung wird die jeweilige IP-Adresse wieder freigegeben und steht den Kunden der Beklagten zur Einwahl in das Internet erneut zur Verfügung. Aufgrund dieses Verfahrens erhält der einzelne Nutzer für jede Einwahl in das Internet in aller Regel eine unterschiedliche IP-Nummer (dynamische IP-Adresse).
3
Die Beklagte speichert nach Beendigung der jeweiligen Verbindung unter anderem die hierfür verwendete IP-Adresse für sieben Tage. Zuvor hatte sie für die Speicherung eine längere Zeitspanne in Anspruch genommen. Der Kläger meint, die Beklagte sei verpflichtet, die IP-Adressen sofort nach dem Ende der einzelnen Internetsitzungen zu löschen. Die Beklagte ist demgegenüber der Auffassung, sie sei zur Abwehr von Störungen und Fehlern an Telekommunikationsanlagen (§ 96 Abs. 1 Satz 2 i.V. m. § 100 Abs. 1 TKG) zu einer vorübergehenden Speicherung der IP-Adressen berechtigt. Aufgrund einer Änderung der technischen Voraussetzungen beruft sich die Beklagte inzwischen nicht mehr darauf, sie sei auch zum Zweck der Entgeltermittlung und -abrechnung (§ 97 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 TKG) für die Inanspruchnahme von Diensten, die ungeachtet des Pauschaltarifs kostenpflichtig seien, zur Speicherung befugt.
4
Neben Löschungs- und Unterlassungsansprüchen hinsichtlich weiterer Daten hat der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur sofortigen Löschung der seinem Rechner zugeteilten IP-Adressen nach dem jeweiligen Ende der Internetverbindungen verfolgt. Das Landgericht hat den Anträgen teilweise stattgegeben, hinsichtlich der IP-Adressen die Beklagte jedoch nur verurteilt, diese sieben Tage nach dem jeweiligen Ende der Internetverbindungen zu löschen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht in einem ersten Urteil zurückgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat der Senat diese Entscheidung mit Urteil vom 13. Januar 2011 (III ZR 146/10, NJW 2011, 1509), auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen. Das Oberlandesgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme die Berufung des Klägers wiederum zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene erneute Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe


5
Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.

I.


6
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorgaben des ersten Revisionsurteils und der Ergebnisse der im zweiten Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme sei die Beklagte zur Speicherung der dem jeweiligen Nutzer zugeteilten dynamischen IP-Adressen für einen Zeitraum von sieben Tagen nach dem Ende der jeweiligen Internetverbindungen gemäß § 100 Abs. 1 TKG befugt. Die in Rede stehende Datenerhebung und –verwendung sei geeignet, erforderlich und im engeren Sinne verhältnismäßig , um Gefahren für die Funktionsfähigkeit des Telekommunikationsbetriebs entgegenzuwirken. Die Identität des jeweiligen Internetbenutzers sei aus der IP-Nummer selbst nicht zu entnehmen. Sie sei erst durch die Zusammenführung mit weiteren Angaben zu ermitteln. Dies finde nach dem wechselseitigen Sachvortrag der Parteien nur bei dem konkreten Verdacht einer Störung oder eines Fehlers an den Telekommunikationsanlagen statt. Die Speicherung sei zudem auf einen sehr kurzen Zeitraum begrenzt. Die Interessen, de- nen die Datenspeicherung diene, seien von erheblichem Gewicht. Soweit die IP-Nummern zum Erkennen, Eingrenzen oder Beseitigen von Störungen oder Fehlern notwendig seien, würde der Verzicht auf die von der Beklagten praktizierte Speicherung angesichts der gerichtsbekannten Häufigkeit von "Denial-ofService -Attacken" und der Versendung von Spam-Mails, Schad- und Spionageprogrammen zu einer schwerwiegenden und nachhaltigen Beeinträchtigung der Kommunikationsinfrastruktur führen, und zwar zum Schaden der Beklagten und aller ihrer Kunden.
7
Nach den überzeugenden Angaben des vom Gericht beauftragten Sachverständigen gebe es jedenfalls nach dem derzeitigen Stand der Technik keine anderen Möglichkeiten als die von der Beklagten praktizierte Speicherung, um Störungen der Telekommunikationsanlagen zu erkennen, einzugrenzen und notfalls zu beseitigen. Der Sachverständige habe nachvollziehbar dargelegt, dass bei der Beklagten monatlich mehr als 500.000 Missbrauchs-(Abuse-)Meldungen eingingen, von denen 162.000 im Zusammenhang mit Spams stünden. 164.000 hätten einen potentiell direkten Einfluss auf die Infrastruktur und die Dienste der Beklagten. Daneben gebe es Abusemeldungen zu anderen Arten von Missbräuchen (Schadcodes auf Webseiten, Hacking und dergleichen). Der Sachverständige habe in sich stimmig und nachvollziehbar erläutert, dass das von der Beklagten entwickelte System zur Abwehr dieser Beeinträchtigungen erforderlich sei und beibehalten werden müsse. Es habe auch dazu geführt, dass es kaum Fälle gegeben habe, in denen ein anderes Telekommunikationsunternehmen einen bestimmten Adressraum der Beklagten wegen von dort massenhaft ausgehender Spams mit der Folge gesperrt habe, dass aus dem Adressbereich kommende Nachrichten überhaupt nicht mehr angenommen worden seien.
8
Der gerichtlich bestellte Sachverständige habe neben der grundsätzlichen Sinnhaftigkeit der Verfahrensweise der Beklagten auch geprüft, ob Veränderungen denkbar seien, mit Hilfe derer die Speicherung der IP-Adressen für sieben Tage überflüssig werden könnte und ob entgegen der vom Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit geteilten Auffassung der Beklagten zumindest der Speicherzeitraum verkürzt werden könnte. Danach scheide aber insbesondere die vom Sachverständigen angesprochene und theoretisch bestehende Möglichkeit der sogenannten Pseudonymisierung, bei der die IP-Adresse nicht gespeichert würde, aus. Zwar wäre es bei diesem Verfahren möglich, die Kundenkennung nicht mit der IP-Adresse, sondern einer zusätzlichen Zeichenkette zu verknüpfen, die nicht automatisch einem bestimmten Kunden zuzuordnen wäre. Die Pseudonymisierung müsste aber in jedem einzelnen Fall des § 100 Abs. 1 TKG wieder aufgehoben werden, wozu eine vertrauenswürdige Stelle angerufen werden müsste. Der Sachverständige habe nachvollziehbar und unwidersprochen dargelegt, dass der damit verbundene Mehraufwand angesichts der Vielzahl der Fälle, die monatlich abzuwickeln seien , in der Praxis nicht vertretbar sei.

II.


9
Dies hält den Angriffen der Revision stand.
10
1. Gegen die auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts erhebt die Revision weder zum Verfahren noch in der Sache Rügen. Hierfür hätte auch keine Veranlassung bestanden.
11
2. Unbehelflich für den geltend gemachten Anspruch, die jeweils dem Kläger zugeteilte IP-Nummer nach Beendigung der einzelnen Verbindung in das Internet zu löschen, ist der Hinweis der Revision auf die vom Sachverständigen kursorisch angesprochene Möglichkeit der "Pseudonymisierung", die die Beklagte entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht generell, sondern allein für den Kläger vornehmen könne.
12
Bei diesem Verfahren soll die Kundenkennung nicht mit der für die Internetverbindung genutzten IP-Adresse verknüpft werden, sondern mit einer anderen anonymen Zeichenfolge. Im Fall des Verdachts eines Missbrauchs würde die Zuordnung dieser Kennung zu den Daten des Nutzers - im Gegensatz zur Praxis der Beklagten - nicht automatisch, sondern durch eine neutrale Stelle erfolgen. Allerdings ist auch die - zudem dynamisch, das heißt ständig wechselnden Anschlüssen zugeteilte - IP-Nummer für sich genommen anonym, wie das Berufungsgericht vom Kläger unbeanstandet festgestellt hat. Ihre Zuordnung zu einem Kunden wird erst durch die Verknüpfung mit den Sessionsdaten des Nutzers ermöglicht. Insoweit unterscheidet sich das derzeitige Verfahren der Beklagten letztlich nicht von der vom Sachverständigen angeschnittenen "Pseudonymisierung". Der mit dieser bewirkte Gewinn an Datenschutz würde dementsprechend maßgeblich nicht infolge der Ersetzung der IP-Adresse durch eine andere Zeichenfolge bewirkt, sondern wäre darauf zurückzuführen, dass eine automatische Verknüpfung der anonymen Zeichenfolge (gleichgültig, ob IP-Adresse oder andere Kennung) durch die Beklagte selbst unterbleibt und stattdessen eine dritte Stelle zwischengeschaltet würde, die die Rückgängigmachung der Pseudonymisierung vornähme. Dies ist jedoch, wie das Berufungsgericht auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen von der Revision unbeanstandet festgestellt hat, angesichts der hohen Zahl der Vorfälle der Beklagten nicht zuzumuten. Der Kläger kann dem auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Einschaltung der dritten Stelle könne auf seine Person oder seinen Anschluss beschränkt werden. Die Beklagte wäre rechtlich allen anderen Kunden gegenüber verpflichtet, ebenso zu verfahren wie gegenüber dem Kläger.
13
3. Im Übrigen tritt die Revision der Rechtsauffassung des Senats in seinem ersten Revisionsurteil in dieser Sache vom 13. Januar 2011 (aaO) entgegen. Auch unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgebrachten Angriffe hält der Senat nach Überprüfung jedoch an seinem Rechtsstandpunkt fest.
14
a) Zu Unrecht meint die Revision unter Bezugnahme auf Randnummer 24 des Urteils vom 13. Januar 2011, der Begriff der "Störung" an Telekommunikationsanlagen im Sinne des § 100 Abs. 1 TKG umfasse entgegen der Ansicht des Senats nicht die Sperrung einzelner IP-Adresskontingente der Beklagten durch andere Internetanbieter, wenn von diesen Bereichen aus Schadprogramme , sogenannte Spam-Mails oder "Denial-of-Service"-Attacken ausgingen. Sie meint, "System" im Sinne der Definition des Begriffs der Telekommunikationsanlagen in § 3 Nr. 23 TKG sei nur ein technisches System. Werde ein bestimmter IP-Adressbereich gesperrt, werde die Telekommunikationsanlage der Beklagten selbst nicht gestört. Das System laufe in diesem Fall unbeeinträchtigt weiter. Die betroffenen Adressenkontingente könnten an dem System weiter teilnehmen, nur nicht im Verhältnis zu dem sperrenden anderen Internetdienstleister , der sie infolge seiner geschäftspolitischen Entscheidung nicht mehr bedienen wolle.
15
Dies kann nicht überzeugen. Daraus, dass sich das Adjektiv "technische" in § 3 Nr. 23 TKG auch auf den Begriff des "Systems" bezieht, ist für die Rechtsposition des Klägers nichts herzuleiten. Wie die Revision selbst nicht verkennt, kommt eine Störung des "technischen Systems" nach § 100 Abs. 1 TKG nicht nur in Betracht, wenn die physikalische Beschaffenheit der für die Telekommunikation verwendeten Gerätschaften verändert wird. Vielmehr liegt nach dem Zweck der Vorschrift eine Störung des Systems auch vor, wenn die eingesetzte Technik die ihr zugedachten Funktionen nicht mehr richtig oder vollständig erfüllen kann (Gramlich in Manssen, Telekommunikations- und Multimediarecht , C § 100 Rn. 16 [Stand: 8/08]; Kannenberg in Scheurle/Mayen, TKG, 2. Aufl., § 100 Rn. 6 f; Mozek in Säcker, TKG, 3. Aufl., § 100 Rn. 7). Entgegen der Ansicht der Revision tritt eine Funktionseinschränkung des technischen Systems der Beklagten auch dann ein, wenn einzelne ihrer IP-Nummernbereiche von anderen Internetdiensten gesperrt werden. In diesem Fall sind die von diesen Anbietern unterhaltenen Web- und Mailserver für die Kunden der Beklagten nicht mehr erreichbar. Damit können deren technischen Einrichtungen und Systeme nicht mehr ihre Aufgabe erfüllen, den Nutzern den uneingeschränkten Zugang zu sämtlichen öffentlichen Angeboten im Internet zu verschaffen , wozu sich die Beklagte gegenüber ihren Kunden verpflichtet. Unmaßgeblich ist, dass die bei der Versendung von Schadprogrammen, Spams und dergleichen aus dem Netz der Beklagten drohende Sperrung ihrer IP-Kontingente durch andere Anbieter auf deren autonomer Entscheidung beruht. Die Blockierung der Nummernbereiche wird in diesen Fällen durch die aus der technischen Sphäre der Beklagten stammenden Missbräuche des Internets herausgefordert und stellt in der Regel eine verständliche und angemessene Reaktion der anderen Dienstanbieter zum Schutz ihrer Anlagen und Nutzer dar.
16
b) Nicht zu folgen vermag der Senat der Revision auch, soweit sie sich die an dem Senatsurteil vom 13. Januar 2011 (aaO) geäußerte Kritik von Braun (Beck‘ scher TKG-Kommentar, 4. Aufl., § 100 Rn. 10 f mwN; siehe aber dem- gegenüber z.B. auch Eckhardt, DSB 2011, 22, 23 f; Karg, MMR 2011, 345, 346) zu eigen macht.
17
In methodischer Hinsicht beanstandet er, die vom Senat in Randnummer 24 des Urteils zum Beleg für sein weites Verständnis des Störungsbegriffs des § 100 Abs. 1 TKG angeführte Begründung der Bundesregierung zur Ergänzung von § 15 TMG (BT-Drs. 16/11967, S. 17) sei nicht aussagekräftig, weil die vorgesehene Gesetzesänderung nicht erfolgt sei. Dies hat der Senat indessen berücksichtigt , wie in seiner Formulierung "durch den eine mit § 100 Abs. 1 TKG fast wortgleiche Bestimmung an § 15 des Telemediengesetzes angefügt werden sollte" zum Ausdruck kommt. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, dass die Begründung der von der Bundesregierung vorgeschlagenen, aber letztlich nicht zustande gekommenen Änderung des Telemediengesetzes keine Aussagekraft für die Auslegung von § 100 Abs. 1 TKG haben kann. Diese Bestimmung und der von der Bundesregierung vorgeschlagene Absatz 9 von § 15 TMG haben fast denselben Wortlaut. Zudem sind die Störungsszenarien, die beiden Vorschriften zugrunde liegen, vergleichbar. Auch wenn die Anbieter von Telemedien in stärkerem Maße von Spams, Denial-of-Service-Attacken, Schadprogrammen und dergleichen unmittelbar betroffen sein mögen als ein Teilnehmernetzbetreiber , können solche Missbräuche aus den im Senatsurteil vom 13. Januar 2011 (aaO) und oben unter Buchstabe a ausgeführten Gründen auch zu Störungen der Anlagen der Beklagten führen. Überdies haben nach den von der Revision hingenommenen tatrichterlichen Feststellungen monatlich etwa 164.000 bei der Beklagten auflaufende Missbrauchsmeldungen Angriffe zum Gegenstand, die sich potentiell unmittelbar schädlich auf die Infrastruktur und die Dienste der Beklagten auswirken.
18
Weiter wird geltend gemacht (Braun aaO), der Erwägungsgrund 29 der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (ABl. L 201 S. 37; nachfolgend : RL) spreche gegen die vom Senat für richtig gehaltene weite Auslegung des Begriffs der "Störung" im Sinne von § 100 Abs. 1 TKG. Zudem sehe der Erwägungsgrund 29 die Verarbeitung von Verkehrs- und Bestandsdaten nur in Einzelfällen, nicht aber anlasslos, vor. Daher müsse § 100 Abs. 1 TKG über eine unionsrechtskonforme Auslegung entsprechend verstanden werden (aaO Rn. 12).
19
Diese Kritik ist bereits deshalb unbegründet, weil der im vorliegenden Fall zu entscheidende Sachverhalt von demjenigen, der in Erwägungsgrund 29 der genannten Richtlinie behandelt wird, nicht erfasst ist. Der Erwägungsgrund befasst sich allein mit der Verarbeitung von Verkehrsdaten, die (nur) in Einzelfällen erfolgen soll, um technische Versehen oder Fehler bei der Übertragung von Nachrichten zu ermitteln. Vorliegend steht jedoch die Berechtigung der Beklagten im Streit, auch ohne konkreten Anlass die von ihren Kunden genutzten IP-Adressen zu speichern. Die Speicherung und die Verarbeitung von personenbezogenen Daten sind Vorgänge, die in der Richtlinie unterschieden werden. Dies gilt insbesondere für Art. 6 Abs. 1 RL, der - vorbehaltlich der hier einschlägigen Maßgaben des Art. 15 Abs. 1 RL - die grundsätzliche Pflicht zur Löschung oder Anonymisierung der Verkehrsdaten nach der Übertragung von Nachrichten vorschreibt (siehe auch Erwägungsgrund 7 und Art. 4 Abs. 1a, zweiter Spiegelstrich RL).
20
Aber auch dessen ungeachtet geht die Beanstandung von Braun (aaO) fehl. Wie der Senat in seinem Urteil vom 13. Januar 2011 (aaO Rn. 33) ausge- führt hat, wird § 100 Abs. 1 TKG von Art. 15 Abs. 1 RL gedeckt. Danach können die Mitgliedstaaten Vorschriften erlassen, die die Rechte und Pflichten gemäß Art. 6 RL beschränken, wenn dies unter anderem zur Verhütung, Ermittlung, Feststellung und Verfolgung des unzulässigen Gebrauchs von elektronischen Kommunikationssystemen notwendig, angemessen und verhältnismäßig ist. Technische Versehen oder Fehler bei der Übertragung von Nachrichten (Erwägungsgrund 29 RL) können zwar zwei von mehreren denkbaren Folgen eines solchen Missbrauchs sein, können aber auch eine Fülle anderer Ursachen haben. Die dem Erwägungsgrund 29 und Art. 15 Abs. 1 RL jeweils zugrunde liegenden Sachverhalte überlappen sich damit nur teilweise. Die Anwendungsbereiche unterscheiden sich aber im Übrigen weitgehend, wie sich deutlich aus dem Wortlaut des Erwägungsgrunds und der Vorschrift ergibt. Für die von der Revision der Sache nach befürwortete einschränkende Auslegung von Art. 15 Abs. 1 RL und damit des Störungsbegriffs von § 100 Abs. 1 TKG im Lichte des Erwägungsgrunds 29 RL ist deshalb kein Raum.
21
4. Unbehelflich ist weiter der Hinweis des Klägers in seinem die Revisionsbegründung ergänzenden Schriftsatz vom 31. März 2014, eine Störung gemäß § 100 Abs. 1 TKG sei nicht deckungsgleich mit der in Art. 15 Abs. 1 RL enthaltenen Voraussetzung für die Beschränkungen von Art. 6 Abs. 1 RL, dass diese notwendig sind für die Verhütung, Ermittlung, Feststellung und Verfolgung des unzulässigen Gebrauchs von elektronischen Kommunikationssystemen. Dies ist zwar rein begrifflich betrachtet richtig. Hieraus kann der Kläger jedoch inhaltlich nichts für seine Rechtsposition herleiten. Wie der Senat in seinem ersten Urteil ausgeführt hat, stellen die Missbräuche des Internets, die in der Versendung von Spam-Mails, Schad- und Spionageprogrammen sowie in "Denial-of-Service -Attacken" und dergleichen bestehen, einen unzulässigen Gebrauch elektronischer Kommunikationssysteme gemäß Art. 15 Abs. 1 RL dar (aaO Rn. 33) dar. Derartige Missbräuche haben aus den in Randnummer 24 seines Urteils vom 13. Januar 2011 und oben unter Nummer 3 ausgeführten Gründen vielfach Störungen der Telekommunikationsanlagen des Netzbetreibers gemäß § 100 Abs. 1 TKG zur Folge. Ist die Ausnahme von der Löschungspflicht nach Art. 6 Abs. 1 RL bereits zur Verhütung, Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von Missbräuchen der Kommunikationssysteme zulässig, muss dies erst Recht zum Erkennen, Eingrenzen oder Beseitigen von hieraus resultierenden Störungen der Telekommunikationsanlagen des Netzbetreibers im Sinne des § 100 Abs. 1 TKG gelten, zumal beides in der Praxis kaum zu unterscheiden ist. Der von der Revision geltend gemachte inhaltliche Widerspruch zwischen Art. 15 Abs. 1 RL und § 100 Abs. 1 TKG besteht damit nicht.
22
5. Schließlich gibt auch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. April 2014 (C-293/12 u.a. - Digital Rights Ireland Ltd. u.a., BeckRS 2014, 80686), mit dem die Ungültigkeit der Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG (ABl. Nr. L 105 S. 54) ausgesprochen wurde, dem Senat keinen Anlass, seinen im ersten Revisionsurteil vom 13. Januar 2011 (aaO) eingenommenen Rechtsstandpunkt zu revidieren. Maßgeblich für die Ungültigkeit dieser Richtlinie, die eine anlasslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Bestandsdaten für mindestens sechs Monate vorsah, war nach der Entscheidung des Gerichtshofs das Fehlen eines objektiven Kriteriums, das es ermöglichte, den Zugang der zuständigen nationalen Behörden zu den Daten und deren spätere Nutzung zwecks Verhütung und Verfolgung von Straftaten auf solche Delikte zu beschränken, die unter Berücksichtigung des Ausmaßes und der Schwere des Grundrechtseingriffs als hinrei- chend schwer angesehen werden konnten, um den Eingriff zu rechtfertigen (aaO Rn. 60). Weiterhin monierte der Gerichtshof, dass die Richtlinie keine materiell - und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für den Zugang der zuständigen nationalen Behörden zu den gespeicherten Daten und deren spätere Nutzung enthielt. Es fehle eine ausdrückliche Bestimmung, dass sich der Zugang zu den und die spätere Nutzung der Daten strikt auf die Zwecke der Verhütung und der Verfolgung genau abgegrenzter schwerer Straftaten beschränke (aaO Rn. 61). Vor allem unterliege der Zugriff der nationalen Behörden zu den auf Vorrat gespeicherten Daten keiner vorherigen Kontrolle eines Gerichts oder einer anderen unabhängigen Stelle, deren Entscheidung die Wahrung der Verhältnismäßigkeit gewährleiste (aaO Rn. 62). Schließlich beanstandete der Gerichtshof, dass die Mindestspeicherfrist für sämtliche Datenkategorien sechs Monate betragen sollte, ohne dass die Festlegung auf objektiven Kriterien beruhte , die gewährleisteten, dass sie auf das absolut Notwendige beschränkt wurde (aaO Rn. 63 f).
23
Diese Erwägungen sind auf die hier im Streit befindliche siebentägige Speicherung von IP-Adressen zu den in § 100 Abs. 1 TKG bestimmten Zwecken nicht übertragbar. Die Speicherung erfolgt nicht für die Zwecke der Strafverfolgungsbehörden, sondern im Interesse des Netzbetreibers. Ein Zugriff von Polizei oder Staatsanwaltschaft auf die gespeicherten Daten ist in dieser Rechtsgrundlage nicht vorgesehen. Überdies ist die Speicherfrist von sieben Tagen nach den aufgrund sachverständiger Beratung getroffenen, nicht angegriffenen tatrichterlichen Feststellungen auf das zur Erreichung der legitimen Zwecke des § 100 Abs. 1 TKG notwendige Maß begrenzt. Sie ist auch ihrer absoluten Dauer nach nicht mit der in der genannten Richtlinie bestimmten Mindestfrist von sechs Monaten vergleichbar.
24
6. Eine Vorlage der Sache an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 2, 3 AEUV ist auch weiterhin entbehrlich. Insoweit nimmt der Senat auf sein erstes Revisionsurteil in dieser Sache (aaO Rn. 35) Bezug. Die in der vorliegenden Entscheidung ergänzend angestellten Erwägungen zum europäischen Recht ergeben sich ebenfalls ohne weiteres mit der zur Anwendung der acte clair-Doktrin (siehe dazu Senatsurteil vom 13. Januar 2011 aaO mwN) erforderlichen Eindeutigkeit aus dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 RL und des Erwägungsgrunds 29 RL sowie aus dem Urteil des Gerichtshofs vom 8. April 2014 (aaO).
Schlick Herrmann Wöstmann
Seiters Reiter
Vorinstanzen:
LG Darmstadt, Entscheidung vom 06.06.2007 - 10 O 562/03 -
OLG Frankfurt in Darmstadt, Entscheidung vom 28.08.2013 - 13 U 105/07 -

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Bundesgerichtshof Urteil, 13. Jan. 2011 - III ZR 146/10

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(1) Hat die Bundesnetzagentur nach § 91 Absatz 9 angeordnet, dass der Zuteilung von Frequenzen ein Vergabeverfahren voranzugehen hat, kann sie nach Anhörung der betroffenen Kreise das Versteigerungsverfahren nach Absatz 5 oder das Ausschreibungsverfahren nach Absatz 6 durchführen. Die Bundesnetzagentur legt bei der Entscheidung zur Wahl des Vergabeverfahrens gemäß Satz 1 die allgemeinen Ziele des Verfahrens fest. Die Ziele sind zusätzlich zur Förderung des Wettbewerbs und der Verbesserung der Versorgung, insbesondere in ländlichen Gebieten, auf einen oder mehrere der folgenden Aspekte beschränkt:

1.
Gewährleistung der erforderlichen Dienstequalität,
2.
Förderung der effizienten Nutzung von Frequenzen, unter anderem unter Berücksichtigung der für die Nutzungsrechte geltenden Bedingungen und der Höhe der Abgaben, oder
3.
Förderung von Innovation und Geschäftsentwicklung.

(2) Es ist dasjenige Vergabeverfahren durchzuführen, das am besten geeignet ist, die Regulierungsziele nach den §§ 2 und 87 zu erreichen. Für Frequenzen, die für die Übertragung von Rundfunk im Zuständigkeitsbereich der Länder vorgesehen sind, ist das Versteigerungsverfahren nach Absatz 5 nicht durchzuführen.

(3) Die Bundesnetzagentur veröffentlicht die Entscheidung über die Wahl des Vergabeverfahrens sowie die Festlegungen und Regeln für die Durchführung der Verfahren unter Angabe der Gründe. Zudem veröffentlicht sie die dazugehörigen Frequenznutzungsbestimmungen. Sie legt die Ergebnisse einer mit der Entscheidung in Zusammenhang stehenden Beurteilung der Wettbewerbssituation sowie der technischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten des Marktes dar.

(4) Die Bundesnetzagentur bestimmt vor Durchführung eines Vergabeverfahrens

1.
die von einem Antragsteller zu erfüllenden subjektiven, fachlichen und sachlichen Mindestvoraussetzungen für die Zulassung zum Vergabeverfahren,
2.
die Frequenznutzung, für die die zu vergebenden Frequenzen unter Beachtung des Frequenzplanes verwendet werden dürfen,
3.
die für die Aufnahme des Telekommunikationsdienstes notwendige Grundausstattung an Frequenzen, sofern dies erforderlich ist, und
4.
die Frequenznutzungsbestimmungen einschließlich des Versorgungsgrades bei der Frequenznutzung und seiner zeitlichen Umsetzung; bei der Festlegung des Versorgungsgrades und seiner zeitlichen Umsetzung berücksichtigt die Bundesnetzagentur neben den Regulierungszielen nach den §§ 2 und 87 auch Möglichkeiten für Inhaber von Frequenznutzungsrechten, in zumutbarer Weise öffentlich geförderte Infrastrukturen mitzunutzen oder aufzubauen.

(5) Im Falle der Versteigerung legt die Bundesnetzagentur vor der Durchführung des Vergabeverfahrens die Regeln für die Durchführung des Versteigerungsverfahrens im Einzelnen fest. Die Regeln müssen objektiv, nachvollziehbar und nichtdiskriminierend sein und die Belange kleiner und mittlerer Unternehmen berücksichtigen. Die Bundesnetzagentur legt ein Mindestgebot für das Nutzungsrecht an den zu versteigernden Frequenzen sowie Zahlungsregelungen fest. Der Versteigerung geht ein Verfahren voraus, in dem die Zulassung zur Versteigerung schriftlich oder elektronisch zu beantragen ist. Die Bundesnetzagentur entscheidet über die Zulassung durch schriftlichen oder elektronischen Bescheid. Der Antrag auf Zulassung ist abzulehnen, wenn der Antragsteller nicht darlegt und nachweist, dass er die nach Absatz 4 festgelegten und die nach § 91 Absatz 5 bestehenden Voraussetzungen erfüllt.

(6) Im Falle der Ausschreibung bestimmt die Bundesnetzagentur vor der Durchführung des Vergabeverfahrens die Kriterien, nach denen die Eignung der Bewerber bewertet wird. Kriterien sind

1.
die Zuverlässigkeit, Fachkunde und Leistungsfähigkeit der Bewerber,
2.
die Eignung von vorzulegenden Planungen für die Nutzung der ausgeschriebenen Frequenzen,
3.
die Förderung eines nachhaltig wettbewerbsorientierten Marktes und
4.
der räumliche Versorgungsgrad.
Bei ansonsten gleicher Eignung ist derjenige Bewerber auszuwählen, der einen höheren räumlichen Versorgungsgrad mit den entsprechenden Telekommunikationsdiensten gewährleistet. Die Bundesnetzagentur legt den im Falle des Zuschlags für das Frequenznutzungsrecht zu zahlenden Zuschlagspreis sowie Zahlungsregelungen fest.

(7) Die Zuteilung der Frequenzen erfolgt nach § 91, nachdem das Vergabeverfahren nach Absatz 3 Satz 1 durchgeführt worden ist. Verpflichtungen, die Antragsteller im Laufe eines Versteigerungs- oder Ausschreibungsverfahrens eingegangen sind, werden Bestandteile der Frequenzzuteilung.

(8) Bei einem Versteigerungsverfahren nach Absatz 5 oder einem Ausschreibungsverfahren nach Absatz 6 kann die in § 91 Absatz 4 genannte Höchstfrist von sechs Wochen so lange wie nötig, längstens jedoch um acht Monate, verlängert werden, um für alle Beteiligten ein chancengleiches, angemessenes, offenes und transparentes Verfahren sicherzustellen. Diese Fristen lassen geltende internationale Vereinbarungen über die Nutzung von Frequenzen und die Satellitenkoordinierung unberührt.

(1) Frequenzen, bei denen eine effiziente Nutzung durch einen Einzelnen allein nicht zu erwarten ist, können auch mehreren zur gemeinsamen Nutzung zugeteilt werden. Die Inhaber dieser Frequenznutzungsrechte haben Beeinträchtigungen hinzunehmen, die sich aus einer bestimmungsgemäßen gemeinsamen Nutzung der Frequenz ergeben.

(2) In begründeten Einzelfällen, insbesondere zur Erprobung innovativer Technologien in der Telekommunikation oder bei kurzfristig auftretendem Frequenzbedarf, kann von den im Frequenzplan enthaltenen Festlegungen bei der Zuteilung von Frequenzen befristet abgewichen werden. Voraussetzung hierfür ist, dass keine Frequenznutzung beeinträchtigt wird. Sind Belange der Länder bei der Übertragung von Rundfunk im Zuständigkeitsbereich der Länder betroffen, ist auf der Grundlage der rundfunkrechtlichen Festlegungen das Benehmen mit der zuständigen Landesbehörde herzustellen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 146/10
Verkündet am:
13. Januar 2011
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Speicherung dynamischer IP-Adressen

a) Zu den Voraussetzungen für die Befugnis, dynamische IP-Adressen zum
Zweck der Entgeltermittlung und Abrechnung gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1,
Abs. 2 Nr. 1 TKG zu speichern.

b) Die Befugnis zur Speicherung von IP-Adressen zum Erkennen, Eingrenzen
oder Beseitigen von Störungen oder Fehlern an Telekommunikationsanlagen
gemäß § 100 Abs. 1 TKG setzt nicht voraus, dass im Einzelfall
bereits Anhaltspunkte für eine Störung oder einen Fehler vorliegen. Es
genügt vielmehr, dass die in Rede stehende Datenerhebung und
-verwendung geeignet, erforderlich und im engeren Sinn verhältnismäßig
ist, um abstrakten Gefahren für die Funktionstüchtigkeit des Telekommunikationsbetriebs
entgegenzuwirken.
BGH, Urteil vom 13. Januar 2011 - III ZR 146/10 - OLG Frankfurt am Main
LG Darmstadt
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Januar 2011 durch den Vizepräsidenten Schlick, die Richter Dörr und
Dr. Herrmann, die Richterin Caliebe und den Richter Tombrink

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 13. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. Juni 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Die Beklagte bietet Telekommunikationsleistungen an. Der Kläger ist Inhaber eines von ihr bereitgestellten DSL-Anschlusses. Hierfür haben er und die Rechtsvorgängerin der Beklagten den "T. flat"-Tarif vereinbart. Dieser beinhaltet ein zeit- und volumenunabhängiges Pauschalentgelt, soweit der Kunde für die Einwahl in das Internet den von der Beklagten zur Verfügung gestellten DSL-Anschluss nutzt. Der Kunde kann sich mit seinen Zugangsdaten (Kennung und Passwort) jedoch auch über andere Telekommunikationsanschlüsse (zum Beispiel über Mobiltelefone, Anschlüsse von Wettbewerbern der Beklagten im Inland oder aus dem Ausland) oder mittels anderer Zugangstechniken (z.B. Analog-, ISDN- oder GSM-Verbindungen) in die Dienste der Beklagten einwählen. In diesem Fall werden zeitabhängige Nutzungsentgelte berechnet. Ferner kann der Kunde Zugriff auf kostenpflichtige Dienste nehmen, die entsprechend der individuellen Nutzung gesondert und unabhängig von den angebotenen Zugangstarifen von der Beklagten in Rechnung gestellt werden.
2
Die Beklagte weist dem Rechner, den der Kunde zur Einwahl in das Internet nutzt, für die Dauer der einzelnen Verbindung eine IP-Adresse zu, die sie einem ihr zugeteilten Großkontingent entnimmt. Diese Adresse besteht aus einer mit einer Telefonnummer vergleichbaren, aus vier Blöcken gebildeten Ziffernfolge , die die Kommunikation vernetzter Geräte (z.B. Web-Server, E-MailServer oder Privatrechner) ermöglicht. Nach Beendigung der Verbindung wird die jeweilige IP-Adresse wieder freigegeben und steht den Kunden der Beklagten zur Einwahl in das Internet erneut zur Verfügung. Aufgrund dieses Verfahrens erhält der einzelne Nutzer für jede Einwahl in das Internet in aller Regel eine unterschiedliche IP-Nummer (dynamische IP-Adresse).
3
Die Beklagte speichert nach Beendigung der jeweiligen Verbindung unter anderem die hierfür verwendete IP-Adresse für einen gewissen Zeitraum. Diesen hat sie während des laufenden Rechtsstreits auf sieben Tage begrenzt. Zuvor hatte sie für die Speicherung eine längere Zeitspanne in Anspruch genommen. Der Kläger meint, die Beklagte sei verpflichtet, die IP-Adressen sofort nach dem Ende der einzelnen Internetsitzungen zu löschen. Die Beklagte ist demgegenüber der Auffassung, sie sei gemäß § 96 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 97 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 und § 100 Abs. 1 TKG zu einer vorübergehenden Speicherung der IP-Adressen berechtigt.
4
Neben Löschungs- und Unterlassungsansprüchen hinsichtlich weiterer Daten hat der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur sofortigen Löschung der seinem Rechner zugeteilten IP-Adressen nach dem jeweiligen Ende der Internetverbindungen verfolgt. Das Landgericht hat den Anträgen teilweise stattgegeben, hinsichtlich der IP-Adressen die Beklagte jedoch nur verurteilt, diese sieben Tage nach dem jeweiligen Ende der Internetverbindungen zu löschen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt er sein auf die Verpflichtung der Beklagten zur sofortigen Löschung der IP-Adressen gerichtetes Begehren weiter.

Entscheidungsgründe


5
Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

I.


6
Das Berufungsgericht hat in seiner Entscheidung (MMR 2010, 645) ausgeführt , die Beklagte sei zur Speicherung der IP-Adressen während des vom Landgericht ausgeurteilten Zeitraums berechtigt, da diese Daten zur Ermittlung des Entgelts und zur Abrechnung sowie zum Erkennen, Eingrenzen und Beseitigen von Störungen oder Fehlern an ihren Telekommunikationsanlagen erforderlich seien.
7
Der mit der Beklagten vereinbarte Tarif sehe nicht eine reine zeit- und volumenunabhängige Pauschale vor. Vielmehr seien für einzelne Nutzungen gesondert abzurechnende Entgelte zu zahlen. Die IP-Adressen seien zu deren Abrechnung erforderlich. Bei der Einwahl in das Internet würden auf dem dafür benötigten Radiusserver der Beklagten lediglich die jeweilige Kennung, das hinterlegte Passwort des Teilnehmers sowie die der einzelnen Internetverbindung zugeordnete IP-Adresse gespeichert, nicht aber das von dem jeweiligen Teilnehmer gewählte Tarifmodell. Der Radiusserver übertrage deshalb die IPAdressen und die diesen jeweils zugeordneten Sessionsdaten an einen Computer des Abrechnungssystems der Beklagten. Ohne die IP-Nummern sei eine Entgeltberechnung nicht möglich. Dass die Beklagte gleichwohl über technische Mittel verfüge, die es ihr ermöglichten, auch ohne die zeitweise Speicherung von IP-Adressen die Abrechnungen zu erstellen, sei nicht zu erkennen und sei vom Kläger auch nicht einmal ansatzweise schlüssig dargetan worden. Er habe gegenüber den detaillierten Darlegungen der Beklagten lediglich eingewandt, es gebe "Log-Dateien". Es sei jedoch nicht ersichtlich, dass diese Dateien es ohne die IP-Adressen ermöglichten, die Abrechnung vorzunehmen. Dies ergebe sich auch nicht aus dem vom Landgericht eingeholten Sachverständigengutachten. Überdies könne dem Kläger nach § 44 Abs. 1, § 96 Abs. 1 Satz 3, § 97 Abs. 3 TKG allenfalls ein Anspruch auf "unverzügliche" und nicht etwa auf "sofortige" Löschung zustehen.
8
Auch die Voraussetzungen des in § 96 Abs. 1 Satz 2, § 100 Abs. 1 TKG geregelten Erlaubnistatbestands für die Speicherung der IP-Adressen seien für einen Zeitraum von sieben Tagen erfüllt. Aufgrund der plausiblen und im wesentlichen unstreitig gebliebenen Darlegungen der Beklagten könne davon ausgegangen werden, dass es dieser bei einer "sofortigen" Löschung der IPAdressen derzeit praktisch unmöglich wäre, einen relevanten Teil von Störun- gen und Fehlern an Telekommunikationsanlagen zu erkennen, einzugrenzen oder zu beseitigen. § 100 Abs. 1 TKG setze für die Speicherung von Verkehrsdaten im Gegensatz zu § 100 Abs. 3 TKG keine im "Einzelfall" bereits feststehende Störung voraus. Vielmehr müsse die Beklagte in die Lage versetzt werden , regelmäßig erst nach einigen Tagen eingehenden Störungsmitteilungen auf den Grund zu gehen. Hierfür seien in der Regel die IP-Adressen notwendig. Bei der Versendung von "Schrottmails" (Spam), Hackerangriffen, der Verbreitung von Viren und Trojanern, und bei massenweisen Zugriffen auf bestimmte Webseiten (Denial-of-Service-Attacken) seien die Störungen nur zu beseitigen, wenn die IP-Adressen der (gegebenenfalls zuvor infizierten) Rechner bekannt seien, von denen die Attacken ausgingen. Anderenfalls seien die betroffenen Computer nicht identifizierbar. Wenn eine an einem Angriff beteiligte IP-Adresse aus dem Kontingent eines bestimmten Internetproviders, etwa der Beklagten, stamme, wendeten sich die Betroffenen oder deren Internetprovider an denjenigen , dessen Bereich die betreffende Adresse zuzuordnen sei, um Angriffe stoppen zu lassen beziehungsweise zumindest hierauf hinzuweisen. Die Beklagte müsse durch die Speicherung der IP-Adressen in der Lage sein, derartige Störungen abzustellen. Anderenfalls sei auch ihre eigene Infrastruktur gefährdet. Es sei nachvollziehbar und allgemein bekannt, dass, wenn ein Internetprovider nicht gegen Versender von Spams, Schadsoftware und dergleichen vorgehe, dies zur Sperrung bestimmter IP-Adressenkontingente, von denen die Störungen ausgegangen seien, durch andere Internetdienstleister und -provider führe. Diese Adressenbereiche seien dann nicht mehr erreichbar und könnten von der Beklagten und deren Kunden nicht mehr genutzt werden.
9
Der Kläger habe sich demgegenüber bis zuletzt lediglich pauschal und ohne nähere Details darauf berufen, dass es "zumutbare technische Mittel zur unwiederbringlichen Anonymisierung von Datenbeständen (gebe), deren Ein- satz gleichwohl die Nutzbarkeit der Daten" im Sinne einer Netzsicherheit gewährleisten könnte. Dem entsprechenden Beweisangebot, ein Sachverständigengutachten einzuholen, sei nicht nachzugehen gewesen, weil es einer im Zivilprozess unstatthaften Erhebung eines Ausforschungsbeweises gleichgekommen wäre.

II.


10
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand ist es nicht auszuschließen, dass die Beklagte zu einer vorübergehenden Speicherung der dem Rechner des Klägers jeweils zugeteilten dynamischen IP-Adressen nach Beendigung der Internetverbindungen nicht berechtigt ist, so dass dieser gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 3 TKG die unverzügliche Löschung verlangen kann. Sofern für die Speicherung der IP-Adressen keine Rechtsgrundlage besteht, kann dieser Anspruch je nach den technischen Möglichkeiten auch auf eine "sofortige" Löschung hinauslaufen. Die tatsächlichen Voraussetzungen für die Befugnis der Beklagten zur Erhebung und Verwendung dieser Daten gemäß § 96 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 97 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, § 100 Abs. 1 TKG hat das Berufungsgericht, wie die Revision zutreffend rügt, nicht frei von Rechtsfehlern festgestellt.
11
1. Die Vorinstanz hätte nicht ohne Beweisaufnahme davon ausgehen dürfen , die Beklagte sei berechtigt, die IP-Adressen zum Zweck der Entgeltermittlung und Abrechnung zu erheben und zu verwenden(§ 97 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 TKG), weil diese Daten hierfür erforderlich seien.
12
a) Die Beklagte ist entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung für die tatsächlichen Voraussetzungen ihrer Berechtigung, die streitgegenständlichen Daten zu speichern, darlegungs- und beweisbelastet. Aus §§ 95 bis 98 TKG ergibt sich, dass der Diensteanbieter keine Daten seiner Kunden erheben und verwenden darf, es sei denn, das Gesetz räumt ihm eine Befugnis hierzu ein. Da sich die Beklagte damit auf einen Erlaubnistatbestand beruft (vgl. Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Sicherheit in der Informationstechnik des Bundes, BT-Drs. 16/11967 S. 17), der eine Ausnahme von ihrer grundsätzlichen Löschungspflicht (Büttgen in Scheurle/Mayen, TKG, 2. Aufl., § 96 Rn. 10; Klesczewski in Berliner Kommentar zum TKG, 2. Aufl., § 96 Rn. 13) darstellt, trifft sie für die ihm zugrunde liegenden Tatsachen die Darlegungs- und Beweislast (vgl. z.B. BGH, Urteile vom 21. April 2010 - XII ZR 134/08, FamRZ 2010, 1050 Rn. 52; vom 14. Oktober 2009 - XII ZR 146/08, FamRZ 2009, 1990 Rn. 18 jew. m.w.N.; vom 3. Juli 2009 - V ZR 182/08, ZOV 2009, 237 Rn. 32; Beschluss vom 5. Februar 2007 - II ZR 51/06, WM 2007, 1465 Rn. 4).
13
Entgegen der Ansicht der Vorinstanz folgt aus dem unstreitig gebliebenen Parteivorbringen nicht, dass die Voraussetzungen des Erlaubnistatbestands des § 97 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 TKG erfüllt sind. Als unstreitig hat das Berufungsgericht lediglich die bei der Beklagten praktizierten Abläufe der Entgeltermittlung und Abrechnung und insbesondere die Verwendung der IPAdressen , und nicht der Kundenkennung, für diese Zwecke festgestellt. Hieraus folgt indessen nicht, dass die Speicherung der IP-Adressen im Sinne des § 97 Abs. 1 Satz 1 TKG für diese Zwecke "benötigt" wird. Dies richtet sich nicht allein nach der vom Diensteanbieter angewandten Abrechnungstechnik. In dem Erfordernis , dass die jeweiligen Verkehrsdaten für diese Zwecke "benötigt" werden , kommt vielmehr der bei der gebotenen Abwägung der Datenschutzbelan- ge des Kunden mit den berechtigten Interessen des Diensteanbieters zu beachtende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zum Ausdruck (siehe hierzu näher unten Nummer 2 Buchst. b cc). Bei dem in § 97 Abs. 1 Satz 1 TKG verwendeten Wort "benötigt" handelt es sich demnach um einen unbestimmten Rechtsbegriff des Inhalts, dass für die in dieser Vorschrift geregelten Zwecke kein weniger eingriffsintensives Mittel zur Verfügung steht, als die Erhebung und Verwendung der jeweils in Rede stehenden Verkehrsdaten.
14
Der Sachverständige Dipl.-Ing. X hat in diesem Zusammenhang in seinem Gutachten die Behauptung der Beklagten, die IP-Adressen seien zur Entgeltermittlung und Abrechnung erforderlich, nicht bestätigt und ausgeführt, bereits die so genannten Log-Dateien, die auf dem Radiusserver gespeichert würden, ermöglichten ohne Rückgriff auf die IP-Adressen die Zuordnung der jeweiligen Internetsitzung zu den einzelnen Kunden und damit auch die Abrechnung. Dem ist die Beklagte zwar ausführlich entgegengetreten und hat insbesondere geltend gemacht, in den vom Gutachter möglicherweise mit dem Begriff "Log-Dateien" gemeinten Sessionsdaten seien die IP-Adressen enthalten. Der Kläger hat diesen Vortrag jedoch weiterhin in dem entscheidenden Punkt bestritten, dass die Abrechnung ohne die gespeicherten IP-Adressen nicht möglich sei. Ob dies der Fall ist und ob die anderen, ohnehin gespeicherten Daten zur Entgeltermittlung und Abrechnung genügen und mit deren Verwendung ein weniger intensiver Eingriff in die Rechte der Kunden der Beklagten verbunden ist, ist zu klären.
15
Die Revision beanstandet zu Recht, das Berufungsgericht hätte, sofern es die Beklagte nicht aufgrund der Ausführungen des Gutachters als beweisfällig ansehen wollte, seine Feststellungen zur Notwendigkeit, die streitgegenständlichen Daten zur Entgeltermittlung und Abrechnung zu speichern, nicht treffen dürfen, ohne den erstinstanzlich herangezogenen Gutachter anzuhören (§ 411 Abs. 3 ZPO), ihm eine neue Begutachtung aufzugeben (§ 412 Abs. 1, 1. Alt. ZPO) oder sich anderweitig sachverständig beraten zu lassen (§ 412 Abs. 1, 2. Alt. ZPO).
16
Es ist zwar grundsätzlich dem pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters überlassen, ob er seine eigene Sachkunde für ausreichend erachtet und deshalb von der Einholung eines Sachverständigengutachtens absieht. Die Grenze seines Ermessens hat das Berufungsgericht jedoch nicht eingehalten. Die Würdigung eines schwierigen technischen Sachverhalts, wie hier die Beurteilung, ob für die Zuordnung abrechnungsrelevanter Internetsessionsdaten zu den einzelnen Kunden der Beklagten die Speicherung der IP-Adressen erforderlich ist, setzt besondere technische Kenntnisse voraus und wird nicht schon durch die Beherrschung allgemeiner Erfahrungssätze ermöglicht. Der Tatrichter kann, wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage geht, auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten, wenn er entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag und dies in einem vorherigen Hinweis an die Parteien dartut (vgl. zum Ganzen Senatsurteil vom 23. November 2006 - III ZR 65/06, NJW-RR 2007, 357 Rn. 14 m.w.N.).
17
b) Der Verfahrensmangel ist entscheidungserheblich, denn dem Berufungsgericht ist im Ausgangspunkt darin beizupflichten, dass die zwischen den Parteien bestehenden Tarifvereinbarungen eine Zuordnung der jeweiligen Sessionsdaten zu dem Kundenkonto des Klägers erfordern. Deshalb scheidet entgegen der Ansicht der Revision die Berechtigung der Beklagten zur Speicherung der zugeteilten dynamischen IP-Adressen gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 TKG nicht von vornherein aus. Zwar beinhaltet der Tarif ein zeitund volumenunabhängiges Pauschalentgelt (Flatrate), soweit sich der Kläger zur Herstellung einer Internetverbindung des von der Beklagten zur Verfügung gestellten DSL-Anschlusses bedient. Allerdings hat er auch die Möglichkeit, seine Zugangsdaten für andere Arten der Einwahl in das Internet und zur Inanspruchnahme von kostenpflichtigen Angeboten der Beklagten zu nutzen. In diesen Fällen entstehen zusätzliche Kosten. Dass der Kläger diese Möglichkeiten bislang nicht genutzt hat, schließt, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht aus, dass er künftig hiervon Gebrauch machen wird. Für diesen Fall muss die Beklagte in der Lage sein, anhand der Sessionsdaten und ihrer Zuordnung zum Kläger, diese Leistungen abzurechnen.
18
2. Ebenfalls nicht frei von Rechtsfehlern hat das Berufungsgericht die Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 100 Abs. 1 TKG getroffen. Nach dieser Bestimmung darf der Diensteanbieter zum Erkennen, Eingrenzen oder Beseitigen von Störungen oder Fehlern an Telekommunikationsanlagen unter anderem die Verkehrsdaten der Teilnehmer und Nutzer erheben und verwenden, soweit dies für diese Zwecke erforderlich ist.
19
a) Die Revision rügt insoweit zutreffend, das Berufungsgericht habe dem Kläger nicht entgegenhalten dürfen, er habe sich ohne Angabe näherer Details darauf berufen, es gebe entgegen den Behauptungen der Beklagten zumutbare technische Mittel, die Netzsicherheit zu gewährleisten, ohne auf die jeweils zugeteilten IP-Adressen zurückgreifen zu müssen. Der Kläger durfte sich auf ein einfaches Bestreiten der gegenteiligen Behauptungen der Beklagten beschränken. Diese ist, wie sich aus den Ausführungen zu 1 a ergibt, für die tatsächlichen Voraussetzungen ihrer Berechtigung, die streitgegenständlichen Daten in Ausnahme von § 96 Abs. 1 Satz 3 TKG zu speichern, darlegungs- und beweisbelastet. http://www.juris.de/jportal/portal/t/scc/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE305858901&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/scc/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE305858901&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/scc/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE304279900&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/scc/## [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/scc/## [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/scc/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE371519300&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/scc/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE371519300&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/scc/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE315289500&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/scc/## [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/scc/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE371519300&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/scc/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE305399001&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/scc/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE305399001&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/scc/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE305399001&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/scc/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE305399001&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/scc/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE311039600&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/scc/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE311039600&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 12 -
20
Im Grundsatz hängt die Substantiierungslast des Bestreitenden davon ab, wie eingehend die darlegungspflichtige Gegenpartei vorgetragen hat (st. Rspr.; vgl. z.B. BGH, Urteile vom 15. Juni 2000 - I ZR 55/98, NJW-RR 2000, 1635, 1638; vom 3. Februar 1999 - VIII ZR 14/98, NJW 1999, 1404, 1405 f und vom 12. Oktober 1989 - IX ZR 184/88, BGHZ 109, 47, 55). In der Regel genügt aber gegenüber einer Tatsachenbehauptung der darlegungspflichtigen Partei ein einfaches Bestreiten des Gegners (BGH, Urteile vom 15. Juni 2000 und 3. Februar 1999 jew. aaO; vom 11. Juli 1995 - X ZR 42/93, NJW 1995, 3311, 3312 und vom 23. März 1993 - VI ZR 176/92, NJW 1993, 1782, 1783). Eine darüber hinausgehende Substantiierungslast trifft die nicht darlegungsbelastete Partei im Regelfall nur dann, wenn der darlegungspflichtige Gegner außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgeblichen Tatsachen nicht kennt, während sie der anderen Partei bekannt und ihr ergänzende Angaben zuzumuten sind (z.B. BGH, Urteile vom 15. Juni 2000 aaO; vom 19. April 1999 - II ZR 331/97, NJW-RR 1999, 1152; vom 3. Februar 1999 aaO; vom 7. Dezember 1998 - II ZR 266/97, BGHZ 140, 156, 158; vom 17. Oktober 1996 - IX ZR 293/95, NJW 1997, 128 , 129 und vom 11. Juni 1990 - II ZR 159/89, NJW 1990, 3151 f). http://web10.ub.uni-rostock.de/up%1Floads/sima-nowski/ma/schaar2007.htm [Link] http://web10.ub.uni-rostock.de/up%1Floads/sima-nowski/ma/schaar2007.htm - 13 -
21
Die Voraussetzungen für die Notwendigkeit eines qualifizierten Bestreitens liegen im Streitfall nicht vor. Der Kläger hat keine der Beklagten überlegenen technischen Erkenntnismöglichkeiten und steht den maßgeblichen Geschehensabläufen nicht näher als diese. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Angesichts der Komplexität der maßgeblichen technischen Zusammenhänge kann ungeachtet der ausführlichen Darlegungen der Beklagten auch nicht davon ausgegangen werden, dass jeglicher Anhaltspunkt für die Möglichkeit der objektiven Unrichtigkeit ihrer Behauptungen zur Notwendigkeit fehlt, die IPAdressen zu den in § 100 Abs. 1 TKG aufgeführten Zwecken kurzzeitig zu speichern. Dies gilt umso mehr, als auch das erstinstanzlich eingeholte Sachverständigengutachten nur die Geeignetheit der Speicherung der IP-Adressen für diese Zwecke, nicht aber die Erforderlichkeit bestätigt hat. Das Berufungsgericht durfte deshalb den diesbezüglichen Sachvortrag der Beklagten nicht als unstreitig behandeln. Eine etwaige Beweisaufnahme wäre entgegen der Ansicht der Vorinstanz auch nicht auf eine Ausforschung über die unsubstantiierten Erklärungen des Klägers hinausgelaufen. Vielmehr wäre Beweis über die Richtigkeit der detaillierten Angaben der Beklagten zu erheben gewesen.
22
b) Dieser Verfahrensfehler ist entscheidungserheblich. Dem Berufungsgericht ist im Ergebnis darin zu folgen, dass, sofern die Speicherung der dynamischen IP-Adressen notwendig ist, um unter anderem der Versendung von Spam-Mails und Denial-of-Service-Attacken entgegen zu wirken, die Beklagte nicht vor Ablauf von sieben Tagen zur sofortigen Löschung verpflichtet ist. Der Senat schließt sich insoweit der von dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und Informationsfreiheit (offener Brief des Bundesbeauftragten vom 16. März 2007, im Internet abrufbar unter http://web10.ub.uni-rostock.de/uploads /sima-nowski/ma/schaar2007.htm; so auch AG Bonn MMR 2008, 203, 204) vertretenen Auffassung an.

23
aa) Zu den Verkehrsdaten, die nach § 100 Abs. 1 TKG erhoben und verwendet werden dürfen, gehören grundsätzlich auch die jeweils genutzten IPAdressen (Begründung der Bundesregierung des Entwurfs eines Telekommunikationsgesetzes , BT-Drucks. 15/2316 S. 90; Wittern in Beck’ scher TKGKommentar , 2006, § 100 Rn. 3; vgl. auch BVerfG NJW 2010, 833 Rn. 254).
24
bb) Keinen rechtlichen Bedenken unterliegt weiter die auch von der Revision nicht gerügte Auffassung des Berufungsgerichts, dass eine abzuwehrende Störung im Sinne des § 100 Abs. 1 TKG unter anderem vorliegt, wenn Internetdienstleister bestimmte IP-Adressbereiche eines anderen Internetanbieters - hier der Beklagten - sperren, weil von ihnen Schadprogramme oder massenweise so genannte Spam-Mails versandt werden oder "Denial-of-ServiceAttacken" ausgehen. Der Begriff der Störung ist umfassend zu verstehen als jede vom Diensteanbieter nicht gewollte Veränderung der von ihm für sein Telekommunikationsangebot genutzten technischen Einrichtungen (vgl. Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Sicherheit in der Informationstechnik des Bundes, durch den eine mit § 100 Abs. 1 TKG fast wortgleiche Bestimmung an § 15 des Telemediengesetzes angefügt werden sollte, BT-Drs. 16/11967 S. 17). Der Begriff der Telekommunikationsanlagen in § 100 Abs. 1 TKG schließt überdies nach der Legaldefinition des § 3 Nr. 23 TKG neben den technischen Einrichtungen auch das gesamte System ein. Die Sperrung der von dem Diensteanbieter vorgehaltenen IPAdressenkontingente stellt damit auch eine Veränderung der Telekommunikationsanlagen dar, die sodann nicht mehr nutzbar sind.
25
cc) Entgegen der Auffassung der Revision (so wohl auch Bundesrat, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Sicherheit in der Informationstechnik des Bundes, BR-Drs. 62/09 Beschluss S. 9 f, kritisch auch Breyer RDV 2004, 147 f) setzt die in § 100 Abs. 1 TKG geregelte Befugnis zur Erhebung und Verwendung von Daten auch unter Berücksichtigung des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 GG, § 88 TKG) und des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) nicht voraus, dass im Einzelfall bereits Anhaltspunkte für eine Störung oder einen Fehler an den Telekommunikationsanlagen vorliegen (Eckhardt CR 2003, 805, 809; Kannenberg in Scheurle/Mayen, aaO, § 100 Rn. 10; Klesczewski aaO, § 100 Rn. 8; Wittern aaO Rn. 2). Es genügt vielmehr, dass die in Rede stehende Datenerhebung und -verwendung geeignet, erforderlich und im engeren Sinn verhältnismäßig ist, um abstrakten Gefahren für die Funktionstüchtigkeit des Telekommunikationsbetriebs entgegenzuwirken.
26
(1) Dies ergibt sich aus dem Vergleich von § 100 Abs. 1 TKG mit seiner Vorgängerregelung, dem § 9 Abs. 1 Nr. 1 der Telekommunikations-Datenschutzverordnung (TDSV) vom 18. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1740), und mit § 100 Abs. 3 TKG. § 9 Abs. 1 TDSV setzte sowohl für die nunmehr in § 100 Abs. 1 TKG als auch für die in Absatz 3 dieser Bestimmung geregelten Fallgestaltungen voraus, dass die Datenerhebung und -verwendung im jeweiligen Einzelfall erforderlich war. Diese Bedingung ist im Gesetzestext nunmehr für die vormals in § 9 Abs. 1 Nr. 1 TDSV geregelten Fälle des § 100 Abs. 1 TKG (Störungen und Fehler an Telekommunikationsanlagen) entfallen. Demgegenüber ist sie in Absatz 3 für die früher § 9 Abs. 1 Nr. 2 TDSV zugrunde liegenden Sachverhalte der Leistungserschleichung und sonstigen missbräuchlichen Inanspruchnahme der Telekommunikationsnetze beibehalten worden. Dem ist zu entnehmen, dass für § 100 Abs. 1 TKG nicht mehr erforderlich ist, dass im Einzelfall Anhaltspunkte für eine Störung oder einen Fehler bestehen. Für den Verzicht auf dieses Erfordernis spricht im Übrigen, dass hierfür ein gesetzgeberi- sches Bedürfnis bestand, da insbesondere zur Abwehr erheblichen SpamAufkommens und von so genannten Denial-of-service-Attacken generelle Abwehrmaßnahmen erforderlich sind, um die Funktionsfähigkeit des Telekommunikationsbetriebs zu gewährleisten (Wittern aaO). Die Beklagte ist nach § 109 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 TKG verpflichtet, derartige präventive Schutzmaßnahmen gegen Störungen zu treffen, die zu erheblichen Beeinträchtigungen von Telekommunikationsnetzen führen können. Schließlich streitet dafür, dass eine abstrakte Gefahr für die Ermächtigung des § 100 Abs. 1 TKG genügt, dass der Diensteanbieter die Daten auch zum "Erkennen" von Störungen und Fehlern sammeln und verwerten darf (Wittern aaO Rn. 6). Das "Erkennen" von Störungen und Fehlern findet in der Regel in einem Stadium statt, in dem Anhaltspunkte hierfür erst gewonnen werden, also ein konkreter Verdacht noch nicht bestehen muss (Wittern aaO; enger: Gramlich in Manssen, Telekommunikations - und Multimediarecht, Stand August 2008, § 100 Rn. 18).
27
(2) Diese Auslegung begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. § 100 TKG greift zwar, soweit er die Erhebung und Verwendung von Telekommunikationsdaten erlaubt, in den Anspruch des einzelnen Nutzers auf Wahrung des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 GG, § 88 TKG) und seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) ein. Insbesondere Art. 10 Abs. 1 GG begründet nicht nur ein Abwehrrecht gegen den Staat, sondern auch einen Auftrag an diesen, Schutz insoweit vorzusehen, als Private sich Zugriff auf Kommunikationsdaten verschaffen (BVerfG NJW 2007, 3055 Rn. 13). Diese Rechte können und müssen aber mit den berechtigten Belangen der Telekommunikationsunternehmen, öffentlichen Interessen und den übrigen Interessen der Kunden abgewogen werden (vgl. BVerfG aaO Rn. 14). § 100 TKG bringt die Rechte der Nutzer aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 1 GG mit den gleichfalls grundrechtlich geschützten Rechten des Diensteanbieters aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG sowie mit dem legitimen Interesse der Nutzer und dem öffentlichen Interesse (§ 109 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 TKG) an der Funktions- und Leistungsfähigkeit des Telekommunikationssystems zum Ausgleich. Die präventive Erhebung und Verwertung von Daten wird hierbei nicht unbegrenzt erlaubt, auch wenn eine abstrakte Gefahr von Störungen und Fehlern an Telekommunikationsanlagen genügt. Vielmehr werden die Befugnisse des Diensteanbieters durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz strikt begrenzt (Wittern aaO Rn. 7).
28
Die anlasslose, jedoch auf sieben Tage begrenzte Speicherung der jeweils genutzten IP-Adressen wahrt - ihre technische Erforderlichkeit für die Zwecke des § 100 Abs. 1 TKG vorausgesetzt - die Verhältnismäßigkeit. Die bloße Speicherung der IP-Adressen stellt noch keinen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte der Nutzer dar (vgl. BVerfGE 121, 1, 20; vgl. ferner BVerfG NJW 2010, 833 Rn. 254). Dies gilt umso mehr, als von maßgebender Bedeutung für das Gewicht des Grundrechtseingriffs ist, welche Persönlichkeitsrelevanz die Informationen aufweisen, die von der informationsbezogenen Maßnahme erfasst werden (BVerfGE 120, 378, 402). Die Identität des jeweiligen Nutzers ist aus der IP-Nummer selbst nicht erkennbar und wird erst durch die Zusammenführung mit weiteren Angaben ermittelbar. Diese findet jedoch - nach dem bisherigen Sach- und Streitstand - für die Zwecke des § 100 Abs. 1 TKG nur bei dem konkreten Verdacht einer Störung oder eines Fehlers an den Telekommunikationsanlagen statt. Überdies ist die Speicherung auf einen sehr kurzen Zeitraum begrenzt.
29
Allerdings können bei einer, wie im vorliegenden Sachverhalt, anlasslosen Speicherung von Daten erhöhte Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme zu stellen sein. Informationserhebungen gegenüber Personen, die den Eingriff durch ihr Verhalten nicht veranlasst haben, sind grundsätzlich von höherer Eingriffsintensität als anlassbezogene. Werden Personen, die keinen Erhebungsanlass gegeben haben, in großer Zahl in den Wirkungsbereich einer Maßnahme einbezogen, können von ihr auch allgemeine Einschüchterungseffekte ausgehen, die zu Beeinträchtigungen bei der Ausübung von Grundrechten führen können. Die Unbefangenheit des Verhaltens wird insbesondere gefährdet, wenn die Streubreite von Ermittlungsmaßnahmen dazu beiträgt , dass Risiken des Missbrauchs und ein Gefühl des Überwachtwerdens entstehen (BVerfG aaO m.w.N.). Diese zu strafprozessualen, präventiv-polizeilichen und geheimdienstlichen Eingriffen entwickelte Rechtsprechung ist aber nicht ohne Abstriche auf die vorliegende Fallgestaltung zu übertragen. Die Intensität des Eingriffs für den Grundrechtsträger wird maßgeblich davon beeinflusst , welche Nachteile ihm über die Informationserhebung hinaus drohen oder von ihm nicht ohne Grund befürchtet werden (BVerfG aaO S. 403). Die kurzzeitige Speicherung der dynamischen IP-Adressen durch die Beklagte zum Zweck des Erkennens, des Eingrenzens und der Beseitigung von Störungen und Fehlern und damit des Schutzes ebenfalls teilweise grundrechtlich geschützter Rechte und öffentlicher Interessen zielt nicht auf Maßnahmen hoheitlicher Repression oder Verhaltensüberwachung ab. Eine Identifizierung des Anschlusses , dem die IP-Adresse zugeteilt wurde, findet für die Zwecke des § 100 Abs. 1 TKG überdies erst bei einem konkreten Anlass statt. Die IP-Adressenspeicherung ist daher, wenn überhaupt, lediglich in sehr geringem Maß geeignet , einzuschüchtern oder auch nur die Unbefangenheit des Kunden bei der Nutzung des Internets zu beeinträchtigen.
30
Demgegenüber sind die Interessen, denen die Datenspeicherung dient, von erheblichem Gewicht, selbst wenn, wie der Kläger geltend macht, nur ein sehr geringer Teil der gespeicherten IP-Adressen für die in § 100 Abs. 1 TKG aufgeführten Zwecke verwendet wird. Sofern die IP-Nummern zum Erkennen, Eingrenzen oder Beseitigen von Störungen oder Fehlern notwendig sind, würde der Verzicht auf die Speicherung angesichts der gerichtsbekannten Häufigkeit der Versendung von Spam-Mails, Schad- und Spionageprogrammen und der "Denial-of-Service-Attacken" auf Dauer - zum Schaden der Beklagten und aller ihrer Nutzer - zu einer schwerwiegenden und nachhaltigen Beeinträchtigung der Kommunikationsinfrastruktur führen.
31
Insgesamt ist der mit der streitgegenständlichen Speicherung verbundene Eingriff in die Rechte der Nutzer vergleichsweise gering und überwiegt die legitimen, teilweise ebenfalls grundrechtlich abgesicherten Interessen der Beklagten und ihrer Kunden sowie die öffentlichen Interessen an der Funktionstüchtigkeit und Leistungsfähigkeit der Telekommunikationsinfrastruktur nicht.
32
(3) § 100 Abs. 1 TKG ist in dieser Auslegung auch mit dem europäischen Recht vereinbar.
33
(a) Gemäß Art. 15 Abs. 1 der maßgeblichen Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (ABl. L 201 vom 31. Juli 2002 S. 37 - im Folgenden: RL) können die Mitgliedstaaten Rechtsvorschriften erlassen, nach denen Verkehrsdaten im Sinne des Art. 6 Abs. 1 RL, zu denen auch die IP-Adressen gehören , unter anderem dann gespeichert werden dürfen, wenn dies "zur Verhütung , Ermittlung, Feststellung … des unzulässigen Gebrauchs von elektronischen Kommunikationssystemen in einer demokratischen Gesellschaft notwendig , angemessen und verhältnismäßig ist". Zu einem unzulässigen Gebrauch elektronischer Kommunikationssysteme gehört auch der Missbrauch des Inter- nets durch die Versendung von Spam-Mails, Schad- und Spionageprogrammen sowie durch Denial-of-Service-Attacken. Die Speicherung der IP-Adressen für sieben Tage nach Beendigung der jeweiligen Verbindung ist, ihre technische Notwendigkeit zur Abwehr oder zur Beseitigung derartiger Missbräuche vorausgesetzt , damit vom Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 RL gedeckt. Eine solche Speicherung ist aus den vorgenannten Gründen nach den Maßstäben des Grundgesetzes verhältnismäßig. Da nichts dafür ersichtlich ist, dass Art. 15 Abs. 1 RL insoweit weitergehende Anforderungen enthält, ist sie auch "notwendig, angemessen und verhältnismäßig" im Sinne dieser Bestimmung.
34
Dies gilt auch, soweit die Speicherung der IP-Adressen einen im Einzelfall bestehenden Anhaltspunkt für einen unzulässigen Gebrauch des Internets nicht voraussetzt. Zwar hat die Generalanwältin des Gerichtshofs der Europäischen Union Kokott in ihren Schlussanträgen in der Rechtssache "Promusicae" (C-275/06) Zweifel daran geäußert, ob die Speicherung von Verkehrsdaten aller Nutzer ohne einen konkreten Verdacht gemäß Art. 15 Abs. 1 RL, wie sie im dortigen Fall zur Durchsetzung von Urheberrechten für allerdings erheblich längere Dauer in Rede stand, mit Grundrechten vereinbar" sei (Slg. 2008 S. I-271, 296 Rn. 82). Der Gerichtshof hat diese Bedenken in seinem Urteil zu jener Sache jedoch nicht aufgegriffen. Vielmehr hat er lediglich ausgeführt, die Richtlinie 2002/58/EG gebiete zur Wahrung der Art. 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Achtung des Privatlebens und Schutz personenbezogener Daten) die Herstellung eines angemessenen Gleichgewichts zwischen diesen Rechten einerseits und den Rechten und Interessen, denen die Datenerhebung und -verarbeitung dienen soll, andererseits (aaO S. I-271, 344 ff, Rn. 64 ff). Dabei komme den Mitgliedstaaten ein Beurteilungsspielraum beim Erlass der Umsetzungsmaßnahmen zu, die an die verschiedenen denkbaren Sachverhalte angepasst werden könnten (aaO S. 345, Rn. 67).
Hieraus ergibt sich, dass der Gerichtshof eine anlasslose "Vorratsdatenspeicherung" nicht per se für unzulässig hält, sie vielmehr unter der Voraussetzung einer - dem Beurteilungsermessen der Mitgliedstaaten überlassenen und hier aus den oben dargestellten Gründen gegebenen - angemessenen Abwägung der betroffenen Belange für (europa-)rechtlich möglich hält.
35
(b) Einer Vorlage der Sache an den Gerichtshof der Europäischen Union (Art. 267 Abs. 2, 3 AEUV) bedarf es trotz der hohen Hürden für den Verzicht auf diese Maßnahme (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 26. November 2007 - NotZ 23/07, BGHZ 174, 273 Rn. 34 m.w.N.) nicht. Die vorstehenden Schlussfolgerungen ergeben sich ohne weiteres aus dem eindeutigen Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 RL und der zitierten Entscheidung des Gerichtshofs. Hinsichtlich der Abwägung zwischen dem Fernmeldegeheimnis sowie dem Recht der Internetnutzer auf informationelle Selbstbestimmung einerseits und den Belangen der Beklagten sowie der übrigen Nutzer und den öffentlichen Interessen an der Funktionstüchtigkeit der Telekommunikationssystems andererseits ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Richtlinie den Mitgliedstaaten bei der Gewichtung der widerstreitenden Interessen einen Beurteilungsspielraum eröffnet (EuGH aaO). Ein solcher ist nur bei offensichtlich unverhältnismäßigen nationalen Maßnahmen überschritten (vgl. BGH aaO Rn. 37 m.w.N.). Dass die der Auslegung des Senats von § 100 Abs. 1 TKG zugrunde liegende Abwägung der wechselseitigen Belange nicht offensichtlich unverhältnismäßig ist, liegt auf der Hand. Aus diesen Gründen ist die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum mehr verbleibt und eine Vorlage nach Art. 267 Abs. 2, 3 AEUV damit nicht geboten ist (acte clair, vgl. BGH aaO Rn. 34; Urteil vom 6. November 2008 - III ZR 279/07, BGHZ 178, 243 Rn. 31).
36
3. Da noch Feststellungen nachzuholen sind, ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif und deshalb unter Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1, 3 ZPO).
Schlick Dörr Herrmann
Caliebe Tombrink
Vorinstanzen:
LG Darmstadt, Entscheidung vom 06.06.2007 - 10 O 562/03 -
OLG Frankfurt in Darmstadt, Entscheidung vom 16.06.2010 - 13 U 105/07 -

(1) Hat die Bundesnetzagentur nach § 91 Absatz 9 angeordnet, dass der Zuteilung von Frequenzen ein Vergabeverfahren voranzugehen hat, kann sie nach Anhörung der betroffenen Kreise das Versteigerungsverfahren nach Absatz 5 oder das Ausschreibungsverfahren nach Absatz 6 durchführen. Die Bundesnetzagentur legt bei der Entscheidung zur Wahl des Vergabeverfahrens gemäß Satz 1 die allgemeinen Ziele des Verfahrens fest. Die Ziele sind zusätzlich zur Förderung des Wettbewerbs und der Verbesserung der Versorgung, insbesondere in ländlichen Gebieten, auf einen oder mehrere der folgenden Aspekte beschränkt:

1.
Gewährleistung der erforderlichen Dienstequalität,
2.
Förderung der effizienten Nutzung von Frequenzen, unter anderem unter Berücksichtigung der für die Nutzungsrechte geltenden Bedingungen und der Höhe der Abgaben, oder
3.
Förderung von Innovation und Geschäftsentwicklung.

(2) Es ist dasjenige Vergabeverfahren durchzuführen, das am besten geeignet ist, die Regulierungsziele nach den §§ 2 und 87 zu erreichen. Für Frequenzen, die für die Übertragung von Rundfunk im Zuständigkeitsbereich der Länder vorgesehen sind, ist das Versteigerungsverfahren nach Absatz 5 nicht durchzuführen.

(3) Die Bundesnetzagentur veröffentlicht die Entscheidung über die Wahl des Vergabeverfahrens sowie die Festlegungen und Regeln für die Durchführung der Verfahren unter Angabe der Gründe. Zudem veröffentlicht sie die dazugehörigen Frequenznutzungsbestimmungen. Sie legt die Ergebnisse einer mit der Entscheidung in Zusammenhang stehenden Beurteilung der Wettbewerbssituation sowie der technischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten des Marktes dar.

(4) Die Bundesnetzagentur bestimmt vor Durchführung eines Vergabeverfahrens

1.
die von einem Antragsteller zu erfüllenden subjektiven, fachlichen und sachlichen Mindestvoraussetzungen für die Zulassung zum Vergabeverfahren,
2.
die Frequenznutzung, für die die zu vergebenden Frequenzen unter Beachtung des Frequenzplanes verwendet werden dürfen,
3.
die für die Aufnahme des Telekommunikationsdienstes notwendige Grundausstattung an Frequenzen, sofern dies erforderlich ist, und
4.
die Frequenznutzungsbestimmungen einschließlich des Versorgungsgrades bei der Frequenznutzung und seiner zeitlichen Umsetzung; bei der Festlegung des Versorgungsgrades und seiner zeitlichen Umsetzung berücksichtigt die Bundesnetzagentur neben den Regulierungszielen nach den §§ 2 und 87 auch Möglichkeiten für Inhaber von Frequenznutzungsrechten, in zumutbarer Weise öffentlich geförderte Infrastrukturen mitzunutzen oder aufzubauen.

(5) Im Falle der Versteigerung legt die Bundesnetzagentur vor der Durchführung des Vergabeverfahrens die Regeln für die Durchführung des Versteigerungsverfahrens im Einzelnen fest. Die Regeln müssen objektiv, nachvollziehbar und nichtdiskriminierend sein und die Belange kleiner und mittlerer Unternehmen berücksichtigen. Die Bundesnetzagentur legt ein Mindestgebot für das Nutzungsrecht an den zu versteigernden Frequenzen sowie Zahlungsregelungen fest. Der Versteigerung geht ein Verfahren voraus, in dem die Zulassung zur Versteigerung schriftlich oder elektronisch zu beantragen ist. Die Bundesnetzagentur entscheidet über die Zulassung durch schriftlichen oder elektronischen Bescheid. Der Antrag auf Zulassung ist abzulehnen, wenn der Antragsteller nicht darlegt und nachweist, dass er die nach Absatz 4 festgelegten und die nach § 91 Absatz 5 bestehenden Voraussetzungen erfüllt.

(6) Im Falle der Ausschreibung bestimmt die Bundesnetzagentur vor der Durchführung des Vergabeverfahrens die Kriterien, nach denen die Eignung der Bewerber bewertet wird. Kriterien sind

1.
die Zuverlässigkeit, Fachkunde und Leistungsfähigkeit der Bewerber,
2.
die Eignung von vorzulegenden Planungen für die Nutzung der ausgeschriebenen Frequenzen,
3.
die Förderung eines nachhaltig wettbewerbsorientierten Marktes und
4.
der räumliche Versorgungsgrad.
Bei ansonsten gleicher Eignung ist derjenige Bewerber auszuwählen, der einen höheren räumlichen Versorgungsgrad mit den entsprechenden Telekommunikationsdiensten gewährleistet. Die Bundesnetzagentur legt den im Falle des Zuschlags für das Frequenznutzungsrecht zu zahlenden Zuschlagspreis sowie Zahlungsregelungen fest.

(7) Die Zuteilung der Frequenzen erfolgt nach § 91, nachdem das Vergabeverfahren nach Absatz 3 Satz 1 durchgeführt worden ist. Verpflichtungen, die Antragsteller im Laufe eines Versteigerungs- oder Ausschreibungsverfahrens eingegangen sind, werden Bestandteile der Frequenzzuteilung.

(8) Bei einem Versteigerungsverfahren nach Absatz 5 oder einem Ausschreibungsverfahren nach Absatz 6 kann die in § 91 Absatz 4 genannte Höchstfrist von sechs Wochen so lange wie nötig, längstens jedoch um acht Monate, verlängert werden, um für alle Beteiligten ein chancengleiches, angemessenes, offenes und transparentes Verfahren sicherzustellen. Diese Fristen lassen geltende internationale Vereinbarungen über die Nutzung von Frequenzen und die Satellitenkoordinierung unberührt.

Im Sinne dieses Gesetzes ist oder sind

1.
„Anbieter von Telekommunikationsdiensten“ jeder, der Telekommunikationsdienste erbringt;
2.
„Anruf“ eine über einen öffentlich zugänglichen interpersonellen Telekommunikationsdienst aufgebaute Verbindung, die eine zweiseitige oder mehrseitige Sprachkommunikation ermöglicht;
3.
„Anschlusskennung“ eine Rufnummer oder andere eindeutige und einmalige Zeichenfolge, die einem bestimmten Anschlussinhaber dauerhaft zugewiesen ist und die Telekommunikation über den jeweiligen Anschluss eindeutig und gleichbleibend kennzeichnet;
4.
„Anwendungs-Programmierschnittstelle“ die Software-Schnittstelle zwischen Anwendungen, die von Sendeanstalten oder Diensteanbietern zur Verfügung gestellt werden, und den Anschlüssen in den erweiterten digitalen Fernsehempfangsgeräten für digitale Fernseh- und Hörfunkdienste;
5.
„Auskunftsdienste“ bundesweit jederzeit telefonisch erreichbare Dienste, insbesondere des Rufnummernbereichs 118, die ausschließlich der Weitergabe von Rufnummer, Name, Anschrift sowie zusätzlichen Angaben von Endnutzern dienen; die Weitervermittlung zu einem erfragten Endnutzer oder Dienst kann Bestandteil des Auskunftsdienstes sein;
6.
„Bestandsdaten“ Daten eines Endnutzers, die erforderlich sind für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung, Änderung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses über Telekommunikationsdienste;
7.
„Betreiber“ ein Unternehmen, das ein öffentliches Telekommunikationsnetz oder eine zugehörige Einrichtung bereitstellt oder zur Bereitstellung hiervon befugt ist;
8.
„Betreiberauswahl“ der Zugang eines Endnutzers zu den Diensten aller unmittelbar zusammengeschalteten Anbieter von öffentlich zugänglichen nummerngebundenen interpersonellen Telekommunikationsdiensten im Einzelwahlverfahren durch Wählen einer Kennzahl;
9.
„Betreibervorauswahl“ der Zugang eines Endnutzers zu den Diensten aller unmittelbar zusammengeschalteten Anbieter von öffentlich zugänglichen nummerngebundenen interpersonellen Telekommunikationsdiensten durch festgelegte Vorauswahl, wobei der Endnutzer unterschiedliche Voreinstellungen für Orts- und Fernverbindungen vornehmen kann und bei jedem Anruf die festgelegte Vorauswahl durch Wählen einer Betreiberkennzahl übergehen kann;
10.
„digitales Fernsehempfangsgerät“ ein Fernsehgerät mit integriertem digitalem Decoder oder ein an ein Fernsehgerät anschließbarer digitaler Decoder zur Nutzung digital übertragener Fernsehsignale, die mit Zusatzsignalen einschließlich einer Zugangsberechtigung angereichert sein können;
11.
„drahtlose Breitbandnetze und -dienste“ breitbandfähige drahtlose Telekommunikationsnetze und -dienste;
12.
„drahtloser Zugangspunkt mit geringer Reichweite“ eine kleine Anlage mit geringer Leistung und geringer Reichweite für den drahtlosen Netzzugang, die lizenzierte oder lizenzfreie Funkfrequenzen oder eine Kombination davon nutzt und den Nutzern einen von der Netztopologie der Festnetze oder Mobilfunknetze unabhängigen drahtlosen Zugang zu Telekommunikationsnetzen ermöglicht, die als Teil eines Telekommunikationsnetzes genutzt werden und mit einer oder mehreren das Erscheinungsbild wenig beeinträchtigenden Antennen ausgestattet sein kann;
13.
„Endnutzer“ ein Nutzer, der weder öffentliche Telekommunikationsnetze betreibt noch öffentlich zugängliche Telekommunikationsdienste erbringt;
14.
„Frequenzzuteilung“ die behördliche oder durch Rechtsvorschriften erteilte Erlaubnis zur Nutzung bestimmter Frequenzen unter festgelegten Bedingungen;
15.
„Frequenznutzung“ jede gewollte Aussendung oder Abstrahlung elektromagnetischer Wellen zwischen 8,3 Kilohertz und 3 000 Gigahertz zur Nutzung durch Funkdienste und andere Anwendungen elektromagnetischer Wellen;
16.
„Frequenzzuweisung“ die Benennung eines bestimmten Frequenzbereichs für die Nutzung durch einen oder mehrere Funkdienste oder durch andere Anwendungen elektromagnetischer Wellen, falls erforderlich mit weiteren Festlegungen;
17.
„funktechnische Störung“ eine Störung, die für das Funktionieren eines Funknavigationsdienstes oder anderer sicherheitsbezogener Dienste eine Gefahr darstellt oder die einen Funkdienst, der im Einklang mit dem geltenden internationalen Recht, dem Recht der Europäischen Union oder Vorschriften dieses oder eines anderen Gesetzes betrieben wird, anderweitig schwerwiegend beeinträchtigt, behindert oder wiederholt unterbricht;
18.
„gemeinsame Frequenznutzung“ der Zugang von zwei oder mehr Nutzern zu denselben Frequenzbereichen im Rahmen einer bestimmten Regelung für die gemeinsame Nutzung, der auf der Grundlage einer Allgemeinzuteilung, Einzelzuteilung oder einer Kombination davon erlaubt wurde, auch im Rahmen von Regulierungskonzepten wie dem zugeteilten gemeinsamen Zugang, der die gemeinsame Nutzung eines Frequenzbereichs erleichtern soll, einer verbindlichen Vereinbarung aller Beteiligten unterliegt und mit den in ihren Frequenznutzungsrechten festgelegten Bestimmungen über die gemeinsame Nutzung im Einklang steht, um allen Nutzern eine vorhersehbare und verlässliche Regelung für die gemeinsame Nutzung zu garantieren;
19.
„Gerät“ eine Funkanlage, eine Telekommunikationsendeinrichtung oder eine Kombination von beiden;
20.
„GEREK“ das Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation;
21.
„Gruppe für Frequenzpolitik“ die beratende Gruppe für frequenzpolitische Fragen gemäß BeschlussC/2019/4147der Kommission vom 11. Juni 2019 über die Einrichtung der Gruppe für Frequenzpolitik und zur Aufhebung des Beschlusses2002/622/EG(ABl. C 196 vom 12.6.2019, S. 16);
22.
„harmonisierte Frequenzen“ Frequenzen, für die harmonisierte Bedingungen in Bezug auf die Verfügbarkeit und die effiziente Nutzung durch technische Umsetzungsmaßnahmen gemäß Artikel 4 der Entscheidung Nr. 676/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen Rechtsrahmen für die Funkfrequenzpolitik in der Europäischen Gemeinschaft (Frequenzentscheidung) (ABl. L 108 vom 24.4.2002, S. 1) festgelegt worden sind;
23.
„Internetzugangsdienst“ ein Internetzugangsdienst im Sinne der Begriffsbestimmung des Artikels 2 Absatz 2 Nummer 2 der Verordnung (EU)2015/2120des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet und zu Endkundenentgelten für regulierte intra-EU-Kommunikation sowie zur Änderung der Richtlinie2002/22/EGund der Verordnung (EU) Nr. 531/2012 (ABl. L 310 vom 26.11.2015, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2018/1971 (ABl. L 321 vom 17.12.2018, S. 1) geändert worden ist;
24.
„interpersoneller Telekommunikationsdienst“ ein gewöhnlich gegen Entgelt erbrachter Dienst, der einen direkten interpersonellen und interaktiven Informationsaustausch über Telekommunikationsnetze zwischen einer endlichen Zahl von Personen ermöglicht, wobei die Empfänger von den Personen bestimmt werden, die die Telekommunikation veranlassen oder daran beteiligt sind; dazu zählen keine Dienste, die eine interpersonelle und interaktive Telekommunikation lediglich als untrennbar mit einem anderen Dienst verbundene untergeordnete Nebenfunktion ermöglichen;
25.
„Kennung“ einem Nutzer, einem Anschluss oder einem Endgerät zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesene eindeutige Zeichenfolge, die eine eindeutige Identifizierung des Nutzers, des Anschlusses oder des Endgerätes ermöglicht;
26.
„Kurzwahl-Datendienste“ Kurzwahldienste, die der Übermittlung von nichtsprachgestützten Inhalten mittels Telekommunikation dienen und die keine Telemedien sind;
27.
„Kurzwahldienste“ Dienste, die die Merkmale eines Premium-Dienstes haben, jedoch eine spezielle Nummernart mit kurzen Nummern nutzen;
28.
„Kurzwahl-Sprachdienste“ Kurzwahldienste, bei denen die Kommunikation sprachgestützt erfolgt;
29.
„Massenverkehrsdienste“ Dienste, insbesondere des Rufnummernbereichs (0)137, die charakterisiert sind durch ein hohes Verkehrsaufkommen in einem oder mehreren kurzen Zeitintervallen mit kurzer Belegungsdauer zu einem Ziel mit begrenzter Abfragekapazität;
30.
„nachhaltig wettbewerbsorientierter Markt“ ein Markt, auf dem der Wettbewerb so abgesichert ist, dass er ohne sektorspezifische Regulierung besteht;
31.
„Nationale Teilnehmerrufnummern“ Rufnummern, insbesondere des Rufnummernbereichs (0)32, die für Dienste verwendet werden, die den Zugang zu öffentlichen Telekommunikationsnetzen ermöglichen und nicht an einen bestimmten Standort gebunden sind;
32.
„Netzabschlusspunkt“ der physische Punkt, an dem einem Endnutzer der Zugang zu einem öffentlichen Telekommunikationsnetz bereitgestellt wird; in Netzen, in denen eine Vermittlung oder Leitwegebestimmung erfolgt, wird der Netzabschlusspunkt anhand einer bestimmten Netzadresse bezeichnet, die mit der Nummer oder dem Namen eines Endnutzers verknüpft sein kann;
33.
„Netz mit sehr hoher Kapazität“ ein Telekommunikationsnetz, das entweder komplett aus Glasfaserkomponenten zumindest bis zum Verteilerpunkt am Ort der Nutzung besteht oder das zu üblichen Spitzenlastzeiten eine vergleichbare Netzleistung in Bezug auf die verfügbare Downlink- und Uplink-Bandbreite, Ausfallsicherheit, fehlerbezogene Parameter, Latenz und Latenzschwankung bieten kann; die Netzleistung kann unabhängig davon als vergleichbar gelten, ob der Endnutzer Schwankungen feststellt, die auf die verschiedenen inhärenten Merkmale des Mediums zurückzuführen sind, über das das Telekommunikationsnetz letztlich mit dem Netzabschlusspunkt verbunden ist;
34.
„Nummern“ Zeichenfolgen, die in Telekommunikationsnetzen Zwecken der Adressierung dienen;
35.
„Nummernart“ die Gesamtheit aller Nummern eines Nummernraums für einen bestimmten Dienst oder eine bestimmte technische Adressierung;
36.
„Nummernbereich“ eine für eine Nummernart bereitgestellte Teilmenge des Nummernraums;
37.
„nummerngebundener interpersoneller Telekommunikationsdienst“ ein interpersoneller Telekommunikationsdienst, der entweder eine Verbindung zu öffentlich zugeteilten Nummerierungsressourcen, nämlich Nummern nationaler oder internationaler Nummernpläne, herstellt oder die Telekommunikation mit Nummern nationaler oder internationaler Nummernpläne ermöglicht;
38.
„Nummernraum“ die Gesamtheit aller Nummern, die für eine bestimmte Art der Adressierung verwendet werden;
39.
„Nummernteilbereich“ eine Teilmenge eines Nummernbereichs;
40.
„nummernunabhängiger interpersoneller Telekommunikationsdienst“ ein interpersoneller Telekommunikationsdienst, der weder eine Verbindung zu öffentlich zugeteilten Nummerierungsressourcen, nämlich Nummern nationaler oder internationaler Nummernpläne, herstellt noch die Telekommunikation mit Nummern nationaler oder internationaler Nummernpläne ermöglicht;
41.
„Nutzer“ jede natürliche oder juristische Person, die einen öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdienst für private oder geschäftliche Zwecke in Anspruch nimmt oder beantragt;
42.
„öffentliches Telekommunikationsnetz“ ein Telekommunikationsnetz, das ganz oder überwiegend der Erbringung öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste dient, die die Übertragung von Informationen zwischen Netzabschlusspunkten ermöglichen;
43.
„öffentliche Versorgungsnetze“ entstehende, betriebene oder stillgelegte physische Infrastrukturen für die öffentliche Bereitstellung von
a)
Erzeugungs-, Leitungs- oder Verteilungsdiensten für
aa)
Telekommunikation,
bb)
Gas,
cc)
Elektrizität, einschließlich der Elektrizität für die öffentliche Straßenbeleuchtung,
dd)
Fernwärme oder
ee)
Wasser, ausgenommen Trinkwasser im Sinne des § 3 Nummer 1 der Trinkwasserverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. März 2016 (BGBl. I S. 459), die zuletzt durch Artikel 99 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist; zu den öffentlichen Versorgungsnetzen zählen auch physische Infrastrukturen zur Abwasserbehandlung und ‑entsorgung sowie die Kanalisationssysteme;
b)
Verkehrsdiensten, insbesondere Schienenwege, Straßen, Wasserstraßen, Brücken, Häfen und Flugplätze;
44.
„öffentlich zugängliche Telekommunikationsdienste“ einem unbestimmten Personenkreis zur Verfügung stehende Telekommunikationsdienste;
45.
„passive Netzinfrastrukturen“ Komponenten eines Netzes, die andere Netzkomponenten aufnehmen sollen, selbst jedoch nicht zu aktiven Netzkomponenten werden; hierzu zählen zum Beispiel Fernleitungen, Leer- und Leitungsrohre, Kabelkanäle, Kontrollkammern, Einstiegsschächte, Verteilerkästen, Gebäude und Gebäudeeingänge, Antennenanlagen und Trägerstrukturen wie Türme, Lichtzeichenanlagen (Verkehrsampeln) und öffentliche Straßenbeleuchtung, Masten und Pfähle; Kabel, einschließlich unbeschalteter Glasfaserkabel, sind keine passiven Netzinfrastrukturen;
46.
„Persönliche Rufnummern“ Rufnummern, insbesondere des Rufnummernbereichs (0)700, durch die ein Zugang zu und von allen Telekommunikationsnetzen unter einer Rufnummer – unabhängig von Standort, Endgerät, Übertragungsart und Technologie – möglich ist;
47.
„Premium-Dienste“ Dienste, insbesondere des Rufnummernbereichs (0)900, bei denen über die Telekommunikationsdienstleistung hinaus eine weitere Dienstleistung erbracht wird, die gegenüber dem Anrufer gemeinsam mit der Telekommunikationsdienstleistung abgerechnet wird und die nicht einer anderen Nummernart zuzurechnen ist;
48.
„Roaming“ die Ermöglichung der Nutzung von Mobilfunknetzen anderer Betreiber außerhalb des Versorgungsbereichs des nachfragenden Mobilfunknetzbetreibers für dessen Endnutzer;
49.
„Rufnummer“ eine Nummer des Nummernraums für das öffentliche Telekommunikationsnetz oder eines Nummernraums für Kurzwahldienste;
50.
„Rufnummernbereich“ eine für eine Nummernart bereitgestellte Teilmenge des Nummernraums für das öffentliche Telekommunikationsnetz oder eines Nummernraums für Kurzwahldienste;
51.
„Service-Dienste“ Dienste, insbesondere des Rufnummernbereichs (0)180, die bundesweit zu einem einheitlichen Entgelt zu erreichen sind;
52.
„Sicherheit von Netzen und Diensten“ die Fähigkeit von Telekommunikationsnetzen und -diensten, auf einem bestimmten Vertrauensniveau alle Angriffe abzuwehren, die die Verfügbarkeit, Authentizität, Integrität oder Vertraulichkeit dieser Netze und Dienste, der gespeicherten, übermittelten oder verarbeiteten Daten oder der damit zusammenhängenden Dienste, die über diese Telekommunikationsnetze oder -dienste angeboten werden oder zugänglich sind, beeinträchtigen;
53.
„Sicherheitsvorfall“ ein Ereignis mit nachteiliger Wirkung auf die Sicherheit von Telekommunikationsnetzen oder -diensten;
54.
„sonstige physische Infrastrukturen“ entstehende, betriebene oder stillgelegte physische Infrastrukturen einschließlich Grundstücke und der darauf befindlichen Gebäude öffentlicher Stellen oder der Kontrolle dieser unterstehende sonstige physische Infrastrukturen, die in technischer Hinsicht für die Errichtung von drahtlosen Zugangspunkten mit geringer Reichweite geeignet oder zur Anbindung solcher Zugangspunkte erforderlich sind und bei denen das Recht zur Errichtung oder Stilllegung oder zum Betrieb von der öffentlichen Stelle abgeleitet oder verliehen wird; zu diesen Infrastrukturen gehören insbesondere Straßenmobiliar, öffentliche Straßenbeleuchtung, Verkehrsschilder, Lichtzeichenanlagen, Reklametafeln und Litfaßsäulen, Bus- und Straßenbahnhaltestellen und U-Bahnhöfe;
55.
„Sprachkommunikationsdienst“ ein der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellter Telekommunikationsdienst, der das Führen aus- und eingehender Inlands- oder Inlands- und Auslandsgespräche direkt oder indirekt über eine oder mehrere Nummern eines nationalen oder internationalen Nummernplans ermöglicht;
56.
„Standortdaten“ Daten, die in einem Telekommunikationsnetz oder von einem Telekommunikationsdienst verarbeitet werden und die den Standort des Endgeräts eines Nutzers eines öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdienstes angeben;
57.
„Teilabschnitt“ eine Teilkomponente des Teilnehmeranschlusses, die den Netzabschlusspunkt am Standort des Endnutzers mit einem Konzentrationspunkt oder einem festgelegten zwischengeschalteten Zugangspunkt des öffentlichen Festnetzes verbindet;
58.
„Teilnehmeranschluss“ der physische von Signalen benutzte Verbindungspfad, mit dem der Netzabschlusspunkt mit einem Verteilerknoten oder mit einer gleichwertigen Einrichtung in festen öffentlichen Telekommunikationsnetzen verbunden wird;
59.
„Telekommunikation“ der technische Vorgang des Aussendens, Übermittelns und Empfangens von Signalen mittels Telekommunikationsanlagen;
60.
„Telekommunikationsanlagen“ technische Einrichtungen, Systeme oder Server, die als Nachrichten identifizierbare elektromagnetische oder optische Signale oder Daten im Rahmen der Erbringung eines Telekommunikationsdienstes senden, übertragen, vermitteln, empfangen, steuern oder kontrollieren können;
61.
„Telekommunikationsdienste“ in der Regel gegen Entgelt über Telekommunikationsnetze erbrachte Dienste, die – mit der Ausnahme von Diensten, die Inhalte über Telekommunikationsnetze und -dienste anbieten oder eine redaktionelle Kontrolle über sie ausüben – folgende Dienste umfassen:
a)
Internetzugangsdienste,
b)
interpersonelle Telekommunikationsdienste und
c)
Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen bestehen, wie Übertragungsdienste, die für Maschine-Maschine-Kommunikation und für den Rundfunk genutzt werden;
62.
„Telekommunikationsendeinrichtung“ eine direkt oder indirekt an die Schnittstelle eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes angeschlossene Einrichtung zum Aussenden, Verarbeiten oder Empfangen von Nachrichten oder Daten; sowohl bei direkten als auch bei indirekten Anschlüssen kann die Verbindung über elektrisch leitenden Draht, über optische Faser oder elektromagnetisch hergestellt werden; bei einem indirekten Anschluss ist zwischen Telekommunikationsendeinrichtung und Schnittstelle des öffentlichen Telekommunikationsnetzes ein Gerät geschaltet;
63.
„telekommunikationsgestützte Dienste“ Dienste, die keinen räumlich und zeitlich trennbaren Leistungsfluss auslösen, sondern bei denen die Inhaltsleistung noch während der Telekommunikationsverbindung erbracht wird;
64.
„Telekommunikationslinien“ unter- oder oberirdisch geführte Telekommunikationskabelanlagen, einschließlich ihrer zugehörigen Schalt- und Verzweigungseinrichtungen, Masten und Unterstützungen, Kabelschächte und Kabelkanalrohre, sowie weitere technische Einrichtungen, die für das Erbringen von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten erforderlich sind;
65.
„Telekommunikationsnetz“ die Gesamtheit von Übertragungssystemen, ungeachtet dessen, ob sie auf einer permanenten Infrastruktur oder zentralen Verwaltungskapazität basieren, und gegebenenfalls Vermittlungs- und Leitwegeinrichtungen sowie anderweitigen Ressourcen, einschließlich der nicht aktiven Netzbestandteile, die die Übertragung von Signalen über Kabel, Funk, optische und andere elektromagnetische Einrichtungen ermöglichen, einschließlich Satellitennetzen, festen, leitungs- und paketvermittelten Netzen, einschließlich des Internets, und mobilen Netzen, Stromleitungssystemen, soweit sie zur Signalübertragung genutzt werden, Netzen für Hör- und Fernsehfunk sowie Kabelfernsehnetzen, unabhängig von der Art der übertragenen Information;
66.
„Überbau“ die nachträgliche Dopplung von Telekommunikationsinfrastrukturen durch parallele Errichtung, soweit damit dasselbe Versorgungsgebiet erschlossen werden soll;
67.
„Übertragungsweg“ Telekommunikationsanlagen in Form von Kabel- oder Funkverbindungen mit ihren übertragungstechnischen Einrichtungen als Punkt-zu-Punkt- oder Punkt-zu-Mehrpunkt-Verbindungen mit einem bestimmten Informationsdurchsatzvermögen (Bandbreite oder Bitrate) einschließlich ihrer Abschlusseinrichtungen;
68.
„umfangreiche Renovierungen“ Tief- oder Hochbauarbeiten am Standort des Endnutzers, die strukturelle Veränderungen an den gesamten gebäudeinternen passiven Telekommunikationsnetzinfrastrukturen oder einem wesentlichen Teil davon umfassen;
69.
„Unternehmen“ das Unternehmen selbst oder mit ihm im Sinne des § 36 Absatz 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen verbundene Unternehmen oder mit ihm im Sinne des § 37 Absatz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zusammengeschlossene Unternehmen, unabhängig davon, ob das verbundene oder mit ihm zusammengeschlossene Unternehmen zum Zeitpunkt der Auferlegung von Verpflichtungen nach diesem Gesetz bereits gegründet war;
70.
„Verkehrsdaten“ Daten, deren Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung bei der Erbringung eines Telekommunikationsdienstes erforderlich sind;
71.
„Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten“ eine Verletzung der Datensicherheit, die zum Verlust, zur unrechtmäßigen Löschung, Veränderung, Speicherung, Weitergabe oder sonstigen unrechtmäßigen Verwendung personenbezogener Daten führt, sowie der unrechtmäßige Zugang zu diesen;
72.
„vollständig entbündelter Zugang zum Teilnehmeranschluss“ die Bereitstellung des Zugangs zum Teilnehmeranschluss oder zum Teilabschnitt in der Weise, dass die Nutzung der gesamten Kapazität der Telekommunikationsnetzinfrastruktur ermöglicht wird;
73.
„Warteschleife“ jede vom Nutzer eines Telekommunikationsdienstes eingesetzte Vorrichtung oder Geschäftspraxis, über die Anrufe entgegengenommen oder aufrechterhalten werden, ohne dass das Anliegen des Anrufers bearbeitet wird; dies umfasst die Zeitspanne ab Rufaufbau vom Anschluss des Anrufers bis zu dem Zeitpunkt, an dem mit der Bearbeitung des Anliegens des Anrufers begonnen wird, gleichgültig, ob dies über einen automatisierten Dialog, ein Vorauswahlmenü oder durch eine persönliche Bearbeitung erfolgt; ein automatisierter Dialog oder ein Vorauswahlmenü beginnt, sobald automatisiert Informationen abgefragt werden, die für die Bearbeitung des Anliegens erforderlich sind; eine persönliche Bearbeitung des Anliegens beginnt, sobald eine natürliche Person den Anruf entgegennimmt und bearbeitet; hierzu zählt auch die Abfrage von Informationen, die für die Bearbeitung des Anliegens erforderlich sind; als Warteschleife ist ferner die Zeitspanne anzusehen, die anlässlich einer Weiterleitung zwischen Beendigung der vorhergehenden Bearbeitung des Anliegens und der weiteren Bearbeitung vergeht, ohne dass der Anruf technisch unterbrochen wird; keine Warteschleife sind automatische Bandansagen, wenn die Dienstleistung für den Anrufer vor Herstellung der Verbindung erkennbar ausschließlich in einer Bandansage besteht;
74.
„Zugang“ die Bereitstellung von Einrichtungen oder Diensten für ein anderes Unternehmen unter bestimmten Bedingungen zum Zweck der Erbringung von Telekommunikationsdiensten, auch bei deren Verwendung zur Erbringung von Diensten der Informationsgesellschaft oder Rundfunkinhaltediensten; dies umfasst unter anderem Folgendes:
a)
Zugang zu Netzkomponenten, einschließlich nicht aktiver Netzkomponenten, und zugehörigen Einrichtungen, wozu auch der feste oder nicht feste Anschluss von Geräten gehören kann; dies beinhaltet insbesondere den Zugang zum Teilnehmeranschluss sowie zu Einrichtungen und Diensten, die erforderlich sind, um Dienste über den Teilnehmeranschluss zu erbringen, einschließlich des Zugangs zur Anschaltung und Ermöglichung des Anbieterwechsels des Nutzers und zu hierfür notwendigen Informationen und Daten und zur Entstörung;
b)
Zugang zu physischen Infrastrukturen wie Gebäuden, Leitungsrohren und Masten;
c)
Zugang zu einschlägigen Softwaresystemen, einschließlich Systemen für die Betriebsunterstützung;
d)
Zugang zu informationstechnischen Systemen oder Datenbanken für Vorbestellung, Bereitstellung, Auftragserteilung, Anforderung von Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten sowie Abrechnung;
e)
Zugang zur Nummernumsetzung oder zu Systemen, die eine gleichwertige Funktion bieten;
f)
Zugang zu Fest- und Mobilfunknetzen;
g)
Zugang zu Zugangsberechtigungssystemen für Digitalfernsehdienste und
h)
Zugang zu Diensten für virtuelle Telekommunikationsnetze;
75.
„Zugangsberechtigungssysteme“ technische Verfahren oder Vorrichtungen, welche die erlaubte Nutzung geschützter Rundfunkprogramme von einem Abonnement oder einer individuellen Erlaubnis abhängig machen;
76.
„Zugangspunkt zu passiven gebäudeinternen Netzkomponenten“ ein physischer Punkt innerhalb oder außerhalb des Gebäudes, der für Eigentümer und Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze zugänglich ist und den Anschluss an die gebäudeinternen passiven Netzinfrastrukturen für Netze mit sehr hoher Kapazität ermöglicht;
77.
„zugehörige Dienste“ diejenigen mit einem Telekommunikationsnetz oder einem Telekommunikationsdienst verbundenen Dienste, welche die Bereitstellung, Eigenerbringung oder automatisierte Erbringung von Diensten über dieses Netz oder diesen Dienst ermöglichen, unterstützen oder dazu in der Lage sind; darunter fallen unter anderem Systeme zur Nummernumsetzung oder Systeme, die eine gleichwertige Funktion bieten, Zugangsberechtigungssysteme und elektronische Programmführer sowie andere Dienste wie Dienste im Zusammenhang mit Identität, Standort und Präsenz des Nutzers;
78.
„zugehörige Einrichtungen“ diejenigen mit einem Telekommunikationsnetz oder einem Telekommunikationsdienst verbundenen zugehörigen Dienste, physischen Infrastrukturen oder sonstigen Einrichtungen oder Komponenten, welche die Bereitstellung von Diensten über dieses Netz oder diesen Dienst ermöglichen, unterstützen oder dazu in der Lage sind; darunter fallen unter anderem Gebäude, Gebäudezugänge, Verkabelungen in Gebäuden, Antennen, Türme und andere Trägerstrukturen, Leitungsrohre, Leerrohre, Masten, Einstiegsschächte und Verteilerkästen;
79.
„Zusammenschaltung“ ein Sonderfall des Zugangs, der zwischen Betreibern öffentlicher Telekommunikationsnetze hergestellt wird; dies mittels der physischen und logischen Verbindung öffentlicher Telekommunikationsnetze, die von demselben oder einem anderen Unternehmen genutzt werden, um Nutzern eines Unternehmens die Kommunikation mit Nutzern desselben oder eines anderen Unternehmens oder den Zugang zu den von einem anderen Unternehmen angebotenen Diensten zu ermöglichen, soweit solche Dienste von den beteiligten Parteien oder von anderen Parteien, die Zugang zum Netz haben, erbracht werden.

(1) Hat die Bundesnetzagentur nach § 91 Absatz 9 angeordnet, dass der Zuteilung von Frequenzen ein Vergabeverfahren voranzugehen hat, kann sie nach Anhörung der betroffenen Kreise das Versteigerungsverfahren nach Absatz 5 oder das Ausschreibungsverfahren nach Absatz 6 durchführen. Die Bundesnetzagentur legt bei der Entscheidung zur Wahl des Vergabeverfahrens gemäß Satz 1 die allgemeinen Ziele des Verfahrens fest. Die Ziele sind zusätzlich zur Förderung des Wettbewerbs und der Verbesserung der Versorgung, insbesondere in ländlichen Gebieten, auf einen oder mehrere der folgenden Aspekte beschränkt:

1.
Gewährleistung der erforderlichen Dienstequalität,
2.
Förderung der effizienten Nutzung von Frequenzen, unter anderem unter Berücksichtigung der für die Nutzungsrechte geltenden Bedingungen und der Höhe der Abgaben, oder
3.
Förderung von Innovation und Geschäftsentwicklung.

(2) Es ist dasjenige Vergabeverfahren durchzuführen, das am besten geeignet ist, die Regulierungsziele nach den §§ 2 und 87 zu erreichen. Für Frequenzen, die für die Übertragung von Rundfunk im Zuständigkeitsbereich der Länder vorgesehen sind, ist das Versteigerungsverfahren nach Absatz 5 nicht durchzuführen.

(3) Die Bundesnetzagentur veröffentlicht die Entscheidung über die Wahl des Vergabeverfahrens sowie die Festlegungen und Regeln für die Durchführung der Verfahren unter Angabe der Gründe. Zudem veröffentlicht sie die dazugehörigen Frequenznutzungsbestimmungen. Sie legt die Ergebnisse einer mit der Entscheidung in Zusammenhang stehenden Beurteilung der Wettbewerbssituation sowie der technischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten des Marktes dar.

(4) Die Bundesnetzagentur bestimmt vor Durchführung eines Vergabeverfahrens

1.
die von einem Antragsteller zu erfüllenden subjektiven, fachlichen und sachlichen Mindestvoraussetzungen für die Zulassung zum Vergabeverfahren,
2.
die Frequenznutzung, für die die zu vergebenden Frequenzen unter Beachtung des Frequenzplanes verwendet werden dürfen,
3.
die für die Aufnahme des Telekommunikationsdienstes notwendige Grundausstattung an Frequenzen, sofern dies erforderlich ist, und
4.
die Frequenznutzungsbestimmungen einschließlich des Versorgungsgrades bei der Frequenznutzung und seiner zeitlichen Umsetzung; bei der Festlegung des Versorgungsgrades und seiner zeitlichen Umsetzung berücksichtigt die Bundesnetzagentur neben den Regulierungszielen nach den §§ 2 und 87 auch Möglichkeiten für Inhaber von Frequenznutzungsrechten, in zumutbarer Weise öffentlich geförderte Infrastrukturen mitzunutzen oder aufzubauen.

(5) Im Falle der Versteigerung legt die Bundesnetzagentur vor der Durchführung des Vergabeverfahrens die Regeln für die Durchführung des Versteigerungsverfahrens im Einzelnen fest. Die Regeln müssen objektiv, nachvollziehbar und nichtdiskriminierend sein und die Belange kleiner und mittlerer Unternehmen berücksichtigen. Die Bundesnetzagentur legt ein Mindestgebot für das Nutzungsrecht an den zu versteigernden Frequenzen sowie Zahlungsregelungen fest. Der Versteigerung geht ein Verfahren voraus, in dem die Zulassung zur Versteigerung schriftlich oder elektronisch zu beantragen ist. Die Bundesnetzagentur entscheidet über die Zulassung durch schriftlichen oder elektronischen Bescheid. Der Antrag auf Zulassung ist abzulehnen, wenn der Antragsteller nicht darlegt und nachweist, dass er die nach Absatz 4 festgelegten und die nach § 91 Absatz 5 bestehenden Voraussetzungen erfüllt.

(6) Im Falle der Ausschreibung bestimmt die Bundesnetzagentur vor der Durchführung des Vergabeverfahrens die Kriterien, nach denen die Eignung der Bewerber bewertet wird. Kriterien sind

1.
die Zuverlässigkeit, Fachkunde und Leistungsfähigkeit der Bewerber,
2.
die Eignung von vorzulegenden Planungen für die Nutzung der ausgeschriebenen Frequenzen,
3.
die Förderung eines nachhaltig wettbewerbsorientierten Marktes und
4.
der räumliche Versorgungsgrad.
Bei ansonsten gleicher Eignung ist derjenige Bewerber auszuwählen, der einen höheren räumlichen Versorgungsgrad mit den entsprechenden Telekommunikationsdiensten gewährleistet. Die Bundesnetzagentur legt den im Falle des Zuschlags für das Frequenznutzungsrecht zu zahlenden Zuschlagspreis sowie Zahlungsregelungen fest.

(7) Die Zuteilung der Frequenzen erfolgt nach § 91, nachdem das Vergabeverfahren nach Absatz 3 Satz 1 durchgeführt worden ist. Verpflichtungen, die Antragsteller im Laufe eines Versteigerungs- oder Ausschreibungsverfahrens eingegangen sind, werden Bestandteile der Frequenzzuteilung.

(8) Bei einem Versteigerungsverfahren nach Absatz 5 oder einem Ausschreibungsverfahren nach Absatz 6 kann die in § 91 Absatz 4 genannte Höchstfrist von sechs Wochen so lange wie nötig, längstens jedoch um acht Monate, verlängert werden, um für alle Beteiligten ein chancengleiches, angemessenes, offenes und transparentes Verfahren sicherzustellen. Diese Fristen lassen geltende internationale Vereinbarungen über die Nutzung von Frequenzen und die Satellitenkoordinierung unberührt.