Bundesgerichtshof Urteil, 19. Feb. 2004 - III ZR 226/03
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin war Kundin der Beklagten, einer in den Niederlanden ansässigen Versandhandelsgesellschaft.
Nach Empfang der Aufforderung einer "General-Advokatur H. , M. & P. ", einen Gewinn in Höhe von 20.000 DM anzufordern, und einer "BARGELD-ZUWEISUNG" über 19.958,24 DM (Gewinnsumme abzüglich angefallener "Depot-Gebühren") ging der Klägerin ein mit der aufgedruckten Unterschrift K. B. versehenes Schreiben der Beklagten vom 9. Oktober 2000 zu. Es lautete auszugsweise wie folgt:
"... Ich habe Ihnen bereits am 18.09.2000 Ihren Einkommens-Bescheid geschickt, mit der Aufforderung, die 25.000,- DM direkt bei unserer Kassenstelle abzurufen. Es war für mich so selbstverständlich, daß Sie auf mein Schreiben sofort antworten würden, daß ich mich nicht mehr extra bei der Kassenstelle erkundigt habe, ob Sie den Gewinn tatsächlich ordnungsgemäß angefordert haben ... Man hat mich aufgefordert, den Sachverhalt schnellstens aufzuklären , damit der Gewinn endlich ausbezahlt werden kann. Um ganz sicher zu gehen, habe ich Ihnen daher von allen Unterlagen Zweitausfertigungen ausstellen lassen. Ich bitte Sie jetzt inständig, alles sorgfältig auszufüllen und innerhalb der gesetzten Frist (vor dem 27. Oktober) zurückzuschicken ..."
Außerdem wurde die Klägerin aufgefordert, sich "beiliegende(s) Angebot" anzuschauen und Ware anzufordern.
Dem vorgenannten Schreiben lag eine "INTERNE ANWEISUNG" der Direktion der Beklagten bei, in der es unter anderem hieß:
"Sehr geehrte Frau B. , wie Sie sich sicher noch erinnern können, erfolgte am 15. September 2000 die offizielle Ziehung zur Vergabe von 25.000,- DM an einen unserer Kunden ... Nun muß ich heute ... erfahren, daß die 25.000,- DM noch nicht ausbezahlt werden können, weil ... der Gewinn-Abruf-Schein des Gewinners noch nicht vorliegt ...
Es scheint mir nun, daß Sie nicht die nötige Sorgfalt aufgebracht haben, Frau W. <= Klägerin> ordentlich zu benachrichtigen. Wie sonst wäre es zu erklären, daß der Gewinn-AbrufSchein von Frau W. bis heute nicht vorliegt? Bitte senden Sie Frau W. jetzt umgehend die nötigen Unterlagen zu. Notfalls lassen Sie bitte durch die Kassenstelle Zweitausfertigungen ausstellen, ... Ich erwarte, daß dies jetzt mit äußerster Dringlichkeit erfolgt, damit die 25.000,- DM umgehend ausbezahlt werden können ..."
Mit dem Schreiben vom 9. Oktober 2000 erhielt die Klägerin außerdem die "ZWEIT-AUSFERTIGUNG" eines auf ihren Namen lautenden "Offizielle(n) Einkommens-Bescheid(es)" und eines "Gewinn-Abruf-Schein(es)" über jeweils 25.000 DM. Entsprechend der in dem Schreiben gegebenen Anweisung schickte die Klägerin den unterschriebenen "Gewinn-Abruf-Schein" zurück. Die Beklagte zahlte nicht.
Die Klägerin macht geltend, die Beklagte schulde ihr aufgrund einer Gewinnzusage (§ 661a BGB) 12.782,30 DM) nebst Zinsen. Die Beklagte hat gerügt, die angerufenen deutschen Gerichte seien nicht international zuständig.
Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte entsprechend dem Klagebegehren verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte weiterhin ihren Antrag, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Die deutschen Gerichte seien jedenfalls nach Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Nr. 3 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (BGBl. 1972 II S. 774, im folgenden: EuGVÜ) international zuständig.
Der Streitfall unterliege deutschem Recht.
Mit dem Schreiben vom 9. Oktober 2000 habe die Beklagte der Klägerin eine Gewinnzusage im Sinne des § 661a BGB gemacht. Daß ein durchschnittlicher Verbraucher möglicherweise davon habe ausgehen müssen, die Gewinnzusage der Beklagten sei nicht ernstlich gemeint, sei unerheblich.
II.
Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung stand.
1. Die deutschen Gerichte sind, was im Revisionsrechtszug von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. Senatsurteil vom 28. November 2002 - III ZR 102/02 - BGHZ 153, 82, 84 ff = NJW 2003, 426 f), international zuständig. Für die auf
eine Gewinnzusage im Sinne des § 661a BGB gestützte Klage gegen eine (natürliche oder juristische) Person, die, wie hier die Beklagte, in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates des vorgenannten Übereinkommens vom 27. September 1968 ansässig ist, besteht am Wohnsitz des klagenden Verbrauchers - d.h. hier am Wohnsitz der Klägerin in S. /Bundesrepublik Deutschland - entweder die internationale Zuständigkeit für Verbrauchersachen (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 13, 14 EuGVÜ) oder der unerlaubten Handlung (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ, vgl. BGHZ aaO S. 87 ff). Das Übereinkommen vom 27. September 1968 ist im Streitfall noch anwendbar. Denn die Klage ist am 2. Juli 2001, vor Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. L 12/01 S. 1) zum 1. März 2002, eingereicht worden (vgl. Art. 30 Nr. 1, 66 Abs. 1, 76 der Verordnung). Die Revision nimmt die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ausdrücklich hin.
2. Die Klage ist begründet. Die Klägerin kann von dem Beklagten Zahlung von 12.782,30 DM) nebst Zinsen verlangen. Anspruchsgrundlage ist § 661a BGB.
a) Der Streitfall ist jedenfalls kraft Rechtswahl der Parteien nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch zu entscheiden. Die Parteien haben ihrem Vortrag übereinstimmend deutsches Recht zugrunde gelegt.
b) § 661a BGB ist nicht verfassungswidrig; es besteht kein Anlaß, gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Auf das Senatsurteil vom 16. Oktober 2003 (III ZR 106/03
- NJW 2003, 3620 f) und den hierzu ergangenen Nichtannahmebeschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Januar 2004 (1 BvR 2518/03) wird Bezug genommen.
c) Nach § 661a BGB hat ein Unternehmer, der Gewinnzusagen oder vergleichbare Mitteilungen an Verbraucher sendet und durch die Gestaltung dieser Zusagen den Eindruck erweckt, daß der Verbraucher einen Preis gewonnen hat, dem Verbraucher diesen Preis zu leisten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts enthielt das Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 9. Oktober 2000 eine solche Gewinnzusage. Die hiergegen vorgebrachten Revisionsrügen greifen nicht durch.
aa) Die Revision beanstandet als rechtsfehlerhaft, daß nach Auffassung des Berufungsgerichts die äußere Gestaltung der Gewinnmitteilung keine Rolle spiele.
Bei der Frage, ob die Zusendung eines Unternehmers an einen Verbraucher als Gewinnzusage oder vergleichbare Mitteilung im Sinne des § 661a BGB aufzufassen ist, ist allerdings nicht nur auf deren Inhalt, sondern auch auf die äußere Gestaltung abzustellen. Das ergibt sich, wie die Revision zu Recht geltend macht, bereits aus dem Wortlaut des § 661a BGB, folgt aber ebenso aus den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (vgl. §§ 133, 157 BGB). Maßgeblich war mithin nicht - wie man das Berufungsgericht verstehen könnte - allein der Inhalt des Schreibens vom 9. Oktober 2000, sondern auch dessen äußere Erscheinung. Das ändert aber nichts daran, daß es sich bei diesem Schreiben um eine Gewinnzusage oder vergleichbare Mitteilung im Sinne des
§ 661a BGB handelt. Zu dieser Feststellung ist der Senat selbst befugt, weil weitere tatsächliche Gesichtspunkte nicht zu erwarten sind.
bb) Für eine Gewinnzusage oder vergleichbare Mitteilung im Sinne des § 661a BGB genügt es, ist aber auch erforderlich, daß aus objektivierter Empfängersicht der Eindruck eines Preisgewinns erweckt wird. Die Zusendung muß - nach Inhalt und Gestaltung - abstrakt geeignet sein, bei einem durchschnittlichen Verbraucher in der Lage des Empfängers den Eindruck zu erwecken, er werde einen - bereits gewonnenen - Preis erhalten (vgl. OLG Saarbrücken OLGReport 2003, 55, 60; Jauernig/Mansel, BGB 10. Aufl. 2003 § 661a Rn. 4; Palandt/Sprau, BGB 63. Aufl. 2004 § 661a Rn. 2; Schulze in HK-BGB 3. Aufl. 2003 § 661a Rn. 2; Lorenz NJW 2000, 3305, 3306; Leible IPRax 2003, 28, 30; Schneider, BB 2002, 1653, 1654). Auf das subjektive Verständnis der Zusendung durch den konkreten Empfänger kommt es hingegen nicht an. Es ist nicht erforderlich, daß der Empfänger dem Schreiben tatsächlich Glauben schenkt. Auch der Verbraucher, der die Gewinnzusage als bloßes Werbemittel durchschaut oder durchschauen könnte, kann - entgegen der Auffassung der Revision - nach § 661a BGB die Leistung des (angeblich) gewonnenen Preises verlangen; § 116 Satz 2 BGB findet insoweit keine Anwendung. Das legt schon der Wortlaut des § 661a BGB nahe, der nur auf die Gestaltung der Zusendung abstellt und gerade nicht auf die Vorstellung des einzelnen Verbrauchers. Käme es auf letztere an, würde vor allem das Ziel des Gesetzgebers verfehlt, die unlautere Werbung mittels Vortäuschung scheinbarer Gewinne zu unterbinden, indem der Unternehmer vom Verbraucher gemäß § 661a BGB beim Wort genommen , d.h. auf Leistung des mitgeteilten Gewinns verklagt werden kann (vgl. BGHZ aaO S. 90 f m.w.N. aus den Gesetzesmaterialien; Jauernig/Mansel aaO;
Schulze aaO; Lorenz aaO; Schneider aaO; Leible aaO und NJW 2003, 407; Fetsch RIW 2002, 936, 937).
cc) Das Schreiben der Beklagten vom 9. Oktober 2000 nebst Anlagen war im vorbeschriebenen Sinn geeignet, bei dem Empfänger den Eindruck zu erwecken, er habe einen Preis in Höhe von 25.000 DM gewonnen. Das Schreiben muß nach seinem - oben wiedergegebenen - Inhalt als Benachrichtigung über einen Gewinn verstanden werden, dessen sofortige Auszahlung verbindlich zugesagt ist und allein von der Vorlage des von der Klägerin unterzeichneten "Gewinn-Abruf-Schein
Schlick Dörr Kapsa Galke Herrmann
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Annotations
Ein Unternehmer, der Gewinnzusagen oder vergleichbare Mitteilungen an Verbraucher sendet und durch die Gestaltung dieser Zusendungen den Eindruck erweckt, dass der Verbraucher einen Preis gewonnen hat, hat dem Verbraucher diesen Preis zu leisten.
(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.
(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
Ein Unternehmer, der Gewinnzusagen oder vergleichbare Mitteilungen an Verbraucher sendet und durch die Gestaltung dieser Zusendungen den Eindruck erweckt, dass der Verbraucher einen Preis gewonnen hat, hat dem Verbraucher diesen Preis zu leisten.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Ein Unternehmer, der Gewinnzusagen oder vergleichbare Mitteilungen an Verbraucher sendet und durch die Gestaltung dieser Zusendungen den Eindruck erweckt, dass der Verbraucher einen Preis gewonnen hat, hat dem Verbraucher diesen Preis zu leisten.
Eine Willenserklärung ist nicht deshalb nichtig, weil sich der Erklärende insgeheim vorbehält, das Erklärte nicht zu wollen. Die Erklärung ist nichtig, wenn sie einem anderen gegenüber abzugeben ist und dieser den Vorbehalt kennt.
Ein Unternehmer, der Gewinnzusagen oder vergleichbare Mitteilungen an Verbraucher sendet und durch die Gestaltung dieser Zusendungen den Eindruck erweckt, dass der Verbraucher einen Preis gewonnen hat, hat dem Verbraucher diesen Preis zu leisten.