Bundesgerichtshof Urteil, 14. Mai 2009 - I ZR 99/06

bei uns veröffentlicht am14.05.2009
vorgehend
Landgericht Hamburg, 308 O 269/03, 09.07.2004
Hanseatisches Oberlandesgericht, 5 U 133/04, 24.04.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 99/06 Verkündet am:
14. Mai 2009
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Dezember 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Bergmann und Dr. Koch

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Parteien wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 5. Zivilsenat, vom 24. April 2006 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Klägerin im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Beklagten zur Zahlung eines höheren Betrages als 650.329,93 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage in Höhe von 28.768,61 € nebst Zinsen abgewiesen hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an dem von ihr hergestellten und vertriebenen Kinderhochstuhl „Tripp-Trapp“. Die Beklagte zu 1 produzierte und vertrieb in den Jahren 1997 bis 2001 den Kinderhochstuhl „Alpha“, der dem Tripp-Trapp-Stuhl im Aussehen ähnlich ist. Die Beklagte zu 2 ist die Komplementärin der Beklagten zu 1; die Beklagten zu 3, 4 und 5 sind die Geschäftsführer der Beklagten zu 2. Die beiden Stühle sind nachfolgend abgebildet: Tripp-Trapp Alpha
2
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagten hätten durch die Herstellung und den Vertrieb des Alpha-Stuhls ihre Nutzungsrechte an dem Tripp-TrappStuhl verletzt. Sie hat in einem Vorprozess sämtliche Beklagten auf Unterlassung , die Beklagte zu 1 zudem auf Auskunftserteilung und Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht - weitgehend erfolgreich - in Anspruch genommen (OLG Hamburg ZUM-RD 2002, 181). In einem gesonderten Rechtsstreit - in dem der Senat heute gleichfalls eine Entscheidung getroffen hat (BGH, Urt. v. 14.5.2009 - I ZR 98/06 - Tripp-Trapp-Stuhl) - nimmt sie einen Abnehmer der Beklagten zu 1 auf Schadensersatz in Anspruch. Im vorliegenden Rechtsstreit beansprucht die Klägerin von den Beklagten Schadensersatz in Form der Herausgabe des Verletzergewinns.
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Das Landgericht hat der Klage - bis auf einen Teil des Zinsantrags - stattgegeben und die Beklagten zur Zahlung von 2.360.508,85 € verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Verurteilung in Höhe von 2.095.689,36 € aufrechterhalten. Dagegen haben beide Parteien die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Die Beklagten erstreben die Abweisung der Klage, soweit sie zur Zahlung eines höheren Betrages als 650.329,93 € verurteilt worden sind. Die Klägerin erstrebt die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts. Die Parteien beantragen jeweils, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


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I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagten hätten der Klägerin wegen der Verletzung ihrer Nutzungsrechte gemäß § 97 Abs. 1 UrhG (a.F.) Schadensersatz nach der von ihr gewählten Berechnungsmethode der Herausgabe des Verletzergewinns von 2.095.689,36 € zu leisten. Hierzu hat das Berufungsgericht ausgeführt:
5
Die grundsätzliche Verpflichtung aller fünf Beklagten, der Klägerin wegen der Verletzung von Urheberrechten Schadensersatz zu leisten, stehe aufgrund des Urteils im Vorprozess auch für diesen Rechtsstreit fest. Der von der Beklagten zu 1 aus dem Vertrieb des Alpha-Stuhls erzielte, um die Materialkosten bereinigte Gewinn betrage 2.648.194,85 €.
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Der Klägerin stehe allerdings nur derjenige Anteil an dem Verletzergewinn zu, der gerade mit der Rechtsverletzung in Zusammenhang stehe. Die Beklagten könnten sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Klägerin könne den Verletzergewinn nur anteilig beanspruchen, weil der Tripp-Trapp-Stuhl auf vorbekannten Formenschatz zurückgreife. Es komme entscheidend auf den Gesamteindruck des Tripp-Trapp-Stuhls an, der Bezugnahmen auf vorbekannten Formenschatz in der Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise in den Hintergrund treten lasse. Den besonderen gestalterischen „Witz“ des TrippTrapp -Stuhls, der darin bestehe, dass der Stuhl durch die „L“-Form einen frei schwebenden bzw. ungestützten Charakter vermittele, habe der Alpha-Stuhl durch die eher willkürlich hinzugefügten Stützbalken nicht übernommen. Wegen des abweichenden optischen Eindrucks sei ein prozentualer Abschlag von 10% von dem nicht um die weiteren Gemeinkosten bereinigten Verletzergewinn angemessen , aber auch ausreichend. Eine Quotierung des Gewinns der Beklagten nach dem Maß der technischen bzw. gestalterischen Anteile komme nicht in Betracht. Insoweit fehle es an einem hinreichend konkreten Sachvortrag der Beklagten dazu, wie entsprechende Gewinnanteile zu berechnen oder zu schätzen seien.
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Der sich hieraus ergebende Gewinnanteil von 2.383.375,36 € sei um die der Beklagten erwachsenen Gemeinkosten zu kürzen. Die Beklagten könnten höhere Abzugspositionen als die von der Klägerin selbst eingeräumten 1 € pro Stuhl (287.686 €) nicht geltend machen. Die erstinstanzliche Bezugnahme der Beklagten auf das Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft P. sei unzureichend gewesen und habe eigenen substantiierten Sachvortrag nicht ersetzen können. Die Beklagten hätten erstmalig in zweiter Instanz umfassend neue Tatsachen vorgetragen und ihre vertriebsbezogenen Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Absatz der Verletzungsstücke nachvollziehbar dargelegt. Dieser zweitinstanzliche Sachvortrag sei insgesamt verspätet und nicht mehr zuzulassen. Mangels irgendwelcher - in rechtlich berücksichtigungsfähiger Weise vorgetragener - konkreter Darlegungen der Beklagten , die auch nur eine ungefähre Schätzung der tatsächlichen Kosten erlaubt hätten, sei nur der von der Klägerin zugestandene Abzugsbetrag von 1 € pro Stuhl der Entscheidung zugrunde zu legen. Hiervon sei allerdings selbst dann auszugehen, wenn die Klägerin ihn in prozessualer Hinsicht nicht zugestanden habe und sich hieran nicht mehr festhalten lassen wolle. Danach errechne sich ein an die Klägerin herauszugebender Schadensersatzbetrag von 2.095.689,36 €. Dieser werde nicht durch Schadensersatzzahlungen geschmälert , die die Beklagte zu 1 ihren Abnehmern wegen deren Inanspruchnahme durch die Klägerin leiste.
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II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten hat Erfolg , die Revision der Klägerin ist teilweise begründet.
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1. Die Frage, inwieweit der Klägerin Schadensersatzansprüche zustehen , richtet sich nach dem zur Zeit der beanstandeten Handlung geltenden Recht. Das vorliegende Verfahren hat nur rechtsverletzende Handlungen aus den Jahren 1997 bis 2001 zum Gegenstand. Auf den in Rede stehenden Scha- http://www.juris.de/jportal/portal/t/28gw/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR308210994BJNE001801140&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 7 - densersatzanspruch ist danach ausschließlich § 97 Abs. 1 UrhG a.F. anwendbar.
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2. Die Revision der Beklagten hat die Annahme des Berufungsgerichts hingenommen, dass die Beklagten der Klägerin dem Grunde nach gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F. als Gesamtschuldner zum Schadensersatz verpflichtet seien, weil sie durch das Herstellen und Vertreiben des Kinderhochstuhls „Alpha“ deren urheberrechtliche Nutzungsrechte an dem Kinderhochstuhl „TrippTrapp“ widerrechtlich und schuldhaft verletzt hätten. Als Schadensersatz kann die Klägerin von den Beklagten die Herausgabe des Verletzergewinns verlangen (§ 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F.).
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Das Berufungsgericht hat der Berechnung des Verletzergewinns den von der Beklagten zu 1 aus dem Vertrieb von 287.686 Alpha-Stühlen in den Jahren 1997 bis 2001 erzielten - um die Einkaufs- und Materialkosten bereinigten - Gewinn von 2.648.194,85 € zugrunde gelegt. Dagegen haben die Revisionen der Parteien keine Einwände erhoben. Das Berufungsgericht ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin nicht diesen Gesamtgewinn als Verletzergewinn herausverlangen kann. Der Gesamtgewinn ist zum einen um sämtliche Kosten zu bereinigen, die - ebenso wie die Einkaufs- und Materialkosten - der Herstellung und dem Vertrieb der das Nutzungsrecht der Klägerin verletzenden Alpha-Stühle unmittelbar zugerechnet werden können. Der Verletzergewinn ist zum anderen nur insoweit herauszugeben, als er auf der Urheberrechtsverletzung beruht.
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Die Revision der Beklagten rügt jedoch mit Recht, dass das Berufungsgericht den Vortrag der Beklagten, im Zusammenhang mit dem Vertrieb der Alpha-Stühle seien abzugsfähige Kosten von 1.347.535 € entstanden, als verspätet zurückgewiesen hat (dazu unter II 3). Die Beurteilung des Berufungsge- richts, wegen fehlender Kausalität der Urheberrechtsverletzung für den Verletzergewinn sei ein Abschlag von 10% angemessen, ist gleichfalls nicht frei von Rechtsfehlern (dazu unter II 4). Bei der Berechnung des Schadensersatzanspruchs hat das Berufungsgericht zu Unrecht zunächst den Kausalitätsabschlag vorgenommen und erst danach die Vertriebskosten abgezogen (dazu unter II 5).
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3. Das Berufungsgericht hat den Vortrag der Beklagten, es seien abzugsfähige Kosten von 1.347.535 € entstanden, zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen.
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a) Zur Ermittlung des Verletzergewinns ist der Gesamtgewinn um sämtliche Kosten zu bereinigen, die der Herstellung und dem Vertrieb der schutzrechtsverletzenden Gegenstände unmittelbar zugerechnet werden können (vgl. BGHZ 145, 366, 372 f. - Gemeinkostenanteil; BGH, Urt. v. 21.9.2006 - I ZR 6/04, GRUR 2007, 431 Tz. 24 = WRP 2007, 533 – Steckverbindergehäuse ; vgl. zur Anwendung dieser Grundsätze im Urheberrecht OLG Düsseldorf GRUR 2004, 53; OLG Köln GRUR-RR 2005, 247).
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b) Die von den Beklagten insoweit geltend gemachten Kosten von 1.347.535 € hat das Berufungsgericht bei der Berechnung des Verletzergewinns nicht berücksichtigt. Hierzu hat das Berufungsgericht ausgeführt: Die erstinstanzliche Bezugnahme der Beklagten auf das Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft P. unzureichend sei gewesen und habe eigenen substantiierten Sachvortrag nicht ersetzen können. Zur Berechnung des Verletzergewinns hätten die Beklagten erstmalig in zweiter Instanz mit insgesamt 7.143 Vorgangs-Ordnern in 25 Umzugs-Kartons umfassend neue Tatsachen vorgetragen und damit detailliert Kostenstruktur und Höhe ihrer vertriebsbezogenen Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Absatz der Verletzungsstücke nachvollziehbar dargelegt. Dieser zweitinstanzliche Sachvortrag sei insgesamt verspätet und nicht mehr zuzulassen. Keiner der Zulassungsgründe aus § 531 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 ZPO liege vor.
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Die Revision der Beklagten macht mit Recht geltend, dass das Berufungsgericht das zweitinstanzliche Vorbringen der Beklagten, bei dem Vertrieb der 287.686 Alpha-Stühle seien vom Gesamtgewinn absetzungsfähige Kosten von 1.347.535 € entstanden, schon deshalb nicht als verspätet zurückweisen durfte, weil es sich dabei nicht um neues Vorbringen im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO gehandelt hat. Ein Vorbringen in der zweiten Instanz ist dann nicht neu im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO, wenn es lediglich ein bereits schlüssiges Vorbringen aus der ersten Instanz durch weitere Tatsachenbehauptungen zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert (BGHZ 159, 245, 251 m.w.N.). So verhält es sich hier.
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aa) Die Revision der Beklagten weist zutreffend darauf hin, dass die Beklagten bereits in erster Instanz in ihrer Klageerwiderung vom 5. September 2003 und durch Vorlage der - jeweils von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft P. erstellten - tabellarischen Übersicht und Stellungnahme zur Plausibilisierung der abzugsfähigen Kosten hinreichend substantiiert dargelegt haben, dass ihnen in den Jahren von 1997 bis 2001 im Zusammenhang mit dem Vertrieb der Alpha-Stühle Vertriebskosten von 990.804,63 €, Versicherungskosten von 23.791,63 € und Umschlagkosten von 501.078,52 € entstanden seien.
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Die Revisionserwiderung der Klägerin macht ohne Erfolg geltend, die Klägerin habe bereits in ihrem Schriftsatz vom 17. Oktober 2003 darauf hingewiesen , dass die pauschale Bezugnahme auf abstrakte Berechnungen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nicht geeignet sei, die den Beklagten obliegen- de Darlegungs- und Beweislast zu erfüllen, weil weder die Ausführungen der Beklagten noch die Stellungnahmen der Wirtschaftsprüfer irgendwelche nachprüfbaren Detailangaben enthielten. Damit die Klägerin sich überhaupt zu angeblich entstandenen Kosten einlassen könne, bedürfe es der Vorlage und Erläuterung der jeweiligen Rechnungen, Verträge oder sonstigen Dokumente, die die einzelnen Kostenpositionen detailliert erkennen ließen und Rückschlüsse auf ihre Entstehung, Veranlassung und Höhe zuließen. Nur so lasse sich auch für die Klägerin nachprüfen, ob die Kosten tatsächlich entstanden seien sowie, ob und wie sie mit dem Vertrieb oder der Herstellung des Alpha-Stuhles zusammenhingen.
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An die Substantiierungslast des Darlegungspflichtigen dürfen keine überzogenen Anforderungen gestellt werden; er ist nicht verpflichtet, den streitigen Sachverhalt in allen Einzelheiten darzustellen, sondern genügt seiner Darlegungslast bereits durch Wiedergabe der Umstände, aus denen sich die gesetzlichen Voraussetzungen der begehrten Rechtsfolge ergeben (vgl. BGH, Urt. v. 23.4.1991 - X ZR 77/89, GRUR 1992, 559, 560). Die Beklagten haben ihrer Darlegungslast daher entsprochen, indem sie die im Zusammenhang mit dem Vertrieb der Alpha-Stühle nach ihrer Darstellung entstandenen und abzugsfähigen Vertriebskosten, Versicherungskosten und Umschlagkosten unter Bezugnahme auf das Gutachten der Wirtschaftsprüfer vorgetragen und jeweils weiter aufgeschlüsselt und näher erläutert haben.
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Zur hinreichenden Substantiierung bedurfte es darüber hinaus weder des Vortrags weiterer Detailangaben noch der Vorlage und Erläuterung der diesen Kosten zugrunde liegenden Verträge, Rechnungen oder sonstigen Dokumente. Die Beklagten mussten der Klägerin nicht eine Nachprüfung der Richtigkeit ihres Sachvortrags ermöglichen. Die Klägerin brauchte sich mangels eigener Kenntnis der vorgetragenen Umstände nicht zur Entstehung, Veranlassung und Höhe der einzelnen Kostenpositionen einzulassen, sondern durfte sich - wie geschehen - darauf beschränken, das Vorbringen der Beklagten zu bestreiten. Es ist dann Sache der Beklagten, die Richtigkeit ihres Vorbringens zu beweisen. Bereits das Landgericht hätte demzufolge die von den Beklagten zum Beweis ihres Vorbringens benannten Mitarbeiter der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und den Buchhalter der Beklagten zu 1 als Zeugen vernehmen müssen.
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bb) Die Beklagten haben ihr schlüssiges Vorbringen erster Instanz lediglich weiter konkretisiert, indem sie in der zweiten Instanz die Unterlagen, die zunächst nur den Wirtschaftsprüfern vorlagen, auch bei Gericht eingereicht haben. Das Berufungsgericht hätte diesen Sachvortrag daher nicht als neues Vorbringen im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO werten und als verspätet zurückweisen dürfen. Für das Revisionsverfahren ist deshalb die Behauptung der Beklagten, bei dem Vertrieb der 287.686 Alpha-Stühle seien vom Gesamtgewinn absetzungsfähige Kosten von 1.347.535 € entstanden, als richtig zu unterstellen.
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c) Sollte den Beklagten der Beweis nicht gelingen, dass die von ihnen unter Bezugnahme auf das Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geltend gemachten Kosten im Zusammenhang mit dem Vertrieb der Alpha-Stühle entstanden sind und dass es sich dabei um abzugsfähige Kosten handelt, wäre es nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht - wie geschehen - von dem erzielten Gewinn jedenfalls einen pauschalen Betrag von 1 € pro verkauftem Stuhl abzöge. Bei diesen - vom Berufungsgericht missverständlich als Gemeinkosten bezeichneten - Aufwendungen handelt es sich unstreitig um pauschale Kosten für die Fracht bzw. den Vertrieb eines Alpha-Stuhles. Derartige Kosten sind den die urheberrechtlichen Nutzungsrechte der Klägerin verletzenden Alpha-Stühlen unmittelbar zurechenbar und daher grundsätzlich abzugsfähig. Die gegen die Höhe dieses Abzugsbetrages gerichteten Einwände der Revisionen beider Parteien haben keinen Erfolg.
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aa) Die Revision der Klägerin macht vergeblich geltend, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, der von der Klägerin unterstellte Abzugsbetrag von 1 € pro Stuhl sei der Entscheidung des Rechtsstreits zugrunde zu legen, selbst wenn die Klägerin diesen in prozessualer Hinsicht nicht zugestanden habe und sich hieran nicht mehr bindend festhalten lassen wolle. Die Klägerin habe bei der Bezifferung des jedenfalls von ihr beanspruchten Klagebetrages in Höhe von 2.360.508,85 € einen Abzug vom Gewinn der Beklagten (2.648.194,85 €) in Höhe von 287.686 € für denkbar und akzeptabel erachtet. Sie habe zum Ausdruck gebracht, dass sie für die Berechnung des Schadensersatzanspruchs großzügig einen Vertriebskostenanteil von 1 € pro Stuhl (287.686 €) unterstelle, ohne diesen zuzugestehen. Sie habe einen Vertriebskostenanteil in Höhe von 1 € pro Stuhl demnach nicht etwa zugestanden und erst recht nicht neben weiteren Abzugsbeträgen. Sollte daher - entgegen der Auffassung der Klägerin - von dem Verletzergewinn ein Kausalitätsabschlag von 10% vorzunehmen sein, könne der Betrag in Höhe von 287.686 € nicht erneut im Rahmen der Vertriebskosten abgezogen werden; jedenfalls müsse dieser Betrag dann auf den Kausalitätsabschlag angerechnet werden. Damit dringt die Revision der Klägerin nicht durch.
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Es kann dahinstehen, ob die Klägerin sich an der Abzugsposition von 1 € pro Stuhl - die sie nicht zugestanden hat und an der sie sich nicht mehr festhalten lassen will - festhalten lassen muss, weil sie - wie das Berufungsgericht angenommen hat - auf dieser Grundlage ihren Schadensersatzanspruch berechnet und den Klageantrag formuliert und damit die Angemessenheit dieses Abzugsbetrages zum Gegenstand ihres eigenen Sachvortrags gemacht hat. Darauf kommt es nicht an. Das Berufungsgericht hat, von der Revision der Klägerin unangegriffen, festgestellt, dass der Beklagten zu 1 abzugsfähige Vertriebskosten für jeden einzelnen Stuhl entstanden sind. Es hat weiter ausgeführt, es widerspreche jeder Lebenserfahrung, dass der Betrag von 1 € pro verkauftem Stuhl die Vertriebskosten der Beklagten zu 1 abdecke. Das Berufungsgericht hat demnach angenommen, dass der Beklagten zu 1 zumindest Vertriebskosten in Höhe von 1 € pro Stuhl entstanden sind. Diese Beurteilung liegt im Rahmen des tatrichterlichen Schätzungsermessens und lässt keine Rechtsfehler erkennen.
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bb) Die Revision der Beklagten macht ohne Erfolg geltend, das Berufungsgericht dürfe im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO nicht lediglich einen Pauschalabzug von 1 € vornehmen, nachdem es selbst eingeräumt habe, es widerspreche jeder Lebenserfahrung, dass ein Betrag von 1 € pro verkauftem Stuhl die Vertriebskosten der Beklagten abdecke. Das Berufungsgericht darf entgegen der Auffassung der Revision der Beklagten mit Recht davon absehen, nach § 287 ZPO höhere Vertriebskosten als 1 € pro Stuhl zu veranschlagen, wenn es an konkreten Anhaltspunkten für höhere Kosten fehlt (vgl. BGHZ 119, 20, 30 f. - Tchibo/Rolex II).
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4. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, wegen fehlender Kausalität der Urheberrechtsverletzung für den Verletzergewinn sei ein Abschlag von 10% angemessen, ist gleichfalls nicht frei von Rechtsfehlern.
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a) Mit Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Verletzergewinn nur insoweit herauszugeben ist, als er auf der Rechtsverletzung beruht (vgl. für das Urheberrecht BGH, Urt. v. 30.1.1959 - I ZR 82/57, GRUR 1959, 379, 380 - Gasparone; Urt. v. 10.7.1986 - I ZR 102/84, GRUR 1987, 37, 39 f. - Videolizenzvertrag; BGHZ 150, 32, 42 - Unikatrahmen; für das Markenrecht BGH, Urt. v. 6.10.2005 - I ZR 322/02, GRUR 2006, 419 Tz. 15 = WRP 2006, 587 - Noblesse; für das Geschmacksmusterrecht BGH, Urt. v. 13.7.1973 - I ZR 101/72, GRUR 1974, 53, 54 - Nebelscheinwerfer ; BGHZ 145, 366, 375 - Gemeinkostenanteil; für den wettbewerbs- rechtlichen Leistungsschutz BGHZ 119, 20, 29 - Tchibo/Rolex II; BGH GRUR 2007, 431 Tz. 37 - Steckverbindergehäuse). Bei der urheberrechtsverletzenden Verwertung einer Bearbeitung kommt es insoweit maßgeblich darauf an, inwieweit der Entschluss der Käufer zum Erwerb der Bearbeitung gerade darauf zurückzuführen ist, dass diese die Züge erkennen lässt, auf denen der Urheberrechtsschutz des benutzten Werkes beruht. Dabei ist dies nicht im Sinne einer adäquaten Kausalität, sondern - vergleichbar mit der Bemessung der Mitverschuldensanteile im Rahmen des § 254 BGB - im Sinne einer wertenden Zurechnung zu verstehen (BGH GRUR 2007, 431 Tz. 37 - Steckverbindergehäuse ; vgl. OLG Frankfurt GRUR-RR 2003, 274, 278). Für diese ist nicht allein der quantitative Umfang, sondern mehr noch der qualitative Wert des Entnommenen von Bedeutung (BGH GRUR 1959, 379, 382 - Gasparone).
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Die Höhe des Anteils, zu dem der erzielte Gewinn auf der Rechtsverletzung beruht, ist vom Tatrichter gemäß § 287 ZPO nach seinem Ermessen zu schätzen, wenn nicht ausnahmsweise jeglicher Anhaltspunkt für eine Schätzung fehlt (vgl. für das Urheberrecht BGHZ 150, 32, 43 - Unikatrahmen; für das Markenrecht BGH GRUR 2006, 419 Tz. 16 - Noblesse; für den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz BGHZ 119, 20, 30 f. - Tchibo/Rolex II; BGH GRUR 2007, 431 Tz. 38 - Steckverbindergehäuse). Vom Revisionsgericht ist nur zu prüfen, ob die tatrichterliche Schätzung auf grundsätzlich falschen oder offenbar unsachlichen Erwägungen beruht oder ob wesentliche Tatsachen außer Acht gelassen worden sind, insbesondere ob schätzungsbegründende Tatsachen, die von den Parteien vorgebracht worden sind oder sich aus der Natur der Sache ergeben, nicht gewürdigt wurden (vgl. BGH, Urt. v. 6.10.2005 - I ZR 266/02, GRUR 2006, 136 Tz. 24 = WRP 2006, 274 - Pressefotos; GRUR 2007, 431 Tz. 38 - Steckverbindergehäuse). Dies ist hier der Fall.
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b) Die Revision der Beklagten macht zutreffend geltend, dass die Annahme des Berufungsgerichts, eine Quotierung des Gewinns der Beklagten nach dem Maß der technischen bzw. gestalterischen Anteile komme im Streitfall nicht in Betracht, auf Rechtsfehlern beruht.
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aa) Das Berufungsgericht hat im Hinblick darauf, dass es sich bei dem Alpha-Stuhl zwar um eine sehr weitgehende, aber nicht identische Nachbildung des Tripp-Trapp-Stuhls handele, einen Abschlag von 10% vom vollen Verletzergewinn für angemessen erachtet. Es ist demnach erkennbar davon ausgegangen , dass bei einer identischen Nachahmung des Tripp-Trapp-Stuhls der gesamte mit dem Verkauf des Alpha-Stuhls erzielte Gewinn auf der Urheberrechtsverletzung beruhen würde. Davon kann aber jedenfalls bei einer - hier gegebenen - Verletzung der an einem Werk der angewandten Kunst bestehenden urheberrechtlichen Nutzungsrechte nicht ohne weiteres ausgegangen werden.
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bb) Werke der angewandten Kunst unterscheiden sich von Werken der „reinen“ (zweckfreien) Kunst darin, dass sie einem Gebrauchszweck dienen (vgl. BGH, Urt. v. 22.6.1995 - I ZR 119/93, GRUR 1995, 581, 582 = WRP 1995, 908 - Silberdistel). Für die Entscheidung zum Kauf eines Gebrauchsgegenstandes - wie hier eines Kinderhochstuhls - ist, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, regelmäßig nicht nur die ästhetische Gestaltung, sondern auch die technische Funktionalität von Bedeutung. Es kann daher nicht ohne weiteres angenommen werden, dass der durch die identische Nachahmung eines urheberrechtlich geschützten Gebrauchsgegenstandes erzielte Gewinn in vollem Umfang darauf beruht, dass jeder Kaufentschluss - und damit der gesamte Gewinn - allein durch das imitierte Aussehen und nicht durch andere wesentliche Umstände wie etwa die technische Funktionalität oder den niedrigen Preis verursacht worden ist (vgl. zum wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz BGHZ 119, 20, 29 - Tchibo/Rolex II). Es bedarf daher einer besonderen Begründung , weshalb die Entscheidung zum Kauf der unfreien Bearbeitung eines urheberrechtlich geschützten Werkes der angewandten Kunst allein oder auch nur überwiegend davon bestimmt sein soll, dass diese Bearbeitung die Züge erkennen lässt, auf denen der Urheberrechtsschutz des benutzten Werkes beruht. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - hierzu keine Feststellungen getroffen. Es ist Sache der Klägerin, die die Darlegungs - und Beweislast dafür trägt, dass der Verletzergewinn auf der Urheberrechtsverletzung beruht, dazu vorzutragen.
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Anhaltspunkte für eine Gewichtung der für den Kaufentschluss maßgeblichen ästhetischen und funktionalen Merkmale können sich insbesondere aus der Art des Gebrauchsgegenstandes ergeben. So wird der Funktionalität bei Möbeln erfahrungsgemäß eine größere Bedeutung für die Kaufentscheidung zukommen als bei Schmuck. Das Berufungsgericht wird sich daher auch mit dem von der Revision der Beklagten als übergangen gerügten Vorbringen der Beklagten in der Berufungsinstanz zu beschäftigen haben, dass das gestalterische Element eines Kinderstuhls keinesfalls die einzige und nicht einmal die wesentliche Motivation zum Kauf eines bestimmten Stuhles darstelle, vielmehr für um das Wohl ihres Kindes besorgte Eltern die Funktionalität und Sicherheit des Stuhles im Vordergrund stünden und auch der Hauptgrund für den Kauf eines Tripp-Trapp- bzw. Alpha-Hochstuhls seien.
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c) Die vom Berufungsgericht bislang gegebene Begründung trägt nicht dessen Annahme, wegen des abweichenden optischen Eindrucks des AlphaStuhls erscheine ein Kausalitätsabschlag in Höhe von 10% ausreichend.
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aa) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der besondere gestalterische „Witz“ des Tripp-Trapp-Stuhls bestehe darin, dass dieser durch die „L“-Form einen frei schwebenden bzw. ungestützten Charakter vermittele. Dieses Merkmal habe der Alpha-Stuhl durch die eher willkürlich hinzugefügten Stützbalken nicht übernommen. Wegen des abweichenden optischen Eindrucks des AlphaStuhls erscheine ein Abschlag von 10% auf den nicht um die weiteren Gemeinkosten bereinigten Verletzergewinn angemessen, aber auch ausreichend, um den Umsatz- bzw. Gewinnauswirkungen Rechnung zu tragen, die sich aus den - insbesondere gestalterischen - Unterschieden der beiden Stühle ergäben. Hinsichtlich der für diesen Abschlag maßgeblichen gestalterischen Umstände und deren Gewichtung könne auf die Ausführungen des Oberlandesgerichts Hamburg im Vorprozess Bezug genommen werden.
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bb) Diese Ausführungen des Berufungsgerichts lassen nicht hinreichend deutlich erkennen, weshalb ein Kausalitätsabschlag von nur 10% ausreichen soll, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Alpha-Stuhl nicht die „L“Form des Tripp-Trapp-Stuhls übernommen hat. Das Berufungsgericht hat in der „L“-Form den gestalterischen „Witz“ des Tripp-Trapp-Stuhls gesehen, die diesem demnach in besonderem Maße schöpferische Eigenart und damit urheberrechtlichen Schutz verleiht. Es bedarf daher näherer Begründung, weshalb die fehlende Übernahme gerade dieses charakteristischen Merkmals des TrippTrapp -Stuhls keinen höheren Kausalitätsabschlag rechtfertigt. Die Bezugnahme auf die Feststellungen des Oberlandesgerichts Hamburg im Vorprozess vermag insoweit eine eigene Begründung des Berufungsgerichts nicht zu ersetzen.
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Das Oberlandesgericht Hamburg hat sich in seinem Urteil nicht mit der Frage befasst, inwieweit sich die gestalterischen Unterschiede der beiden Stühle auf die Ursächlichkeit der Urheberrechtsverletzung für den Verletzergewinn auswirken. Es hat sich in den im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Passagen seines Urteils vielmehr allein mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Alpha-Stuhl einen so großen Abstand zu den eigenpersönlichen Zügen des Tripp-Trapp-Stuhls einhält, dass es sich bei ihm nicht um eine (unzulässige) unfreie Bearbeitung, sondern um eine (zulässige) freie Benutzung des TrippTrapp -Stuhls handelt. Dabei ist das Oberlandesgericht zutreffend davon ausgegangen , dass zur Beurteilung dieser Frage vor allem auf die Übereinstimmungen und nicht auf die Unterschiede zwischen den Stühlen abzustellen ist (vgl. BGH, Urt. v. 26.9.1980 - I ZR 17/78, GRUR 1981, 267, 269 - Dirlada; Urt. v. 11.3.1993 - I ZR 264/91, GRUR 1994, 191, 193 - Asterix-Persiflagen). Es hat zwar auch Feststellungen zu den Unterschieden in der Gestaltung der Stühle getroffen, die der Beurteilung, inwieweit der Verletzergewinn auf der Urheberrechtsverletzung beruht, zugrunde gelegt werden können. Da das Oberlandesgericht sich im Vorprozess mit dieser Frage jedoch nicht selbst auseinandergesetzt hat, sind hierzu eigene Ausführungen des Berufungsgerichts erforderlich.
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d) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, die Beklagten könnten nicht mit Erfolg geltend machen, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns nur anteilig zu, weil der Tripp-Trapp-Stuhl zum Teil auf vorbekannten Formenschatz zurückgreife. Ein Verletzergewinn, der allein darauf zurückzuführen wäre, dass der Alpha-Stuhl ebenso wie der Tripp-Trapp-Stuhl auf einen vorbekannten Formenschatz zurückgreift, würde allerdings, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, nicht auf der Urheberrechtsverletzung beruhen. Die Klägerin kann für Gestaltungselemente des Tripp-Trapp-Stuhls, die einem vorbekannten Formenschatz zum Zeitpunkt der Schöpfung zuzurechnen sind, keinen urheberrechtlichen Schutz beanspruchen. Die Revision der Beklagten macht vergeblich geltend, das Berufungsgericht hätte danach einen prozentualen Abschlag auf den herauszugebenden Verletzergewinn vornehmen müssen.
38
aa) Die Revision der Beklagten beruft sich ohne Erfolg darauf, das Oberlandesgericht Hamburg habe in seinem Urteil im Vorprozess festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Werkschöpfung des Tripp-Trapp-Stuhls verschiedene Kinderhochstühle bekannt gewesen seien, in denen bereits Stilmittel - insbesondere die „L“-Grundform der Seitenholme in Verbindung mit am Boden verlaufenden Kufen - Verwendung gefunden hätten, die auch im Tripp-Trapp-Stuhl wiederkehrten. Die Revision der Beklagten berücksichtigt nicht, dass das Oberlandesgericht Hamburg - im Zusammenhang mit der Erörterung der Frage, ob dem beanspruchten Urheberrechtsschutz des Tripp-Trapp-Stuhls ein vorbekannter Formenschatz entgegengehalten werden kann - weiter festgestellt hat, dass gerade die Gestaltungsmerkmale, die die ästhetische Wirkung des Tripp-TrappStuhls bestimmten, durch keine der Entgegenhaltungen vorweggenommen worden sei und dass der Tripp-Trapp-Stuhl in seinem ästhetischen Gesamteindruck von allen vorbekannten Formen abweiche.
39
bb) Die Revision der Beklagten macht ferner ohne Erfolg geltend, der Umstand, dass urheberrechtlicher Schutz aufgrund eines Gesamteindrucks bejaht werde, führe - wie sich der „Gasparone“-Entscheidung des Senats (GRUR 1959, 379, 380) entnehmen lasse - nicht ohne weiteres dazu, dass der Verletzergewinn in ungekürzter Höhe herauszugeben sei; vielmehr gelte der Grundsatz , dass der Verletzergewinn nur in der Höhe herauszugeben sei, in welcher er gerade auf der Rechtsverletzung beruhe. Das Berufungsgericht hat angenommen , der dominierende Gesamteindruck des Tripp-Trapp-Stuhls lasse Bezugnahmen auf den vorbekannten Formenschatz in der Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise in den Hintergrund treten. Es hat demnach nicht feststellen können, dass Bezugnahmen des Tripp-Trapp-Stuhls auf den vorbekannten Formenschatz für die Kaufentscheidung der angesprochenen Verkehrskreise von Bedeutung waren. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht unter diesem Gesichtspunkt keinen Abschlag vom Verletzergewinn vorgenommen hat.
40
e) Die Revision der Beklagten macht schließlich ohne Erfolg geltend, das Berufungsgericht hätte bei der Frage, in welcher Höhe die Beklagten zur Herausgabe des erzielten Verletzergewinns verpflichtet sind, auch den geringen Grad des Verschuldens der Beklagten berücksichtigen müssen. Es kann dahinstehen , ob - wie das Berufungsgericht angenommen hat - der Verschuldensgrad für die Haftung auf Herausgabe des Verletzergewinns im Urheberrecht ohne Bedeutung ist (vgl. dazu v. Ungern-Sternberg, GRUR 2008, 291, 298 f.; ders., GRUR 2009, 460, 465). Das Berufungsgericht hat jedenfalls mit Recht angenommen, dass den Beklagten kein geringes Verschulden zur Last fällt.
41
Die Revision der Beklagten beruft sich insoweit vergeblich darauf, die Beklagten hätten den Alpha-Hochstuhl über einen langen Zeitraum mit Kenntnis der Klägerin vertrieben. Das Berufungsgericht hat diesen Umstand mit Recht als unerheblich angesehen. Es hat zutreffend ausgeführt, dass den Beklagten jedenfalls deshalb ein erhebliches Verschulden zur Last fällt, weil sie den Vertrieb des Alpha-Stuhls fortgesetzt haben, nachdem die Klägerin sie im Jahre 1997 wegen einer Urheberrechtsverletzung abgemahnt hatte. Die Revision der Beklagten macht weiter vergeblich geltend, die Beklagten hätten den TrippTrapp -Stuhl nicht identisch nachgeahmt. Auch darauf kommt es nicht an. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass es sich bei dem AlphaStuhl um eine sehr weitgehende Übernahme und einen gezielten Nachbau des Tripp-Trapp-Stuhls handelt. Unter diesen Umständen ist es entgegen der Ansicht der Revision der Beklagten nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den Beklagten eine vorsätzliche Rechtsverletzung angelastet hat.
42
5. Die Revision der Klägerin rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht zunächst den Kausalitätsabschlag vorgenommen und erst danach die Vertriebskosten abgezogen hat.
43
a) Das Berufungsgericht hat insoweit ausgeführt: Weil der Gesamtgewinn von 2.648.194,85 € nicht vollständig auf der Urheberrechtsverletzung beruhe , seien davon 10% (264.819,49 €) abzuziehen, so dass der Klägerin ein Gewinnanteil von 2.383.375,36 € zustehe. Dieser Gewinnanteil sei weiter um die der Beklagten erwachsenen Gemeinkosten von 1 € pro verkauftem Stuhl (287.686 €) zu kürzen, so dass sich ein Schadensersatzbetrag von 2.095.689,36 € errechne.
44
b) Die vom Berufungsgericht gewählte Berechnungsreihenfolge ist nicht richtig, weil sie dazu führt, dass sich der Kausalitätsabschlag auf die abzugsfähigen Kosten erstreckt. Richtigerweise ist der Kausalitätsabschlag auf den Verletzergewinn zu beschränken. Von dem Gesamtgewinn sind daher zunächst die abzugsfähigen Kosten abzuziehen; erst danach ist der Verletzergewinn um den Kausalitätsabschlag zu vermindern. Damit ergibt sich folgende Berechnung: Der Gesamtgewinn von 2.648.194,85 € ist jedenfalls um die Vertriebskosten von 1 € pro verkauftem Stuhl (287.686 €) zu kürzen, so dass sich ein Verletzergewinn von höchstens 2.360.508,85 € errechnet. Hiervon ist zumindest ein Kausalitätsabschlag von 10% (236.050,88 €) vorzunehmen, so dass der Schadensersatzanspruch bis zu 2.124.457,97 € beträgt.
45
III. Auf die Revisionen der Parteien ist danach das Berufungsurteil unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Klägerin aufzuheben, soweit das Berufungsgericht die Beklagten zur Zahlung eines höheren Betrages als 650.329,93 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage in Höhe von 28.768,61 € nebst Zinsen abgewiesen hat. Der Klägerin stehen Schadensersatzansprüche von bis zu 2.124.457,97 € zu. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
46
Für das weitere Verfahren wird darauf hingewiesen, dass - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - der Verletzergewinn auch durch Schadensersatzzahlungen geschmälert wird, die die Beklagte zu 1 ihren Abnehmern wegen deren Inanspruchnahme durch die Klägerin leistet:
47
1. Bei der Bemessung des Schadensersatzanspruchs des Verletzten gegen den Hersteller der rechtsverletzenden Gegenstände auf Herausgabe des Verletzergewinns sind allerdings Ersatzzahlungen, die der Hersteller deshalb an seine Abnehmer leistet, weil diese am Weitervertrieb der rechtsverletzenden Gegenstände gehindert sind, nicht abzuziehen. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass bei der Bemessung des Schadensersatzes anhand des Verletzergewinns fingiert wird, der Rechtsinhaber hätte ohne die Rechtsverletzung durch Verwertung seines Schutzrechts den gleichen Gewinn wie der Verletzer erzielt. Ein Gewinn des Rechtsinhabers wäre jedoch nicht durch Schadensersatzzahlungen an seine Abnehmer geschmälert worden (BGHZ 150, 32, 44 - Unikatrahmen).
48
2. Anders verhält es sich bei Ersatzzahlungen, die der Hersteller deshalb an seine Abnehmer leistet, weil der Rechtsinhaber die Abnehmer wegen des Weitervertriebs der rechtsverletzenden Gegenstände auf Schadensersatz in Anspruch genommen hat. Hat der Rechtsinhaber nicht nur von den Abnehmern, sondern auch vom Hersteller Schadensersatz in Form der Herausgabe des Verletzergewinns verlangt und erhalten, erzielt er infolge der unbefugten Verwertungen seines Schutzrechts einen höheren Gewinn, als er ohne diese Rechtsverletzungen erzielt hätte.
49
a) Diese Besserstellung des Verletzten ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns ist kein Anspruch auf Ersatz des konkret entstandenen Schadens, sondern zielt in anderer Weise auf einen billigen Ausgleich des Vermögensnachteils, den der verletzte Rechtsinhaber erlitten hat. Es wäre unbillig, dem Verletzer einen Gewinn zu belassen, der auf der unbefugten Nutzung des Ausschließlichkeitsrechts beruht. Die Abschöpfung des Verletzergewinns dient zudem der Sanktionierung des schädigenden Verhaltens und auf diese Weise der Prävention gegen eine Verletzung der besonders schutzbedürftigen Immaterialgüterrechte (BGHZ 145, 366, 371 f. - Gemeinkostenanteil, m.w.N.).
50
Es stünde im Widerspruch zu diesem, dem Schadensausgleich durch Herausgabe des Verletzergewinns zugrunde liegenden Rechtsgedanken, wenn einzelne Verletzer innerhalb einer Verletzerkette ihren durch widerrechtliche und schuldhafte Verletzung eines Schutzrechts erzielten Gewinn behalten dürften , soweit der Verletzte bereits von anderen Verletzern deren Verletzergewinn herausverlangt hat. Der Verletzer eines Schutzrechts hat keinen schützenswerten Anspruch auf Erzielung oder Einbehalt eines Gewinns aus einer schutzrechtsverletzenden Handlung. Jeder Verletzer muss daher seinen gesamten Gewinn auskehren, unabhängig davon, ob der Verletzte den von den Verletzern erzielten Gewinn selbst hätte erzielen können (vgl. BGHZ 145, 366, 375 - Gemeinkostenanteil , m.w.N.).
51
b) Die Besserstellung des Verletzten ist allerdings nicht gerechtfertigt, wenn der Hersteller seinen Abnehmern wegen deren Inanspruchnahme durch den Rechtsinhaber Schadensersatz leistet. Nehmen die Abnehmer den Hersteller mit Erfolg in Regress, lässt sich eine Berechtigung des Verletzten, den vollen Verletzergewinn sowohl der Abnehmer als auch des Herstellers zu verlangen und zu behalten, nicht mit der Erwägung rechtfertigen, dass es unbillig wäre , dem Verletzer einen Gewinn zu lassen, der auf der unbefugten Nutzung eines Schutzrechts beruht. Denn der auf der unbefugten Nutzung des Schutzrechts beruhende Gewinn des Herstellers wird aufgezehrt, soweit er seinen Ab- nehmern wegen deren Inanspruchnahme durch den Verletzer Schadensersatz leistet. Die Haftung des Herstellers wird daher - wenn der Schaden nach dem Verletzergewinn berechnet wird - durch den von ihm erwirtschafteten Gewinn nicht nur begründet, sondern auch begrenzt. Daraus folgt:
52
Hat der Hersteller seinen Abnehmern wegen deren Inanspruchnahme durch den Rechtsinhaber Schadensersatz geleistet, bevor er vom Rechtsinhaber auf Herausgabe des Verletzergewinns in Anspruch genommen wird, ist der vom Hersteller an den Rechtsinhaber als Schadensersatz herauszugebende Verletzergewinn von vornherein um den an die Abnehmer gezahlten Schadensersatz gemindert. Hat der Hersteller dem Rechtsinhaber den Verletzergewinn herausgegeben, bevor er seinen Abnehmern wegen deren Inanspruchnahme durch den Rechtsinhaber Schadensersatz leistet, kann er vom Rechtsinhaber wegen späteren Wegfalls des rechtlichen Grundes für die Leistung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 BGB die Herausgabe des überzahlten Verletzergewinns beanspruchen. Dieser Bereicherungsanspruch des Herstellers ent- steht mit der Erfüllung der Regressforderung der Abnehmer; er ist, soweit erforderlich , in einem gesonderten Prozess - gegebenenfalls im Wege der Vollstreckungsgegenklage - geltend zu machen.
Bornkamm Pokrant Büscher
Bergmann Koch

Vorinstanzen:

LG Hamburg, Entscheidung vom 09.07.2004 - 308 O 269/03 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 24.04.2006 - 5 U 133/04 -

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Bundesgerichtshof Urteil, 14. Mai 2009 - I ZR 99/06 zitiert 5 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung


(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit e

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 254 Mitverschulden


(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem

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(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mi

Zivilprozessordnung - ZPO | § 531 Zurückgewiesene und neue Angriffs- und Verteidigungsmittel


(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen. (2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie1.einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht

Urheberrechtsgesetz - UrhG | § 97 Anspruch auf Unterlassung und Schadensersatz


(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch a

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Bundesgerichtshof Urteil, 06. Okt. 2005 - I ZR 322/02

bei uns veröffentlicht am 06.10.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 322/02 Verkündet am: 6. Oktober 2005 Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ : nein BGHR

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Okt. 2005 - I ZR 266/02

bei uns veröffentlicht am 06.10.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 266/02 Verkündet am: 6. Oktober 2005 Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: j

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(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.

(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Urheber, Verfasser wissenschaftlicher Ausgaben (§ 70), Lichtbildner (§ 72) und ausübende Künstler (§ 73) können auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine Entschädigung in Geld verlangen, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 322/02 Verkündet am:
6. Oktober 2005
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Noblesse

a) Berechnet der Markeninhaber den durch eine Verletzung seiner Marke entstandenen
Schaden nach dem vom Verletzer erzielten Gewinn, besteht der
Schaden nur in dem Anteil des Gewinns, der gerade auf der Benutzung seines
Schutzrechts beruht. Kennzeichnet der Verletzer seine Waren zugleich mit
seiner Marke, kann in einem solchen Fall der Mindestschaden in Form einer
Quote des Verletzergewinns nach § 287 ZPO geschätzt werden.

b) Kommt für die Ermittlung des Schadens eine Schätzung in Betracht, ist der
Verletzer nicht verpflichtet, über Einzelheiten seiner Kalkulation Auskunft zu
erteilen, da die Schätzung auch auf der Grundlage der Umsätze und gegebenenfalls
grob ermittelter Gewinne erfolgen kann.

c) Eine Anwendung der Grundsätze der Gemeinkostenanteil-Entscheidung
(BGHZ 145, 366) ist im Kennzeichenrecht nicht ausgeschlossen.
BGH, Urt. v. 6. Oktober 2005 – I ZR 322/02 – OLG Hamm
LG Bochum
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Oktober 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die
Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 26. September 2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Mit der vorliegenden Vollstreckungsgegenklage wendet sich die Klägerin gegen die weitere Vollstreckung aus einem rechtskräftigen Urteil, das in einer Markensache gegen sie ergangen ist.
2
Die Klägerin ist eine bekannte Herstellerin von Schneidwaren. Sie vertreibt ihre Produkte u.a. unter den Wortmarken „Zwilling“ und „Die Schneidigen von ZWILLING“ sowie unter einer Bildmarke ( ). In den Jahren 1983 bis 1996 kenn- zeichnete sie ihre Serie „Die Schneidigen von ZWILLING“ häufig zusätzlich mit dem Zeichen „noblesse“.
3
Die Beklagte ist Inhaberin der für Essbestecke eingetragenen deutschen Marke „Noblesse“ (Priorität: 9. März 1963). Wegen Verletzung dieser Marke nahm die Beklagte die Klägerin im Vorprozess in Anspruch. Dort wurde die Klägerin zur Unterlassung verurteilt und ihre Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz festgestellt. Im Hinblick auf diese Verpflichtung wurde die Klägerin verurteilt, der Beklagten über den Umfang der in Rede stehenden Handlungen Auskunft zu erteilen , „und zwar unter genauer Angabe der einzelnen Lieferungen unter Nennung … des erzielten Gewinns“.
4
Im Vollstreckungsverfahren stritten die Parteien darüber, ob die Klägerin die nach diesem Urteil geschuldete Auskunft erteilt hat. Nachdem gegen sie ein Zwangsgeld in Höhe von 20.000 DM festgesetzt worden war, beauftragte die Klägerin Wirtschaftsprüfer damit, den erzielten Gewinn zu ermitteln. Die Wirtschaftsprüfer ermittelten den Gesamtumsatz mit den unter der zusätzlichen Kennzeichnung „noblesse“ vertriebenen Produkten in einem der Beklagten überlassenen zusammenfassenden Bericht vom 28. Mai 2001 mit 57.563.000 DM und errechneten den auf diese Umsätze entfallenden Gewinn mit 1.417.000 DM. Nach ihren Angaben wurde dabei ein Schätzverfahren eingesetzt, weil die Klägerin in der fraglichen Zeit noch nicht über eine Buchhaltung mit artikelbezogener Kostenträgerrechnung auf Vollkostenbasis verfügte. Dem Bericht war eine Aufstellung beigefügt , der sich die Verteilung der genannten Zahlen auf die Geschäftsjahre 1983 bis 1996 entnehmen ließ. Die Beklagte vertrat die Ansicht, dass diese Gewinnermittlung als Auskunft unzureichend sei, und beantragte die Vollstreckung des bereits festgesetzten Zwangsgeldes sowie die Verhängung eines weiteren Zwangsgeldes.
5
Gegen die drohende weitere Vollstreckung aus dem Urteil sowie aus dem bereits erwirkten Zwangsmittelbeschluss wendet sich die Klägerin mit der Vollstreckungsgegenklage. Sie ist der Ansicht, dass sie die geschuldete Auskunft durch die Übersendung der zusammenfassenden Gewinnermittlung erteilt habe.
6
Die Klägerin hat beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem zugrunde liegenden Urteil im Hinblick auf den Auskunftsanspruch über den erzielten Gewinn sowie aus dem Zwangsmittelbeschluss für unzulässig zu erklären.
7
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat ihrerseits eine Stellungnahme von Wirtschaftsprüfern vorgelegt, nach der sich die Roherträge der Umsätze mit den Produkten, die mit „noblesse“ gekennzeichnet waren, auf über 40 Mio. DM belaufen.
8
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Hiergegen richtet sich die (vom Senat zugelassene) Revision der Beklagten, mit der sie den Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


9
I. Das Berufungsgericht hat die erteilte Auskunft als ausreichend angesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
10
Die Klägerin habe gegenüber der weiteren Vollstreckung mit Recht den Erfüllungseinwand erhoben. Die geschuldete Auskunft über den erzielten Gewinn sei mit der Übersendung des Wirtschaftsprüferberichts vom 28. Mai 2001 erteilt worden. In welchem Umfang eine Auskunft zu erteilen sei, hänge davon ab, welchen Schadensersatzanspruch die Auskunft vorbereiten solle. Im Kennzeichenrecht sei eine detaillierte Berechnung des Verletzergewinns als Schadensgrundlage nicht die Regel; sie sei nur dort erforderlich, wo der Verletzergewinn in vollem Umfang und ausschließlich Folge der Rechtsverletzung sei. Im Kennzeichenrecht sei demgegenüber eine Schätzung erforderlich, in welchem Umfang der erzielte Gewinn auf der Kennzeichenverletzung beruhe. Daher sei eine Auskunft ausreichend, die eine solche Schätzung ermögliche. Die Klägerin sei aufgrund der Verurteilung zur Auskunft nicht verpflichtet gewesen, über getätigte Umsätze und aufgewandte Kosten Rechnung zu legen. Auch die in den Fixkosten enthaltenen Gemeinkosten habe sie nicht mitteilen müssen. Mit dem Einwand, die erteilte Auskunft sei unrichtig , könne die Beklagte nicht gehört werden.
11
Dieser Rechtsauffassung stehe die Gemeinkostenanteil-Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht entgegen. Denn die Frage, ob die Gemeinkosten in Abzug zu bringen seien, betreffe die Richtigkeit der Auskunft. Im Übrigen sei die Gemeinkostenanteil-Entscheidung für den Streitfall nicht einschlägig, weil es dort um eine identische Nachbildung eines geschützten Geschmacksmusters gegangen sei und der Unternehmensgewinn daher dem Verletzergewinn entsprochen habe. Im Streitfall könne die Beklagte dagegen nur den Bruchteil des Gewinns abschöpfen , der auf der Verletzungshandlung beruhe. Schließlich sei es der Klägerin nicht zumutbar, der Beklagten durch eine detaillierte Auskunft Einblick in die innerbetrieblichen Verhältnisse zu geben, obwohl anschließend ohnehin nur eine grobe Schätzung möglich sei.
12
Die Vollstreckungsgegenklage sei auch begründet, soweit es um die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Zwangsgeldbeschluss gegangen sei. Denn dieser Beschluss beziehe sich auf die Auskunft über den erzielten Gewinn.
13
II. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. Mit Recht hat das Berufungsgericht die erteilte Auskunft als hinreichend angesehen mit der Folge, dass eine weitere Vollstreckung aus dem zugrunde liegenden Titel unzulässig geworden ist (§ 767 Abs. 1 ZPO). http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=GRUR&B=1973 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=GRUR&B=1973&S=375 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=GRUR&B=1973&S=375&I=377 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=WRP&B=1973 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=WRP&B=1973&S=213 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=BGHZ&B=60 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=BGHZ&B=60&S=206 - 6 -
14
1. Das Berufungsgericht hat seiner Beurteilung zutreffend zugrunde gelegt, dass es dem Verletzten freisteht, zur Berechnung des zu fordernden Schadensersatzes im Kennzeichenrecht – ebenso wie im Falle der Verletzung anderer Schutzrechte – zwischen dem konkreten Schaden (vor allem dem entgangenen Gewinn) und einem abstrakten Schaden (Lizenzanalogie oder Verletzergewinn) zu wählen (BGH, Urt. v. 24.2.1961 – I ZR 83/59, GRUR 1961, 354 – Vitasulfal, zum Warenzeichenrecht; BGHZ 60, 206, 208 – Miss Petite, zum Firmenrecht; Ingerl /Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., Vor §§ 14-19 Rdn. 112; Hacker in Ströbele /Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 14 Rdn. 300). Im Streitfall hat sich die Beklagte für die Herausgabe des Verletzergewinns entschieden. Dies wirkt sich auf den Umfang des Auskunftsanspruchs aus, weil für die Berechnung des Schadens auf der Grundlage des Verletzergewinns zusätzliche Informationen benötigt werden. Art und Umfang der Auskunftspflicht sind jedoch im Einzelfall nach den durch Treu und Glauben gebotenen Maßstäben abzugrenzen, insbesondere auch danach, ob die geforderte Auskunft in einem sinnvollen Verhältnis zu dem Wert stehen, die sie für die Schätzung des geltend gemachten Schadens hat (BGH, Urt. v. 16.2.1973 – I ZR 74/71, GRUR 1973, 375, 378 = WRP 1973, 213 – Miss Petite, insoweit nicht in BGHZ 60, 206).
15
2. Berechnet der Verletzte seinen Schaden anhand des erzielten Verletzergewinns ist bei allen Schutzrechten, insbesondere aber im Falle von Kennzeichenrechtsverletzungen , zu beachten, dass sich der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns stets nur auf den Anteil des Gewinns bezieht, der gerade auf der Benutzung des fremden Schutzrechts beruht (BGHZ 150, 32, 42 – Unikatrahmen, zum Urheberrecht; 145, 366, 375 – Gemeinkostenanteil, zum Geschmacksmusterrecht ). Bei Kennzeichenrechtsverletzungen kommt daher häufig eine Herausgabe des gesamten mit dem widerrechtlich gekennzeichneten Gegenstand erzielten Gewinns nicht in Betracht, weil der geschäftliche Erfolg in vielen Fällen nicht aus- schließlich oder noch nicht einmal überwiegend auf der Verwendung des fremden Kennzeichens beruht. Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht davon ausgegangen , dass gerade auch im Streitfall der erzielte Umsatz nur zu einem Bruchteil auf der Verwendung des fremden Zeichens „noblesse“ beruhen kann. Denn die fremde Kennzeichnung war im vorliegenden Fall nicht der einzige Herkunftshinweis ; vielmehr hat die Klägerin, die selbst als Herstellerin von Schneidwaren bekannt und angesehen ist, ihre Waren stets mit ihren eigenen kennzeichnungskräftigen Marken versehen und das fremde Zeichen hinzugefügt.
16
3. Beruht der vom Verletzer erzielte Gewinn nur zu einem kleinen Teil auf der Schutzrechtsverletzung, kann der Schaden in Form einer Quote des Gewinns nach § 287 ZPO geschätzt werden, wenn nicht ausnahmsweise jeglicher Anhaltspunkt für eine Schätzung fehlt (vgl. BGHZ 119, 20, 30 f. – Tchibo/Rolex II, zum wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz; 150, 32, 43 – Unikatrahmen, zum Urheberrecht ; Ingerl/Rohnke aaO Vor §§ 14-19 Rdn. 114).
17
4. Der Umstand, dass nicht der gesamte mit dem Absatz der widerrechtlich gekennzeichneten Ware erzielte Gewinn herausverlangt werden kann, hat Auswirkungen auch auf den Umfang des Auskunftsanspruchs. Dabei ist zu berücksichtigen , dass der Verletzer regelmäßig ein Interesse hat, seine Kalkulation und seine Gewinnspanne gegenüber dem Mitbewerber geheim zu halten. Zwar muss http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=GRUR&B=1973 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=GRUR&B=1973&S=375 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=GRUR&B=1973&S=375&I=377 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=BGHZ&B=60 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=BGHZ&B=60&S=206 - 8 - dieses Interesse grundsätzlich zurückstehen, wenn der Verletzte auf die Angaben angewiesen ist, um seinen Schaden zu berechnen. Kommt aber ohnehin nur eine grobe Schätzung in Betracht, ist dem Verletzer eine Offenbarung von Geschäftsinterna meist nicht zuzumuten, da diese Schätzung auch auf der Grundlage der Umsätze und gegebenenfalls grob ermittelter Gewinne erfolgen kann (vgl. BGH GRUR 1973, 375, 378 – Miss Petite, insoweit nicht in BGHZ 60, 206; Urt. v. 27.9.1990 – I ZR 87/89, GRUR 1991, 153, 155 = WRP 1991, 151 – Pizza & Pasta; Ingerl/Rohnke aaO Vor §§ 14-19 Rdn. 138; Hacker in Ströbele/Hacker aaO § 14 Rdn. 322; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 38 Rdn. 14 f. und Kap. 39 Rdn. 4). So verhält es sich im Streitfall.
18
5. Der Umstand, dass in Kennzeichenstreitsachen über den Verletzergewinn häufig keine detaillierten Angaben gemacht zu werden brauchen, bedeutet allerdings nicht, dass eine Anwendung der Grundsätze der GemeinkostenanteilEntscheidung (BGHZ 145, 366) im Kennzeichenrecht ausgeschlossen wäre. Zum einen kann auch im Fall einer Verletzung von Kennzeichenrechten der erzielte Gewinn – etwa bei der Benutzung einer Prestigemarke oder einer dreidimensionale Marke – fast ausschließlich auf der Verwendung des fremden Kennzeichens beruhen (vgl. Ingerl/Rohnke aaO Vor §§ 14-19 Rdn. 114). Zum anderen kann der Verletzer gegenüber einer – aus seiner Sicht ungünstigen – Schätzung einwenden , keinen oder einen deutlich niedrigeren Gewinn mit den widerrechtlich gekennzeichneten Gegenständen erzielt zu haben. In diesem Fall muss aber der Verletzer von sich aus die Einzelheiten seiner Kalkulation offen legen, damit die Richtigkeit seines Einwands überprüft werden kann. Bei dieser Überprüfung ist von den Grundsätzen der Gemeinkostenanteil-Entscheidung auszugehen.
19
6. Unter diesen Umständen ist es von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die erteilte Auskunft als ausreichend erachtet und deswegen die weitere Zwangsvollstreckung aus dem Urteil für unzulässig erklärt hat.
20
Im Ergebnis ohne Erfolg weist die Revision darauf hin, dass der Titel, aus dem die Beklagte gegen die Klägerin vorgeht, ungeachtet der Besonderheiten, die im Kennzeichenrecht für den Auskunftsanspruch gelten (dazu oben unter 4.), eine Verpflichtung zur Auskunft „unter Nennung des erzielten Gewinns“ enthält. Dieser Verpflichtung ist die Klägerin dadurch nachgekommen, dass sie den Bericht ihrer Wirtschaftsprüfer vorgelegt hat, die für die Jahre 1983 bis 1996 den Umsatz und den (geschätzten) Gewinn aufgelistet haben, den die Klägerin mit den das Markenrecht der Beklagten verletzenden Produkten gemacht hat. Mit Recht weist das Berufungsgericht darauf hin, dass die Klägerin nicht zur Rechnungslegung verurteilt worden ist und von ihr keine Aufschlüsselung der einzelnen Kostenbeiträge verlangt werden kann. Soweit die Beklagte die Richtigkeit der erteilten Auskunft bestreitet, kann sie damit im Verfahren der Vollstreckungsgegenklage nicht gehört werden.
21
7. Ebenfalls mit Recht hat das Berufungsgericht die Vollstreckungsgegenklage auch insoweit für zulässig und begründet gehalten, als sich die Klägerin gegen die Vollstreckung des festgesetzten Zwangsgeldes mit dem Erfüllungseinwand zur Wehr setzen möchte. Unabhängig davon, ob dieser Einwand im Vollstreckungsverfahren zuzulassen ist (vgl. dazu Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 888 Rdn. 11; ferner BGHZ 161, 67, 71 f. zu § 887 Abs. 1 ZPO), ist der Schuldner jedenfalls nicht gehindert, ihn mit der Vollstreckungsgegenklage zu erheben (vgl. BayObLG NZM 2000, 302 f.).
22
III. Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Ullmann v.Ungern-Sternberg Bornkamm
Pokrant Schaffert
Vorinstanzen:
LG Bochum, Entscheidung vom 29.01.2002 - 17 O 34/01 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 26.09.2002 - 4 U 63/02 -

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 266/02 Verkündet am:
6. Oktober 2005
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Pressefotos

a) Bei der Festsetzung einer angemessenen Lizenzgebühr ist es naheliegend,
branchenübliche Vergütungssätze und Tarife als Maßstab heranzuziehen,
wenn sich in dem entsprechenden Zeitraum eine solche Übung herausgebildet
hat.

b) Zur Frage, ob die nach der Lizenzanalogie zu bemessende Höhe des Schadensersatzes
, der für die rechtswidrige Vervielfältigung und Verbreitung von
Lichtbildern in einer Tageszeitung zu leisten ist, nach den Honorarempfehlungen
der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing (MFM-Empfehlungen)
bestimmt werden kann.
BGH, Urt. v. 6. Oktober 2005 - I ZR 266/02 - LG Berlin
AG Charlottenburg
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Oktober 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann
und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und
Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin vom 27. August 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Im Verlag der Beklagten zu 1 erscheint die Zeitung " T. " in einer Auflage von etwa 130.000 Stück. Die Beklagte zu 2 verlegt die Regionalzeitung "P. (im " Folgenden: "P. "), die eine Auflage von etwas über 10.000 Stück hat.
2
Der Kläger ist freiberuflicher Fotograf. Er hat der Beklagten zu 1 eine Vielzahl von ihm gefertigter Fotos gegen eine Vergütung von jeweils 100 DM für den "T. " zur Verfügung gestellt.
3
Die Beklagte zu 2 vervielfältigte in den Jahren 1995 bis 1998 ohne Einwilligung des Klägers 43 seiner bereits im "T. " erschienenen Fotos in den "P. ". Durch Urteil des Landgerichts Berlin vom 14. Oktober 1999 (16 O 98/99) wurde deshalb u.a. festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger Schadensersatz für den Abdruck von Fotos in den "P. " zu leisten, die bis zum 14. September 1999 im "T. " abgedruckt worden sind. Die Berufung der (damaligen und jetzigen) Beklagten gegen diese Verurteilung hat das Kammergericht rechtskräftig zurückgewiesen. Die Beklagte zu 1 hat dem Kläger daraufhin für jedes seiner auch in den "P. " vervielfältigten Fotos etwa 8 DM (zzgl. MwSt) gezahlt.
4
Im vorliegenden Verfahren streiten die Parteien um die Höhe des Schadensersatzanspruchs für den ungenehmigten Abdruck der Fotos in den "P. ".
5
Der Kläger berechnet seinen Schadensersatzanspruch nach der sog. Lizenzanalogie. Eine Vergütung von 130 DM bis 160 DM pro Foto, mindestens jedoch in Höhe von 100 DM, sei angemessen und üblich. Der Kläger beruft sich dafür auf die Honorarempfehlungen der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing (MFM), die in der Zeit von 1995 bis 1998 bei Zeitungsauflagen von über 100.000 Stück je nach Größe des abgedruckten Fotos Honorare zwischen 150 DM und 190 DM angesetzt haben.
6
Der Kläger hat vor dem Amtsgericht beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 4.730,27 DM nebst Zinsen zu bezahlen.
7
Die Beklagten haben demgegenüber vorgetragen, bei der Bemessung einer angemessenen und üblichen Vergütung sei zu berücksichtigen, dass sie untereinander für ihre Zeitungen einen Mantellieferungsvertrag geschlossen hätten. Danach übernähmen die "P. " vom "T. (praktisch " unverändert ) insbesondere den Politik- und den Wirtschaftsteil, die Medienseite und den "Blick in die Welt". Neu gestaltet würden lediglich die Titelseite, der BerlinTeil und die Brandenburg-Seite. Die "P. " seien dementsprechend zu 75 % mit dem "T. " inhaltsgleich. Die 43 in den "P. " abgedruckten Fotos des Klägers seien Teil der Mantellieferungen gewesen. Die angemessene Vergütung sei danach in der Weise zu bestimmen, dass die Auflagen von "P. " und "T. " zusammenzurechnen und das für den "T. " vereinbarte Honorar von 100 DM pro Bild anteilig entsprechend der Gesamtauflage zu erhöhen sei. Mit der vorprozessualen Zahlung von etwas über 8 DM pro Foto sei der Schadensersatzanspruch des Klägers jedenfalls erfüllt.
8
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen.
9
Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht der Klage stattgegeben.
10
Mit ihrer (vom Berufungsgericht zugelassenen) Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, begehren die Beklagten, das Urteil des Amtsgerichts wiederherzustellen.

Entscheidungsgründe:


11
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass der Kläger von den Beklagten verlangen könne, als Schadensersatz in Höhe der angemessenen Lizenzgebühr weitere 2.418,55 € und die beantragten Zinsen zu bezahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
12
Über den Grund des Anspruchs sei bereits rechtskräftig entschieden. Der Abdruck der Fotos des Klägers in den "P. " habe dessen Lichtbildrechte (§ 72 UrhG) verletzt. Diese Rechtsverletzung hätten die Beklagten gemeinschaftlich begangen. Beide hätten schuldhaft gehandelt, die Beklagte zu 2, weil sie sich nicht des Rechts zum Abdruck vergewissert habe, die Beklagte zu 1, weil sie sich nicht darüber unterrichtet habe, ob sie berechtigt sei, die Fotos an die Beklagte zu 2 zum Abdruck weiterzugeben.
13
Als angemessene Lizenzgebühr stehe dem Kläger eine Vergütung von 100 DM für jedes Foto zu, das unberechtigt in den "P. " abgedruckt worden sei (insgesamt 4.300 DM). Da der Rechtseingriff im Abdruck in den "P. " liege , komme es dabei allein darauf an, zu welchen (üblichen und angemessenen ) Bedingungen der Kläger mit der Beklagten zu 2 einen Lizenzvertrag geschlossen hätte. Wegen der Eigenständigkeit der Beklagten zu 2 sei es unerheblich , dass die Fotos auch im "T. " vervielfältigt und verbreitet wor- den seien. Der Umstand, dass die Beklagte zu 1 an der Rechtsverletzung mitgewirkt habe, könne der Beklagten zu 2 nicht zugute kommen.
14
Bei der Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs seien die Honorarsätze zugrunde zu legen, die von der Mittelstandsgemeinschaft FotoMarketing (MFM) empfohlen würden. Diese Empfehlungen enthielten eine Zusammenstellung der marktüblichen Honorare und gäben die Verkehrssitte zwischen Bildagenturen und freien Fotografen auf der einen und Verwertern auf der anderen Seite wieder. Einzelne Gegenbeispiele von Zeitungen, die ein geringeres Honorar zahlten, stünden dem nicht entgegen. Es komme nicht darauf an, ob die Beklagte zu 2 selbst - wie sie behaupte - für die Erlaubnis zum Abdruck von Fotos bei einer Erstlizenzierung nur 30 DM zahle, und ob es auch andere Zeitungen im Brandenburger Raum gebe, die Honorare unter 100 DM zahlten.
15
Es sei unerheblich, ob die "P. " eine Mantelzeitung seien, die vom "T. " beliefert werde, und ob die streitgegenständlichen Fotos zu den Mantellieferungen gehört hätten. Als Nutzerin hätte die Beklagte zu 2 selbst vom Kläger Lizenzen erwerben und dann den Honorarsatz zahlen müssen, der für Tageszeitungen der Auflagenstärke der "P. " üblich sei. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Kläger für die Verbreitung der Fotos im "T. " (nur) jeweils 100 DM erhalten habe und die "P. " auflagenschwächer seien.
16
Der Kläger habe im Rahmen des Schadensersatzes nach der Lizenzanalogie auch Anspruch auf Verzinsung der angemessenen Lizenzgebühr.
17
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
18
1. Aufgrund des rechtskräftig gewordenen Urteils des Kammergerichts vom 24. Juli 2001 steht die Verpflichtung der Beklagten fest, dem Kläger dafür Schadensersatz zu leisten, dass von ihm gefertigte Fotos, die bis zum 14. September 1999 im "T. " abgedruckt wurden, auch mit den "P. " vervielfältigt und verbreitet worden sind (§§ 16, 17, 97 UrhG). Zu dem materiell rechtskräftigen Urteilsinhalt gehört auch die Feststellung der Verletzungshandlung (vgl. BGHZ 82, 299, 304 - Kunststoffhohlprofil II).
19
a) Der Umfang der materiellen Rechtskraft eines formell rechtskräftigen Titels ist bei einem mit Tatbestand und Entscheidungsgründen versehenen Urteil diesem zu entnehmen. Unklarheiten des rechtskräftigen Urteils können durch Auslegung anhand des Tatbestands und der Entscheidungsgründe beseitigt werden (vgl. BGHZ 159, 66, 69 - Taxameter; BGH, Urt. v. 16.4.2002 - KZR 5/01, GRUR 2002, 915, 916 = WRP 2002, 1082 - Wettbewerbsverbot in Realteilungsvertrag, jeweils m.w.N.).
20
b) Nach dem Urteil des Kammergerichts besteht die zum Schadensersatz verpflichtende Verletzungshandlung nicht nur in der Vervielfältigung von Fotos des Klägers in den "P. " (§ 16 UrhG), sondern auch in deren Verbreitung mit den Exemplaren dieser Zeitung (§ 17 UrhG). Die Urteilsformel bezeichnet als Verletzungshandlung das "Abdrucken" von Fotos des Klägers. Aus den Entscheidungsgründen des Kammergerichts ergibt sich, dass damit sowohl die Vervielfältigung als auch das Verbreiten als Verletzungshandlungen gemeint sind.
21
c) Entgegen der Ansicht der Revision steht ebenfalls rechtskräftig fest, dass die zum Schadensersatz verpflichtenden Verletzungshandlungen der Beklagten zu 2 in ausschließliche Verwertungsrechte des Klägers aus § 72 UrhG eingegriffen haben. Nach dem Urteil des Kammergerichts ist davon auszuge- hen, dass dessen Verwertungsrechte nicht durch die Einräumung ausschließlicher Nutzungsrechte an die Beklagte zu 1 beschränkt worden sind.
22
d) Beide Beklagten haften nach dem rechtskräftigen Feststellungsurteil gemäß § 97 Abs. 1 UrhG auf Ersatz des vollen Schadens. Die Beklagte zu 2 haftet als Täterin, weil sie die rechtsverletzenden Nutzungshandlungen selbst vorgenommen hat. Die Beklagte zu 1 ist schadensersatzpflichtig als Teilnehmerin , weil sie die Fotos des Klägers für den Abdruck in den "P. " zur Verfügung gestellt hat und damit die Rechtsverletzung veranlasst hat.
23
2. Der Kläger ist als Gläubiger des Schadensersatzanspruchs aus § 97 Abs. 1 UrhG berechtigt, Schadensersatz nach den Grundsätzen der sog. Lizenzanalogie zu verlangen. Bei dieser Art der Berechnung der Höhe des zu leistenden Schadensersatzes ist zu fragen, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die vom Verletzer vorgenommenen Benutzungshandlungen vereinbart hätten (vgl. BGH, Urt. v. 24.6.1993 - I ZR 148/91, GRUR 1993, 899, 900 - Dia-Duplikate, m.w.N.). Zu ermitteln ist der objektive Wert der Benutzungsberechtigung (vgl. BGHZ 77, 16, 25 f. - Tolbutamid; BGH, Urt. v. 30.5.1995 - X ZR 54/93, GRUR 1995, 578, 580 - Steuereinrichtung II). Es ist unerheblich, ob der Verletzer selbst bereit gewesen wäre, für seine Nutzungshandlungen eine Vergütung in dieser Höhe zu zahlen. Das Berufungsgericht hat deshalb im Ausgangspunkt zu Recht darauf abgestellt, welche Vergütung vernünftige Lizenzvertragsparteien für die von der Beklagten zu 2 vorgenommenen Nutzungshandlungen vereinbart hätten.
24
3. Die Höhe der danach als Schadensersatz zu bezahlenden Lizenzgebühr war vom Berufungsgericht gemäß § 287 ZPO unter Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalls nach seiner freien Überzeugung zu bemessen. Im Revisionsverfahren ist allerdings zu prüfen, ob die tatrichterliche Schätzung auf grundsätzlich falschen oder offenbar unsachlichen Erwägungen beruht oder ob wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen außer Acht gelassen worden sind, insbesondere ob schätzungsbegründende Tatsachen, die von den Parteien vorgebracht worden sind oder sich aus der Natur der Sache ergeben, nicht gewürdigt worden sind (vgl. BGHZ 77, 16, 24 - Tolbutamid). Mängel dieser Art macht die Revision mit Erfolg geltend.
25
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass bei der Bemessung der angemessenen Lizenzgebühr ausschließlich danach zu fragen sei, welche Vergütung bei einer vertraglichen Einräumung der Nutzungsrechte an eine Zeitung von der Größenordnung der "P. " vereinbart worden wäre. Da nur die Beklagte zu 2 als Vertragspartnerin des fiktiven Lizenzvertrages zu berücksichtigen sei, komme es nicht darauf an, ob die Fotos auch im "T. " verbreitet worden seien und ob die "P. " eine Mantelzeitung seien, die vom "T. " beliefert werde.
26
Bei diesen Erwägungen hat das Berufungsgericht außer Acht gelassen, dass für die Bemessung der Lizenzgebühr der objektive Wert der Benutzungsberechtigung maßgebend ist. Für diesen kommt es auf die gesamten wesentlichen Umstände des Einzelfalls an, nicht allein darauf, dass die Beklagte zu 2 als Nutzerin verpflichtet gewesen wäre, vor der Verwendung der Fotos in den "P. " einen Lizenzvertrag mit dem Kläger zu schließen. Lizenzvertragsparteien berücksichtigen erfahrungsgemäß in der Regel, ob und in welchem Umfang der Rechtsinhaber auch Dritten die Nutzung gestattet hat. Es spricht daher viel dafür, dass der Kläger und die Beklagte zu 2 in einem Lizenzvertrag berücksichtigt hätten, ob die Beklagte zu 1, die den "T. " in derselben Region wie die Beklagte zu 2 die "P. " vertreibt, aber mit wesentlich höherer Auflage , ebenfalls und zeitgleich berechtigt sein sollte, dieselben Lichtbilder zu vervielfältigen und zu verbreiten. Ebenso kann es von Bedeutung sein, ob die Fotos bei Verwendung eines von der Beklagten zu 1 gelieferten Mantels im "T. " und in den "P. " jeweils in demselben redaktionellen Zusammenhang erscheinen sollten. Das Berufungsgericht hat es unterlassen, die Bedeutung dieser Umstände für die Höhe der angemessenen Lizenzgebühr zu prüfen.
27
b) Das Berufungsgericht konnte die besonderen Umstände, unter denen die Fotos des Klägers für die Zwecke der "P. " genutzt wurden, auch nicht deshalb unberücksichtigt lassen, weil es sich bei seiner Schätzung der angemessenen Lizenzgebühr auf die Honorarempfehlungen der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing (im Folgenden: MFM-Empfehlungen) gestützt hat. Bei der Festsetzung einer angemessenen Lizenzgebühr ist es allerdings naheliegend , branchenübliche Vergütungssätze und Tarife als Maßstab heranzuziehen , wenn sich in dem entsprechenden Zeitraum eine solche Übung herausgebildet hat (vgl. BGH, Urt. v. 3.7.1986 - I ZR 159/84, GRUR 1987, 36 - Liedtextwiedergabe II; vgl. weiter Schricker/Wild, Urheberrecht, 2. Aufl., § 97 UrhG Rdn. 62; Möhring/Nicolini/Lütje, UrhG, 2. Aufl., § 97 UrhG Rdn. 188 ff.; Meckel in HK-UrhR, § 97 UrhG Rdn. 29; Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, § 97 UrhG Rdn. 65, jeweils m.w.N.). Ohne Erhebung der von den Beklagten angebotenen Gegenbeweise konnte das Berufungsgericht aber nicht davon ausgehen, dass sich aus den Sätzen der MFM-Empfehlungen für die Jahre 1995 bis 1998 für den vorliegenden Fall ohne weiteres die angemessene und übliche Lizenzgebühr ergebe.
28
aa) Nach § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO steht allerdings der Umfang einer Beweisaufnahme im Ermessen des Gerichts; es ist insoweit an Beweisanträge nicht gebunden. Das Revisionsgericht hat nur zu prüfen, ob das Gericht die Grenzen des Ermessens beachtet hat (vgl. BGH GRUR 1995, 578, 579 - Steuereinrichtung II). Der Tatrichter muss aber für die Überzeugung, die er sich bildet, gesicherte Grundlagen haben. Er darf sich nicht eine Sachkunde zutrauen , über die er nicht verfügen kann. Die Vorschrift des § 287 ZPO zielt zwar auf eine Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens ab und nimmt in Kauf, dass die richterliche Schätzung unter Umständen nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt; sie rechtfertigt es aber nicht, in einer für die Streitentscheidung zentralen Frage auf nach Sachlage unerlässliche Erkenntnisse zu verzichten (vgl. BGHZ 159, 254, 262; BGH GRUR 1995, 578, 579 - Steuereinrichtung II; BGH, Urt. v. 17.10.2001 - IV ZR 205/00, VersR 2001, 1547, 1548; vgl. auch BVerfG NJW 2003, 1655; vgl. weiter Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 287 Rdn. 6; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 27. Aufl., § 287 Rdn. 10).
29
bb) Das Berufungsgericht hat die danach gezogenen Grenzen seines Schätzungsermessens überschritten. Mangels entsprechender Darlegung in den Entscheidungsgründen kann revisionsrechtlich nicht davon ausgegangen werden, dass das Berufungsgericht über eine hinreichende eigene Sachkunde verfügte und beurteilen konnte, dass die MFM-Empfehlungen der Jahre 1995 bis 1998 marktübliche, auch unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles heranzuziehende Honorarsätze enthielten. Das Berufungsgericht hat seine Annahme, die MFM-Empfehlungen seien bei der Bemessung des Schadensersatzes zugrunde zu legen, nicht begründet, sondern lediglich auf Gerichtsentscheidungen (LG Düsseldorf GRUR 1993, 664; LG Berlin GRUR 2000, 797, 798) und eine Literaturmeinung (Wandtke/Bullinger/Thum, Urheberrecht, § 72 UrhG Rdn. 31, 41) verwiesen, denen jedoch ebenfalls keine Begründung zu entnehmen ist.
30
Die Revision rügt zudem mit Erfolg, dass sich das Berufungsgericht ohne Begründung über die Bedenken hinweggesetzt hat, die nach Ansicht der Beklagten gerade auch im vorliegenden Fall gegen den Rückgriff auf die Honorarsätze der MFM-Empfehlungen sprechen. Die Beklagten haben unter Angebot von Sachverständigen- und Zeugenbeweis vorgetragen, dass es sich bei der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing (MFM) um eine Interessenvertretung der Anbieterseite handele. Bei kleineren Regionalzeitungen im Raum Brandenburg seien als Erstabdruckhonorar 30 DM üblich, bei einer Mantellieferung 8 DM angemessen. Die Revision verweist weiter auf den Umstand, dass die vom Berufungsgericht herangezogenen MFM-Empfehlungen der Jahre 1995 bis 1998 - anders als später die MFM-Empfehlungen 2001 - keine ausdrückliche Regelung für den Fall von Mantellieferungen enthielten. Dies könnte dafür sprechen, dass die früheren MFM-Empfehlungen auf Fälle der vorliegenden Art nicht zugeschnitten sind.
31
III. Das Berufungsurteil kann danach nicht aufrechterhalten werden. Im neuen Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht mangels eigener Sachkunde die Erhebung der beantragten Beweise nachzuholen haben.
Ullmann v.Ungern-Sternberg Bornkamm
Pokrant Schaffert
Vorinstanzen:
AG Charlottenburg, Entscheidung vom 28.02.2002 - 227 C 293/01 -
LG Berlin, Entscheidung vom 27.08.2002 - 16 S 4/02 -

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.