Bundesgerichtshof Urteil, 27. Apr. 2006 - I ZR 237/03

bei uns veröffentlicht am27.04.2006
vorgehend
Landgericht Hamburg, 418 O 66/01, 20.11.2002
Hanseatisches Oberlandesgericht, 6 U 236/02, 02.10.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 237/03 Verkündet am:
27. April 2006
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
ZPO § 693 Abs. 2 a.F., § 167
Die Zustellung eines Mahnbescheids ist dann nicht mehr demnächst i.S. von
§ 693 Abs. 2 ZPO a.F., § 167 ZPO erfolgt, wenn der Antragsteller es unterlassen
hat, beim Mahngericht nach Ablauf einer je nach den Umständen des Einzelfalls
zu bemessenden Frist nachzufragen, ob die Zustellung bereits veranlasst
worden ist, und dieses Unterlassen nachweislich zu einer Verzögerung der
Zustellung um mehr als einen Monat geführt hat.
BGH, Urt. v. 27. April 2006 - I ZR 237/03 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. April 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und
die Richter Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 6. Zivilsenat, vom 2. Oktober 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der P. & Co. (GmbH & Co.) (im Weiteren: Schuldnerin). Diese betrieb einen Obst- und Gemüsehandel und stand mit der Beklagten, einer internationalen Spedition, in einer langjährigen Geschäftsverbindung.
2
Im Mai 1999 beauftragte die Schuldnerin die Beklagte mit dem Transport von 31 Paletten Spargel mit einem Gesamtgewicht von 20.956 kg und drei Paletten Kirschen mit einem Gesamtgewicht von 1.365 kg von Giannitsa/ Griechenland nach Hamburg zu festen Kosten. Die Beklagte übernahm die im Kühl-Lkw zu befördernde Sendung am 19. Mai 1999.
3
Beim Eintreffen der Ware in Hamburg wurden Schäden am Spargel und an den Kirschen festgestellt. Die Schuldnerin errechnete auf der Grundlage eines von ihr in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens einen Güterschaden in Höhe von 81.036,24 DM und unter Hinzunahme der Kosten einen Gesamtschaden in Höhe von umgerechnet 46.954 €. Mit Schreiben vom 20. Juli 1999 nahm sie die Beklagte wegen dieses Schadens in Anspruch. Der Versicherer der Beklagten wies den Anspruch mit Schreiben vom 8. September 1999 zurück. Das Schreiben ist bei der Schuldnerin am 17. September 1999 eingegangen.
4
Die Schuldnerin hat behauptet, die Ware sei der Beklagten vereinbarungsgemäß vorgekühlt mit einer Kerntemperatur von +2° C übergeben worden. Die Ladung sei aufgrund leichtfertigen Verhaltens der Beklagten während des Transports wegen Unterbrechung der Kühlkette zu hohen wie auch zu niedrigen Temperaturen ausgesetzt gewesen. Für den dadurch verursachten Schaden habe die Beklagte unbeschränkt zu haften.
5
Die Schuldnerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Schuldnerin 46.954 € nebst 5 % Zinsen seit dem 20. Juli 1999 zu zahlen.
6
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat die Vereinbarung einer Transporttemperatur von +2° C bestritten. Die bei der Entladung in Hamburg festgestellten Schäden könnten nur darauf beruhen, dass die Ware mit viel zu hoher Eigentemperatur in Griechenland verladen worden sei. Die Höhe der geltend gemachten Kosten sei zu bestreiten. Im Übrigen sei der Klageanspruch verjährt.
7
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
8
Die Berufung der Beklagten hat zur Abweisung der Klage geführt.
9
Mit seiner (vom Senat zugelassenen) Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger sein Klagebegehren im vollen Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:


10
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Beklagte für den Schaden zwar aus Art. 17 Abs. 1 CMR hafte, der sich hieraus ergebende Anspruch aber verjährt sei. Hierzu hat es ausgeführt:
11
Da das Gut am 25. Mai 1999 abgeliefert worden sei, sei die einjährige Verjährungsfrist des Art. 32 Abs. 1 Satz 1 CMR grundsätzlich am 26. Mai 2000 abgelaufen. Die Verjährung sei aber gemäß Art. 32 Abs. 2 CMR in der Zeit vom 22. Juli 1999 bis zum 17. September 1999 gehemmt gewesen und daher erst am 23. Juli 2000 eingetreten. Der Mahnbescheidsantrag sei von der Schuldnerin zwar bereits am 10. Juli 2000 beim Mahngericht eingereicht, der Mahnbe- scheid aber erst am 10. November 2000 und damit nicht mehr demnächst i.S. von § 693 Abs. 2 ZPO a.F. zugestellt worden. Eine Zustellung demnächst nach Einreichung des Mahnbescheids bedeute eine Zustellung innerhalb einer den Umständen nach angemessenen Frist, wenn die Partei, der die Fristwahrung obliege, unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan habe. Das sei nicht der Fall, wenn sie durch nachlässiges Verhalten zu einer mehr als zwei Wochen betragenden und daher nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen habe. Im Streitfall habe die Schuldnerin zur verzögerten Zustellung des Mahnbescheids lediglich vorgetragen , das Mahngericht habe beanstandet, dass der auf dem für die maschinelle Bearbeitung vorgeschriebenen Vordruck erfolgte Mahnbescheidsantrag vom 10. Juli 2000 zunächst per Telefax eingereicht worden sei. Die weitere Verzögerung, aufgrund der es erst am 8. November 2000 zum Erlass des Mahnbescheids gekommen sei, werde von der Schuldnerin nicht näher erläutert , obwohl es dieser oblegen hätte, für eine zeitnahe Bescheidung ihres Antrags zu sorgen. Eine Nachfrage in angemessener Zeit wäre angezeigt gewesen. Der Akte sei nicht zu entnehmen, dass Versäumnisse des Mahngerichts zum verspäteten Erlass des Mahnbescheids geführt hätten.
12
Die Voraussetzungen für eine der dreijährigen Verjährungsfrist nach Art. 32 Abs. 1 Satz 2 CMR unterliegenden unbeschränkten Haftung der Beklagten nach Art. 29 CMR seien nicht gegeben.
13
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
14
1. Das Berufungsgericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine unbeschränkte Haftung der Beklagten nach Art. 29 CMR im Streitfall nicht gegeben sind und dass die dreijährige Verjährungsfrist nach Art. 32 Abs. 1 Satz 2 CMR daher nicht gilt. Es ist in diesem Zu- sammenhang zutreffend davon ausgegangen, dass die Schuldnerin für ein vorsatzgleiches Verschulden der Beklagten oder der Personen, deren diese sich bei der Ausführung der Beförderung bedient hat, darlegungs- und beweispflichtig ist. Das Berufungsgericht hat hierbei auch nicht - wie die Revision geltend macht - die sekundären Einlassungspflichten der Beklagten zu Unrecht unberücksichtigt gelassen; denn die Beklagte ist den für sie in dieser Hinsicht bestehenden Obliegenheiten nachgekommen. Die von der Revision im Blick auf eine verschärfte Haftung der Beklagten ferner erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet; von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.
15
2. Das Berufungsgericht hat aber zu Unrecht angenommen, dass der aus Art. 17 Abs. 1 CMR begründete Schadensersatzanspruch des Klägers nach Art. 32 Abs. 1 Satz 1 CMR verjährt sei.
16
a) Das Berufungsgericht ist von einer Haftung der Beklagten aus Art. 17 Abs. 1 CMR ausgegangen. Es hat insoweit festgestellt, die von der Beklagten in einwandfreiem Zustand übernommene Ware habe bei ihrem Eintreffen am Bestimmungsort erhebliche Schäden aufgewiesen. Die Beklagte sei von ihrer Haftung weder nach Art. 17 Abs. 4 lit. d CMR noch nach Art. 17 Abs. 2 CMR befreit. Diese Beurteilung lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen und wird auch von der Revisionserwiderung nicht mit Gegenrügen angegriffen.
17
b) Das Berufungsgericht ist bei seiner Beurteilung der Verjährungsfrage mit Recht davon ausgegangen, dass die einjährige Verjährungsfrist des Art. 32 Abs. 1 Satz 1 CMR im Hinblick darauf, dass das Gut am 25. Mai 1999 abgeliefert worden ist, grundsätzlich am 26. Mai 2000 abgelaufen wäre. Es hat des weiteren zutreffend angenommen, dass die Verjährung im Hinblick auf die Anspruchsgeltendmachung durch die Schuldnerin mit Schreiben vom 20. Juli 1999 und die Zurückweisung der Ansprüche mit Schreiben des Versicherers der Beklagten vom 8. September 1999, das bei der Schuldnerin am 17. September 1999 eingegangen ist, für insgesamt 57 Tage gehemmt war, so dass die Verjährung danach am 23. Juli 2000 eingetreten ist. Zutreffend ist auch die Beurteilung des Berufungsgerichts, eine Zustellung sei dann nicht mehr als i.S. von § 693 Abs. 2, § 270 Abs. 3 ZPO a.F. (und nunmehr § 167 ZPO) demnächst erfolgt anzusehen, wenn ein nachlässiges Verhalten der Partei zu einer nicht nur geringfügigen Verzögerung der Zustellung beigetragen habe. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist eine Verzögerung allerdings nicht schon dann als nicht nur geringfügig anzusehen, wenn sie mehr als zwei Wochen beträgt , sondern im Hinblick auf die Regelung in § 691 Abs. 2 ZPO erst dann, wenn das nachlässige Verhalten zu einer Verzögerung von mehr als einem Monat führt (BGHZ 150, 221, 225 f.).
18
aa) Im rechtlichen Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen , dass es der Schuldnerin oblegen hätte, beim Mahngericht nach angemessener Zeit nachzufragen, aus welchem Grund bislang noch keine Zustellung des Mahnbescheids erfolgt war. Welcher Zeitraum dabei angemessen ist, hängt von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (vgl. BGH, Urt. v. 1.4.2004 - IX ZR 117/03, NJW-RR 2004, 1575, 1576 m.w.N.; Beschl. v. 9.2.2005 - XII ZB 118/04, NJW 2005, 1194, 1195; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 167 Rdn. 13; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 167 Rdn. 13).
19
bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass das insoweit gegebene Untätigbleiben der Schuldnerin zu keiner erheblichen Verzögerung der Zustellung geführt habe, liege - wie auch sonst für die Voraussetzungen des Merkmals "demnächst" (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 167 Rdn. 14) - bei dem Zustellungsbetreiber. Es hat dabei je- doch nicht berücksichtigt, dass diesem bei der Frage, ob eine Zustellung demnächst erfolgt ist, Versäumnisse allein insoweit zuzurechnen sind, als sich feststellen lässt, dass die geforderte Handlung den Verfahrensgang verkürzt hätte (BGH, Urt. v. 5.2.2003 - IV ZR 44/02, NJW-RR 2003, 599, 600 m.w.N.). Das Berufungsgericht hätte sich daher nicht mit der Feststellung begnügen dürfen, die Schuldnerin habe zu der verzögerten Zustellung des Mahnbescheids nur sehr eingeschränkt vorgetragen und es sei der Akte nicht zu entnehmen, dass Versäumnisse des Mahngerichts zum verspäteten Erlass des Mahnbescheids geführt hätten.
20
III. Das Urteil des Berufungsgerichts konnte danach keinen Bestand haben. Es war daher aufzuheben und die Sache zur Nachholung der noch erforderlichen Feststellungen an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
21
Diese wird im Rahmen der neuen Verhandlung zunächst festzustellen haben, zu welchem Zeitpunkt die Schuldnerin im Hinblick auf die bis dahin noch nicht erfolgte Zustellung des Mahnbescheids gehalten gewesen wäre, insoweit beim Mahngericht Nachfrage zu halten. Sodann wird das Berufungsgericht Feststellungen zu der Frage zu treffen haben, ob und gegebenenfalls inwieweit eine solche Nachfrage zu einer früheren Zustellung des Mahnbescheids geführt hätte. Im Anschluss daran wird es gegebenenfalls noch zu prüfen haben, ob der Zeitraum, um den sich die Zustellung infolge des Unterbleibens der gebotenen Nachfrage verzögert hat, als erheblich in dem zu vorstehend II. 2. b) dargestellten Sinne anzusehen ist. Eine in dieser Hinsicht etwa verbleibende Unerweislichkeit führte dazu, dass der Klageanspruch als nicht nach Art. 32 Abs. 1 Satz 1 CMR verjährt zu behandeln wäre.
Ullmann Bornkamm Büscher
Schaffert Bergmann
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 20.11.2002 - 418 O 66/01 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 02.10.2003 - 6 U 236/02 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 167 Rückwirkung der Zustellung


Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächs

Zivilprozessordnung - ZPO | § 564 Keine Begründung der Entscheidung bei Rügen von Verfahrensmängeln


Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 270 Zustellung; formlose Mitteilung


Mit Ausnahme der Klageschrift und solcher Schriftsätze, die Sachanträge enthalten, sind Schriftsätze und sonstige Erklärungen der Parteien, sofern nicht das Gericht die Zustellung anordnet, ohne besondere Form mitzuteilen. Bei Übersendung durch die P

Zivilprozessordnung - ZPO | § 691 Zurückweisung des Mahnantrags


(1) Der Antrag wird zurückgewiesen:1.wenn er den Vorschriften der §§ 688, 689, 690, 702 Absatz 2, § 703c Abs. 2 nicht entspricht;2.wenn der Mahnbescheid nur wegen eines Teiles des Anspruchs nicht erlassen werden kann.Vor der Zurückweisung ist der Ant

Zivilprozessordnung - ZPO | § 693 Zustellung des Mahnbescheids


(1) Der Mahnbescheid wird dem Antragsgegner zugestellt. (2) Die Geschäftsstelle setzt den Antragsteller von der Zustellung des Mahnbescheids in Kenntnis.

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(1) Der Mahnbescheid wird dem Antragsgegner zugestellt.

(2) Die Geschäftsstelle setzt den Antragsteller von der Zustellung des Mahnbescheids in Kenntnis.

Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

(1) Der Mahnbescheid wird dem Antragsgegner zugestellt.

(2) Die Geschäftsstelle setzt den Antragsteller von der Zustellung des Mahnbescheids in Kenntnis.

Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.

(1) Der Mahnbescheid wird dem Antragsgegner zugestellt.

(2) Die Geschäftsstelle setzt den Antragsteller von der Zustellung des Mahnbescheids in Kenntnis.

Mit Ausnahme der Klageschrift und solcher Schriftsätze, die Sachanträge enthalten, sind Schriftsätze und sonstige Erklärungen der Parteien, sofern nicht das Gericht die Zustellung anordnet, ohne besondere Form mitzuteilen. Bei Übersendung durch die Post gilt die Mitteilung, wenn die Wohnung der Partei im Bereich des Ortsbestellverkehrs liegt, an dem folgenden, im Übrigen an dem zweiten Werktag nach der Aufgabe zur Post als bewirkt, sofern nicht die Partei glaubhaft macht, dass ihr die Mitteilung nicht oder erst in einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist.

Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

(1) Der Antrag wird zurückgewiesen:

1.
wenn er den Vorschriften der §§ 688, 689, 690, 702 Absatz 2, § 703c Abs. 2 nicht entspricht;
2.
wenn der Mahnbescheid nur wegen eines Teiles des Anspruchs nicht erlassen werden kann.
Vor der Zurückweisung ist der Antragsteller zu hören.

(2) Sollte durch die Zustellung des Mahnbescheids eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, so tritt die Wirkung mit der Einreichung oder Anbringung des Antrags auf Erlass des Mahnbescheids ein, wenn innerhalb eines Monats seit der Zustellung der Zurückweisung des Antrags Klage eingereicht und diese demnächst zugestellt wird.

(3) Gegen die Zurückweisung findet die sofortige Beschwerde statt, wenn der Antrag in einer nur maschinell lesbaren Form übermittelt und mit der Begründung zurückgewiesen worden ist, dass diese Form dem Gericht für seine maschinelle Bearbeitung nicht geeignet erscheine. Im Übrigen sind Entscheidungen nach Absatz 1 unanfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 118/04
vom
9. Februar 2005
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ein Ausschluß des Versorgungsausgleichs durch Ehevertrag ist auch dann
unwirksam, wenn innerhalb eines Jahres nach Vertragsschluß ein Antrag auf
Scheidung der Ehe bei Gericht eingegangen und zwar erst nach Ablauf der
Jahresfrist, aber noch "demnächst" i.S. von § 167 ZPO zugestellt worden ist.

b) Eine Zustellung ist selbst nach längerer Zeit (hier: etwas mehr als zwei Monate
) noch als demnächst erfolgt anzusehen, wenn der Antragsteller alles
ihm für eine fristgerechte Zustellung Zumutbare getan und die Verzögerung
nicht schuldhaft herbeigeführt hat.
BGH, Beschluß vom 9. Februar 2005 - XII ZB 118/04 - OLG Hamm
AG Soest
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Februar 2005 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des 7. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 20. Februar 2004 wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Beschwerdewert: 2.076 €.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Durchführung des Versorgungsausgleichs. Sie schlossen am 1. Juni 1979 die Ehe und leben seit Ende 2001 dauernd getrennt. Kinder sind aus ihrer Ehe nicht hervorgegangen. Am 26. November 2001 schlossen sie eine notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung, die neben einem wechselseitigen Unterhaltsverzicht u.a. einen Verzicht auf Durchführung des Versorgungsausgleichs enthält. Mit Antrag vom 7. November 2002, der beim zuständigen Amtsgericht Soest am 8. November 2002 einging, beantragte die Antragstellerin, die Ehe der Parteien zu scheiden. Zugleich beantragte sie die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe und fügte dem Scheidungsantrag Kopien einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 17. September 2002 nebst
Anlagen bei, die sie im Original in einem Unterhaltsverfahren vor demselben Gericht eingereicht hatte. Gleichzeitig versicherte sie, daß sich an den wirtschaftlichen Verhältnissen seitdem nichts geändert habe. Dem Scheidungsantrag war die Scheidungsfolgenvereinbarung auszugsweise in Kopie beigefügt. Zugleich wies die Antragstellerin auf den Ausschluß des Versorgungsausgleichs hin und erklärte ausdrücklich: "In Anbetracht der Ehezeitdauer und des Umstandes, daß die Antragstellerin kaum bzw. teilzeitbeschäftigt war, soll mit dem vorliegenden Scheidungsantrag gemäß § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB diese Regelung außer Kraft gesetzt werden." Sie beantragte deswegen, "den Scheidungsantrag im Hinblick auf die Regelung des § 65 Abs. 7 Ziff. 3 und 4 GKG sofort zuzustellen". Der Scheidungsantrag wurde beim zuständigen Amtsgericht Soest zunächst nicht bearbeitet. Auf eine Sachstandsanfrage vom 15. Januar 2003, die am 18. Januar 2003 einging, wurde der Scheidungsantrag dem Antragsgegner am 21. Januar 2003 zugestellt. Während der Ehezeit (1. Juni 1979 bis 31. Dezember 2002; § 1587 Abs. 2 BGB) erwarben beide Ehegatten Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Landesversicherungsanstalt Westfalen, und zwar die am 14. März 1960 geborene Antragstellerin in Höhe von 410,40 € und der am 3. April 1954 geborene Antragsgegner in Höhe von 756,32 €, jeweils monatlich und bezogen auf den 31. Dezember 2002. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat die Ehe der Parteien geschieden (insoweit rechtskräftig) und im Wege des Splittings Rentenanwartschaften des Antragsgegners in Höhe von monatlich 172,96 € auf das Versicherungskonto
der Antragstellerin übertragen. Die gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich seine vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig (§§ 621 e Abs. 2, 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO), aber nicht begründet. 1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung zu Recht auf § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB gestützt, wonach ein Ausschluß des Versorgungsausgleichs unwirksam ist, wenn innerhalb eines Jahres nach Vertragsschluß ein Antrag auf Scheidung der Ehe gestellt wird. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats setzt eine Antragstellung im Sinne dieser Vorschrift die Erhebung des Scheidungsantrags durch Zustellung der Antragsschrift an den Antragsgegner voraus (Senatsbeschluß vom 4. Oktober 1984 - IVb ZB 153/82 - FamRZ 1985, 45, 46 f. m.w.N.). Zwar genügt ein Scheidungsantrag, der mit der Erklärung verbunden ist, er werde nur für den Fall der Bewilligung der zugleich beantragten Prozeßkostenhilfe erhoben, den Anforderungen des § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht (Senatsbeschluß vom 16. September 1998 - XII ZB 104/98 - FamRZ 1999, 155, 156). Zutreffend und von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen führt das Berufungsgericht aber aus, daß der Scheidungsantrag hier unbedingt erhoben wurde und die Antragstellerin zugleich beantragt hatte, den Antrag gemäß § 65 Abs. 7 Ziff. 3 und 4 GKG a.F. (jetzt § 14 Nr. 3 GKG) sofort und noch vor der Entscheidung über die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe zuzustellen.
2. Allerdings wurde der Scheidungsantrag trotz des ausdrücklichen Antrags nicht innerhalb der am 26. November 2002 abgelaufenen Frist des § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB zugestellt. Das ist nach den zutreffenden Ausführungen des Beschwerdegerichts aber unerheblich, weil die Zustellung "demnächst" im Sinne von § 167 ZPO erfolgt ist und deswegen auf den rechtzeitigen Eingang des Antrags bei Gericht zurückwirkt (vgl. Zöller/Greger ZPO 25. Aufl. § 167 Rdn. 3). Damit ist der Ausschluß des Versorgungsausgleichs gemäß § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB unwirksam geworden.
a) Ob eine Zustellung noch "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO erfolgt ist und deswegen auf den Eingang der Antragsschrift zurückwirkt, kann nicht aus einer rein zeitlichen Betrachtungsweise geschlossen werden. Die Vorschrift will die Parteien vielmehr allgemein vor Nachteilen durch eine verzögerte Zustellung von Amts wegen bewahren, die innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs liegt und von den Parteien nicht beeinflußt werden kann (BGHZ 145, 358, 362). Einer Partei sind deswegen nur solche Verzögerungen zurechenbar, die sie oder ihr Prozeßbevollmächtigter bei sachgerechter Prozeßführung hätte vermeiden können. Der Zeitraum, dessen ungenutztes Verstreichen einer Partei nicht angelastet werden kann, hat deshalb bei der Beurteilung der Frage, ob eine Zustellung demnächst im Sinne von § 167 ZPO erfolgt ist, jedenfalls dann außer Betracht zu bleiben, wenn schutzwürdige Belange der Gegenpartei nicht entgegenstehen. Die Zustellung ist daher selbst nach längerer Zeit noch als "demnächst" erfolgt anzusehen, wenn die Verzögerung vom Antragsteller oder seinem Vertreter nicht schuldhaft herbeigeführt worden ist. Davon ist auszugehen , wenn der Antragsteller alles ihm für eine alsbaldige Zustellung Zumutbare getan hat (BGHZ 103, 20, 28 f.; BGH Urteile vom 5. Februar 2003 - IV ZR 44/02 - NJW-RR 2003, 599, 600 und vom 11. Juli 2003 - V ZR 414/02 - NJW 2003, 2830, 2831). Das ist hier der Fall.

b) Die Antragstellerin hat einen unbedingten Scheidungsantrag erhoben und neben der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe die sofortige Zustellung gemäß § 65 Abs. 7 Ziff. 3 und 4 GKG a.F. (jetzt § 14 Nr. 3 GKG) beantragt. Die Voraussetzungen der sofortigen Zustellung hat sie ausreichend durch Vorlage der Scheidungsfolgenvereinbarung und ergänzenden Vortrag zu den erheblichen Auswirkungen des dort vereinbarten Ausschlusses des Versorgungsausgleichs glaubhaft gemacht. Dabei gereicht es ihr auch nicht zum Verschulden, daß sie ihren Antrag auf sofortige Zustellung in der Begründung nicht besonders hervorgehoben hat. Denn regelmäßig obliegt es dem Gericht auch ohne besonderen Hinweis, die Schriftsätze der Parteien entgegenzunehmen und die darin enthaltenen Anträge zu bescheiden. Das gilt um so mehr, weil der Antrag auf sofortige Zustellung nicht etwa Teil einer längeren Begründung ist, sondern trotz der fehlenden Hervorhebung innerhalb der sehr kurzen Begründung sofort ins Auge fällt. Einer Partei ist es schon nicht zurechenbar, wenn das Gericht seinerseits, etwa durch nicht gebotene Rückfragen oder Zwischenverfügungen, zur Zustellungsverzögerung beigetragen hat (BGHZ 134, 343, 352; 145, 358, 363). Das gilt erst recht, wenn das Gericht von der Bearbeitung eines Antrags vollständig Abstand genommen hat. Selbst über die zugleich beantragte Prozeßkostenhilfe hätte das zuständige Amtsgericht nach Anhörung des Antragsgegners noch rechtzeitig entscheiden können. Denn die Bezugnahme auf eine erst wenige Monate zuvor bei demselben Gericht eingereichte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse genügt den Anforderungen des § 117 Abs. 2 und 4 ZPO, wenn - wie hier - zugleich versichert wird, daß seit Abgabe der früheren Erklärung keine Änderungen einge treten sind (BGHZ 148, 66, 69). Die verspätete Zustellung des Scheidungsantrags ist deswegen nicht auf fehlerhafte oder unvollständige Anträge, sondern allein darauf zurückzuführen , daß die Sache beim Amtsgericht gänzlich unbearbeitet geblieben ist.
Der Antragstellerin ist es auch nicht vorwerfbar, das Gericht nicht früher an die Bearbeitung ihres Antrags erinnert zu haben. Zwar muß selbst ein Kläger , der seinerseits zunächst alles Erforderliche getan hat, um die sofortige Zustellung seines Antrags zu veranlassen, einer späteren Verzögerung der Zustellung entgegentreten. Droht eine solche aus unerklärlichen Gründen, muß er sich bei dem Gericht nach den Ursachen erkundigen (BGH Urteil vom 1. April 2004 - IX ZR 117/03 - FamRZ 2004, 1368). Der Umfang dieser Verpflichtung hängt allerdings wesentlich davon ab, ob die Partei infolge eigenen nachlässigen Verhaltens mit der fehlenden Zustellung rechnen mußte. Hat ein Antragsteller hingegen - wie hier - alles zur Zustellung des Scheidungsantrages Erforderliche getan, ist ihm ein Abwarten von wenig mehr als zwei Monaten seit Antragseingang nicht vorwerfbar. Der verstrichene Zeitraum fällt dann allein in den Verantwortungsbereich des Gerichts, ist der Antragstellerin nicht zurechenbar und bleibt somit bei Anwendung des § 167 ZPO außer Betracht. 3. Letztlich kommt es deswegen auf die streitige Behauptung der Antragstellerin , der Antragsgegner sei noch vor Ablauf der Jahresfrist über den bei Gericht anhängigen Scheidungsantrag informiert gewesen und deswegen nicht schutzwürdig, nicht an. Weil der Ausschluss des Versorgungsausgleichs schon nach § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB unwirksam ist, kommt es auch nicht darauf an, ob die Vereinbarung der Parteien auf der Grundlage der neueren Rechtsprechung des Senats einer Inhaltskontrolle nach § 242 BGB standhält (vgl. Senatsurteile vom 11. Februar 2004 - XII ZR 265/02 - FamRZ 2004, 601 = BGHZ
158, 81, vom 6. Oktober 2004 - XII ZB 110/99 - FamRZ 2005, 26 f. und vom 12. Januar 2005 - XII ZR 238/03 - zur Veröffentlichung bestimmt).
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 44/02 Verkündet am:
5. Februar 2003
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
1. An die Rechtsfolgenbelehrung nach § 12 Abs. 3 Satz 2 VVG sind strenge
Anforderungen zu stellen. Erweckt sie den Anschein, die gerichtliche Geltendmachung
von Ansprüchen könne allein durch Klagerhebung erfolgen, so
wird die Frist des § 12 Abs. 3 VVG nicht in Gang gesetzt.
2. Bei der Frage, ob eine Klagzustellung "demnächst" im Sinne von § 270 Abs. 3
ZPO a.F. erfolgt ist, können dem Kläger Versäumnisse nur insoweit zugerechnet
werden, wie sich feststellen läßt, daß die geforderte Handlung den Verfahrensgang
verkürzt hätte, das Unterlassen also kausal für die Verzögerung der
Zustellung geworden ist.
BGH, Urteil vom 5. Februar 2003 - IV ZR 44/02 - Kammergericht
LG Berlin
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, den Richter Dr. Schlichting, die Richterin
Ambrosius und die Richter Wendt und Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Februar 2003

für Recht erkannt :
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Kammergerichts vom 21. Dezember 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Wegen eines im Januar 1997 entdeckten Wasserschadens fordert der Kläger Versicherungsleistungen aus der bei der Beklagten abgeschlossenen Gebäudeversicherung.
Die Beklagte hat eine Schadensregulierung wiederholt abgelehnt. Mit Schreiben vom 26. Februar 1997 hat sie sich darauf berufen, der Kläger habe Sicherheitsvorschriften mißachtet und den Schaden zu spät gemeldet. Er habe damit seine Obliegenheiten aus §§ 9 Abs. 2 a und b, 15

Abs. 1 a und c der dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Allge- meinen Bedingungen für die Neuwertversicherung von Wohngebäuden gegen Feuer-, Leitungswasser- und Sturmschäden (VGB 62) verletzt. Gleichzeitig hat die Beklagte erstmals auf die Frist nach § 12 Abs. 3 VVG hingewiesen. Mit Schreiben vom 30. Juli 1997 hat die Beklagte ihre Leistungsablehnung bekräftigt und sich dabei zusätzlich darauf gestützt, der Kläger habe seine Schadensminderungsobliegenheit aus § 15 Abs. 1 b VGB verletzt. Das Schreiben endet mit folgendem Text : "Sollten Sie der Ansicht sein, daß die von uns ausgesprochene Ablehnung des Versicherungsschutzes zu Unrecht erfolgt ist, so steht Ihnen gemäß § 19 Abs. 4 VGB ein Recht zur Klage zu. Den Wortlaut dieser Bestimmung geben wir wie folgt wieder : 'Wenn der Entschädigungsanspruch nicht innerhalb einer Frist von 6 Monaten gerichtlich geltend gemacht wird, nachdem der Versicherer ihn unter Angabe der mit dem Ablauf der Frist verbundenen Rechtsfolge schriftlich abgelehnt hat, ist der Versicherer von der Entschädigungspflicht frei.’ Bei nicht fristgemäßer Klageerhebung verlieren Sie hiernach ohne weiteres endgültig und vorbehaltlos den Anspruch auf Versicherungsschutz für das im Betreff genannte Schadensereignis." Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe :


Die Revision hat Erfolg.
I. Das Berufungsgericht meint, die am 30. Januar 1998 bei Gericht eingegangene, jedoch erst am 31. März 1998 der Beklagten zugestellte Klage habe die Frist des § 12 Abs. 3 VVG nicht mehr gewahrt. Diese sei zwar erst mit dem zweiten Leistungsablehnungsschreiben vom 30. Juli 1997 in Lauf gesetzt worden. Denn dieses Schreiben enthalte nicht nur eine erneute Belehrung über die einzuhaltende Frist, sondern stütze sich außerdem auf einen neuen, zusätzlichen Ablehnungsgrund (Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit). Dennoch sei die noch innerhalb der Frist am 30. Januar 1998 bei Gericht eingegangene Klage verspätet, weil sie nicht "demnächst" im Sinne von § 270 Abs. 3 ZPO a.F. zugestellt worden sei. Der Kläger und sein Prozeßbevollmächtigter hätten schuldhaft nicht alles Zumutbare für eine größtmögliche Beschleunigung der Klagzustellung veranlaßt.
Die verzögerte Zustellung erst am 31. März 1998 beruhe vorwiegend darauf, daß sie von der Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses abhängig gewesen sei, dessen Anforderung das Gericht dem Klägervertreter erst am 2. März 1998 übermittelt habe. Auch wenn ein Kläger grundsätzlich nicht verpflichtet sei, den Prozeßkostenvorschuß selbständig zu errechnen und mit Einreichung der Klage einzuzahlen, sondern die gerichtliche Zahlungsaufforderung abwarten dürfe, könne er nach Ablauf der Frist des § 12 Abs. 3 VVG nicht zeitlich unbegrenzt untätig bleiben. Hinnehmbar erscheine allenfalls eine Zeitspanne von drei Wochen, binnen

derer der Kläger auf die gerichtliche Zahlungsaufforderung warten dürfe. Diese Frist sei hier überschritten. Denn sie sei am 2. Februar 1998 abgelaufen und die gerichtliche Anforderung des Gebührenvorschusses habe den Kläger erst am 2. März 1998 erreicht. Dem Kläger sei vorzuwerfen, daß er und sein Prozeßbevollmächtigter die Zahlungsaufforderung nicht schon ab dem 23. Februar 1998 bei Gericht angemahnt hätten.
II. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Beklagte ist nicht nach § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG19 Abs. 4 VGB) leistungsfrei geworden.
1. Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, allein das zweite Leistungsablehnungsschreiben der Beklagten vom 30. Juli 1997 sei hier maßgeblich dafür, ob der Kläger die Frist des § 12 Abs. 3 VVG gewahrt hat (vgl. dazu BGH, Urteil vom 26. Januar 1983 - IVa ZR 108/81 - VersR 1983, 360; OLG Hamm VersR 1990, 1344, 1345). Denn diese zweite Leistungsablehnung enthält nicht nur eine neuerliche Fristsetzung, sondern stützt sich auch auf einen neuen, weiteren Ablehnungsgrund (Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit). Damit ist jedenfalls die ursprünglich mit dem Schreiben vom 26. Februar 1997 gesetzte Frist wirkungslos geworden (BGH aaO).
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat die Beklagte aber mit ihrem Schreiben vom 30. Juli 1997 die Frist des § 12 Abs. 3 VVG nicht wirksam in Lauf gesetzt.

Diese Frist beginnt nach § 12 Abs. 3 Satz 2 VVG erst zu laufen, nachdem der Versicherer die Leistung unter Angabe der mit dem Ablauf der Frist verbundenen Rechtsfolge schriftlich abgelehnt hat. An diese Rechtsfolgenbelehrung sind strenge Anforderungen zu stellen. Trifft sie in einem wesentlichen Punkt nicht zu, so ist sie insgesamt unwirksam und kann die Frist nicht in Gang setzen (BGH, Urteil vom 19. September 2001 - IV ZR 224/00 - VersR 2001, 1497 unter 2 m.w.N.).
So liegt der Fall hier. Denn die von der Beklagten gebrauchte Belehrungsformel erweckt in ihrem letzten Absatz den Anschein, die gerichtliche Geltendmachung der Versicherungsleistungen könne allein durch Erhebung einer Klage erfolgen. Das ist deshalb irreführend, weil auch der (kostengünstigere) Antrag auf Erlaß eines Mahnbescheides oder ein Antrag auf Prozeßkostenhilfe für die gerichtliche Geltendmachung genügen können (vgl. dazu OLG Hamm VersR 2002, 1139, 1140 m.w.N.; Römer in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 12 Rdn. 79).
3. Unabhängig davon hat das dem Kläger angelastete Untätigbleiben nicht zu einer Verzögerung des Zustellverfahrens geführt.

a) Ob eine Zustellung noch "demnächst" im Sinne von § 270 Abs. 3 ZPO a.F. erfolgt ist, darf nicht allein mittels rein zeitlicher Betrachtung beurteilt werden. Die Vorschrift will die Parteien vor Nachteilen durch Verzögerungen der von Amts wegen zu bewirkenden Zustellung schützen, die innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs liegen und von den Parteien nicht beeinflußt werden können. Daher gibt es keine absolute zeitliche Grenze, nach deren Überschreitung eine Zustellung nicht mehr als "dem-

nächst" anzusehen wäre; dies gilt auch im Hinblick auf mehrmonatige Verzögerungen (vgl. BGHZ 145, 358, 362 f.).
Es sind aber andererseits einer Partei solche Verzögerungen zuzurechnen , die sie oder ihr Prozeßbevollmächtigter (§ 85 ZPO) bei sachgerechter Prozeßführung hätten vermeiden können (vgl. BGHZ aaO; BGH, Urteile vom 29. Juni 1993 - X ZR 6/93 - NJW 1993, 2811 unter II 2 c und vom 9. November 1994 - VIII ZR 327/93 - VersR 1995, 361 unter II 2 b, bb).

b) Hier kann offenbleiben, ob die Annahme des Berufungsgerichts zutrifft, der Kläger oder sein Prozeßbevollmächtigter hätten der gerichtlichen Aufforderung zur Zahlung des Prozeßkostenvorschusses nicht länger als höchstens drei Wochen (vgl. BGHZ 69, 361, 364; BGH, Urteil vom 15. Januar 1992 - IV ZR 13/91 - VersR 1992, 433 unter I 2 b; OLG Hamm NJW-RR 1992, 480) ab Ablauf der Frist tatenlos entgegensehen dürfen. Denn jedenfalls hat sich die Unterlassung auf den Verfahrensgang nicht konkret ausgewirkt. Bei der Frage, ob eine Klagzustellung "demnächst" im Sinne von § 270 Abs. 3 ZPO a.F. erfolgt ist, können dem Kläger Versäumnisse nur insoweit zugerechnet werden, wie sich feststellen läßt, daß die geforderte Handlung den Verfahrensgang verkürzt hätte (Frage nach der "Kausalität der Unterlassung", vgl. dazu BGH, Urteil vom 1. Dezember 1993 - XII ZR 177/92 - VersR 1994, 455 unter 2; Urteil vom 8. Juni 1988 - IVb ZR 92/87 - FamRZ 1988, 1154 unter b).
Das Berufungsgericht hat sich darauf beschränkt darzulegen, daß der Kläger ab dem 23. Februar 1998 verpflichtet gewesen wäre, die Anforderung des Gebührenvorschusses bei Gericht anzumahnen; es hat aber

nicht geprüft, ob diese Unterlassung "kausal" für eine weitere Verzögerung der Zustellung geworden ist. Das ist zu verneinen, denn auch ohne entsprechende Mahnung des Klägers hat das Landgericht hier am 25. Februar 1998 den Streitwertfestsetzungsbeschluß und die Anforderung des Gerichtsgebührenvorschusses an den Klägervertreter abgesandt. Hätte der Kläger am 23. Februar 1998 eine schriftliche Sachstandsanfrage (dazu, daß er nicht zur telefonischen Intervention verpflichtet war: BGH, Urteil vom 15. Januar 1992 aaO) an das Gericht gerichtet, wäre bei normalem Postlauf nichts anderes geschehen.

c) Im übrigen ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen , daß die sonstigen Verzögerungen des Zustellverfahrens dem Kläger nicht angelastet werden könnten.
Terno Dr. Schlichting Ambrosius
Wendt Felsch