Bundesgerichtshof Urteil, 28. Sept. 2011 - I ZR 145/10

published on 28/09/2011 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 28. Sept. 2011 - I ZR 145/10
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Previous court decisions
Amtsgericht Stuttgart, 1 C 4314/09, 14/01/2009
Landgericht Stuttgart, 17 S 2/10, 08/07/2010

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DESVOLKES
URTEIL
I ZR 145/10 Verkündet am:
28. September 2011
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren, in
dem bis zum 7. September 2011 Schriftsätze eingereicht werden konnten,
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Prof.
Dr. Büscher, Dr. Kirchhoff, Dr. Koch und Dr. Löffler

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 8. Juli 2010 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist Inhaberin der in Deutschland und Österreich bestehenden ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Grafiken des amerikanischen Tattoo-Künstlers H. („ H. “).
2
Der Beklagte hatte im August 2007 bei eBay ein weißes Kapuzenhemd zum Preis von 130 € ersteigert, das mit der Abbildung eines Tigerkopfes versehen war. Weil ihm das Kleidungsstück nicht passte, bot er es im September 2007 erneut bei eBay zum Kauf an. Bei der Abbildung des Tigerkopfes handelte es sich um die unbefugte Vervielfältigung einer Grafik von H. . Mit Zustimmung des Berechtigten wurden vergleichbare Hemden mit einer solchen Grafik nur in schwarzer Grundfarbe vertrieben.
3
Die anwaltlichen Vertreter der Klägerin mahnten den Beklagten am 1. November 2007 wegen einer Urheberrechtsverletzung ab. Der Beklagte gab zwar eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, weigerte sich aber, die geforderten Abmahnkosten zu zahlen. Die anwaltlichen Vertreter stellten der Klägerin für die Abmahnung des Beklagten am 4. August 2009 einen Betrag von 859,80 € einschließlich Mehrwertsteuer in Rechnung.
4
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Freistellung von dieser Forderung ihrer anwaltlichen Vertreter in Anspruch.
5
Das Amtsgericht hat der Klage nur in Höhe eines Betrages von 100 € stattgegeben. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


6
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin könne von dem Beklagten gemäß § 257 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 97a Abs. 1 UrhG dem Grunde nach die Befreiung von der Verpflichtung zur Zahlung der von ihren anwaltlichen Vertretern geforderten Abmahnkosten verlangen. Zwischen den Parteien stehe außer Streit, dass die Abmahnung wegen einer Urheberechtsverletzung berechtigt gewesen sei und der Klägerin gegen den Beklagten daher ein Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten zustehe. Dieser Anspruch sei jedoch gemäß § 97a Abs. 2 UrhG der Höhe nach auf 100 € beschränkt. Es handele sich um eine erstmalige Abmahnung in einem einfach gelagerten Fall mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs.
7
II. Die Revision ist begründet.
8
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Frage, ob und inwieweit die Klägerin vom Beklagten die Erstattung von Abmahnkosten verlangen kann, nicht nach § 97a UrhG zu beurteilen. Für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten kommt es allein auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung an (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 - I ZR 140/08, GRUR 2010, 1120 Rn. 17 = WRP 2010, 1495 - Vollmachtsnachweis; Urteil vom 18. November 2010 - I ZR 155/09, GRUR 2011, 617 Rn. 29 = WRP 2011, 881 - Sedo). Zu diesem Zeitpunkt war § 97a UrhG noch nicht in Kraft getreten.
9
Der anwaltliche Vertreter der Klägerin hat den Beklagten mit Schreiben vom 1. November 2007 abgemahnt. Die Bestimmung des § 97a UrhG ist durch Art. 6 Nr. 10 des Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums vom 7. Juli 2008 (BGBl. S. 1191) in das Urheberrechtsgesetz eingefügt worden und nach Art. 10 des Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums am 1. September 2008 in Kraft getreten.
10
III. Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist.
11
1. Die Klägerin ist nach den getroffenen Feststellungen zwar grundsätzlich berechtigt, für die - vor dem Inkrafttreten des § 97a UrhG am 1. September 2008 ausgesprochene - Abmahnung einer Urheberrechtsverletzung vom Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag die Erstattung ihrer Aufwendungen zu verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2008 http://www.juris.de/jportal/portal/t/u4x/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=6&numberofresults=37&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001950896BJNE103602377&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 5 - - I ZR 219/05, GRUR 2008, 996 Rn. 10 = WRP 2008, 1449- Clone-CD, mwN). Ein solcher Anspruch ist dem Grunde nach gegeben, wenn dem Abmahnenden gegenüber dem Abgemahnten zum Zeitpunkt der Abmahnung ein Unterlassungsanspruch zustand und die Abmahnung dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Abgemahnten entsprach (BGH, GRUR 2008, 996 Rn. 11 - Clone-CD).
12
Die Klägerin konnte vom Beklagten zum Zeitpunkt der Abmahnung gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG aF, § 17 Abs. 1 UrhG verlangen, dass er es unterlässt , das ohne Zustimmung des Berechtigten mit der Vervielfältigung eines Werkes von H. versehene Kapuzenhemd bei eBay zum Kauf anzubieten. Die Abmahnung entsprach auch dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Beklagten, weil sie es ihm ermöglichte, eine gerichtliche Auseinandersetzung auf kostengünstige Weise durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abzuwenden (vgl. BGH, GRUR 2008, 996 Rn. 34 - Clone-CD).
13
2. Das Berufungsgericht hat jedoch - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - noch keine Feststellungen dazu getroffen, ob ein unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag begründeter Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten in der geltend gemachten Höhe gerechtfertigt ist und somit ein entsprechender Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Befreiung von der Honorarforderung ihrer mit der Abmahnung beauftragten anwaltlichen Vertreter besteht (§ 257 Satz 1 BGB).
14
Der Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten besteht in der Höhe, in der der Abmahnende die entstandenen Kosten den Umständen nach für erforderlich halten durfte (BGH, GRUR 2008, 996 Rn. 11 - Clone-CD). Die anwaltlichen Vertreter haben der Klägerin für die Abmahnung am 4. August 2009 einen Betrag von 859,80 € einschließlich Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt. Diese Honorarforderung errechnet sich auf der Grundlage einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG VV und eines Gegenstandwerts von 20.000 € sowie einer Entgeltpauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen gemäß Nr. 7002 RVG VV in Höhe von 20 €. Das Berufungsgericht hat noch keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Geschäftsgebühr und der Gegenstandswert angemessen sind.
Bornkamm Büscher Kirchhoff
Koch Löffler
Vorinstanzen:
AG Stuttgart, Entscheidung vom 14.01.2009 - 1 C 4314/09 -
LG Stuttgart, Entscheidung vom 08.07.2010 - 17 S 2/10 -
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(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch a

(1) Der Verletzte soll den Verletzer vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf Unterlassung abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulege

Wer berechtigt ist, Ersatz für Aufwendungen zu verlangen, die er für einen bestimmten Zweck macht, kann, wenn er für diesen Zweck eine Verbindlichkeit eingeht, Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen. Ist die Verbindlichkeit noch nicht fällig, so
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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 155/09 Verkündet am: 18. November 2010 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein
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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL I ZR 124/16 Verkündet am: 30. März 2017 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2017:300317UIZR124.16.0
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Annotations

Wer berechtigt ist, Ersatz für Aufwendungen zu verlangen, die er für einen bestimmten Zweck macht, kann, wenn er für diesen Zweck eine Verbindlichkeit eingeht, Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen. Ist die Verbindlichkeit noch nicht fällig, so kann ihm der Ersatzpflichtige, statt ihn zu befreien, Sicherheit leisten.

(1) Der Verletzte soll den Verletzer vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf Unterlassung abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen.

(2) Die Abmahnung hat in klarer und verständlicher Weise

1.
Name oder Firma des Verletzten anzugeben, wenn der Verletzte nicht selbst, sondern ein Vertreter abmahnt,
2.
die Rechtsverletzung genau zu bezeichnen,
3.
geltend gemachte Zahlungsansprüche als Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche aufzuschlüsseln und
4.
wenn darin eine Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtung enthalten ist, anzugeben, ob die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung erheblich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht.
Eine Abmahnung, die nicht Satz 1 entspricht, ist unwirksam.

(3) Soweit die Abmahnung berechtigt ist und Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 4 entspricht, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden. Für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen beschränkt sich der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen hinsichtlich der gesetzlichen Gebühren auf Gebühren nach einem Gegenstandswert für den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch von 1 000 Euro, wenn der Abgemahnte

1.
eine natürliche Person ist, die nach diesem Gesetz geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, und
2.
nicht bereits wegen eines Anspruchs des Abmahnenden durch Vertrag, auf Grund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verpflichtet ist.
Der in Satz 2 genannte Wert ist auch maßgeblich, wenn ein Unterlassungs- und ein Beseitigungsanspruch nebeneinander geltend gemacht werden. Satz 2 gilt nicht, wenn der genannte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig ist.

(4) Soweit die Abmahnung unberechtigt oder unwirksam ist, kann der Abgemahnte Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen, es sei denn, es war für den Abmahnenden zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht erkennbar, dass die Abmahnung unberechtigt war. Weitergehende Ersatzansprüche bleiben unberührt.

(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.

(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Urheber, Verfasser wissenschaftlicher Ausgaben (§ 70), Lichtbildner (§ 72) und ausübende Künstler (§ 73) können auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine Entschädigung in Geld verlangen, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht.

(1) Das Verbreitungsrecht ist das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen.

(2) Sind das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes mit Zustimmung des zur Verbreitung Berechtigten im Gebiet der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht worden, so ist ihre Weiterverbreitung mit Ausnahme der Vermietung zulässig.

(3) Vermietung im Sinne der Vorschriften dieses Gesetzes ist die zeitlich begrenzte, unmittelbar oder mittelbar Erwerbszwecken dienende Gebrauchsüberlassung. Als Vermietung gilt jedoch nicht die Überlassung von Originalen oder Vervielfältigungsstücken

1.
von Bauwerken und Werken der angewandten Kunst oder
2.
im Rahmen eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses zu dem ausschließlichen Zweck, bei der Erfüllung von Verpflichtungen aus dem Arbeits- oder Dienstverhältnis benutzt zu werden.

Wer berechtigt ist, Ersatz für Aufwendungen zu verlangen, die er für einen bestimmten Zweck macht, kann, wenn er für diesen Zweck eine Verbindlichkeit eingeht, Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen. Ist die Verbindlichkeit noch nicht fällig, so kann ihm der Ersatzpflichtige, statt ihn zu befreien, Sicherheit leisten.