Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 6/08

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 16. April 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Vergewaltigung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. April
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Prof. Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Bundesanwalt
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt S.
alsVerteidigerdes Angeklagten F. ,
Rechtsanwalt D.
alsVerteidigerdes Angeklagten W. ,
Rechtsanwältin M.
alsVertreterinderNebenklägerin,
Justizhauptsekretärin
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 5. September 2007 werden verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die hierdurch den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten von dem Vorwurf freigesprochen , am 22. Mai 2005 die damals 14-jährige Nebenklägerin vergewaltigt zu haben. Die dagegen mit der Sachrüge geführten Revisionen der Staatsanwaltschaft , die vom Generalbundesanwalt vertreten werden, bleiben erfolglos.
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Die angetrunkenen Angeklagten trafen am Abend des 21. Mai 2005 auf einer Feier mit der Nebenklägerin zusammen. Zwischen ihr und dem Angeklagten W. kam es dabei einvernehmlich zu Zärtlichkeiten. Nach Abschluss der Feier erklärte sich die Nebenklägerin einverstanden, dem Angeklagten W. in die Wohnung des Angeklagten F. zu folgen. Dort tauschte sie mit beiden Angeklagten Zärtlichkeiten aus und ließ sich von ihnen schließlich ins Schlafzimmer führen. Eine plötzliche Angst nach kurzzeitiger Berührung ihres überempfindlichen Halses durch den Angeklagten W. ließ sich die Nebenklägerin nicht anmerken. Auf dem Bett ließ sie sich von beiden Angeklagten küssen, erwiderte die Küsse sogar und duldete, dass die Angeklagten sie entkleideten. Diese schlossen aus ihrem Verhalten möglicherweise auf ihr Einverständnis mit anschließenden Sexualhandlungen, und zwar wechselseitigem Oral- und auch Vaginalverkehr mit beiden Angeklagten. Ihr mangelndes Einverständnis tat die Nebenklägerin allenfalls kurzfristig mit einer leisen Bemerkung kund, wobei sie die Angeklagten gleichwohl weiter küsste. Die Nebenklägerin erbat lediglich den – später von ihr nicht überprüften – Gebrauch von Kondomen.
4
b) Die Angeklagten haben das sexuelle Geschehen eingeräumt. Sie haben sich damit verteidigt, dass die Zeugin keinen entgegenstehenden Willen geäußert und – im Gegenteil – freiwillig mitgemacht habe. Das Landgericht hat auf der Grundlage der Aussage der Nebenklägerin Zweifel hinsichtlich des Vorliegens eines Vergewaltigungsvorsatzes nicht überwinden können. Die Jugendschutzkammer glaube der damals sexuell unerfahrenen Zeugin, dass sie das Geschehen so nicht gewollt habe, dass es ihr Schmerzen bereitet und dass sie es vor allem später sehr bereut und Angst vor einer Schwangerschaft gehabt habe. Unter Zugrundelegung ihrer Schilderungen könne auch eine niedrig dosierte Gewalt der Angeklagten festgestellt werden , deren Maß indes nicht zwingend auf eine auch von den Angeklagten gewollte Nötigungswirkung schließen lasse, da es sich im Rahmen dessen gehalten habe, was auch bei einvernehmlichem Geschlechtsverkehr zur Anwendung komme. Von einem solchen hätten die Angeklagten aber bei dem Gesamtverhalten der Nebenklägerin ungeachtet leiser verneinender Signale, die stark mit bejahenden Signalen durchmischt gewesen seien, ausgehen können. Diese Wertung hat die Jugendschutzkammer im Einzelnen detailliert belegt (UA S. 6).
5
2. In Übereinstimmung mit der Auffassung des Generalbundesanwalts hält die Beweiswürdigung des Landgerichts der sachlichrechtlichen Prüfung stand. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters; die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob diesem Rechtsfehler unterlaufen sind. Solche zeigen die Revisionen nicht auf.
6
Die Wertung des Landgerichts, die Frage nach Kondomen setze ein grundsätzliches Einverständnis mit dem Geschlechtsverkehr geradezu voraus , verstößt nicht gegen Denkgesetze. Sie knüpft vielmehr an die konkrete, aus Sicht der Angeklagten von einvernehmlichen Zärtlichkeiten geprägte Situation an und ist nicht mehr als eine mögliche und deshalb zulässige Schlussfolgerung des Tatrichters (vgl. BGH NJW 2007, 384, 387, insoweit in BGHSt 51, 144 nicht abgedruckt). Die Jugendschutzkammer stützt ihre Beweiswürdigung auch nicht auf nicht vorhandene Erfahrungssätze zum Umfang der Gewaltausübung bei einvernehmlichem Geschlechtsverkehr. Sie würdigt vielmehr auch hier das Tun der Angeklagten auf der Grundlage der konkreten – die Vornahme sexueller Handlungen fördernden – Stimmungslage.
7
Die Beweiswürdigung offenbart auch keine sachlichrechtlich relevanten Lücken. Die von der Revision erheischte nähere Prüfung im Zusammenhang mit einer Infektion als Folge des Oralverkehrs ist für die Beurteilung der Frage der Erkennbarkeit der Freiwilligkeit der sexuellen Handlungen der Nebenklägerin irrelevant.
8
Das Landgericht war ferner nicht verpflichtet, den Inhalt der polizeilichen Zeugenaussage der Nebenklägerin darzustellen. Die Jugendschutzkammer hat die – wenig aussagekräftigen – Bekundungen der Zeugin nach dem angelasteten Tatgeschehen gegenüber Dritten ausgeführt (UA S. 5). Sie hat die Aussage der Zeugin in der Hauptverhandlung – in weitgehender Übereinstimmung mit der Einlassung der Angeklagten – ihren Feststellungen zugrunde gelegt. Die im Vergleich hiermit überschießende Belastung, die mit zur Grundlage der Anklage genommen worden ist, hat die Zeugin ersichtlich zurückgenommen. Bei dieser Sachlage lässt sich allein aus den Urteilsgründen nicht ableiten, dass die Würdigung weitergehender Belastungen aus der polizeilichen Vernehmung erkennbaren belastenden Erfolg hätte erbringen können (vgl. BGHSt 44, 256). Das von der Revision insoweit herangezogene Senatsurteil vom 2. September 2004 (5 StR 242/04) betrifft einen besonders gelagerten Einzelfall einer bloßen inhaltlich defizitären Aussage eines Vergewaltigungsopfers in der Hauptverhandlung. In jenem Fall war ausnahmsweise ein sachlichrechtlich verankertes Bedürfnis nach vollständiger, nachprüfbarer Beweiswürdigung, wie in den Verurteilungsfällen in der Konstellation „Aussage gegen Aussage“ anerkannt, bei karger und widersprüchlicher Beweisgrundlage in ähnlicher Weise auch für den Fall des Freispruchs gegeben , weil sich das Gericht von der Richtigkeit der belastenden Aussage eines Zeugen nicht überzeugen kann. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor (vgl. dazu auch BGH NJW 2006, 925, 928 m.w.N., insoweit in BGHSt 50, 299 nicht abgedruckt).
9
Eine Lücke in der Beweiswürdigung ist auch nicht darin zu erkennen, dass das Landgericht keinen Beleg dafür angibt, warum es weitergehende Feststellungen nicht treffen konnte. Zu solchen Darlegungen ist der Tatrichter grundsätzlich nicht verpflichtet (vgl. BGHR StPO § 261 Identifizierung 16).
10
3. Das Landgericht hat seine Kognitionspflicht ausreichend erfüllt.
11
a) Es hat zwar das festgestellte Tatgeschehen nicht unter dem Gesichtspunkt einer Strafbarkeit nach § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB gewürdigt. Die vom Landgericht rechtlich tragfähig angenommenen unüberwindbaren Zweifel , dass die Angeklagten den der Durchführung von Geschlechtsverkehr entgegenstehenden Willen der Nebenklägerin tatsächlich erkannt oder auch nur ernstlich für möglich gehalten hatten, gestatten es indes ebenfalls nicht, den nach der Vorschrift des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB vorausgesetzten bedingten Vorsatz zu bejahen, dass das Tatopfer in die sexuellen Handlungen nicht einwilligt (vgl. BGHSt 50, 359).
12
b) Soweit der Generalbundesanwalt eine Prüfung des festgestellten Sachverhalts hinsichtlich einer Strafbarkeit nach § 182 StGB vermisst, begründet auch dies keinen Rechtsfehler und keinen durchgreifenden Erörterungsmangel.
13
Die Annahme einer Zwangslage im Sinn des § 182 Abs. 1 Nr. 1 StGB könnte zwar – auch unter den einschränkenden Voraussetzungen von BGHSt 42, 399, 400 f. – im Blick auf die Konfrontation der Jugendlichen mit den zwei deutlich älteren Angeklagten in Betracht kommen. Indes belegen die fehlerfrei getroffenen Feststellungen, dass die Nebenklägerin diese Situation selbst provoziert hat und die Angeklagten deshalb eine bloße Gelegenheit zur Vornahme sexueller Handlungen ausgenutzt haben (vgl. BGHSt aaO S. 401). Die Nebenklägerin hat die ihr durch den Angeklagten F. eingeräumte Chance, das Zusammensein zu Dritt durch Verlassen der Wohnung zu beenden, ungenutzt gelassen und – durch freiwilliges Küssen des bis dahin in sexualbezogene Handlungen noch nicht verwickelten Angeklagten F. – die Fortsetzung der konfrontativen Lage selbst verursacht.
14
Der Senat hält es ferner für ausgeschlossen, dass eine neue Hauptverhandlung bezüglich des Angeklagten W. die Möglichkeit einer Bestrafung gemäß § 182 Abs. 2 Nr. 1 StGB eröffnen könnte. Gegen die Möglichkeit festzustellen, dass dieser Angeklagte mit dem Bewusstsein gehandelt hat, die – sich nicht etwa von selbst verstehende – fehlende sexuelle Selbstbestimmungsfähigkeit der Jugendlichen auszunutzen (vgl. BGHR StGB § 182 Abs. 2 Nr. 1 Missbrauch 1; Fischer, StGB 55. Aufl. § 182 Rdn. 21), sprechen die in alkoholisiertem Zustand auf einen einmaligen sexuellen Kontakt gerichteten Interessen dieses Angeklagten (vgl. Fischer aaO).
15
4. Die zu weit gehende Tenorierung hinsichtlich der Abweisung des Adhäsionsantrags bedeutet nicht, dass die Adhäsionsklägerin diesen Anspruch nicht anderweit verfolgen könnte, § 406 Abs. 3 Satz 3 StPO (vgl. BGH wistra 2007, 102, 108, insoweit in BGHSt 51, 165 nicht abgedruckt).
Basdorf Raum Brause Schaal Jäger

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Bundesgerichtshof Urteil, 16. Apr. 2008 - 5 StR 6/08 zitiert 6 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafgesetzbuch - StGB | § 177 Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung


(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freihei

Strafprozeßordnung - StPO | § 406 Entscheidung über den Antrag im Strafurteil; Absehen von einer Entscheidung


(1) Das Gericht gibt dem Antrag in dem Urteil statt, mit dem der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen oder gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird, soweit der Antrag wegen dieser Straftat begründet ist. Die

Strafgesetzbuch - StGB | § 182 Sexueller Mißbrauch von Jugendlichen


(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung einer Zwangslage 1. sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder2. diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorz

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Bundesgerichtshof Urteil, 02. Sept. 2004 - 5 StR 242/04

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5 StR 242/04

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 2. September 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. September
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt W
als Verteidiger,
Rechtsanwältin G
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 3. Dezember 2003 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der V ergewaltigung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die hiergegen gerichtete Revision der Nebenklägerin hat mit der Sachrüge Erfolg.
Die Anklage wirft dem Angeklagten vor, im August 2001 in einer Laube in Senftenberg die Nebenklägerin rücklings auf ein Sofa geworfen und ihre Hose und ihren Slip nach unten gezogen zu haben. Entgegen ihrer Aufforderung , damit aufzuhören, habe er ihre Arme festgehalten, sei mit seinem Penis in ihre Scheide eingedrungen und habe mit der sich wehrenden Nebenklägerin den Beischlaf vollzogen. Damit habe er ein Verbrechen nach § 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1 StGB begangen.
Das Landgericht hat im wesentlichen folgende Feststellun gen getroffen : Der Angeklagte unterhielt von der ersten Jahreshälfte bis zum Herbst des Jahres 2001 ein intimes Verhältnis zu der in dieser Zeit 14-/15jährigen Nebenklägerin, das die Nebenklägerin als ein Liebesverhältnis betrachtete und in dessen Rahmen es mehrfach zu einverständlichem Geschlechtsverkehr kam. Die Mutter der Nebenklägerin verbot dieser nach Kenntniserlangung von der Beziehung den weiteren Umgang mit dem Angeklagten, worüber die Nebenklägerin sich jedoch hinwegsetzte. Im August 2001 wollte die Nebenklägerin das Verhältnis beenden, weil sie die Familie des damals 30jährigen verheirateten Angeklagten und seiner zwei kleinen Kinder „nicht kaputtmachen“ wollte. Der Angeklagte sah das jedoch nicht ein und wollte dies mit der Nebenklägerin in der Laube „klären“. Er begab sich mit der Nebenklägerin in die Gartenlaube und schloß die Tür von innen ab. „Im Schlafraum der Laube wollte er mit der Nebenklägerin den Geschlechtsverkehr durchführen, was diese jedoch nicht wollte.“ Der Angeklagte warf sie auf eine Couch, hielt sie dort fest und zog ihr Hose und Schlüpfer herunter und führte den Geschlechtsverkehr durch. „Da die Nebenklägerin an diesem Tag keinen Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten wollte, sagte sie ihm dies und versuchte , ihn mit Armen und Füßen wegzuschieben, was ihr jedoch nicht gelang.“ Im Anschluß an den Geschlechtsverkehr zog sich die Nebenklägerin wieder an und ließ sich von dem Angeklagten nach Hause fahren. Als sie ihm Vorwürfe machte, daß er sie „mißbraucht“ habe, sagte er, ihr würde niemand glauben.
Es kam auch danach zunächst zu einem weiteren Geschlechtsverkehr. Am 2. Oktober 2001 sandte der Angeklagte der Nebenklägerin folgende SMS: „Du kannst übrigens rumerzählen was du willst. 1. kennst du keinen , 2. glaubt dir keiner, kicher, kicher!!“ Die Nebenklägerin berichtete ihrer Mutter von dem Vorfall in der Laube und zeigte dabei die SMS. Am 4. Oktober 2001 erstattete die Nebenklägerin schließlich Strafanzeige gegen den Angeklagten wegen des Vorfalls in der Laube. Danach kam es zwischen der Nebenklägerin und dem Angeklagten noch zwei- bis dreimal zu einvernehmlichem Geschlechtsverkehr.
Während der Angeklagte bestritten hat, jemals ein in times Verhältnis zur Nebenklägerin gehabt zu haben, hat sich das Landgericht von den festgestellten Tatsachen – rechtsfehlerfrei – im wesentlichen aufgrund der Angaben überzeugt, die die Nebenklägerin in der Hauptverhandlung gemacht hat.
Danach hat das Landgericht zutreffend angenommen, daß der Angeklagte den objektiven Tatbestand der sexuellen Nötigung (§ 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB) einschließlich des Regelbeispiels der Vergewaltigung (§ 177 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1 StGB) erfüllt hat. Es hat sich jedoch außerstande gesehen festzustellen, daß der Angeklagte bei alledem erkannt hätte, daß er gegen den Willen der Nebenklägerin handelte. Es hat hierzu im wesentlichen auf folgendes abgestellt: Der Angeklagte habe davon ausgehen können, daß die Nebenklägerin im Regelfall zum Geschlechtsverkehr mit ihm bereit gewesen sei, diesen sogar erwünscht habe. Es bestünden erhebliche Zweifel daran, daß die Nebenklägerin dem Angeklagten zum Zeitpunkt der angeklagten Tat so sehr und nachdrücklich deutlich gemacht habe, daß sie an diesem Tag keinen Geschlechtsverkehr mit ihm wollte, daß er die Ernsthaftigkeit der Ablehnung des Geschlechtsverkehrs ihrerseits an diesem Tag erkennen konnte. Insbesondere habe die Nebenklägerin „keine Angaben dazu gemacht, wie intensiv und auf welche Art und Weise er sie festgehalten hat, wo er sie gegriffen und welche konkreten Bemühungen sie angestellt hat, um sich von seinen Griffen zu befreien.“ Diese Beweiswürdigung hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand: Es liegt nahe, daß sich aus der Geschichte der Offenbar ung des Geschehens durch die Nebenklägerin etwa weitere Anhaltspunkte für einen Tatvorsatz des Angeklagten ergeben. Deshalb war hier die – zusammenfassende – Mitteilung dessen geboten, was die Nebenklägerin zunächst ihrer Mutter, alsdann bei Erstattung der Strafanzeige und schließlich weiterhin im Ermittlungsverfahren angegeben hat. Dies ist zu vermissen.
Das Argument, die Nebenklägerin habe „keine Angaben dazu gemacht“ , in welcher Weise der Angeklagte auf sie körperlich eingewirkt habe und welche konkreten Bemühungen sie zu ihrer Befreiung aus den Griffen des Angeklagten angestellt habe, trägt deshalb nicht, weil nicht mitgeteilt wird, wie die Nebenklägerin auf die – gebotenen – Nachfragen geantwortet hat.
Schließlich läßt das Landgericht das festgestellte Nacht atverhalten des Angeklagten, in dem Indizien für seinen Tatvorsatz liegen können, unerörtert : So äußerte der Angeklagte gegenüber der Nebenklägerin zunächst unmittelbar nach dem Geschehen auf ihren Vorwurf des „Mißbrauchs“ und per SMS nach Erstattung der Anzeige, ihr würde niemand glauben.
Harms Häger Gerhardt Brause Schaal

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung einer Zwangslage

1.
sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird eine Person über achtzehn Jahren bestraft, die eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass sie gegen Entgelt sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.

(3) Eine Person über einundzwanzig Jahre, die eine Person unter sechzehn Jahren dadurch mißbraucht, daß sie

1.
sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen läßt oder
2.
diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen,
und dabei die ihr gegenüber fehlende Fähigkeit des Opfers zur sexuellen Selbstbestimmung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 3 wird die Tat nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

(6) In den Fällen der Absätze 1 bis 3 kann das Gericht von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn bei Berücksichtigung des Verhaltens der Person, gegen die sich die Tat richtet, das Unrecht der Tat gering ist.

(1) Das Gericht gibt dem Antrag in dem Urteil statt, mit dem der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen oder gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird, soweit der Antrag wegen dieser Straftat begründet ist. Die Entscheidung kann sich auf den Grund oder einen Teil des geltend gemachten Anspruchs beschränken; § 318 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Das Gericht sieht von einer Entscheidung ab, wenn der Antrag unzulässig ist oder soweit er unbegründet erscheint. Im Übrigen kann das Gericht von einer Entscheidung nur absehen, wenn sich der Antrag auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Antragstellers zur Erledigung im Strafverfahren nicht eignet. Der Antrag ist insbesondere dann zur Erledigung im Strafverfahren nicht geeignet, wenn seine weitere Prüfung, auch soweit eine Entscheidung nur über den Grund oder einen Teil des Anspruchs in Betracht kommt, das Verfahren erheblich verzögern würde. Soweit der Antragsteller den Anspruch auf Zuerkennung eines Schmerzensgeldes (§ 253 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches) geltend macht, ist das Absehen von einer Entscheidung nur nach Satz 3 zulässig.

(2) Erkennt der Angeklagte den vom Antragsteller gegen ihn geltend gemachten Anspruch ganz oder teilweise an, ist er gemäß dem Anerkenntnis zu verurteilen.

(3) Die Entscheidung über den Antrag steht einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich. Das Gericht erklärt die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar; die §§ 708 bis 712 sowie die §§ 714 und 716 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Soweit der Anspruch nicht zuerkannt ist, kann er anderweit geltend gemacht werden. Ist über den Grund des Anspruchs rechtskräftig entschieden, so findet die Verhandlung über den Betrag nach § 304 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung vor dem zuständigen Zivilgericht statt.

(4) Der Antragsteller erhält eine Abschrift des Urteils mit Gründen oder einen Auszug daraus.

(5) Erwägt das Gericht, von einer Entscheidung über den Antrag abzusehen, weist es die Verfahrensbeteiligten so früh wie möglich darauf hin. Sobald das Gericht nach Anhörung des Antragstellers die Voraussetzungen für eine Entscheidung über den Antrag für nicht gegeben erachtet, sieht es durch Beschluss von einer Entscheidung über den Antrag ab.