Bundesgerichtshof Urteil, 28. Aug. 2019 - 5 StR 298/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. August 2019, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. König, Dr. Berger, Prof. Dr. Mosbacher, Köhler
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt M.
als Verteidiger,
Rechtsanwalt L.
als Vertreter des Nebenklägers,
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft und die Revision des Angeklagten werden verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
- Von Rechts wegen -
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Diebstahl zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Der Angeklagte wendet sich gegen seine Verurteilung mit der Sachrüge. Mit ihrer vom Generalbundesanwalt teilweise vertretenen Revision macht die Staatsanwaltschaft geltend, dass der Angeklagte nicht wegen besonders schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist. Ferner beanstandet sie die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung. Während das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg hat, ist die Revision des Angeklagten unbegründet.
I.
- 2
- 1. Das Landgericht hat festgestellt:
- 3
- In der Nacht zum 10. Juni 2018 überquerten der wegen Gewaltdelikten vielfach vorbestrafte Angeklagte, der sich in Begleitung der 13-jährigen Tochter seiner Freundin befand, und der ihm unbekannte Nebenkläger gemeinsam eine Straße auf einem zu einer Straßenbahnhaltestelle führenden Fußgängerüberweg. Beim Überqueren der Straße berührte der Nebenkläger, der an einer Sehschwäche leidet und wegen einer Gehbehinderung einen ausholenden Gang hat, den Angeklagten versehentlich am Arm. Hierdurch fühlte dieser sich provoziert und sprach den Nebenkläger an, der sich daraufhin entschuldigte.
- 4
- An der Haltestelle setzte sich der Nebenkläger auf eine Bank, um auf die nächste Bahn zu warten. Der mit einer maximalen Blutalkoholkonzentration von 2,58 Promille alkoholisierte, in seiner Steuerungsfähigkeit jedoch nicht erheblich beeinträchtigte Angeklagte forderte ihn nunmehr vorwurfsvoll auf, seine vorgeb- lich als „Tochter“ bezeichnete Begleiterin nicht so „komisch“ anzuschauen. Da- rauf entgegnete der Nebenkläger, dass er von ihr nichts wolle und sie auch nicht komisch angeschaut habe. Da er sich von ihm weiterhin provoziert fühlte und ihn wegen des Anschauens des Mädchens zurechtweisen wollte, schlug der Angeklagte ihm mit der Faust gegen die Schläfe. Nachdem der Nebenkläger von einem weiteren Faustschlag am Kopf getroffen zu Boden gegangen war, trat ihm der Angeklagte mit einem „Freizeitschuh“ aus Stoff und Leder mit Gummisohle aus dem Stand an den Kopf.
- 5
- Nunmehr fasste der Angeklagte den Entschluss, dem inzwischen bäuchlings auf dem Boden liegenden Nebenkläger dessen Geldbeutel mit dem hierin vermuteten Bargeld aus der Gesäßtasche zu entwenden. Er zog ihm den Beutel aus der Hose und entnahm daraus 50 Euro, um das Geld dauerhaft an sich zu nehmen. Als der Nebenkläger aufzustehen versuchte, trat der Angeklagte ihm in den Bauch. Dennoch gelang es ihm, sich wieder auf die Bank zu setzen. Hierbei forderte er den Angeklagten auf, ihm wenigstens seinen Geldbeutel und insbesondere seine darin befindlichen Ausweispapiere zu belassen, worauf der Angeklagte ihm den Beutel vor die Füße warf. Der Nebenkläger nahm ihn an sich und beschuldigte den Angeklagten, daraus das Geld an sich genommen zu haben. Dieser schlug ihm darauf noch einmal wuchtig mit der flachen Hand ins Gesicht. Die mittlerweile hinzugekommene Zeugin F. forderte ihn auf, den Nebenkläger in Ruhe zu lassen. Der Angeklagte erwiderte, dass der Nebenklä- ger „seiner Tochter auf den Po“ geschaut habe, und entfernte sich nach mit der Zeugin gewechselten Beschimpfungen schließlich. Der Nebenkläger erlitt durch die Schläge und den Tritt gegen den Kopf eine Schädelprellung sowie ein schmerzhaftes Hämatom an der Schläfe und wurde ambulant im Krankenhaus versorgt. Über drei Tage hatte er leichte Kopfschmerzen. Zudem hatte er infolge der Tat Angst, bei Dunkelheit alleine auf die Straße zu gehen.
- 6
- 2. Das Landgericht hat die Einlassung des Angeklagten, die Gewalt lediglich aus Wut und wegen des als Provokation empfundenen Verhaltens des Nebenklägers ausgeübt zu haben, als letztlich nicht widerlegbar angesehen. Zwar sei aufgrund der Aussagen des Nebenklägers und der unbeteiligten Zeugin
F.
erwiesen, dass der Angeklagte entgegen seinem Bestreiten dem Nebenkläger den Geldbeutel weggenommen und das Bargeld an sich genommen habe. Seine Einlassung, er sei durch den Nebenkläger beim Überqueren der Straße angerempelt worden, sei indes nicht nur von der Zeugin B. als Begleiterin des Angeklagten, sondern auch von der Zeugin F. bestätigt worden. Auch die weitere Erklärung des Angeklagten für eine von ihm empfundene Provokation, der Nebenkläger habe die Zeugin B. komisch angeschaut, gegrinst und hiermit auch nach einer Verwarnung nicht aufgehört, finde insoweit eine Stütze in den Aussagen des Nebenklägers und der Zeugin F. , wonach der Angeklagte eine entsprechende Rechtfertigung für sein gewalttätiges Verhalten schon in der Tatnacht behauptet habe. Daraus sei ableitbar, dass sich der Angeklagte zumindest subjektiv durch das vermeintliche Verhalten des Nebenklägers provoziert gefühlt habe. Auch lasse es die Vorgeschichte plausibel erscheinen , dass der Angeklagte den Entschluss zur Wegnahme des Geldbeutels erst getroffen habe, als der Nebenkläger auf dem Bauch gelegen habe und dessen in der Gesäßtasche getragener Geldbeutel von dem Angeklagten erstmalig wahrgenommen worden sei.- 7
- Im Zeitpunkt des letzten Tritts und später bei dem letzten Schlag sei die Wegnahme bereits vollendet gewesen, so dass sie hierdurch nicht mehr gefördert worden sei. Der Angeklagte habe nach den Gesamtumständen auch nicht beabsichtigt, sich durch die letzten beiden Gewalthandlungen im Besitz des Bargeldes zu erhalten. Der sich passiv verhaltende, motorisch eingeschränkte Nebenkläger sei dem Angeklagten deutlich unterlegen gewesen, so dass aus dessen Sicht auch kein weiterer Gewalteinsatz zur Erhaltung der Beute notwendig gewesen sei.
II.
- 8
- Die Revision der Staatsanwaltschaft hat überwiegend Erfolg.
- 9
- 1. Die rechtliche Wertung des Landgerichts, dass der Angeklagte auch bei seinem Tritt gegen den Kopf des Nebenklägers lediglich eine vorsätzliche Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB begangen habe, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
- 10
- a) Der Einsatz eines beschuhten Fußes kann die Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB darstellen. Dabei kann sich die Gefährlichkeit schon aus der Beschaffenheit des Schuhs oder aus der konkreten Art seiner Verwendung ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2016 – 2 StR 253/16, NStZ 2017, 164). Ein Straßenschuh von üblicher Beschaffenheit ist regelmäßig als gefährliches Werkzeug anzusehen, wenn damit einem Menschen gegen den Kopf getreten wird (vgl. BGH, Urteile vom 11. Februar 1982 – 4 StR 689/81, BGHSt 30, 375, 376; vom 23. Juni 1999 – 3 StR 94/99, NStZ1999, 616, 617, und vom 15. September 2010 – 2 StR 395/10, NStZ-RR 2011, 337; Beschluss vom 13. Mai 2015 – 2 StR 488/14). Allerdings muss sich die gesteigerte Gefährlichkeit der Verletzungshandlung ge- rade aus dem Einsatz des Schuhs ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juni 2015 – 2 StR 467/14, NStZ-RR 2015, 309, 310).
- 11
- b) Hier drängt sich nach den Feststellungen eine Verwirklichung des Qualifikationstatbestands des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB auf. Bei den Schuhen handelte es sich um auf der Straße getragene Freizeitschuhe. Besonderheiten des auch aus Leder gefertigten Schuhwerks, die einer gesteigerten Gefährlichkeit von Tritten gegen den Kopf entgegenstehen könnten, sind nicht festgestellt. Angesichts der vom Tatopfer erlittenen Verletzungen und der vorhandenen Bewehrung des Fußes, die stärkeren Tritten Vorschub leistete, kommt es nicht darauf an, mit welchem Teil des Fußes der Angeklagte den Geschädigten traf und wie der Schuh dort beschaffen war (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 1999 – 3 StR 94/99, aaO).
- 12
- 2. Dies hat zur Folge, dass der an sich rechtsfehlerfreie tateinheitliche Schuldspruch wegen Diebstahls entfällt.
- 13
- Entgegen dem Vorbringen der insoweit zugunsten des Angeklagten eingelegten Revision der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht eine Gewahrsamsbegründung des Angeklagten an dem aus dem Geldbeutel entnommenen Bargeld rechtsfehlerfrei festgestellt. Den Umstand, dass bei der nachfolgenden Festnahme des Angeklagten das Geld bei ihm nicht aufgefunden wurde, hat das Landgericht beweiswürdigend bedacht, ihm jedoch nachvollziehbar keine Bedeutung beigemessen. Denn nach der Überzeugung des Landgerichts war es dem Angeklagten nach der Tat möglich, das Geld unbemerkt vom Nebenkläger zu verbergen oder es etwa seiner Begleiterin zuzustecken. Anders als die Beschwerdeführerin meint, war die Wegnahme damit auch vollendet (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 2019 – 5 StR 593/18, juris Rn. 5 mwN).
- 14
- 3. Zu Recht hat das Landgericht eine Verurteilung wegen Raubes gemäß § 249 Abs. 1 StGB abgelehnt.
- 15
- Die Beweiswürdigung, die der Feststellung des Zeitpunktes zugrunde liegt, zu dem der Angeklagte seinen Entschluss zur Wegnahme fasste, unterliegt eingedenk des beschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsumfangs aus den vom Generalbundesanwalt angeführten Gründen keinen rechtlichen Bedenken.
- 16
- Nach den somit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen fehlte es hier an der beim Raub erforderlichen finalen Verknüpfung zwischen der Drohung mit oder dem Einsatz von Gewalt und der Wegnahme. Gewalt oder Drohung müssen das Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein. Eine solche Verknüpfung besteht nicht, wenn der Täter den Entschluss zur Wegnahme erst nach Abschluss seiner Nötigungshandlung fasst (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschluss vom 24. April 2018 – 5 StR 606/17 Rn. 10 mwN). Allein der Umstand, dass die Wirkungen eines ohne Wegnahmeabsicht eingesetzten Nötigungsmittels noch andauern und der Täter dies ausnutzt, genügt für die Annahme eines Raubes ebenso wenig wie das bloße Ausnutzen der Angst eines der Einwirkung des Täters schutzlos ausgelieferten Opfers (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. September 2012 – 2 StR 340/12, NStZ-RR 2013, 45, und vom 18. Februar 2014 – 5 StR 41/14, NStZ 2015, 156, 157 mwN).
- 17
- Hier versetzte der Angeklagte seine beiden ersten Schläge und seinen ersten Tritt dem Geschädigten ohne Wegnahmeabsicht. Der Gewahrsamswechsel geschah nicht ausschließbar vor dem zweiten Tritt, als lediglich die Wirkungen der ersten Gewalthandlungen noch andauerten. Dieser zweite Tritt und der den Abschluss seiner Gewalttätigkeiten bildende weitere Schlag ins Gesicht dienten auch nicht der Beutesicherung im Sinne des § 252 StGB, da dem Angeklagten mit Blick auf die körperliche Verfassung des Geschädigten kein Gewahrsamsverlust an der Beute drohte. Demgegenüber entfernt sich die Erwägung der Beschwerdeführerin, die zuvor vom Angeklagten verübte Gewalt habe als aktuelle Drohung neuer Gewaltanwendung weiter auf den Geschädigten einwirken können, von den Feststellungen des Landgerichts und ist daher revisionsrechtlich unbeachtlich.
- 18
- 4. Auch hinsichtlich der konkurrenzrechtlichen Bewertung der mehraktigen , am selben Ort gegen dasselbe Opfer gerichteten Tathandlungen als eine Tat im Rechtssinn zeigt die Beschwerdeführerin keinen Rechtsfehler auf, wie der Generalbundesanwalt unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung zutreffend ausgeführt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2019 – 5 StR 480/18, StV 2019, 448 mwN).
- 19
- 5. Die Feststellungen zum objektiven und subjektiven Tatgeschehen können bestehen bleiben, weil sie rechtsfehlerfrei getroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Sie können um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.
- 20
- 6. Die Aufhebung des Schuldspruchs entzieht der Entscheidung über die Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) die Grundlage. Die Ausführungen des Landgerichts zum Fehlen eines Hangs zu erheblichen Straftaten geben dabei zu folgenden Hinweisen Anlass.
- 21
- Ein „teilweise auch von Erfolg gekröntes“ Bemühen findet in den Fest- stellungen keine Stütze. Der Angeklagte ist seit 1999 vielfach wegen Gewaltdelikten vorbestraft. Trotz der Aufsicht der Bewährungshilfe und der Betreuung durch eine Drogentherapeutin hat er die verfahrensgegenständliche Gewalttat verübt. Dies spricht für ein überdauerndes Verhaltensmuster zur Begehung von Straftaten im Sinne eines verfestigten Persönlichkeitsmerkmals. Soweit die Strafkammer bei ihrer Bewertung der dissozialen Persönlichkeitsstörung des Angeklagten auf die grundsätzlich noch vorhandene Möglichkeit abgestellt hat, auf ihn therapeutisch und sozial unterstützend noch einzuwirken (UA S. 32 i.V.m. S. 26), steht dies der Annahme eines Hangs nicht entgegen. Von einer derartigen Einwirkungsmöglichkeit geht das Gesetz (§ 66c Abs. 1 StGB) auch beim Hangtäter aus. Vor diesem Hintergrund wird die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer die bisherige Besetzungsreduktion zu überdenken haben (§ 75 Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 GVG).
III.
- 22
- Die Revision des Angeklagten ist unbegründet, weil die Überprüfung des Urteils keinen ihn beschwerenden Rechtsfehler ergeben hat.
Mosbacher Köhler
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Annotations
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.
(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
Wer, bei einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen, gegen eine Person Gewalt verübt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwendet, um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten, ist gleich einem Räuber zu bestrafen.
(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn
- 1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die - a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet, - b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder - c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
- 2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, - 3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und - 4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.
(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.
(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.
(1) Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung erfolgt in Einrichtungen, die
- 1.
dem Untergebrachten auf der Grundlage einer umfassenden Behandlungsuntersuchung und eines regelmäßig fortzuschreibenden Vollzugsplans eine Betreuung anbieten, - a)
die individuell und intensiv sowie geeignet ist, seine Mitwirkungsbereitschaft zu wecken und zu fördern, insbesondere eine psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutische Behandlung, die auf den Untergebrachten zugeschnitten ist, soweit standardisierte Angebote nicht Erfolg versprechend sind, und - b)
die zum Ziel hat, seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit so zu mindern, dass die Vollstreckung der Maßregel möglichst bald zur Bewährung ausgesetzt oder sie für erledigt erklärt werden kann,
- 2.
eine Unterbringung gewährleisten, - a)
die den Untergebrachten so wenig wie möglich belastet, den Erfordernissen der Betreuung im Sinne von Nummer 1 entspricht und, soweit Sicherheitsbelange nicht entgegenstehen, den allgemeinen Lebensverhältnissen angepasst ist, und - b)
die vom Strafvollzug getrennt in besonderen Gebäuden oder Abteilungen erfolgt, sofern nicht die Behandlung im Sinne von Nummer 1 ausnahmsweise etwas anderes erfordert, und
- 3.
zur Erreichung des in Nummer 1 Buchstabe b genannten Ziels - a)
vollzugsöffnende Maßnahmen gewähren und Entlassungsvorbereitungen treffen, soweit nicht zwingende Gründe entgegenstehen, insbesondere konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, der Untergebrachte werde sich dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen oder die Maßnahmen zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen, sowie - b)
in enger Zusammenarbeit mit staatlichen oder freien Trägern eine nachsorgende Betreuung in Freiheit ermöglichen.
(2) Hat das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung im Urteil (§ 66), nach Vorbehalt (§ 66a Absatz 3) oder nachträglich (§ 66b) angeordnet oder sich eine solche Anordnung im Urteil vorbehalten (§ 66a Absatz 1 und 2), ist dem Täter schon im Strafvollzug eine Betreuung im Sinne von Absatz 1 Nummer 1, insbesondere eine sozialtherapeutische Behandlung, anzubieten mit dem Ziel, die Vollstreckung der Unterbringung (§ 67c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1) oder deren Anordnung (§ 66a Absatz 3) möglichst entbehrlich zu machen.