Bundesgerichtshof Urteil, 24. März 2011 - 4 StR 602/10

bei uns veröffentlicht am24.03.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 602/10
vom
24. März 2011
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. März
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 19. April 2010 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist,
b) soweit der Angeklagte in den Fällen 17 bis 23 der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Essen vom 18. September 2009 freigesprochen worden ist, und
c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen und Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung einer anderweit verhängten Freiheitsstrafe zu einer Ge- samtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt; im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen. Außerdem hat es eine Verfallsentscheidung getroffen. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision, dass die Strafkammer von einer einheitlichen Beihilfehandlung ausgegangen ist und den Angeklagten in den Fällen 17 bis 29 der Anklageschrift freigesprochen hat. Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.

I.


2
Das Rechtsmittel ist entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts wirksam beschränkt. Die Staatsanwaltschaft hat in ihrer Revisionsbegründungsschrift lediglich beantragt, das Urteil in dem als Beihilfe gewürdigten Fall sowie in den Fällen aufzuheben, in denen Freispruch ergangen ist (§ 344 Abs. 1 StPO). Die Beschränkung ist eindeutig; sie ist auch sachgerecht. Die revisionsführende Staatsanwaltschaft hat zutreffend erkannt, dass das Landgericht die Fälle 8 bis 16 der Anklageschrift nicht abgeurteilt hat, diese insbesondere nicht vom Freispruch "im Übrigen" umfasst waren (vgl. UA 18). Da diese Fälle somit bei der VII. Großen Strafkammer des Landgerichts Essen anhängig geblieben sind, können sie nicht zum Gegenstand revisionsgerichtlicher Prüfung gemacht werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. März 2010 - 4 StR 48/10 und vom 7. Dezember 2010 - 3 St3 StR 434/10 Rn. 16). Auch die verfahrensrechtlich voneinander unabhängigen Straffälle 1 bis 7 der Anklageschrift sind wirksam von der Anfechtung ausgenommen; entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts bleibt nicht "unklar, welche der angeklagten Taten abgeurteilt und welche vom Freispruch erfasst sind". Der Freispruch bezieht sich nach den Ausführungen der Strafkammer auf weitere Taten, die der Angeklagte in der Zeit nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft in einem anderen Verfahren seit dem 17. Juni 2004 begangen haben soll; die Schuldsprüche in den Fällen 1 bis 7 der Anklageschrift beziehen sich auf Taten, die der Angeklagte im Jahr 2003 begangen hat. Der Hinweis des Generalbundesanwalts auf das Urteil des Senats vom 25. Juli 2002 (4 StR 104/02, NStZ-RR 2003, 292 [Ls.]) geht fehl, weil in dem dort zu Grunde liegenden Fall die gesamten von den Schuld- und Freisprüchen betroffenen Handlungen Teil einer einheitlichen Bewertungseinheit gewesen sein konnten (vgl. zur Trennbarkeit bei verfahrensrechtlich voneinander unabhängigen Straffällen noch Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 318 Rn. 9).

II.


3
Die Verurteilung wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und der Freispruch vom Vorwurf täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in den Fällen 17 bis 23 der Anklageschrift können nicht bestehen bleiben. Dem Schuldspruch wegen Beihilfe liegt zu Grunde, dass der Angeklagte nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft am 17. Juni 2004 dem Zeugen D. Kontakte zu seinem Drogenlieferanten und seinen Drogenabnehmern vermittelt und "mit seinem Namen" für die Geschäfte des Zeugen "gerade“ gestanden hat. Von dem in den Fällen 17 bis 23 der Anklageschrift erhobenen Vorwurf, sich an den nämlichen Drogengeschäften mittäterschaftlich beteiligt zu haben, hat die Strafkammer den Angeklagten indes zugleich freigesprochen (UA 18). Wegen derselben Tat kann der Angeklagte jedoch nicht zugleich als Gehilfe verurteilt und als Mittäter freigesprochen werden; dies ist mit dem Grundsatz der Akzessorietät der Teilnahme unvereinbar. Der Widerspruch kann anhand der Urteilsgründe nicht aufgelöst werden. Da das Urteil aber ein in sich widerspruchsfreies Ganzes bilden muss, war die Entscheidung insoweit aufzuheben. Dabei wirkt die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Beihilfe nicht nur zu Lasten, sondern auch zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO).
4
Dieser Schuldspruch hätte auch unabhängig von dem aufgezeigten Widerspruch keinen Bestand. Die Strafkammer stellt zwar mit der vermittelnden Tätigkeit des Angeklagten eine Unterstützungshandlung im Sinne des § 27 StGB fest. Eine hinreichend konkretisierte Haupttat (oder deren mehrere) lässt sich den Urteilsfeststellungen jedoch nicht entnehmen. Daher genügen die Urteilsfeststellungen nicht den Mindestanforderungen, die in Fällen der Verurteilung zu stellen sind (vgl. Meyer-Goßner, aaO, § 267 Rn. 5).

III.


5
Der Freispruch vom Vorwurf des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in den Fällen 24 bis 29 der Anklageschrift hält rechtlicher Überprüfung stand. Das Urteil wird den formellen Voraussetzungen, die gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an die Begründung eines freisprechenden Urteils zu stellen sind, noch gerecht. Diese muss so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht überprüfen kann, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind oder der Freispruch auf rechtlich einwandfreien Erwägungen beruht. Deshalb muss bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen der Tatrichter regelmäßig in einer geschlossenen Darstellung zunächst die Tatsachen feststellen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen - zusätzlichen - Feststellungen nicht getroffen werden können (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 10. Juli 1980 - 4 StR 303/80, NJW 1980, 2423, und vom 29. Juli 2010 - 4 StR 190/10; Meyer-Goßner, aaO, § 267 Rn. 33).
6
Dem werden die Urteilsgründe noch gerecht. Das Landgericht teilt die Tatvorwürfe mit und erläutert, dass es den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen hat. Es stützt sich hierzu auf die Einlassung des Angeklagten. Durch den Verweis auf die bereits zu den Verurteilungsfällen vorgenommene Würdigung dieser – insbesondere vom Zeugen Z. gestützten – Einlassung sowie der Aussage des den Angeklagten belastenden Zeugen D. ergeben sich hinreichend die die Strafkammer leitenden Beweisgründe. Eine Verfahrensrüge zu den von ihr vermissten weiteren Aufklärungsmöglichkeiten ist nicht erhoben.

IV.


7
Die Entscheidung des Landgerichts über den Wertersatzverfall ist, wie sich aus den Ausführungen unter Ziff. I ergibt, nicht angefochten worden; da die Strafkammer den Erlösbetrag ausschließlich aus den sieben, vom Angeklagten täterschaftlich durchgeführten Drogengeschäften errechnet hat, fußt die Maßnahme auch nicht kumulativ auf dem in Wegfall geratenen Schuldspruch wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Dies schließt eine Erhöhung des Wertersatzverfalls im Falle einer weiter gehenden Verurteilung nicht aus.

V.


8
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass für die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe gemäß § 55 Abs. 1 StGB auf den Zeitpunkt der ersten Tatsachenverhandlung abzustellen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Dezember 2009 - 5 StR 459/09, NStZ-RR 2010, 106, und vom 14. April 2010 - 2 StR 92/10).
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer

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Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Strafgesetzbuch - StGB | § 27 Beihilfe


(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. (2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu milde

Strafprozeßordnung - StPO | § 301 Wirkung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft


Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

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(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 48/10
vom
16. März 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringerMengeu.a.
zu 2.: Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 16. März 2010 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 28. Oktober 2009 aufgehoben ,
a) soweit die Angeklagten im Fall II. 16. der Urteilsgründe verurteilt worden sind,
b) in den Aussprüchen über die Gesamtstrafen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, [gewerbsmäßigen] unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren in 14 Fällen sowie unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, den Angeklagten R. wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäu- bungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren auf Sachrügen gestützten Revisionen , der Angeklagte H. erhebt darüber hinaus auch eine Verfahrensrüge.
2
Die Rechtsmittel haben mit den Sachrügen in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Die Verurteilungen der Angeklagten im Fall II. 16. der Urteilsgründe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (H. ) bzw. Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (R. ) halten revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand, weil die Feststellungen insoweit lückenhaft sind. Das angefochtene Urteil enthält keine Angaben zur Art und Menge der Betäubungsmittel, die der Angeklagte H. zum Zweck gewinnbringenden Weiterverkaufs erworben und der - eingeweihte - Angeklagte R. für ihn aufbewahrt hat. In den Urteilsgründen wird lediglich mitgeteilt, dass es in diesem Fall "um eine nicht bekannte Menge von Betäubungsmitteln" (UA 9) ging. Hierzu wird der neue Tatrichter nähere Feststellungen zu treffen haben.
4
2. Die Aufhebung der Schuldsprüche in diesem Fall zieht auch die Aufhebung der Gesamtstrafen nach sich.
5
3. Soweit das Landgericht gegen den Angeklagten H. in den Fällen II. 1. bis 15. der Urteilsgründe Geldstrafen verhängt hat, enthält das Urteil keine Angabe der Tagessatzhöhe. Der Festsetzung der Tagessatzhöhe bedarf es auch dann, wenn - wie hier - aus Einzelgeldstrafen und Freiheitsstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet wird (vgl. BGHSt 30, 93, 96 f.; BGH, Urt. vom 28. Oktober 1987 - 3 StR 381/87, BGHR StGB § 54 Abs. 3 Tagessatzhöhe 1; vgl. auch Fischer StGB 57. Aufl. § 40 Rdn. 6 m.w.N.). Der Senat holt dies - in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO - nach und setzt die Tagessatzhöhe auf den Mindestsatz von einem Euro (§ 40 Abs. 2 Satz 3 StPO) fest.
6
4. Soweit der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift beanstandet, das Urteil erschöpfe den Eröffnungsbeschluss nicht, weil dem Angeklagten H. in der zugelassenen Anklageschrift 120 Fälle der unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln an die Zeugin S. zur Last gelegt waren, er aber nur in 13 Fällen (Fälle II. 1. bis 13. der Urteilsgründe) deswegen verurteilt worden ist, ist dem Senat eine Entscheidung dazu verwehrt, weil das Verfahren insoweit nicht hier, sondern noch beim Landgericht anhängig ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. November 1993 - 4 StR 629/93, BGHR StPO § 352 Abs. 1 Prüfungsumfang 4, und vom 18. April 2007 - 2 StR 144/07, NStZ 2007, 476; vgl. auch Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 352 Rdn. 1).
Tepperwien Solin-Stojanović Ernemann Franke Mutzbauer

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 190/10
vom
29. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. Juli 2010,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
die Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 24. November 2009 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Angeklagte im Fall 8 der Anklage (VII. 2. b der Urteilsgründe ) freigesprochen worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen schweren Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt und sie vom Vorwurf sieben weiterer Straftaten freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer hiergegen gerichteten Revision die Verletzung sachlichen Rechts; sie hat das Rechtsmittel , nachdem sie zunächst einen umfassenden Aufhebungsantrag gestellt hatte, auf den Freispruch im Fall 8 der Anklage (VII. 2. b der Urteilsgründe) beschränkt. Das insoweit vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
1. Die Staatsanwaltschaft hat der Angeklagten im Fall 8 der Anklage versuchten schweren Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung zur Last gelegt:
3
Die Angeklagte habe im Mai 2009 gemeinsam mit ihrem gesondert verfolgten Sohn D. N. die Zeugin M. in Rumänien angeworben. Auch dieser Zeugin habe sie vorgespiegelt, ihr eine Stelle in einem von ihr betriebenen Reinigungsunternehmen zu besorgen, bei der sie 150 € am Tag verdienen könne. Die Zeugin M. habe sich darauf eingelassen und bis zum 23. Juni 2009 in Deutschland bleiben wollen. Sie sei mit der Angeklagten und deren Sohn über Ungarn nach Deutschland gefahren. Auch sie habe nach Passieren der rumänisch/ungarischen Grenze ihren Pass an D. N. abgeben müssen. Die Zeugin M. sei in die Wohnung Z. in E. gebracht worden. Zur Prostitutionsausübung sei es jedoch nicht mehr gekommen, da die Angeklagte inzwischen festgenommen worden sei.
4
2. Die Angeklagte hat sich zu diesem Vorwurf nicht eingelassen. Das Landgericht hat sie aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Den in der Anklage bezeichneten Sachverhalt habe keiner der vernommenen Zeugen bestätigt ; weitere Zeugen, die den Tatvorwurf stützen könnten, seien nicht ersichtlich. Die Zeugin M. habe in der Hauptverhandlung wegen unbekannten Aufenthalts nicht vernommen werden können. Der gesondert verfolgte D. N. habe das angeklagte Tatgeschehen nicht bestätigt; er habe vielmehr bekundet, die Angeklagte und er seien im fraglichen Zeitraum in Rumänien gewesen, hätten aber keine Mädchen aus Rumänien nach Deutschland verbracht.

II.


5
Der Freispruch hat im angefochtenen Umfang keinen Bestand.
6
Die Ausführungen des Landgerichts werden den gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellenden Anforderungen nicht gerecht.
7
Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss der Tatrichter zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen feststellen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen - zusätzlichen - Feststellungen nicht getroffen werden können. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht prüfen kann, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind (st. Rspr.; vgl. BGHSt 37, 21, 22; BGH, Urteile vom 14. Februar 2008 - 4 StR 317/07, NStZ-RR 2008, 206, 207 und vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, NJW 2008, 2792, 2793). Dem genügt das angefochtene Urteil nicht, soweit der Freispruch im Fall 8 der Anklage inmitten steht.
8
Im angefochtenen Urteil fehlen insoweit jegliche Feststellungen zum Tatgeschehen. So bleibt bereits offen, ob die Jugendschutzkammer überhaupt einen Aufenthalt der Zeugin M. in Deutschland für erwiesen hält.
9
Auch die äußerst rudimentäre Angabe der Beweisgründe erlaubt dem Senat nicht die auf Revision gebotene rechtliche Überprüfung des Freispruchs. Das Urteil gibt lediglich in knapper Form Angaben des gesondert verfolgten D. N. zu einem Aufenthalt der Angeklagten "im fraglichen Zeitraum" in Rumänien wieder. Hierbei lässt das Urteil die erforderliche Beweiswürdigung vermissen, die dem Revisionsgericht erst die Prüfung ermöglicht, ob der den Entscheidungsgegenstand bildende Sachverhalt erschöpfend gewürdigt ist und ob der Freispruch auf rechtlich bedenkenfreien Erwägungen beruht (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 1991 - 4 StR 233/91, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 7). Der Senat kann daher nicht prüfen, ob das Landgericht die im Urteil wiedergegebenen Angaben des gesondert verfolgten Sohnes der Angeklagten mit den zum Anklagevorwurf getroffenen Feststellungen in Beziehung gesetzt und hieraus rechtsfehlerfreie Schlüsse gezogen hat. Die nicht weiter ausgeführte Mitteilung im angefochtenen Urteil, keiner der vernommenen Zeugen, zu denen ausweislich der Urteilsgründe (UA 20) auch für den Fall 8 der Anklage die mit den Ermittlungen befassten Polizeibeamten gehörten, habe den Tatvorwurf bestätigt (UA 23), reicht hierfür nicht aus.
10
Der neue Tatrichter wird darauf hingewiesen, dass die Feststellung, die Angeklagte habe aus ihrer Wohnung Z. in E. heraus gewerbsmäßig Menschenhandel betrieben, nicht von der Aufhebung erfasst ist und dies daher gegebenenfalls bei der Beweiswürdigung angemessen zu berücksichtigen sein wird.
Ernemann Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

5 StR 459/09
(alt: 5 StR 74/09)

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 9. Dezember 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Dezember
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Schaal,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König
alsbeisitzendeRichter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof S. ,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof Sc.
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt A.
alsVerteidiger,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 17. Juni 2009 im Rechtsfolgenausspruch gegen den Angeklagten B. dahin abgeändert, dass dieser Angeklagte unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Brandenburg vom 14. März 2006 – 21 Ls 57/05 – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt wird, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird; die Anrechnung eines Teils der Strafe als vollstreckt entfällt.
Es verbleibt bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
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Wegen einer schon 2004 gemeinsam mit der bisherigen Mitangeklagten begangenen Tatserie betrügerischer Arbeitsvermittlung war der Angeklagte B. vom Landgericht Potsdam am 22. August 2008 wegen Betruges in 29 Fällen verurteilt worden. Der Schuldspruch ist nach dem Beschluss des Senats vom 26. März 2009 – 5 StR 74/09 – rechtskräftig. Der Strafausspruch – drei Jahre Gesamtfreiheitsstrafe unter Einbeziehung zweier anderweitig rechtskräftig verhängter Strafen – hatte hingegen keinen Bestand. Der Senat hatte den gesamten Rechtsfolgenausspruch gegen diesen Angeklagten wegen mehrfach unzulänglich begründeter nachträglicher Gesamtstrafbildung und unzureichender Reaktion auf rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung aufgehoben. Nunmehr hat das Landgericht gegen den Angeklagten unter Reduzierung der 29 Einzelfreiheitsstrafen um jeweils einen Monat auf je sieben Monate ohne Einbeziehung weiterer Strafen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten erkannt, hat die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt und wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung von einem Jahr und drei Monaten Dauer zwei Monate der Gesamtfreiheitsstrafe für vollstreckt erklärt. Die gegen die erneute Gesamtstrafbildung gerichtete, auf die Sachrüge gestützte – vom Generalbundesanwalt vertretene – Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet.
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Die Beschwerdeführerin beanstandet zutreffend, dass das Landgericht , das die andere vormals einbezogene, indes schon vor dem ersten Urteil erledigte Geldstrafe zu Recht nicht mehr in die Gesamtstrafe einbezogen hat, auch mit der am 14. März 2006 gegen den Angeklagten unter anderem wegen Meineides verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten keine nachträgliche Gesamtstrafe gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB gebildet hat. Der Erlass jener Strafe im Mai 2009 hinderte dies entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht. Er erfolgte nämlich nach dem ersten Urteil in dieser Sache. Dieser Zeitpunkt ist für die Frage der Erledigung im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB allein maßgeblich. Anders als das Landgericht meint, soll der Angeklagte hierdurch in weitestgehend möglicher Weise so gestellt werden, wie er bei einheitlicher Aburteilung sämtlicher zuvor begangener Straftaten zum Zeitpunkt der ersten zäsurbegründenden Verurteilung gestanden hätte. Dabei soll nicht nur, worauf das Landgericht allein abstellen möchte, eine ungerechtfertigte Benachteiligung des Angeklagten vermieden werden, sondern er soll hierdurch auch nicht bevorzugt werden. Dies gebietet nach verbindlicher Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die vorliegende Fallkonstellation (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Fehler 2; BGH NStZ 1982, 377 m.w.N.) die Einbeziehung einer nach dem maßgeblichen ersten Urteil erlassenen Bewährungsstrafe.
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In dieser Sache ist nunmehr wiederholt im Revisionsrechtszug die Anwendung der überaus kompliziert ausgestalteten Regeln über die nachträgliche Gesamtstrafbildung zu beanstanden. Die Regeln sind schwer zu durchschauen, darzustellen und zu befolgen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 17. Juli 2000 – 5 StR 280/00). Auch grundlegend abweichende Anwendungssysteme (vgl. Wilhelm NStZ 2008, 425) sind ihrerseits überaus kompliziert. Vor diesem Hintergrund und angesichts der festgestellten rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung hält es der Senat zur unbedingt gebotenen Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerung für unerlässlich, eine eigene abschließende Rechtsfolgenentscheidung zu treffen. Nach den besonderen Gegebenheiten des Falles erscheint letztlich auch nurmehr eine bestimmte Sanktionierung allein angemessen (§ 354 Abs. 1 StPO analog).
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Dies ist auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei bestimmten Einzelstrafen , des großen zeitlichen Abstands zur Tatbegehung, bei welcher der Angeklagte B. unbestraft war, und des Umstands des bereits eingetretenen Ablaufs der Bewährungszeit für die einzubeziehende Strafe (Erlassreife) bei der maßgeblichen ersten Verurteilung, dem, wie im genannten ersten Beschluss des Senats in dieser Sache (m.w.N.) hervorgehoben, besondere gesamtstrafmindernde Wirkung zukommt, – auch unter Berücksichtigung der gegen die Mitangeklagte verhängten Bewährungsstrafe – eine zur Bewährung auszusetzende Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren. Da der Angeklagte ein solches Ergebnis letztlich maßgeblich infolge der eingetretenen Verfahrensverzögerung erreicht, kommt dabei allerdings eine besondere weitere Kompensation für die nunmehr rechtsfehlerfrei festgestellte rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht in Betracht; nichts anderes könnte auch für eine etwa mögliche Anrechnung von Bewährungsleistungen in der einbezogenen Sache gelten.
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Die nach der Durchentscheidung ausstehenden Bewährungsfolgeentscheidungen (§ 268a StPO) obliegen dem Landgericht. Die Kostenentscheidung , die, wie im angefochtenen Urteil tenoriert, dem erreichten Teilerfolg der Revision des Angeklagten gegen das erste Urteil Rechnung trägt und den Erfolg der neuen staatsanwaltlichen Revision dem Angeklagten über die ihm auferlegten Verfahrenskosten anlastet, ergibt sich aus den Grundsätzen von BGHSt 19, 226.
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