Bundesgerichtshof Urteil, 30. Juli 2015 - 4 StR 199/15

bei uns veröffentlicht am30.07.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 199/15
vom
30. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. Juli 2015,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als Vorsitzende,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung -
Staatsanwältin - bei der Verkündung -
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Pflichtverteidiger,
Rechtsanwältin - in der Verhandlung -
als Vertreterin der Nebenklägerin Z. H. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Nebenklägerin Z. H. wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 10. Dezember 2014 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt; im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Ferner hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein eingezogen und angeordnet, dass dem Angeklagten vor Ablauf von fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Die gegen dieses Urteil gerichteten Revisionen des Angeklagten und der Nebenklägerin B. H. hat der Senat mit Beschlüssen vom 18. Juni 2015 verworfen. Die Nebenklägerin Z. H. erhebt mit ihrem Rechtsmittel Verfahrensrügen sowie sachlich-rechtliche Beanstandungen. Das Rechtsmittel, das sich nicht gegen den Teilfreispruch des Angeklagten, sondern allein dagegen richtet, dass der Angeklagte nicht auch wegen eines versuchten vorsätzlichen Tötungsdelikts verurteilt wurde, hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

I.


2
Das Rechtsmittel der Nebenklägerin Z. H. ist wirksam darauf beschränkt, dass der Angeklagte, soweit er verurteilt wurde, nicht auch eines versuchten vorsätzlichen Tötungsdelikts zum Nachteil dieser Nebenklägerin schuldig gesprochen wurde.
3
Zwar hat die Nebenklägerin unbeschränkt Revision eingelegt und auch einen unbeschränkten Aufhebungsantrag gestellt. Aus der Begründung des Rechtsmittels entnimmt der Senat jedoch, dass dieses allein dagegen gerichtet ist, dass der Angeklagte nicht auch wegen eines versuchten vorsätzlichen Tötungsdelikts durch das Zu- und Überfahren der Nebenklägerin verurteilt wurde. Dies wird dadurch belegt, dass sie schon mit der Revisionseinlegung mitgeteilt hat, dass (lediglich) eine Verurteilung wegen versuchten Totschlags angestrebt werde, und sich die Nebenklägerin auch in der Revisionsbegründung allein mit dieser Tat befasst, nicht aber mit den dem Freispruch zugrunde liegenden Schüssen aus einer Gaspistole in Richtung der Nebenklägerin und deren Familienangehörigen , die nach deren Angaben in der Hauptverhandlung gar nicht vom Angeklagten abgegeben wurden.

II.


4
1. Soweit infolge der Beschränkung der Revision von Bedeutung hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
5
Zwischen den Familien H. und K. bestanden Streitigkeiten, in deren Mittelpunkt die Eheleute A. und Ze. K. , geborene H. , standen. Ze. K. , ihre Schwester Z. H. und ihre Mutter B. H. standen neben weiteren Familienangehörigen auf Seite der Familie H. ; der Angeklagte A. K. gehörte dem Lager der Familie K. an.
6
Am 11. November 2013 waren Angehörige der Familie H. , unter anderem Ze. K. , die damals vom Angeklagten getrennt lebte, sowie B. und Z. H. , auf dem Weg zu einer Rechtsanwaltskanzlei, nachdem am Vortag im Rahmen einer körperlichen Auseinandersetzung mit Angehörigen der Familie H. der Angeklagte verletzt worden war. Als sie den Imbiss eines Angehörigen der Familie K. passierten, kam es zu einer Schlägerei zwischen Mitgliedern der Familien H. und K. , die durch Passanten beendet wurde. Anschließend gingen die sechs Mitglieder der Familie H. weiter auf dem rechten Bürgersteig in Richtung der Rechtsanwaltskanzlei. Dort bemerkte sie der Angeklagte, der mit seinem Pkw in Laufrichtung der Familie H. hinter diesen an einer Fußgängerampel stand. Er beschleunigte sein Fahrzeug „mit quietschenden Reifen“, fuhr auf den Bürgersteig und hielt auf einer Strecke von ca. 50 Meter zielgerichtet "deutlich schneller als mit Schrittgeschwindigkeit“ auf die Mitglieder der Familie H. zu, um zumindest Z. H. zu verletzen. Z. H. , die mit ihrer Mutter in etwas Abstand zu den anderen Familienangehörigen ging, drehte sich um, als die „quietschenden Reifen“ zu hören waren, und sah den Angeklagten; sie ging aber weiter, da sie nicht dachte, dass der Angeklagte tatsächlich auf sie zubzw. sie anfahren würde. Sie wurde jedoch von dem vom Angeklagten gesteuerten Pkw frontal erfasst und stürzte anschließend von der Motorhaube vor dem Fahrzeug auf den Boden, wo sie auf dem Rücken liegen blieb. Der Angeklagte, der den Pkw zunächst schräg zur Hauswand hin angehalten hatte, rangierte sein Fahrzeug vor und zurück, um vom Bürgersteig herunterzufahren. Z. H. versuchte währenddessen, sich wieder aufzurichten und nahm dabei Blickkontakt zum Angeklagten auf. Gleichwohl fuhr der Angeklagte auf sie zu, wobei er sie mit dem Fahrzeug derart an der Nase traf, dass sie einen Nasenbeinbruch erlitt. Beim erneuten Zurücksetzen drückte der Angeklagte sodann B. H. mit seinem Fahrzeug gegen die Hauswand, wodurch sie verletzt wurde. Anschließend fuhr er erneut „billigend in Kauf nehmend, dass Z. H. immer noch vor seinem Fahrzeug auf dem Boden lag und verletzt werden könnte“ nach vorne und überrollte deren Oberschenkel.
7
2. Die (allgemeine) Strafkammer des Landgerichts, die das Verfahren nach Vorlage durch das Amtsgericht wegen „besonderen Umfangs“ übernommen hatte, hat hinsichtlich der Körperverletzung zum Nachteil von Z. H. durch das erste Anfahren direkten und im Übrigen bedingten Körperverletzungsvorsatz des Angeklagten angenommen; bedingten Tötungsvorsatz vermochte sie indes nicht festzustellen. Zwar sei der Angeklagte „deutlich schneller als mit Schrittgeschwindigkeit“ auf Z. H. zugefahren, jedoch sei diese nicht „so konkret und erheblich in Gefahr gebracht worden ..., dass daraus ohne weiteres der Schluss gezogen werden kann, dass der Angeklagte ein ernst zu nehmendes Todesrisiko für gegeben erachtet und in Kauf genommen hat“. Auch beim Überfahren „liegt kein derart risikobehaftetes Geschehen vor, aufgrund dessen die Kammer auf einen Tötungsvorsatz schließen kann. In dieser Situation kam es dem Angeklagten auf das Verlassen des Gehweges an.“
8
Sie bewertet das Verhalten des Angeklagten daher als gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB in Tateinheit mit in gleichartiger Tateinheit stehenden gefährlichen Körperverletzungen (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) zum Nachteil von B. und Z. H. . Eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB sieht die Strafkammer nicht als gegeben an, weil sich „die Tatumstände... nicht als derart gefährlich“ dargestellt hätten.
9
3. Die Nebenklägerin Z. H. beanstandet mit ihrem Rechtsmittel unter anderem die Ablehnung von zwei Beweisanträgen, die zum einen auf die Erholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens zur Geschwindigkeit des Pkws des Angeklagten („mindestens 40 km/h“), zum anderen auf die Vernehmung des Zeugen Ah. K. gerichtet waren. Dieser Zeuge sollte bekunden, dass der Angeklagte am Tattag ca. eine Stunde „vor dem Tatgeschehen bei dem Zeugen anrief und drohte, die Mitglieder der Familie H. umzubringen, sie mit dem Pkw zu überfahren und wenn sie nicht tot seien, dann sie zu erschießen oder mit dem Dönermesser abzustechen“. Hierdurch sollte die Tötungsabsicht des Angeklagten belegt werden.
10
Das Landgericht hat beide Beweisanträge wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt. Hierzu hat es – ähnlich wie zum ersten – beim zweiten Beweisantrag lediglich ausgeführt: „Die Beweisbehauptung ... ist für die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung (§ 244 Abs. 3 S. 2, 2. Var. StPO). Ein möglicher Tötungsvorsatz ist für die angeklagte gefährliche Körperverletzung und den gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr ohne Bedeutung. Darüber hinaus will die Kammer weitere mögliche Schlüsse aus einem solchen Gespräch nicht ziehen.“

III.


11
Mit dieser Begründung durfte das Landgericht den Beweisantrag auf Vernehmung des Zeugen Ah. K. nicht ablehnen; sie ist in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft.
12
1. Bereits die Annahme von Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Gründen begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
13
a) Aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos sind Indiztatsachen, wenn zwischen ihnen und dem Gegenstand der Urteilsfindung keinerlei Sachzusammenhang besteht oder wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Fall ihres Erwiesenseins die Entscheidung nicht beeinflussen könnten. Bei Behauptung einer relevanten belastenden Tatsache durch die Staatsanwaltschaft oder einen Nebenkläger muss deshalb eine bislang für den Angeklagten positive Beweislage durch die begehrte Beweiserhebung umschlagen können. Legt der Tatrichter rechtsfehlerfrei dar, dass die in dem Beweisantrag behauptete Tatsache auch dann, wenn sie durch die beantragte Beweisaufnahme bewiesen würde, ihn nicht von der Schuld des Angeklagten überzeugen könnte, ist er nicht verpflichtet, den beantragten Beweis zu erheben (zum Ganzen hinsichtlich einer Revision der Staatsanwaltschaft: BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 – 4 StR 293/14, NStZ 2015, 355, 356 mwN).
14
b) Daran gemessen ist die Annahme von Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Gründen hinsichtlich der in dem zweiten Beweisantrag aufgestellten Beweisbehauptung rechtsfehlerhaft. Denn die Ankündigung einer von einem entsprechenden Vorsatz getragenen Tötungshandlung ist für die Beweiswürdigung hinsichtlich der subjektiven Seite der tatsächlich vorgenommenen, der Ankündigung entsprechenden Handlung regelmäßig von erheblicher Bedeutung (vgl. zur Bewertung des Zufahrens auf einen Fußgänger als versuchtes Tötungsdelikt : Senat, Urteile vom 29. Januar 2015 – 4 StR 433/14, NStZ 2015, 392 ff.; vom 25. Oktober 2012 – 4 StR 346/12, NStZ 2013, 156 ff).
15
Zudem lassen die Ausführungen der Strafkammer in dem Ablehnungsbeschluss besorgen, dass das Landgericht in unzulässiger Weise die Ablehnungsgründe der Bedeutungslosigkeit aus rechtlichen und aus tatsächlichen Gründen miteinander vermengt hat. Zwar trifft es zu, dass Tötungsvorsatz für die Bewertung einer Handlung als gefährliche Körperverletzung oder als gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr – aus Rechtsgründen – ohne Bedeutung ist, weil er sich auf keines der dortigen Tatbestandsmerkmale bezieht. Maßgeblich sind insofern jedoch nicht (nur) die in der Anklageschrift und dem Eröffnungsbeschluss bejahten Straftatbestände, sondern die Tatbestandsmerkmale sämtlicher der tatrichterlichen Kognition unterliegenden Straftatbestände, mögen sie dem Angeklagten auch erst durch einen Hinweis im Sinne des § 265 Abs. 1 StPO angelastet worden sein oder angelastet werden können(vgl. auch BGH, Urteil vom 29. April 2010 – 3 StR 63/10, juris Rn. 10; Beschluss vom 13. Februar 2014 – 1 StR 336/13, juris Rn. 41).
16
2. Ferner ist der Beschluss, mit dem das Landgericht den Beweisantrag abgelehnt hat, unzureichend begründet.
17
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Beschluss, mit dem ein Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit der behaupteten Tatsachen abgelehnt wird, die Erwägungen anführen, aus denen der Tatrichter ihnen keine Bedeutung beimisst. Wird die Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Umständen gefolgert, so müssen die Tatsachen angegeben wer- den, aus denen sich ergibt, warum die unter Beweis gestellte Tatsache, selbst wenn sie erwiesen wäre, die Entscheidung des Gerichts nicht beeinflussen könnte. Die erforderliche Begründung entspricht dabei grundsätzlich den Begründungserfordernissen bei der Würdigung von durch die Beweisaufnahme gewonnenen Indiztatsachen in den Urteilsgründen; sie ist auf konkrete Erwägungen zu stützen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. Oktober 2013 – 3 StR 135/13, NStZ-RR 2014, 54, 55; vom 18. März 2015 – 2 StR 462/14, juris Rn. 5). Geht es um den Angeklagten belastende Beweisbehauptungen, muss die Ablehnung das ganze Beweisthema ohne Einengung, Verkürzung oder Unterstellung erfassen und darlegen, warum dem Tatrichter die im Beweisantrag behauptete Tatsache in Verbindung mit dem bisherigen Beweisergebnis nicht ausreichen würde, um zu einer Verurteilung zu gelangen (zum Ganzen: BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 – 4 StR 293/14, NStZ 2015, 355, 356; vgl. insbesondere zu einem Beweisantrag des Nebenklägers ferner BGH, Urteil vom 7. April 2011 – 3 StR 497/10, NStZ 2011, 713, 714 jeweils mwN).
18
b) Den sich hieraus ergebenden Anforderungen genügt der Beschluss des Landgerichts offensichtlich nicht (vgl. auch BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 – 3 StR 135/13, NStZ-RR 2014, 54, 55).
19
3. Im Hinblick auf die mehrfachen Rechtsfehler des Landgerichts bedarf keiner Entscheidung, ob hinsichtlich des dem Nebenkläger zustehenden Beweisantragsrechts eine weniger restriktive Anwendung der gesetzlichen Ablehnungsgründe als beim Angeklagten vertretbar ist (so BGH, Beschluss vom 28. April 2010 – 5 StR 487/09, NStZ 2010, 714; hiergegen mit überzeugender Begründung BGH, Urteil vom 7. April 2011 – 3 StR 497/10, NStZ 2011, 713,

714).


20
Ferner kommt es nicht darauf an, dass die Verfahrensrüge, die den auf die Erholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens gerichteten Beweisantrag zum Gegenstand hat, unzulässig ist (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), da sie insbesondere den Inhalt der ausdrücklich zum „Teil des Beweisantrags“ gemachten Daten-DVD nicht mitteilt (vgl. allgemein BGH, Beschlüsse vom 17. Juli 2014 – 4 StR 78/14, NStZ 2014, 604, 606 mwN; zu einer entsprechenden Bezugnahme in einem Urteil auch BGH, Urteil vom 2. November 2011 – 2 StR332/11, BGHSt 57, 53; Beschlüsse vom 14. September 2011 – 5 StR 355/11, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 3 Verweisung 3; vom 14. März 2012 – 2 StR 547/11, StV 2013, 73).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

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(1) Wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er

1.
Anlagen oder Fahrzeuge zerstört, beschädigt oder beseitigt,
2.
Hindernisse bereitet oder
3.
einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Handelt der Täter unter den Voraussetzungen des § 315 Abs. 3, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(4) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer die Sicherheit des Schienenbahn-, Schwebebahn-, Schiffs- oder Luftverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er

1.
Anlagen oder Beförderungsmittel zerstört, beschädigt oder beseitigt,
2.
Hindernisse bereitet,
3.
falsche Zeichen oder Signale gibt oder
4.
einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
in der Absicht handelt,
a)
einen Unglücksfall herbeizuführen oder
b)
eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, oder
2.
durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 293/14
vom
26. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Februar
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof – in der
Verhandlung –,
Richterin am Landgericht – bei der Verkündung –
als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom 21. Januar 2014 wird verworfen.
2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion (§ 308 Abs. 1 StGB) in Tateinheit mit Diebstahl (§ 242 Abs. 1, § 243 Abs. 1 Nr. 2 StGB) freigesprochen. Hiergegen richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie Verfahrensbeanstandungen und die Sachrüge erhebt. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


2
1. Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage legt dem Angeklagten zur Last, am 18. Juni 2009 gegen 3:15 Uhr in K. gemeinsam mit einem unbekannt gebliebenen Mittäter mit Hilfe eines Gartenschlauchs ein Gasgemisch in einen Geldautomaten der S. - sparkasse eingeleitet, dieses entzündet und so den Geldautomaten zerstört zu haben. Entsprechend ihrem Tatplan hätten der Angeklagte und sein Mittäter anschließend die mit ca. 165.000 Euro bestückten Geldkassetten an sich genommen , um das Bargeld für eigene Zwecke zu verwenden.
3
2. Das Landgericht hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Es hat zwar den äußeren Geschehensablauf im Wesentlichen wie in der Anklage beschrieben festgestellt, sich aber nicht davon zu überzeugen vermocht, dass es sich bei dem Angeklagten um einen der Täter handelte.
4
Zwar sei beim Angeklagten, der keine Angaben zur Sache gemacht ha- be, ein Kapuzenshirt sichergestellt worden, das „wahrscheinlich“ das von einem der Täter bei der Tat getragene Kleidungsstück sei. Des Weiteren seien in der Wohnung des Angeklagten unter anderem weiße Stoffhandschuhe sichergestellt worden, wobei ein Täter ebenfalls weiße Stoffhandschuhe getragen habe. Auch seien in der Wohnung des Angeklagten Geldscheine (2.325 Euro) aufgefunden worden, von denen drei Beschädigungen in Form von Knicken, Rissen und Brandrändern aufgewiesen hätten, die in vergleichbarer Weise auch bei einigen der am Tatort verbliebenen Geldscheine vorhanden gewesen seien. Zudem habe die ehemalige Lebensgefährtin des Angeklagten, die Zeugin St. , diesen durch eine anonyme Anzeige gegenüber der Polizei bezichtigt, er sei Täter der festgestellten sowie einer weiteren, am 3. Mai 2009 in N. vorgenommenen „Automatensprengung“ gewesen und er habe sich aus der Tatbeute einen Pkw („7er BMW“) gekauft. Einen BMW, allerdings das Modell X5, habe der Angeklagte, der damals Arbeitslosengeld II bezogen und von „Gelegenheitsjobs“ gelebt habe, tatsächlich aucham 10. Juli 2009 für 16.900 Euro erworben und bar bezahlt. Schließlich habe ein anonymer Anrufer der Polizei am 15. Juli 2009 mitgeteilt, der Angeklagte habe in N. und H. Geldautomaten aufgesprengt und aus der Tatbeute einen BMW X5 erworben.
5
Gleichwohl hatte die Strafkammer durchgreifende Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten. Diese stützt sie unter anderem darauf, dass das Kapu- zenshirt „industriell gefertigte Massenware“ sei. Auch sei – so der Sachverstän- dige – „zwar nicht ausgeschlossen, … aber auch nicht eindeutig“, dass die an dem Geldautomaten gesicherten Textildruckspuren von den in der Wohnung des Angeklagten sichergestellten Handschuhen herrühren; sicher sei dagegen, dass Textilfasern an Panzerklebebandstreifen, die der Täter zur Abdichtung des Geldautomaten vor der Sprengung angebracht habe, nicht von den beim Angeklagten aufgefundenen Handschuhen stammten. Ferner seien an den sichergestellten Handschuhen keine DNA-Spuren des Angeklagten, aber solche des Zeugen Se. festgestellt worden. Auch seien Sportschuhe, wie sie der Täter bei der Tat getragen habe, beim Angeklagten nicht aufgefunden worden. Die Untersuchung der beim Angeklagten aufgefundenen drei beschädigten Geldscheine habe lediglich ergeben, dass die Beschädigungen durch die Einwirkung einer Gasexplosion entstanden sein können. Eine daktyloskopische Abdruckspur, die auf einem Blechteil am Tatort gesichert worden war, sei weder dem Angeklagten noch Se. zuzuordnen. Die anonyme Anzeige der ehemaligen Lebensgefährtin des Angeklagten habe – wie sie selbst eingeräumt hat – auf bloßen Vermutungen beruht. Sie habe mitbekommen, dass der Angeklagte sich im Internet mit Anleitungen zum Bau von Sprengsätzen beschäftigt habe; aufgrund von Medienberichten über Geldautomatensprengungen ha- be sie dann „eins und eins zusammengezählt“ und gefolgert, dass der Ange- klagte an den Taten beteiligt gewesen sei. In der weiteren anonymen Anzeige sei der Angeklagte zwar der Mitwirkung an zwei Geldautomatensprengungen in H. und N. bezichtigt worden, nicht aber der verfahrensgegenständlichen Tat in K. .
6
3. Die Revision der Staatsanwaltschaft beanstandet die Ablehnung mehrerer Beweisanträge wegen Bedeutungslosigkeit, rügt in diesem Zusammenhang auch die Verletzung der Aufklärungspflicht und macht geltend, die Ablehnungsbeschlüsse seien unzureichend begründet. Ferner ist sie der Ansicht, die Beweiswürdigung sei rechtsfehlerhaft.

II.


7
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
8
1. Die Verfahrensrügen dringen nicht durch.
9
a) Die Rügen der Verletzung des § 244 Abs. 3 Satz 2, Abs. 6 StPO sind unbegründet.
10
aa) Aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos sind Indiztatsachen, wenn zwischen ihnen und dem Gegenstand der Urteilsfindung keinerlei Sachzusammenhang besteht oder wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Fall ihres Erwiesenseins die Entscheidung nicht beeinflussen könnten (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 11. April 2000 – 1 StR 55/00, NStZ 2000, 436; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 244 Rn. 54 mwN). Bei Behauptung einer relevanten belastenden Tatsache durch die Staatsanwaltschaft müsste daher eine bislang für den Angeklagten positive Beweislage durch die begehrte Beweiserhebung umschlagen können (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 1997 – 5 StR 58/97, NStZ 1997, 503, 504 m. Anm. Herdegen; ferner BGH, Urteil vom 21. März 1990 – 2 StR 469/89 [juris Rn. 23]). Daran fehlt es indes, wenn der Tatrichter aus der behaupteten und als erwiesen unterstellten Indiz- tatsache einen möglichen, wenn auch nicht zwingenden Schluss nicht ziehen will (BGH, Urteile vom 24. Juni 2004 – 5 StR 306/03, NJW 2004, 3051, 3056; vom 14. Juli 1992 – 5 StR 231/92, NStZ 1992, 551). Eine den Angeklagten belastende Beweisbehauptung darf somit nicht allein deshalb als für das Verfahren bedeutungslos bezeichnet werden, weil die unter Beweis gestellte Tatsache keine zwingenden Schlüsse auf die Verstrickung des Angeklagten in die ihm angelastete Tat erlaubt. Legt der Tatrichter jedoch rechtsfehlerfrei dar, dass die in dem Beweisantrag behauptete Tatsache auch dann, wenn sie durch die beantragte Beweisaufnahme bewiesen würde, ihn nicht von der Schuld des Angeklagten überzeugen könnte, so ist er nicht verpflichtet, den beantragten Beweis zu erheben (BGH, Urteil vom 30. September 1987 – 2 StR 412/87, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 4).
11
Dabei muss nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Beschluss, mit dem ein Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit der behaupteten Tatsachen abgelehnt wird, die Erwägungen anführen, aus denen der Tatrichter ihnen keine Bedeutung beimisst. Wird die Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Umständen gefolgert, so müssen die Tatsachen angegeben werden , aus denen sich ergibt, warum die unter Beweis gestellte Tatsache, selbst wenn sie erwiesen wäre, die Entscheidung des Gerichts nicht beeinflussen könnte. Die erforderliche Begründung entspricht dabei grundsätzlich den Begründungserfordernissen bei der Würdigung von durch Beweisaufnahme gewonnenen Indiztatsachen in den Urteilsgründen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 2. Dezember 2009 – 2 StR 363/09, StV 2010, 557, 558; Beschlüsse vom 16. Januar 2007 – 4 StR 574/06, NStZ 2007, 352; vom 17. Dezember 2013 – 4 StR 374/13, NStZ 2014, 168, 169; KK-Krehl, StPO, 7. Aufl., § 244 Rn. 144 jeweils mwN). Geht es um den Angeklagten belastende Beweisbehauptungen, muss die Ablehnung das ganze Beweisthema ohne Einengung, Verkürzung oder Unterstellung erfassen und darlegen, warum dem Tatrichter die im Beweisantrag behauptete Tatsache in Verbindung mit dem bisherigen Beweisergebnis nicht ausreichen würde, um zu einer Verurteilung zu gelangen (BGH, Urteil vom 1. August 1989 – 1 StR 346/89, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 12 mwN).
12
bb) Daran gemessen sind zwar die von der Staatsanwaltschaft beanstandeten Ablehnungsbeschlüsse unzureichend begründet. Gleichwohl haben die Verfahrensrügen keinen Erfolg.
13
(1) Die zeugenschaftliche Vernehmung einer Sparkassenangestellten dazu, dass dem Angeklagten 2007/2008 lediglich eine Kreditlinie von 500 € eingeräumt und es auf seinem Konto zwischen Oktober 2008 und Mai 2009 zu Rücklastschriften gekommen war, sollte ersichtlich als Indiz dafür dienen, dass der damals von Arbeitslosengeld II sowie Gelegenheitstätigkeiten lebende Angeklagte aufgrund seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht über legale Mittel verfügte, um – kurz nach der Tat – einen Pkw zum Preis von 16.900 Euro bar bezahlen zu können.
14
Es ist jedoch auszuschließen, dass das Urteil auf der unzureichenden Begründung und daher fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags beruht. Denn die Strafkammer ist in den Urteilsgründen von einer Mittellosigkeit des Angeklagten ausgegangen und hat die Barzahlung anlässlich des Pkw-Kaufs als – ersichtlich gewichtiges Indiz – für die Täterschaft des Angeklagten in seine Gesamtwürdigung eingestellt. Ein solches Vorgehen – also einerseits die Ablehnung eines Beweisantrags wegen Bedeutungslosigkeit, andererseits die Bejahung des mit ihm verfolgten Beweisziels – kann die Revision nicht begründen. Denn das Landgericht hat die als bedeutungslos erachteten Indizien, die für die vorläufige Beweiswürdigung in den Ablehnungsbeschluss so einzustellen gewesen wären, als seien sie erwiesen, im Urteil im Ergebnis als bedeutungslos gewürdigt und den von der Beschwerdeführerin intendierten Schluss – aus anderen Gründen – gezogen (vgl. auch BGH, Urteil vom 17. April 2014 – 3 StR 27/14, NStZ-RR 2014, 279, 280 mwN).
15
(2) Mit den Beweisanträgen der Staatsanwaltschaft auf Vernehmung von Polizeibeamten zu einer mehr als eine Stunde vor dem Tatzeitpunkt versandten Kurzmitteilung, aus der sich unter anderem ergeben soll, dass der Empfänger [der Angeklagte] damals nicht beim Absender [seiner damaligen Lebensgefährtin ] war, verfolgte die Staatsanwaltschaft ersichtlich das Ziel nachzuweisen, dass der Angeklagte als Täter in Betracht komme, weil er sich zur Tatzeit nicht bei seiner Lebensgefährtin aufgehalten habe.
16
Auch hier fehlt es jedenfalls am Beruhen. Wird ein Beweisantrag wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache abgelehnt, ohne dass hinreichend dargelegt wird, woraus sich nach Ansicht des Gerichts die Bedeutungslosigkeit ergibt, so kann ein Beruhen hierauf ausgeschlossen werden, wenn die Gründe für die Bedeutungslosigkeit auf der Hand lagen (BGH, Beschluss vom 15. Mai 1990 – 5 StR 594/89, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 1 Bedeutungslosigkeit 12; KK-Krehl, aaO, § 244 Rn. 147 mwN). Das ist hier der Fall. Zwar gilt – wie bei jeder anderen entlastenden Indiztatsache – der Grund- satz „in dubio pro reo“ nicht für einen weder widerlegten noch nachgewiesenen Alibibeweis (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 2014 – 2 StR 333/13). Der lediglich gescheiterte Alibibeweis – bei dem die Lüge nicht erwiesen ist und auch sonst keine besonderen Umstände vorliegen – ist aber kein Beweisanzeichen für die Täterschaft (BGH, Urteile vom 21. Januar 2004 – 1 StR 364/03, NStZ 2004, 392, 394; vom 31. März 1999 – 5 StR 689/98, NStZ 1999, 423). Dies gilt auch, wenn – wie hier – der (unterstellt) erhobene Beweis ein Alibi des Angeklagten nicht ergeben hätte. Denn auch bei Erwiesenheit der unter Beweis gestellten Tatsachen stünde letztlich nur fest, dass sich der Angeklagte zum Zeitpunkt des Versands der Kurzmitteilung nicht bei seiner Lebensgefährtin aufgehalten hat; einen tragfähigen Schluss auf seine Täterschaft lässt dies indes nicht zu, sondern schließt ihn lediglich als Täter nicht aus.
17
(3) Die Verlesung der Telekommunikationsüberwachungsprotokolle über vier Kurzmitteilungen, die im Dezember 2009 zwischen dem Angeklagten und der gesondert verfolgten Sch. ausgetauscht worden sein sollen, hat die Strafkammer ebenfalls als aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos abgelehnt. Mit ihnen sollte insbesondere erwiesen werden, dass der Angeklagte die Zeugin, die bei einer Tankstelle beschäftigt gewesen sei, gebeten habe, ihm Geld („noch 200“) mitzubringen bzw. die Zeugin mitgeteilt habe, dass sie nur „135“ getauscht habe, dass mithin die gesondert verfolgte Sch. „aus einem nur ihr und dem Angeklagten bekannten Versteck Bargeld entnahm und an der Kasse der Aral-Tankstelle in nicht inkriminiertes Geld getauscht hat“.
18
Die Ablehnung dieses Antrags begründet ebenfalls nicht das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft. Denn der behauptete Inhalt der Kurzmitteilungen ist so nichtssagend, dass es auch angesichts der von der Strafkammer zutref- fend als bloße „Mutmaßungen“ bezeichneten Beweisziele auf der Hand liegt, dass dem Tatrichter die im Beweisantrag behaupteten Tatsachen in Verbindung mit dem bisherigen Beweisergebnis nicht ausreichen würde, um zu einer Verurteilung zu gelangen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2014 – 3 StR 442/14).
19
b) Auch die daneben erhobenen Rügen der Verletzung des § 244 Abs. 2 StPO greifen nicht durch, da die Aufklärungspflicht die Erhebung von Beweisen zu tatsächlich bedeutungslosen Umständen nicht gebietet.
20
c) Soweit die Staatsanwaltschaft einen (weiteren) Verstoß gegen § 244 Abs. 6 StPO darin sieht, dass die oben genannten Ablehnungsbeschlüsse ohne die erforderliche Gesamtwürdigung der unter Beweis gestellten Indiztatsachen zustande gekommen seien, hat auch diese Rüge keinen Erfolg.
21
Zwar können Beweisbehauptungen, die bereits früher und gleichzeitig mit dem konkret zu verbescheidenden Beweisantrag erhoben und als bedeutungslos oder bereits erwiesen behandelt wurden, in die bei der Prüfung der Bedeutungslosigkeit einer – weiteren – Beweisbehauptung gebotenen Erwägungen einzubeziehen sein (Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 225 mwN). Jedoch liegt weder nahe, dass die Strafkammer bei der Entscheidung über die Beweisanträge den Inhalt der früher gestellten Beweisanträge außer Betracht gelassen hat, noch ist ersichtlich, dass zwischen den einzelnen , in den verschiedenen Anträgen genannten Beweisbehauptungen ein Zusammenhang besteht, der deren Einbeziehung und eine Gesamtabwägung erfordern würde.
22
2. Die Sachrüge hat ebenfalls keinen Erfolg. Insbesondere dringen die Angriffe der Staatsanwaltschaft gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht durch.
23
a) Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an dessen Täterschaft nicht überwinden kann, so ist dies vom Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht zwar unter anderem zu bejahen, wenn der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 6. Dezember 2012 – 4 StR 360/12, NStZ 2013, 180 mwN). Ist dies nicht der Fall, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung aber sogar dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise näherliegend gewesen wäre (BGH, Urteil vom 20. September 2012 – 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89; Senat, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13).
24
b) Daran gemessen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht zu beanstanden.
25
aa) Sie ist insbesondere nicht lückenhaft.
26
Lückenhaft ist eine Beweiswürdigung vielmehr namentlich dann, wenn sie wesentliche Feststellungen nicht erörtert (BGH, Urteile vom 22. Mai 2007 – 1 StR 582/06; vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13). Dies ist bei den von der Staatsanwaltschaft angeführten „Erörterungsdefiziten“ indes nicht der Fall. Vielmehr erschöpfen sich diese Ausführungen in einer anderen Bewertung der von der Strafkammer erhobenen Beweise. Es ist jedoch allein Sache des Tatrichters, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen Indizien zu bewerten ; das Revisionsgericht kann nicht auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztatsache in die Überzeugungsbildung des Tatrichters eingreifen (BGH, Urteile vom 20. September 2012 – 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89; vom 4. April 2013 – 3 StR 37/13; vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13, StraFo 2013, 339).
27
bb) Die Beweiswürdigung in dem landgerichtlichen Urteil enthält auch weder einen Rechtsfehler darstellende Widersprüche noch Verstöße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze.
28
Ein die Sachrüge begründender Widerspruch kann nicht allein darin liegen , dass einzelne Beweismittel miteinander Unvereinbares ergeben haben. Ebenso wenig kann ein Widerspruch darin gesehen werden, dass das Gericht den Ausführungen eines Sachverständigen folgt (hier etwa zur Herkunft von DNA-Spuren), aber hieraus nicht die von der Staatsanwaltschaft gezogene Schlussfolgerung ziehen will (dass trotz der aufgefundenen DNA-Spuren des Zeugen Se. auch der Angeklagte bei ihm sichergestellte Handschuhe benutzt hat oder haben könnte). Vielmehr ist bei ambivalenten Beweisanzeichen, die dem Tatrichter im Einzelfall rechtlich zulässige Schlüsse sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten ermöglichen, eine rechtlich vertretbare tatrichterliche Entscheidung darüber, welche indizielle Bedeutung ein solcher Umstand im konkreten Fall entfaltet, vom Revisionsgericht hinzunehmen (vgl. BGH, Urteile vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13, StraFo 2013, 339; vom 4. April 2013 – 3 StR 37/13; vom 20. September 2012 – 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89).
29
cc) Schließlich hat das Landgericht weder die gebotene Gesamtwürdigung der für und gegen die Täterschaft des Angeklagten sprechenden Umstände unterlassen oder rechtsfehlerhaft vorgenommen, noch hat es überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt. Es hat auch angesichts der von ihm nicht verkannten, den Angeklagten belastenden Umstände weder naheliegende andere Deutungsmöglichkeiten außer Acht gelassen, noch bloße Schlussfolgerungen zur Begründung von Zweifeln an der Täterschaft des Angeklagten angeführt, für die es nach der Beweisaufnahme entweder keine tat- sächlichen Anhaltspunkte gibt oder die als eher fernliegend zu betrachten sind. Auch die Gesamtwürdigung weist daher keinen Rechtsfehler auf.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 433/14
vom
29. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. Januar
2015, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 23. April 2014 werden verworfen.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr sowie wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt. Ferner hat es die Entziehung der Fahrerlaubnis, die Einziehung des Führerscheins und eine Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von drei Jahren angeordnet. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten mit der Sachrüge; der Angeklagte macht ferner die Verletzung formellen Rechts geltend. Keines der Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Am 22. Mai 2013 traf der Angeklagte kurz nach 13 Uhr auf der Straße den späteren Geschädigten M. , der drei Monate zuvor versucht hatte, in dem vom Vater des Angeklagten betriebenen Lebensmittelgeschäft eine Flasche Wodka zu stehlen. Der Angeklagte, der damals in dem Lebensmittelgeschäft an der Kasse tätig war, und M. , dem nach dem Diebstahlsversuch die Flucht gelungen war, erkannten einander wieder. Der Angeklagte fasste M. an den Schultern und forderte ihn auf, stehen zu bleiben bis die Polizei eintreffe. Der Geschädigte empfand die Situation als bedrohlich ; er stieß den Angeklagten zurück und entfernte sich rasch. Daraufhin stieg der unter einer „starken affektiven Anspannung“ stehende Angeklagte in seinen Pkw, um M. zu folgen; er wollte ihn nicht (erneut) entkommen lassen und fuhr in die Richtung los, in die sich M. entfernt hatte. Kurze Zeit später sah er den auf dem rechten Bürgersteig in Fahrtrichtung des Angeklagten gehenden M. , der zu diesem Zeitpunkt Ohrhörer trug und nicht mehr mit einem Auftauchen und einem Angriff seitens des Angeklagten rechnete. Als der Angeklagte den Geschädigten erkannte, entschloss er sich spontan, ihm einen „Denkzettel“ zu verpassen; er wollte M. anfahren, um ihn „für den Ladendiebstahl zur Rechenschaft zu ziehen“. Der Angeklagte lenkte sein Fahrzeug auf den Gehsteig, wo er M. mit einer Geschwindigkeit von ca. 40 km/h von hinten erfasste. Dem Angeklagten war dabei bewusst, dass der Geschädigte sich bei diesem Vorgehen verletzen und möglicherweise zu Tode kommen könnte; damit fand er sich ab. Er bezog jedoch – schon aufgrund der Schnelligkeit des Geschehens – nicht in seine Überlegungen ein, dass der ihm den Rücken zuwendende Geschädigte dem Angriff gegenüber arg- und wehrlos war. M. wurde durch den Anstoß in den Kniekehlen getroffen, prallte auf die Motorhaube und die Windschutzscheibe des Fahrzeugs, schlug dort mit dem Kopf auf und wurde schließlich nach rechts in eine Böschung geschleudert. Er erlitt hierdurch unter anderem eine Kalottenfraktur und eine Hirnblutung, die zwar abstrakt, jedoch nicht konkret lebensbedrohlich waren.
4
Nach der Kollision kam der Pkw des Angeklagten zunächst annähernd oder ganz zum Stillstand, bevor der Angeklagte beschleunigte und zum Geschäft seines Vaters fuhr. Die Entfernung zwischen dem Ort der ersten Begegnung des Angeklagten und M. und dem Kollisionsort betrug etwa 350 m.
5
2. Das Schwurgericht hat das Anfahren des Geschädigten als versuchten Totschlag (§ 212 Abs. 1, §§ 22, 23 StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB) und mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB) gewertet. Hingegen liege kein versuchter Mord vor; niedrige Beweggründe seien schon objektiv nicht gegeben, an einer heimtückischen Tötung fehle es aus subjektiven Gründen. Das Weiterfahren nach der Kollision erfülle den Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 Abs. 1 StGB).

II.


6
Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
7
1. Es begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das Schwurgericht den Angeklagten nicht – wie von der Staatsanwaltschaft mit ihrem Rechtsmittel erstrebt – wegen eines heimtückisch begangenen Mordversuchs verurteilt hat. Die hierzu vom Schwurgericht getroffenen Feststellungen und die diesen zugrunde liegende Beweiswürdigung weisen – entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft – keinen Rechtsfehler auf.
8
a) Insbesondere liegen – worauf auch der Generalbundesanwalt zutreffend verweist – keine widersprüchlichen Feststellungen vor.
9
Denn der Angeklagte, der zunächst den Geschädigten aufgefordert hatte stehen zu bleiben und bis zum Eintreffen der Polizei zu warten, beabsichtigte bei Aufnahme der Fahrt zunächst nur, den Geschädigten nicht entkommen zu lassen, sondern ihn zu stellen und für den Ladendiebstahl zur Rechenschaft zu ziehen. Einen Willen, den Geschädigten zu verletzen oder gar zu töten, hat das Schwurgericht für diesen Zeitraum (ausdrücklich) nicht festgestellt. Wenn es sodann ausführt, dass der Angeklagte im Zeitpunkt des Erkennens des Ge- schädigten auf dem Gehsteig den Entschluss fasste, diesem einen „Denkzettel“ zu verpassen und anzufahren, um ihn „in dieserForm für den Ladendiebstahl zur Rechenschaft zu ziehen“, so liegt darin im Hinblick auf die vielfältigen Mög- lichkeiten, jemanden zur Rechenschaft zu ziehen, kein Widerspruch zu den vorherigen Feststellungen.
10
b) Auch die Beweiswürdigung des Schwurgerichts hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand.
11
aa) Die Annahme einer „starken affektiven Erregung“ des Angeklagten zur Tatzeit hat die Strafkammer hinreichend mit Tatsachen belegt.
12
Denn sie übernimmt hierzu ersichtlich die Ausführungen des psychiatri- schen Sachverständigen zu der von diesem als „nachvollziehbar“ bezeichneten affektiven Anspannung des Angeklagten aufgrund des vorangegangenen Konflikts mit dem Nebenkläger sowie der starken Identifikation des Angeklagten mit seiner Familie und der hohen Wertigkeit der Tätigkeit in dem Lebensmittelgeschäft seines Vaters für den Angeklagten. Es ist ferner durch Zeugenvernehmungen im Zusammenhang mit anderen Ladendiebstählen in der Vergangenheit zu der Überzeugung gelangt, dass dem Angeklagten übertriebene Reaktionen auf solche Taten – auch mit verbal und körperlich aggressivem Verhalten – „nicht wesensfremd“ sind. Schließlich hat das Schwurgericht in Bezug auf die psychische Verfassung des Angeklagten bei dem Tötungsversuch auch bedacht , dass es nach der kurz zuvor handgreiflich verlaufenen offenen Konfrontation zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten diesem (erneut) gelungen war, zu fliehen. Damit hat die auch insofern sachverständig beratene Strafkammer entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft nicht offen gelassen, auf welche Tatsachen sie die Feststellung der „starken affektiven Erregung“ des Angeklagten stützt.
13
bb) Auch die Ablehnung des Mordmerkmals der Heimtücke durch das Landgericht begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
14
(1) Für das im Rahmen des Heimtückemerkmals des § 211 Abs. 2 StGB erforderliche bewusste Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit genügt es, dass der Täter diese in ihrer Bedeutung für die Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (BGH, Urteile vom 31. Juli 2014 – 4 StR 147/14, NStZ 2015, 30, 31; vom 12. Februar 2009 – 4 StR 529/08, NStZ 2009, 264; vom 11. Dezember 2012 – 5 StR 438/12, NStZ 2013, 232, 233). Das gilt in objektiv klaren Fällen bei einem psychisch normal disponierten Täter selbst dann, wenn er die Tat einer raschen Eingebung folgend begangen hat (BGH, Urteil vom 31. Juli 2014 – 4 StR 147/14, NStZ 2015, 30, 31 mwN). Anders kann es jedoch bei „Augen- blickstaten“, insbesondere bei affektiven Durchbrüchen oder sonstigen heftigen Gemütsbewegungen sein (BGH, Urteile vom 31. Juli 2014, aaO; vom 17. September 2008 – 5 StR 189/08, NStZ 2009, 30, 31); auch kann die Spontanität des Tatentschlusses im Zusammenhang mit der Vorgeschichte der Tat und dem psychischen Zustand des Täters ein Beweisanzeichen dafür sein, dass ihm das Ausnutzungsbewusstsein gefehlt hat (BGH, Urteil vom 31. Juli 2014, aaO; Urteil vom 11. Dezember 2012 – 5 StR 438/12, NStZ 2013, 232, 233 mwN).
15
(2) Daran gemessen ist die Ablehnung des Mordmerkmals der Heimtücke durch das Landgericht aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
16
Bei der Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen der Heimtücke handelt es sich um eine vom Tatgericht zu bewertende Tatfrage (BGH, Urteil vom 31. Juli 2014, aaO; Urteil vom 11. Dezember 2012 – 5 StR 438/12, NStZ 2013, 232, 233 mwN). Die für deren Beantwortung maßgeblichen – oben dargestellten – Grundsätze hat das Schwurgericht nicht verkannt, insbesondere nicht den Umstand, dass affektive Erregung und Ausnutzungsbewusstsein einander nicht prinzipiell ausschließen (BGH, Beschluss vom 2. Dezember 1957 – GSSt 3/57, BGHSt 11, 139). Es hat sich im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung zudem nicht allein auf die starke affektive Erregung, in der sich der Angeklagte befand, gestützt, sondern daneben maßgeblich auf den spontanen Tatentschluss sowie den schnellen Geschehensablauf abgestellt, zumal die Annäherung des Angeklagten mit seinem Fahrzeug von hinten durch die Ver- folgung des Geschädigten bedingt, aber von ihm nicht gezielt gewählt worden war. Wenn das Schwurgericht angesichts dieser äußeren und inneren Umstände der Tat unter Berücksichtigung des Vorgeschehens eine sichere Überzeugung vom Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen der Heimtücke nicht zu gewinnen vermochte, sondern – unter Bezugnahme auf die Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen – zu der Auffassung gelangte, dass die Arg- und Wehrlosigkeit des Geschädigten für die Tat des Angeklagten nicht von Bedeutung war und er diese nicht bewusst ausgenutzt hat, so hält sich dies im Rahmen der dem Tatrichter vorbehaltenen Würdigung und ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Ferner stellt es keinen Widerspruch dar, dass die Strafkammer das Ausnutzungsbewusstsein im Rahmen des Heimtückemerkmals des § 211 Abs. 2 StGB verneint, aber bedingten Vorsatz hinsichtlich der Tötung des Geschädigten bejaht hat (vgl. Senat, Urteil vom 31. Juli 2014 – 4 StR 147/14, NStZ 2015, 30, 31).
17
2. Auch im Übrigen weist das Urteil keinen den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler auf.
18
Die Ablehnung niedriger Beweggründe hält sich ebenfalls innerhalb des dem Tatrichter zustehenden Beurteilungsspielraums (vgl. zu diesem etwa BGH, Urteile vom 8. März 2012 – 4 StR 498/11, NStZ 2012, 441, 442; vom 12. Juni 2013 – 5 StR 129/13, NStZ 2013, 524, 525; Beschluss vom 25. Oktober 2010 – 1 StR 57/10, NStZ-RR 2011, 7, 8 jeweils mwN). Zwar liegt dieses Mordmerk- mal bei einem Akt der Selbstjustiz nicht fern (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2010 – 2 StR 391/09, NStZ-RR 2010, 175, 176; MüKoStGB/Schneider, 2. Aufl., § 211 Rn. 89 mwN). Angesichts des – namentlich vom maßgeblichen subjektiven Standpunkt des Angeklagten – durch schuldhaftes Vorverhalten des Opfers gesetzten Tatanlasses, des sich spontan steigernden Ablaufs sowie der Vor- satzform („Denkzettel“) und der psychischen Verfassung des Angeklagten weist die Ablehnung niedriger Beweggründe keinen Rechtsfehler auf (vgl. auch BGH, Urteil vom 18. Mai 2010 – 5 StR 115/10; ferner BGH, Urteil vom 10. Mai 2005 – 1 StR 30/05).

III.


19
Die Revision des Angeklagten ist ebenfalls erfolglos.
20
1. Die Rüge, das Schwurgericht habe bei der Zurückweisung eines Hilfsbeweisantrages gegen Verfahrensrecht verstoßen, ist jedenfalls unbegründet. Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts in der Antragsschrift vom 26. September 2014 bemerkt der Senat hierzu:
21
a) Das Schwurgericht hat den Hilfsbeweisantrag auf Einholung eines Gutachtens insbesondere zum Beweis der Tatsache, dass eine Kollisionsgeschwindigkeit eines Pkw Suzuki Swift von 40 – 45 km/h mit einer männlichen Person zwischen 20 und 35 Jahren grundsätzlich nicht bzw. allenfalls in 2 % der Fälle geeignet ist, tödliche Verletzungen herbeizuführen, ohne Rechtsfehler als aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos zurückgewiesen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO).
22
Denn ohne Bedeutung ist eine Tatsache dann, wenn auf der Grundlage des bisherigen Beweisergebnisses ein Zusammenhang zwischen ihr und der abzuurteilenden Tat nicht besteht oder wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs nicht geeignet ist, die Entscheidung irgendwie zu beeinflussen, etwa weil sie nur einen möglichen Schluss zulässt, den das Gericht nicht ziehen will (vgl. die Nachweise bei Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 244 Rn. 54, 56). Dies hat das Schwurgericht hinsichtlich der unter Beweis gestellten Wahrscheinlichkeitsaussagen rechtsfehlerfrei mit der Begründung bejaht, eine lediglich statistisch begründete Wahrscheinlichkeit des Todeseintritts bei einer PkwFußgänger -Kollision (jeder Art) stehe der Annahme nicht entgegen, dass im vorliegenden Fall die konkrete Tathandlung (Anfahren einer unvorbereiteten Person auf dem Gehweg von hinten mit erheblicher Geschwindigkeit) objektiv (sehr) gefährlich war und zu schweren und – auch vom Vorsatz umfassten – tödlichen Verletzungen des Fußgängers führen konnte. Vorsatz bedeutet nicht, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges für wahrscheinlich oder gar überwiegend wahrscheinlich hält, sondern dass er seinen Eintritt für möglich hält und sich damit abfindet; bewusste Fahrlässigkeit liegt dagegen vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft – nicht nur vage – darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f.; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/ Schuster, StGB, 29. Aufl., § 15 Rn. 76 mwN). Dies hat das Schwurgericht auch vor dem Hintergrund, dass es zum konkreten Unfallgeschehen bereits eine Rechtsmedizinerin, einen Biomechaniker und einen Unfallanalytiker angehört hatte, die sich – teilweise – auch zu statistischen Werten für das Todesrisiko bei Pkw-Fußgänger-Kollisionen geäußert haben, nicht verkannt, weshalb es den Hilfsbeweisantrag als aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos ablehnen durfte.
23
b) Entgegen der Auffassung der Revision war das Schwurgericht nicht verpflichtet, aufgrund der Stellung der Hilfsbeweisanträge erneut in die Beweisaufnahme einzutreten (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 2007 – 2 StR 322/07, NStZ 2008, 116; Scheffler, NStZ 1989, 158; Meyer-Goßner/ Schmitt, aaO, § 244 Rn. 44a mwN).
24
2. Der Sachrüge bleibt ebenfalls der Erfolg versagt.
25
a) Die Beweiswürdigung des Schwurgerichts weist keinen Rechtsfehler auf.
26
Insbesondere hat die Strafkammer in ausreichender Weise belegt, warum sie einen Tötungsvorsatz des Angeklagten bejaht hat. Dass sie dabei – auch und gerade unter Berücksichtigung der psychischen Verfassung des Angeklagten – zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der „Denkzettel“, den der Angeklagte dem Nebenkläger verpassen wollte, mit der Billigung dessen Todes verbunden war, hält sich innerhalb der dem Tatrichter vorbehaltenen Würdigung und ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Auch stellt es – wie schon oben ausgeführt – keinen Widerspruch dar, dass die Strafkammer das Ausnutzungsbewusstsein im Rahmen des Heimtückemerkmals des § 211 Abs. 2 StGB verneint , aber bedingten Vorsatz hinsichtlich der Tötung des Geschädigten angenommen hat (vgl. Senat, Urteil vom 31. Juli 2014 – 4 StR 147/14, NStZ 2015, 30, 31).
27
b) Das Schwurgericht hat ferner ohne Rechtsfehler die Anwendung von § 46a StGB abgelehnt.
28
Diese erfordert unter anderem, dass der Angeklagte die Verantwortung für die begangene Straftat übernimmt (BGH, Beschluss vom 12. Juli 2011 – 1 StR 265/11; Urteile vom 4. Dezember 2014 – 4 StR 213/14; vom 19. De- zember 2002 – 1 StR 405/02, BGHSt 48, 134, 139, 141; vom 12. Januar2012 – 4 StR 290/11, NStZ 2012, 439, 440; vom 8. August 2012 – 2 StR 526/11, NStZ 2013, 33, 34).
29
Das hat das Landgericht rechtsfehlerfrei verneint. Denn der Angeklagte hatte sowohl im Rahmen seiner Vernehmungen im Ermittlungsverfahren als auch in dem Entschuldigungsschreiben vom 26. Juli 2013 an den Geschädigten angegeben, an seinem Fahrzeug sei ein Reifen geplatzt, weshalb er die Kontrolle über den Pkw verloren habe; in der Hauptverhandlung hat sich der Angeklagte – über die Entschuldigung beim Nebenkläger hinaus – lediglich dahin eingelassen, er habe niemanden verletzen oder töten wollen und dies auch nicht billigend in Kauf genommen. Eine Übernahme von Verantwortung in dem oben genannten Sinn musste das Landgericht hierin nicht sehen, da der Angeklagte durch die Darstellung eines Unglücks bzw. unverschuldeten Unfalls trotz der über die Rechtsanwälte erfolgten Zahlungsvereinbarung und deren Erfüllung sowie der Entschuldigung die Rolle des Geschädigten als Opfer einer vorsätzlichen Straftat gerade nicht anerkannt und sie in Bezug zu seinem eigenen Verhalten gesetzt hat (vgl. auch BGH, Urteil vom 23. Mai 2013 – 4 StR 109/13, NStZ-RR 2013, 240; Beschluss vom 25. Juni 2008 – 2 StR 217/08, NStZ-RR 2008, 304). Darauf, dass der Geschädigte die Entschuldigung des Angeklagten angenommen hat, kommt es nicht entscheidend an (BGH, Beschluss vom 25. Juni 2008 – 2 StR 217/08, NStZ-RR 2008, 304).

IV.


30
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 und Abs. 2 StPO. Die dem Nebenkläger infolge der zuungunsten des Angeklagten eingelegten und ohne Erfolg gebliebenen Revision der Staatsanwaltschaft entstandenen Auslagen hat dieser selbst zu tragen.
Mutzbauer Roggenbuck Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 346/12
vom
25. Oktober 2012
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Oktober
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Bender,
Dr. Quentin,
Reiter
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Nebenklägervertreter,
die Nebenklägerin in Person – in der Hauptverhandlung
–,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 17. Februar 2012 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall II. 2 a) der Urteilsgründe des versuchten Totschlags in Tateinheit mit versuchtem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr schuldig ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Es wird davon abgesehen, dem Beschwerdeführer die Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen. Er hat jedoch die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr, wegen gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Bedrohung zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Sachrüge führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs im Fall II. 2 a) der Urteilsgründe. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Fall II. 2 a)
4
Der Angeklagte und die Nebenklägerin waren seit Ende 2010 befreundet und empfanden „tiefe, intensive Gefühle“ füreinander. Da der Angeklagteje- doch von heftiger Eifersucht und starken Verlustängsten geplagt wurde, verlief die Beziehung konfliktgeladen und wurde schließlich von der Nebenklägerin in der zweiten Juni-Hälfte 2011 vorübergehend beendet. In der Folgezeit entwickelte der Angeklagte immer heftigere Rachegelüste und fand zunehmend Gefallen an einem englischsprachigen Liedtext eines Rappers, der von der Tötung einer Ex-Freundin handelte (UA S. 10, 14). Nachdem ihm eine Aussöhnung aussichtslos erschien, sann der Angeklagte darauf, „die Nebenklägerin fertig zu machen“ (UA S. 15). Zu diesem Zweck redete er immer wieder auf den Zeugen T. ein, ihm dabei behilflich zu sein, die Nebenklägerin bei passender Gelegenheit „abzufüllen“ und sie – entlang einer Straße gehend – vor sein Auto zu stoßen, damit es wie ein Unfall aussähe. Der Zeuge T. , der das wiederholte Ansinnen schließlich ernst nahm, ging darauf jedoch nicht ein. Im Verlauf des 29. Juni 2011 tauschte sich der Angeklagte mehrmals mit dem Zeugen T. über das Internet-Chat-Forum ICQ aus und äußerte, dass er kurz vor dem Ausrasten sei und die Nebenklägerin „am liebsten echt umbringen“ würde. Der Zeuge T. solle dies jedoch niemandem erzählen. Am Abend desselben Tages traf der Angeklagte auf der Geburtstagsfeier einer Bekannten erstmals nach der Trennung auf die Nebenklägerin. In den frühen Morgenstunden des 30. Juni 2011 entwickelte sich ein lautstarkes Wortgefecht, bei dem sich der Angeklagte und die Nebenklägerin wechselseitig anschrien. Dabei äußerte der Angeklagte gegenüber der Nebenklägerin, er werde sie „umbrin- gen“ (UA S. 17). Nachdem es den weiteren Partygästen gelungen war, den An- geklagten zu beruhigen, brachte ihn die Mutter der Gastgeberin nach Hause.
5
Am späten Abend des 30. Juni 2011 fuhr er sodann zwischen 23.00 und 24.00 Uhr mit dem VW Polo seines Stiefvaters in Begleitung der Zeugen P. und F. zu einer Diskothek in G. und stellte das Fahrzeug – vorwärts einparkend – im Parkflächenbereich in der ersten oder zweiten Haltebucht ab, die rechts neben der kombinierten Ein- und Ausfahrt liegt. Etwa ein bis zwei Fahrzeuglängen hinter den Parkbuchten verläuft ein ca. zehn Zentimeter breiter und ca. acht Zentimeter hoher Pflastersockel, der die Parkfläche von einem Fahrstreifen für einen Drive-in-Schnellimbiss abtrennt. Zur Straßenseite hin wird das Areal durch einen etwa zwei Meter breiten Grünstreifen begrenzt. Kurz nach Mitternacht traf der Angeklagte auf die Nebenklägerin, die die Diskothek in Begleitung des Zeugen T. verließ. In unmittelbarer Nähe des geparkten Fahrzeugs kam es zu einer erneuten Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin mit wechselseitigen Beschimpfungen und Beleidigungen. Schließlich versetzte die Nebenklägerin dem Angeklagten eine Ohrfeige und beschloss wegzugehen. Der Angeklagte setzte sich ans Steuer seines Fahrzeugs, in dem auch die Zeugen P. und F. Platz nahmen. Er beobachtete , wie sich die Nebenklägerin in Richtung der Ein-/Ausfahrt wandte. Voller Wut und Verzweiflung entschloss er sich in diesem Augenblick, die Nebenklägerin zu töten, was er gegenüber seinen Begleitern mit den Worten ankündigte „Ich fahrdie J. jetzt um“, „Ich bring sie um“, „Ich glaub, ich bring sie jetzt um“. Demgemäß starteteer – während die Nebenklägerin die ersten Schritte in Richtung der Ein-/Ausfahrt machte – den Motor und fuhr sogleich an, „um sie rückwärtsfahrend umzufahren und hierdurch zu Tode zu bringen“. Als der Zeuge P. dies erkannte, packte er den Angeklagten sofort mit den Worten „Bist du bescheuert? Du hast sie nicht mehr alle!“ so heftig und unvermittelt am Arm, dass er ihn hierdurch am Weiterfahren hinderte. Nach einem starken Ruckeln – vergleichbar einem Abwürgen des Motors bei laufender Fahrt – stand das Fahrzeug sogleich wieder still. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Fahrzeugheck – ohne Fahrtrichtungsänderung – „nur kurz hinter der Parkbucht“ (UA S. 20). Nunmehr trat der Zeuge T. an das stehende Fahrzeug heran und verwickelte den Angeklagten in ein Gespräch. In der Zwischenzeit hatte die Nebenklägerin über die Ein-/Ausfahrt bereits das Parkgelände verlassen und befand sich – für den Angeklagten nicht einsehbar – auf dem Bürgersteig. Durch die Büsche des Grünstreifens erblickte sie das stehende Fahrzeug und setzte ihren Weg fort. Auf der Rückfahrt machte der Angeklagte dem Zeugen P. wegen des Eingreifens beim Rückwärtsfahren Vorhaltungen und kündigte (vorübergehend) die Freundschaft auf; außerdem stellte er Überlegungen an, die Nebenklägerin bei anderer Gelegenheit mit tödlichem Ausgang zu überfahren. Im Verlauf des 1. Juli 2011 suchte er im Internet nach Methoden, die Nebenklägerin mittels Schreckschusspistole zu töten (UA S. 21).
6
Fall II. 2 b)
7
Am Nachmittag des 2. Juli 2011 begegnete der Angeklagte der Nebenklägerin auf der Kirmes in K. . Gegen 19.00 Uhr bat er sie um ein VierAugen -Gespräch abseits des Kirmes-Geländes. Der Angeklagte hatte auf der Kirmes dem Alkohol zugesprochen, ohne dass seine Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB herabgesetzt war. Es kam erneut zum Streit, wobei der Angeklagte die Nebenklägerin zunächst schubste und an den Händen packte. Gleichwohl gelang es ihr, den Angeklagten zu ohrfeigen. Daraufhin griff dieser noch fester zu, weshalb die Nebenklägerin versuchte, ihm in den Schritt zu treten. Voller Zorn beschloss der Angeklagte nunmehr, die Nebenklägerin an Ort und Stelle bis zum Tode zu würgen. Er brachte sie zu Fall, ergriff mit beiden Händen ihren Hals und drückte mit ganzer Kraft zu, so dass sie schließlich das Bewusstsein verlor. Als der Angeklagte glaubte, der Todeseintritt stehe unmittelbar bevor, schoss ihm plötzlich der Gedanke durch den Kopf, dass die Nebenklägerin neben seiner Mutter die wichtigste Frau in seinem Leben sei. Daraufhin konnte er die Tat nicht mehr „durchziehen“ und ließ von der Geschädigten ab, die bald darauf wieder zu Bewusstsein kam (UA S. 22).
8
Fall II. 2 c)
9
Als die Nebenklägerin dem Angeklagten anlässlich einer weiteren Aussprache am 13. Juli 2011 eröffnete, mit dem Zeugen T. eine intime Beziehung eingegangen zu sein, ergriff der Angeklagte aus Wut und Eifersucht ein Küchenmesser mit einer ca. 20 Zentimeter langen Klinge und stürmte mit dem lauten Ruf „Missgeburt, ich stech dich ab“ aus dem Haus in Richtung des Zeu- gen T. , um diesen einzuschüchtern und davon zu jagen (UA S. 29).

II.


10
Die vom Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen haben keinen Erfolg. Sie sind unzulässig. Die Sachrüge führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs.
11
1. Die Verurteilung wegen versuchten Totschlags (Fall II. 2 a der Urteilsgründe ) weist keinen Rechtsfehler auf.
12
a) Das Landgericht hat sich ohne Lücken, Denkfehler oder Widersprüche auf Grund einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände von der Ernsthaftigkeit der Tötungsabsicht des Angeklagten überzeugt. Es hat sich umfassend mit den Umständen des Tatgeschehens, der Persönlichkeit des Angeklagten, seiner psychischen Verfassung zum Tatzeitpunkt, seiner Tatmotivation und sowie seinem Vor- und Nachtatverhalten auseinandergesetzt (vgl. Senatsbeschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, NStZ 2012, 1524, 1525 ff.). Insbesondere die nachhaltige Einwirkung auf den Zeugen T. vor dem 29. Juni 2011 („fingierter Verkehrsunfall“), der Verlauf der ICQ-ChatProtokolle vom 29. Juni 2011, die Todesdrohungen auf der Geburtstagsparty am 30. Juni 2011 und das Würgen der Geschädigten bis zur Bewusstlosigkeit am 2. Juli 2011 rechtfertigen die Annahme des Landgerichts, dass der Angeklagte am 1. Juli 2011 in Tötungsabsicht handelte, als er „voller Wut und Ver- zweiflung“ das Überfahren der Nebenklägerin ankündigte und seinen Pkw star- tete. Das Gesamtverhalten des Angeklagten wurde von einem stets präsenten „intentionalen Spannungsbogen“ überwölbt, der Nebenklägerin nicht nur mit Worten zu drohen, sondern dies auch umzusetzen (UA S. 52).
13
b) Das Handeln des Angeklagten hat auch bereits die Schwelle zum Versuch (§§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB) überschritten.
14
Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Dafür ist nicht erforderlich, dass der Täter bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Es genügt, dass er Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals vorgelagert sind und in die Tatbestandshandlung unmittelbar einmünden, die mithin – aus der Sicht des Täters – das geschützte Rechtsgut in eine konkrete Gefahr bringen. Dementsprechend erstreckt sich das Versuchsstadium auf Handlungen, die im ungestörten Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen. Dies ist der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschreitet und objektiv zur tat- bestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 26. August 1986 – 1 StR 351/86, BGHR StGB § 22 Ansetzen 5; Beschluss vom 11. Juni 2003 – 2 StR 83/03, BGHR StGB § 22 Ansetzen 31; Beschluss vom 27. September 2011 – 4 StR 454/11, BGHR StGB § 176 Abs. 1 Versuch 1; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 22 Rn. 10 mwN). Nach diesem Maßstab hat der Angeklagte , als er in Tötungsabsicht mit seinem Pkw rückwärts auf die Nebenklä- gerin zufuhr, die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschritten und hierdurch unmittelbar zur Verwirklichung seines Tötungsvorhabens angesetzt. Denn zwischen ihm und der Nebenklägerin befand sich kein Hindernis mehr, so dass er das Tatopfer nach seiner Vorstellung aus der Parkbucht heraus ohne weitere Zwischenakte „in einem Zug“ überfahren konnte.
15
c) Das Landgericht musste sich nicht zu der Prüfung gedrängt sehen, ob der Angeklagte vom Versuch des Totschlags gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB zurückgetreten ist. Hinsichtlich des Geschehens auf dem Parkplatz der Diskothek liegt ein fehlgeschlagener Versuch vor, bei dem ein strafbefreiender Rücktritt von vorneherein ausscheidet (st. Rspr., vgl. nur Senatsbeschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 240). Davon ist auch das Landgericht ersichtlich ausgegangen (UA S. 3, 20, 45 f.).
16
Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (Rücktrittshorizont). Wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 25. November 2004 – 4 StR 326/04, NStZ 2005, 263, 264; Urteil vom 8. Februar 2007 – 3 StR 470/06, NStZ 2007, 399; Beschluss vom 7. Februar 2008 – 5 StR 402/07; Beschluss vom 8. Oktober 2008 – 4 StR 233/08, NStZ 2009, 628; Beschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 240). Nach diesen Grundsätzen ist hier von einem Fehlschlagen des Versuchs auszugehen. Objektiv hat der festgestellte Geschehensablauf auf dem Parkplatzgelände durch das Eingreifen des Zeugen P. , das den abrupten Stillstand des Tatfahrzeugs zur Folge hatte und nach dem Hinzutreten des Zeugen T. dazu führte, dass die Nebenklägerin sich aus dem Sichtfeld des Angeklagten entfernen konnte, eine Zäsur erfahren. Durch das Eingreifen der Zeugen P. und T. war der Angeklagte gehindert, der Nebenklägerin nachzusetzen und den angestrebten Taterfolg ohne zeitliche Zäsur doch noch herbeizuführen.
17
2. Die Feststellungen des Landgerichts belegen nicht die für die Annahme einer Tat nach § 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 in Verbindung mit § 315 Abs. 3 Nr. 1 a StGB vorausgesetzte Herbeiführung einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen kann der Angeklagte nur wegen Versuchs (§ 315 b Abs. 2 StGB) verurteilt werden.
18
Durch das Eingreifen des Zeugen P. kam das vom Angeklagten geführte Kraftfahrzeug unmittelbar nach dem Anfahren abrupt wieder zum Stillstand, während die Nebenklägerin „die ersten SchritteRichtung Ein-/Ausfahrt machte“ (UA S. 20). Bei seiner polizeilichen Vernehmung hat der Angeklagte angegeben , die Nebenklägerin sei etwa zehn Meter entfernt gewesen, als er losgefahren sei (UA S. 35, 47). Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist somit der tatbestandliche Erfolg, nämlich eine konkrete Gefährdung im Sinne des § 315 b Abs. 1 StGB, nicht eingetreten. Dass der bewusst zweckwidrige Einsatz des Fahrzeugs bereits zu einer kritischen Situation im Sinne eines „Beinahe-Unfalls“ geführt hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 23. Februar 2010 – 4 StR 506/09, NStZ 2010, 572, 573, und vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BeckRS 2012, 07957 Tz. 12), ist durch die Feststellungen nicht belegt. Ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch liegt auch hier nicht vor.
19
Der Senat kann den Schuldspruch von sich aus ändern. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Der Angeklagte hätte sich gegen den geänderten Schuldspruch nicht wirksamer als geschehen verteidigen können.
20
Die gegen den Angeklagten verhängte Einheitsjugendstrafe wird durch die Änderung des Schuldspruchs nicht in Frage gestellt; der Erziehungsbedarf des Angeklagten besteht unabhängig von der rechtlichen Einordnung des ohnehin bloßen Gefährdungsdelikts als versuchte oder vollendete Tat, zumal der Unrechtsgehalt des strafbaren Verhaltens des Angeklagten durch den tateinheitlich verwirklichten Totschlagsversuch geprägt ist.

III.


21
Mutzbauer Cierniak Bender
Quentin Reiter

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

10
2. Rechtsfehlerhaft ist bereits die Annahme des Landgerichts, ein Beweisverwertungsverbot führe dazu, dass die begehrte Beweiserhebung aus rechtlichen Gründen ohne Bedeutung und deshalb der Ablehnungsgrund nach § 244 Abs. 3 Satz 2 2. Alt. StPO gegeben sei. Eine Tatsache ist aus Rechtsgründen zunächst dann ohne Bedeutung, wenn sie weder allein noch in Verbindung mit weiteren Tatsachen geeignet ist, unmittelbar ein Tatbestandsmerkmal des dem Angeklagten vorgeworfenen Delikts auszufüllen oder für den Rechtsfol- genausspruch direkt Relevanz zu gewinnen (Fischer in KK 6. Aufl. § 244 Rdn. 142), oder darüber hinaus eine Verurteilung schon aus anderen - bereits erwiesenen - Gründen nicht möglich ist, etwa wegen Vorliegens von Prozesshindernissen, Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgründen (Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 244 Rdn. 55). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Ein Beweisverwertungsverbot führt vielmehr zur Unzulässigkeit der beantragten Beweiserhebung und damit zu dem zwingenden Ablehnungsgrund des § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO.
41
Das Landgericht hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass die behauptete Beweistatsache, jedenfalls nachdem durch Beschränkung des Verfahrensstoffs gemäß § 154a StPO der Vorwurf der Untreue (§ 266 StGB) nicht mehr verfahrensgegenständlich war, für die Entscheidung aus Rechtsgründen ohne Bedeutung war. Das trägt den Ablehnungsbeschluss. Eine Tatsache ist i.S.v. § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO aus rechtlichen Gründen ohne Bedeutung, wenn sie weder allein noch in Verbindung mit weiteren Tatsachen geeignet ist, unmittelbar ein Tatbestandsmerkmal des dem Angeklagten vorgeworfenen Delikts auszufüllen oder für den Rechtsfolgenausspruch direkt Relevanz zu gewinnen (Becker, aaO, § 244 Rn. 217 mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 135/13
vom
1. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
zu 2.: Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 4. auf dessen Antrag - am
1. Oktober 2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 19. Oktober 2012, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten Sch. wir das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist;
b) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II.1 der Urteilsgründe und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die insoweit getroffenen Feststellungen aufrecht erhalten. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weitergehende Revision des Angeklagten Sch. wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Den Angeklagten Sch. hat es wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Dagegen wenden sich die Revisionen der Beschwerdeführer. Der Angeklagte S. erhebt mehrere Verfahrensbeanstandungen und rügt die Verletzung materiellen Rechts; der Angeklagte Sch. erhebt die allgemeine Sachrüge.

I.


2
Die Revision des Angeklagten S. hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Dieser liegt zugrunde:
3
Die Strafkammer hat festgestellt, dass der Angeklagte als Mittäter zusammen mit dem Mitangeklagten J. in Österreich mindestens 1,5 kg Heroin erworben und diese durch einen Kurier nach Deutschland habe bringen lassen, wo sie gewinnbringend verkauft werden sollten. Von dem Umstand, dass sich in dem "kofferartigen Behältnis", das die Angeklagten in Österreich übernommen und an den Kurier übergeben hätten, Heroin befunden habe, hat sich das Landgericht - da trotz polizeilicher Überwachung die observierenden Beamten die Betäubungsmittel nicht gesehen hätten - insbesondere dadurch überzeugt, dass der Mitangeklagte J. zeitnah zu dieser Fahrt nach Österreich nur sechs Tage später dem gesondert Verfolgten M. ca. 500 Gramm Heroin zum Verkauf an Drittabnehmer und zum teilweisen Eigenkonsum überbracht habe. Der Mitangeklagte J. hat dazu erklärt, das Heroin habe zwar ihm gehört, aber nicht aus Österreich gestammt.
4
Vor diesem Hintergrund beanstandet der Angeklagte S. zu Recht, das Landgericht habe einen Beweisantrag rechtsfehlerhaft zurückgewiesen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO).
5
1. Der Angeklagte S. hat in der Hauptverhandlung unter anderem beantragt, Telefonate, aufgezeichnete Innenraumgespräche aus dem vom Mitangeklagten J. genutzten PKW sowie GPS-Aufzeichnungen für diesen PKW in Augenschein zu nehmen, zum Beweis der Tatsache, dass der Mitangeklagte J. schon vor der Fahrt nach Österreich ein Treffen mit einem Betäubungsmittellieferanten in Rotterdam vereinbart hatte, er nach der Wiedereinreise aus Österreich von Augsburg aus direkt nach Rotterdam gefahren sei, dass er selbst, der Angeklagte S. , sich bei dieser Fahrt nicht in dem Auto befunden habe, und dass der Mitangeklagte J. von Rotterdam aus direkt zu der Adresse in Emstek gefahren sei, die auch der Kurier aus Österreich angesteuert habe. Erklärtes Beweisziel dieses Antrages war es, eine gleichwertige Alternative zu der von der Strafkammer angenommenen Indizienkette dergestalt aufzuzeigen, dass der Mitangeklagte J. das Heroin auch in Rotterdam - und damit ohne Beteiligung des Angeklagten S. - erworben und von dort in die Bundesrepublik eingeführt haben könnte.
6
Das Landgericht hat diesen Beweisantrag mit folgender Begründung als aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos zurückgewiesen: "Ob J. auch an- dere Möglichkeiten hatte, sich Heroin zu beschaffen, ist kein zwingender Schluss dafür, dass das sichergestellte Heroin nicht auch aus der 'ÖsterreichFahrt' stammen kann."
7
2. Diese Begründung trägt die Zurückweisung des Beweisantrags nicht.
8
Zwar ist es dem Tatgericht grundsätzlich nicht verwehrt, Indiz- oder Hilfstatsachen als für die Entscheidung bedeutungslos zu betrachten, wenn es aus diesen eine mögliche Schlussfolgerung, die der Antragsteller erstrebt, nicht ziehen will. Hierzu hat es die unter Beweis gestellte Tatsache so, als sei sie erwiesen , in das aufgrund der bisherigen Beweisaufnahme erlangte Beweisergebnis einzustellen und im Wege einer prognostischen Betrachtung zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung - gegebenenfalls in Anwendung des Zweifelssatzes - in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde (LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 220).
9
Der Beschluss, mit dem das Tatgericht die Erhebung eines Beweises wegen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache ablehnt, hat zum einen den Antragsteller sowie die weiteren Prozessbeteiligten so weit über die Auffassung des Gerichts zu unterrichten, dass diese sich auf die neue Verfahrenslage einstellen und gegebenenfalls noch in der Hauptverhandlung das Gericht von der Erheblichkeit der Beweistatsache überzeugen oder aber neue Anträge mit demselben Beweisziel stellen können; zum anderen muss er dem Revisionsgericht die Prüfung ermöglichen, ob der Beweisantrag rechtsfehlerfrei zurückgewiesen worden ist und ob die Feststellungen und Erwägungen des Ablehnungsbeschlusses mit denjenigen des Urteils übereinstimmen. Deshalb ist mit konkreten Erwägungen zu begründen, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will. Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Tatgericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Überzeugungsbildung ohne Einfluss geblieben ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 26. Januar 2000 - 3 StR 410/99, NStZ 2000, 267, 268; vom 7. April 2011 - 3 StR 497/10, NStZ 2011, 713, 714). Nach diesen Maßstäben erweist es sich in aller Regel als rechtsfehlerhaft , wenn die Ablehnung wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit allein auf die inhaltsleere Aussage gestützt wird, die unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache lasse keinen zwingenden sondern lediglich einen möglichen Schluss zu, den das Gericht nicht ziehen wolle (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2006 - 4 StR 251/06, NStZ-RR 2007, 84, 85; LR/Becker, aaO, § 244 Rn. 225).
10
So verhält es sich hier. Die Strafkammer hat keine konkreten Erwägungen mitgeteilt, aufgrund derer sie das von ihr bisher gefundene Beweisergebnis - das Heroin stammte aus Österreich - durch die unter Beweis gestellten Tatsachen nicht als erschüttert angesehen hat. In der pauschalen Begründung, weitere Beschaffungsmöglichkeiten des Mitangeklagten J. ließen keinen zwingenden Schluss darauf zu, dass das Heroin nicht doch - und damit unter Beteiligung des Angeklagten S. - in Österreich erworben worden sei, liegt - wie dargelegt - ein Rechtsfehler, der vorliegend umso schwerer wiegt, weil der Angeklagte erklärtermaßen mit seinem Beweisantrag nur Tatsachen aufzeigen wollte, die einen nach seinem Vortrag gleichwertigen möglichen Schluss auf ein anderes, für ihn günstigeres Geschehen - der Mitangeklagte habe die Betäubungsmittel allein in den Niederlanden erworben - erlauben sollten. Das Landgericht hätte deshalb - gegebenenfalls unter Berücksichtigung des Grundsatzes "in dubio pro reo" - konkret darlegen müssen, warum die aufgezeigte andere Beschaffungsmöglichkeit seine ebenfalls nur auf Indizien beruhende Schluss- folgerung, das Heroin stamme aus Österreich, nicht in entscheidungserheblicher Weise entkräften konnte. Dies gilt hier insbesondere, weil der in der Beweiswürdigung als bedeutsam herangezogene enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Beschaffung und Einfuhr einerseits und der Sicherstellung der Betäubungsmittel andererseits in beiden Sachverhaltsalternativen gleichermaßen bestand.
11
3. Das Urteil beruht auf dem dargelegten Verfahrensfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Weder vermag der Senat zu prüfen, ob das Landgericht im Rahmen seiner ihm obliegenden antizipierenden Würdigung den unter Beweis gestellten Behauptungen rechtsfehlerfrei keine Bedeutung zugemessen hat, noch kann ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller sein Prozessverhalten auf eine den Anforderungen entsprechende Begründung des Ablehnungsbeschlusses in einer für den Schuldspruch erheblichen Weise hätte einrichten können.

II.


12
Die Revision des Angeklagten Sch. hat mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
13
1. Im Fall II.1 der Urteilsgründe hält die tateinheitlich ausgesprochene Verurteilung wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
14
Das Landgericht hat insoweit festgestellt, der Angeklagte Sch. sei im April 2011 zusammen mit dem Mitangeklagten J. nach Rotterdam gefahren, wo dieser von seinem Lieferanten für 26.000 € ein Kilogramm Kokain erworben habe. Diese Betäubungsmittel hätten sie selbst oder - "was wahrscheinlicher sein dürfte" - unter Einschaltung eines unbekannt gebliebenen Kuriers am frühen Morgen des Folgetages in die Bundesrepublik eingeführt. Der Angeklagte Sch. habe dem Mitangeklagten J. durch seine Anwesenheit Sicherheit bei dem Geldtransport vermittelt und ihm geholfen, den Eindruck einer unverdächtigen Urlaubsreise zu erwecken.
15
Diese Feststellungen tragen zwar die Verurteilung wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, nicht aber die wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Voraussetzung der Strafbarkeit wegen Beihilfe zu einer Straftat ist, dass der Gehilfe durch eine Handlung die Verwirklichung des Tatbestandes durch den Haupttäter objektiv fördert (SSW-StGB/Murmann, 1. Aufl., § 27 Rn. 3). Dies wird indes durch die Feststellungen nicht belegt. Da die Strafkammer sich nicht davon hat überzeugen können, dass der Angeklagte Sch. zusammen mit dem Mitangeklagten J. das in Rotterdam übernommene Kokain selbst in die Bundesrepublik Deutschland einführte - anders ist die Wendung, dass die Einfuhr durch einen unbekannt gebliebenen Kurier wahrscheinlicher sei, nicht zu verstehen - hätte es konkreter Feststellungen dazu bedurft, dass und gegebenenfalls durch welche Handlung der Angeklagte Sch. die mittels eines Kuriers vollzogene Einfuhrtat des Mitangeklagten J. gefördert haben könnte. Daran fehlt es.
16
2. Der Senat schließt angesichts des in dem angefochtenen Urteil mitgeteilten Beweisergebnisses aus, dass in einem neuen Rechtsgang insoweit wei- tere, den Angeklagten Sch. belastende Feststellungen getroffen werden könnten, und ändert den Schuldspruch entsprechend. Die teilweise Aufhebung des Schuldspruchs nötigt zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafe, weil diese aus dem nach § 27, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG bemessen worden ist. Die Aufhebung der Einzelstrafe im Fall II.1 der Urteilsgründe bedingt die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Die hierzu rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können jedoch bestehen bleiben; das neue Tatgericht kann insoweit weitere, den bisherigen nicht widersprechende Feststellungen treffen.
Becker RiBGH Hubert und RiBGH Mayer befinden sich im Urlaub und sind daher gehindert zu unterschreiben. Becker Gericke Spaniol
5
Das Landgericht hätte die begehrte Beweisaufnahme daher nur aus den in § 244 Abs. 3 und 4 StPO genannten Gründen zurückweisen dürfen. Die von der Strafkammer angeführten Erwägungen, mit denen sie hilfsweise auf die tatsächliche Bedeutungslosigkeit der beantragten Beweiserhebung gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 2. Alt. StPO abstellt, tragen diesen Ablehnungsgrund allerdings nicht. Aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos sind Tatsachen, wenn der Nachweis ihres Vorliegens im Ergebnis nichts erbringen kann, weil er die Beweiswürdigung nicht zu beeinflussen vermag. Zur Prüfung der Erheblichkeit ist die unter Beweis gestellte Tatsache wie eine erwiesene Tatsache in die konkrete Beweislage, also das bisherige Beweisergebnis einzufügen; es ist zu fragen, ob hierdurch die Beweislage in einer für den Urteilsspruch relevanten Weise beeinflusst würde. Dabei ist die Beweistatsache so, als sei sie bewiesen, in das bisherige gewonnene Beweisergebnis einzustellen und als Teil des Gesamtergebnisses in seiner indiziellen Bedeutung zu würdigen (vgl. Krehl, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. § 244, Rn. 144 m. N. zur Rspr. des BGH). Diesen Anforderungen wird die landgerichtliche Ablehnungsbegründung nicht gerecht. Die Strafkammer hat nicht - wie es notwendig gewesen wäre - die eigentlich unter Beweis gestellte Tatsache, nämlich den Umstand, dass die Täterkleidung vor dem Auffindetag nicht am Auffindeort gelegen habe, in das bisherige Beweisergebnis eingefügt und als Teil des Gesamtergebnisses gewürdigt. Sie hat sich im Ergebnis vielmehr darauf beschränkt, als erwiesen anzusehen, dass die Zeugin dies aussagen werde, und damit - da sie die Ablehnung darauf gestützt hat, den möglichen Angaben der Zeugin jedenfalls nicht folgen zu wollen - wesentliche Abstriche an der Beweisbehauptung vorgenommen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 293/14
vom
26. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Februar
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof – in der
Verhandlung –,
Richterin am Landgericht – bei der Verkündung –
als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom 21. Januar 2014 wird verworfen.
2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion (§ 308 Abs. 1 StGB) in Tateinheit mit Diebstahl (§ 242 Abs. 1, § 243 Abs. 1 Nr. 2 StGB) freigesprochen. Hiergegen richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie Verfahrensbeanstandungen und die Sachrüge erhebt. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


2
1. Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage legt dem Angeklagten zur Last, am 18. Juni 2009 gegen 3:15 Uhr in K. gemeinsam mit einem unbekannt gebliebenen Mittäter mit Hilfe eines Gartenschlauchs ein Gasgemisch in einen Geldautomaten der S. - sparkasse eingeleitet, dieses entzündet und so den Geldautomaten zerstört zu haben. Entsprechend ihrem Tatplan hätten der Angeklagte und sein Mittäter anschließend die mit ca. 165.000 Euro bestückten Geldkassetten an sich genommen , um das Bargeld für eigene Zwecke zu verwenden.
3
2. Das Landgericht hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Es hat zwar den äußeren Geschehensablauf im Wesentlichen wie in der Anklage beschrieben festgestellt, sich aber nicht davon zu überzeugen vermocht, dass es sich bei dem Angeklagten um einen der Täter handelte.
4
Zwar sei beim Angeklagten, der keine Angaben zur Sache gemacht ha- be, ein Kapuzenshirt sichergestellt worden, das „wahrscheinlich“ das von einem der Täter bei der Tat getragene Kleidungsstück sei. Des Weiteren seien in der Wohnung des Angeklagten unter anderem weiße Stoffhandschuhe sichergestellt worden, wobei ein Täter ebenfalls weiße Stoffhandschuhe getragen habe. Auch seien in der Wohnung des Angeklagten Geldscheine (2.325 Euro) aufgefunden worden, von denen drei Beschädigungen in Form von Knicken, Rissen und Brandrändern aufgewiesen hätten, die in vergleichbarer Weise auch bei einigen der am Tatort verbliebenen Geldscheine vorhanden gewesen seien. Zudem habe die ehemalige Lebensgefährtin des Angeklagten, die Zeugin St. , diesen durch eine anonyme Anzeige gegenüber der Polizei bezichtigt, er sei Täter der festgestellten sowie einer weiteren, am 3. Mai 2009 in N. vorgenommenen „Automatensprengung“ gewesen und er habe sich aus der Tatbeute einen Pkw („7er BMW“) gekauft. Einen BMW, allerdings das Modell X5, habe der Angeklagte, der damals Arbeitslosengeld II bezogen und von „Gelegenheitsjobs“ gelebt habe, tatsächlich aucham 10. Juli 2009 für 16.900 Euro erworben und bar bezahlt. Schließlich habe ein anonymer Anrufer der Polizei am 15. Juli 2009 mitgeteilt, der Angeklagte habe in N. und H. Geldautomaten aufgesprengt und aus der Tatbeute einen BMW X5 erworben.
5
Gleichwohl hatte die Strafkammer durchgreifende Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten. Diese stützt sie unter anderem darauf, dass das Kapu- zenshirt „industriell gefertigte Massenware“ sei. Auch sei – so der Sachverstän- dige – „zwar nicht ausgeschlossen, … aber auch nicht eindeutig“, dass die an dem Geldautomaten gesicherten Textildruckspuren von den in der Wohnung des Angeklagten sichergestellten Handschuhen herrühren; sicher sei dagegen, dass Textilfasern an Panzerklebebandstreifen, die der Täter zur Abdichtung des Geldautomaten vor der Sprengung angebracht habe, nicht von den beim Angeklagten aufgefundenen Handschuhen stammten. Ferner seien an den sichergestellten Handschuhen keine DNA-Spuren des Angeklagten, aber solche des Zeugen Se. festgestellt worden. Auch seien Sportschuhe, wie sie der Täter bei der Tat getragen habe, beim Angeklagten nicht aufgefunden worden. Die Untersuchung der beim Angeklagten aufgefundenen drei beschädigten Geldscheine habe lediglich ergeben, dass die Beschädigungen durch die Einwirkung einer Gasexplosion entstanden sein können. Eine daktyloskopische Abdruckspur, die auf einem Blechteil am Tatort gesichert worden war, sei weder dem Angeklagten noch Se. zuzuordnen. Die anonyme Anzeige der ehemaligen Lebensgefährtin des Angeklagten habe – wie sie selbst eingeräumt hat – auf bloßen Vermutungen beruht. Sie habe mitbekommen, dass der Angeklagte sich im Internet mit Anleitungen zum Bau von Sprengsätzen beschäftigt habe; aufgrund von Medienberichten über Geldautomatensprengungen ha- be sie dann „eins und eins zusammengezählt“ und gefolgert, dass der Ange- klagte an den Taten beteiligt gewesen sei. In der weiteren anonymen Anzeige sei der Angeklagte zwar der Mitwirkung an zwei Geldautomatensprengungen in H. und N. bezichtigt worden, nicht aber der verfahrensgegenständlichen Tat in K. .
6
3. Die Revision der Staatsanwaltschaft beanstandet die Ablehnung mehrerer Beweisanträge wegen Bedeutungslosigkeit, rügt in diesem Zusammenhang auch die Verletzung der Aufklärungspflicht und macht geltend, die Ablehnungsbeschlüsse seien unzureichend begründet. Ferner ist sie der Ansicht, die Beweiswürdigung sei rechtsfehlerhaft.

II.


7
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
8
1. Die Verfahrensrügen dringen nicht durch.
9
a) Die Rügen der Verletzung des § 244 Abs. 3 Satz 2, Abs. 6 StPO sind unbegründet.
10
aa) Aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos sind Indiztatsachen, wenn zwischen ihnen und dem Gegenstand der Urteilsfindung keinerlei Sachzusammenhang besteht oder wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Fall ihres Erwiesenseins die Entscheidung nicht beeinflussen könnten (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 11. April 2000 – 1 StR 55/00, NStZ 2000, 436; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 244 Rn. 54 mwN). Bei Behauptung einer relevanten belastenden Tatsache durch die Staatsanwaltschaft müsste daher eine bislang für den Angeklagten positive Beweislage durch die begehrte Beweiserhebung umschlagen können (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 1997 – 5 StR 58/97, NStZ 1997, 503, 504 m. Anm. Herdegen; ferner BGH, Urteil vom 21. März 1990 – 2 StR 469/89 [juris Rn. 23]). Daran fehlt es indes, wenn der Tatrichter aus der behaupteten und als erwiesen unterstellten Indiz- tatsache einen möglichen, wenn auch nicht zwingenden Schluss nicht ziehen will (BGH, Urteile vom 24. Juni 2004 – 5 StR 306/03, NJW 2004, 3051, 3056; vom 14. Juli 1992 – 5 StR 231/92, NStZ 1992, 551). Eine den Angeklagten belastende Beweisbehauptung darf somit nicht allein deshalb als für das Verfahren bedeutungslos bezeichnet werden, weil die unter Beweis gestellte Tatsache keine zwingenden Schlüsse auf die Verstrickung des Angeklagten in die ihm angelastete Tat erlaubt. Legt der Tatrichter jedoch rechtsfehlerfrei dar, dass die in dem Beweisantrag behauptete Tatsache auch dann, wenn sie durch die beantragte Beweisaufnahme bewiesen würde, ihn nicht von der Schuld des Angeklagten überzeugen könnte, so ist er nicht verpflichtet, den beantragten Beweis zu erheben (BGH, Urteil vom 30. September 1987 – 2 StR 412/87, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 4).
11
Dabei muss nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Beschluss, mit dem ein Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit der behaupteten Tatsachen abgelehnt wird, die Erwägungen anführen, aus denen der Tatrichter ihnen keine Bedeutung beimisst. Wird die Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Umständen gefolgert, so müssen die Tatsachen angegeben werden , aus denen sich ergibt, warum die unter Beweis gestellte Tatsache, selbst wenn sie erwiesen wäre, die Entscheidung des Gerichts nicht beeinflussen könnte. Die erforderliche Begründung entspricht dabei grundsätzlich den Begründungserfordernissen bei der Würdigung von durch Beweisaufnahme gewonnenen Indiztatsachen in den Urteilsgründen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 2. Dezember 2009 – 2 StR 363/09, StV 2010, 557, 558; Beschlüsse vom 16. Januar 2007 – 4 StR 574/06, NStZ 2007, 352; vom 17. Dezember 2013 – 4 StR 374/13, NStZ 2014, 168, 169; KK-Krehl, StPO, 7. Aufl., § 244 Rn. 144 jeweils mwN). Geht es um den Angeklagten belastende Beweisbehauptungen, muss die Ablehnung das ganze Beweisthema ohne Einengung, Verkürzung oder Unterstellung erfassen und darlegen, warum dem Tatrichter die im Beweisantrag behauptete Tatsache in Verbindung mit dem bisherigen Beweisergebnis nicht ausreichen würde, um zu einer Verurteilung zu gelangen (BGH, Urteil vom 1. August 1989 – 1 StR 346/89, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 12 mwN).
12
bb) Daran gemessen sind zwar die von der Staatsanwaltschaft beanstandeten Ablehnungsbeschlüsse unzureichend begründet. Gleichwohl haben die Verfahrensrügen keinen Erfolg.
13
(1) Die zeugenschaftliche Vernehmung einer Sparkassenangestellten dazu, dass dem Angeklagten 2007/2008 lediglich eine Kreditlinie von 500 € eingeräumt und es auf seinem Konto zwischen Oktober 2008 und Mai 2009 zu Rücklastschriften gekommen war, sollte ersichtlich als Indiz dafür dienen, dass der damals von Arbeitslosengeld II sowie Gelegenheitstätigkeiten lebende Angeklagte aufgrund seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht über legale Mittel verfügte, um – kurz nach der Tat – einen Pkw zum Preis von 16.900 Euro bar bezahlen zu können.
14
Es ist jedoch auszuschließen, dass das Urteil auf der unzureichenden Begründung und daher fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags beruht. Denn die Strafkammer ist in den Urteilsgründen von einer Mittellosigkeit des Angeklagten ausgegangen und hat die Barzahlung anlässlich des Pkw-Kaufs als – ersichtlich gewichtiges Indiz – für die Täterschaft des Angeklagten in seine Gesamtwürdigung eingestellt. Ein solches Vorgehen – also einerseits die Ablehnung eines Beweisantrags wegen Bedeutungslosigkeit, andererseits die Bejahung des mit ihm verfolgten Beweisziels – kann die Revision nicht begründen. Denn das Landgericht hat die als bedeutungslos erachteten Indizien, die für die vorläufige Beweiswürdigung in den Ablehnungsbeschluss so einzustellen gewesen wären, als seien sie erwiesen, im Urteil im Ergebnis als bedeutungslos gewürdigt und den von der Beschwerdeführerin intendierten Schluss – aus anderen Gründen – gezogen (vgl. auch BGH, Urteil vom 17. April 2014 – 3 StR 27/14, NStZ-RR 2014, 279, 280 mwN).
15
(2) Mit den Beweisanträgen der Staatsanwaltschaft auf Vernehmung von Polizeibeamten zu einer mehr als eine Stunde vor dem Tatzeitpunkt versandten Kurzmitteilung, aus der sich unter anderem ergeben soll, dass der Empfänger [der Angeklagte] damals nicht beim Absender [seiner damaligen Lebensgefährtin ] war, verfolgte die Staatsanwaltschaft ersichtlich das Ziel nachzuweisen, dass der Angeklagte als Täter in Betracht komme, weil er sich zur Tatzeit nicht bei seiner Lebensgefährtin aufgehalten habe.
16
Auch hier fehlt es jedenfalls am Beruhen. Wird ein Beweisantrag wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache abgelehnt, ohne dass hinreichend dargelegt wird, woraus sich nach Ansicht des Gerichts die Bedeutungslosigkeit ergibt, so kann ein Beruhen hierauf ausgeschlossen werden, wenn die Gründe für die Bedeutungslosigkeit auf der Hand lagen (BGH, Beschluss vom 15. Mai 1990 – 5 StR 594/89, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 1 Bedeutungslosigkeit 12; KK-Krehl, aaO, § 244 Rn. 147 mwN). Das ist hier der Fall. Zwar gilt – wie bei jeder anderen entlastenden Indiztatsache – der Grund- satz „in dubio pro reo“ nicht für einen weder widerlegten noch nachgewiesenen Alibibeweis (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 2014 – 2 StR 333/13). Der lediglich gescheiterte Alibibeweis – bei dem die Lüge nicht erwiesen ist und auch sonst keine besonderen Umstände vorliegen – ist aber kein Beweisanzeichen für die Täterschaft (BGH, Urteile vom 21. Januar 2004 – 1 StR 364/03, NStZ 2004, 392, 394; vom 31. März 1999 – 5 StR 689/98, NStZ 1999, 423). Dies gilt auch, wenn – wie hier – der (unterstellt) erhobene Beweis ein Alibi des Angeklagten nicht ergeben hätte. Denn auch bei Erwiesenheit der unter Beweis gestellten Tatsachen stünde letztlich nur fest, dass sich der Angeklagte zum Zeitpunkt des Versands der Kurzmitteilung nicht bei seiner Lebensgefährtin aufgehalten hat; einen tragfähigen Schluss auf seine Täterschaft lässt dies indes nicht zu, sondern schließt ihn lediglich als Täter nicht aus.
17
(3) Die Verlesung der Telekommunikationsüberwachungsprotokolle über vier Kurzmitteilungen, die im Dezember 2009 zwischen dem Angeklagten und der gesondert verfolgten Sch. ausgetauscht worden sein sollen, hat die Strafkammer ebenfalls als aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos abgelehnt. Mit ihnen sollte insbesondere erwiesen werden, dass der Angeklagte die Zeugin, die bei einer Tankstelle beschäftigt gewesen sei, gebeten habe, ihm Geld („noch 200“) mitzubringen bzw. die Zeugin mitgeteilt habe, dass sie nur „135“ getauscht habe, dass mithin die gesondert verfolgte Sch. „aus einem nur ihr und dem Angeklagten bekannten Versteck Bargeld entnahm und an der Kasse der Aral-Tankstelle in nicht inkriminiertes Geld getauscht hat“.
18
Die Ablehnung dieses Antrags begründet ebenfalls nicht das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft. Denn der behauptete Inhalt der Kurzmitteilungen ist so nichtssagend, dass es auch angesichts der von der Strafkammer zutref- fend als bloße „Mutmaßungen“ bezeichneten Beweisziele auf der Hand liegt, dass dem Tatrichter die im Beweisantrag behaupteten Tatsachen in Verbindung mit dem bisherigen Beweisergebnis nicht ausreichen würde, um zu einer Verurteilung zu gelangen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2014 – 3 StR 442/14).
19
b) Auch die daneben erhobenen Rügen der Verletzung des § 244 Abs. 2 StPO greifen nicht durch, da die Aufklärungspflicht die Erhebung von Beweisen zu tatsächlich bedeutungslosen Umständen nicht gebietet.
20
c) Soweit die Staatsanwaltschaft einen (weiteren) Verstoß gegen § 244 Abs. 6 StPO darin sieht, dass die oben genannten Ablehnungsbeschlüsse ohne die erforderliche Gesamtwürdigung der unter Beweis gestellten Indiztatsachen zustande gekommen seien, hat auch diese Rüge keinen Erfolg.
21
Zwar können Beweisbehauptungen, die bereits früher und gleichzeitig mit dem konkret zu verbescheidenden Beweisantrag erhoben und als bedeutungslos oder bereits erwiesen behandelt wurden, in die bei der Prüfung der Bedeutungslosigkeit einer – weiteren – Beweisbehauptung gebotenen Erwägungen einzubeziehen sein (Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 225 mwN). Jedoch liegt weder nahe, dass die Strafkammer bei der Entscheidung über die Beweisanträge den Inhalt der früher gestellten Beweisanträge außer Betracht gelassen hat, noch ist ersichtlich, dass zwischen den einzelnen , in den verschiedenen Anträgen genannten Beweisbehauptungen ein Zusammenhang besteht, der deren Einbeziehung und eine Gesamtabwägung erfordern würde.
22
2. Die Sachrüge hat ebenfalls keinen Erfolg. Insbesondere dringen die Angriffe der Staatsanwaltschaft gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht durch.
23
a) Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an dessen Täterschaft nicht überwinden kann, so ist dies vom Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht zwar unter anderem zu bejahen, wenn der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 6. Dezember 2012 – 4 StR 360/12, NStZ 2013, 180 mwN). Ist dies nicht der Fall, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung aber sogar dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise näherliegend gewesen wäre (BGH, Urteil vom 20. September 2012 – 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89; Senat, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13).
24
b) Daran gemessen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht zu beanstanden.
25
aa) Sie ist insbesondere nicht lückenhaft.
26
Lückenhaft ist eine Beweiswürdigung vielmehr namentlich dann, wenn sie wesentliche Feststellungen nicht erörtert (BGH, Urteile vom 22. Mai 2007 – 1 StR 582/06; vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13). Dies ist bei den von der Staatsanwaltschaft angeführten „Erörterungsdefiziten“ indes nicht der Fall. Vielmehr erschöpfen sich diese Ausführungen in einer anderen Bewertung der von der Strafkammer erhobenen Beweise. Es ist jedoch allein Sache des Tatrichters, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen Indizien zu bewerten ; das Revisionsgericht kann nicht auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztatsache in die Überzeugungsbildung des Tatrichters eingreifen (BGH, Urteile vom 20. September 2012 – 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89; vom 4. April 2013 – 3 StR 37/13; vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13, StraFo 2013, 339).
27
bb) Die Beweiswürdigung in dem landgerichtlichen Urteil enthält auch weder einen Rechtsfehler darstellende Widersprüche noch Verstöße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze.
28
Ein die Sachrüge begründender Widerspruch kann nicht allein darin liegen , dass einzelne Beweismittel miteinander Unvereinbares ergeben haben. Ebenso wenig kann ein Widerspruch darin gesehen werden, dass das Gericht den Ausführungen eines Sachverständigen folgt (hier etwa zur Herkunft von DNA-Spuren), aber hieraus nicht die von der Staatsanwaltschaft gezogene Schlussfolgerung ziehen will (dass trotz der aufgefundenen DNA-Spuren des Zeugen Se. auch der Angeklagte bei ihm sichergestellte Handschuhe benutzt hat oder haben könnte). Vielmehr ist bei ambivalenten Beweisanzeichen, die dem Tatrichter im Einzelfall rechtlich zulässige Schlüsse sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten ermöglichen, eine rechtlich vertretbare tatrichterliche Entscheidung darüber, welche indizielle Bedeutung ein solcher Umstand im konkreten Fall entfaltet, vom Revisionsgericht hinzunehmen (vgl. BGH, Urteile vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13, StraFo 2013, 339; vom 4. April 2013 – 3 StR 37/13; vom 20. September 2012 – 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89).
29
cc) Schließlich hat das Landgericht weder die gebotene Gesamtwürdigung der für und gegen die Täterschaft des Angeklagten sprechenden Umstände unterlassen oder rechtsfehlerhaft vorgenommen, noch hat es überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt. Es hat auch angesichts der von ihm nicht verkannten, den Angeklagten belastenden Umstände weder naheliegende andere Deutungsmöglichkeiten außer Acht gelassen, noch bloße Schlussfolgerungen zur Begründung von Zweifeln an der Täterschaft des Angeklagten angeführt, für die es nach der Beweisaufnahme entweder keine tat- sächlichen Anhaltspunkte gibt oder die als eher fernliegend zu betrachten sind. Auch die Gesamtwürdigung weist daher keinen Rechtsfehler auf.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 497/10
vom
7. April 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. April 2011,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Dr. Schäfer,
Mayer
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 16. Juli 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.

I.

2
Der Nebenkläger beanstandet mit seiner hiergegen gerichteten Revision die Verletzung formellen sowie materiellen Rechts und erstrebt die Verurteilung des Angeklagten wegen eines Tötungsdelikts, zumindest wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
3
Nach den Feststellungen versetzte der Angeklagte in seiner Wohnung nach einem zunächst verbal ausgetragenen Streit dem Nebenkläger zwei Schläge mit einem Zimmermannshammer gegen den Kopf. Anschließend verließ er die Wohnung bis kurz vor deren Tür, kehrte jedoch um und schlug im Laufe des sich fortsetzenden Kampfgeschehens auf den Nebenkläger mit einer Haschischpfeife und einer Schwarzlichtröhre so heftig ein, dass beide Gegenstände zersplitterten und das Gehäuse der Röhre verbogen wurde.
4
Der Nebenkläger hat bekundet, er habe auf dem Sofa des Angeklagten geschlafen, als dieser mit dem Hammer auf ihn eingeschlagen habe. Durch die Schläge sei er erwacht und in Richtung der Wohnungstür geflüchtet. Dort habe der Angeklagte ihm weitere Schläge versetzt. Das Landgericht hat diese Angaben für widerlegt erachtet und seine Überzeugung auf die mit weiteren Beweisergebnissen in Einklang stehende Einlassung des Angeklagten gestützt.
5
Vor diesem Hintergrund beanstandet der Nebenkläger zu Recht, das Landgericht habe einen Beweisantrag rechtsfehlerhaft zurückgewiesen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO).
6
1. Der Nebenkläger hat die Vernehmung des ihn behandelnden Arztes Dr. S. zum Beweis dafür beantragt, er habe diesem bereits am Tattag berichtet, er habe geschlafen; als er aufgewacht sei, habe ein Freund vor ihm gestanden und mit einem Hammer auf ihn eingeschlagen.
7
Die Strafkammer hat diesen Antrag durch Beschluss mit der Begründung abgelehnt, die unter Beweis gestellte Tatsache sei für die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung. Es könne dahinstehen, ob der Nebenkläger gegenüber dem behandelnden Arzt die behauptete Äußerung gemacht habe. Dies bedeute nicht zwingend, dass das Geschehen sich so abgespielt habe; denn "aufgrund des Ergebnisses der bisherigen Beweisaufnahme geht die Kammer, wie auch in der Erklärung nach § 257b StPO dargestellt, nicht davon aus, dass der Angeklagte den Zeugen A. im Schlaf mit den Hammerschlägen überrascht hat."
8
Die in Bezug genommene Erklärung nach § 257b StPO lautet - soweit hier von Relevanz - wie folgt: "Es wird nicht davon ausgegangen, dass der Angeklagte den Zeugen A. mit Hammerschlägen im Schlaf überrascht hat."
9
2. Diese Begründung trägt die Zurückweisung des Beweisantrags nicht.
10
a) Zwar ist es dem Tatgericht grundsätzlich nicht verwehrt, Indiz- oder Hilfstatsachen als für die Entscheidung bedeutungslos zu betrachten, wenn es aus diesen eine mögliche Schlussfolgerung, die der Antragsteller erstrebt, nicht ziehen will. Jedoch hat der Beschluss, mit dem das Tatgericht die Erhebung eines Beweises wegen Unerheblichkeit der Beweistatsache ablehnt, zum einen den Antragsteller sowie die weiteren Prozessbeteiligten so weit über die Auffassung des Gerichts zu unterrichten, dass diese sich auf die neue Verfahrenslage einstellen und gegebenenfalls noch in der Hauptverhandlung das Gericht von der Erheblichkeit der Beweistatsache überzeugen oder aber neue Anträge mit demselben Beweisziel stellen können; zum anderen muss er dem Revisionsgericht die Prüfung ermöglichen, ob der Beweisantrag rechtsfehlerfrei zurückge- wiesen worden ist und ob die Feststellungen und Erwägungen des Ablehnungsbeschlusses mit denjenigen des Urteils übereinstimmen. Deshalb ist u.a. mit konkreten Erwägungen zu begründen, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will. Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen , denen das Tatgericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Überzeugungsbildung ohne Einfluss blieb (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 26. Januar 2000 - 3 StR 410/99, NStZ 2000, 267, 268; vom 3. Dezember 2004 - 2 StR 156/04, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 26).
11
b) Diese Grundsätze gelten auch für Beschlüsse, mit denen Beweisanträge des Nebenklägers zurückgewiesen werden. Zwar hat der 5. Strafsenat in seiner Entscheidung vom 28. April 2010 (5 StR 487/09, NStZ 2010, 714) - nicht tragend - angemerkt, ungeachtet des auch dem Nebenkläger nach § 397 Abs. 1 Satz 3 StPO zugebilligten Beweisantragsrechts erscheine eine weniger restriktive Anwendung der gesetzlich vorgesehenen Ablehnungsgründe auf Beweisanträge des Nebenklägers als beim Angeklagten vertretbar. Dem kann der Senat jedoch nicht folgen.
12
Gegen die vom 5. Strafsenat erwogene Auffassung sprechen bereits der eindeutige Wortlaut und die Systematik der Strafprozessordnung. § 397 Abs. 1 Satz 3 StPO bestimmt, dass dem Nebenkläger das Beweisantragsrecht zusteht, und verweist auf § 244 Abs. 3 bis 6 StPO. Dieser Regelung sind Einschränkungen nicht zu entnehmen; der Gesetzgeber hat - im Gegensatz etwa zu der Normierung der Rechtsmittelbefugnis des Nebenklägers in § 400 Abs. 1 StPO - darauf verzichtet, Reichweite und Grenzen der dem Nebenkläger eingeräumten Befugnis zur Stellung von Beweisanträgen gesondert auszugestalten (vgl.
Bock, HRRS 2011, 119, 120). Auch den Materialien zum Opferschutzgesetz vom 18. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2496), mit dem das Beweisantragsrecht in § 397 Abs. 1 StPO ausdrücklich aufgenommen wurde, kann ein entsprechender Wille nicht entnommen werden; vielmehr ist der Gesetzgeber bewusst dem Bundesrat nicht gefolgt, der sich gegen das Beweisantragsrecht des Nebenklägers gewandt hatte (BT-Drucks. 10/5305, S. 29, 33; vgl. hierzu auch LR/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 397 Rn. 8 mwN). Zuletzt hat der Gesetzgeber mit dem 2. Opferrechtsreformgesetz vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2280) u.a. den § 397 StPO redaktionell umgestaltet. Dabei hat er allerdings das Beweisantragsrecht von Nebenklägern nicht etwa eingeschränkt, sondern deren Verfahrensrechte insgesamt noch weiter gestärkt (vgl. BT-Drucks. 16/12098, S. 1 f.). Schließlich führt die Berücksichtung von Sinn und Zweck des Regelungsgefüges nicht zu einem anderen Ergebnis. Dem 5. Strafsenat ist zwar dahin zuzustimmen, dass das Beweisantragsrecht für den Angeklagten mit Blick auf seine Stellung im Strafverfahren von wesentlicher Bedeutung ist. Dies gilt indes in ähnlicher Weise für den Nebenkläger, dessen Interesse an der Wahrheitsfindung nicht von vornherein geringer zu bewerten ist. Eine gegen den Wortlaut und den gesetzgeberischen Willen restriktive Auslegung des § 397 Abs. 1 Satz 3 StPO, die dazu führen könnte, die wirksame Wahrnehmung der berechtigten Interessen durch den Nebenkläger zu beeinträchtigen, ist deshalb nicht veranlasst.
13
c) Nach dem aufgezeigten Maßstab genügen die Ausführungen des Landgerichts in dem genannten Beschluss nicht. Dieser enthält ausschließlich einen pauschalen Hinweis auf das "Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme", der auch durch die in Bezug genommene Erklärung nach § 257b StPO nicht näher konkretisiert wird. Damit ließ er zum einen den Antragsteller über die konkrete Einschätzung der Strafkammer über die Beweislage und die insoweit bestehende Verfahrenssituation im Ungewissen. Zum anderen ist dem Senat die rechtliche Nachprüfung dahin verwehrt, ob das Landgericht die Voraussetzungen des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO rechtsfehlerfrei angenommen und ohne Rechtsfehler von der Vernehmung des Zeugen Dr. S. in der Hauptverhandlung abgesehen hat.
14
3. Das Urteil beruht auf dem dargelegten Verfahrensfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Weder vermag der Senat zu prüfen, ob das Landgericht im Rahmen seiner antizipierenden Würdigung der unter Beweis gestellten Behauptung rechtsfehlerfrei keine Bedeutung zugemessen hat, noch kann ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller sein Prozessverhalten auf eine den Anforderungen entsprechende Begründung des Ablehnungsbeschlusses in einer für den Schuldspruch erheblichen Weise hätte einrichten können.

II.

15
Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Becker Pfister von Lienen Schäfer Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 135/13
vom
1. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
zu 2.: Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 4. auf dessen Antrag - am
1. Oktober 2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 19. Oktober 2012, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten Sch. wir das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist;
b) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II.1 der Urteilsgründe und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die insoweit getroffenen Feststellungen aufrecht erhalten. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weitergehende Revision des Angeklagten Sch. wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Den Angeklagten Sch. hat es wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Dagegen wenden sich die Revisionen der Beschwerdeführer. Der Angeklagte S. erhebt mehrere Verfahrensbeanstandungen und rügt die Verletzung materiellen Rechts; der Angeklagte Sch. erhebt die allgemeine Sachrüge.

I.


2
Die Revision des Angeklagten S. hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Dieser liegt zugrunde:
3
Die Strafkammer hat festgestellt, dass der Angeklagte als Mittäter zusammen mit dem Mitangeklagten J. in Österreich mindestens 1,5 kg Heroin erworben und diese durch einen Kurier nach Deutschland habe bringen lassen, wo sie gewinnbringend verkauft werden sollten. Von dem Umstand, dass sich in dem "kofferartigen Behältnis", das die Angeklagten in Österreich übernommen und an den Kurier übergeben hätten, Heroin befunden habe, hat sich das Landgericht - da trotz polizeilicher Überwachung die observierenden Beamten die Betäubungsmittel nicht gesehen hätten - insbesondere dadurch überzeugt, dass der Mitangeklagte J. zeitnah zu dieser Fahrt nach Österreich nur sechs Tage später dem gesondert Verfolgten M. ca. 500 Gramm Heroin zum Verkauf an Drittabnehmer und zum teilweisen Eigenkonsum überbracht habe. Der Mitangeklagte J. hat dazu erklärt, das Heroin habe zwar ihm gehört, aber nicht aus Österreich gestammt.
4
Vor diesem Hintergrund beanstandet der Angeklagte S. zu Recht, das Landgericht habe einen Beweisantrag rechtsfehlerhaft zurückgewiesen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO).
5
1. Der Angeklagte S. hat in der Hauptverhandlung unter anderem beantragt, Telefonate, aufgezeichnete Innenraumgespräche aus dem vom Mitangeklagten J. genutzten PKW sowie GPS-Aufzeichnungen für diesen PKW in Augenschein zu nehmen, zum Beweis der Tatsache, dass der Mitangeklagte J. schon vor der Fahrt nach Österreich ein Treffen mit einem Betäubungsmittellieferanten in Rotterdam vereinbart hatte, er nach der Wiedereinreise aus Österreich von Augsburg aus direkt nach Rotterdam gefahren sei, dass er selbst, der Angeklagte S. , sich bei dieser Fahrt nicht in dem Auto befunden habe, und dass der Mitangeklagte J. von Rotterdam aus direkt zu der Adresse in Emstek gefahren sei, die auch der Kurier aus Österreich angesteuert habe. Erklärtes Beweisziel dieses Antrages war es, eine gleichwertige Alternative zu der von der Strafkammer angenommenen Indizienkette dergestalt aufzuzeigen, dass der Mitangeklagte J. das Heroin auch in Rotterdam - und damit ohne Beteiligung des Angeklagten S. - erworben und von dort in die Bundesrepublik eingeführt haben könnte.
6
Das Landgericht hat diesen Beweisantrag mit folgender Begründung als aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos zurückgewiesen: "Ob J. auch an- dere Möglichkeiten hatte, sich Heroin zu beschaffen, ist kein zwingender Schluss dafür, dass das sichergestellte Heroin nicht auch aus der 'ÖsterreichFahrt' stammen kann."
7
2. Diese Begründung trägt die Zurückweisung des Beweisantrags nicht.
8
Zwar ist es dem Tatgericht grundsätzlich nicht verwehrt, Indiz- oder Hilfstatsachen als für die Entscheidung bedeutungslos zu betrachten, wenn es aus diesen eine mögliche Schlussfolgerung, die der Antragsteller erstrebt, nicht ziehen will. Hierzu hat es die unter Beweis gestellte Tatsache so, als sei sie erwiesen , in das aufgrund der bisherigen Beweisaufnahme erlangte Beweisergebnis einzustellen und im Wege einer prognostischen Betrachtung zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung - gegebenenfalls in Anwendung des Zweifelssatzes - in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde (LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 220).
9
Der Beschluss, mit dem das Tatgericht die Erhebung eines Beweises wegen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache ablehnt, hat zum einen den Antragsteller sowie die weiteren Prozessbeteiligten so weit über die Auffassung des Gerichts zu unterrichten, dass diese sich auf die neue Verfahrenslage einstellen und gegebenenfalls noch in der Hauptverhandlung das Gericht von der Erheblichkeit der Beweistatsache überzeugen oder aber neue Anträge mit demselben Beweisziel stellen können; zum anderen muss er dem Revisionsgericht die Prüfung ermöglichen, ob der Beweisantrag rechtsfehlerfrei zurückgewiesen worden ist und ob die Feststellungen und Erwägungen des Ablehnungsbeschlusses mit denjenigen des Urteils übereinstimmen. Deshalb ist mit konkreten Erwägungen zu begründen, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will. Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Tatgericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Überzeugungsbildung ohne Einfluss geblieben ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 26. Januar 2000 - 3 StR 410/99, NStZ 2000, 267, 268; vom 7. April 2011 - 3 StR 497/10, NStZ 2011, 713, 714). Nach diesen Maßstäben erweist es sich in aller Regel als rechtsfehlerhaft , wenn die Ablehnung wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit allein auf die inhaltsleere Aussage gestützt wird, die unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache lasse keinen zwingenden sondern lediglich einen möglichen Schluss zu, den das Gericht nicht ziehen wolle (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2006 - 4 StR 251/06, NStZ-RR 2007, 84, 85; LR/Becker, aaO, § 244 Rn. 225).
10
So verhält es sich hier. Die Strafkammer hat keine konkreten Erwägungen mitgeteilt, aufgrund derer sie das von ihr bisher gefundene Beweisergebnis - das Heroin stammte aus Österreich - durch die unter Beweis gestellten Tatsachen nicht als erschüttert angesehen hat. In der pauschalen Begründung, weitere Beschaffungsmöglichkeiten des Mitangeklagten J. ließen keinen zwingenden Schluss darauf zu, dass das Heroin nicht doch - und damit unter Beteiligung des Angeklagten S. - in Österreich erworben worden sei, liegt - wie dargelegt - ein Rechtsfehler, der vorliegend umso schwerer wiegt, weil der Angeklagte erklärtermaßen mit seinem Beweisantrag nur Tatsachen aufzeigen wollte, die einen nach seinem Vortrag gleichwertigen möglichen Schluss auf ein anderes, für ihn günstigeres Geschehen - der Mitangeklagte habe die Betäubungsmittel allein in den Niederlanden erworben - erlauben sollten. Das Landgericht hätte deshalb - gegebenenfalls unter Berücksichtigung des Grundsatzes "in dubio pro reo" - konkret darlegen müssen, warum die aufgezeigte andere Beschaffungsmöglichkeit seine ebenfalls nur auf Indizien beruhende Schluss- folgerung, das Heroin stamme aus Österreich, nicht in entscheidungserheblicher Weise entkräften konnte. Dies gilt hier insbesondere, weil der in der Beweiswürdigung als bedeutsam herangezogene enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Beschaffung und Einfuhr einerseits und der Sicherstellung der Betäubungsmittel andererseits in beiden Sachverhaltsalternativen gleichermaßen bestand.
11
3. Das Urteil beruht auf dem dargelegten Verfahrensfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Weder vermag der Senat zu prüfen, ob das Landgericht im Rahmen seiner ihm obliegenden antizipierenden Würdigung den unter Beweis gestellten Behauptungen rechtsfehlerfrei keine Bedeutung zugemessen hat, noch kann ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller sein Prozessverhalten auf eine den Anforderungen entsprechende Begründung des Ablehnungsbeschlusses in einer für den Schuldspruch erheblichen Weise hätte einrichten können.

II.


12
Die Revision des Angeklagten Sch. hat mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
13
1. Im Fall II.1 der Urteilsgründe hält die tateinheitlich ausgesprochene Verurteilung wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
14
Das Landgericht hat insoweit festgestellt, der Angeklagte Sch. sei im April 2011 zusammen mit dem Mitangeklagten J. nach Rotterdam gefahren, wo dieser von seinem Lieferanten für 26.000 € ein Kilogramm Kokain erworben habe. Diese Betäubungsmittel hätten sie selbst oder - "was wahrscheinlicher sein dürfte" - unter Einschaltung eines unbekannt gebliebenen Kuriers am frühen Morgen des Folgetages in die Bundesrepublik eingeführt. Der Angeklagte Sch. habe dem Mitangeklagten J. durch seine Anwesenheit Sicherheit bei dem Geldtransport vermittelt und ihm geholfen, den Eindruck einer unverdächtigen Urlaubsreise zu erwecken.
15
Diese Feststellungen tragen zwar die Verurteilung wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, nicht aber die wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Voraussetzung der Strafbarkeit wegen Beihilfe zu einer Straftat ist, dass der Gehilfe durch eine Handlung die Verwirklichung des Tatbestandes durch den Haupttäter objektiv fördert (SSW-StGB/Murmann, 1. Aufl., § 27 Rn. 3). Dies wird indes durch die Feststellungen nicht belegt. Da die Strafkammer sich nicht davon hat überzeugen können, dass der Angeklagte Sch. zusammen mit dem Mitangeklagten J. das in Rotterdam übernommene Kokain selbst in die Bundesrepublik Deutschland einführte - anders ist die Wendung, dass die Einfuhr durch einen unbekannt gebliebenen Kurier wahrscheinlicher sei, nicht zu verstehen - hätte es konkreter Feststellungen dazu bedurft, dass und gegebenenfalls durch welche Handlung der Angeklagte Sch. die mittels eines Kuriers vollzogene Einfuhrtat des Mitangeklagten J. gefördert haben könnte. Daran fehlt es.
16
2. Der Senat schließt angesichts des in dem angefochtenen Urteil mitgeteilten Beweisergebnisses aus, dass in einem neuen Rechtsgang insoweit wei- tere, den Angeklagten Sch. belastende Feststellungen getroffen werden könnten, und ändert den Schuldspruch entsprechend. Die teilweise Aufhebung des Schuldspruchs nötigt zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafe, weil diese aus dem nach § 27, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG bemessen worden ist. Die Aufhebung der Einzelstrafe im Fall II.1 der Urteilsgründe bedingt die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Die hierzu rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können jedoch bestehen bleiben; das neue Tatgericht kann insoweit weitere, den bisherigen nicht widersprechende Feststellungen treffen.
Becker RiBGH Hubert und RiBGH Mayer befinden sich im Urlaub und sind daher gehindert zu unterschreiben. Becker Gericke Spaniol
5 StR 487/09

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 28. April 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. April 2010

beschlossen:
Die Revision des Nebenklägers gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 26. September 2008 wird – nach Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist – gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die 13 angeklagten Justizvollzugsbediensteten aus tatsächlichen Gründen von den Vorwürfen freigesprochen, in Ausübung des Dienstes bei drei Vorfällen am Morgen und am Nachmittag des 4. und am Morgen des 5. März 1999 in unterschiedlicher Beteiligung den damals als Strafgefangenen in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg inhaftierten Nebenkläger verletzt zu haben. Die gegen die Freisprüche gerichtete Revision des Nebenklägers, dem nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 6. Januar 2010 angegebenen Gründen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, erweist sich letztlich als unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Während das Landgericht für den 4. und 5. März 1999 jeweils morgens Widerstandshandlungen des nach einer Ellenbogenoperation im Februar 1999 psychisch stark dekompensierten, wiederholt aggressiven Neben- klägers festgestellt hat, die mit nicht feststellbar überschießendem körperlichen Einsatz von mehreren der Angeklagten gebrochen wurden, hat das Landgericht für den Nachmittag des 4. März 1999 jegliches Zusammentreffen des Nebenklägers mit einem der Angeklagten ausgeschlossen.
3
2. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch. Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts merkt der Senat an:
4
a) Die Besetzungsrüge bleibt erfolglos. Angesichts des überaus begrenzten angeklagten Tatgeschehens, der Einfachheit der strafrechtlichen Bewertung und einer namentlich angesichts des Zeitablaufs minderen Straferwartung der Angeklagten ist der tatgerichtliche Beurteilungsspielraum nach § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG gerade noch nicht überschritten, wenngleich schon nach der Anzahl der Angeklagten, zudem angesichts der Bedeutung der Sache , auch im Lichte des öffentlichen Interesses, und der absehbaren beträchtlichen Beweisprobleme eine Verhandlung unter Mitwirkung eines dritten Berufsrichters sehr viel näher gelegen hätte.
5
b) Ungeachtet des auch dem Nebenkläger nach § 397 Abs. 1 Satz 3 StPO zugebilligten Beweisantragsrechts erscheint eine weniger restriktive Anwendung der gesetzlich vorgesehenen beschränkten Ablehnungsgründe auf Beweisanträge des Nebenklägers als beim Angeklagten vertretbar. Diesem vermittelt das Beweisantragsrecht nicht nur in gleicher Weise wie dem Nebenkläger eine Stärkung der aktiven Einflussmöglichkeiten auf den Umfang der Beweisaufnahme, sondern auch eine Konkretisierung seines Rechts auf ein faires Verfahren und damit auf eine gewisse „Waffengleichheit“ sowie eine Ergänzung der für ihn streitenden Unschuldsvermutung.
6
3. Die den Freisprüchen zugrunde liegende Beweiswürdigung des Landgerichts ist nach den für das Revisionsgericht geltenden Maßstäben nicht zu beanstanden. Angesichts der hinreichend deutlich dokumentierten überaus begrenzten konkreten Belastungsbeweise für die angeklagten Fälle stellt es keine beachtliche Lücke in der Beweisführung des Landgerichts dar, dass Erkenntnisse über weitere Fälle des Fehlverhaltens von Justizvollzugsbediensteten der gleichen Station nicht näher abgehandelt worden sind; sie wurden von der Presse erst fünf Jahre nach dem hier angeklagten Tatgeschehen angeprangert, haben indes offenbar zu keinen weiteren Anklageerhebungen geführt. Etwaige auch massivere weitere Verdachtsfälle gegen hier Angeklagte konnten bei der gegebenen tatbezogenen Beweislage ersichtlich keine Überführung im Sinne der – spät erhobenen und noch sehr viel später verhandelten – Anklage erbringen. Bei der aus dem Urteil erkenntlichen eklatanten Schwäche der maßgeblichen Zeugenaussage des Nebenklägers mussten auch keine näheren Erwägungen darüber angestellt werden , ob einzelne Angeklagte mit ihrem anklagebezogenen festgestellten Verhalten in den Fällen 1 und 3 der Anklage nicht doch die Grenzen zulässigen Vollzugsverhaltens auch im Rahmen gebrochenen Widerstandes des Nebenklägers überschritten haben könnten.
Basdorf Brause Schaal Schneider Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 497/10
vom
7. April 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. April 2011,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Dr. Schäfer,
Mayer
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 16. Juli 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.

I.

2
Der Nebenkläger beanstandet mit seiner hiergegen gerichteten Revision die Verletzung formellen sowie materiellen Rechts und erstrebt die Verurteilung des Angeklagten wegen eines Tötungsdelikts, zumindest wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
3
Nach den Feststellungen versetzte der Angeklagte in seiner Wohnung nach einem zunächst verbal ausgetragenen Streit dem Nebenkläger zwei Schläge mit einem Zimmermannshammer gegen den Kopf. Anschließend verließ er die Wohnung bis kurz vor deren Tür, kehrte jedoch um und schlug im Laufe des sich fortsetzenden Kampfgeschehens auf den Nebenkläger mit einer Haschischpfeife und einer Schwarzlichtröhre so heftig ein, dass beide Gegenstände zersplitterten und das Gehäuse der Röhre verbogen wurde.
4
Der Nebenkläger hat bekundet, er habe auf dem Sofa des Angeklagten geschlafen, als dieser mit dem Hammer auf ihn eingeschlagen habe. Durch die Schläge sei er erwacht und in Richtung der Wohnungstür geflüchtet. Dort habe der Angeklagte ihm weitere Schläge versetzt. Das Landgericht hat diese Angaben für widerlegt erachtet und seine Überzeugung auf die mit weiteren Beweisergebnissen in Einklang stehende Einlassung des Angeklagten gestützt.
5
Vor diesem Hintergrund beanstandet der Nebenkläger zu Recht, das Landgericht habe einen Beweisantrag rechtsfehlerhaft zurückgewiesen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO).
6
1. Der Nebenkläger hat die Vernehmung des ihn behandelnden Arztes Dr. S. zum Beweis dafür beantragt, er habe diesem bereits am Tattag berichtet, er habe geschlafen; als er aufgewacht sei, habe ein Freund vor ihm gestanden und mit einem Hammer auf ihn eingeschlagen.
7
Die Strafkammer hat diesen Antrag durch Beschluss mit der Begründung abgelehnt, die unter Beweis gestellte Tatsache sei für die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung. Es könne dahinstehen, ob der Nebenkläger gegenüber dem behandelnden Arzt die behauptete Äußerung gemacht habe. Dies bedeute nicht zwingend, dass das Geschehen sich so abgespielt habe; denn "aufgrund des Ergebnisses der bisherigen Beweisaufnahme geht die Kammer, wie auch in der Erklärung nach § 257b StPO dargestellt, nicht davon aus, dass der Angeklagte den Zeugen A. im Schlaf mit den Hammerschlägen überrascht hat."
8
Die in Bezug genommene Erklärung nach § 257b StPO lautet - soweit hier von Relevanz - wie folgt: "Es wird nicht davon ausgegangen, dass der Angeklagte den Zeugen A. mit Hammerschlägen im Schlaf überrascht hat."
9
2. Diese Begründung trägt die Zurückweisung des Beweisantrags nicht.
10
a) Zwar ist es dem Tatgericht grundsätzlich nicht verwehrt, Indiz- oder Hilfstatsachen als für die Entscheidung bedeutungslos zu betrachten, wenn es aus diesen eine mögliche Schlussfolgerung, die der Antragsteller erstrebt, nicht ziehen will. Jedoch hat der Beschluss, mit dem das Tatgericht die Erhebung eines Beweises wegen Unerheblichkeit der Beweistatsache ablehnt, zum einen den Antragsteller sowie die weiteren Prozessbeteiligten so weit über die Auffassung des Gerichts zu unterrichten, dass diese sich auf die neue Verfahrenslage einstellen und gegebenenfalls noch in der Hauptverhandlung das Gericht von der Erheblichkeit der Beweistatsache überzeugen oder aber neue Anträge mit demselben Beweisziel stellen können; zum anderen muss er dem Revisionsgericht die Prüfung ermöglichen, ob der Beweisantrag rechtsfehlerfrei zurückge- wiesen worden ist und ob die Feststellungen und Erwägungen des Ablehnungsbeschlusses mit denjenigen des Urteils übereinstimmen. Deshalb ist u.a. mit konkreten Erwägungen zu begründen, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will. Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen , denen das Tatgericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Überzeugungsbildung ohne Einfluss blieb (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 26. Januar 2000 - 3 StR 410/99, NStZ 2000, 267, 268; vom 3. Dezember 2004 - 2 StR 156/04, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 26).
11
b) Diese Grundsätze gelten auch für Beschlüsse, mit denen Beweisanträge des Nebenklägers zurückgewiesen werden. Zwar hat der 5. Strafsenat in seiner Entscheidung vom 28. April 2010 (5 StR 487/09, NStZ 2010, 714) - nicht tragend - angemerkt, ungeachtet des auch dem Nebenkläger nach § 397 Abs. 1 Satz 3 StPO zugebilligten Beweisantragsrechts erscheine eine weniger restriktive Anwendung der gesetzlich vorgesehenen Ablehnungsgründe auf Beweisanträge des Nebenklägers als beim Angeklagten vertretbar. Dem kann der Senat jedoch nicht folgen.
12
Gegen die vom 5. Strafsenat erwogene Auffassung sprechen bereits der eindeutige Wortlaut und die Systematik der Strafprozessordnung. § 397 Abs. 1 Satz 3 StPO bestimmt, dass dem Nebenkläger das Beweisantragsrecht zusteht, und verweist auf § 244 Abs. 3 bis 6 StPO. Dieser Regelung sind Einschränkungen nicht zu entnehmen; der Gesetzgeber hat - im Gegensatz etwa zu der Normierung der Rechtsmittelbefugnis des Nebenklägers in § 400 Abs. 1 StPO - darauf verzichtet, Reichweite und Grenzen der dem Nebenkläger eingeräumten Befugnis zur Stellung von Beweisanträgen gesondert auszugestalten (vgl.
Bock, HRRS 2011, 119, 120). Auch den Materialien zum Opferschutzgesetz vom 18. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2496), mit dem das Beweisantragsrecht in § 397 Abs. 1 StPO ausdrücklich aufgenommen wurde, kann ein entsprechender Wille nicht entnommen werden; vielmehr ist der Gesetzgeber bewusst dem Bundesrat nicht gefolgt, der sich gegen das Beweisantragsrecht des Nebenklägers gewandt hatte (BT-Drucks. 10/5305, S. 29, 33; vgl. hierzu auch LR/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 397 Rn. 8 mwN). Zuletzt hat der Gesetzgeber mit dem 2. Opferrechtsreformgesetz vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2280) u.a. den § 397 StPO redaktionell umgestaltet. Dabei hat er allerdings das Beweisantragsrecht von Nebenklägern nicht etwa eingeschränkt, sondern deren Verfahrensrechte insgesamt noch weiter gestärkt (vgl. BT-Drucks. 16/12098, S. 1 f.). Schließlich führt die Berücksichtung von Sinn und Zweck des Regelungsgefüges nicht zu einem anderen Ergebnis. Dem 5. Strafsenat ist zwar dahin zuzustimmen, dass das Beweisantragsrecht für den Angeklagten mit Blick auf seine Stellung im Strafverfahren von wesentlicher Bedeutung ist. Dies gilt indes in ähnlicher Weise für den Nebenkläger, dessen Interesse an der Wahrheitsfindung nicht von vornherein geringer zu bewerten ist. Eine gegen den Wortlaut und den gesetzgeberischen Willen restriktive Auslegung des § 397 Abs. 1 Satz 3 StPO, die dazu führen könnte, die wirksame Wahrnehmung der berechtigten Interessen durch den Nebenkläger zu beeinträchtigen, ist deshalb nicht veranlasst.
13
c) Nach dem aufgezeigten Maßstab genügen die Ausführungen des Landgerichts in dem genannten Beschluss nicht. Dieser enthält ausschließlich einen pauschalen Hinweis auf das "Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme", der auch durch die in Bezug genommene Erklärung nach § 257b StPO nicht näher konkretisiert wird. Damit ließ er zum einen den Antragsteller über die konkrete Einschätzung der Strafkammer über die Beweislage und die insoweit bestehende Verfahrenssituation im Ungewissen. Zum anderen ist dem Senat die rechtliche Nachprüfung dahin verwehrt, ob das Landgericht die Voraussetzungen des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO rechtsfehlerfrei angenommen und ohne Rechtsfehler von der Vernehmung des Zeugen Dr. S. in der Hauptverhandlung abgesehen hat.
14
3. Das Urteil beruht auf dem dargelegten Verfahrensfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Weder vermag der Senat zu prüfen, ob das Landgericht im Rahmen seiner antizipierenden Würdigung der unter Beweis gestellten Behauptung rechtsfehlerfrei keine Bedeutung zugemessen hat, noch kann ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller sein Prozessverhalten auf eine den Anforderungen entsprechende Begründung des Ablehnungsbeschlusses in einer für den Schuldspruch erheblichen Weise hätte einrichten können.

II.

15
Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Becker Pfister von Lienen Schäfer Mayer

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 78/14
vom
17. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Bestimmens einer Person unter 18 Jahren, mit Betäubungsmitteln unerlaubt
Handel zu treiben u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Juli 2014,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt in der Verhandlung,
Richterin am Landgericht bei der Verkündung
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Pflichtverteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 26. November 2013 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten des „Bestimmens einer Person unter 18 Jahren, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, in Tateinheit mit gewerbsmäßiger unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren, der gewerbsmäßigen unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren in 14 Fällen, des vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer verbotenen Waffe und des vorsätzlichen Besitzes von Arzneimitteln in nicht geringer Menge zu Dopingzwecken im Sport“ schuldig gesprochen und ihn hierwegen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Ferner hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 15.770 € angeordnet. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet.

I.


2
Nach den Feststellungen veranlasste der Angeklagte Ende August 2011 den, wie er wusste, 16-jährigen P. , 20 Gramm Haschisch, 20 Gramm Marihuana, 20 Gramm Amphetamingemisch und 20 Ecstasy-Tabletten zu von ihm vorab festgelegten Verkaufspreisen gewinnbringend zu veräu- ßern. Nachdem P. dies gelungen war und er die ebenfalls vom Angeklagten festgelegten Einkaufspreise an diesen erstattet hatte, verkaufte P. anschließend bis Ende Februar 2012 (UA 8) in 14 weiteren Fällen sich sukzessive erhöhende Rauschgiftmengen gewinnbringend für den Angeklagten. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung am 7. Februar 2013 wurde der Angeklagte im Besitz eines silberfarbenen Schlagrings und 196 Tabletten, die insgesamt 691,88 mg des verschreibungspflichtigen anabolen Steroids Metandienon enthielten , angetroffen.

II.


3
Keine der Verfahrensrügen greift durch.
4
1. Vergeblich rügt der Beschwerdeführer, das Gericht habe seine Überzeugung entgegen § 261 StPO nicht aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpft.
5
a) Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
6
Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung die Verstöße gegen das Waffen- und das Arzneimittelgesetz eingeräumt, die ihm vorgeworfenen 15 Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz indes pauschal bestritten. Der Zeuge P. hat in der Hauptverhandlung „auf konkreten – wortwörtlichen – Vorhalt“ (UA 9) seiner Beschuldigtenvernehmungen vom 14. Mai und 25. Juni 2012 bestätigt, die Angaben gegenüber der Vernehmungsbeamtin jeweils so wie protokolliert gemacht zu haben. Im angefochtenen Urteil hat das Landgericht die polizeilichen Angaben, die in den Niederschriften insgesamt knapp 13 Seiten einnehmen, von den jeweiligen Belehrungen abgesehen, in wörtlicher Rede wiedergegeben. Diese Darstellung nimmt im Urteil – mit textlichen Überleitungen – annähernd neun Seiten ein. Der Beschwerdeführer trägt vor, die polizeilichen Niederschriften seien in der Hauptverhandlung nicht verlesen worden ; durch Vorhalt an den Zeugen P. hätten sie schon wegen ihres Umfangs nicht eingeführt werden können.
7
b) Die Rüge ist unzulässig, weil sie nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Form begründet worden ist.Diese Vorschrift verlangt eine so genaue Angabe der die Rüge begründenden Tatsachen , dass das Revisionsgericht auf ihrer Grundlage prüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (BGH, Urteil vom 14. Oktober 1952 – 2 StR 306/52, BGHSt 3, 213, 214; Beschluss vom 8. November 2000 – 3 StR 282/00 mwN; KK-StPO/ Gericke, 7. Aufl., § 344 Rn. 38 f.). Wird beanstandet, das Tatgericht habe den Inhalt in der Hauptverhandlung nicht verlesener Urkunden verwertet, so gehört zur ordnungsgemäßen Begründung der Verfahrensrüge nicht nur die Behauptung , dass die Urkunde nicht verlesen worden, sondern auch – verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, NJW 2005, 1999, 2001 f.) – die Darlegung, dass der Inhalt der Urkunde nicht in sonst zulässiger Weise eingeführt worden sei (BGH, Urteil vom 11. April 2001 – 3 StR 503/00, NJW 2001, 2558 f.; OLG Düsseldorf, StV 1995, 120; Gericke, aaO, § 344 Rn. 58; Sander inLöwe/ Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 185).
8
Daran fehlt es hier: Der Beschwerdeführer hat versäumt, das Urteil des Amtsgerichts Wittlich vom 6. November 2012 vorzutragen, mit dem der Zeuge P. wegen der nämlichen Betäubungsmitteldelikte verurteilt worden ist. Dieses Urteil wurde nicht nur dem Angeklagten vorgehalten (Teilprotokoll vom 21. November 2013, S. 5), sondern auch urkundenbeweislich verlesen (Teilprotokoll vom 26. November 2013, S. 2). Ohne Vorlage dieses Urteils kann der Senat nicht prüfen, ob die Angaben des Zeugen P. in den beiden polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen durch Verlesung im Strengbeweis eingeführt worden sind. Denn P. hat in der tatrichterlichen Hauptverhandlung bekundet, er habe vor dem Amtsgericht Wittlich den Sachverhalt dem Gericht gegenüber „sinngemäß“ so geschildert wie in den Vernehmungen vor der Poli- zei (UA 18). Der möglicherweise gesondert zu beurteilende Fall, dass das Tatgericht den Wortlaut der Urkunden verwertet hat, liegt hier ersichtlich nicht vor; das Landgericht hat lediglich den Inhalt der polizeilichen Vernehmungen P. s bei seiner Beweisführung herangezogen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. August 1987 – 5 StR 162/87, BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung 5, und vom 5. April 2000 – 5 StR 226/99, BGHR StPO § 249 Abs. 1 Verlesung , unterbliebene 1 sowie zur Abgrenzung, wenn – anders als hier – eine bestätigende Erklärung der Auskunftsperson fehlt, BGH, Beschluss vom 13. April 1999 – 1 StR 107/99, StV 1999, 359 f.; Urteile vom 30. August 2000 – 2 StR 85/00, NStZ 2001, 161, und vom 6. September 2000 – 2 StR 190/00, NStZ-RR 2001, 18).
9
Die Revision unterlässt es außerdem, zum Ablauf der Einvernahme der Kriminalkommissarin F. , die P. vernommen hatte, näher vorzutragen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 1995 – 3 StR 99/95, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Verwertungsverbot 4; Beschluss vom 23. Oktober 2012 – 1 StR 377/12). Denn es liegt nahe anzunehmen, dass Polizeibeamte, die sich erfahrungsgemäß im Wege der vorherigen Durchsicht ihrer Ermittlungsunterlagen auf ihre Vernehmung intensiv vorbereiten, sich an Einzelheiten erinnern können und ihnen die entscheidenden Passagen wörtlich präsent sind (BGH, Beschluss vom 9. Mai 2001 – 2 StR 111/01, BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung

39).


10
Da die Rüge bereits unzulässig ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden , ob der Inhalt einer Vernehmungsniederschrift durch abschnittsweisen Vorhalt und die jeweilige Bestätigung des Zeugen ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt werden kann (vgl. auch zur Beruhensfrage BGH, Urteil vom 6. Juni 1957 – 4 StR 165/57; Beschluss vom 22. September 2006 – 1 StR 298/06, NStZ 2007, 235; OLG Düsseldorf StV 1995, 120, 121 mwN; Diemer in KK, 7. Aufl., § 249 Rn. 52).
11
2. Unzulässig ist ferner die Rüge, das Landgericht habe den Antrag, „Frau R. B. , W. und Herrn J. R. , Se. , Adressen zu erfragen über das AG Wittlich, …“ zu vernehmen, zu Unrecht wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Im Beweisantrag ist der Zeuge als Beweismittel grundsätzlich mit vollständigem Namen und genauer Anschrift zu benennen; nur wenn der Antragsteller dazu nicht in der Lage ist, genügt es, im Einzelnen den Weg zu beschreiben, auf dem dies zuverlässig ermittelt werden kann (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1993 – 3 StR 446/93, BGHSt 40, 3, 7; Becker in LR-StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 105). Der Beschwerdeführer hat nicht vorgetragen, was ihn gehindert haben könnte, die vollständige Adresse der von ihm benannten Zeugen anzugeben (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2013 – 5 StR 313/13).
12
Ferner zielt der Antrag darauf, der Zeuge P. habe in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Wittlich „lediglich die Taten der Anklageschrift (eingeräumt)“, ohne dass nachgefragt worden sei und ohne dass (er) dazu ausführlich Stellung genommen habe. Die Revision sieht hierin einen Widerspruch zu der Annahme des Landgerichts, der Zeuge habe in der gegen ihn gerichteten Gerichtsverhandlung den Sachverhalt sinngemäß so geschildert wie in seinen polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen. Um dies nachvollziehen zu können, hätte es der Vorlage der in dem Verfahren gegen den Zeugen erhobenen Anklage bedurft. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen nämlich – verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, Beschluss vom 10. März 2009 – 2 BvR 49/09) – die im Beweisantrag in Bezug genommenen Aktenbestandteile mit der Begründungsschrift vorgelegt oder jedenfalls inhaltlich vorgetragen werden (vgl. BGH, Urteile vom 25. November 2003 – 1 StR 182/03, StV 2004, 305, 306, und vom 25. November 2004 – 5 StR 401/04, NStZ-RR 2006, 33, 34 bei Sander; Beschlüsse vom 7. Januar 2008 – 5 StR 390/07, vom 25. Mai 2011 – 4 StR 87/11, und vom 12. März 2013 – 2 StR 34/13, NStZ-RR 2013, 222 [Ls.]; Becker in LR-StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 372; vgl. auch BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 – 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2323).
13
3. Als unzulässig erweist sich auch die Rüge, das Landgericht habe den Antrag, „StA S. , StA Magdeburg, zu hören zu der Behauptung, dass er die Aussage des Zeugen P. für so unglaubwürdig hielt, dass er keinerlei Anfangsverdacht in diesen Angaben sah, um ein Ermittlungsverfahren gegen Herrn A. einzuleiten (…)“, zu Unrecht wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt. Bei diesem Zitat handelt es sich um einen kurzen Auszug aus dem zwei Seiten umfassenden Beweisantrag; insbesondere lässt der Revisionsführer die von ihm im Beweisantrag bezeichnete Aussage P. s weg. Er trägt auch seine im Beweisantrag aufgestellte Schlussfolgerung nicht vor, als glaubhaft eingeschätzte Angaben P. s hätten Maßnahmen nach „§§ 100 ff. StPO“ gegen A. nach sich ziehen müssen, „um sich nicht dem Verdacht auszusetzen, Strafvereitelung im Amt zu begehen“. Diese Auslassun- gen führen zur Unzulässigkeit der Rüge gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO (vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 1986 – 3 StR 10/86, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO 1, vom 14. April 1999 – 3 StR 22/99, NJW 1999, 2683, 2684, und vom 30. April 1999 – 3 StR 215/98, NStZ 1999, 396, 399; Beschlüsse vom 9. Mai 2000 – 4 StR 115/00, NStZ-RR 2001, 6, 7 bei Miebach/Sander, vom 12. März 2013 – 2 StR 34/13, aaO, und vom 23. Oktober 2013 – 5 StR 313/13; Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 372).
14
Der Unzulässigkeit dieser von Rechtsanwalt Bo. erhobenen Verfahrensrüge steht nicht entgegen, dass Rechtsanwalt Fu. , der diese Rüge nicht erhoben hat, im Rahmen einer anderen Verfahrensrüge das gesamte Hauptverhandlungsprotokoll nebst Anlagen vorgelegt hat und sich in diesem Konvolut auch eine Ablichtung des Staatsanwalt S. betreffenden Beweisantrags findet (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 1986 – 4 StR 370/86, NStZ 1987, 221 bei Pfeiffer/Miebach; Beschlüsse vom 25. September 1986 – 4 StR 496/86, NStZ 1987, 36, und vom 14. April 2010 – 2 StR 42/10).
15
4. Jedenfalls unbegründet ist die Rüge, das Landgericht habe den Antrag auf Verlesung der die Observation des Angeklagten betreffenden Urkunden zu Unrecht wegen Bedeutungslosigkeit – ersichtlich: aus tatsächlichen Gründen – abgelehnt. Denn die Strafkammer hat im Urteil (UA 25) die unter Beweis gestellte Tatsache, „dass die Observationsmaßnahmen gem. obigem Beschluss ohne Erfolg waren“, als – durchdie Vernehmung des Observationsbeamten – erwiesen behandelt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1991 – 3 StR 115/91, NStZ 1991, 547, 548; Beschlüsse vom 7. Februar 2002 – 1 StR 222/01, NStZ 2003, 417 bei Becker, und vom 5. Dezember 2012 – 1 StR 531/12; Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 244 Rn. 86; KK-Krehl, StPO, 7. Aufl., § 244 Rn. 234; Güntge in Alsberg/Nüse/Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozess, 6. Aufl., Rn. 1676 f.). Von weiteren Bedenken gegen die Zulässigkeit und Begründetheit der Rüge abgesehen bedarf es daher auch keiner Entscheidung, ob das Landgericht durch die Vernehmung des Observationsbeamten, zu der die Revision nichts vorträgt, die angebotenen Beweismittel (Urkunden) wirksam ausgetauscht hat (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, Rn. 47).
16
5. Schon unzulässig ist die Rüge, das Landgericht habe den Beweisantrag auf Vernehmung des Vorsitzenden des Jugendschöffengerichts bei dem Amtsgericht Wittlich zu Unrecht wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt. Unter Beweis gestellt war, dass P. in der gegen ihn gerichteten Hauptverhand- lung „die ihm gem. Anklageschrift zur Last gelegten Taten zwar einräumte, ohne jedoch nähere Angaben, insbesondere Details zu dem Lieferanten seiner BtM zu machen“, ferner, dass der Verhandlung ein informelles Gespräch zwischen den Verfahrensbeteiligten vorausgegangen sei. Diesen Antrag hat das Landgericht wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt und zur Begründung u.a. ausgeführt: „Selbst wenn der damalige Angeklagte P. in der Hauptverhand- lung vor dem Amtsgericht Wittlich am 06.11.2012 den ihn betreffenden Anklagevorwurf pauschal bestätigt hätte, ohne ausführlich zu seinem Lieferanten Stellung zu nehmen, ist hieraus nicht notwendig der Schluss zu ziehen, dass die ausführlichen und detaillierten Angaben des damaligen Beschuldigten P. in Bezug auf den Angeklagten We. in seinen Beschuldigtenver- nehmungen vom 14.05.2012 und 25.06.2012 nicht der Wahrheit entsprechen.“
17
Der Rügevortrag genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Der Beschwerdeführer hat im Beweisantrag ausdrücklich auf die im damaligen Verfahren gegen P. erhobene Anklageschrift Bezug genommen. Wie unter Ziffer II.2 ausgeführt, ist die Vorlage der Anklageschrift hier schon wegen der – nach dem Inhalt der Beweisbehauptung – vorgenommenen Inbezugnahme der Aussage P. s auf die Anklageschrift unverzichtbar.
18
Es trifft auch nicht zu, dass die Strafkammer in ihrem Ablehnungsbeschluss die Beweiswürdigung in unzulässiger Weise vorweggenommen hätte (Revisionsbegründung von Rechtsanwalt Bo. S. 24). Der Tatrichter hat nach den – in der Revision nur auf Rechtsfehler nachprüfbaren – Grundsätzen der freien Beweiswürdigung gemäß § 261 StPO zu beurteilen, ob der vom Antragsteller intendierte Schluss gerechtfertigt wäre. Hierzu hat er die unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache so, als sei sie erwiesen, in das bisherige Beweisergebnis einzustellen und prognostisch zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung vom Beweiswert des anderen Beweismittels – evtl. in Anwendung des Zweifelssatzes – in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde (vgl. Becker in LR-StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 220 mwN). So ist die Strafkammer hier mit noch ausreichender Begründung rechtsfehlerfrei verfahren.
19
6. Auch die Rüge, das Landgericht habe die als wahr unterstellten Äußerungen P. s in einer früheren Beschuldigtenvernehmung vom 12. April 2012 zu Lasten des Angeklagten verwertet, greift nicht durch. Das Landgericht hat sich auf UA 21 mit den Darstellungen P. s zu seinen verschiedenen Schwarzfahrten auseinandergesetzt. Es hat aus der als wahr unterstellten Tatsache , P. habe eingeräumt, öfter bzw. „fast jedes Mal“ beim Schwarzfahren auf der Strecke von C. nach T. „erwischt“ worden zu sein, allerdings nicht den vom Angeklagten gewünschten Schluss auf fehlende Konstanz zur Angabe weiterer Schwarzfahrten in der späteren polizeilichen Vernehmung gezogen. Hierzu war es nicht gehalten. Das Gericht braucht aus einer als wahr unterstellten Indiztatsache nicht die Schlussfolgerungen zu ziehen, die der Antrag- steller gezogen wissen will (BGH, Urteile vom 6. August 1986 – 3 StR 234/86, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Wahrunterstellung 1, und vom 7. Februar 2008 – 4 StR 502/07, Tz. 27, insoweit in NJW 2008, 1093 nicht abgedruckt).
20
7. Die beiden mit der Revision vorgetragenen Aufklärungsrügen (§ 244 Abs. 2 StPO) sind ebenfalls unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
21
a) Soweit die Revision die unterbliebene Vernehmung des Staatsanwalts S. als Zeugen beanstandet, unterlässt sie es, eine bestimmte Beweistatsache zu bezeichnen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 244 Rn. 81 mwN). Eine solche ergibt sich auch nicht aus ihrem Vorbringen, die Strafkammer habe den „Beweis des Gegenteils, mithin der Tatsache, dass der Zeuge P. gerade keine glaubhaften Angaben machte, … nicht zugelassen“.
22
b) Nicht anders liegt es, soweit die Revision beanstandet, das Landgericht hätte die Mitglieder des Jugendschöffengerichts bei dem Amtsgericht Wittlich vernehmen müssen. Der Beschwerdeführer hätte sich insoweit nicht mit einer pauschalen negativen Bewertung des Aussageverhaltens P. s begnü- gen dürfen („keine Tatsachen für einen Tathergang“).

III.


23
Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge hat keinen materiellen-rechtlichen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Soweit die Revision sich – mit zum Teil urteilsfremdem Vorbringen – gegen die Beweiswürdigung wendet, vermag sie keinen Rechtsfehler aufzuzeigen; die Beweiswürdigung ist insbesondere nicht widersprüchlich oder lückenhaft. Im Übrigen bedarf nur Folgendes der Erörterung:
24
Die Feststellungen tragen die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe P. im Fall II.2 der Urteilsgründe zu dessen Handeltreiben bestimmt. Der Umstand, dass P. die Möglichkeit, für den Angeklagten Drogen zu verkaufen , bereitwillig ergriff, steht dem nicht entgegen. Jedenfalls hatte sich die Tatbereitschaft P. s noch nicht auf ein bestimmtes Geschäft konkretisiert (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 2000 – 4 StR 400/99, BGHSt 45, 373, 374 ff.; Beschlüsse vom 30. Januar 2001 – 4 StR 557/00, StV 2001, 406, und vom 23. Mai 2007 – 2 StR 569/06, NStZ 2008, 42 mwN).
25
Die Feststellungen zur Häufigkeit der weiteren Betäubungsmittelstraftaten tragen den Schluss der Strafkammer auf 14 Fälle des Verstoßes gegen § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG. Deren konkurrenzrechtliche Bewertung durch die Strafkammer ist rechtsfehlerfrei.
26
Es beschwert den Angeklagten nicht, dass das Landgericht ihn in den Fällen II.2 bis 5 (Taten 1 bis 15) nicht auch wegen (gewerbsmäßigen) Handeltreibens verurteilt hat (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juli 1997 – 4 StR 222/97, StV 1997, 636, 637; Beschluss vom 23. Mai 2007, aaO, S. 42 f.).
27
Die Anordnung des Wertersatzverfalls weist ebenfalls keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Bender Quentin

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 547/11
vom
14. März 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. März
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Dr. Berger,
Dr. Eschelbach,
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten B. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten C. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Ö. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten T. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 6. Juni 2011 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die Revisionen der Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil werden auf deren Kosten verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht Frankfurt am Main hat die Angeklagten C. , Ö. , S. und T. wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, den Angeklagten B. wegen Beihilfe hierzu, schuldig gesprochen. Gegen die Angeklagten C. und Ö. hat es jeweils unter Einbeziehung früher verhängter Strafen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt, wobei bei dem Angeklagten Ö. hiervon ein Monat als vollstreckt gilt. Gegen die Angeklagten S. und T. hat das Landgericht jeweils eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten sowie gegen den Angeklagten B. eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt, deren Vollstreckung es jeweils zur Bewährung ausgesetzt hat.
2
Die zuungunsten der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft erhebt eine Verfahrensrüge und erstrebt mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts die Verurteilung der Angeklagten wegen tateinheitlich begangenen erpresserischen Menschenraubs gemäß § 239a StGB, hilfsweise wegen Freiheitsberaubung gemäß § 239 StGB. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg.
3
Die Angeklagten rügen die Verletzung materiellen Rechts, der Angeklagte B. darüber hinaus die Verletzung formellen Rechts. Ihre Revisionen sind unbegründet.

I.

4
Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde das spätere Tatopfer Y. am Vorabend der Tat, dem 24. August 2008, der Diskothek J. -Club in F. verwiesen, deren Betreiber der Angeklagte C. war und in der die übrigen Angeklagten als Türsteher arbeiteten. Aus Verärgerung holte er aus seiner Wohnung eine mit einer Reizgaspatrone geladene Schreckschusspistole, die mit einem durchbohrten Aufsatz versehen war. Er kehrte zurück und schoss im Vorraum der Diskothek eine Hartplastikkugel in Richtung des Angeklagten S. , die diesen jedoch verfehlte. Durch das gleichzeitig austretende Reizgas erlitt der Angeklagte C. Augenreizungen. Infolge des Vorfalls verließen die anwesenden Gäste sofort die Diskothek, ohne ihre Rechnungen zu begleichen.
5
Am nächsten Tag traf sich Y. mit dem Angeklagten B. an einer Tankstelle, um sich bei diesem zu entschuldigen. Zusammen fuhren sie zum J. -Club, wo sie die übrigen Mitangeklagten sowie zwei weitere Türsteher erwarteten. Dem Angeklagten B. war klar, dass es dort zu einer "Abstrafaktion" und Geldforderungen gegenüber Y. kommen würde. Als Y. sich auch bei dem Angeklagten C. entschuldigen wollte, fragte dieser ihn, ob er ihn "verarschen" wolle und versetzte ihm eine kräftige Ohrfeige und forderte "wegen der Rufschädigung und als Ausgleich" 80.000 €. Als Y. sich bereit erklärte, monatlich 200 € zu zahlen, schlugen ihn die Angeklagten mit Ausnahme des Angeklagten B. , der das Geschehen lediglich beobachtete. Einer der Türsteher hielt ihm ein Messer mit der Drohung vor, er werde umgebracht. Versuche des Geschädigten, sich telefonisch bei Bekannten Geld zu leihen, blieben erfolglos. Während der Geschädigte zusammengekauert auf einem Hocker saß, schlugen ihn die Angeklagten Ö. und C. mehrfach mit der flachen Hand ins Gesicht. Hierbei äußerte C. : "Entweder kommen die 80 Mille oder deine Leiche geht hier raus!" Sodann schlug der Angeklagte Ö. den Geschädigten mit kräftigen Schlägen zu Boden. Der Angeklagte S. zog ihm die Hose so weit herab, dass das nackte Gesäß zu sehen war. Die Angeklagten kündigten Y. an, er werde jetzt "gefickt". Nunmehr hielt der Angeklagte B. die Mitangeklagten von weiteren Bestrafungsaktionen ab. Im Laufe der Auseinandersetzung hatte der Angeklagte C. seine Forderung zunächst auf 50.000 € und schließlich auf 10.000 € reduziert, wobei Y. noch am selben Abend 3.000 € zahlen sollte. Der Angeklagte B. wies Y. seinerseits nochmals auf die Zahlungsverpflichtung hin und bestellte einen gemeinsamen Bekannten zum J. -Club, der bereit war, für Y. zu bürgen. Von dem Geschehen hatten die Angeklagten Handyvideos gefertigt, verbunden mit der Drohung , diese für den Fall der Nichtzahlung zu verbreiten.
6
Der Geschädigte erlitt bei dem Vorfall Prellungen und Hämatome sowie eine Versteifung des Vordergliedes des rechten Zeigefingers. Ferner war eine Krone des rechten Schneidezahnes abgebrochen. Da er um sein Leben fürchtete , flog er noch am gleichen Tag in die Türkei. Seit dem Vorfall leidet er unter nächtlichen Albträumen sowie dem Umstand, dass die Handyaufzeichnung des Tatgeschehens in seinem Bekanntenkreis Verbreitung gefunden hat.
7
Das Landgericht hat dieses Verhalten der Angeklagten als gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung gewertet. Einen versuchten erpresserischen Menschenraub (§ 239a StGB) hat es mit der Begründung verneint, die Angeklagten hätten in der Vorstellung gehandelt, ihnen stehe ein Zahlungsanspruch in Höhe von 80.000 € gegen den Geschädigten Y. zu.

II.

8
1. Revision der Staatsanwaltschaft
9
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist mit der Sachrüge begründet, so dass es eines Eingehens auf die gleichzeitig erhobene Verfahrensrüge nicht bedarf. Soweit das Landgericht in dem Handeln der Angeklagten neben einer gefährlichen Körperverletzung lediglich eine tateinheitlich verwirklichte versuchte Nötigung angenommen hat, hält dies rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
10
a) Die Erwägungen, mit denen das Landgericht einen Erpressungsvorsatz der Angeklagten verneint hat, sind nicht frei von Rechtsfehlern. Die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils ist ein normatives Tatbestandsmerkmal des § 253 StGB, auf das sich der - zumindest bedingte - Vorsatz des Täters erstrecken muss. Stellt dieser sich für die erstrebte Bereicherung eine in Wirklichkeit nicht bestehende Anspruchsgrundlage vor, so handelt er in einem Tatbestandsirrtum i.S.v. § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB (st. Rspr., vgl. BGHSt 48, 322, 328). Jedoch genügt es für den Erpressungsvorsatz, wenn der Täter es für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, dass die Forderung nicht oder nicht im Umfang des Nötigungsziels besteht oder aber von der Rechtsordnung nicht geschützt ist. Nur wenn der Täter klare Vorstellungen über Grund und Höhe des geltend gemachten Anspruchs hat, fehlt es ihm an dem Bewusstsein einer rechtswidrigen Bereicherung (BGH NStZ-RR 1999, 6; StV 2000, 79, 80).
11
aa) Die Ausführungen des Landgerichts, der von dem Angeklagten C. zunächst geforderte Betrag von 80.000 € erscheine angesichts des den Angeklagten neben einem Schmerzensgeld zustehenden Ausgleichsanspruchs für Umsatzverluste nicht abwegig, wenn es durch Rufverlust zur Schließung der Diskothek komme (UA S. 21), belegen, dass das Landgericht den Prüfungsmaßstab für die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Bereicherung verkannt hat. So hat es offen gelassen, ob und in welcher Höhe den Angeklagten aufgrund des Vorfalls am Vorabend der Tat tatsächlich Forderungen gegen den Geschädigten zustanden. Feststellungen zur Höhe des entgangenen Gewinns aufgrund des fluchtartigen Verhaltens der Gäste enthält das Urteil nicht. Hinsichtlich möglicher künftiger Umsatzeinbußen, zu deren Höhe sich das Urteil ebenfalls nicht verhält, bestand kein fälliger Anspruch auf Zahlung (§ 252 BGB), sondern allenfalls ein zivilrechtlicher Feststellungsanspruch. Davon geht die Strafkammer im Übrigen selbst aus, wenn sie ausführt, dass C. die erstrebte Zahlung "bei Beschreiten des Zivilrechtswegs wohl nicht und nicht rasch erlangt hätte" (UA S. 24). Das Landgericht hat ferner weder den Zeitpunkt noch den Grund der späteren Schließung der Diskothek aufgeklärt, insbesondere ist ungeklärt , ob die Schließung überhaupt auf das Handeln des Geschädigten zurückzuführen war (UA S. 21). Schließlich lag es auch nicht auf der Hand, dass den Türstehern ein - wenn auch geringes - Schmerzensgeld zustehen würde (UA S. 21). Durch den Schuss mit der Gaspistole in Richtung des Angeklagten S. hatte allein der Angeklagte C. Augenreizungen erlitten.
12
bb) Naheliegende Umstände, die dagegen sprechen könnten, dass die Angeklagten nicht nur vage, sondern klare Vorstellungen über Grund und Höhe der von ihnen geltend gemachten Forderung hatten, hat das Landgericht nicht erkennbar in seine Überlegungen einbezogen. Hinsichtlich eines durch die Tat des Geschädigten verursachten möglichen künftigen Umsatzrückgangs konnten sie nur Mutmaßungen anstellen. Hinzu kommt, dass der Angeklagte C. seine Forderung von ursprünglich 80.000 € im Laufe des Tatgeschehens zunächst auf 50.000 € und schließlich auf 10.000 € reduzierte. Der Senat kann vor diesem Hintergrund nicht ausschließen, dass das Landgericht bei umfassender Würdigung unter Zugrundelegung eines zutreffenden rechtlichen Maßstabs zu einer Verurteilung der Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung (§§ 253 Abs. 1, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) gelangt wäre.
13
b) Zu Recht rügt die Staatsanwaltschaft ferner, dass das Landgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen möglicherweise tateinheitlich begangener Freiheitsberaubung (§ 239 StGB) hätte erwägen müssen, indem diese den Geschädigten am Verlassen des J. -Clubs hinderten (UA S. 22) und ihn somit seiner Freiheit beraubten.
14
c) Hingegen wird die Verwirklichung eines erpresserischen Menschenraubs (§ 239a Abs. 1 StGB) von den bislang getroffenen Feststellungen nicht getragen. Zwar hatten sich die Angeklagten des Geschädigten Y. bemächtigt , jedoch wohl nicht in der Erwartung, dass die erpresserische Forderung noch innerhalb der Bemächtigungslage erfüllt werden sollte. Vielmehr kam es ihnen nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe darauf an, den Geschädigten während der Dauer der Zwangslage einzuschüchtern und seine entsprechende Bereitschaft zu einer späteren Zahlung nach erfolgter Freilassung zu wecken (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 109, 110; NStZ-RR 2009, 16, 17). Ob insoweit gegebenenfalls eine Geiselnahme (§ 239b Abs. 1 StGB) in Betracht kommt, wird der neue Tatrichter auf der Grundlage der neu zu treffenden Feststellungen zu erwägen haben.
15
d) Die Verurteilung des Angeklagten B. lediglich wegen Beihilfe hält ebenfalls rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Ob ein Tatbeteiligter als Mittäter oder Gehilfe eine Tat begeht, ist nach den Gesamtumständen in wertender Betrachtung zu bestimmen. Wesentliche Bewertungskriterien sind dabei das eigene Interesse am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft bzw. der Wille dazu (st. Rspr., vgl. etwa BGH NStZ 2003, 253, 254). Die tatrichterliche Bewertung über das Vorliegen von Täterschaft oder Teilnahme ist zwar nur einer begrenzten revisionsrechtlichen Kontrolle zugänglich (BGH NStZ-RR 2001, 148, 149). Die Zubilligung eines dem Tatrichter eingeräumten Beurteilungsspielraums verlangt jedoch eine umfassende Würdigung des Beweisergebnisses (BGH NStZ-RR 2002, 74, 75; NStZ 2003, 253, 254), die das angefochtene Urteil vermissen lässt. Das Landgericht hat darauf abgestellt, dass nicht zu klären gewesen sei, ob der Angeklagte B. zum eigenen Vorteil ge- handelt oder fremdes Tun lediglich unterstützt habe, indem er Y. in die Diskothek gefahren, die Türsteher angewiesen und Y. auf die Zahlung der 3.000 € bis zum Abend hingewiesen habe. Dabei hat das Landgericht nicht er- kennbar bedacht, dass der Angeklagte B. der "Organisator der Türsteher" war und eine hervorgehobene Stellung hatte, die ihm besonderen Einfluss auf das Tatgeschehen ermöglichte. Dass dieser sich nicht aktiv an den Schlägen beteiligte, entsprach seiner Rolle.
16
2. Revisionen der Angeklagten
17
Die Revisionen der Angeklagten bleiben aus den in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen ohne Erfolg. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
18
a) Soweit die Revision des Angeklagten Ö. rügt, dass das Landgericht "wegen der Einzelheiten" auf die "Videodokumentation aus der Handyaufzeichnung" Bezug genommen hat (UA S. 18), begegnet dies im Ergebnis keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar liegt in der pauschalen Verweisung auf ein elektronisches Speichermedium keine wirksame Bezugnahme i.S.v. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO (BGH NJW 2012, 244, 245), so dass die Videoaufzeichnung nicht Bestandteil der Urteilsgründe geworden ist. Jedoch beruht das Urteil nicht auf diesem Rechtsfehler, da die Urteilsgründe auch ohne die ergänzende Verweisung eine aus sich heraus verständliche Beschreibung und Würdigung des sich aus der Videoaufnahme ergebenden Geschehens enthalten und die Strafkammer ihre Feststellungen zum Tatgeschehen wesentlich auf die Aussage des Geschädigten Y. stützt.
19
b) Soweit das Landgericht es bei der Prüfung minder schwerer Fälle unterlassen hat, die Geständnisse der Angeklagten ausdrücklich in die Abwägung einzustellen, stellt dies ebenfalls keinen durchgreifenden Rechtsfehler dar. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass die Strafkammer die teilgeständigen Einlassungen der Angeklagten bedacht hat. Sie hat sich mit der Wertigkeit der Geständnisse auseinandergesetzt und deren Bedeutung im Hinblick auf die Nachweisbarkeit des mittels Handy aufgenommenen Tatgeschehens relativiert (UA S. 18). Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht ausdrücklich berücksichtigt, dass sich die Angeklagten für ihre Tat entschuldigt haben (UA S. 23).
20
c) Auch die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine Strafaussetzung zur Bewährung betreffend die Angeklagten C. und Ö. abgelehnt hat, halten rechtlicher Nachprüfung stand. Insoweit kommt dem Tatrichter ein weiter Beurteilungsspielraum zu, in dessen Rahmen das Revisionsgericht jede rechtsfehlerfrei begründete Entscheidung hinzunehmen hat (BGH NStZ 2001, 366, 367). Das Landgericht bewegt sich innerhalb dieser Grenzen, wenn es für den Angeklagten C. schon keine günstige Sozialprognose festzustellen vermochte , weil dieser bereits wiederholt mit Taten, die mit seiner Tätigkeit als Betreiber einer Diskothek im Zusammenhang stehen, strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Darüber hinaus waren besondere Umstände i.S.v. § 56 Abs. 2 StGB für das Landgericht nicht ersichtlich. Dabei hat es bedacht, dass es ohne dessen maßgeblichen Einfluss nicht zu der Tat gekommen wäre und der Angeklagte C. von einer Zahlung des Y. am meisten profitiert hätte. Wenn das Landgericht schließlich berücksichtigt hat, dass dessen grundsätzlich anerkennenswerte Zahlung im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs nicht über diejenige der ihm untergeordneten Mitangeklagten hinausgegangen ist, er nicht zur Identifizierung der weiteren Mittäter beigetragen und nur das zugestanden hat, was bereits durch die Aufzeichnung dokumentiert war, begegnet dies ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Insbesondere hat das Landgericht - anders als die Revision meint - die Versagung besonderer Umstände i.S.v. § 56 Abs. 2 StGB nicht darauf gestützt, dass der Angeklagte C. kein weitergehendes Ge- ständnis abgelegt hat. Vielmehr hat es - zutreffend - auf die geringere Bedeutung des Geständnisses abgestellt, mit dem nur bereits bekannte und dokumentierte Umstände zugestanden wurden.
21
Betreffend den Angeklagten Ö. hat das Landgericht rechtsfehlerfrei eine günstige Sozialprognose i.S.v. § 56 Abs. 1 StGB vor allem deshalb verneint, weil dieser die Tat unter laufender Bewährung begangen hat (UA S. 26).
22
d) Soweit das Landgericht den Angeklagten C. , B. , S. und T. jeweils wegen bereits vollstreckter Geldstrafen rechtsfehlerhaft einen Härteausgleich gewährt hat, sind diese dadurch nicht beschwert. Ein Härteausgleich war nicht veranlasst, da die Angeklagten durch die unterbliebene Einbeziehung einer Geldstrafe in eine Gesamtfreiheitsstrafe grundsätzlich keinen Nachteil erlitten haben (vgl. BGH, Beschluss vom 1. August 2003 - 2 StR 250/03; BGH NStZ-RR 2008, 370).
23
e) Zur Frage der Besetzung verweist der Senat auf seine Urteile vom 11. Januar 2012 - 2 StR 482/11 - und vom 8. Februar 2012 - 2 StR 346/11 -.
Ernemann Appl Berger Eschelbach Ott