Bundesgerichtshof Urteil, 28. März 2001 - 3 StR 463/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, die er auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts stützt. Das Rechtsmittel ist unbegründet.
1. Nach den Feststellungen gehören der Angeklagte und der Nebenkläger Josef H. miteinander verfeindeten Landfahrerfamilien an. In der Vergangenheit waren der Angeklagte und seine Angehörigen mehrfach vom Nebenkläger oder dessen Brüdern mit Schußwaffen angegriffen worden. Am Morgen des 19. Oktober 1999 näherte sich der Angeklagte in einer Bäckerei von hinten dem an der Theke wartenden Josef H. , der ihn nicht bemerkte, und stieß ihm mit voller Wucht ein Messer zweimal in die linke hintere Körperseite
und einmal in den linken Brustkorb, wobei er dessen Tod billigend in Kauf nahm. Der Geschädigte erlitt lebensgefährliche Verletzungen.
2. Aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 23. Oktober 2000 bleibt die Revision mit allen verfahrensrechtlichen Beanstandungen und mit den sachlichrechtlichen Einwendungen gegen den Schuldspruch ohne Erfolg.
3. Auch der Strafausspruch hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
Das Landgericht, das die für Mord angedrohte lebenslange Freiheitsstrafe gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB gemildert und einen Strafrahmen von drei bis zu 15 Jahren angenommen hat, durfte zu Lasten des Angeklagten dessen vorausgegangene Verurteilung wegen versuchten Mordes berücksichtigen, da sie entgegen der Meinung der Revision nicht tilgungsreif (§ 51 Abs. 1 BZRG) war. Die Tilgungsfrist setzt sich zusammen aus der Frist von fünf Jahren gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e) BZRG sowie der verhängten (vgl. BGHR BZRG § 46 I Tilgungsfrist 2) Jugendstrafe von sechs Jahren (§ 46 Abs. 3 BZRG) und betrug somit insgesamt elf Jahre. Für die Fristberechnung kommt es nach §§ 36 Satz 1, 47 Abs. 1 BZRG auf den Tag der Verurteilung - den 13. August 1970 - und nicht auf den der Tatbegehung an (vgl. Rebmann /Uhlig, Bundeszentralregistergesetz 1985 § 47 Rdn. 14). Vor Ablauf der Tilgungsfrist ist der Angeklagte durch Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 22. Juli 1981 wegen vorsätzlichen Fahrens eines Fahrzeugs ohne Versicherungsschutz zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen verurteilt worden. Nach § 47 Abs. 3 Satz 1 BZRG ist beim Eintrag mehrerer Verurteilungen im Bundeszentralregister die Tilgung einer Eintragung erst zulässig, wenn für
alle Eintragungen die Tilgungsvoraussetzungen vorliegen, wobei es auf Art und Höhe der Verurteilungen nicht ankommt (vgl. Götz/Tolzmann, Bundeszentralregistergesetz 4. Aufl. § 47 Rdn. 14).
Das Landgericht hat ausdrücklich bedacht, daß die Verurteilungen wegen versuchten Mordes vom 13. August 1970 und wegen vorsätzlicher Körperverletzung vom 11. März 1986 schon lange Zeit zurückliegen und der Angeklagte seitdem nicht mehr mit Aggressionsdelikten in Erscheinung getreten ist. Auch stellt es keinen Rechtsfehler dar, daß die Strafkammer bei der Strafzumessung nicht ausdrücklich zu Gunsten des Angeklagten dessen Alter sowie dessen Behinderung wegen der im Jahre 1992 durchgeführten Bypassoperation nach einem Herzinfarkt angeführt hat. Da das Landgericht diese Umstände in anderem Zusammenhang erörtert hat, schließt der Senat aus, daß sie ihm im Rahmen der Strafzumessung aus dem Blick geraten sein könnten. Außerdem handelt es sich insoweit nicht um bestimmende Strafzumessungserwägungen , weil das Alter von 50 Jahren noch nicht als hoch (vgl. BGHR § 46 I Schuldausgleich 20) und der Zustand nach der Bypassoperation nicht als schwere Erkrankung anzusehen sind, so daß eine wesentlich erhöhte Strafempfindlichkeit wegen einer nur noch geringen Lebenserwartung nicht besteht (vgl. BGHR § 46 I Schuldausgleich 3, 7 und 19). Eine Strafmilderung allein deshalb, weil der Angeklagte nicht mit direktem, sondern nur mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt hat, mußte das Landgericht nicht vornehmen, da die Vorsatzform nur im Zusammenhang mit den Vorstellungen und Zielen des Täters eine taugliche Beurteilungsgrundlage bildet und eine bedingt vorsätzliche Tötung aus nichtigem Anlaß schwerer wiegen kann, als eine mit direktem Vorsatz verübte Tat (vgl. BGH NJW 1981, 2204; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 46 Rdn. 86; Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 46 Rdn. 33). Der von der Verteidigung
behauptete Widerspruch zwischen dem straferschwerend gewerteten Umstand eines in der Öffentlichkeit begangenen Aggressionsdelikts und der Annahme von Heimtücke liegt nicht vor. Die Berücksichtigung der Schwere der Verletzungen , der dauerhaft entstellenden Narben und der Narbenschmerzen zu Lasten des Angeklagten ist zulässig, ohne daß wegen der tateinheitlich verwirklichten schweren Körperverletzung gegen das Doppelverwertungsverbot gemäß § 46 Abs. 3 StGB verstoßen wird (Schäfer, Praxis der Strafzumessung 2. Aufl. Rdn. 305 a).
Die posttraumatische Belastungsstörung des Angeklagten als Folge eines 1994 erfolgten Schußwaffenangriffs hat die Kammer ausdrücklich strafmildernd berücksichtigt. Der Vorwurf der Verteidigung, sie sei nur unzureichend gewertet worden, ist lediglich der unzulässige Versuch, die eigene Wertung an die des Tatrichters zu setzen. Das angefochtene Urteil mußte sich nicht mit der fernliegenden Möglichkeit auseinandersetzen, bei der Tat könne es sich um eine die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit begründende Auswirkung der lange zurückliegenden posttraumatischen Belastungsstörung gehandelt haben.
Entgegen der Meinung der Verteidigung ist schließlich auch die Erwägung des Landgerichts, die im oberen Bereich des Strafrahmens angesiedelte Freiheitsstrafe von 14 Jahren sei auch zur Einwirkung sowohl auf den Angeklagten als auch dessen Umfeld - wegen der vorangegangenen Aggressionsdelikte zwischen den verfeindeten Landfahrerfamilien - erforderlich, trotz der mißverständlichen Formulierung im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Da es die verhängte Strafe auch ohne Berücksichtigung dieser präventiven Gedanken unter Abwägung aller Strafzumessungsgesichtspunkte für
tat- und schuldangemessen gehalten hat, war entsprechend § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB allein die Schuld des Angeklagten ihre Grundlage. Die für die Strafhöhe nicht tragenden Gesichtspunkte der Spezial- und Generalprävention hat das Landgericht lediglich bestätigend angeführt, ohne den Bereich der schuldangemessenen Strafe zu verlassen (vgl. BHGR StGB § 46 I Generalprävention 8 und 10; Schäfer, aaO Rdn. 351 f.).
Kutzer Miebach Winkler von Lienen Becker
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(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.
(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).
(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).
(1) Ist die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden oder ist sie zu tilgen, so dürfen die Tat und die Verurteilung der betroffenen Person im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu ihrem Nachteil verwertet werden.
(2) Aus der Tat oder der Verurteilung entstandene Rechte Dritter, gesetzliche Rechtsfolgen der Tat oder der Verurteilung und Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden, die im Zusammenhang mit der Tat oder der Verurteilung ergangen sind, bleiben unberührt.
(1) Die Tilgungsfrist beträgt
- 1.
fünf Jahre bei Verurteilungen - a)
zu Geldstrafe von nicht mehr als neunzig Tagessätzen, wenn keine Freiheitsstrafe, kein Strafarrest und keine Jugendstrafe im Register eingetragen ist, - b)
zu Freiheitsstrafe oder Strafarrest von nicht mehr als drei Monaten, wenn im Register keine weitere Strafe eingetragen ist, - c)
zu Jugendstrafe von nicht mehr als einem Jahr, - d)
zu Jugendstrafe von nicht mehr als zwei Jahren, wenn die Vollstreckung der Strafe oder eines Strafrestes gerichtlich oder im Gnadenweg zur Bewährung ausgesetzt worden ist, - e)
zu Jugendstrafe von mehr als zwei Jahren, wenn ein Strafrest nach Ablauf der Bewährungszeit gerichtlich oder im Gnadenweg erlassen worden ist, - f)
zu Jugendstrafe, wenn der Strafmakel gerichtlich oder im Gnadenweg als beseitigt erklärt worden ist, - g)
durch welche eine Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 des Strafgesetzbuchs) mit Ausnahme der Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis für immer und des Berufsverbots für immer, eine Nebenstrafe oder eine Nebenfolge allein oder in Verbindung miteinander oder in Verbindung mit Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln angeordnet worden ist,
- 1a.
zehn Jahre bei Verurteilungen wegen einer Straftat nach den §§ 171, 174 bis 180a, 181a, 182 bis 184g, 184i bis 184l, 201a Absatz 3, den §§ 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder § 236 des Strafgesetzbuches, wenn - a)
es sich um Fälle der Nummer 1 Buchstabe a bis f handelt, - b)
durch sie allein die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist,
- 2.
zehn Jahre bei Verurteilungen zu - a)
Geldstrafe und Freiheitsstrafe oder Strafarrest von nicht mehr als drei Monaten, wenn die Voraussetzungen der Nummer 1 Buchstabe a und b nicht vorliegen, - b)
Freiheitsstrafe oder Strafarrest von mehr als drei Monaten, aber nicht mehr als einem Jahr, wenn die Vollstreckung der Strafe oder eines Strafrestes gerichtlich oder im Gnadenweg zur Bewährung ausgesetzt worden und im Register nicht außerdem Freiheitsstrafe, Strafarrest oder Jugendstrafe eingetragen ist, - c)
Jugendstrafe von mehr als einem Jahr, außer in den Fällen der Nummer 1 Buchstabe d bis f, - d)
(weggefallen)
- 3.
zwanzig Jahre bei Verurteilungen wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe von mehr als einem Jahr, - 4.
fünfzehn Jahre in allen übrigen Fällen.
(2) Die Aussetzung der Strafe oder eines Strafrestes zur Bewährung oder die Beseitigung des Strafmakels bleiben bei der Berechnung der Frist unberücksichtigt, wenn diese Entscheidungen widerrufen worden sind.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 Buchstabe e, Nr. 2 Buchstabe c sowie Nummer 3 und 4 verlängert sich die Frist um die Dauer der Freiheitsstrafe, des Strafarrestes oder der Jugendstrafe. In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1a verlängert sich die Frist bei einer Verurteilung zu einer Jugendstrafe von mehr als einem Jahr um die Dauer der Jugendstrafe.
Die Frist beginnt mit dem Tag des ersten Urteils (§ 5 Abs. 1 Nr. 4). Dieser Tag bleibt auch maßgebend, wenn
- 1.
eine Gesamtstrafe oder eine einheitliche Jugendstrafe gebildet, - 2.
nach § 30 Abs. 1 des Jugendgerichtsgesetzes auf Jugendstrafe erkannt wird oder - 3.
eine Entscheidung im Wiederaufnahmeverfahren ergeht, die eine registerpflichtige Verurteilung enthält.
(1) Für die Feststellung und Berechnung der Frist gelten die §§ 35, 36 entsprechend.
(2) Die Tilgungsfrist läuft nicht ab, solange sich aus dem Register ergibt, daß die Vollstreckung einer Strafe oder eine der in § 61 des Strafgesetzbuchs aufgeführten Maßregeln der Besserung und Sicherung noch nicht erledigt oder die Strafe noch nicht erlassen ist. § 37 Abs. 1 gilt entsprechend.
(3) Sind im Register mehrere Verurteilungen eingetragen, so ist die Tilgung einer Eintragung erst zulässig, wenn für alle Verurteilungen die Voraussetzungen der Tilgung vorliegen. Die Eintragung einer Verurteilung, durch die eine Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis für immer angeordnet worden ist, hindert die Tilgung anderer Verurteilungen nur, wenn zugleich auf eine Strafe erkannt worden ist, für die allein die Tilgungsfrist nach § 46 noch nicht abgelaufen wäre.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.