Bundesgerichtshof Urteil, 05. Aug. 2010 - 3 StR 195/10

bei uns veröffentlicht am05.08.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 195/10
vom
5. August 2010
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. August
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
Richter am Bundesgerichtshof
von Lienen,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Mayer
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 27. Januar 2010 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge "unter Mitsichführens einer Schusswaffe" in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Vortäuschen einer Straftat sowie wegen Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. Es hat außerdem die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit ihrer auf die Anfechtung des Maßregelausspruchs beschränkten Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, beanstandet die Staatsanwaltschaft die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
2
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
3
1. Die Beschränkung der Revision auf den Maßregelausspruch ist wirksam ; nach den Urteilsgründen ist eine Wechselwirkung zwischen der Unterbringungsanordnung nach § 64 StGB und dem Strafausspruch auszuschließen (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362, 363). Das Rechtsmittel wirkt nunmehr nur noch zugunsten des Angeklagten, da die angefochtene Maßregelanordnung ihn beschwert (BGH, Urteil vom 21. März 1979 - 2 StR 743/78, BGHSt 28, 327, 331; BGH, Beschluss vom 24. Juni 2003 - 1 StR 25/03).
4
2. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat keinen Bestand.
5
a) Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte seit seinem 15. Lebensjahr Kontakt zu Betäubungsmitteln. Während er anfangs nur Marihuana konsumierte, stieg er 1999 auf Heroin um, das er sich auch injizierte. Im Sommer 2005 gelang es ihm, vom Heroinkonsum, nicht jedoch vom Konsum von Cannabis und Alkohol Abstand zu nehmen. Seit Anfang 2009 nahm er jedoch wieder Heroin zu sich, wobei er zuletzt eine tägliche Dosis von bis zu 7 g des Betäubungsmittels benötigte. Bei seiner Festnahme litt er unter erheblichen Entzugserscheinungen. Die abgeurteilten Betäubungsmitteltaten beging der Angeklagte, um sich Drogen und finanzielle Mittel zur Befriedigung seiner Sucht zu beschaffen.
6
Das Landgericht hat sachverständig beraten einen Hang des Angeklagten zum Missbrauch von Rauschmitteln bejaht. Die Urteilgründe belegen auch hinreichend eine mit der Betäubungsmittelabhängigkeit einhergehende Gefahr der Begehung weiterer Betäubungsmitteldelikte durch den Angeklagten. Zur Begründung einer hinreichend konkreten Aussicht auf einen Behandlungserfolg hat die Strafkammer darauf abgestellt, dass der vom Angeklagten in der Haupt- verhandlung geäußerte Therapiewunsch nicht lediglich vordergründig sei, was sich auch daraus ergebe, dass "der Angeklagte das gegen ihn ergangene Urteil akzeptiert und sich somit auf eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt eingestellt" habe. Die voraussichtlich erforderliche Therapiedauer hat das Landgericht der Sachverständigen folgend auf etwa drei Jahre bemessen.
7
b) Die Unterbringungsanordnung hält auf die von der Revision erhobene Verfahrensrüge nach § 261 StPO rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
8
Grundlage der Überzeugungsbildung des Richters und der Urteilsfindung darf nur das sein, was innerhalb der Hauptverhandlung, d.h. vom Aufruf der Sache bis zum letzten Wort des Angeklagten mündlich so erörtert worden ist, dass alle Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme hatten (KK-Schoreit, 6. Aufl., § 261 Rn. 6; BGH, Beschluss vom 10. Juli 2001 - 5 StR 250/01, NStZ 2001, 595 f.). Hiergegen hat das Landgericht verstoßen. Es hat die für die Maßregelanordnung nach § 64 StGB erforderliche hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg auch aus dem Umstand entnommen, dass der Angeklagte innerhalb der Frist des § 341 Abs. 1 StPO keine Revision eingelegt hat, und sich damit auf eine Tatsache gestützt, die nicht Inbegriff der Hauptverhandlung war, sondern erst nach Erlass des Urteils zutage getreten ist.
9
Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Maßregelanordnung auf diesem Verfahrensverstoß beruht. Denn die Sachverständige hat ersichtlich Zweifel an der Bereitschaft des Angeklagten bekundet, sich einer langfristigen Therapie im Rahmen des Maßregelvollzugs zu unterziehen. Diese Zweifel hat das Landgericht jedoch maßgeblich mit der von der Revision beanstandeten Erwägung auszuräumen versucht.
10
c) Da das Urteil im angefochtenen Umfang bereits auf die erhobene Verfahrensrüge der Aufhebung unterliegt, kommt es auf die Sachrüge nicht mehr an. Der Senat weist jedoch darauf hin, dass bei einer voraussichtlichen Therapiedauer von drei Jahren, wie sie das Landgericht hier festgestellt hat, die für die Maßregelanordnung nach § 64 StGB notwendige Aussicht eines Behandlungserfolgs zu verneinen ist (Senatsurteil vom 11. März 2010 - 3 StR 538/09 - obiter dictum -; s. aber auch BGH, Beschluss vom 6. Februar 1996 - 5 StR 16/96).
11
d) Über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ist deshalb erneut zu befinden. Der neue Tatrichter wird insbesondere Gelegenheit haben, neue Feststellungen zu der voraussichtlich notwendigen Therapiedauer zu treffen. Becker von Lienen Sost-Scheible Hubert Mayer

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Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 341 Form und Frist


(1) Die Revision muß bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt werden. (2) Hat die Verkündung des Urteils nicht in Anwesenheit des A

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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 25/03
vom
24. Juni 2003
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Juni 2003 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 18. Juli 2002 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Ergänzend bemerkt der Senat: Richter und Schöffen müssen nach Anordnung des Selbstleseverfahrens gemäß § 249 Abs. 2 StPO vom Wortlaut der Urkunden Kenntnis genommen haben, wie die Revision zutreffend ausführt. Der Vorsitzende muß gemäß § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO die Feststellung "über die Kenntnisnahme" in das Protokoll aufnehmen (BGHR StPO § 249 Kenntnisnahme 1; BGH NStZ 2000, 47 = Beschluß vom 21. September 1999 - 1 StR 389/99). Das Gesetz schreibt weder vor, auf welche Art und Weise der Vorsitzende die Kenntnisnahme festzustellen hat noch die Formulierung dieser Feststellung im Protokoll. In der Sitzungsniederschrift ist - im Zusammenhang mit der Anordnung des Selbstleseverfahrens gemäß § 249 Abs. 2 StPO - vermerkt: "Es wird festgestellt, daß die Schöffen und die Berufsrichter erklärten , daß sie vom Inhalt aller im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführten Urkunden Kenntnis genommen haben." Da dieser Feststellung nach dem Protokoll die Anordnung des Selbstleseverfahrens vorausgegangen ist, läßt die Gesamtheit des Protokolls den Schluß zu, daß die festgestellte Kenntnisnahme laut abgegebener Erklärungen durch Selbstlesen erfolgt ist. Dann aber haben die Erklärenden sowohl vom Inhalt als auch vom Wortlaut Kenntnis genommen. Das Protokoll beweist hier die Feststellung der Kenntnisnahme. Es kann grundsätzlich keinen Beweis (§ 274 StPO) für die Richtigkeit der Feststellung erbringen , ob nämlich die Erklärenden tatsächlich vom Wortlaut Kenntnis genommen haben. Vorsorglich hat der Senat dienstliche Äußerungen eingeholt, in denen die Berufsrichter und Schöffen bestätigt haben, daß die Kenntnisnahme - auch des Wortlauts - durch Selbstlesen erfolgt ist. Dies war nach den dienstlichen Äußerungen auch Inhalt der abgegebenen Erklärungen und damit auch der protokollierten "Feststellung". Nack Boetticher Schluckebier Hebenstreit Elf

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

5 StR 250/01

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 10. Juli 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Juli 2001

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 4. Dezember 2000 nach § 349 Abs. 4 StPO
a) im Schuldspruch dahingehend geändert , daß der Angeklagte verurteilt wird wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge, wegen Computerbetruges in vier Fällen und wegen falscher Verdächtigung,
b) aufgehoben (1) im Ausspruch über die neun wegen Computerbetruges und versuchten Computerbetruges verhängten Einzelstrafen, (2) im Maßregelausspruch mit den Feststellungen.
1. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge, wegen Computerbetruges in sechs Fällen (Einzelstrafen je ein Jahr), wegen versuchten Computerbetruges in drei Fällen (Einzelstrafen je neun Monate) und wegen falscher Verdächtigung (Einzelstrafe ein Jahr und sechs Monate Freiheitsstrafe) zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und gegen ihn die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge in dem aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im übrigen ist sie im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
Die Verfahrensrügen haben aus den vom Generalbundesanwalt im einzelnen dargelegten Gründen keinen Erfolg. Gleiches gilt auch, soweit der Beschwerdeführer mit der Sachrüge die Beweiswürdigung der Strafkammer angreift. Die Schuldsprüche wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge und wegen falscher Verdächtigung, die zugehörigen Einzelstrafaussprüche und die schon danach zwingende lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe (§ 54 Abs. 1 Satz 1 StGB) sind rechtsfehlerfrei.
1. Die konkurrenzrechtliche Beurteilung der Taten nach § 263a StGB ist dagegen fehlerhaft. Die Annahme des Tatgerichts, jeder einzelne der neun Geldabhebungsvorgänge sei eine eigenständige Tat im Sinne der §§ 52 ff. StGB, geht fehl.
Vorliegend ist lediglich von vier vollendeten Taten nach § 263a StGB auszugehen. Zäsuren zwischen den einzelnen Teilakten bilden allein die zweistündige Pause, bevor der Angeklagte eine andere Bankfiliale aufsuch- te, und der Wechsel der Karten, da damit eine andere Vorgehensweise, insbesondere die Eingabe einer anderen Geheimnummer erforderlich wurde (vgl. auch BGH, Beschluß vom 26. Mai 1998 – 4 StR 127/98 –). Die fehlgeschlagenen Abhebungen sind ohne eigenständige rechtliche Bedeutung, da sie gegenüber den zeitnah verwirklichten vollendeten Taten subsidiär sind (vgl. Tröndle/ Fischer, StGB 50. Aufl. Vor § 52 Rdn. 19); zeitlich eng zusammenhängende Abhebungen mit derselben Karte stehen in natürlicher Handlungseinheit. Der Senat ändert den Schuldspruch. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil der Angeklagte sich gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Die Ä nderung des Schuldspruchs führt im Strafausspruch zum Wegfall aller wegen der Taten nach § 263a StGB verhängten zeitigen Freiheitsstrafen.
2. Allein das zieht die Aufhebung der angeordneten Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach sich, da die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB, die der Tatrichter auf jene Einzelstrafen gestützt hat, mit deren Wegfall nicht mehr belegt sind.
Im übrigen hätte die Anordnung der Maßregel aber auch deswegen nicht bestehen bleiben können, da das Schwurgericht bei der erforderlichen Bildung der “hypothetischen Gesamtstrafe” (vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 2 – Vorverurteilungen 2) mehrere nicht berücksichtigungsfähige Taten und Strafen zugrundegelegt hat. Die Einzelstrafen von je neun Monaten Freiheitsstrafe für die drei versuchten Taten nach § 263a StGB hätten – ungeachtet der obigen Ausführungen – auch deswegen keine Beachtung finden dürfen, da sie die “Ein-Jahres-Grenze” des § 66 Abs. 2 StGB nicht erreichten. Ebenso liegt fern, daß die Verurteilung wegen falscher Verdächtigung hätte berücksichtigt werden dürfen; das dieser Tat zugrunde liegende Verhalten – der Angeklagte hatte in seinen Beschuldigtenvernehmungen einen Bekannten der Tötung des Opfers bezichtigt – läßt einen “symptomatischen Zusammenhang” nicht erkennen (vgl. dazu BGHSt 34, 321; BGH NStZ-RR 1996, 196, 197).
Die Anordnung der Maßregel hat aber vor allem auch deshalb keinen Bestand, da die Strafkammer die Annahme der Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB nur unzureichend und zudem fehlerhaft begründet hat. Bei der Prüfung, ob bei einem Täter ein Hang zu erheblichen Straftaten vorliegt und er (deshalb) für die Allgemeinheit gefährlich ist, sind seine Täterpersönlichkeit und die von ihm begangenen Taten umfassend zu würdigen (vgl. nur Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 66 Rdn. 28). Dabei dürfen Ä ußerungen des Angeklagten während der Urteilsverkündung nicht berücksichtigt werden, da sie nicht im Verfahren nach § 261 StPO gewonnen worden sind (so aber UA S. 53). Zudem ist die Begründung der Strafkammer für die Wertung bedenklich, der Angeklagte handele nach einem eingeschliffenen Verhaltensmuster und sei nicht bereit, dies einzusehen und dagegen anzugehen ; seine völlige Unbelehrbarkeit in eigenes Fehlverhalten habe “die Kammer im Laufe der Hauptverhandlung mehrfach an Hand der abwehrenden Reaktionen des Angeklagten auf Zeugenaussagen zu seiner Persönlichkeit und auf die diesbezüglichen sachverständigen Ausführungen beobachten können” (UA S. 52 f.). Diese Ausführungen lassen besorgen, daß das Tatgericht die Grenzen zulässigen Verteidigungsverhaltens des – hier jedenfalls nicht voll geständigen – Angeklagten verkannt hat (vgl. dazu BGHR StGB § 66 Abs. 1 – Gefährlichkeit 4; Tröndle/ Fischer, StGB 50. Aufl. § 46 Rdn. 50).
Der Pflicht zur umfassenden Würdigung ist die Strafkammer nicht nachgekommen. So beschränkt sich die tatrichterliche Würdigung in den Urteilsgründen auf eine Beschreibung des Angeklagten, ohne auch nur ansatzweise darzulegen, welche der von ihm begangenen Straftaten einen nicht näher beschriebenen Hang zu erheblichen Straftaten belegen könnten. Gerade angesichts des Umstandes, daß die vom Angeklagten begangenen Taten nach § 263a StGB – das mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe geahndete Tötungsdelikt ist nach Systematik des Gesetzes bei dieser Prüfung ohne Bedeutung (vgl. BGH NStZ 2000, 417) – nach dem geschilderten Tatbild nicht überdurchschnittliches Gewicht haben (vgl. BGH NJW 2001, 1508, 1509), hätte der Tatrichter eingehend erörtern müssen, warum aus seiner Sicht gleichwohl Sicherungsverwahrung anzuordnen war.
Schließlich drängt sich ein Wertungswiderspruch auf: Einerseits hat das Landgericht – was den Angeklagten für sich nicht beschwert – bei der zusammenfassenden Würdigung der Straftaten nach § 57b StGB eine besondere Schwere der Schuld nicht festgestellt. Das steht in einem kaum lösbaren Spannungsverhältnis zu der dem Maßregelausspruch zugrunde liegenden Wertung, die Begleittaten, die neben dem mit lebenslanger Freiheitsstrafe geahndeten Kapitalverbrechen begangen wurden, seien für sich genommen so schwer, daß sie allein die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 StGB rechtfertigen könnten.
Harms Basdorf Tepperwien Raum Brause

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Die Revision muß bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt werden.

(2) Hat die Verkündung des Urteils nicht in Anwesenheit des Angeklagten stattgefunden, so beginnt für diesen die Frist mit der Zustellung, sofern nicht in den Fällen der §§ 234, 329 Absatz 2, § 387 Absatz 1, § 411 Absatz 2 und § 434 Absatz 1 Satz 1 die Verkündung in Anwesenheit des Verteidigers mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht stattgefunden hat.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 538/09
vom
11. März 2010
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
4. März 2010 in der Sitzung am 11. März 2010, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 4. März 2010 -
als Verteidiger,
Justizangestellte in der Verhandlung vom 4. März 2010,
Justizamtsinspektor bei der Verkündung am 11. März 2010
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 25. August 2009 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hatte den Angeklagten in einem ersten Urteil wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen schweren Raubes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Auf die allein gegen den Maßregelausspruch gerichtete, mit dem Ziel der Verhängung von Sicherungsverwahrung durchgeführte Revision der Staatsanwaltschaft hatte der Senat das Urteil im Maßregelausspruch aufgehoben, weil das Landgericht die notwendige Erfolgsaussicht der Suchtbehandlung nach § 64 StGB nur widersprüchlich und damit rechtsfehlerhaft begründet hatte. Zugleich hatte er darauf hingewiesen, dass der neue Tatrichter angesichts der Vielzahl von Straftaten, Verurteilungen und Strafverbüßungen des Angeklagten auch zu prüfen habe, ob bei dem Angeklagten die Sicherungsverwahrung anzuordnen sei (BGH, Urt. vom 12. Februar 2009 - 3 StR 569/08 = NStZ 2009, 442). Auf der Grundlage des rechtskräftigen Schuld- und Strafausspruchs hat das Landgericht nunmehr erneut die Unterbringung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt angeord- net; die Sicherungsverwahrung hat es abgelehnt, weil der hierzu erforderliche Hang beim Angeklagten nicht festzustellen sei. Die auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat erneut Erfolg.
2
1. Das Rechtsmittel richtet sich gegen den gesamten Maßregelausspruch. Zwar bekämpft die Beschwerdeführerin mit Einzelausführungen allein die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung, indes geht sie, wie auch aus dem uneingeschränkten Aufhebungsantrag zu ersehen ist, zutreffend davon aus, dass eine Beschränkung der Revision hier wegen des Zusammenhangs der Maßregeln nach §§ 64 und 66 StGB unzulässig wäre, was der Senat schon in seiner ersten Entscheidung in dieser Sache ausgesprochen hat.
3
2. Die Ablehnung der Sicherungsverwahrung hält erneut rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Landgericht hat einen Hang des Angeklagten im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB verneint. Hierzu hat es unter Bezugnahme auf den gehörten Sachverständigen ausgeführt, die langjährige strafrechtliche Delinquenz des Angeklagten sei ausschließlich auf dessen Suchterkrankung zurückzuführen ; der Angeklagte habe keine antisoziale Persönlichkeit und keinen dissozial -delinquenten Lebensstil, er stehe seiner Delinquenz nicht zustimmend gegenüber, bei ihm seien Reue und Empathie festzustellen; es bestehe keine persönlichkeitsgebundene Bereitschaft zur Begehung von Straftaten, die Gefährlichkeit des Angeklagten für die Allgemeinheit sei nicht in Umständen jenseits seiner Sucht begründet.
4
Gegen diese Begründung bestehen in zweifacher Hinsicht durchgreifende Rechtsbedenken:
5
a) Zum einen werden die Urteilsgründe ihrer Aufgabe nicht gerecht, dem Revisionsgericht die sachlichrechtliche Nachprüfung der Entscheidung zu ermöglichen. Sie geben lediglich die Schlussfolgerungen des Sachverständigen wieder, teilen aber nicht die diesen zugrundeliegenden Anknüpfungstatsachen mit. Sie enthalten - nahezu wortgleich mit dem ersten Urteil - erneut keine Angaben zu Art und Umfang der Straftaten, die dazu führten, dass der Angeklagte seit 1978 - als er wohl schon als 16jähriger - eine Jugendstrafe von einem Jahr verbüßen musste, mehrfach zu - auch langjährigen - Jugend- und Freiheitsstrafen verurteilt wurde. Die Behauptung, die Delinquenz sei "ausschließlich auf die Suchterkrankung des Angeklagten zurückzuführen", hätte der Begründung bedurft , zumal eine solche monokausale Betrachtung im Schrifttum auf Kritik stößt (vgl. Schöch in LK 12. Aufl. § 64 Rdn. 127; Rasch R&P 1991, 109, 113; Schalast FPPN 2009, 294, 295).
6
b) Zum anderen ist zu besorgen, dass das Landgericht seiner Entscheidung ein unzutreffendes Verständnis des Hanges im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB zugrunde gelegt hat dahingehend, dass der für die Sicherungsverwahrung erforderliche Hang zur Begehung erheblicher Straftaten ausscheide, wenn die wiederholte Delinquenz eines Täters allein auf dessen Hang zum übermäßigen Konsum berauschender Mittel beruht. Eine solche Überlegung mag für den psychowissenschaftlichen Sachverständigen hilfreich sein, um sich der Frage nach den Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung im Ausschlussverfahren zu nähern (vgl. Leygraf in Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung 5. Auflage S. 483, 486 f.). Für die richterliche Entscheidung über die Verhängung der Maßregel ist dies nicht zutreffend.
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Das Merkmal "Hang" im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB verlangt einen eingeschliffenen inneren Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straf- taten begehen lässt. Hangtäter ist derjenige, der dauerhaft zu Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet, ebenso wie derjenige, der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag. Nach der ständigen Rechtsprechung kommt es auf die Ursache für die fest eingewurzelte Neigung zu Straftaten nicht an (BGH NJW 1980, 1055; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 1, 3). Deshalb scheidet, selbst wenn sich eine Monokausalität der Suchterkrankung eines Täters für dessen Kriminalität ausnahmsweise feststellen ließe, die Annahme eines Hanges im Sinne von § 66 StGB (neben der eines Hanges im Sinne von § 64 StGB) nicht aus. Der für die Anordnung der Sicherungsverwahrung erforderliche Hang hätte seine Ursache in einem solchen Fall ausschließlich in der Suchterkrankung. Ob sodann die Unterbringung des Täters in beiden Maßregelformen oder nur in einer von ihnen anzuordnen ist, beurteilt sich nach der Regelung in § 72 StGB. Ist der Zweck der Maßregel bereits durch eine von ihnen zu erreichen, was ein hohes Maß an prognostischer Sicherheit voraussetzt (BGH NStZ 2009, 442), so wird nur die weniger beschwerende Maßregel, hier die Unterbringung in der Entziehungsanstalt , verhängt. Andernfalls sind beide anzuordnen und deren Vollstreckungsreihenfolge zu bestimmen. Vor dem Ende des Vollzugs der ersten Maßregel ist sodann zu entscheiden, ob der Zweck der zweiten Maßregel deren Vollstreckung noch erfordert.
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Diese Regelung ermöglicht zweierlei: Sofern die Gefährlichkeit eines Täters nach der Behandlung in der Entziehungsanstalt entfallen ist, kommt der Vollzug der angeordneten Sicherungsverwahrung nicht mehr in Betracht (vgl. § 72 Abs. 3 Satz 2 StGB). Andererseits kann ein gefährlicher Täter, dessen Behandlung im Vollzug der Maßregel nach § 64 StGB ohne Erfolg bleibt oder gar wegen Aussichtslosigkeit abgebrochen werden muss (§ 67 d Abs. 5 StGB), auf diese Weise zum Schutz der Allgemeinheit vor weiteren erheblichen Straftaten - nach Verbüßung des durch Anrechnung (§ 67 Abs. 4 StGB) nicht erledigten Teil der Strafe - in der Sicherungsverwahrung untergebracht werden.
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3. Die Unterbringung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) ist schon wegen ihres hier bestehenden untrennbaren Zusammenhangs mit der erneut notwendigen Prüfung der Sicherungsverwahrung aufzuheben.
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Unabhängig davon hätte der Senat im Hinblick auf die von § 64 Abs. 2 StGB geforderte hinreichend konkrete Erfolgsaussicht Rechtsbedenken gegen die Anordnung dieser Maßregel, da das Landgericht in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen "von einer voraussichtlichen Dauer der Suchtbehandlung bis zur Erzielung eines Behandlungserfolges von drei Jahren" ausgegangen ist. Er ist der Auffassung, dass in einem solchen Fall die notwendige Erfolgsaussicht zu verneinen ist.
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a) Hierfür spricht die Gesetzeslage. Nach § 67 d Abs. 1 Satz 1 StGB darf die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zwei Jahre nicht übersteigen. Dieser Begrenzung liegt die Überzeugung des Gesetzgebers zugrunde, dass eine Unterbringungsdauer von mehr als einem Jahr äußerst selten und eine Behandlung über den Zweijahres-Zeitraum hinaus nicht erforderlich, vielmehr eher schädlich sei (vgl. Horstkotte in LK 10. Aufl. § 67 d Rdn. 4 unter Hinweis auf die Beratungen des Sonderausschusses; Schöch in LK 12. Aufl. § 64 Rdn. 167; Sinn in SK-StGB § 67 d Rdn. 2; Veh in MünchKomm-StGB § 67 d Rdn. 5; SSW-StGB/Schöch § 67 d Rdn. 9). Auch die Änderung der Vorschriften über die teilweise Vorwegvollstreckung der Strafe in § 67 Abs. 2 StGB durch das Gesetz vom 16. Juli 2007 (BGBl I 1327) zeigt, dass der Gesetzgeber eher von kürzeren Unterbringungszeiten ausgeht (vgl. BTDrucks. 16/1110 S. 14: " … sinnvolle Entziehungstherapie [ist] spätestens nach zwei Jahren beendet"; … voraussichtliche Dauer der Therapie bis zur Erzielung eines Behandlungserfolgs zu orientieren, die nach den Erfahrungen der Praxis gegenwärtig im Durchschnitt bei etwa einem Jahr liegt"), da er bei Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren einen teilweisen Vorwegvollzug der Strafe nicht für angezeigt hält. Suchttherapien von mehr als zweijähriger Dauer werden durchweg nicht für sinnvoll gehalten (vgl. Volckart/Grünebaum, Maßregelvollzug 6. Aufl. S. 254).
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b) Die Verlängerung der Höchstfrist in den Fällen, in denen vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen wird (§ 67 d Abs. 1 Satz 3 StGB), spricht nicht dagegen, Therapien als aussichtslos anzusehen, sofern sie länger als zwei Jahre andauern müssten. Der gegenteiligen Ansicht des 5. Strafsenats, dass die Vorschrift gerade für Fälle längerer Therapienotwendigkeit geschaffen worden sei (Beschl. vom 6. Februar 1996 - 5 StR 16/96), könnte sich der Senat nicht anschließen. Die Verlängerungsvorschrift steht nicht in einem Zusammenhang mit der für eine Suchtbehandlung für notwendig erachteten Zeit, sondern mit den sich aus der Länge der neben der Maßregel verhängten Freiheitsstrafe ergebenden Problemen. Sie soll die sich durch die Anrechnung der Maßregel auf die Freiheitsstrafe ergebende Besserstellung gegenüber dem Untergebrachten, bei dem die Strafe vor der Maßregel vollstreckt wird, ausgleichen. Sie ermöglicht zugleich, dass die neben einer Strafe angeordnete Unterbringung nach § 64 StGB nicht nach Ablauf von zwei Jahren erledigt ist, sondern zur Bewährung ausgesetzt oder zur Vermeidung einer Rückverlegung in den Strafvollzug weitervollstreckt werden kann (SSW-StGB/Jehle § 67 d Rdn. 12; Sinn in SK-StGB § 67 d Rdn. 4; Veh in MünchKomm-StGB § 67 d Rdn. 8).
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c) Auch die in verschiedenen Untersuchungen festgestellten durchschnittlichen Unterbringungszeiten (vgl. hierzu im Einzelnen Metrikat, Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB S. 251 ff., insbesondere Fn. 577 und 586) zeigen, dass Entwöhnungstherapien weniger als zwei Jahre benötigen. Sie liegen weitgehend unterhalb dieser Grenze. Soweit sie diese in Einzelfällen überschreiten, beruht dies gerade auf der durch § 67 d Abs. 1 Satz 3 StGB eingeräumten Möglichkeit, die Höchstfrist im Hinblick auf die Dauer der daneben erkannten Freiheitsstrafe aus vollzugspraktischen und nicht unmittelbar therapeutischen Gründen zu verlängern. Zwischen der Höhe der Freiheitsstrafe und der im Maßregelvollzug verbrachten Zeit besteht ein signifikanter Zusammenhang (vgl. Metrikat aaO S. 257). Hinzu kommt, dass in die festgestellten Durchschnittszeiten auch jene Suchttherapien einbezogen worden sind, die zuletzt doch wegen Erfolglosigkeit abgebrochen worden waren, was die ermittelten Werte erhöht hat.
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4. Über den Maßregelausspruch muss deshalb erneut entschieden werden. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO).
Becker Pfister RiBGH von Lienen befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Hubert Schäfer