Bundesgerichtshof Urteil, 08. Juli 2010 - 3 StR 151/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben im Ausspruch über - die Einzelstrafe wegen besonders schwerer Vergewaltigung, - die Gesamtstrafe; die jeweils zugehörigen Feststellungen bleiben aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Vergewaltigung" und Diebstahls zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und einem Monat verurteilt ; als Einzelstrafen hat es eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren (Vergewaltigung ) und eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen (Diebstahl) ausgesprochen. Gegen die Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Die ebenfalls auf die Sachrüge gestützte, zum Nachteil des Angeklagten eingelegte und wirksam auf den Ausspruch über die Einzelstrafe wegen Vergewaltigung und über die Gesamtstrafe beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft beanstandet Bewertungsmängel bei der Strafbemessung; rechtsfehlerhaft habe das Landgericht lediglich auf die in § 177 Abs. 4 StGB angedrohte Mindeststrafe erkannt. Das Rechtsmittel wird vom Generalbundesanwalt vertreten.
- 2
- 1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft ändert der Senat den Schuldspruch klarstellend dahin ab, dass der Angeklagte der besonders schweren Vergewaltigung schuldig ist. Nach den Feststellungen nötigte er die Nebenklägerin dadurch zur Duldung des Vaginal- und des Oralverkehrs , dass er ihr ein Springmesser an den Hals hielt. Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht deshalb von der Qualifizierung der Tat nach § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB ausgegangen. Um dem sich aus § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO ergebenden Erfordernis der rechtlichen Bezeichnung der Straftat Rechnung zu tragen, ist diese Qualifikation in der Urteilsformel durch einen Schuldspruch wegen "be- sonders schwerer" Vergewaltigung kenntlich zu machen (BGHR StPO § 260 Abs. 4 Satz 1 Urteilsformel 4).
- 3
- 2. Im Übrigen ist das Rechtsmittel des Angeklagten aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
- 4
- 3. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
- 5
- a) Die Bemessung der Einzelstrafe wegen besonders schwerer Vergewaltigung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 6
- Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht als strafmildernd berücksichtigt, dass die Nebenklägerin durch den Einsatz des Messers und die wiederholt erzwungenen sexuellen Handlungen keine körperlichen Verletzungen davongetragen hat. Dass der Täter kein Verhalten gezeigt hat, durch das er den Tatbestand noch eines weiteren Strafgesetzes verwirklicht hätte, kann ihm im Rahmen der Bemessung der Rechtsfolgen nicht zugute gehalten werden (vgl. BGH bei Miebach NStZ 1998, 132; BGH NStZ 2007, 464, 465).
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- Nicht frei von Rechtsfehlern ist auch die Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte sei als Ausländer besonders strafempfindlich. Die Ausländereigenschaft begründet für sich alleine keine besondere Strafempfindlichkeit; nur besondere Umstände wie Verständigungsprobleme, abweichende Lebensbedingungen und erschwerte familiäre Kontakte können ausnahmsweise zu einer anderen Beurteilung führen (BGHSt 43, 233; BGH NStZ 2006, 35; Fischer, StGB, 57. Aufl., § 46 Rn. 43b). Konkrete Feststellungen hierzu fehlen.
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- b) Die Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils im Ausspruch über die Einzelstrafe wegen Vergewaltigung und über die Gesamtstrafe. In Anbetracht des festgestellten Tatgeschehens sieht sich der Senat nicht in der Lage, die Verhängung der Mindeststrafe als angemessen im Sinne von § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO anzusehen.
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- Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben; möglich bleiben Ergänzungen, die zu den bisherigen, zum Schuld- und zum Strafausspruch getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch treten. Becker von Lienen Sost-Scheible Schäfer Mayer
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(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
- 1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern, - 2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert, - 3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, - 4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder - 5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet, - 2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder - 3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
- 1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder - 2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - 2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder - 3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder - 2.
das Opfer - a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils.
(2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, genau zu bezeichnen.
(3) Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.
(4) Die Urteilsformel gibt die rechtliche Bezeichnung der Tat an, deren der Angeklagte schuldig gesprochen wird. Hat ein Straftatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. Wird eine Geldstrafe verhängt, so sind Zahl und Höhe der Tagessätze in die Urteilsformel aufzunehmen. Wird die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten, die Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt, der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt oder von Strafe abgesehen, so ist dies in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. Im übrigen unterliegt die Fassung der Urteilsformel dem Ermessen des Gerichts.
(5) Nach der Urteilsformel werden die angewendeten Vorschriften nach Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe und mit der Bezeichnung des Gesetzes aufgeführt. Ist bei einer Verurteilung, durch die auf Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt wird, die Tat oder der ihrer Bedeutung nach überwiegende Teil der Taten auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden, so ist außerdem § 17 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes anzuführen.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.