Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 55/12
vom
30. Januar 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. Januar
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Dr. Berger,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Richter am Landgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 12. Oktober 2011, soweit es ihn betrifft, im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach §§ 460, 462 StPO zu treffen ist. Die weitergehende Revision des Angeklagten S. wird verworfen. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels bleibt dem für das Nachverfahren nach §§ 460, 462 StPO zuständigen Gericht vorbehalten. 2. Die Revision des Angeklagten V. wird verworfen. Der Angeklagte V. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. - unter Freispruch im Übrigen - wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge , Geldfälschung, fahrlässigen Besitzes eines nach dem Waffengesetz verbotenen Gegenstands und gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Mo- naten verurteilt und den Verfall des Wertersatzes in Höhe von 6.500 Euro angeordnet. Den Angeklagten V. hat es wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten, die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützt sind. Das Rechtsmittel des Angeklagten S. hat nur in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; die Revision des Angeklagten V. ist aus den vom Generalbundesanwalt genannten Gründen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts verschaffte der Angeklagte S. am 18. Mai 2010 dem gesondert verfolgten R. ein Kilogramm Amphetamin mit einem Anteil von mindestens 67,08 g Amphetaminbase für 5.000 Euro. Zwei Tage später wurde R. verhaftet; in seiner Wohnung wurden 418,55 g Amphetamin gefunden (Fall II.1 der Urteilsgründe). Im Frühjahr 2010 verkaufte der Angeklagte S. an R. falsche 50 Euro-Banknoten im Nennwert von 8.000 Euro (Fall II.2). Der Angeklagte S. besaß zurzeit einer Durchsuchung am 18. November 2010 ein Springmesser (Fall II.3). Der Zeuge H. hatte den Angeklagten V. und den Nichtrevidenten B. betrogen. Diese wandten sich an den Angeklagten S. um Unterstützung bei der Eintreibung ihrer Geldforderungen. Am 10. September 2010 zwangen der Angeklagte S. und B. den Geschädigten dazu, mit ihnen in einen Wohncontainer zu gehen, den der Angeklagte V. in Kenntnis des Vorhabens mit einem in seinem Besitz befindlichen Schlüssel öffnete. Dort wurde H. von dem Angeklagten S. zur Zahlung aufgefordert und ins Gesicht geschlagen, wodurch dieser einen Bruch des Nasenbeins erlitt (Fall II.4).

II.

3
Die Revision des Angeklagten S. gegen dieses Urteil hat nur mit der Sachrüge hinsichtlich der Gesamtstrafe Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet.
4
1. Die Verfahrensbeanstandungen der Revision des Angeklagten S. gehen fehl. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
5
Die Revision macht eine Verletzung von § 27 Abs. 1 StPO geltend, weil die Berufsrichter der Kammer wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wurden und selbst über das Ablehnungsgesuch entschieden haben, das sie als unzulässig im Sinne von § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO angesehen haben. Diese Rüge ist nicht zulässig. Der Beschwerdeführer ist nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gehalten, die den Verfahrensmangel begründenden Tatsachen so genau anzugeben , dass das Revisionsgericht allein aufgrund der Begründungsschriften prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen der Revision zutrifft. Dies gilt auch für Rügen zur Richterablehnung (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2012 - 5 StR 432/11, StV 2012, 587).
6
Die Richterablehnung des Angeklagten S. bezog sich auf Äußerungen der Richter in einer Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft , die in der Revisionsbegründung nicht mit ihrem gesamten Inhalt mitgeteilt und innerhalb des - seinerseits zwar mehrfach, aber auch nur lückenhaft mitgeteilten - Ablehnungsgesuchs nur sinngemäß referiert wurden. Eine den Verfahrensgegenstand betreffende Vortätigkeit eines erkennenden Richters ist, soweit sie nicht den Tatbestand eines Ausschlussgrundes gemäß § 23 StPO erfüllt, nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig nicht dazu geeignet, die Besorgnis der Befangenheit des Richters zu begründen, wenn nicht besondere Umstände hinzukommen, die diese Besorgnis rechtfertigen. Ob solche Umstände in Betracht kamen oder so fern lagen, dass die nach Ansicht des Landgerichts verfehlte Ablehnungsbegründung dem Fehlen einer Begründung im Sinne von § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO gleichzustellen war, kann vom Revisionsgericht nur geprüft werden, wenn die Revisionsbegründung auch die hierfür maßgeblichen Einzelheiten genau mitteilt. Daran fehlt es.
7
2. Die Sachbeschwerde führt zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe.
8
Das Landgericht hat nur die Bemessung der Einzelstrafen erläutert. Die Bildung der Gesamtstrafe fordert jedoch eine eigenständige Entscheidung, die auch einer Begründung bedarf. Das Fehlen der Begründung ist jedenfalls dann ein Rechtsfehler, der zur Aufhebung der Gesamtstrafe zwingt, wenn - wie hier - die Einsatzstrafe beträchtlich erhöht wird. Die Nachholung der Entscheidung kann dem Beschlussverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO vorbehalten bleiben.
Becker RiBGH Prof. Dr. Schmitt Berger befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Krehl Eschelbach

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Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Feb. 2012 - 5 StR 432/11

bei uns veröffentlicht am 07.02.2012

5 StR 432/11 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 7. Februar 2012 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Februar 2012 beschlossen: Die

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Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wird die Ablehnung nicht als unzulässig verworfen, so entscheidet über das Ablehnungsgesuch das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung.

(2) Wird ein richterliches Mitglied der erkennenden Strafkammer abgelehnt, so entscheidet die Strafkammer in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgeschriebenen Besetzung.

(3) Wird ein Richter beim Amtsgericht abgelehnt, so entscheidet ein anderer Richter dieses Gerichts. Einer Entscheidung bedarf es nicht, wenn der Abgelehnte das Ablehnungsgesuch für begründet hält.

(4) Wird das zur Entscheidung berufene Gericht durch Ausscheiden des abgelehnten Mitglieds beschlußunfähig, so entscheidet das zunächst obere Gericht.

(1) Das Gericht verwirft die Ablehnung eines Richters als unzulässig, wenn

1.
die Ablehnung verspätet ist,
2.
ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht oder nicht innerhalb der nach § 26 Absatz 1 Satz 2 bestimmten Frist angegeben wird oder
3.
durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen.

(2) Das Gericht entscheidet über die Verwerfung nach Absatz 1, ohne daß der abgelehnte Richter ausscheidet. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 3 bedarf es eines einstimmigen Beschlusses und der Angabe der Umstände, welche den Verwerfungsgrund ergeben. Wird ein beauftragter oder ein ersuchter Richter, ein Richter im vorbereitenden Verfahren oder ein Strafrichter abgelehnt, so entscheidet er selbst darüber, ob die Ablehnung als unzulässig zu verwerfen ist.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

5 StR 432/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 7. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Februar 2012

beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 16. März 2011 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zur Stellungnahme des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat : 1. Die Verfahrensrügen der Angeklagten H. und W. wegen „Verletzung der §§ 46, 257c, 265 IV StPO, Art. 103 I GG; Art. 6 I EMRKi.V.m. § 337 StPO“ (Rügen Nr. 2) sind schon deshalb unbegründet, weil seitens des Landgerichts – entgegen den Revisionsvorbringen – kein Vorschlag hinsichtlich der Festlegung von Mindeststrafen oder eines Strafrahmens erfolgt ist. Nach der dienstlichen Erklärung des Vorsitzenden zum Ablauf der Prozessverständigung hat lediglich der Sitzungsstaatsanwalt seine Vorstellungen über die Höhe der möglichen Mindestfreiheitsstrafen in das Gespräch eingeführt. Nachdem die Verteidiger den Vorschlag der Staatsanwaltschaft abgelehnt hatten, hat der Vorsitzende das von der Verteidigung bekundete Interesse an „bewährungsfähigen Strafen“ in Übereinstimmung mit den beteiligten Richtern abschlägig beantwortet. Ein von den Revisionen behauptetes Drohen mit einer „Sanktionsschere“ ist bei diesem Verfahrens- ablauf nicht zu erkennen.
2. Die inhaltsgleiche Befangenheitsrüge der Angeklagten H. und W. (§ 338 Nr. 3 StPO; Rügen Nr. 7) gegen die Berufsrichter ist je- weils unzulässig erhoben. Die Beschwerdeführer sind nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO verpflichtet, die den Verfahrensmangel begründenden Tatsachen so genau anzugeben, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der Begründungsschriften prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen der Revisionen zutrifft. Dies gilt auch für Befangenheitsrügen , über deren Begründetheit nach Beschwerdegrundsätzen zu entscheiden ist. An einem solchen Tatsachenvortrag fehlt es teilweise: Die Befangenheitsrüge hat die Ablehnung eines zuvor gestellten Beweisantrags der Angeklagten auf erneute Vernehmung eines Polizeibeamten durch die Strafkammer wegen „verspäteter“ Antragstellung und nicht „erforderlicher“ Aufklärungspflicht zum Gegenstand. Die Revisionsbegründungen nehmen zur Sachdarstellung insoweit auf die „unter 6. gerügte Ablehnung eines Beweisantrags wegen Verschleppungsabsicht“ Bezug. Diese Beweisantragsrüge ist – wie der Generalbundesanwalt ausgeführt hat – nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil die Revisionsführer nicht den Inhalt der im Beweisantrag zum Beleg ihrer Argumentation angeführten polizeilichen Beschuldigtenvernehmung des Angeklagten H. vom 12. April 2011 mitteilt.
Auch für die Prüfung der Befangenheitsrüge kann die Erforderlichkeit der erneuten Vernehmung des Polizeibeamten von Belang sein, weil sich nur dadurch beurteilen lässt, ob und gegebenenfalls welche Höhe der den Angeklagten vorgeworfenen Erpressungssumme Gesprächs- bzw. Vernehmungsinhalt geworden sein könnte. Nur damit wird dem Revisionsgericht die Prüfung ermöglicht, ob die Ablehnungsgründe der Strafkammer rechtsfehlerhaft sind. Die Bezugnahme auf diese nicht formgerecht erhobene Beweisantragsrüge führt hier im Rahmen der Befangenheitsrüge auch zu deren Unzulässigkeit. Ohne entsprechenden Tatsachenvortrag lässt sich nicht beurteilen, ob die Strafkammer den Befangenheitsantrag zu Recht wegen Verschleppungsabsicht (§ 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO) abgelehnt hat. Die Zurückweisung des Befangenheitsantrages stützt sie nämlich maßgeblich darauf, dass die Ablehnung der erneuten Zeugeneinvernahme des Polizeibeamten deshalb erfolgt sei, weil er zum Sachverhalt bereits umfangreiche Angaben gemacht hatte, worauf die Revisionsführer, die ausschließlich die Ablehnung des Beweisantrags wegen Verschleppungsabsicht zur Begründung des Befangenheitsgesuchs anführen, nicht eingehen.
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(1) Ein Richter, der bei einer durch ein Rechtsmittel angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, ist von der Mitwirkung bei der Entscheidung in einem höheren Rechtszug kraft Gesetzes ausgeschlossen.

(2) Ein Richter, der bei einer durch einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, ist von der Mitwirkung bei Entscheidungen im Wiederaufnahmeverfahren kraft Gesetzes ausgeschlossen. Ist die angefochtene Entscheidung in einem höheren Rechtszug ergangen, so ist auch der Richter ausgeschlossen, der an der ihr zugrunde liegenden Entscheidung in einem unteren Rechtszug mitgewirkt hat. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die Mitwirkung bei Entscheidungen zur Vorbereitung eines Wiederaufnahmeverfahrens.

(1) Das Gericht verwirft die Ablehnung eines Richters als unzulässig, wenn

1.
die Ablehnung verspätet ist,
2.
ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht oder nicht innerhalb der nach § 26 Absatz 1 Satz 2 bestimmten Frist angegeben wird oder
3.
durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen.

(2) Das Gericht entscheidet über die Verwerfung nach Absatz 1, ohne daß der abgelehnte Richter ausscheidet. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 3 bedarf es eines einstimmigen Beschlusses und der Angabe der Umstände, welche den Verwerfungsgrund ergeben. Wird ein beauftragter oder ein ersuchter Richter, ein Richter im vorbereitenden Verfahren oder ein Strafrichter abgelehnt, so entscheidet er selbst darüber, ob die Ablehnung als unzulässig zu verwerfen ist.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.