Bundesgerichtshof Urteil, 06. Nov. 2013 - 2 StR 357/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten T. vom Vorwurf der „Beteiligung“ an einem Betäubungsmittelgeschäft (Fall 2 der Urteilsgründe) freigesprochen. Den Mitangeklagten G. hat es wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen (Fälle 1 und 2 der Urteilsgründe) und wegen Besitzes einer Schusswaffe und Munition (Fall 3) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die gegen den Freispruch des Angeklagten T. gerichtete und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird, ist begründet.
- 2
- 1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts verkaufte der Mitangeklagte G. am 11. Juni 2012 100 Gramm Kokain an den gesondert Verfolgten S. (Fall 1 der Urteilsgründe). Nach seiner Festnahme erklärte sich S. bereit, ein weiteres, nunmehr polizeilich observiertes Kokaingeschäft mit G. einzufädeln. Beide trafen sich am 10. Juli 2012 erneut und G. übergab dem Scheinkäufer S. zunächst eine Probe der Kokainzubereitung. Im Gegenzug erhielt er einen Betrag von 6.200 € für den Erwerb von wiederum 100 Gramm Kokain. G. fuhr zur Wohnung des Angeklagten T. . Dort lagerten 99,85 Gramm Kokain, die er an sich nahm. Dem Angeklagten T. übergab er einen Teilbetrag von 4.600 € aus der von S. erhaltenen Geldsumme. Bei dem anschließenden Versuch der Übergabe des Kokains an S. wurde G. festgenommen (Fall 2 der Urteilsgründe
).
- 3
- b) Von einer Beteiligung des Angeklagten T. an dem Betäubungsmittelgeschäft am 10. Juli 2012 (Fall 2 der Urteilsgründe) hat sich das Landgericht nicht überzeugen können und den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen:
- 4
- Der Mitangeklagte G. hatte sich dahin eingelassen, er habe sich am Vortag, dem 9. Juli 2012, 4.000 € von T. geliehen,um das für S. bestimmte Kokain beim Ankauf bezahlen zu können. Das eingekaufte Kokain habe er unbemerkt von T. in dessen Wohnung auf der Terrasse versteckt. Am nächsten Tag, dem 10. Juli 2012, habe er es heimlich wieder an sich genommen und T. die geliehene Summe von 4.000 € nebst 500 € Zinsen sowie weitere geschuldete 100 € zurückgegeben. Der Angeklagte T. hatte erklärt, er sei sehr enttäuscht von seinem Freund G. , weil dieser ohne sein Wissen in seiner Wohnung Rauschgift versteckt habe. Er habe G. , wie schon bei früherer Gelegenheit, lediglich Geld geliehen, wenngleich er noch nie zuvor eine so hohe Zinszahlung erhalten habe. Den Betrag von 4.000 € habe er am 9. Juli 2012 bar bei sich gehabt. Er habe das Geld von seinem Vater für die Einrichtung seiner Wohnung erhalten.
- 5
- Die Darstellung der Angeklagten hat das Landgericht zwar als unglaubhaft , aber als nicht zu widerlegen erachtet. Es erscheine unrealistisch, dass der Angeklagte G. ohne Kenntnis des T. in dessen Wohnung Betäubungsmittel gelagert habe. Weitere Beweise hätten jedoch nicht ermittelt werden können. Zwar seien in der Wohnung des Angeklagten T. auch eine Feinwaage und Kaisernatron sichergestellt worden. Der Besitz solcher typischerweise von Drogenverkäufern genutzten Utensilien sei aber als einziges Indiz nicht ausreichend, um hier seine Beteiligung zu belegen. Der Angeklagte sei daher mangels anderweitiger Erkenntnismöglichkeiten freizusprechen.
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- c) Die dem Freispruch zugrunde liegende Beweiswürdigung hält sachlich -rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat bereits einen falschen Maßstab zugrunde gelegt, da es davon ausgegangen ist, die Zurückweisung einer Einlassung erfordere, dass sie widerlegt werden kann. Entlastende Angaben eines Angeklagten, für deren Richtigkeit es keine zureichenden Anhaltspunkte gibt und deren Wahrheitsgehalt fraglich ist, sind aber nicht ohne weiteres als unwiderlegt hinzunehmen und den Feststellungen zugrunde zu legen, nur weil es für das Gegenteil keine Beweise gibt. Der Tatrichter muss sich vielmehr aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme seine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Einlassung bilden (BGH, Urteil vom 6. März 1986 - 4 StR 48/86, BGHSt 34, 29, 34; Urteil vom 22. April 2005 - 2 StR 310/04, BGHSt 50, 80, 85). Dies hat das Landgericht verkannt und auch eine entsprechende Gesamtwürdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Indizien versäumt. Das Gericht berücksichtigt insoweit als einziges für die Täterschaft des Angeklagten T.
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- d) Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei rechtsfehlerfreier Würdigung der Beweise zu dem Ergebnis einer Beteiligung des Angeklagten T. an dem Betäubungsmittelgeschäft im Fall 2 der Urteilsgründe gelangt wäre.
- 8
- 2. Der Senat weist darauf hin, dass - wie in der Antragschrift des Generalbundesanwalts ausgeführt - das angefochtene Urteil nicht den Anforderungen entspricht, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gemäß § 267 Abs. 5 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellen sind.
- 9
- Danach ist es - insbesondere bei mehreren Angeklagten - zunächst erforderlich , den individuellen Anklagevorwurf nach Zeit, Ort sowie konkreter Begehungsweise mitzuteilen, damit das Urteil aus sich heraus verständlich und dem Revisionsgericht eine umfassende Nachprüfung dahin ermöglicht wird, ob der Tatrichter das angeklagte Geschehen in tatsächlicher Hinsicht vollständig erfasst und unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten rechtfehlerfrei auf eine Strafbarkeit untersucht hat (BGH, Urteil vom 26. April 1990 - 4 StR 24/90, BGHSt 37, 21, 22; Urteil vom 5. August 1997 - 5 StR 210/97, NStZ-RR 1997, 374). Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng
Annotations
(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.
(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.
(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.
(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.
(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.
(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.