Bundesgerichtshof Urteil, 07. Juni 2000 - 2 StR 135/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten und den insoweit rechtskräftig verurteilten Mitangeklagten L. wegen Freiheitsberaubung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren (Einzelstrafen: Geldstrafe von 60 Tagessätzen sowie Freiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten) verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die der Generalbundesanwalt vertritt.I.
Nach den Feststellungen sollte der Zeuge W. , der sich von der Schwester des Mitangeklagten L. im Streit getrennt hatte, eine "Abreibung" bekommen. Da sich L. und sein Bruder dem körperlich überlegenen Zeugen nicht gewachsen fühlten, überredeten sie den Angeklagten , ihnen dabei zu helfen. Am 11. Mai 1998 gegen 0.30 Uhr fuhren dann die Gebrüder L. , die einen Elektroschocker, eine Gaspistole und eine Videokamera mit sich führten, mit dem Angeklagten zur Wohnung der Freundin des W. , den sie dort zufällig am Hauseingang trafen. Auf ihre Aufforderung ging er, der ahnte, daß eine tätliche Auseinandersetzung bevorstand, zum Auto mit. In dieses wurde er dann gegen seinen Willen gezerrt und in eine einsame Gegend verbracht. Unterwegs gelang es ihm zwar zunächst zu fliehen, der Angeklagte und die Gebrüder L. holten ihn aber wieder ein und zerrten ihn erneut ins Auto. Am Ziel wurde er dann mit Fäusten und mit herumliegenden Ä sten geschlagen, auf ihn wurde auch mit Füßen eingetreten. Er mußte sich vollständig ausziehen, wurde anschließend mit Bier überschüttet und mit dem Elektroschocker mißhandelt. Der Zeuge erlitt Schürfwunden und Prellungen am gesamten Körper und verlor zwei Schneidezähne. In diesem Zustand wurde er dann zurückgelassen und später von einer Polizeistreife aufgegriffen und in ein Krankenhaus verbracht. Nach Ansicht des Landgerichts konnte beim Angeklagten, der bereits um die Mittagszeit des 10. Mai 1998 begonnen hatte, Alkohol zu trinken, nicht ausgeschlossen werden, daß "die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit vermindert war (§ 21 StGB)", da bei ihm zu Beginn der Tat eine Blutalkoholkonzentration von maximal 3 %o und mindestens 0,8 %o vorgelegen habe. Eshat deshalb bei der Strafzumessung von der Milderungsmöglichkeit der §§ 21, 49 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht. Vor allem dagegen und gegen die Aussetzung der verhängten Strafe zur Bewährung wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision.
II.
Das Rechtsmittel hat Erfolg. Die vorgenommene Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 i.V.m. § 21 StGB ist rechtsfehlerhaft. Eine Strafrahmenverschiebung scheidet schon deshalb aus, weil der Angeklagte zum Zeitpunkt des Tatentschlusses noch voll schuldfähig war. Nach den Feststellungen hatte er seine Beteiligung an der "geplanten Prügelei" bereits am Mittag des 10. Mai 1998 zugesagt (UA S. 8/9). Zu diesem Zeitpunkt hatte er nur 2 Bier a 0,5 l getrunken und stand nicht erheblich unter Alkoholeinfluß. Den größten Teil des Alkohols, den das Landgericht der Berechnung der Blutalkoholkonzentration zugrundelegte, hat er erst ab dem "frühen Abend" zu sich genommen (UA S. 11). Bereits am Mittag war aber das gegen den Zeugen W. beabsichtigte Vorgehen so genau geplant , daß der Tatentschluß des Angeklagten alle Merkmale der später verwirklichten Taten umfaßte und nicht nur eine allgemeine Tatbereitschaft vorlag (vgl. dazu BGH StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 22 und 28; Beschluß des Senats vom 30. November 1988 - 2 StR 401/88 = NStE Nr. 24 zu § 20 StGB). Bei dieser Sachlage mußte die Strafkammer davon ausgehen, daß die möglicherweise zur Tatzeit gegebene Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nach den Grundsätzen der actio libera in causa ohne Bedeutung war (vgl. dazu BGHSt34, 29, 33). Die Entscheidung des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofes (BGHSt 42, 235 ff.) betrifft nur Vergehen der Straßenverkehrsgefährdung und des Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Jedenfalls eine weitergehende Einschränkung des Anwendungsbereichs der Grundsätze der actio libera in causa ist nicht anzuerkennen (vgl. BGHR StGB § 20 actio libera in causa 2; BGH NStZ 1999, 448, 449; BGH, Urteil vom 8. Februar 2000 - 5 StR 421/99; vgl auch Beschluß des 4. Strafsenats vom 15. April 1999 - 4 StR 93/99 - insoweit nicht in BGH NStZ 1999, 501 f. abgedruckt). Der Strafausspruch kann deshalb keinen Bestand haben. Da die Feststellungen von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht berührt werden, können diese bestehen bleiben.
Falls die neu erkennende Strafkammer wiederum auf Freiheitsstrafe und Geldstrafe erkennen sollte, wird sie die Höhe des Tagessatzes der Geldstrafe zu bestimmen (BGHSt 30, 93, 96; BGHR StGB § 54 Abs. 3 Tagessatzhöhe 1) und möglicherweise § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB (vgl. BGHR StGB § 53 Abs. 2 Einbeziehung, nachteilige 1-5; BGH NJW 1999, 3132, 3133) zu erörtern haben. Jähnke Detter Bode Otten Rothfuß
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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.
(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.
(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.
(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.
(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.
(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.