Bundesgerichtshof Urteil, 09. Juli 2002 - 1 StR 93/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten J. wegen unerlaubter Veräußerung von Betäubungsmitteln und wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten und den Angeklagten K. wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln sowie wegen versuchter Nötigung unter Einbeziehung einer Verurteilung aus einem anderen Verfahren zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, verurteilt. Mit ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen beanstandet die Staatsanwaltschaft, daß beide Angeklagte im Fall II. 3. der Urteilsgründe statt wegen versuchter Nötigung wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung hätten verurteilt werden müssen und daß - insoweit wird die Revision vom Generalbundesanwalt vertreten - der Angeklagte K. im Fall II. 3. der Urteilsgründe nicht auch wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist. Die Rechtsmittel führen hinsichtlich des Angeklagten K. zur teilweisen Aufhebung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs; im übrigen sind sie unbegründet. 1. Nach den Feststellungen wurden beide Angeklagte, die sich vor der Tatbegehung nicht kannten, bei einem Drogengeschäft am 14. August 2001 von dem Geschädigten Kl. in der Weise "gelinkt", daß dieser dem Angeklagten J. den restlichen Kaufpreis und dem Angeklagten K. restliches Kokain schuldig blieb. Zu Fall II. 3. stellt das Landgericht fest: Die Angeklagten suchten den Kl. gemeinsam auf, um - notfalls ge-
waltsam - ihre Restforderungen durchzusetzen. Mehr als das, was ihnen nach ihrer Beurteilung zustand, strebten sie dabei nicht an. Der Angeklagte K. drohte dem Kl. Schläge an, während der Angeklagte J. , um die Forderungen zu unterstreichen, ihm mit der Faust in das Gesicht schlug. Sodann zerschlug der Angeklagte J. eine Schnapsflasche und drückte, den Flaschenhals in der Hand haltend, die restliche Flasche mit dem scharfen Glasteil mit aller Kraft gegen die untere linke Gesichtshälfte des Kl. , so daû das Glas die Wange durchdrang und im Bereich des Jochbeins wieder austrat. Kl. blutete stark und versuchte zu fliehen. Die Angeklagten holten ihn wieder ein und schlugen beide auf ihn ein. Der Angeklagte K. zog dazu einen Ledergürtel aus seiner Hose und schlug auch damit mehrmals zu. Als Kl. weiter zu flüchten versuchte, verfolgten sie ihn erneut. Nachdem eine Frau aus dem Fenster gerufen hatte, sie werde die Polizei alarmieren, gaben die beiden Angeklagten ihre Tat auf und flohen. 2. Das Landgericht hat in dem Verhalten beider Angeklagter zu Recht mangels Absicht der unrechtmäûigen Bereicherung keine versuchte schwere räuberische Erpressung gesehen. Zwar stand den Angeklagten wegen Verstoûes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) ein Anspruch weder auf den restlichen Kaufpreis noch auf das restliche Kokain zu. Ob sie berechtigt waren, von Kl. gemäû § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB Schadensersatz wegen Betrugs zu verlangen, wie der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs mit Beschluû vom 12. März 2002 - 3 StR 4/02 - (NStZ-RR 2002, 214) entschieden hat, braucht der Senat hier nicht zu entscheiden. Den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zufolge, an die der Senat gebunden ist, sind sie jedenfalls für die von ihnen erstrebte Bereicherung vom Bestehen solcher Ansprüche ausgegangen, so daû sie - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - zumindest in einem Tatbestandsirrtum (§ 16 Abs. 1 Satz 2
StGB) handelten. Damit fehlte ihnen die Absicht einer unrechtmäûigen Bereicherung (vgl. BGH, Beschl. vom 11. Juli 2000 - 4 StR 232/00; BGH NStZ-RR 1999, 6). 3. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte K. habe sich nur der versuchten Nötigung, nicht aber tateinheitlich auch als Mittäter der von dem Angeklagten J. begangenen gefährlichen Körperverletzung strafbar gemacht, hält hingegen rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Die von dem Landgericht zugrundegelegten Feststellungen ergeben, daû der Angeklagte diesen Straftatbestand bereits in der Form der gemeinschaftlichen Begehung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) erfüllt hat (vgl. UA S. 13: "Beide Angeklagten schlugen dort ..."). Der Senat sieht sich allerdings an einer eigenen entsprechenden Ergänzung des Schuldspruchs gehindert, weil dieser erweiterte Schuldvorwurf von der Anklage nicht erfaût war und der Angeklagte auch in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht keinen entsprechenden Hinweis nach § 265 StPO erhalten hat, so daû er nicht rechtzeitig Gelegenheit hatte, sich in dieser weitergehenden Richtung zu verteidigen.
b) Nach den getroffenen Feststellungen ist zudem nicht erkennbar, warum dem Angeklagten K. der Einsatz der zersplitterten Glasflasche als gefährliche Körperverletzung gemäû § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB nicht zuzurechnen ist. Jeder Mittäter haftet zwar für das Handeln der anderen nur im Rahmen seines Vorsatzes, ist also für den Erfolg nur insoweit verantwortlich, als sein Wille reicht; ein Exzeû der anderen fällt ihm nicht zur Last (vgl. BGHSt 36, 231, 234; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 25 Rdn. 8a). Jedoch werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Falles gerechnet werden muû, vom Willen des Mittäters umfaût, auch wenn er sie sich nicht besonders vorgestellt hat; ebenso ist er für jede Ausführungsart
einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich, wenn ihm die Handlungsweise seines Tatgenossen gleichgültig ist (BGH NJW 1973, 377; BGH GA 1985, 270). Der gemeinsame, die Anwendung erforderlicher Gewalt einschlieûende Plan und dessen konsequente und koordinierte Durchführung, bei der sich der Angeklagte K. aktiv - und zwar insbesondere noch nach dem Einsatz der zerbrochenen Flasche - an den Verletzungshandlungen beteiligte, legen nahe, daû der Angeklagte sich mit der konkreten Vorgehensweise des Mitangeklagten J. einverstanden erklärt hat oder sie ihm zumindest gleichgültig war.
c) Das Landgericht geht schlieûlich angesichts der Tatsache, daû der Angeklagte K. selbst mit einem Ledergürtel auf den Zeugen Kl. eingeschlagen hat, nicht auf die für den Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB unentbehrliche Frage ein, ob hier "ein Werkzeug nach seiner objektiven Beschaffenheit und der Art seiner Benutzung zu einem gefährlichen gemacht" worden ist. Je nach den Umständen - etwa bei Schlägen gegen besonders verletzliche oder empfindliche Organe und Körperteile - kann ein solcher Gürtel ein "gefährliches" Werkzeug sein. Zur Klärung dieser Frage bedurfte es hier daher näherer Feststellungen zu den objektiven und subjektiven Umständen des Tatgeschehens. Diese hat das Landgericht nicht getroffen.
d) Zu II. 3. der Urteilsgründe sind daher erneute tatrichterliche Feststellungen und Würdigungen geboten. Das bedingt auch die Aufhebung des Strafausspruchs. Schäfer Nack Wahl Boetticher Kolz
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Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat, - 2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen, - 3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt, - 4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder - 5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.
(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.
(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.
(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).
(7) (weggefallen)
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.