Bundesgerichtshof Urteil, 11. Juni 2014 - IV ZR 414/12

bei uns veröffentlicht am11.06.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Oberlandesgerichts München - 25. Zivilsenat - vom 30. November 2012 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte als Berufshaftpflichtversicherer des ehemaligen, inzwischen in Insolvenz befindlichen Notars Dr. S.   (im Folgenden nur kurz: Notar) wegen von diesem begangener Pflichtverletzungen auf Schadensersatz in Höhe von 1.734.059,73 € in Anspruch.

2

Den von der Klägerin unter Berufung auf das Absonderungsrecht gemäß § 157 VVG a.F. erhobenen Ansprüchen, die zur Insolvenztabelle festgestellt sind, liegt folgendes Geschehen zugrunde: Der Notar beurkundete Kaufverträge zwischen einer Verkäuferin und insgesamt 15 namentlich benannten Käufern über Wohneigentum in zwei Objekten in M.   und W.     , wobei die Klägerin den Käufern in allen Fällen Finanzierungskredite bewilligt hatte, die sie von einem Eigenanteil der Käufer an der Finanzierung abhängig gemacht hatte. Dieser Eigenanteil konnte auch in der Übernahme der Kaufnebenkosten liegen. Nach allen beurkundeten Verträgen waren die Kaufnebenkosten vom jeweiligen Käufer zu tragen. Tatsächlich wurden Gerichtskosten und Grunderwerbssteuer in keinem einzigen Fall vom Käufer, sondern aufgrund einer vom Notar mit der Verkäuferin getroffenen Vereinbarung aus den von der Klägerin zur Erfüllung des Kaufpreisanspruchs der Verkäuferin mit Treuhandauftrag überwiesenen Verwahrgeldern bezahlt, nachdem der Notar die entsprechenden Beträge zuvor auf sein Kanzleikonto umgeleitet hatte. Auf diesem Wege wurde das von der Klägerin mit ihren Kreditnehmern abgestimmte Finanzierungskonzept hintergangen, indem diese den darin vorgesehenen Eigenanteil nicht leisteten.

3

Nach § 4 Abs. 3 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen des zwischen der Beklagten und dem Notar geschlossenen Versicherungsvertrages (im Folgenden kurz: AVB-N) bezieht sich der Versicherungsschutz nicht auf Haftpflichtansprüche wegen Schadenverursachung durch wissentliche Pflichtverletzung.

4

Die Beklagte hält sich im Hinblick hierauf für nicht leistungspflichtig. Die Klägerin meint, dass die Beklagte dann zumindest im Hinblick auf die von der Streithelferin der Beklagten als zuständiger Notarkammer für den Notar geschlossene Vertrauensschadenversicherung, die Schäden aus wissentlicher Pflichtverletzung abdeckt, gemäß § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO vorleistungspflichtig sei.

5

Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.

6

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Revision.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

8

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass ein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag wegen einer wissentlichen Pflichtverletzung ausscheide. Auch ein Anspruch aus § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO bestehe nicht, weil zwischen den Parteien nicht streitig sei, ob der Ausschlussgrund gemäß § 19a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BNotO vorliege. Insoweit genüge es, wenn - wie im Streitfall gegeben - zwischen Geschädigtem und Berufshaftpflichtversicherer ein Sachverhalt unstreitig sei, der rechtlich als wissentliche Pflichtverletzung zu werten sei. Hinzu komme, dass auch die Streithelferin der Beklagten und der Vertrauensschadenversicherer die streitgegenständlichen Amtspflichtverletzungen des Notars mittlerweile als wissentlich begangen betrachteten.

9

II. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

10

1. Steht eine wissentliche Pflichtverletzung des Notars im Raum, so kommt der Vorleistungsanspruch gegen den Berufshaftpflichtversicherer gemäß § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO bereits dann in Betracht, wenn Letzterer unter Berufung hierauf die Regulierung ablehnt, gegen das Bestehen des Deckungsanspruchs aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag aber keine weiteren Einwendungen erhebt. Ein Streit zwischen Anspruchsteller und Berufshaftpflichtversicherer über diesen Punkt ist nicht erforderlich.

11

Der Wortlaut der Vorschrift sagt nichts darüber aus, zwischen wem das Vorliegen des Ausschlussgrundes wissentlicher Pflichtverletzung nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 streitig sein muss. Jedoch ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Regelung, dass ein Anspruch des Geschädigten sogar dann gegeben sein kann, wenn zwischen ihm und dem Berufshaftpflichtversicherer ausdrücklich Einigkeit über eine wissentliche Pflichtverletzung des Notars besteht.

12

Der Gesetzgeber hatte bei Einführung der Regelung des § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO einen Streit der beiden Versicherer vor Augen, die auf den jeweils anderen verweisen, und wollte, dass diese ihn untereinander austragen (BT-Drucks. 13/11034 S. 38 f.). Dagegen soll sich der Mandant des Notars, wenn klar ist, dass jedenfalls einer der beiden Versicherer leistungspflichtig ist (weil "nur" die wissentliche Pflichtverletzung streitig ist), im Interesse zügiger Schadenregulierung an den Berufshaftpflichtversicherer halten können. Letzterem stehen zum Ausgleich der Forderungsübergang (§ 19a Abs. 2 Satz 3 BNotO) und ein Anspruch auf Aufwendungsersatz (§ 19a Abs. 2 Satz 4 BNotO) gegen den Vertrauensschadenversicherer zu, so dass die Streitfrage im Regressprozess zwischen diesen beiden Versicherern geklärt werden kann. Soweit dabei im Gesetz vom Übergang des Anspruchs gegen einen sonstigen "Ersatzberechtigten" die Rede ist, handelt es sich um ein offensichtliches Redaktionsversehen des Gesetzgebers; gemeint ist "Ersatzverpflichteten" (vgl. Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO 6. Aufl. § 19a Rn. 57).

13

Der Zweck der zügigen Schadenregulierung würde verfehlt, sofern der Geschädigte nicht beim Berufshaftpflichtversicherer liquidieren könnte, wenn in ihrem Verhältnis die Frage der wissentlichen Pflichtverletzung geklärt ist, der Vertrauensschadenversicherer, den dieses nicht bindet, dagegen nach wie vor nicht regulierungsbereit ist. Die Frage der wissentlichen Pflichtverletzung soll nach der gesetzlichen Konzeption - wenn es keine weiteren Streitpunkte gibt - nicht zwischen dem Geschädigten und dem Berufshaftpflichtversicherer, sondern allein zwischen Letzterem und dem Vertrauensschadenversicherer geklärt werden. Allein dies sollte daher mit der Formulierung "nur streitig" zum Ausdruck gebracht werden.

14

Dieses Verständnis der Regelung liegt bereits dem Senatsurteil IV ZR 131/09 vom 20. Juli 2011 zugrunde (juris Rn. 15). Auch in jenem Fall bestand zwischen dem Geschädigten und dem Berufshaftpflichtversicherer (jedenfalls mittlerweile) kein Streit (mehr) über die Wissentlichkeit der Pflichtverletzung.

15

2. Der mögliche Anspruch der Klägerin entfällt nicht deswegen, weil inzwischen auch der Vertrauensschadenversicherer die Amtspflichtverletzung des Notars als wissentlich begangen betrachtet. Diese Feststellung des Berufungsgerichts beruht auf einem Schreiben des Vertrauensschadenversicherers vom 17. August 2012, das erst im Verlauf des Rechtsstreits verfasst worden ist. Die Klägerin war auch nicht etwa gehalten, von sich aus vor einer Inanspruchnahme der Beklagten an den Vertrauensschadenversicherer heranzutreten, um dessen Leistungsbereitschaft zu klären. Auch dies würde dem Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen, dass sich der Geschädigte - bis zur Höhe der gesetzlichen Mindestversicherungssumme - im Interesse zügiger Schadenregulierung an den Berufshaftpflichtversicherer halten kann, ohne sich mit dem Einwand der Wissentlichkeit auch nur befassen zu müssen, wenn der Inanspruchnahme des Berufshaftpflichtversicherers keine anderen Einwendungen entgegenstehen. Lediglich eine vorsorgliche Schadenmeldung wird er dem Vertrauensschadenversicherer gegenüber bei drohendem Ablauf der Anzeigefrist abgeben müssen (vgl. dazu das Senatsurteil IV ZR 400/12 vom heutigen Tage).

16

3. Von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent hat sich das Berufungsgericht nicht mit der Frage befasst, ob die Ausschlussfrist in § 4 Nr. 2 der Vertrauensschadenversicherung einer Einstandspflicht des Vertrauensschadenversicherers entgegensteht (vgl. Senatsurteil vom 20. Juli 2011 - IV ZR 209/10, VersR 2011, 1264 Rn. 10 ff.). Da die Vorleistungspflicht des Berufshaftpflichtversicherers nach § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO jedoch durch dessen Regressansprüche gegenüber dem Vertrauensschadenversicherer begrenzt ist (Senat aaO Rn. 9), bedarf es der Zurückverweisung der Sache, damit die hierzu notwendigen Feststellungen getroffen werden können.

Mayen                      Harsdorf-Gebhardt                                 Dr. Karczewski

             Lehmann                                   Dr. Brockmöller

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Bundesnotarordnung - BNotO | § 19a Berufshaftpflichtversicherung


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Ist das Alter der versicherten Person unrichtig angegeben worden, verändert sich die Leistung des Versicherers nach dem Verhältnis, in welchem die dem wirklichen Alter entsprechende Prämie zu der vereinbarten Prämie steht. Das Recht, wegen der Verletzung der Anzeigepflicht von dem Vertrag zurückzutreten, steht dem Versicherer abweichend von § 19 Abs. 2 nur zu, wenn er den Vertrag bei richtiger Altersangabe nicht geschlossen hätte.

(1) Der Notar ist verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung zu unterhalten zur Deckung der Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden, die sich aus seiner Berufstätigkeit und der Tätigkeit von Personen ergeben, für die er haftet. Die Versicherung muß bei einem im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Versicherungsunternehmen zu den nach Maßgabe des Versicherungsaufsichtsgesetzes eingereichten allgemeinen Versicherungsbedingungen genommen werden. Die Versicherung muß für alle nach Satz 1 zu versichernden Haftpflichtgefahren bestehen und für jede einzelne Amtspflichtverletzung gelten, die Haftpflichtansprüche gegen den Notar zur Folge haben könnte.

(2) Vom Versicherungsschutz können ausgeschlossen werden

1.
Ersatzansprüche wegen wissentlicher Amtspflichtverletzung,
2.
Ersatzansprüche aus der Tätigkeit im Zusammenhang mit der Beratung über außereuropäisches Recht, es sei denn, daß die Amtspflichtverletzung darin besteht, daß die Möglichkeit der Anwendbarkeit dieses Rechts nicht erkannt wurde,
3.
Ersatzansprüche wegen Veruntreuung durch Personal des Notars, soweit nicht der Notar wegen fahrlässiger Verletzung seiner Amtspflicht zur Überwachung des Personals in Anspruch genommen wird.
Ist bei Vorliegen einer Amtspflichtverletzung nur streitig, ob der Ausschlußgrund gemäß Nummer 1 vorliegt, und lehnt der Berufshaftpflichtversicherer deshalb die Regulierung ab, hat er gleichwohl bis zur Höhe der für den Versicherer, der Schäden aus vorsätzlicher Handlung deckt, geltenden Mindestversicherungssumme zu leisten. Soweit der Berufshaftpflichtversicherer den Ersatzberechtigten befriedigt, geht der Anspruch des Ersatzberechtigten gegen den Notar, die Notarkammer, den Versicherer gemäß § 67 Abs. 3 Nr. 3 oder einen sonstigen Ersatzberechtigten auf ihn über. Der Berufshaftpflichtversicherer kann von den Personen, für deren Verpflichtungen er gemäß Satz 2 einzustehen hat, wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen.

(3) Die Mindestversicherungssumme beträgt 500.000 Euro für jeden Versicherungsfall. Die Leistungen des Versicherers für alle innerhalb eines Versicherungsjahres verursachten Schäden dürfen auf den doppelten Betrag der Mindestversicherungssumme begrenzt werden. Der Versicherungsvertrag muß dem Versicherer die Verpflichtung auferlegen, der Landesjustizverwaltung und der Notarkammer den Beginn und die Beendigung oder Kündigung des Versicherungsvertrages sowie jede Änderung des Versicherungsvertrages, die den vorgeschriebenen Versicherungsschutz beeinträchtigt, unverzüglich mitzuteilen. Im Versicherungsvertrag kann vereinbart werden, daß sämtliche Amtspflichtverletzungen bei der Erledigung eines einheitlichen Amtsgeschäftes, mögen diese auf dem Verhalten des Notars oder einer von ihm herangezogenen Hilfsperson beruhen, als ein Versicherungsfall gelten.

(4) Die Vereinbarung eines Selbstbehaltes bis zu einem Prozent der Mindestversicherungssumme ist zulässig.

(5) Zuständige Stelle im Sinne des § 117 Abs. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes ist die Landesjustizverwaltung.

(6) Die Landesjustizverwaltung oder die Notarkammer, der der Notar angehört, erteilt Dritten zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen auf Antrag Auskunft über den Namen und die Adresse der Berufshaftpflichtversicherung des Notars sowie die Versicherungsnummer, soweit der Notar kein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an der Nichterteilung der Auskunft hat; dies gilt auch, wenn das notarielle Amt erloschen ist.

(7) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR400/12 Verkündet am:
11. Juni 2014
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
AVB Vertrauensschadenversicherung (hier: § 4 Nr. 2 Vertrauensschadenversicherung
für Notare)
1. Zur Vermeidung schuldhafter Versäumung einer Schadenmeldefrist in den Versicherungsbedingungen
einer Vertrauensschadenversicherung für Notare ist die Meldung
durch den Geschädigten jedenfalls noch vor Fristablauf bereits dann geboten,
wenn ihm zu diesem Zeitpunkt Erkenntnisse vorliegen, nach denen für den konkreten
Schaden die ernsthafte Möglichkeit eines Vertrauensschadenfalles im Raum steht
(Fortführung des Senatsurteils vom 20. Juli 2011 - IV ZR 180/10, VersR 2011, 1173).
2. Für Banken, die ständig mit Treuhandaufträgen an Notare zu tun haben, besteht
spätestens bei Vorliegen eines möglichen Versicherungsfalles Veranlassung, sich
über den wesentlichen Inhalt der Versicherungsbedingungen zu informieren.
BGH, Urteil vom 11. Juni 2014 - IV ZR 400/12 - OLG München
LG München I
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter
Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller auf die
mündliche Verhandlung vom 11. Juni 2014

für Recht erkannt:
Auf die von ihrer Streithelferin geführte Revision der Beklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts München - 25. Zivilsenat - vom 30. November 2012 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin nimmt die Beklagte als Berufshaftpflichtversicherer des ehemaligen, inzwischen in Insolvenz befindlichen Notars Dr. S. (im Folgenden nur kurz: Notar) wegen von diesem begangener Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit zwei von der Klägerin erteilten Treuhandaufträgen in Anspruch. Die Klägerin hatte in beiden Fällen Darlehen zur Finanzierung von Grundstückskaufverträgen gewährt. Die Streithelferin ist die für den ehemaligen Notar zuständige Notarkammer; sie unterhält eine Vertrauensschadenversicherung für Schäden aufgrund wissentlicher Pflichtverletzungen des Notars.
2
Im vorausgegangenen Haftpflichtprozess ist der Notar durch rechtskräftiges Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main verur- teilt worden, an die Klägerin 88.639,95 € nebst Zinsen zu zahlen.Nach den Feststellungen in diesem Haftpflichturteil hat der Notar ihm der Klägerin gegenüber obliegende Warn- und Hinweispflichten im Hinblick auf mögliche betrügerische Machenschaften im Zusammenhang mit den Finanzierungen verletzt, weil er hinreichende Anhaltspunkte dafür hatte, dass die Vertragsparteien der beiden von ihm beurkundeten Grundstückskaufverträge zur Erschleichung eines überhöhten Finanzierungskredits zu Lasten der Klägerin zusammengewirkt hätten.
3
Die Klägerin begehrt von der Beklagten, gestützt auf das Absonderungsrecht gemäß § 157 VVG a.F., den Ausgleich des ausgeurteilten Betrages sowie der ihr entstandenen Prozesskosten von 10.811,91 € nebst Zinsen. Sie meint, dass die Beklagte, die sich auf eine wissentliche Pflichtverletzung des Notars beruft - weshalb sie aufgrund einer entsprechenden Ausschlussklausel in den vereinbarten Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Notaren und Anwaltsnotaren für ihr Notarrisiko nicht hafte -, jedenfalls nach § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO vorleistungspflichtig sei. Im Übrigen sei eine wissentliche Pflichtverletzung des Notars nicht gegeben.
4
Die Beklagte hält dem entgegen, dass auch ein Vorleistungsanspruch nach § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO nicht bestehe, weil die Klägerin gegenüber dem Vertrauensschadenversicherer die in den dortigen Versicherungsbedingungen (im Folgenden kurz: VSV) enthaltene Meldefrist für den Schaden versäumt habe. Diese Bestimmung (§ 4 Nr. 2 VSV) lautet : "Eine Versicherungsleistung ist ausgeschlossen aufgrund von Schäden, … 2. die später als vier Jahre nach ihrer Verursachung dem Versicherer gemeldet werden; … …"
7
Es ist unstreitig, dass diese Frist in beiden Schadenfällen im März 2000 zu laufen begonnen hat. Die Notarkammer, die dem Rechtsstreit als Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten beigetreten ist, hat von den Schäden erst im Januar 2006 erfahren.
8
Die Klägerin meint, die Beklagte könne sich auf den Ablauf der Ausschlussfrist nicht berufen. Vom Inhalt des Vertrauensschadenversicherungsvertrages habe sie erst im Jahre 2008 erfahren und sie sei auch nicht verpflichtet gewesen, sich anderweitig über die darin enthaltene Ausschlussfrist Kenntnis zu verschaffen. Außerdem habe sie innerhalb der Meldefrist keine genügenden Anhaltspunkte für eine wissentliche Amtspflichtverletzung im konkreten Einzelfall gehabt und ihren Haftpflichtanspruch zudem in zwei Instanzen gerichtlich durchsetzen müssen , weil der Notar und die ihm Deckungsschutz gewährende Beklagte bereits das Vorliegen einer Amtspflichtverletzung bestritten hätten. Es sei daher treuwidrig, wenn sich die Beklagte nunmehr darauf berufe, die Amtspflichtverletzung sei als wissentliche Pflichtverletzung erkennbar gewesen.
9
Das Landgericht hat der Klage bis auf die Prozesskosten, das Berufungsgericht hat ihr insgesamt stattgegeben.

10
Dagegen wendet sich die Streithelferin der Beklagten mit der Revision.

Entscheidungsgründe:


11
Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
12
I. Das Berufungsgericht hat ein Verschulden sowohl der Klägerin als auch der Nebenintervenientin an der Versäumung der Meldefrist verneint , weshalb sich die Beklagte auf die Fristversäumnis nicht berufen könne. Die Nebenintervenientin habe erst nach Fristablauf von den Schäden erfahren und die Klägerin habe nicht von einer wissentlichen Pflichtverletzung des Notars ausgehen müssen.
13
Insoweit komme es allein auf den im Haftpflichtprozess festgestellten Pflichtverstoß an. Das sei nach dem Haftpflichturteil ein Verstoß des Notars gegen ihm obliegende Warn- und Hinweispflichten. Es sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin eine wissentliche Pflichtverletzung des Notars im Hinblick gerade auf diese Amtspflichtverletzung übersehen gehabt habe, die auch erst vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main angenommen worden sei, nachdem im Verfahren vor dem Landgericht noch Verstöße gegen Treuhandauflagen im Mittelpunkt gestanden hätten.
14
Dagegen komme es nicht darauf an, dass die Klägerin dem Notar schon früher pauschal die Beteiligung an betrügerischen Verfahrenswei- sen vorgeworfen und in den Jahren 2003/2004 Einsicht in die Strafakten genommen habe. Zwar könnten der Klägerin schon vor Ablauf der Ausschlussfrist Unregelmäßigkeiten in der Dienstausübung des Notars aufgefallen sein; das böte aber keine Anhaltspunkte dafür, dass sie eine wissentliche Pflichtverletzung im Hinblick auf die hier maßgeblichen Warn- und Hinweispflichten übersehen hätte. An diesem Erfordernis mit strengem Maßstab festzuhalten sei notwendig, weil nur der im Haftpflichtprozess festgestellte Pflichtverstoß die Grundlage für den Risikoausschluss wissentlicher Pflichtverletzung bilden könne.
15
Darauf, ob die Klägerin Kenntnis von den Bedingungen der Vertrauensschadenversicherung haben musste, komme es danach nicht mehr an. Aber auch dies sei zu verneinen.
16
II. Dies hält rechtlicher Nachprüfungnicht stand.
17
1. Keinen Bedenken begegnet es allerdings, dass das Berufungsgericht keine Feststellungen zur Wissentlichkeit der Pflichtverletzung des Notars getroffen hat. Ihr Vorliegen ist im Rechtsstreit des Versicherungsnehmers oder des Geschädigten gegen den Berufshaftpflichtversicherer für die Frage der Vorleistungspflicht zu unterstellen. Der Berufshaftpflichtversicherer ist gemäß § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO gerade dann vorleistungspflichtig , wenn - wie im Streitfall - die Wissentlichkeit der Pflichtverletzung in Rede steht und andere Leistungsverweigerungsgründe des Berufshaftpflichtversicherers nicht bestehen. Die Vorleistungspflicht des Berufshaftpflichtversicherers setzt indes weiter voraus, dass er im Falle einer wissentlichen Pflichtverletzung beim Vertrauensschadenversicherer Regress nehmen kann; seine Pflicht wird durch diese Regressansprüche begrenzt (Senatsurteil vom 20. Juli 2011 - IV ZR 209/10, VersR 2011, 1264 Rn. 9). Sie entfällt deshalb grundsätzlich bei einer Fristversäumnis der Meldung des Schadenfalles beim Vertrauensschadenversicherer.
18
2. Etwas anderes gilt - wie das Berufungsgericht ebenfalls noch zutreffend gesehen hat -, wenn die Frist unverschuldet versäumt wurde. Denn bleibt der Berufshaftpflichtversicherer - hier also die Beklagte - vorleistungspflichtig , weil sich der Vertrauensschadenversicherer in diesem Fall auf die Versäumung der Frist nicht berufen kann (Senatsurteil vom 20. Juli 2011 - IV ZR 180/10, VersR 2011, 1173 Rn. 30) und die Regressmöglichkeit im Verhältnis der Versicherer damit fortbesteht.
19
3. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht ein Verschulden der Klägerin bei der Versäumung der Meldefrist verneint hat, ist jedoch von Rechtsfehlern beeinflusst und kann deshalb keinen Bestand haben. Somit ist die Zurückverweisung der Sache zur erneuten Prüfung fehlenden Verschuldens erforderlich.
20
a) Wie der Senat bereits zu parallel gelagerten Ausschlussfristen in § 4 Nr. 4 ARB 1975 und § 12 Abs. 3 VVG a.F. entschieden hat, unterliegt es im wesentlichen tatrichterlicher Würdigung, die der revisionsrechtlichen Nachprüfung nur in beschränktem Umfange zugänglich ist, ob im Einzelfall davon auszugehen ist, dass den Versicherungsnehmer kein Verschulden trifft (Senatsurteile vom 15. April 1992 - IV ZR 198/91, VersR 1992, 819 unter II 2 und vom 11. Februar 1987 - IVa ZR 144/85, VersR 1987, 897 unter I 2).

21
b) Der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterfällt dabei jedoch die Frage, ob das Berufungsgericht die für ein etwaiges Verschulden maßgeblichen Umstände vollständig gewürdigt und ob es der Prüfung fehlenden Verschuldens zutreffende Grundsätze zugrunde gelegt hat. Beides ist im Streitfall zu verneinen.
22
aa) Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings ein Verschulden der Klägerin als der Geschädigten geprüft. Das Unterlassen einer rechtzeitigen Schadenmeldung stellt ein Verhalten des Versicherten i.S. von § 79 Abs. 1 VVG a.F. dar. Hierfür gilt die Ausnahmeregelung des § 79 Abs. 2 VVG a.F. nicht.
23
bb) Das Berufungsgericht hat jedoch einen falschen Maßstab an die Prüfung eines Verschuldens der Geschädigten angelegt.
24
(1) Das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 22. Januar 2013 - 9 U 141/12, nicht veröffentlicht) und das Kammergericht (Urteil vom 24. April 2012 - 6 U 92/10, juris) vertreten hinsichtlich dieses Maßstabs die Auffassung , dass der Geschädigte zur Abgabe einer vorsorglichen Schadenmeldung beim Vertrauensschadenversicherer bereits dann gehalten sei, wenn er - und sei es nur aufgrund einer "Gesamtschau" ihm bekannter Umstände (so Oberlandesgericht Köln aaO) - allgemein hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Vertrauensschadenfalles habe, mag er auch die konkret vorliegende Pflichtverletzung noch nicht erkannt haben und mögen auch die maßgeblichen Anspruchsvoraussetzungen aus seiner Sicht noch nicht feststehen.

25
(2) Demgegenüber liegt dem Berufungsurteil die Ansicht zugrunde, dass der Geschädigte erst dann zur Schadenmeldung gehalten sei, wenn er hinreichende Anhaltspunkte für genau diejenige Pflichtverletzung des Notars habe, die in einem späteren Haftpflichtprozess als schadenursächlich festgestellt worden sei.
26
(3) Diese Auffassung des Berufungsgerichts ist zu eng.
27
Bereits in einer früheren Entscheidung hat der Senat ausgesprochen , dass an die Meldung des Versicherungsfalles keine hohen Anforderungen zu stellen sind und insbesondere eine schlüssige Darlegung nicht erforderlich ist (Senatsurteil vom 20. Juli 2011 - IV ZR 180/10, VersR 2011, 1173 Rn. 35). Dies ergibt sich aus dem Zweck der Meldefrist , die auf dem Interesse des Vertrauensschadenversicherers beruht, sich Gewissheit über seine Leistungspflicht verschaffen zu können und nicht erst zu einem Zeitpunkt in Anspruch genommen zu werden, in dem die Aufklärung von Ursachenzusammenhang und Wissentlichkeit der Pflichtverletzung infolge Zeitablaufs erschwert ist. Diesen Zweck könnte die Schadenmeldung nur eingeschränkt erfüllen, wenn ihre Abgabe erst erforderlich würde, sobald der Versicherungsnehmer oder Geschädigte konkretes Wissen um genau die in einem späteren Haftpflichtprozess festgestellte Pflichtverletzung des Notars hat. Abgesehen davon, dass es nicht in jedem Vertrauensschadenfall zu einem vorherigen Haftpflichtprozess kommt, würde damit ein Wissen vorausgesetzt, dass bereits eine schlüssige Darlegung der wissentlichen Pflichtverletzung ermöglicht. Deshalb ist eine Schadenmeldung jedenfalls noch vor Fristablauf bereits dann geboten, wenn dem Versicherungsnehmer oderdem Geschädigten zu diesem Zeitpunkt Erkenntnisse vorliegen - woher auch immer diese rühren mögen -, nach denen für diesen Fall die ernsthafte Möglichkeit eines Vertrauensschadenfalles im Raum steht.
28
Nach diesem Maßstab wird das Berufungsgericht erneut zu prüfen haben, ob der Klägerin spätestens nach der Akteneinsicht auch schon ohne genaue Kenntnis von der später konkret festgestellten Pflichtverletzung hinreichende Erkenntnisse vorlagen, die eine jedenfalls vorsorgliche Schadenmeldung geboten erscheinen ließen, selbst wenn ihr noch keine schlüssige Anspruchsbegründung möglich war. In diesem Rahmen wird es sich auch mit dem Vortrag der Beklagten zur Kenntnis von Überfinanzierungen auseinanderzusetzen haben.
29
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass es auf die von der Klägerin durch die Akteneinsicht gewonnenen Erkenntnisse selbst dann ankommen kann, wenn ihr Vortrag zutrifft, dass sie erst im September 2004 die Akteneinsicht beantragt habe, wozu das Berufungsgericht bislang keine Feststellungen getroffen hat. Zwar wäre die Frist zur Schadenmeldung bereits versäumt gewesen, wenn erst im September 2004 oder noch später gewonnene Erkenntnisse hinreichenden Anlass zu einer Schadenmeldung gaben. In diesem Fall hätte die Klägerin jedoch zur Vermeidung eines Verschuldens die Schadenmeldung unverzüglich nachholen müssen (vgl. Senatsurteil vom 5. Juli 1995 - IV ZR 43/93, BGHZ 130, 171, 175 für die Geltendmachung von Invalidität nach Versäumung der 15-Monats-Frist), was sie ebenfalls nicht getan hat.
30
cc) Soweit das Berufungsgericht ein fehlendes Verschulden der Klägerin deshalb angenommen hat, weil sie keine Kenntnis von der Ausschlussfrist in den Versicherungsbedingungen haben musste, vermag auch diese Erwägung das angefochtene Urteil nicht zu tragen. Das Beru- fungsgericht hat sich insoweit nicht mit dem Vortrag der Beklagten auseinandergesetzt , die Klägerin habe als Mitglied des Bundesverbandes Deutscher Banken aufgrund der Korrespondenz zwischen dessen Zentralem Kreditausschuss und dem Vertrauensschadenfonds schon im Jahre 1989 positive Kenntnis von der Ausschlussklausel erlangt, da die Zusammenfassung des Versicherungskonzepts durch den Fonds in einem Schreiben vom 19. Oktober 1989 allen Mitgliedsinstituten zur Verfügung gestellt worden sei; zumindest habe ihr der Inhalt der Klausel danach bekannt sein müssen.
31
Es hat zur Begründung seiner Auffassung in diesem Punkt lediglich pauschal auf die Ausführungen unter II 2.2. seines Urteils vom 11. April 2012 im Verfahren 25 U 2377/09 (juris Rn. 39) verwiesen. Diese Bezugnahme ist schon deshalb nicht geeignet, das Vorbringen der Beklagten zur konkreten Kenntnis der Klägerin zu bescheiden, weil Klägerin in jenem Verfahren keine Bank, sondern eine Bausparkasse war und das Berufungsgericht im Hinblick auf diesen Umstand argumentiert hatte, es sei nicht aufgezeigt, dass die (dortige) Klägerin als Bausparkasse an der Vereinbarung zwischen dem Vertrauensschadenfonds und der Kreditwirtschaft beteiligt war und daher Kenntnis von der Ausschlussklausel haben müsste. Diese Erwägung trifft im Streitfall ersichtlich nicht zu.
32
Davon abgesehen hat der Senat für den Versicherungsnehmer selbst bereits entschieden, dass dieser sich zumindest nach Eintritt eines Ereignisses, das einen Versicherungsfall darstellen könnte, über den wesentlichen Inhalt der Bedingungen informieren muss; anderenfalls beruhe seine Unkenntnis auf Fahrlässigkeit (Senatsurteil vom 15. April 1992 - IV ZR 198/91, VersR 1992, 819 unter II 2 a). Nichts anderes besagt der im Berufungsurteil zitierte Satz aus dem Senatsurteil vom 20. Juli 2011 (IV ZR 180/10, VersR 2011, 1173 Rn. 30), wonach der Geschädigte sich vielfach erst Kenntnis von den Versicherungsbedingungen verschaffen muss. Bei Vorliegen eines möglichen Versicherungsfalles hat er hinreichende Veranlassung, genau das zu tun. Jedenfalls gilt dies für solche durch die Vertrauensschadenversicherung der Notare geschützte Banken, die ständig mit Treuhandaufträgen an Notare zu tun haben.
33
Das Berufungsgericht wird daher auch neu zu prüfen haben, ob die Klägerin Kenntnis von der Ausschlussfrist in den Versicherungsbedingungen hatte und ob eine etwaige Unkenntnis unverschuldet war.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 25.03.2010- 26 O 6964/08 -
OLG München, Entscheidung vom 30.11.2012 - 25 U 2625/10 -
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2. Das Berufungsgericht wird sich daher mit der Frage zu befassen haben, ob die Ausschlussfrist in § 4 Ziff. 2 AVB einer Einstandspflicht des Vertrauensschadenversicherers und damit einer Vorleistungspflicht der Beklagten entgegensteht.

(1) Der Notar ist verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung zu unterhalten zur Deckung der Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden, die sich aus seiner Berufstätigkeit und der Tätigkeit von Personen ergeben, für die er haftet. Die Versicherung muß bei einem im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Versicherungsunternehmen zu den nach Maßgabe des Versicherungsaufsichtsgesetzes eingereichten allgemeinen Versicherungsbedingungen genommen werden. Die Versicherung muß für alle nach Satz 1 zu versichernden Haftpflichtgefahren bestehen und für jede einzelne Amtspflichtverletzung gelten, die Haftpflichtansprüche gegen den Notar zur Folge haben könnte.

(2) Vom Versicherungsschutz können ausgeschlossen werden

1.
Ersatzansprüche wegen wissentlicher Amtspflichtverletzung,
2.
Ersatzansprüche aus der Tätigkeit im Zusammenhang mit der Beratung über außereuropäisches Recht, es sei denn, daß die Amtspflichtverletzung darin besteht, daß die Möglichkeit der Anwendbarkeit dieses Rechts nicht erkannt wurde,
3.
Ersatzansprüche wegen Veruntreuung durch Personal des Notars, soweit nicht der Notar wegen fahrlässiger Verletzung seiner Amtspflicht zur Überwachung des Personals in Anspruch genommen wird.
Ist bei Vorliegen einer Amtspflichtverletzung nur streitig, ob der Ausschlußgrund gemäß Nummer 1 vorliegt, und lehnt der Berufshaftpflichtversicherer deshalb die Regulierung ab, hat er gleichwohl bis zur Höhe der für den Versicherer, der Schäden aus vorsätzlicher Handlung deckt, geltenden Mindestversicherungssumme zu leisten. Soweit der Berufshaftpflichtversicherer den Ersatzberechtigten befriedigt, geht der Anspruch des Ersatzberechtigten gegen den Notar, die Notarkammer, den Versicherer gemäß § 67 Abs. 3 Nr. 3 oder einen sonstigen Ersatzberechtigten auf ihn über. Der Berufshaftpflichtversicherer kann von den Personen, für deren Verpflichtungen er gemäß Satz 2 einzustehen hat, wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen.

(3) Die Mindestversicherungssumme beträgt 500.000 Euro für jeden Versicherungsfall. Die Leistungen des Versicherers für alle innerhalb eines Versicherungsjahres verursachten Schäden dürfen auf den doppelten Betrag der Mindestversicherungssumme begrenzt werden. Der Versicherungsvertrag muß dem Versicherer die Verpflichtung auferlegen, der Landesjustizverwaltung und der Notarkammer den Beginn und die Beendigung oder Kündigung des Versicherungsvertrages sowie jede Änderung des Versicherungsvertrages, die den vorgeschriebenen Versicherungsschutz beeinträchtigt, unverzüglich mitzuteilen. Im Versicherungsvertrag kann vereinbart werden, daß sämtliche Amtspflichtverletzungen bei der Erledigung eines einheitlichen Amtsgeschäftes, mögen diese auf dem Verhalten des Notars oder einer von ihm herangezogenen Hilfsperson beruhen, als ein Versicherungsfall gelten.

(4) Die Vereinbarung eines Selbstbehaltes bis zu einem Prozent der Mindestversicherungssumme ist zulässig.

(5) Zuständige Stelle im Sinne des § 117 Abs. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes ist die Landesjustizverwaltung.

(6) Die Landesjustizverwaltung oder die Notarkammer, der der Notar angehört, erteilt Dritten zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen auf Antrag Auskunft über den Namen und die Adresse der Berufshaftpflichtversicherung des Notars sowie die Versicherungsnummer, soweit der Notar kein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an der Nichterteilung der Auskunft hat; dies gilt auch, wenn das notarielle Amt erloschen ist.

(7) (weggefallen)