Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Nov. 2006 - XII ZR 175/04

bei uns veröffentlicht am29.11.2006
vorgehend
Amtsgericht Stade, 61 C 473/01, 21.01.2003
Landgericht Stade, 4 S 5/03, 05.08.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZR 175/04
vom
29. November 2006
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. November 2006 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Fuchs und Dr. Ahlt, die Richterin
Dr. Vézina sowie den Richter Dose

beschlossen:
Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt die Revision des Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 5. August 2004 gemäß § 552 a ZPO zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für deren Zulassung nicht vorliegen und die Revision auch keine Aussicht auf Erfolg hat. Es wird Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 5. Januar 2007 gegeben.

Gründe:


I.

1
1. Das Berufungsgericht hat die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen. Dieser Zulassungsgrund setzt entweder Divergenz (Abweichung von einer höherrangigen Entscheidung des BGH oder eines anderen Berufungsgerichts) oder einen Rechtsfehler voraus, der geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen (insbesondere Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG oder Art. 103 GG, BGHZ 154, 288, 295). Für das Vorliegen einer dieser Fälle trägt die Revision nichts vor. Das Berufungsurteil enthält in seinen Gründen insoweit auch keinen Anhaltspunkt.
2
2. Der hier somit allein in Betracht kommende Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. ZPO) liegt vor, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Hierzu besteht nur dann Anlass, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (BGHZ 151, 221, 225; 154, 288, 292).
3
a) Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Die vom Berufungsgericht als klärungsbedürftig angesehene Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Untermieter bei Beendigung des Hauptmietverhältnisses verpflichtet ist, an seinen Untervermieter Miete zu zahlen, kann im vorliegenden Fall anhand der hierzu ergangenen Rechtsprechung beantwortet werden.
4
Gemäß §§ 541, 537 BGB a.F. ist der Untermieter von der Entrichtung der Miete befreit, wenn ihm der vertragsgemäße Gebrauch durch das Recht eines Dritten entzogen wird. Der Anspruch des Hauptvermieters, nach Beendigung des Hauptmietvertrages die Herausgabe der Mietsache auch von dem Untermieter zu verlangen (§ 556 Abs. 3 BGB a.F.), ist ein solches Recht im Sinne von § 541 BGB a.F. Nach ständiger Rechtsprechung führt allerdings die bloße Existenz des Rechts eines Dritten noch nicht zu einem Rechtsmangel gemäß § 541 BGB a.F. Dieser entsteht vielmehr erst dann, wenn der Dritte sein Recht in einer Weise geltend macht, die zu einer Beeinträchtigung des Gebrauchs durch den Mieter führt (Senatsurteile vom 4. Oktober 1995 - XII ZR 215/94 - NJW 1996, 46, 47, vom 18. Januar 1995 - XII ZR 30/93 - NJW-RR 1995, 715; BGH Urteil vom 2. November 1988 - VIII ZR 7/88 - NJW-RR 1989, 77, 78 m.w.N.).
5
Hier ist das Berufungsgericht von dem konkludenten Abschluss eines Mietvertrages zwischen der Klägerin und der Eigentümerin und einer dadurch erfolgten Ausübung des der Eigentümerin nach Beendigung des Hauptmietvertrages wieder zugefallenen Nutzungsrechts ausgegangen. Durch den Abschluss des Mietvertrages hat die Eigentümerin ihr Nutzungsrecht in einer Weise ausgeübt, die dazu geführt hat, dass nicht mehr der Beklagte, sondern die Eigentümerin der Klägerin der Gebrauch der Mietsache gewährt. Es geht somit im vorliegenden Fall nur um die Anwendung der oben genannten Rechtsprechung auf den Einzelfall.
6
b) Auch wenn der geltend gemachte Zulassungsgrund vorgelegen hätte, ist dieser jedenfalls seit der Senatsentscheidung vom 12. Juli 2006 (- XII ZR 178/03 - NZM 2006, 699) entfallen. In dieser Entscheidung hat der Senat die vom Berufungsgericht als klärungsbedürftig angesehene Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Untermieter nach Beendigung des Hauptmietverhältnisses verpflichtet ist, an seinen Untervermieter den Mietzins zu zahlen, ausdrücklich beantwortet. Danach wird der Untermieter gemäß §§ 541, 537 BGB a.F. von seiner Verpflichtung zur Zahlung weiterer Untermiete frei, wenn er mit dem Hauptvermieter nach Beendigung des Hauptmietvertrages unmittelbar einen neuen Mietvertrag abschließt und die Miete an diesen zahlt. Denn durch den Abschluss des neuen Mietvertrages mit dem Hauptvermieter leitet der Untermieter seinen unmittelbaren Besitz nicht mehr von dem Untervermieter ab, der nicht mehr zum Besitz berechtigt ist, sondern unmittelbar von dem Hauptvermieter. Darin liegt ein nachträglicher Rechtsmangel, der die Untermiete nach §§ 541, 537 BGB a.F. auf Null mindert.
7
Der Wegfall eines Zulassungsgrundes steht der Zurückweisung der Revision gemäß § 552 a ZPO nicht entgegen, da es für die Frage, ob ein Zulassungsgrund vorliegt, auf den Zeitpunkt der Zurückweisungsentscheidung ankommt (BGH Beschluss vom 20. Januar 2005 - I ZR 255/02 - NJW-RR 2005, 650).

II.

8
Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
9
1. Das Berufungsgericht ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass zwischen der Klägerin/dem Zedenten und der Eigentümerin durch konkludentes Verhalten ein Mietvertrag abgeschlossen worden ist. Soweit die Revision meint, allein aus den Mietzahlungen könne nicht auf den Abschluss eines Mietvertrages geschlossen werden, versucht sie ihre eigene Würdigung der Umstände an die Stelle der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung des Berufungsgerichts zu setzen. Auch widerspricht die Annahme des Berufungsgerichts nicht dem eigenen Vortrag der Klägerin. Vielmehr hat diese behauptet, dass sie sich mit der Eigentümerin, nachdem diese sie zur Räumung aufgefordert habe, auf die Zahlung einer monatlichen Miete von 1.900 DM geeinigt und dementsprechend seit Juli 1998 die vereinbarte Miete an die Eigentümerin gezahlt habe.
10
2. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe dem Zedenten den Mietgebrauch nicht mehr gewähren können, nachdem die Eigentümerin ihn zur Räumung aufgefordert und einen eigenen Mietvertrag mit dem Zeden- ten/der Klägerin abgeschlossen habe, steht in Einklang mit der oben genannten Rechtsprechung des Senats.
Hahne Fuchs Ahlt Vézina Dose

Vorinstanzen:
AG Stade, Entscheidung vom 21.01.2003 - 61 C 473/01 -
LG Stade, Entscheidung vom 05.08.2004 - 4 S 5/03 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Nov. 2006 - XII ZR 175/04

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Nov. 2006 - XII ZR 175/04

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Nov. 2006 - XII ZR 175/04 zitiert 7 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 556 Vereinbarungen über Betriebskosten


(1) Die Vertragsparteien können vereinbaren, dass der Mieter Betriebskosten trägt. Betriebskosten sind die Kosten, die dem Eigentümer oder Erbbauberechtigten durch das Eigentum oder das Erbbaurecht am Grundstück oder durch den bestimmungsmäßigen Gebr

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 537 Entrichtung der Miete bei persönlicher Verhinderung des Mieters


(1) Der Mieter wird von der Entrichtung der Miete nicht dadurch befreit, dass er durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Ausübung seines Gebrauchsrechts gehindert wird. Der Vermieter muss sich jedoch den Wert der ersparten Aufwendungen so

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 541 Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch


Setzt der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz einer Abmahnung des Vermieters fort, so kann dieser auf Unterlassung klagen.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Nov. 2006 - XII ZR 175/04 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Nov. 2006 - XII ZR 175/04 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Jan. 2005 - I ZR 255/02

bei uns veröffentlicht am 20.01.2005

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS I ZR 255/02 vom 20. Januar 2005 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ : nein BGHR : ja SIM-Lock II ZPO § 552a Für die Beurteilung nach § 552a ZPO, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Re

Referenzen

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Setzt der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz einer Abmahnung des Vermieters fort, so kann dieser auf Unterlassung klagen.

(1) Der Mieter wird von der Entrichtung der Miete nicht dadurch befreit, dass er durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Ausübung seines Gebrauchsrechts gehindert wird. Der Vermieter muss sich jedoch den Wert der ersparten Aufwendungen sowie derjenigen Vorteile anrechnen lassen, die er aus einer anderweitigen Verwertung des Gebrauchs erlangt.

(2) Solange der Vermieter infolge der Überlassung des Gebrauchs an einen Dritten außerstande ist, dem Mieter den Gebrauch zu gewähren, ist der Mieter zur Entrichtung der Miete nicht verpflichtet.

(1) Die Vertragsparteien können vereinbaren, dass der Mieter Betriebskosten trägt. Betriebskosten sind die Kosten, die dem Eigentümer oder Erbbauberechtigten durch das Eigentum oder das Erbbaurecht am Grundstück oder durch den bestimmungsmäßigen Gebrauch des Gebäudes, der Nebengebäude, Anlagen, Einrichtungen und des Grundstücks laufend entstehen. Für die Aufstellung der Betriebskosten gilt die Betriebskostenverordnung vom 25. November 2003 (BGBl. I S. 2346, 2347) fort. Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Vorschriften über die Aufstellung der Betriebskosten zu erlassen.

(2) Die Vertragsparteien können vorbehaltlich anderweitiger Vorschriften vereinbaren, dass Betriebskosten als Pauschale oder als Vorauszahlung ausgewiesen werden. Vorauszahlungen für Betriebskosten dürfen nur in angemessener Höhe vereinbart werden.

(3) Über die Vorauszahlungen für Betriebskosten ist jährlich abzurechnen; dabei ist der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Die Abrechnung ist dem Mieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen. Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung einer Nachforderung durch den Vermieter ausgeschlossen, es sei denn, der Vermieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten. Der Vermieter ist zu Teilabrechnungen nicht verpflichtet. Einwendungen gegen die Abrechnung hat der Mieter dem Vermieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Zugang der Abrechnung mitzuteilen. Nach Ablauf dieser Frist kann der Mieter Einwendungen nicht mehr geltend machen, es sei denn, der Mieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten.

(3a) Ein Glasfaserbereitstellungsentgelt nach § 72 Absatz 1 des Telekommunikationsgesetzes hat der Mieter nur bei wirtschaftlicher Umsetzung der Maßnahme zu tragen. Handelt es sich um eine aufwändige Maßnahme im Sinne von § 72 Absatz 2 Satz 4 des Telekommunikationsgesetzes, hat der Mieter die Kosten nur dann zu tragen, wenn der Vermieter vor Vereinbarung der Glasfaserbereitstellung soweit möglich drei Angebote eingeholt und das wirtschaftlichste ausgewählt hat.

(4) Eine zum Nachteil des Mieters von Absatz 1, Absatz 2 Satz 2, Absatz 3 oder Absatz 3a abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

Setzt der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz einer Abmahnung des Vermieters fort, so kann dieser auf Unterlassung klagen.

(1) Der Mieter wird von der Entrichtung der Miete nicht dadurch befreit, dass er durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Ausübung seines Gebrauchsrechts gehindert wird. Der Vermieter muss sich jedoch den Wert der ersparten Aufwendungen sowie derjenigen Vorteile anrechnen lassen, die er aus einer anderweitigen Verwertung des Gebrauchs erlangt.

(2) Solange der Vermieter infolge der Überlassung des Gebrauchs an einen Dritten außerstande ist, dem Mieter den Gebrauch zu gewähren, ist der Mieter zur Entrichtung der Miete nicht verpflichtet.

Setzt der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz einer Abmahnung des Vermieters fort, so kann dieser auf Unterlassung klagen.

(1) Der Mieter wird von der Entrichtung der Miete nicht dadurch befreit, dass er durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Ausübung seines Gebrauchsrechts gehindert wird. Der Vermieter muss sich jedoch den Wert der ersparten Aufwendungen sowie derjenigen Vorteile anrechnen lassen, die er aus einer anderweitigen Verwertung des Gebrauchs erlangt.

(2) Solange der Vermieter infolge der Überlassung des Gebrauchs an einen Dritten außerstande ist, dem Mieter den Gebrauch zu gewähren, ist der Mieter zur Entrichtung der Miete nicht verpflichtet.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 255/02
vom
20. Januar 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
SIM-Lock II
Für die Beurteilung nach § 552a ZPO, ob die Voraussetzungen für die Zulassung
der Revision vorliegen, ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts
maßgeblich.
BGH, Beschl. v. 20. Januar 2005 - I ZR 255/02 - OLG Frankfurt a.M.
LG Frankfurt a.M.
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Januar 2005 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Pokrant, Dr. Büscher,
Dr. Schaffert und Dr. Bergmann

beschlossen:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 15. August 2002 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auf 150.000 € festgesetzt.

Gründe:


I. Die Klägerin, die Inhaberin der für "Geräte und Anlagen für den Mobilfunk" eingetragenen Marke "S. " ist, stellt Mobiltelefone her, die mit einem sog. SIM-Lock versehen sind. Dieser bewirkt, daß die Mobiltelefone nur im Netz eines bestimmten Netzbetreibers verwendet werden können.
Der Beklagte hat von der Klägerin hergestellte und mit ihrer Marke versehene Mobiltelefone, bei denen die Sperre entfernt worden war, vertrieben und selbst Entsperrungen vorgenommen.
Die Klägerin hat den Beklagten - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - wegen Verletzung ihrer Markenrechte auf Auskunft und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat den Beklagten zur Auskunftserteilung verurteilt und seine Verpflichtung festgestellt, Schadensersatz zu leisten. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (OLG Frankfurt GRUR-RR 2002, 327). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
II. Die Revision wird zurückgewiesen, weil die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht mehr vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 552a Satz 1 ZPO).
1. Die Revision ist zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die klärungsbedürftige Frage von grundsätzlicher Bedeutung, die sich dem Berufungsgericht im vorliegenden Fall stellte, hat der Senat inzwischen im Urteil vom 9. Juni 2004 - I ZR 13/02 (WRP 2005, 106 - SIM-Lock) entschieden. Eine die Erschöpfung nach § 24 Abs. 1 MarkenG ausschließende Produktveränderung i.S. von § 24 Abs. 2 MarkenG liegt danach vor, wenn Mobiltelefone, mit denen aufgrund einer Sperre (sog. SIM-Lock) nur in einem bestimmten Mobilfunknetz telefoniert werden kann, nach dem Inverkehrbringen durch den Markeninhaber ohne dessen Zustimmung von einem Dritten entsperrt werden.
Danach lagen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision zwar im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts vor. Sie sind jedoch aufgrund der "SIM-Lock"-Entscheidung des Senats zwischenzeitlich entfallen. Die-
ser Fall wird vom Regelungsbereich des § 552a ZPO erfaßt. Denn maßgeblich für die Beurteilung nach § 552a ZPO, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision vorliegen, ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts (vgl. Begründung der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 15/3482, S. 19; Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 552a Rdn. 3; Musielak/Ball, ZPO, 4. Aufl., § 552a Rdn. 2; Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., Anh. § 552a).
2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Sinne der Entscheidung "SIM-Lock" erkannt.

a) Der Beklagte ist zur Auskunft nach § 19 Abs. 1 und Abs. 2 MarkenG, § 242 BGB und zum Schadensersatz nach § 14 Abs. 6 MarkenG verpflichtet.
Der Beklagte hat mit der Marke "S. " gekennzeichnete Mobiltelefone ohne Zustimmung der Klägerin vertrieben (§ 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2 MarkenG). Der markenrechtliche Schutz war nicht aufgrund Erschöpfung nach § 24 Abs. 1 MarkenG ausgeschlossen, weil die Klägerin sich dem weiteren Vertrieb der Mobiltelefone aus berechtigten Gründen i.S. von § 24 Abs. 2 MarkenG widersetzen konnte. Die Aufhebung der Sperre (SIM-Lock) der Mobiltelefone stellte eine Produktveränderung dar, die die Erschöpfung nach § 24 Abs. 1 MarkenG ausschloß (vgl. BGH WRP 2005, 106, 108 - SIM-Lock). Die Markenrechtsverletzung hat der Beklagte, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, jedenfalls fahrlässig begangen.

b) Entgegen der Ansicht der Revision erfassen der Auskunfts- und der Feststellungsantrag nicht auch Fälle, in denen die Klägerin der Aufhebung der Sperre zugestimmt hat. Aus den Gründen des Berufungsurteils, die zur Auslegung des Urteilstenors heranzuziehen sind, ergibt sich, daß eine Markenverlet-
zung nur dann vorliegt, wenn die Aufhebung der Sperre ohne Zustimmung der Klägerin erfolgt ist.

c) Zu Recht hat das Berufungsgericht eine rechtsmißbräuchliche Geltendmachung des Markenrechts durch die Klägerin verneint. Diese braucht einen Weitervertrieb der mit ihrer Marke gekennzeichneten Waren nicht hinzunehmen , wenn der Originalzustand der von ihr produzierten und vertriebenen Mobiltelefone von dem Beklagten oder durch Dritte verändert worden ist.
Auch soweit sich die Revision auf eine irreführende Werbung eines Netzbetreibers gegenüber Endkunden, einen Verdrängungswettbewerb gegenüber dem Handel und einem Verkauf unter Einstandspreis beruft, verhilft ihr dies nicht zum Erfolg. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, daß die Klägerin hieran beteiligt ist. Durchgreifende Verfahrensrügen dagegen hat die Revision nicht erhoben.
Die Entfernung des "SIM-Lock" stellt sich entgegen der Meinung der Revision auch nicht als Fehlerberichtigung i.S. von § 69d UrhG dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Ullmann Pokrant Büscher
Schaffert Bergmann