Bundesgerichtshof Beschluss, 13. März 2013 - XII ZB 398/12
vorgehend
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Beteiligte zu 1 (im Folgenden: Vormundschaftsverein) begehrt die Entlassung aus der Führung einer Ergänzungspflegschaft und die Bestellung seiner Mitarbeiterin, der Beteiligten zu 2, zur Vereinspflegerin.
- 2
- Im Jahr 2006 wurde den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen und der Vormundschaftsverein zum Pfleger für das Kind bestellt. Für ihn übernahm die Beteiligte zu 2 die Führung der Pflegschaft.
- 3
- Nach der Änderung der Senatsrechtsprechung im Jahr 2011, wonach ein zum Vormund bestellter Verein keine Vergütung mehr beanspruchen kann (Senatsbeschluss vom 25. Mai 2011 - XII ZB 625/10 - FamRZ 2011, 1394), hat der Vormundschaftsverein u. a. beantragt, ihn aus dem Amt des Pflegers zu entlassen und die Beteiligte zu 2 als Vereinspflegerin analog § 1897 Abs. 2 BGB zu bestellen. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Das Beschwerdegericht hat die hiergegen eingelegte Beschwerde des Vormundschaftsvereins zurückgewiesen. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt er seine Anträge weiter.
II.
- 4
- Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
- 5
- 1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Der Vormundschaftsverein habe seine gemäß §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1791 a Abs. 1 Satz 2 aE BGB notwendige Einwilligung bei der im Jahr 2006 erfolgten Bestellung zum Pfleger auf der Grundlage erteilt, dass seine Tätigkeit nach der damaligen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht vergütungsfähig gewesen sei. Entsprechend habe er zunächst auch keine Vergütung beansprucht. Dies habe sich erst nach der Rechtsprechungsänderung im Jahr 2007 geändert (BGH FamRZ 2007, 900 f.). Die abermalige Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Vergütungsfähigkeit von Vormundschaften und Pflegschaften , die durch einen zum Vormund/Pfleger bestellten Verein geführt würden , dahin, dass diese Vereine gemäß § 1836 Abs. 3 BGB keinen Anspruch auf Vergütung und Auslagenersatz hätten (BGH FamRZ 2011, 1394), berühre daher die Grundlage der Einwilligung des Beteiligten zu 1 in seine Bestellung nicht. Allein darauf komme es aber für die Frage an, ob ein Wechsel des Pflegers vorzunehmen sei. Entscheidend sei, ob der Verein bereits bei seiner Bestellung von der Vergütungsfähigkeit seiner Tätigkeit habe ausgehen können. Nur dann führe deren Wegfall zu einer veränderten Situation gegenüber derje- nigen zum Zeitpunkt der Einwilligung in die Bestellung. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerdebegründung sei daher allein der Umstand, dass nur bei Bestellung eines Vereinspflegers eine Vergütung verlangt werden könne, kein Grund im Sinne des § 1889 Abs. 2 Satz 2 BGB.
- 6
- 2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
- 7
- a) Gemäß § 1915 Abs. 1 i.V.m. § 1889 Abs. 2 Satz 1 BGB hat das Familiengericht das Jugendamt oder den Verein als Vormund (bzw. Pfleger i.S.d. § 1909 BGB) auf seinen Antrag zu entlassen, wenn eine andere als Vormund (Pfleger) geeignete Person vorhanden ist und das Wohl des Mündels dieser Maßnahme nicht entgegensteht. Nach Satz 2 ist ein Verein auf seinen Antrag ferner zu entlassen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Die Entscheidung steht nicht im Ermessen des Familiengerichts.
- 8
- § 1889 BGB regelt damit die Entlassung des Vormunds (Pflegers) aufgrund seines eigenen Interesses. Die Norm verleiht dem Vormund daher einen eigenen Anspruch auf Entlassung (MünchKommBGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1889 Rn. 1). Von dem Tatbestandsmerkmal "wichtiger Grund" im Sinne des § 1989 Abs. 2 Satz 2 BGB werden dabei auch berechtigte wirtschaftliche Interessen des Vereins umfasst (vgl. MünchKommBGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1889 Rn. 7).
- 9
- b) Gemessen hieran liegen entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts die Voraussetzungen für eine Entlassung des Vormundschaftsvereins vor, und zwar sowohl nach § 1889 Abs. 2 Satz 2 BGB wie auch nach dessen Satz 1.
- 10
- aa) Es liegt ein wichtiger Grund i.S.d. § 1889 Abs. 2 Satz 2 BGB vor. Nach der geltenden Rechtslage kann der zum Pfleger bestellte Vormundschaftsverein keine Vergütung beanspruchen. Das hat der Senat in Ände- rung seiner früheren Rechtsprechung mit Beschluss vom 25. Mai 2011 (XII ZB 625/10 - FamRZ 2011, 1394) für einen Verein, der gemäß § 1791 a BGB selbst zum Vormund bestellt wird, entschieden. Gemäß § 1915 Abs. 1 BGB gilt Entsprechendes für den zum Pfleger bestellten Verein.
- 11
- In dieser Entscheidung hat der Senat allerdings zugleich ausgeführt, dass der Verein für seinen Mitarbeiter, der zum Vormund bestellt worden ist, eine Vergütung beanspruchen kann, wobei § 1897 Abs. 2 Satz 1 BGB i.V.m. § 7 VBVG entsprechend heranzuziehen ist (Senatsbeschluss vom 25. Mai 2011 - XII ZB 625/10 - FamRZ 2011, 1394 Rn. 22 ff.). Auch dies gilt gemäß § 1915 Abs. 1 BGB entsprechend für einen zum Pfleger bestellten Mitarbeiter des Vereins , wobei § 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB zu beachten ist.
- 12
- bb) Soweit das Beschwerdegericht maßgeblich darauf abstellt, dass der Vormundschaftsverein im vorliegenden Fall (anders als in den von ihm veröffentlichten Entscheidungen, s. OLG Düsseldorf Beschlüsse vom 9. Mai 2012 - 1 WF 17/12 - juris Rn. 6 und FamRZ 2013, 54 f.
) bei seiner Bestellung im Jahr 2006 auch schon keine Vergütung habe beanspruchen können , weshalb es an einem wichtigen Grund fehle, kann ihm nicht gefolgt werden. Unbeschadet der Frage, ob § 1889 Abs. 2 Satz 2 BGB - über seinen Wortlaut hinaus - überhaupt eine nachträgliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse verlangt, liegt eine solche hier jedenfalls vor. Denn seit dem Senatsbeschluss vom 25. Mai 2011 (XII ZB 625/10 - FamRZ 2011, 1394) ist erstmals höchstrichterlich entschieden, dass § 1897 Abs. 2 Satz 1 BGB i.V.m. § 7 VBVG auf den Vereinsvormund entsprechend anwendbar ist. Zwar wurde eine analoge Anwendung in der Vergangenheit vereinzelt auch von den Instanzgerichten für möglich gehalten (vgl. OLG Köln FamRZ 2001, 1400). Diese Frage war aber streitig, wie dem Vorlagebeschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts zu entnehmen ist (BayObLG FamRZ 2003, 1588).
- 13
- cc) Es braucht deshalb nicht weiter erörtert zu werden, ob daneben auch die Voraussetzungen für eine Entlassung nach § 1889 Abs. 2 Satz 1 BGB vorliegen. Danach hat das Familiengericht den Verein als Vormund (Pfleger) auf seinen Antrag zu entlassen, wenn eine andere als Vormund (Pfleger) geeignete Person vorhanden ist und das Wohl des Mündels dieser Maßnahme nicht entgegensteht. Nach den getroffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts hat die Beteiligte zu 2, die nach dem Wunsch des Vormundschaftsvereins nunmehr als Vereinspflegerin bestellt werden soll, bereits seit 2006 diese Aufgabe für den Verein übernommen. Von daher würde sich für das Kind nichts ändern, weshalb auch keine Gründe ersichtlich sind, die einer Entlassung des Vormundschaftsvereins gemäß § 1889 Abs. 2 Satz 1 BGB entgegenstünden.
- 14
- 3. Gemäß § 74 Abs. 5 FamFG ist der Beschluss des Beschwerdegerichts aufzuheben. Nach § 74 Abs. 6 Satz 1 und 2 FamFG ist die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, weil sie in der Sache selbst noch nicht entscheidungsreif ist. Zwar könnte der Senat bereits jetzt über die Entlassung entscheiden. Ihm ist es aber verwehrt, die mit der Entlassung einhergehende Bestellung eines neuen Pflegers anzuordnen. Das Beschwerdegericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - keine weiteren Feststellungen zur Auswahl des Pflegers getroffen (s. insbesondere § 1915 Abs. 1 i.V.m. § 1779 BGB).
Vorinstanzen:
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 05.12.2011 - 252 F 37/10 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 05.06.2012 - II-1 WF 18/12 -
ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 13. März 2013 - XII ZB 398/12
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 13. März 2013 - XII ZB 398/12
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenBundesgerichtshof Beschluss, 13. März 2013 - XII ZB 398/12 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).
Ist das Nachlassinsolvenzverfahren durch Verteilung der Masse oder durch einen Insolvenzplan beendet, so findet auf die Haftung des Erben die Vorschrift des § 1973 entsprechende Anwendung.
(1) Ist ein Vereinsbetreuer bestellt, so ist dem Verein eine Vergütung und Aufwendungsersatz nach § 1 Abs. 2 in Verbindung mit den §§ 4 bis 5a zu bewilligen. § 1 Abs. 1 sowie § 1835 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden keine Anwendung.
(2) § 6 gilt entsprechend; der Verein kann im Fall von § 6 Satz 1 Vorschuss und Ersatz der Aufwendungen nach § 1835 Abs. 1, 1a und 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs verlangen. § 1835 Abs. 5 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.
(3) Der Vereinsbetreuer selbst kann keine Vergütung und keinen Aufwendungsersatz nach diesem Gesetz oder nach den §§ 1835 bis 1836 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geltend machen.
(1) Ist ein Vereinsbetreuer bestellt, so ist dem Verein eine Vergütung und Aufwendungsersatz nach § 1 Abs. 2 in Verbindung mit den §§ 4 bis 5a zu bewilligen. § 1 Abs. 1 sowie § 1835 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden keine Anwendung.
(2) § 6 gilt entsprechend; der Verein kann im Fall von § 6 Satz 1 Vorschuss und Ersatz der Aufwendungen nach § 1835 Abs. 1, 1a und 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs verlangen. § 1835 Abs. 5 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.
(3) Der Vereinsbetreuer selbst kann keine Vergütung und keinen Aufwendungsersatz nach diesem Gesetz oder nach den §§ 1835 bis 1836 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geltend machen.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.
(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.
(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.