Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Sept. 2017 - XII ZB 204/17

bei uns veröffentlicht am06.09.2017
vorgehend
Amtsgericht Rheda-Wiedenbrück, 8 XVII 218/16, 13.02.2017
Landgericht Bielefeld, 23 T 229/17, 10.04.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 204/17
vom
6. September 2017
in der Betreuungssache
ECLI:DE:BGH:2017:060917BXIIZB204.17.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. September 2017 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Nedden-Boeger, Dr. Botur und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 23. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 10. April 2017 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen. Wert: 5.000 €

Gründe:

I.

1
Das Amtsgericht richtete für den Betroffenen durch Beschluss vom 10. Oktober 2016 eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung , Gesundheitssorge, Vermögensangelegenheiten, Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern sowie Wohnungsangelegenheiten ein. Das Landgericht wies die Beschwerde des Betroffenen durch Beschluss vom 18. Januar 2017 zurück. Der Beschwerdebeschluss wurde durch Senatsbeschluss vom 21. Juni 2017 (XII ZB 63/17 – juris) aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.
2
Dem vorliegenden Verfahren liegt ein Beschluss zugrunde, mit dem das Amtsgericht die Betreuung um die Regelung des Postverkehrs und einen Einwilligungsvorbehalt in Vermögensangelegenheiten erweitert hat. Das Landgericht hat die Beschwerde vor Erlass des Senatsbeschlusses vom 21. Juni 2017 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen.

II.

3
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Nachdem der Senat den zur ursprünglichen Betreuungsanordnung ergangenen Beschwerdebeschluss des Landgerichts aufgehoben hat, kann auch dessen Beschwerdebeschluss hinsichtlich der Erweiterung der Betreuung keinen Bestand haben. Da die zur ursprünglichen Betreuungsanordnung ergangenen Beschlüsse des Amtsgerichts und des Landgerichts verfahrensfehlerhaft waren, fehlte es für die Erweiterung der Betreuung an einer Grundlage. So konnte insbesondere ein Einwilligungsvorbehalt für die Vermögensangelegenheiten nicht in zulässiger Weise angeordnet werden , nachdem eine Überprüfung der diesen Aufgabenkreis betreffenden Betreuungsanordnung vom Landgericht noch nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden war und wegen der erst später ergangenen Entscheidung über die Rechtsbeschwerde auch noch nicht nachgeholt werden konnte.
4
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung , zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG). Dose Klinkhammer Nedden-Boeger Botur Guhling
Vorinstanzen:
AG Rheda-Wiedenbrück, Entscheidung vom 13.02.2017 - 8 XVII 218/16 -
LG Bielefeld, Entscheidung vom 10.04.2017 - 23 T 229/17 -

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(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig

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Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Juni 2017 - XII ZB 63/17

bei uns veröffentlicht am 21.06.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 63/17 vom 21. Juni 2017 in der Betreuungssache ECLI:DE:BGH:2017:210617BXIIZB63.17.0 Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Juni 2017 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Kli

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 63/17
vom
21. Juni 2017
in der Betreuungssache
ECLI:DE:BGH:2017:210617BXIIZB63.17.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Juni 2017 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 23. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 18. Januar 2017 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen. Wert: 5.000 €

Gründe:

I.

1
Das Amtsgericht hat für den Betroffenen nach dessen Anhörung und Einholung eines Sachverständigengutachtens durch Beschluss vom 10. Oktober 2016 eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitssorge , Vermögensangelegenheiten, Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern sowie Wohnungsangelegenheiten eingerichtet. In dem Beschluss hat es neben der Betreuerin eine Verfahrenspflegerin bestellt.
2
Der Betroffene hat gegen den - ihm nicht zugestellten - Beschluss am 30. November 2016 Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat von einer er- neuten Anhörung abgesehen und die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, der eine Betreuung ablehnt.

II.

3
Die Rechtsbeschwerde hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Das Landgericht durfte nach der verfahrensfehlerhaften Behandlung der Sache durch das Amtsgericht nicht von einer erneuten Anhörung des Betroffenen in der Beschwerdeinstanz absehen.
4
1. Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich gemäß § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG unter anderem von der Durchführung der persönlichen Anhörung des Betroffenen (§ 278 Abs. 1 Satz 1 FamFG) absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurde und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind (Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2016 - XII ZB 8/16 - FamRZ 2017, 323 Rn. 6).
5
2. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass die Voraussetzungen für ein Absehen von einer erneuten Anhörung verkannt worden sind.
6
Bereits die vom Landgericht für das Absehen von einer erneuten Anhörung gegebene Begründung trägt nicht. Dass der Betroffene vom Amtsgericht am 12. September 2016 angehört worden ist, macht eine erneute Anhörung nicht entbehrlich. Jedenfalls hatte die vom Amtsgericht erst im Betreuungsbeschluss bestellte Verfahrenspflegerin keine Möglichkeit, an der Anhörung teilzunehmen , was das Landgericht im Beschwerdeverfahren hätte nachholen müssen (vgl. Senatsbeschluss vom 2. März 2011 - XII ZB 346/10 - FamRZ 2011, 805 Rn. 17 ff.).
7
3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung , zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Dose Klinkhammer Schilling Nedden-Boeger Guhling
Vorinstanzen:
AG Rheda-Wiedenbrück, Entscheidung vom 10.10.2016 - 8 XVII 218/16 -
LG Bielefeld, Entscheidung vom 18.01.2017 - 23 T 39/17 -

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.