Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZA 36/04
vom
29. Juni 2005
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Juni 2005 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick, Fuchs und Dr. Ahlt sowie
die Richterin Dr. Vézina

beschlossen:
Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 5. August 2004 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Klägerin beantragte durch ihren Prozeßbevollmächtigten am 6. Mai 2004 Prozeßkostenhilfe für die Berufung gegen das diesem am 6. April 2004 zugestellte Urteil des Landgerichts. In dem beigefügten Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gab sie ihre Einnahmen mit monatlich brutto 500 € und ihre Verluste aus selbständiger Arbeit mit monatlich 10.600 € brutto an. Bei den Fragen nach sonstigen Zahlungsverpflichtungen nannte sie Bankdarlehen, ohne Belege beizufügen, und weitere Darlehen von "Angehörige/Freunde", ohne diese zu konkretisieren oder zu belegen. In erster Instanz hatte die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits selbst aufgebracht, ein Privatgutachten eingeholt und ausdrücklich erklärt, sie sei nicht insolvent.
Das Berufungsgericht hat mit Beschluß vom 2. Juli 2004 den Antrag der Klägerin auf Prozeßkostenhilfe zurückgewiesen, weil die Klägerin ihre Bedürftigkeit nicht nachgewiesen habe. Die Gegenvorstellung der Klägerin hat das Berufungsgericht mit Beschluß vom 20. Juli 2004 zurückgewiesen. Mit am 22. Juli 2004 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und zur Begründung der Berufung, sowie erneut Prozeßkostenhilfe beantragt. Gleichzeitig hat sie Berufung eingelegt und diese begründet. Mit Beschluß vom 5. August 2004 hat das Berufungsgericht die Wiedereinsetzungsanträge zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Mit weiterem Beschluß vom 5. August 2004 hat es auch den erneuten Prozeßkostenhilfeantrag der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin beantragt Prozeßkostenhilfe für eine Rechtsbeschwerde gegen den den Wiedereinsetzungsantrag abweisenden und die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluß des Berufungsgerichts.

II.

Der Antrag auf Prozeßkostenhilfe ist zurückzuweisen, weil die beabsichtigte Rechtsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 ZPO). Sie ist zwar statthaft (§ 574 Abs. 1 i.V. mit §§ 522 Abs. 1 Satz 4 bzw. 238 Abs. 2 ZPO), aber unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtsbeschwerde hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.
1. Das Berufungsgericht hat zu Recht den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist abgewiesen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist einer Partei, die innerhalb der Rechtsmittelfrist ein Prozeßkostenhilfegesuch eingebracht hat, dann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie vernünftigerweise nicht damit rechnen mußte, daß ihr Antrag aus wirtschaftlichen Gründen wegen fehlender Bedürftigkeit abgelehnt werden würde (vgl. Senatsbeschluß vom 23. Februar 2000 - XII ZB 221/99 - NJW-RR 2000, 1387 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, nicht vor, weil die Angaben der Klägerin im Prozeßkostenhilfeantrag unvollständig waren und das Berufungsgericht sich kein zuverlässiges Bild über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin machen konnte. Darauf konnte das Berufungsgericht die Klägerin auch nicht mehr innerhalb der Rechtsmittelfrist hinweisen, weil der Prozesskostenhilfeantrag erst am letzten Tag der Frist eingegangen ist.
2. Da der Klägerin Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist nicht gewährt werden konnte und die Berufung erst nach der am 6. Mai 2004 ablaufenden Berufungsfrist am 22. Juli 2004 eingelegt worden ist, hat das Berufungsgericht diese zu Recht als unzulässig verworfen.
Hahne Sprick Fuchs Ahlt Vézina

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

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Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Feb. 2000 - XII ZB 221/99

bei uns veröffentlicht am 23.02.2000

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 221/99 vom 23. Februar 2000 in der Familiensache Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Februar 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Dr. Hahne, Gerber und Pro

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(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 221/99
vom
23. Februar 2000
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Februar 2000 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Dr. Hahne,
Gerber und Prof. Dr. Wagenitz

beschlossen:
I. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluß des 5. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 25. November 1999 aufgehoben. Dem Beklagten wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - in Gießen vom 8. Januar 1998 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Wert: 56.472 DM. II. Der Antrag des Beklagten auf Prozeßkostenhilfe für das Verfahren der sofortigen Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

Zu I.: Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auch des Senats, ist einer Partei nach der Ablehnung eines innerhalb der Frist für die Einlegung eines Rechtsmittels eingebrachten Prozeßkostenhilfegesuchs Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie vernünftigerweise nicht damit rechnen mußte, daß ihr Antrag aus wirtschaftlichen Gründen
wegen fehlender Bedürftigkeit abgelehnt werden würde (vgl. Senatsbeschlüsse vom 15. November 1989 - IVb ZR 70/89 - und vom 11. November 1992 - XII ZB 118/92 = BGHR ZPO § 233 Prozeßkostenhilfe 6 und 7, jeweils m.N.). Das hat auch das Beschwerdegericht nicht verkannt. Wenn dem Rechtsmittelkläger bereits für den ersten Rechtszug Prozeßkostenhilfe bewilligt worden ist, kann er bei im wesentlichen gleichen Angaben zu den Vermögensverhältnissen erwarten, daß auch das Gericht des zweiten Rechtszuges ihn als bedürftig ansieht. Die Partei braucht nicht damit zu rechnen , daß das Rechtsmittelgericht strengere Anforderungen an den Nachweis der Bedürftigkeit stellt als das Erstgericht (vgl. Senatsbeschluß vom 25. Februar 1987 - IVb ZB 157/86 = BGHR aaO Prozeßkostenhilfe 2 m.w.N.). Diese Voraussetzungen waren hier entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts gegeben. Das Oberlandesgericht hat die Versagung der beantragten Prozeßkostenhilfe in dem Beschluß vom 26. Mai 1999 - allein - darauf gestützt, daß der Beklagte den Wert seiner Eigentumswohnung in Italien durch Veräußerung, ggf. weitere Kreditaufnahme oder durch Vermietung zur Finanzierung der Verfahrenskosten einsetzen müsse. Der Wert der Eigentumswohnung war aber in entsprechender Weise wie in dem Prozeßkostenhilfeverfahren vor dem Oberlandesgericht bereits Gegenstand näherer Erörterungen vor der Prozeßkostenhilfebewilligung durch das Amtsgericht. Nachdem nämlich beide Parteien in umfangreichen Ausführungen zu dem Wert der Eigentumswohnung schriftsätzlich Stellung genommen hatten, dabei unstreitig war, daß der Beklagte die Wohnung auch über den Stichtag für den Zugewinnausgleich hinaus weiter besaß, erörterte das Familiengericht in der mündlichen Verhandlung vom 22. September 1995 mit den Parteien "die Belastung der Wohnung in Italien" sowie "die am 18. Februar 1992 auf die Wohnung in Italien
aufgenommene Hypothek und das Grundgeschäft". Dabei wies das Gericht "darauf hin, daß keine Darlegung erfolgt ist, in welcher Höhe zum Stichtag die Hypothek tatsächlich noch valutierte". Gleichwohl bewilligte das Amtsgericht dem Beklagten im Anschluß an die Verhandlung durch Beschluß vom 22. September 1995 - raten-freie - Prozeßkostenhilfe, ohne die Bedürftigkeit im Hinblick auf die Eigentumswohnung in Zweifel zu ziehen. Als der Beklagte sodann am 25./26. Februar 1998 - unter Beifügung eines Vordrucks über seine wirtschaftlichen Verhältnisse vom 23. Februar 1998, in dem die Eigentumswohnung mit einem Wert von 180.000 DM und dem Zusatz "vollbelastet mit Hypothek über 140 Mio. Lire" aufgeführt war - und mit der Erklärung, nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zur Kostentragung aus eigenen Mitteln in der Lage zu sein, Prozeßkostenhilfe für die Berufung beantragte, konnte er damit rechnen, daß das Oberlandesgericht ihn ebenso wie das Familiengericht als bedürftig ansehen und seine Bedürftigkeit nicht unter Hinweis auf die Eigentumswohnung in Italien verneinen würde.
Zu II.: Der Antrag auf Prozeßkostenhilfe für das Verfahren der sofortigen Beschwerde wird zurückgewiesen, weil insoweit, wie das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat, die wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht dargetan sind. Blumenröhr Krohn Hahne Gerber Wagenitz