vorgehend
Bundespatentgericht, 5 Ni 11/10, 04.05.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 84/11
vom
7. Dezember 2011
in der Patentnichtigkeitssache
Hier nur: Akteneinsichtsgesuch
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Dezember 2011
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richterin Mühlens
sowie die Richter Gröning, Dr. Grabinski und Hoffmann

beschlossen:
Der E. GmbH wird Einsicht in die Akten des Nichtigkeitsverfahrens BPatG 5 Ni 11/10 und des vorliegenden Berufungsverfahrens X ZR 84/11 gewährt.

Gründe:



1
I. Die E. GmbH hat ohne Benennung eines Auftraggebers um Einsicht in die Akten des vorliegenden Nichtigkeitsverfahrens gebeten. Die Beklagte widerspricht dem Gesuch mit dem Bemerken, dass der Antrag ersichtlich im Auftrag eines Dritten gestellt, aber kein entsprechendes rechtliches Interesse glaubhaft gemacht worden sei und dass dem Gesuch schutzwürdige Interessen der Patentinhaber entgegenstünden. Beispielsweise seien dem Streitwert bestimmte Angaben über Betriebsinterna indirekt zu entnehmen , die beispielsweise den Verkauf entsprechender Güter beträfen. Außerdem seien in entsprechenden Schriftsätzen der Patentinhaber Details des Anmeldungsgegenstands beschrieben worden, die zur Erläuterung dienten, über den Inhalt der entsprechenden Patentschrift hinausgingen und den Schutzumfang der Patentansprüche beträfen. Diese Erläuterungen seien zumindest indirekt auch dem entsprechenden Urteil entnehmbar.
2
II. Die beantragte Akteneinsicht ist zu gewähren.
3
Nach § 99 Abs. 3 PatG gilt für die Akteneinsicht durch andere als die Parteien des Nichtigkeitsverfahrens die Regelung des § 31 PatG entsprechend, der das Recht auf Einsicht in die Akten des Patentamts betrifft (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2000 - X ZR 4/00, GRUR 2001, 143 - Akteneinsicht XV; weitere Nachweise bei Schulte, PatG, 8. Aufl. § 99 in Fn. 71). Diese Regelungen sind im Nichtigkeitsberufungsverfahren entsprechend anzuwenden (vgl. Busse/Keukenschrijver PatG 6. Aufl. § 99 Rdn. 48 mwN in Fn. 167). Danach ist die Einsicht in diese Akten grundsätzlich nur von einem förmlichen Antrag, nicht jedoch von der zusätzlichen Darlegung eines berechtigten Interesses abhängig. Das kann nach dem Wortlaut des § 99 Abs. 3 PatG und der darin zum Ausdruck kommenden Wertung nur dann erforderlich werden, wenn vonseiten des Patentinhabers oder des diesem im Hinblick auf die Akteneinsicht gleich zu behandelnden Nichtigkeitsklägers (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 16. Dezember 1971 - X ZA 1/69; GRUR 1972, 441, 442 - Akteneinsicht IX; Busse , aaO, Rdn. 37) ein entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse dargetan wird. Erst danach bedürfte es einer Abwägung unter den beteiligten Interessen. Das gilt auch, wenn der Auftraggeber des Antragstellers nicht namhaft gemacht wird (zuletzt BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - X ZR 106/10).
4
Vorliegend fehlt es an der hinreichend substanziierten Darlegung eines schutzwürdigen Interesses der Beklagten daran, dass zumindest Teile der Akten von der Einsicht auszunehmen sind. Dass aus der Streitwertfestsetzung als solcher konkrete Rückschlüsse auf den Verkauf entsprechender Güter gezogen werden könnten, wie die Beklagte meint, und ihre wettbewerbliche Position am Markt dadurch spürbar berührt werden könnte, erscheint jedenfalls nicht ohne Weiteres plausibel. Das Gleiche gilt für die pauschale Berufung auf schriftsätzliche Ausführungen zum Anmeldungsgegenstand und mögliche Rückschlüsse hierauf durch diesbezügliche Ausführungen im angefochtenen Urteil. Es ist kein schutzwürdiges Interesse des Patentinhabers daran anzuerkennen, dass Dritte generell keine Kenntnis von seinen Erwägungen zum Schutzumfang der Patentansprüche erlangen. Um der Beklagten zu ermöglichen, ihre Bedenken zu konkretisieren, hat der Senat ihr Gelegenheit gegeben, die Passagen zu bezeichnen , die von der Akteneinsicht ausgenommen werden sollten. Von dieser Möglichkeit hat sie keinen Gebrauch gemacht.
Meier-Beck Mühlens Gröning
Grabinski Hoffmann Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 04.05.2011 - 5 Ni 11/10 (EU) -

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Patentgesetz - PatG | § 99


(1) Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren vor dem Patentgericht enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden, wenn die Besonderheiten des Verfahrens vor dem Patentgericht dies nic

Patentgesetz - PatG | § 31


(1) Das Deutsche Patent- und Markenamt gewährt jedermann auf Antrag Einsicht in die Akten sowie in die zu den Akten gehörenden Modelle und Probestücke, wenn und soweit ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wird. Jedoch steht die Einsicht in da

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 84/11 Verkündet am:
26. Juni 2012
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. Juni 2012 durch den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens
und die Richter Gröning, Dr. Grabinski und Dr. Bacher

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 4. Mai 2011 verkündete Urteil des 5. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des europäischen Patents 1 066 690 (Streitpatents ), das ein Verfahren zur Steuerung wenigstens eines mit einer Steuerungseinrichtung verbundenen elektrischen Verbrauchers sowie eine entsprechende Schaltungsanordnung betrifft. Das Streitpatent umfasst 36 Patentansprüche. Patentanspruch 1 betrifft das Verfahren zur Steuerung von elektrischen Verbrauchern; Patentanspruch 18 betrifft die entsprechende Schaltungs- anordnung. Die Patentansprüche 1 und 18 lauten in der Verfahrenssprache Deutsch: "1. Verfahren zur Steuerung von mit einer Steuerungseinrichtung (1) über elektrische Versorgungsleitungen (2) verbundenen , elektrischen Verbrauchern (3, 4, 5, 6), von denen mehrere parallel zu den Versorgungsleitungen (2) verschaltet sind und wobei ein Steuersignal über die elektrischen Versorgungsleitungen (2) an die elektrischen Verbraucher (3, 4, 5, 6) übertragen wird, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Steuerungseinrichtung (1) zur Kodierung des Steuersignals eine an den elektrischen Verbraucher (3, 4, 5, 6) über die elektrische Versorgungsleitungen (2) übertragene Versorgungsspannung (U0) modifiziert und die Steuerungseinrichtung (1) jeden Verbraucher (3, 4, 5, 6) über eine verbraucherspezifische Adresse anspricht und steuert.
18. Schaltungsanordnung (23) mit einer Steuerungseinrichtung (1) und mit dieser über Versorgungsspannungsleitungen (2) verbundenen elektrischen Verbrauchern (3, 4, 5, 6), von denen eine Mehrzahl zu den Versorgungsspannungsleitungen (2) parallel verschaltet sind, wobei die Versorgungsspannungen zur Übertragung eines Steuersignals zwischen Steuerungseinrichtung (1) und elektrischen Verbraucher (3, 4, 5, 6) veränderbar ist, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass zumindest der Steuerungseinrichtung (1) wenigstens
ein Spannungsabfallbauelement (10) und/oder eine Schalteinrichtung (18) zur zeitweisen Änderung eines Maximalwertes (Umax) der Versorgungsspannung (U0) und/oder zur zeitweisen Unterbrechung der Versorgungsspannung zugeordnet ist, wobei jedem Verbraucher (3, 4, 5, 6) eine verbraucherspezifische Adresse zugeordnet ist."
2
Mit ihrer Nichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei im Umfang der angegriffenen Patentansprüche 1 bis 14 sowie 18 bis 34 nicht patentfähig. Zudem sei Patentanspruch 11 in sich widersprüchlich , stünden die Patentansprüche 13 und 31 jeweils im Widerspruch zu Patentanspruch 1 und seien die Patentansprüche 14 und 33 unklar.
3
Die Beklagte hat das Streitpatent in einer beschränkten Fassung der Patentansprüche 1 und 18 verteidigt.
4
Das Patentgericht hat das Streitpatent im angegriffenen Umfang für nichtig erklärt.
5
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der diese weiterhin das Streitpatent in der Fassung des in erster Instanz gestellten Antrags verteidigt.
6
Danach soll Patentanspruch 1 wie folgt lauten: "Verfahren zur Steuerung von mit einer Steuerungseinrichtung (1) über elektrische Versorgungsleitung(en) (2) verbundenen Notleuchten , Sicherheitsleuchten oder Rettungsweganzeigeleuchten als elektrischen Verbrauchern (3, 4, 5, 6), von denen mehrere parallel zu den Versorgungsleitungen (2) verschaltet sind und wobei ein Steuersignal über die elektrischen Versorgungsleitungen (2) an die elektrischen Verbraucher (3, 4, 5, 6) übertragen wird, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Steuerungseinrichtung (1) zur Kodierung des Steuersignals eine an den elektrischen Verbraucher (3, 4, 5, 6) über die elektrischen Versorgungsleitungen übertragene Wechselspannung als Versorgungsspannung (U0) modifiziert und die Steuerungseinrichtung (1) jeden Verbraucher (3, 4, 5, 6) über eine verbraucherspezifische Adresse anspricht und steuert, wobei zur Modifizierung der übertragenen Versorgungsspannung (U0) diese durch die Steuerungseinrichtung (1) für eine bestimmte Zeitdauer in ihrem Maximalwert (Umax) verändert und/oder unterbrochen wird und/oder Halbwellen der Versorgungsspannung an den elektrischen Verbraucher durch die Steuerungseinrichtung übermittelt werden, und wobei zur Kodierung des Steuersignals die Maximalwertänderung und/oder die Unterbrechung der Versorgungsspannung mehrmals, wenigstens zweimal, hintereinander erfolgt."
7
Patentanspruch 18 soll folgenden Wortlaut erhalten: "Schaltungsanordnung (23) mit einer Steuerungseinrichtung (1) und mit dieser über Versorgungsspannungsleitungen (2) verbundenen Notleuchten, Sicherheitsleuchten oder Rettungsweganzeigeleuchten als elektrischen Verbrauchern (3, 4, 5, 6), von denen eine Mehrzahl zu den Versorgungsspannungsleitungen (2) parallel verschaltet sind, wobei die Versorgungsspannung eine Wechsel- spannung ist und zur Übertragung eines Steuersignals zwischen Steuerungseinrichtung (1) und elektrischen Verbrauchern (3, 4, 5,
6) veränderbar ist, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass zumindest der Steuerungseinrichtung (1) wenigstens ein Spannungsabfallbauelement (10) und/oder eine Schalteinrichtung (18) zur zeitweisen und mehrmaligen Änderung eines Maximalwertes (Umax) der Versorgungsspannung (U0) und/oder zur zeitweisen und mehrmaligen Unterbrechung der Versorgungsspannung zugeordnet ist, wobei jedem Verbraucher (3, 4, 5, 6) eine verbraucherspezifische Adresse zugeordnet ist."
8
Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


9
Die Berufung hat keinen Erfolg.
10
I. Gegen die Zulässigkeit des Rechtsmittels bestehen keine Bedenken. Die Berufung kann sich auch nach neuem Verfahrensrecht darauf beschränken, die Patentfähigkeit abweichend von der Beurteilung durch das Patentgericht zu bewerten. Darin ist im Sinne des § 112 Abs. 3 Nr. 2 PatG i.d.F. des Gesetzes zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2521) die Erklärung enthalten, dass die Rechtsverletzung in einer fehlerhaften Anwendung der maßgeblichen Bestimmungen (hier Art. 54 ff., 138 EPÜ, Art. II § 6 IntPatÜbkG) liege. Die Berufungsbegründung muss allerdings erkennen lassen, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Berufungsklägerin die Ausführungen des Patentgerichts zur Patentfähigkeit für unrichtig hält (BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 4/07, GRUR 2010, 660, 661 - Glasflaschenanalysesystem; BGH, Urteil vom 21. Juni 2006 - I ZR 121/03, GRUR 2006, 429, 432 - Schlank-Kapseln). Dies ist hier der Fall. Diese Gründe sind nachfolgend unter IV 1 wiedergegeben.
11
II. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Steuerung wenigstens eines mit einer Steuerungseinrichtung verbundenen elektrischen Verbrauchers und eine entsprechende Schaltungsanordnung, wobei ein Steuersignal über die elektrischen Versorgungsleitungen an den elektrischen Verbraucher übertragen wird.
12
Die Streitpatentschrift schildert eingangs das aus der europäischen Patentschrift 557 256 bekannte Verfahren und die dort angegebene Schaltungsanordnung. Dabei sei eine Kontroll- und Verarbeitungsstation mit einem Stromnetz als Versorgungsleitung verbunden. Über das Stromnetz würden entsprechende Signale an Anwesenheitserfassungssensoren als Verbraucher übermittelt und von diesen empfangen. Zur Übermittlung der Signale würden diese dem in den Versorgungsleitungen fließenden Wechselstrom überlagert. Die Streitpatentschrift kritisiert an dieser Lösung, dass sie einen relativ hohen und kostenintensiven Schaltungsaufwand verursache. Außerdem sei die Art und Anzahl der an die speisende Spannung angeschlossenen Verbraucher eine zu beachtende Einflussgröße bezüglich der Qualität und Sicherheit der Daten- und Signalübertragung. Ferner träten weitere Beeinflussungen der Nutzsignale durch andere Systeme auf, die ebenfalls mittels Hochfrequenzdaten über die Versorgungsleitungen übertrügen, wie Rundsteueranlagen und Babyruf. Zudem sei ein Nutzsignal nach wenigen hundert Metern nicht mehr vorhanden. Bei an- deren im Stand der Technik bekannten Verfahren und Schaltungsanordnungen sei nachteilig, dass separate ein- oder mehradrige Datenleitungen zusätzlich verlegt werden müssten, wodurch entsprechende Kosten verursacht würden. Bei wiederum anderen Ausführungsformen könne nicht zwischen verschiedenen Verbrauchern der gleichen Art oder zwischen verschiedenen Verbrauchern mit dem gleichen Detektor oder Decoder unterschieden werden.
13
Das Streitpatent will vor diesem Hintergrund ein Verfahren und eine Schaltungsanordnung angeben, die bei vereinfachtem Aufbau und geringen Kosten eine Daten- oder Signalübermittlung in sicherer und einfacher Weise auch über große Entfernungen ermöglichen.
14
Dies soll dadurch erreicht werden, dass die Steuerungseinrichtung zur Kodierung des Steuersignals eine an den elektrischen Verbraucher über die elektrischen Versorgungsleitungen übertragene Versorgungsspannung modifiziert. Die Versorgungsspannung wird dadurch direkt beeinflusst, dass deren Maximalwert verändert wird, indem beispielsweise ein Spannungsabfallbauteil zu- oder abgeschaltet wird. Durch die direkte Beeinflussung der Versorgungsspannung zur Kodierung von Daten ohne zusätzliche Datenleitungen zu den Verbrauchern oder Überlagerung hoch- oder niederfrequenter Signalspannungen würden das Verfahren und die Schaltungsanordnung vereinfacht und gleichzeitig sei die Realisierung einfacher und kostengünstiger.
15
Das Patentgericht hat Patentanspruch 1 in seiner verteidigten Fassung (die Ergänzungen gegenüber der erteilten Fassung fett) wie folgt gegliedert: M1 Die Verbraucher sind über elektrische Versorgungsleitungen (2) mit einer Steuerungseinrichtung (1) verbunden, M1.1 die Verbraucher sind Notleuchten, Sicherheitsleuchten oder Rettungsweganzeigeleuchten, M2 mehrere Verbraucher sind parallel zu den Versorgungsleitungen (2) verschaltet, M3 ein Steuersignal wird über die elektrischen Versorgungsleitungen (2) an die elektrischen Verbraucher übertragen, M4 die Steuerungseinrichtung (1) modifiziert eine an den Verbraucher (3, 4, 5, 6) zur Kodierung des Steuersignals über die elektrischen Versorgungsleitungen (2) übertragene Versorgungsspannung (U0), M4.1 die Versorgungsspannung ist eine Wechselspannung und M5 die Steuerungseinrichtung (1) spricht jeden Verbraucher (3, 4, 5, 6) über eine verbraucherspezifische Adresse an und steuert jeden Verbraucher, M6 zur Modifizierung der übertragenen Versorgungsspannung (U0) wird diese durch die Steuerungseinrichtung (1) für eine bestimmte Zeitdauer in ihrem Maximalwert (Umax) verändert und/oder unterbrochen und/oder werden Halbwellen der Versorgungsspannung an den elektrischen Verbraucher durch die Steuerungseinrichtung übermittelt und M7 zur Kodierung des Steuersignals erfolgt die Maximalwertänderung und/oder die Unterbrechung der Versorgungsspannung mehrmals, wenigstens zweimal, hintereinander.
16
III. Das Patentgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei nicht neu; die deutsche Patentschrift 196 03 680 C1 (E2) nehme die Lehre des Streitpatents vorweg.
17
Sie betreffe ein Verfahren zum Schalten und Steuern der Leistungsaufnahme von Verbrauchern, die über elektrische Versorgungsleitungen mit einer Steuereinrichtung verbunden seien. Ausdrücklich werde als möglicher Anwendungsfall auch eine Notbeleuchtung genannt. Mehrere Verbraucher seien parallel zu den Versorgungsleitungen verschaltet, wobei ein Steuersignal über die elektrischen Versorgungsleitungen an die elektrischen Verbraucher übertragen werde. Die Steuerungseinrichtung modifiziere hierzu eine an den Verbraucher über die elektrischen Versorgungsleitungen übertragene Versorgungsspannung zur Kodierung des Steuersignals, wobei es sich bei der Versorgungsspannung um eine Wechselspannung handele. Die Steuerungseinrichtung spreche jeden Verbraucher über eine verbraucherspezifische Adresse an und steuere jeden einzelnen Verbraucher. Einer einzigen (Voll-)Schwingung der Wechselspannung durch den Kodierer werde die Information zur Auswahl und zum Schalten von mindestens einem der Verbraucher aufgeprägt. Zur Kodierung der Adresse des zu steuernden Verbrauchers werde zunächst die Phase der einen Halbwelle angeschnitten, wobei die Zeitdauer des Phasenanschnitts die Information bezüglich der Adresse und des Verbrauchers enthalte. Zur weiteren Kodierung des Steuersignals werde sodann zur Steuerung der Leistungsaufnahme des Verbrauchers die Phase der anderen Halbwelle der einen Schwingung angeschnitten , wobei die Zeitdauer dieses Phasenanschnitts die Information bezüglich der Leistungsaufnahme des Verbrauchers enthalte. Damit seien alle Merkmale des Patentanspruchs 1 in der E2 vorweggenommen. Der nebengeordnete Patentanspruch 18 enthalte die Formulierung der in Patentanspruch 1 als Verfahrensanspruch niedergelegten Lehre in Form eines Vorrichtungsanspruchs.
Auch er sei daher nicht neu. Hinsichtlich der Unteransprüche 2 bis 14 und 19 bis 34 sei ein eigenständiger erfinderischer Gehalt weder geltend gemacht noch ersichtlich.
18
IV. Dies hält der Überprüfung stand.
19
1. Die Beklagte macht mit ihrer Berufung geltend, die Lehre des Streitpatents werde in der E2 insofern nicht vorweggenommen, als die dort genannten Lampen (10) keine Notleuchten sein könnten. Zwar werde in der Beschreibung Spalte 2 Zeilen 60 f. darauf verwiesen, dass eine Voreinstellung abgerufen werden bzw. auf eine Notbeleuchtung umgeschaltet werden könne. Allerdings sei nicht ausgeführt, was unter einer solchen Notbeleuchtung zu verstehen sei und in welcher Weise eine Umschaltung erfolge. Ein Notlichtsystem unterliege besonderen Anforderungen, es seien elektrotechnische, baurechtliche und lichttechnische Vorschriften zu beachten. Für ein solches Notlichtsystem dürfe ein Schalter, wie er in Spalte 3 Zeile 48 f. der E2 beschrieben sei, nicht realisiert werden.
20
An mehreren Stellen der E2 werde betont, dass entsprechende Informationen einer einzigen Schwingung der Wechselspannung durch den Kodierer aufgeprägt würden. Es werde in der E2 nicht beschrieben, dass zur entsprechenden Kodierung des Steuersignals eine Modifizierung der Versorgung der Spannung mehrmals bzw. wenigstens zweimal hintereinander erfolge.
21
2. Mit diesen Angriffen hat die Berufung keinen Erfolg.
22
a) Das Patentgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass in der E2 (Sp. 3 Z. 60 bis 62) ausdrücklich das Umschalten auf eine Notbeleuchtung als möglicher Anwendungsfall des dort beschriebenen Verfahrens genannt wird. Es kommt nicht darauf an, dass diese Notbeleuchtung bestimmten baurechtlichen und lichttechnischen Vorschriften entspricht. Entscheidend ist vielmehr die in der E2 enthaltene Offenbarung, dass das selektive Schalten und Steuern der Verbraucher (Leuchten) auch dazu verwendet werden kann, auf eine wie auch immer ausgestaltete Notbeleuchtung umzuschalten. Ob diese Notbeleuchtung den weiteren aus unterschiedlichen Gründen an sie zu stellenden Anforderungen genügt, ist damit nicht ausgesagt. Wie im Einzelnen eine Notbeleuchtung auszugestalten ist, damit sie solchen Vorgaben entspricht, gibt auch das Streitpatent nicht an.
23
b) Soweit die Beklagte weiter vorträgt, das Streitpatent unterscheide zwischen einem Steuersignal und einer Adresse für den Verbraucher, hat das Patentgericht zu Recht auf Absatz 22 der Beschreibung verwiesen, in dem ausgeführt wird, dass die entsprechende verbraucherspezifische Adresse in dem Steuersignal enthalten sei, so dass der ausgewählte Verbraucher beispielsweise mittels eines Hilfsmoduls seine Auswahl erkenne und entsprechend reagiere. Dies stellt nicht, wie die Beklagte meint, eine weitere Möglichkeit der Adressierung verglichen mit der in Absatz 20 beschriebenen Möglichkeit dar. Vielmehr gibt Absatz 20 der Beschreibung allgemein an, dass, um bei einer Mehrzahl von Verbrauchern einen bestimmten Verbraucher zu steuern oder zu überwachen, jedem Verbraucher eine verbraucherspezifische Adresse zugeordnet sein kann. Diese verbraucherspezifische Adresse ist nach Absatz 22 in dem Steuersignal enthalten. Demgegenüber ist in Absatz 23 als alternative Lösung die Zuordnung eines Zeitfensters offenbart. Jede dieser beiden Lösungsmöglichkeiten ist von Patentanspruch 1 des Streitpatents umfasst. Das Patentgericht ist deshalb zu Recht davon ausgegangen, dass es an der Patentfähig- keit fehlt, wenn eine der beiden Lösungsmöglichkeiten durch den Stand der Technik vorweggenommen oder nahegelegt ist.
24
Die in Absatz 22 der Beschreibung des Streitpatents dargestellte Lösung ist bereits in der E2 beschrieben. Dort ist dargestellt, dass zur Übertragung der Daten einer einzigen Schwingung mit zwei Halbwellen der Wechselspannung die Information aufgeprägt wird, welche Lampe geschaltet bzw. gedimmt werden soll. Vom Dekodierer der betreffenden Lampe werde erkannt, dass diese angesprochen sei und auch die Informationen aus dem Phasenanschnitt der zweiten Halbwelle ausgewertet (Sp. 3 Z. 12 bis 15, 29 bis 33). Dies bedeutet, dass beide Phasenanschnitte ein Steuersignal für die Verbraucher bilden, durch das einerseits der zuständige Verbraucher selektiert wird und andererseits seine Eigenschaft in der gewünschten Weise eingestellt wird.
25
Da die Beklagte weitere Rügen gegen die Entscheidung des Patentgerichts nicht erhoben hat, war ihre Berufung insgesamt zurückzuweisen.
26
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO.
Keukenschrijver Mühlens Gröning
Grabinski Bacher
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 04.05.2011 - 5 Ni 11/10 (EU) -

(1) Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren vor dem Patentgericht enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden, wenn die Besonderheiten des Verfahrens vor dem Patentgericht dies nicht ausschließen.

(2) Eine Anfechtung der Entscheidungen des Patentgerichts findet nur statt, soweit dieses Gesetz sie zuläßt.

(3) Für die Gewährung der Akteneinsicht an dritte Personen ist § 31 entsprechend anzuwenden. Über den Antrag entscheidet das Patentgericht. Die Einsicht in die Akten von Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents wird nicht gewährt, wenn und soweit der Patentinhaber ein entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse dartut.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Das Deutsche Patent- und Markenamt gewährt jedermann auf Antrag Einsicht in die Akten sowie in die zu den Akten gehörenden Modelle und Probestücke, wenn und soweit ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wird. Jedoch steht die Einsicht in das Register und die Akten von Patenten einschließlich der Akten von Beschränkungs- oder Widerrufsverfahren (§ 64) jedermann frei.

(2) In die Akten von Patentanmeldungen steht die Einsicht jedermann frei,

1.
wenn der Anmelder sich gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt mit der Akteneinsicht einverstanden erklärt und den Erfinder benannt hat oder
2.
wenn seit dem Anmeldetag (§ 35) oder, sofern für die Anmeldung ein früherer Zeitpunkt als maßgebend in Anspruch genommen wird, seit diesem Zeitpunkt achtzehn Monate verstrichen sind
und ein Hinweis nach § 32 Abs. 5 veröffentlicht worden ist. Bei Anmeldungen, die nicht oder teilweise nicht in deutscher Sprache abgefasst sind, gilt § 35a Absatz 4.

(3) Soweit die Einsicht in die Akten jedermann freisteht, steht die Einsicht auch in die zu den Akten gehörenden Modelle und Probestücke jedermann frei.

(3a) Soweit die Einsicht in die Akten jedermann freisteht, kann die Einsichtnahme bei elektronischer Führung der Akten auch über das Internet gewährt werden.

(3b) Die Akteneinsicht nach den Absätzen 1 bis 3a ist ausgeschlossen, soweit

1.
ihr eine Rechtsvorschrift entgegensteht,
2.
das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person im Sinne des Artikels 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 679/2016 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung offensichtlich überwiegt oder
3.
in den Akten Angaben oder Zeichnungen enthalten sind, die offensichtlich gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen.

(4) In die Benennung des Erfinders (§ 37 Abs. 1) wird, wenn der vom Anmelder angegebene Erfinder es beantragt, Einsicht nur nach Absatz 1 Satz 1 gewährt; § 63 Abs. 1 Satz 4 und 5 ist entsprechend anzuwenden.

(5) In die Akten von Patentanmeldungen und Patenten, für die gemäß § 50 jede Veröffentlichung unterbleibt, kann das Deutsche Patent- und Markenamt nur nach Anhörung der zuständigen obersten Bundesbehörde Einsicht gewähren, wenn und soweit ein besonderes schutzwürdiges Interesse des Antragstellers die Gewährung der Einsicht geboten erscheinen läßt und hierdurch die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland nicht zu erwarten ist. Wird in einem Verfahren eine Patentanmeldung oder ein Patent nach § 3 Abs. 2 Satz 3 als Stand der Technik entgegengehalten, so ist auf den diese Entgegenhaltung betreffenden Teil der Akten Satz 1 entsprechend anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 4/00
vom
17. Oktober 2000
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Akteneinsicht XV
Ohne Vorliegen besonderer Umstände erfordert der von einem anwaltlichen
Vertreter gestellte Antrag auf Einsicht in die Akten eines Patentnichtigkeitsverfahrens
nicht, daß der von dem Anwalt vertretene Mandant namhaft gemacht
wird.
BGH, Beschluß vom 17. Oktober 2000 - X ZR 4/00 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 17. Oktober 2000
durch den Vorsitzenden Richter Rogge und die Richter Dr. Jestaedt,
Dr. Melullis, Scharen und Keukenschrijver

beschlossen:
Den Patentanwälten R. , B. und Partner in S. wird Akteneinsicht in die Akten des Patentnichtigkeitsverfahrens X ZR 4/00 gewährt.

Gründe:


I. Die Patentanwälte R. , B. und Partner haben - ohne Nennung des Auftraggebers - Einsicht in die Akten des Nichtigkeitsverfahrens X ZR 4/00 begehrt , die sich nach Einlegung der Berufung bei dem beschließenden Senat befinden. Die Beklagte hat gegenüber dem Antrag keine Bedenken erhoben; die Klägerin hat ihm mit der Begründung widersprochen, daß eine Angabe darüber fehle, für welche Auftraggeber Akteneinsicht begehrt werde. Ohne die Kenntnis dieses Auftraggebers sei ihr die Bewertung nicht möglich, ob der Akteneinsicht auf ihrer Seite ein berechtigtes Interesse entgegenstehe.
II. Dem Antrag war stattzugeben. Soweit der beschließende Senat in der Vergangenheit die Akteneinsicht durch einen Patentanwalt oder einen Rechtsanwalt davon abhängig gemacht hat, daß dieser seinen Auftraggeber benennt (vgl. BGHZ 42, 19, 29 - Akteneinsicht I; zum früheren Recht vgl. auch Benkard/ Schäfers, PatG, GebrMG, 8. Aufl., § 99 PatG Rdn. 16; Busse, PatG, 5. Aufl., § 99 PatG Rdn. 36 m.w.N. aus der Rechtsprechung des Senats und des BPatG), hält er daran nach erneuter Überprüfung nicht fest. Nach § 99 Abs. 3 PatG gilt für die Akteneinsicht durch andere als die Parteien des Nichtigkeitsverfahrens die Regelung des § 31 PatG entsprechend, der das Recht auf Einsicht in die Akten des Patentamts betrifft. Danach ist die Einsicht in diese Akten lediglich von einem förmlichen Antrag, nicht jedoch auch von der Darlegung eines berechtigten Interesses abhängig. Die Notwendigkeit einer solchen Darlegung kann sich nach dem Wortlaut des § 99 Abs. 3 PatG und der darin zum Ausdruck kommenden Wertung nur dann stellen, wenn von seiten des Patentinhabers oder des diesem im Hinblick auf die Akteneinsicht gleich zu behandelnden Nichtigkeitsklägers (vgl. dazu BGH GRUR 1972, 441, 442 - Akteneinsicht IX; Busse, aaO, Rdn. 37) ein entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse dargetan wird. Erst nach einer solchen Darlegung bedarf es einer Abwägung unter den beteiligten Interessen (BGH GRUR 1972, 441 - Akteneinsicht IX; Benkard/Schäfers, aaO, Rdn. 18; Busse, aaO, Rdn. 36), in die die Belange desjenigen, der Akteneinsicht begehrt, nur dann eingestellt werden können, wenn sie dem Gericht dargelegt worden und deshalb bekannt sind. Aus der Notwendigkeit dieser Darlegung kann jedoch nicht abgeleitet werden, daß der um Akteneinsicht Nachsuchende schon im Vorgriff auf mögliche Einwände gehalten ist, die von ihm verfolgten Interessen offenzulegen und gegebenenfalls glaubhaft zu machen. Ein solches Verlangen wäre mit Wortlaut und Zweck der Regelung nach § 99 Abs. 3 PatG nicht zu vereinbaren. Es hätte zur
Folge, daß die Akteneinsicht gegen den klaren Wortlaut der gesetzlichen Regelung im Ergebnis doch von der Darlegung und Glaubhaftmachung eines eigenen Interesses abhängig gemacht und damit die vom Gesetz vorgenommene Wertung in ihr Gegenteil verkehrt würde. Danach ist der Akteneinsicht Begehrende allenfalls dann zu weiteren Darlegungen gehalten, wenn eine der Parteien des Nichtigkeitsverfahrens ein schutzwürdiges Gegeninteresse darlegt und gegebenenfalls glaubhaft macht. Dazu genügt es nicht, daß sie der Akteneinsicht widerspricht. Schon nach dem Wortlaut der Regelung bedarf es vielmehr der Darlegung eines eigenen Interesses, das dem Begehren entgegengehalten werden kann und soll. Erst wenn dieses vorliegt, kann nach der gesetzlichen Ausgestaltung der Akteneinsicht Begehrende seinerseits gehalten sein, sein Interesse an der Gewährung der Akteneinsicht vorzutragen und gegebenenfalls glaubhaft zu machen. Kommt er dem nicht nach, hat das lediglich zur Folge , daß die von ihm verfolgten Interessen bei der Abwägung nicht berücksichtigt werden können und so auch eine pauschalere Behauptung eines Gegeninteresses genügen kann, das von ihm geltend gemachte Recht auf Einsicht in die Akten zu Fall zu bringen.
Für den durch einen anwaltlichen Vertreter gestellten Akteneinsichtsantrag gilt insoweit nichts anderes. Wenn weder von ihm noch von der von seinem Mandanten die Darlegung des eigenen Interesses an der Akteneinsicht verlangt werden kann, besteht insoweit auch kein Anlaß, seinen Mandanten namhaft zu machen (so auch im Ergebnis Sen.Beschl. v. 8.10.1998 - X ZB 12/98, GRUR 1999, 226 - Akteneinsicht XIV für die Einsichtnahme in die Beschwerdeakten in einem Gebrauchsmusterlöschungsverfahren). Bei ihm kommt hinzu, daß er ohnehin auch im eigenen Namen Einsicht in die Akten verlangen könnte. In § 99 Abs. 3 PatG ist das Recht auf Einsicht in die Akten
jedermann zugestanden worden; dieses Recht kann auch der anwaltliche Vertreter ohne Einschränkung selbst in Anspruch nehmen. Auch insoweit kommt es nicht darauf an, ob er ein eigenes Interesse an den durch die Einsichtnahme vermittelten Kenntnissen besitzt.
Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist den Antragstellern Einsicht in die Akten des Nichtigkeitsverfahrens zu gewähren. Ein schutzwürdiges Gegeninteresse hat die Klägerin nicht dargelegt. Sie hat sich nur pauschal darauf bezogen , daß sie ohne Kenntnis der von den Antragstellern vertretenen Partei nicht beurteilen könne, ob aus ihrer Sicht wesentliche Gründe der Gewährung der Akteneinsicht entgegenstünden. Das genügt zur Darlegung eines Gegeninteresses auch vor dem Hintergrund dessen nicht, daß ihre Darlegungen mangels näherer Ausführungen der Antragsteller notwendig pauschal bleiben müssen. Sie hat sich vielmehr darauf beschränkt, der Akteneinsicht zu widersprechen.
Rogge Jestaedt Melullis
Scharen Keukenschrijver

(1) Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren vor dem Patentgericht enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden, wenn die Besonderheiten des Verfahrens vor dem Patentgericht dies nicht ausschließen.

(2) Eine Anfechtung der Entscheidungen des Patentgerichts findet nur statt, soweit dieses Gesetz sie zuläßt.

(3) Für die Gewährung der Akteneinsicht an dritte Personen ist § 31 entsprechend anzuwenden. Über den Antrag entscheidet das Patentgericht. Die Einsicht in die Akten von Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents wird nicht gewährt, wenn und soweit der Patentinhaber ein entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse dartut.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 106/10
vom
27. Oktober 2011
in dem Patentnichtigkeitsverfahren
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Oktober 2011 durch
den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Gröning,
Dr. Grabinski und Hoffmann

beschlossen:
Herrn Patentanwalt J. E. , Kanzlei Ei. in H. , wird Einsicht in die Akten des Patentnichtigkeitsverfahrens X ZR 106/10 gewährt.

Gründe:


1
I. Patentanwalt E. hat - ohne Nennung eines Auftraggebers - Einsicht in die Akten des Nichtigkeitsverfahrens begehrt, die sich nach Einlegung der Berufung bei dem beschließenden Senat befinden. Die Klägerin hat gegenüber dem Antrag keine Bedenken erhoben; die Beklagte hat angemerkt, der Antragsteller möge aufgefordert werden, seinen Auftraggeber zu nennen, damit der Patentinhaber prüfen könne, ob er ein der Akteneinsicht entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse habe.
2
II. Dem Akteneinsichtsantrag ist stattzugeben. Nach § 99 Abs. 3 PatG gilt für die Akteneinsicht durch andere als die Parteien des Nichtigkeitsverfahrens die Regelung des § 31 PatG entsprechend, der das Recht auf Einsicht in die Akten des Patentamts betrifft. Danach ist die Einsicht in diese Akten lediglich von einem förmlichen Antrag, nicht jedoch auch von der Darlegung eines berechtigten Interesses abhängig. Dies hat der Senat bereits im Jahr 2000 entschieden (Beschluss vom 17. Oktober 2000 - X ZR 4/00, GRUR 2001, 143) und hieran hat er in ständiger Rechtsprechung festgehalten (zuletzt Beschluss vom 27. Mai 2009 - Xa ZR 162/07).
3
Demnach ist dem Antragsteller Einsicht in die Akten des Nichtigkeitsverfahrens zu gewähren. Ein schutzwürdiges Gegeninteresse hat die Beklagte nicht dargelegt. Sie hat sich nur pauschal darauf bezogen, dass sie ohne Kenntnis der vom Antragsteller vertretenen Partei nicht beurteilen könne, ob aus ihrer Sicht Gründe der Gewährung der Akteneinsicht entgegenstünden. Das genügt zur Darlegung eines Gegeninteresses auch vor dem Hintergrund dessen nicht, dass ihre Darlegungen mangels näherer Ausführungen der Antragsteller notwendig pauschal bleiben müssen.
Keukenschrijver Mühlens Gröning
Grabinski Hoffmann
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 16.06.2010 - 5 Ni 28/09 (EU) -