Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Juli 2005 - X ZB 1/04

bei uns veröffentlicht am26.07.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 1/04
vom
26. Juli 2005
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend das Patent 42 38 853
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Melullis, die Richter Scharen, Keukenschrijver, die Richterin Mühlens
und den Richter Dr. Kirchhoff
am 26. Juli 2005

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 7. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 12. November 2003 wird auf Kosten der Rechtsbeschwerdeführerin zurückgewiesen.
Der Wert des Gegenstands der Rechtsbeschwerde wird auf 75.000 Euro festgesetzt.

Gründe:


I. Die Rechtsbeschwerdeführerin ist Inhaberin des am 18. November 1992 angemeldeten deutschen Patents 42 38 853, das einen "Kondensator für die Klimaanlage eines Fahrzeugs" betrifft und neun Patentansprüche umfaßt. Patentanspruch 1 lautet wie folgt:

"Kondensator für eine Klimaanlage eines Fahrzeuges, der einen Rohr-Rippenblock enthält, welcher beidseits mit Sammelrohren versehen ist, die mittels Trennwänden derart unterteilt sind, daß der Rohr-Rippenblock einen oberen Kondensierabschnitt für Kältemittel und einen unteren Unterkühlabschnitt für Kältemittel bildet, wobei neben einem der Sammelrohre und parallel dazu ein rohrförmiger Sammler angeordnet ist, der mit diesem Sammelrohr in Verbindung steht, dadurch gekennzeichnet, daß der Sammler (23) eine Strömungsverbindung zwischen dem Kondensierabschnitt und dem Unterkühlabschnitt bildet und über eine erste Verbindungsöffnung (24) mit dem Kondensatorabschnitt und über eine zweite Verbindungsöffnung (25) mit dem Unterkühlabschnitt in Verbindung steht."
Wegen der auf Patentanspruch 1 unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 9 wird auf die Patentschrift verwiesen.
Die Einsprechenden haben sich mit ihren Einsprüchen auf die Widerrufsgründe gestützt, der Gegenstand des Patents sei nicht patentfähig und gehe über die ursprünglichen Anmeldeunterlagen hinaus (§ 21 Abs. 1 Nr. 1, 4 PatG). Sie haben sich dazu u.a. auf die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 0 480 330 und die US-Patentschriften 3 051 450, 4 972 683 und 5 146 767 gestützt. Die Patentinhaberin hat das Patent u.a. mit verschiedenen Hilfsanträgen verteidigt; sie hat außerdem die Teilung des Patents erklärt; die Teilanmeldung wurde unter der Nr. 42 45 046.2 geführt. Das Bundespatentgericht , vor dem das Einspruchsverfahren auf Antrag der Patentinhaberin nach § 147 Abs. 3 Nr. 2 PatG weitergeführt wurde, hat das Patent widerrufen. Die Rechtsbeschwerde hat es nicht zugelassen. Die Rechtsbeschwerdeführerin macht geltend, der angefochtene Beschluß verletze das rechtliche Gehör der Patentinhaberin und sei nicht im Sinn des Gesetzes mit Gründen versehen. Sie

beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben, soweit die Hilfsanträge 1 und 5 zurückgewiesen wurden, und die Sache insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen.
II. Gegen den Beschluß des Bundespatentgerichts, mit dem über den Einspruch entschieden wurde, findet die Rechtsbeschwerde statt (§ 147 Abs. 3 Satz 5 PatG). Die Prüfung beschränkt sich, nachdem die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen wurde, auf die geltend gemachten Gründe nach § 100 Abs. 3 PatG, die die nicht zugelassene Rechtsbeschwerde rechtfertigen. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg, weil die gerügten Mängel nicht vorliegen.
1. Das Bundespatentgericht hat ausgeführt, der Gegenstand des Patents stelle weder in der erteilten Fassung noch in einer der mit den Hilfsanträgen verteidigten Fassungen eine patentfähige Erfindung dar. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des angefochtenen Patents beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Aus der US-Patentschrift 5 146 767 sei ein Kondensator für eine Klimaanlage eines Fahrzeugs mit einem beiderseits mit Sammelrohren versehenen Rohr-Rippenblock bekannt. Die Sammelrohre seien mittels Trennwänden derart unterteilt, daß der Block einen oberen Kondensierabschnitt und einen unteren Unterkühlabschnitt für das zu kondensierende Kältemittel bilde. Zwischen den Kondensierabschnitt und den Unterkühlabschnitt sei strömungsmäßig ein Sammler geschaltet, dessen Einlaß mit dem Kondensierabschnitt und dessen Auslaß mit dem Unterkühlabschnitt verbunden seien. Der Sammler bilde die einzige Strömungsverbindung zwischen dem Kondensierabschnitt und dem Unterkühlabschnitt des Kondensators. Er könne rohrförmig ausgebildet sein. Es dränge sich dem Fachmann, einem Diplomingenieur des Maschinenbaus mit vertieften Kenntnissen auf dem Gebiet der Thermodynamik und mit Erfahrungen in der Auslegung und Konstruktion von Klimaanlagen, auf, den Sammler nahe am Kondensator anzuordnen, um die Verbindungsleitungen

kurz zu halten. Auch der Kondensator der Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 0 480 330 bilde einen oberen Kondensierabschnitt und einen unteren Unterkühlabschnitt. Der Sammler werde allerdings nicht vom gesamten Kältemittelstrom durchströmt, sondern sei entweder als Sackrohr oder im Nebenschluß im unteren Bereich des Kondensators angeschlossen. Der Fachmann erkenne ohne weiteres, daß eine besonders platzsparende und wirtschaftliche Bauweise möglich sei, wenn der Sammler, wie aus der USPatentschrift bekannt, strömungsmäßig zwischen den Kondensierabschnitt und den Unterkühlabschnitt des Kondensators geschaltet sei. Es liege auf der Hand, dann die Verbindungen zwischen dem Kondensierabschnitt und dem Sammler sowie zwischen dem Sammler und dem Unterkühlabschnitt nicht über Leitungen, sondern über Öffnungen in der Trennwand herzustellen.
Gegen diese Beurteilung des Patentanspruchs 1 in seiner erteilten Fassung wendet sich die Rechtsbeschwerde nicht.
2. a) Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 enthält das zusätzliche Merkmal , daß die Trennwände, die zur Unterteilung des Rohr-Rippenblocks zwischen dem oberen Kondensierabschnitt und dem unteren Unterkühlabschnitt dienen, auf gleicher Höhe in den Sammelrohren angeordnet sind, sowie die am Ende die Wirkungsangabe, daß sich abhängig vom Betriebszustand ein unterschiedlicher Flüssigkeitsstand im Sammler ausbildet, der den Kondensationsdruck und damit die zugehörige Kondensationstemperatur so beeinflußt, daß das durch die Verbindungsöffnung in den Sammler zuströmende Kältemittel in allen Betriebszuständen weitgehend ebenfalls flüssig gesättigt ist.

b) Das Bundespatentgericht hat hierzu ausgeführt, die Anordnung der Trennwände sei bereits aus der US-Patentschrift 5 146 767 bekannt; sie ergebe sich fast automatisch, wenn der gesamte Kältemittelstrom durch den Samm-

ler geleitet werden solle. Die angegebene Wirkung bedinge keine besondere Ausbildung des Sammlers. Es entspreche der normalen Funktion solcher Sammler, je nach Kältemittelmenge in der Klimaanlage und deren Betriebszustand einen unterschiedlichen Flüssigkeitsstand aufzuweisen und als Ausgleichsbehälter für den Kältemittelkreislauf zu dienen. Durch eine ausreichende Befüllung des Kreislaufs mit Kältemittel könne ohne weiteres erreicht werden, daß am Ende des Kondensierabschnitts das Kältemittel in allen Betriebszuständen weitgehend flüssig gesättigt sei. In der US-Patentschrift 5 146 767 sei ausgeführt, daß dem Unterkühlabschnitt des Kondensators flüssiges Kältemittel zur Unterkühlung zugeführt werden solle, um sicherzustellen, daß dem Expansionsventil der Klimaanlage zur Vermeidung von Ventilgeräuschen durchgehend nur flüssiges Kühlmittel zugeführt werde. Diese Funktionsweise bedinge, daß das Kältemittel beim Übertritt vom Kondensationsabschnitt zum Sammler weitgehend verflüssigt sein müsse, wie der Fachmann ohne weiteres erkenne. Somit ergebe sich auch die Lehre gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

c) aa) Die Rechtsbeschwerde rügt insoweit, die Patentinhaberin habe zur Bedeutung des letztgenannten Merkmals vorgetragen, wenn der Gasgehalt des Kältemittels beim Übertritt in den Sammler steige, erhöhe sich die Gasmenge im Sammler und dadurch sinke dessen Flüssigkeitsspiegel. Infolgedessen werde flüssiges Kältemittel in den Kondensierabschnitt zurückgedrückt. Dadurch stiegen der Druck und die Temperatur im Kondensierabschnitt, wodurch die Kondensierleistung zunehme, so daß das in den Sammler übertretende Kältemittel wieder stärker gesättigt sei. Der Sammler bewirke somit ein automatisches Gleichgewicht zwischen Kondensationsdruck, Kondensationstemperatur und der im Sammler befindlichen Gassäule. In der Einspruchsverhandlung habe der anwaltliche Vertreter der Patentinhaberin die selbststabilisierende Wirkung und ihre thermodynamischen Grundlagen erläutert. Diese

automatische Regelung sei mit bekannten Anordnungen nicht möglich gewesen. Mit der Anordnung nach der US-Patentschrift 5 146 767 könne sie auch nicht dadurch erreicht werden, daß dem Sammler weitgehend verflüssigtes Kältemittel aus dem Kondensierabschnitt zugeführt werde, weil dieses von oben heruntertropfe. Ebensowenig sei die beanspruchte Wirkung dadurch zu erreichen , daß man die Klimaanlage mit Kühlmittel ausreichend befülle, weil dann das Gaspolster wegfallen müßte und seine Pufferfunktion nicht mehr ausüben könnte. Bei der Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 0 480 330 lägen, was in der mündlichen Verhandlung erläutert worden sei, dieselben Verhältnisse vor. Der Parteigutachter der Patentinhaberin habe dies ebenfalls erläutert und den Vortrag der Patentinhaberin bestätigt. Das Bundespatentgericht sei auf die mit der beanspruchten Wirkung erreichte automatische Regelung der Zuleitung von rein flüssigem Kältemittel ohne Gasanteile auch in ungünstigen Fahrzuständen nicht eingegangen. Damit sei dem Begründungserfordernis des § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG nicht genügt. Auch beigebrachte Privatgutachten müßten mit aller Sorgfalt gewürdigt werden. Das völlige Fehlen einer Beweiswürdigung stehe dem Übergehen eines selbständigen Angriffs- oder Verteidigungsmittels gleich.
bb) Die Einsprechende M. GmbH erwidert hierauf, es könne nicht Sinn der nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde sein, den Senat zu verpflichten , zunächst einmal durch Beweisaufnahme zu klären, was in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht vorgetragen worden sei. Aus den entsprechend anwendbaren Bestimmungen des Revisionsrechts ergebe sich vielmehr, daß der Beurteilung durch den beschließenden Senat nur das Parteivorbringen unterliege, das aus dem Beschluß des Bundespatentgerichts oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich sei, soweit nicht begründete Verfahrensrügen erhoben seien. Da eine Beweisaufnahme nicht stattgefunden habe, kön-

ne es auch an einer Beweiswürdigung nicht fehlen. Was der Parteigutachter vorgetragen haben möge, habe er als Interessenvertreter der Partei gesagt.
cc) Auch die Einsprechende D. verweist darauf, daß das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde dem der Revision nachgebildet sei. Mit der Wirkungsweise der Vorrichtung habe sich das Bundespatentgericht inhaltlich nachvollziehbar auseinandergesetzt. Die Rechtsbeschwerde räume selbst ein, daß das Bundespatentgericht den behaupteten mündlichen Vortrag zur Kenntnis genommen und die beanspruchte Wirkung in den Beschlußgründen behandelt habe.
dd) Der Rechtsbeschwerde muß insoweit der Erfolg versagt bleiben. Zwar betrifft der Rechtsbeschwerdegrund der fehlenden Begründung (§ 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG) nicht nur den Fall, daß eine Begründung gänzlich fehlt, sondern auch den Fall, daß ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel übergangen worden ist (st. Rspr., u.a. Sen.Beschl. v. 30.09.1997 - X ZB 17/96, GRUR 1998, 373, 376 - Fersensporn), wozu nach der Rechtsprechung des Senats auch der Komplex der erfinderischen Tätigkeit rechnet (st. Rspr. seit BGHZ 39, 333, 337 - Warmpressen). Das Bundespatentgericht hat zur Frage der erfinderischen Tätigkeit keinen Beweis erhoben. Wie sich aus dem Protokoll über die Sitzung des Beschwerdesenats ergibt, ist der von der Rechtsbeschwerde als Privatgutachter bezeichnete Prof. Dr. Ma. für die Patentinhaberin , d.h. erkennbar als deren Beistand (§ 90 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 99 Abs. 1 PatG) aufgetreten; sein mündlicher Vortrag war daher als Parteivortrag zu behandeln (§ 90 Abs. 2 ZPO; vgl. Schulte, PatG 7. Aufl. § 97 Rdn. 10). Damit fehlt es entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde bereits an einem Übergehen von Beweismaterial. Im übrigen ergibt sich aus der Rechtsprechung des Senats nicht, daß eine unvollständige Auseinandersetzung mit dem Komplex der erfinderischen Tätigkeit (früher: Erfindungshöhe) den Rechtsbeschwerde-

grund nach § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG ausfülle; der Senat hat dem Fall, daß Gründe ganz fehlen, lediglich den Fall gleichgesetzt, daß zwar Gründe vorhanden sind, diese aber ganz unverständlich und verworren sind, so daß sie nicht erkennen lassen, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgeblich waren , oder daß die Gründe sachlich inhaltslos sind und sich auf leere Redensarten oder einfach auf die Wiedergabe des Gesetzestexts beschränken (st. Rspr. seit BGHZ 39, 333, 337 - Warmpressen; zahlreiche Nachw. bei Busse, PatG, 6. Aufl., § 100 PatG Rdn. 63). Daß derartiges der Fall wäre, zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf.

d) aa) Die Rechtsbeschwerde sieht zugleich den Anspruch der Patentinhaberin auf rechtliches Gehör als verletzt an. Aus dem Zusammenhang der Ausführungen zu Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 erschließe sich, daß das Bundespatentgericht den Vortrag zur beanspruchten Wirkung nicht in seine Erwägungen einbezogen habe. Der Hinweis, die angegebene Wirkung bedinge keine besondere Ausbildung des Sammlers, sei vor diesem Hintergrund unverständlich.
bb) Die Einsprechende M. GmbH läßt erwidern, aus dem eigenen Vortrag der Rechtsbeschwerde ergebe sich, daß das Bundespatentgericht den Vortrag durchaus angehört und zur Kenntnis genommen habe. Auch hier arbeite die Rechtsbeschwerde mit verfahrensrechtlich unzulässigen tatsächlichen Unterstellungen und lasse außer acht, daß der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verlange, daß das Gericht auf alle Einzelheiten des Vorbringens einer Partei eingehe. Zudem habe sich das Bundespatentgericht zu der Wirkungsproblematik geäußert.
cc) Die Einsprechende D. verweist darauf, daß sich in den Gerichtsakten kein Hinweis auf den nunmehr behaupteten Vortrag finde. Zu-

dem könne das Rechtsbeschwerdegericht lediglich dasjenige Parteivorbringen beurteilen, das aus der angefochtenen Entscheidung oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich sei. Der beschließende Senat habe bereits entschieden, daß es zur Begründung einer Gehörsrüge nicht ausreiche vorzutragen, mündlich vorgebrachter Tatsachenvortrag sei in den Beschlußgründen nicht abgehandelt worden. Schließlich sei grundsätzlich davon auszugehen, daß das Gericht von ihm entgegengenommenes Parteivorbringen auch berücksichtigt habe. Mit der von der Rechtsbeschwerde angesprochenen Wirkungsweise habe sich das Bundespatentgericht inhaltlich nachvollziehbar auseinandergesetzt.
dd) Auch die Gehörsrüge (§ 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG) muß erfolglos bleiben. Der Anspruch auf rechtliches Gehör soll sicherstellen, daß das Gericht Parteivorbringen zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht (Sen.Beschl. v. 14.09.1999 - X ZB 23/98 - GRUR 1999, 1300 - tragbarer Informationsträger, und öfter; BGH, Beschl. v. 03.07.2003 - I ZB 36/00, GRUR 2003, 901 - MAZ). Bei der Interpretation der Vorschrift sind die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze zu Inhalt und Ausbildung der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Anspruchs auf rechtliches Gehör heranzuziehen (vgl. Sen.Beschl. v. 11.06.2002 - X ZB 27/01, GRUR 2002, 957 - Zahnstruktur m.w.N.). Die innerhalb der Prüfung des Vorliegens erfinderischer Tätigkeit zu treffende Entscheidung, ob sich eine Maßnahme in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab (§ 4 Satz 1 PatG), erfolgt mittels einer komplexen Bewertung (Sen. BGHZ 128, 270, 275 - elektrische Steckverbindung; Sen.Urt. v. 25.11.2003 - X ZR 162/00, GRUR 2004, 411 - Diabehältnis; v. 07.03.2001 - X ZR 176/99, GRUR 2001, 770 - Kabeldurchführung II).
Das Bundespatentgericht hat die in Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 enthaltene Wirkungsangabe in seiner Entscheidung berücksichtigt (Beschl. S. 13/14). Selbst wenn die Auseinandersetzung mit der Wirkungsangabe in der

Sache nicht erschöpfend sein sollte, hat das Bundespatentgericht doch eine verständliche Begründung für seine Auffassung gegeben, daß auch die Wirkungsangabe erfinderische Tätigkeit nicht begründen könne. Ob die Begründung , die das Bundespatentgericht für seine Auffassung gegeben hat, zutrifft, ist im Verfahren der nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde nicht zu überprüfen (st. Rspr., zuletzt Sen.Urt. v. 29.07.2003 - X ZB 29/01, GRUR 2004, 79 - Paroxetin ). Daraus, daß sich das Bundespatentgericht mit der Wirkungsangabe befaßt hat, folgt mit hinreichender Deutlichkeit auch, daß es die hierzu von der Patentinhaberin vorgebrachten Argumente in Erwägung gezogen hat, auch wenn es deren Argumentation nicht gefolgt ist. Wieweit sich das Bundespatentgericht in der Begründung seiner Entscheidung mit den Argumenten der Patentinhaberin auseinanderzusetzen hatte, ist nicht am Rechtsbeschwerdegrund des § 100 Abs. 2 Nr. 3 PatG, sondern an dem des § 100 Abs. 3 Nr. 6 zu messen.
3. a) Zu Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 5 hat das Bundespatentgericht ausgeführt, dieser entspreche in seinem ersten Teil dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 in seiner erteilten Fassung, wobei klargestellt werde, daß die zweite Verbindungsöffnung von der ersten Verbindungsöffnung beabstandet sei und daß der gesamte Kältestrom durch den Sammler geleitet werde, was der Fachmann im erteilten Patentanspruch 1 bereits mitlese. Zusätzlich sei angegeben, daß sich im Betrieb das flüssige Kältemittel im Sammler bis zu einem Niveau sammle, das oberhalb der ersten Verbindungsöffnung liege. Hierbei handle es sich um eine Anweisung, wieviel Kältemittel in den Kreislauf einzufüllen sei. Die ausreichende Befüllung einer Klimaanlage erfordere keine erfinderische Tätigkeit, wie schon im Zusammenhang mit Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ausgeführt worden sei.


b) Die Rechtsbeschwerde hält die Begründung für völlig unverständlich, weil der Beschluß nicht erkennen lasse, welche Bedeutung die Bemerkung haben solle, es handle sich nicht um ein Merkmal des Kondensators.

c) Soweit hierin eine Rüge nach § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG (Begründungsmangel ) zu sehen sein sollte, wäre diese schon deshalb unberechtigt, weil Fragen, die - wie hier - für die Entscheidung ohne Bedeutung sind, nicht der Begründungspflicht unterliegen (vgl. Sen.Beschl. v. 12.01.1999 - X ZB 7/98, GRUR 1999, 573 - Staatsgeheimnis). Die (weitere) Rüge, die bloße Behauptung , das Merkmal erfordere keine erfinderische Tätigkeit, beschränke sich auf die Wiedergabe der gesetzlichen Schutzvoraussetzung und sei völlig inhaltsleer , läßt außer Betracht, daß sich der angegriffene Beschluß insoweit auf seine Ausführungen zum ersten Hilfsantrag bezieht. Derartige Bezugnahmen sind jedenfalls dann, wenn sie sich auf andere Begründungsteile der angefochtenen Entscheidung beziehen, unbedenklich (vgl. zur Zulässigkeit von Bezugnahmen u.a. BGHZ 39, 333, 345 - Warmpressen; Sen.Beschl. v. 22.06.1993 - X ZB 22/92, GRUR 1993, 896 - Leistungshalbleiter; BGH; Beschl. v. 02.10.1970 - I ZB 9/69, GRUR 1971, 86 - Eurodigina). Die Rüge erweist sich deshalb aus den Gründen als unbegründet, aus denen die Begründungsrüge zum ersten Hilfsantrag nicht durchgreift.

d) Die Rechtsbeschwerde rügt weiter auch unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG), daß sich das Bundespatentgericht nicht mit den Erläuterungen von Prof. Dr. Ma. zur Bedeutung der Füllmenge auseinandergesetzt habe. Insoweit gelten, worauf auch die Einsprechenden hingewiesen haben, die gleichen Überlegungen wie zu Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1. Es liegt weder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs noch ein Begründungsmangel im Sinn der einschlägigen Bestimmungen vor.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 109 Abs. 1 Satz 2 PatG. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht als erforderlich angesehen (§ 107 Abs. 1 PatG).
Melullis Scharen Keukenschrijver
Mühlens Kirchhoff

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der wesentliche Inhalt des Patents den Beschreibungen, Zeichnungen, Modellen, Gerätschaften oder Einrichtungen eines anderen oder einem von diesem angewendeten Verfahren ohne dessen Einwilligung entnommen worden ist (widerrechtliche Entnahme),
4.
der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung der Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist; das gleiche gilt, wenn das Patent auf einer Teilanmeldung oder einer nach § 7 Abs. 2 eingereichten neuen Anmeldung beruht und der Gegenstand des Patents über den Inhalt der früheren Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung der früheren Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist.

(2) Betreffen die Widerrufsgründe nur einen Teil des Patents, so wird es mit einer entsprechenden Beschränkung aufrechterhalten. Die Beschränkung kann in Form einer Änderung der Patentansprüche, der Beschreibung oder der Zeichnungen vorgenommen werden.

(3) Mit dem Widerruf gelten die Wirkungen des Patents und der Anmeldung als von Anfang an nicht eingetreten. Bei beschränkter Aufrechterhaltung ist diese Bestimmung entsprechend anzuwenden.

(1) Artikel 229 § 6 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass § 33 Abs. 3 und § 141 in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Verjährung in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung gleichgestellt sind.

(2) Für Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats oder wegen Erteilung oder Rücknahme der Zwangslizenz oder wegen der Anpassung der durch Urteil festgesetzten Vergütung für eine Zwangslizenz, die vor dem 18. August 2021 durch Klage beim Bundespatentgericht eingeleitet wurden, sind die Vorschriften dieses Gesetzes in der bis zum 17. August 2021 geltenden Fassung weiter anzuwenden.

(3) Für Verfahren, in denen ein Antrag auf ein Zusatzpatent gestellt worden ist oder nach § 16 Absatz 1 Satz 2 dieses Gesetzes in der vor dem 1. April 2014 geltenden Fassung noch gestellt werden kann oder ein Zusatzpatent in Kraft ist, sind § 16 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2, § 17 Absatz 2, § 23 Absatz 1, § 42 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4, Satz 2 und Absatz 3 Satz 1 sowie § 43 Absatz 2 Satz 4 dieses Gesetzes in ihrer bis zum 1. April 2014 geltenden Fassung weiter anzuwenden.

(4) Für Anträge auf Verlängerung der Frist zur Benennung des Erfinders sind § 37 Absatz 2 Satz 2 bis 4 und § 20 Absatz 1 Nummer 2 dieses Gesetzes in der vor dem 1. April 2014 geltenden Fassung weiter anzuwenden, wenn die Anträge vor dem 1. April 2014 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen sind und das Patent bereits erteilt worden ist.

(5) Für Anträge auf Anhörung nach § 46 Absatz 1, die vor dem 1. April 2014 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen sind, ist § 46 dieses Gesetzes in der bis dahin geltenden Fassung weiter anzuwenden.

(1) Gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts, durch die über eine Beschwerde nach § 73 oder über die Aufrechterhaltung oder den Widerruf eines Patents nach § 61 Abs. 2 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn der Beschwerdesenat die Rechtsbeschwerde in dem Beschluß zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

(3) Einer Zulassung zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gegen Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts bedarf es nicht, wenn einer der folgenden Mängel des Verfahrens vorliegt und gerügt wird:

1.
wenn das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
wenn bei dem Beschluß ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
wenn einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
wenn ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
wenn der Beschluß auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
wenn der Beschluß nicht mit Gründen versehen ist.

(1) In der Verhandlung können die Parteien mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Partei den Rechtsstreit selbst führen kann, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. § 79 Abs. 3 Satz 1 und 3 und Abs. 4 gilt entsprechend.

(2) Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von der Partei vorgebracht, insoweit es nicht von dieser sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren vor dem Patentgericht enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden, wenn die Besonderheiten des Verfahrens vor dem Patentgericht dies nicht ausschließen.

(2) Eine Anfechtung der Entscheidungen des Patentgerichts findet nur statt, soweit dieses Gesetz sie zuläßt.

(3) Für die Gewährung der Akteneinsicht an dritte Personen ist § 31 entsprechend anzuwenden. Über den Antrag entscheidet das Patentgericht. Die Einsicht in die Akten von Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents wird nicht gewährt, wenn und soweit der Patentinhaber ein entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse dartut.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) In der Verhandlung können die Parteien mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Partei den Rechtsstreit selbst führen kann, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. § 79 Abs. 3 Satz 1 und 3 und Abs. 4 gilt entsprechend.

(2) Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von der Partei vorgebracht, insoweit es nicht von dieser sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts, durch die über eine Beschwerde nach § 73 oder über die Aufrechterhaltung oder den Widerruf eines Patents nach § 61 Abs. 2 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn der Beschwerdesenat die Rechtsbeschwerde in dem Beschluß zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

(3) Einer Zulassung zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gegen Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts bedarf es nicht, wenn einer der folgenden Mängel des Verfahrens vorliegt und gerügt wird:

1.
wenn das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
wenn bei dem Beschluß ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
wenn einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
wenn ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
wenn der Beschluß auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
wenn der Beschluß nicht mit Gründen versehen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 36/00
vom
15. Oktober 2003
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung Nr. 397 46 610.2
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Oktober 2003 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof. Starck,
Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Schaffert

beschlossen:
Die Gegenvorstellung vom 1. September 2003 gibt zu einer Änderung des Senatsbeschlusses vom 3. Juli 2003 keinen Anlaß.

Gründe:


Die von der Anmelderin beantragte Einholung dienstlicher Äußerungen zum Hergang der mündlichen Verhandlung vom 24. Mai 2000 vor dem Bundespatentgericht war nicht erforderlich.
Der Vortrag der Anmelderin, auf den sie die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs stützte, das Bundespatentgericht habe eine Aufhebung der patentamtlichen Entscheidung und eine Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt als sicher dargestellt, beruhte auf den Informationen ihres Verfahrensbevollmächtigten, der sie vor dem Bundespatentgericht vertreten hatte. Aus dessen Stellungnahme vom 25. Mai 2000 an die Anmelderin , auf die diese sich im Rechtsbeschwerdeverfahren berufen hat, folgt aber, daß der Senat des Bundespatentgerichts die Aufhebung der patentamtli-
chen Entscheidung nicht als sicher dargestellt hat. Ergab sich aus den von der Anmelderin vorgelegten Unterlagen, deren Inhalt sie sich zu eigen gemacht hat, daß eine Verletzung des rechtlichen Gehörs in dem Verfahren vor dem Bundespatentgericht nicht vorlag, war die Einholung dienstlicher Äußerungen der mit der Sache befaßten Richter des Bundespatentgerichts nicht erforderlich.
Ullmann Starck Pokrant
Büscher Schaffert

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 27/01
vom
11. Juni 2002
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend das Patent 37 23 555
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zahnstruktur
PatG § 100 Abs. 3 Nr. 3 Fassung 2. PatGÄndG
Die im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegende Entscheidung, mit der dieses
die Zuziehung eines gerichtlichen Sachverständigen ablehnt, stellt regelmäßig
keine Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör der Partei dar, die einen
solchen Beweisantrag gestellt hatte.
BGH, Beschl. v. 11. Juni 2002 - X ZB 27/01 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 11. Juni 2002 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die Richterin
Mühlens und die Richter Dr. Meier-Beck und Asendorf

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den am 10. Juli 2001 verkündeten Beschluû des 21. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten des Patentinhabers zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert wird auf 50.000,-- ? festgesetzt.

Gründe:


I. Der Rechtsbeschwerdeführer ist Inhaber des Patents 37 23 555, das ein "Verfahren zur Herstellung von Zahnersatz" betrifft. Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung lautet:
"Verfahren zur Herstellung von Zahnersatz, bei dem Höhenschichtoder Konturlinien (6; 25) auf dem beschliffenen Zahn (5) und seiner Umgebung erzeugt werden,
die Linien (6; 25) mit einer optoelektronischen Einrichtung (7) erfaût werden,
aus den erfaûten Werten die räumliche Struktur des Zahnes (5) und des Zahnersatzes nach der Formel
I = a x (1 + m x cos q)
berechnet wird, wobei bedeuten:
I = Intensität a = Untergrundhelligkeit m = Kontrast q = Winkel x = Multiplikationszeichen
und der Zahnersatz anhand der berechneten Werte gefertigt wird."
Das Deutsche Patent- und Markenamt hat das Patent nach Prüfung zweier Einsprüche widerrufen, weil es die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbare, daû ein Fachmann sie ausführen könne.
Die Beschwerde des Patentinhabers ist ohne Erfolg geblieben.
Gegen die Beschwerdeentscheidung richtet sich die vom Bundespatentgericht nicht zugelassene Rechtsbeschwerde des Patentinhabers, mit der er rügt, daû die angefochtene Entscheidung seinen Anspruch auf rechtliches Ge-
hör nach Art. 103 Abs. 1 GG verletze (§ 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG) und im Sinne von § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG nicht mit Gründen versehen sei.
II. Die Rechtsbeschwerde, mit der der Patentinhaber Verfahrens- und Begründungsmängel nach §§ 100 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 6 PatG geltend macht, ist statthaft und zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, denn die gerügten Mängel liegen nicht vor.
1. a) Die durch das 2. PatGÄndG in den Katalog des § 100 Abs. 3 PatG eingefügte Regelung des § 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG trägt der Bedeutung des Anspruchs auf rechtliches Gehör als verfassungsrechtlichem Gebot Rechnung und knüpft damit an die verfassungsrechtliche Gewährleistung dieses Anspruchs und seine Ausprägung insbesondere in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an. Bei der Interpretation der Vorschrift sind daher die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze zu Inhalt und Ausbildung dieses Rechts heranzuziehen (Sen.Beschl. v. 25.01.2000 - X ZB 7/99, GRUR 2000, 792, 793 - Spiralbohrer). Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet danach das mit der Sache befaûte Gericht, die Ausführungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidung zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 11, 218, 220; 62, 347, 352; 79, 51, 61; 83, 24, 35; 86, 133, 144). Verletzt ist der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs, wenn das entscheidende Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. BVerfGE 47, 182, 188; Sen.Beschl. v. 25.01.2000 aaO; Beschl. v. 19.05.1999 - X ZB 13/98, GRUR 1999, 919 - Zugriffsinformation), oder wenn es Erkenntnisse verwertet hat, zu denen die Verfahrensbeteiligten nicht Stellung nehmen konnten (BGH, Beschl. v.
30.01.1997 - I ZB 3/95, GRUR 1997, 637 - TOP-Selection). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bietet der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs keinen Schutz dagegen, daû ein angebotener Beweis aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts nicht erhoben wird; die Nichtberücksichtigung eines Beweisangebots verstöût jedoch dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozeûrecht keine Stütze mehr findet (BVerfGE 69, 141, 144). Die Zurückweisung eines Beweisantrags wie des Antrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens enthält daher keine Verletzung des Gebots der Gewährung rechtlichen Gehörs. Dieses verwehrt es den Gerichten nicht, das Vorbringen eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt zu lassen (BVerfGE 21, 191, 194; 22, 267, 273; 70, 93, 100); eine Verletzung des Gebots ist erst dann gegeben , wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergibt, daû das Gericht tatsächliches Vorbringen entweder nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht in Erwägung gezogen hat (BVerfGE 54, 86, 92). Das Prozeûrecht gebot hier eine solche Einholung nicht. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat und auch die Rechtsbeschwerde ausdrücklich nicht in Abrede nimmt, steht die Entscheidung über die Zuziehung eines gerichtlichen Sachverständigen im pflichtgemäûen Ermessen des Gerichts. Danach bedarf es der Hinzuziehung eines Sachverständigen nicht, wenn das Gericht gegebenenfalls aufgrund der Vorbereitung des Prozeûstoffs durch die Parteien und seiner eigenen langjährigen Erfahrung mit entsprechenden Verfahren selbst über die erforderliche Sachkunde verfügt (Sen.Urt. v. 28.01.1988 - X ZR 6/87, GRUR 1988, 444, 446 - Betonstahlmattenwender; v. 12.07.1990 - X ZR 121/88, GRUR 1991, 436, 440 - Befestigungsvorrichtung II; s.a. BGH, Urt. v. 18.03.1993 - IX ZR 198/92, MDR 1993, 579 = NJW 1993, 1796;
BVerfGE 54, 86, 93); ihre Ablehnung bedeutet in diesem Rahmen daher regelmäûig keine Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör.
Danach scheidet hier eine Verletzung des rechtlichen Gehörs aus.

b) Das Beschwerdegericht ist in den Entscheidungsgründen auf das Vorbringen des Patentinhabers eingegangen; die Hinzuziehung eines Sachverständigen hat es für entbehrlich gehalten, weil es die entscheidungserheblichen Fragen selbst beurteilen könne, die keine so groûen Schwierigkeiten bereiteten , daû sie von dem mit sachkundigen Mitgliedern besetzten, seit langem für den technischen Fachbereich derartiger Verfahren zuständigen Senat nicht ohne eine Unterstützung durch einen Sachverständigen hätten erfaût und beurteilt werden können. Bei dieser Würdigung hat das Beschwerdegericht das Vorbringen des Patentinhabers zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung in Erwägung gezogen.
Der Patentinhaber hat zu allen verwerteten Erkenntnissen Stellung nehmen können und von dieser Möglichkeit auch Gebrauch gemacht, unter anderem, indem er in der mündlichen Verhandlung den Antrag gestellt hat, einen Sachverständigen zuzuziehen. Allein der Umstand, daû das Berufungsgericht diesem Antrag nicht entsprochen hat, verletzt den Patentinhaber nicht in seinem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs.
Soweit die Rechtsbeschwerde meint, Besonderheiten des vorliegenden Falls geböten die Beauftragung eines gerichtlichen Sachverständigen und lieûen die Ablehnung eines entsprechenden Antrags als ermessens- und damit verfahrensfehlerhaft erscheinen, berührt dies nicht die Beachtung dieses
Grundrechts, sondern allein die sachliche Richtigkeit der Entscheidung. Im Rahmen der nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde, bei der es aber allein um die Frage der Einhaltung des Verfassungsgrundsatzes rechtlichen Gehörs geht, ist dies jedoch nicht zu prüfen.
Als eine Verletzung des rechtlichen Gehörs stellt sich die Nichteinholung des Gutachtens auch nicht deshalb dar, weil das Beschwerdegericht damit von einer Aufklärungsmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat. Mit dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs wird nur sichergestellt, daû einerseits das Gericht die Ausführungen der Parteien zur Kenntnis nimmt und seiner Entscheidung zugrunde legt und andererseits nur solche Tatsachen von ihm verwertet werden , zu denen die Beteiligten Stellung nehmen konnten (BVerfGE 64, 135, 144). Es gibt ihnen jedoch keinen Anspruch darauf, daû es Tatsachen erst beschafft (BVerfGE 63, 45, 60).
2. a) Auch der von der Rechtsbeschwerde angeführte Mangel der Begründung liegt nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein Begründungsmangel im Sinne des § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG bei einer vorhandenen Begründung dann vorliegen, wenn diese Begründung nicht erkennen läût, welche Überlegungen für die Entscheidung maûgeblich waren, oder wenn die Gründe inhaltslos sind bzw. sich auf eine Wiederholung des Gesetzestextes beschränken (vgl. Sen.Beschl. v. 03.12.1991 - X ZB 5/91, GRUR 1992, 159 - Crackkatalysator II; BGHZ 39, 333 - Warmpressen).

b) Auch solche Gründe hat der Patentinhaber nicht geltend gemacht. Die Gründe der Entscheidung lassen erkennen, worauf das Beschwerdegericht seine Würdigung, das Patent offenbare die Erfindung nicht so deutlich und
vollständig, daû ein Fachmann sie ausführen könne, gestützt hat. Das Beschwerdegericht hat seine zu diesem Ergebnis führenden Überlegungen im einzelnen dargelegt. Im Zusammenhang mit diesen Ausführungen handelt es sich bei der abschlieûenden Stellungnahme des Beschwerdegerichts zu dem Beweisantrag des Patentinhabers nicht nur um eine inhaltsleere Floskel. Das Beschwerdegericht hat nicht nur die eigene Sachkunde bejaht, sondern zuvor die entscheidungserheblichen Fragen, für die die Sachkunde erforderlich war, eingehend abgehandelt. Dem hält die Rechtsbeschwerde allein die abweichende Beurteilung anderer Patentbehörden entgegen. Dieser Angriff zielt wiederum darauf, daû die tatrichterliche Beurteilung fehlerhaft sei. Soweit die Rechtsbeschwerde ausführt, die "Begründungslast" sei um so höher, je stärker für das Beschwerdegericht Veranlassung bestanden habe, sich inhaltlich mit dem Vorbringen oder den Beweisanträgen von Verfahrensbeteiligten auseinanderzusetzen , so hat das Beschwerdegericht diesen Anforderungen durch seine Auseinandersetzung mit den entscheidungserheblichen Fragen genügt. Es hat damit ausreichend deutlich gemacht, daû die Fragen von dem seit langem für den technischen Fachbereich derartiger Verfahren zuständigen Senat ohne Zuziehung eines Sachverständigen beurteilt werden konnten.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 109 Abs. 1 Satz 2 PatG.
IV. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf

Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Gehören zum Stand der Technik auch Unterlagen im Sinne des § 3 Abs. 2, so werden diese bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht gezogen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 162/00 Verkündet am:
25. November 2003
Mayer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
Diabehältnis
Der gerichtliche Sachverständige hat insbesondere die Aufgabe, dem Gericht
Kenntnisse und Fähigkeiten des Fachmanns sowie die Arbeitsweise zu vermitteln
, mit der dieser technische Probleme seines Fachgebiets zu bewältigen
trachtet. Ob die erfindungsgemäße Lösung für den Fachmann nach seinem
festgestellten Wissen und Können nahegelegen hat, ist als Akt wertender Erkenntnis
nicht vom Sachverständigen zu beurteilen.
BGH, Urt. v. 25. November 2003 - X ZR 162/00 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. November 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. Meier-Beck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 11. April 2000 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 228 536 (Streitpatents). Das Streitpatent , das auf einer Anmeldung vom 5. November 1986 beruht, für die italienische Prioritäten vom 11. November 1985 in Anspruch genommen werden, betrifft ein Diabehältnis und umfaßt in der Fassung, die es im Einspruchsverfahren erhalten hat, fünf Verwendungsansprüche und sechs weitere Ansprüche, die sich mit Verfahren zum automatischen Verpacken von gerahmten Dias in dem Behältnis befassen.
Patentanspruch 1 hat (ohne Bezugszeichen) folgenden Wortlaut:
"Use of a container consisting of a continuous strip of transparent material folded longitudinally and welded together along transverse lines to define a plurality of transverse pockets closed at one end and open at the other end, said strip bearing a plurality of reference marks separated by a distance equal to the distance between the axes of adjacent transverse pockets, as container housing mounted slides, wherein each pocket is adapted to contain a predetermined plural number of mounted slides and is constructed such that the slides are inserted into the pocket through its open end and the insertion of a slide moves a previously inserted slide forward into the pocket."
Seine deutsche Fassung lautet:
"Verwendung eines Behälters, bestehend aus einem kontinuierlichen Streifen aus transparentem Material, welcher längs gefaltet und entlang Querlinien verschweißt ist, um eine Vielzahl von Quertaschen zu bilden, die an einem Ende geschlossen und am anderen Ende offen sind, wobei der Streifen eine Vielzahl von Referenzmarken aufweist, die durch einen Abstand gleich dem Abstand zwischen den Achsen benachbarter Quertaschen voneinander getrennt sind, als Behälter zur Aufnahme montierter Dias, wobei jede Tasche angepaßt ist, um eine vorbestimmte Vielzahl montierter Dias zu enthalten, und so ausgebildet ist, daß die Dias in die Tasche durch deren offenes Ende eingeführt werden
und das Einführen eines Dias das vorher eingeführte Dia in der Tasche vorwärts bewegt."
Wegen des Wortlauts der weiteren Patentansprüche wird auf die neue europäische Patentschrift (B2-Schrift) verwiesen.
Mit der Nichtigkeitsklage hat die Klägerin die Patentansprüche 1 bis 5 angegriffen und geltend gemacht, der Gegenstand des Patents sei insoweit nicht neu und beruhe jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 5 mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie weiterhin die Abweisung der Nichtigkeitsklage erstrebt und hilfsweise das Streitpatent mit zwei Hilfsanträgen verteidigt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr.-Ing. habil. H. G., Geschäftsführender Direktor des Instituts für Verarbeitungsmaschinen, Landmaschinen und Verarbeitungstechnik der ... Universität ..., ein schriftliches Gutachten erstattet. Der Senat hat ferner Zeugenbeweis erhoben.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent zurecht im Umfang des Klageangriffs für nichtig erklärt, da sein Gegenstand insoweit dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war und daher nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht (Art. 52 Abs. 1, 56, 138 Abs. 1 lit. a EPÜ; Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG).
I. Das Streitpatent betrifft die Verwendung eines Streifens aus transparentem Material als Diabehältnis.
Die Streitpatentschrift schildert es einleitend als bekannt, in Photolabors gerahmte Dias zum Versand entweder in einer steifen Schachtel oder in einer faltbaren, mit Taschen versehenen Sichthülle zu verpacken. Die Verwendung einer Schachtel als Diabehältnis sieht die Streitpatentschrift u.a. wegen deren Größe und Gewicht sowie wegen des notwendigen Arbeitsaufwands als nachteilig an. An der Verwendung von Sichthüllen beanstandet sie die Notwendigkeit , jedes Dia einzeln von Hand in eine Tasche der Hülle einzusetzen.
Durch das Streitpatent soll ein leichtes, kleinvolumiges und kostengünstiges Diabehältnis bereitgestellt werden, das einfach und schnell und gegebenenfalls auch automatisch zu befüllen ist.
Patentanspruch 1 lehrt hierzu die Verwendung eines Behältnisses zur Aufnahme gerahmter Dias, das durch folgende Merkmale umschrieben ist:
1. Das Behältnis besteht aus einem fortlaufenden Streifen aus transparentem Material, der
1.1 längsgefaltet und 1.2 entlang Querlinien geschweißt ist und 1.3 eine Mehrzahl von querverlaufenden Taschen bildet.
2. Die Taschen sind an einem Ende verschlossen und am anderen Ende offen.
3. Jede Tasche ist so ausgebildet, daß 3.1 sie eine vorbestimmte Mehrzahl ("plural number") gerahmter Dias aufnehmen kann, 3.2 die Dias durch ihr offenes Ende eingeführt werden und 3.3 das Einführen eines Dias ein zuvor eingeführtes in die Tasche hineinschiebt.
4. Der transparente Streifen trägt eine Mehrzahl von Referenzmarken , deren Abstand voneinander dem Achsabstand benachbarter Taschen entspricht.
Zur Aufnahme gerahmter Dias wird damit erfindungsgemäß ein einfaches und leichtes Behältnis verwendet, das durch das Einschieben einer vorbestimmten Anzahl von Dias in eine Tasche unschwer zu befüllen ist, wobei die Referenzmarken die exakte Positionierung eines Automaten zur Einführung der Dias erleichtern.
II. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, daß die erfindungsgemäße Verwendung eines Behältnisses
mit den Merkmalen 1 bis 4 dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war.
1. Der hier angesprochene Fachmann ist, wie auch die Parteien an- nehmen, ein erfahrener Meister oder Techniker, der aufgrund mehrjähriger Praxis mit den Problemen der Verpackung und Versendung in einem Photolabor erzeugter oder bearbeiteter Produkte vertraut ist.
2. Dieser Fachmann kannte bereits Hüllen aus transparentem Material , bei denen durch Längsfalten und Querschweißen eines fortlaufenden Materialstreifens eine Mehrzahl querverlaufender, einseitig offener Taschen gebildet wird (Merkmale 1 und 2), die jeweils zur Aufnahme von zwei durch das offene Ende eingeführten gerahmten Dias bestimmt und entsprechend dimensioniert sind (Merkmale 3.1 und 3.2).

a) Solche Diadoppeltaschenhüllen wurden, wie die Vernehmung der Zeugen U. und R. zur Überzeugung des Senats ergeben hat, vor dem Prioritätstag von der G. mbH in S. (im folgenden: G.) an Photolabors vertrieben und damit offenkundig vorbenutzt.
Als Doppeltaschen ausgebildete Dia-Taschen werden in der Preisliste "Verbrauchsmaterialien für Fotofinishing" der G. vom 4. Oktober 1982 aufgeführt. Der Geschäftsführer der G., der Zeuge U., hat geschildert, daß entsprechend den Merkmalen 1 bis 3.2 ausgebildete und als Rollenware gelieferte Taschen auf Kundenwunsch in das Vertriebsprogramm der G. aufgenommen wurden, um Photolaboren insbesondere für die Rücksendung einer kleineren Anzahl gerahmter Dias nach der Ausführung von Nachbestellungen ein geeig-
netes und kostengünstiges Transportmedium zur Verfügung stellen zu können. Der Zeuge hat hierzu ein an G. gerichtetes Angebot des Herstellers L. & Co. vom 23. September 1981 vorgelegt und erläutert, daß das Produkt tatsächlich durch den Zeugen R. hergestellt worden sei. Der Zeuge R. hat dies bestätigt und geschildert, daß er zunächst als Betriebsleiter des Herstellers H. und sodann, nachdem er sich zum 30. Juni 1984 selbständig gemacht hatte, in seinem eigenen Betrieb Dia-Doppeltaschen hergestellt hat. Die Taschen sind hinsichtlich ihrer technischen Beschaffenheit von den Zeugen sachlich übereinstimmend geschildert worden. Ihre Aussagen sind glaubhaft und Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit der eingehend befragten Zeugen nicht hervorgetreten; insbesondere hat der Zeuge R. seine Tätigkeit in den Jahren vor und nach seinem Wechsel in die Selbständigkeit auch außerhalb des eigentlichen Beweisthemas so anschaulich und plausibel geschildert, daß trotz des erheblichen seither verstrichenen Zeitraums seine Aussagen zu den für G. produzierten Diataschen einleuchtend und nachvollziehbar sind.

b) Daß bei der bestimmungsgemäßen Benutzung der vorbenutzten Diataschen das zweite Dia das zunächst eingeführte (weiter) in die Tasche hineinschiebt (Merkmal 3.3), ergibt sich bei unter Berücksichtigung des benötigten Spiels (annähernd) der Größe gerahmter Dias angepaßter Taschen zwangsläufig und wird entgegen der Auffassung der Beklagten nicht dadurch in Frage gestellt , daß es, wie der Zeuge U. bekundet hat, zu einem Übereinanderschieben von Dias kommen konnte. Es mag auch sein, daß die Nutzer der Diataschen , die nach der Aussage des Zeugen U. nicht maschinell, sondern von Hand befüllt wurden, häufig das erste Dia mit dem Finger bis zum anderen Ende in die Tasche hineingeschoben haben, so daß es eines Einsatzes des zweiten Dias als Werkzeug zum Transport des ersten nicht bedurfte. Nach der Lebenserfahrung kann jedoch ausgeschlossen werden, daß das erste Dia stets
bis zum Anschlag in die Tasche hineingeschoben worden ist. Das Hineinschie- ben wird vielfach mehr oder weniger unvollständig erfolgt sein, und in diesem Fall dient das zweite Dia zwangsläufig als Werkzeug zur weiteren Einführung des ersten in die Tasche.
3. Um zu der erfindungsgemäßen Verwendung zu gelangen, mußte der Fachmann daher den transparenten Streifen nur noch entsprechend Merkmal 4 mit einer Mehrzahl von Referenzmarken versehen. Das lag jedoch ohne weiteres nahe.

a) Denn dem Fachmann war nicht nur bekannt, solche transparenten Streifen zu den vorbenutzten Diadoppeltaschen zu formen. Er kannte vielmehr auch ein Behältnis (eine Hülle) zur Aufnahme entwickelter Filmabschnitte mit mehreren Einzelbildern, wie es in dem als Anlage K 6 (= E 9) zu den Akten gereichten Informationsblatt "Film Sleeves" dargestellt ist.
Dieses Behältnis besteht, wie der Abbildung auf der Vorderseite der Anlage K 6 zu entnehmen ist, aus einem fortlaufenden Streifen aus transparentem Material, der längs gefaltet und entlang von Querlinien verschweißt ist, so daß sich quer über den Streifen verlaufende, auf einer Seite offene Taschen ergeben , in die die Filmabschnitte eingeschoben werden. Jeweils zwischen zwei benachbarten Schweißlinien ist am geschlossenen Ende der Taschen eine als Referenz dienende Markierung angebracht.
Die Beweisaufnahme hat zur Überzeugung des Senats ergeben, daß derartige Filmhüllen vor dem Prioritätstag der Streitpatents in den Verkehr gebracht worden sind. Die Vorbekanntheit derartiger Behältnisse ist bereits im Einspruchsverfahren von der Technischen Beschwerdekammer (Beschl. v.
21. September 1995 - T 32/93, S. 6) als unbestritten behandelt worden. Für sie sprechen nicht nur die im Einspruchsverfahren zu den Akten des Europäischen Patentamts gereichten Unterlagen (= Anlagen E 2 bis 10), die nach den dort verwendeten Produktkennungen deutliche Indizien dafür liefern, daß das japanische Unternehmen D. International Co. Ltd. 1983 Eintaschmaterial für Filme, wie es in der Anlage K 6 dargestellt ist, u.a. in den "Japan Camera Trade News" von Mai 1983 beworben und in den Jahren 1982 und 1983 beispielsweise in die Schweiz geliefert hat. Vielmehr hat auch der Zeuge R. - ohne daß für ihn die Erheblichkeit dieser Umstände erkennbar war und daher glaubhaft - geschildert , daß er zu Beginn seiner Selbständigkeit mit einer Ende 1984 erworbenen und von ihm wieder instandgesetzten "Schrottmaschine" entsprechende Filmabschnitthüllen mit Ansteuerungsmarken für eine automatische Bestückung als Rollenware hergestellt und vertrieben hat.

b) In Kenntnis der vorbenutzten Diadoppeltaschenhüllen lag es für den Fachmann ebenso auf der Hand, daß er entsprechend aufgebaute Filmhüllen , wie sie etwa in dem Informationsblatt "Film Sleeves" dargestellt sind, bei geeigneter Dimensionierung auch für gerahmte Dias verwenden konnte, wie er umgekehrt ohne weiteres die vorbekannten Diadoppeltaschenhüllen, wenn er deren automatische Befüllung in Erwägung zog, mit Referenzmarken gemäß Merkmal 4 versehen konnte, wie sie ihm von den Filmhüllen bekannt waren.
Für diese Schlußfolgerung bedarf der Senat keiner sachverständigen Beratung , die wegen der Erkrankung des gerichtlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung nicht zur Verfügung gestanden hat. Denn aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme stehen die Kenntnisse fest, die dem Fachmann am Prioritätstag zur Verfügung standen. Weiterer Überlegungen, für die geklärt werden müßte, ob sie vom Durchschnittsfachmann nach seiner Aus-
bildung, seiner praktischen Erfahrung und seiner hierdurch bestimmten Metho- dik der Lösung technischer Probleme seines Fachgebiets erwartet werden konnten, bedurfte es nicht. Der gerichtliche Sachverständige hat indes in diesem Zusammenhang die Aufgabe, dem Gericht Kenntnisse und Fähigkeiten des Fachmanns sowie die Arbeitsweise zu vermitteln, mit der dieser technische Probleme seines Fachgebiets zu bewältigen trachtet. Die Beurteilung, ob die erfindungsgemäße Lösung für den Fachmann nach seinem festgestellten Wissen und Können nahegelegen hat, ist nicht Aufgabe des Sachverständigen. Sie ist ein Akt wertender Erkenntnis (Senat, BGHZ 128, 270, 275 - elektrische Steckverbindung), der dem Gericht obliegt.
III. Hilfsweise verteidigt die Beklagte Patentanspruch 1 in einer Fassung , bei der die Worte "as container housing mounted slides" durch die Wendung ersetzt sind "as container for automatic packaging of mounted slides". Auch in dieser - in zulässiger Weise beschränkten Fassung - kann Patentanspruch 1 jedoch keinen Bestand haben. Die Verwendung des Behältnisses zur automatischen Verpackung gerahmter Dias lag für den Fachmann gleichfalls nahe, wenn er die vorbekannten Filmhüllen, die nach der Aussage des Zeugen R. und ausweislich der Werbung in "Japan Camera Trade News" von Mai 1983 (Anl. E 10) bereits automatisch befüllt wurden ("film advance and sleeve feeding are automatically controlled by motor") und hierzu mit den Referenzmarken versehen waren, für Dias verwendete.
Es mag zwar zutreffen, daß die erfindungsgemäße Verwendung, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben hat, gegenüber einer Einführung jedes Dias in eine Einzeltasche eine erhebliche Steigerung der Bestückungsgeschwindigkeit erlaubt. Ob vom Durchschnittsfachmann auch diese Erkenntnis erwartet werden konnte, ist jedoch unerheblich. Es genügt, daß es
für ihn überhaupt nahelag, die vorbekannten Behältnisse maschinell zu bestükken.
Nach Hilfsantrag II soll Patentanspruch 1 in der Fassung des ersten Hilfsantrags der dem erteilten Patentanspruch 5 entsprechende Halbsatz angefügt werden "wherein each weld has a length less than the width of the folded strip and stops before the free edge of its two side portions". Hierfür gilt nichts anderes als für den ersten Hilfsantrag, denn die Filmhüllen, deren Verwendung für den erfindungsgemäßen Zweck für den Fachmann nahelag, weisen bereits Schweißnähte auf, die kürzer sind als die Breite des gefalteten transparenten Streifens und vor dessen freien Enden enden.
IV. Zu den Gegenständen der Unteransprüche 2 bis 4 konnte der Fachmann gleichfalls ohne erfinderische Tätigkeit finden. Sie entsprechen hinsichtlich der Ausgestaltung der Behältnisse ebenfalls dem Stand der Technik nach dem Informationsblatt "Film Sleeves". Auch die Beklagte macht insoweit für eine erfinderische Tätigkeit nichts geltend.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 176/99 Verkündet am:
7. März 2001
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Kabeldurchführung II
Der Tatrichter darf die Ergebnisse eines Sachverständigengutachtens nicht
ohne weiteres übernehmen. Sachverständige Ä ußerungen sind vom Tatrichter
eigenverantwortlich daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit sie Angaben
enthalten, die Aufklärung im Hinblick auf entscheidungserhebliche und allein
von dem erkennenden Gericht zu beantwortende Fragen zu bieten vermögen.
Das Urteil muß erkennen lassen, daß dies geschehen ist.
BGH, Urteil vom 07.03.2001 - X ZR 176/99 - OLG München
LG München I
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter Rogge, die Richter
Dr. Jestaedt, Scharen, die Richterin Mühlens und den Richter Dr. MeierBeck

für Recht erkannt:
Unter Zurückweisung der Revision des Klägers im übrigen wird das am 22. Juli 1999 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München aufgehoben, soweit es die auf Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten gerichteten Klageanträge unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts München I vom 18. Dezember 1992 abgewiesen und insoweit die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger war bis zu dessen Ablauf eingetragener Inhaber des Gebrauchsmusters 89 13 829.5 (Klagegebrauchsmusters), das auf eine Anmeldung vom 23. November 1989 zurückgeht. Die Beklagte hat das Löschungsverfahren betrieben. Das Klagegebrauchsmuster ist teilweise gelöscht worden; Schutzanspruch 1 ist in folgender Fassung aufrechterhalten worden:
"Vorrichtung zum Abdichten eines in einer Schrankwand eines Schaltschranks angebrachten Lochs zur Durchführung eines Kabels in den Schaltschrank mit zwei an der Außenseite der Schrankwand an gegenüberliegenden Seiten des Lochs angeordneten Teilen, wobei jedes der beiden Teile innen mit einem Körper aus Schaumgummi oder Kunststoffschaumstoff versehen ist, welche das Kabel umschließen, wobei an einem der beiden Teile wenigstens eine Schelle zur Befestigung des Kabels befestigt ist und die beiden Teile durch Schrauben miteinander verbunden sind, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die beiden Teile durch die beiden Teile eines zweiteiligen rechteckigen Gehäuses (1) gebildet sind, welches an seiner von der Schrankwand (6) abgewandten Seite (8) wenigstens eine Öffnung (9-11) und an seiner der Schrankwand (6) zugewandte Seite eine Öffnung (4) um das Loch in der Schrankwand zur Durchführung des Kabels (7) aufweist, daß die Teilungsfuge (12), die das Gehäuse (1) der Länge nach teilt, durch die Kabelöffnungen (9-11) an der von der Schaltschrankwand (6) abgewandten Seite (8) des
Gehäuses (1) hindurchgeht, daß die Schelle (18-20) zur Kabelbefestigung an der Innenseite eines der beiden Gehäuseteile (3) befestigt ist, daß die Schrauben (22, 23), die in hülsenförmigen Vorsprüngen (27, 28) an der Innenseite eines Gehäuseteils (3) vorgesehene Gewinde eingreifen, das Gehäuse (1) zusammenhalten und das von den Schrauben (22, 23) zusammengehaltene Gehäuse (1) an der Schrankwand (6) befestigbar ist."
Ein weiteres, von einem Dritten betriebenes Gebrauchsmusterlöschungsverfahren ist wegen Ablaufs des Klagegebrauchsmusters in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden.
Die Beklagte stellte her und vertrieb vor Ablauf des Klagegebrauchsmusters eine Kabeldurchführungsvorrichtung SZ.2400 in Form eines eckigen Gehäuses , in das in jeweils eigene Kammern Schaumstoffmanschetten zur Einlage der Kabel und Zugentlastungsschellen eingefügt sind. Der Kläger sieht hierdurch sein Klagegebrauchsmuster verletzt.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt und - jeweils im wesentlichen wie beantragt - auf Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung erkannt.
Das mit der Berufung angerufene Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat der Senat dieses Berufungsurteil aufgehoben (Urt. v. 04.02.1997, BGHZ 134, 353 - Kabeldurchführung). Das Berufungsgericht, an das die Sache zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen worden ist, hat ein Sachverständigengutachten
eingeholt und die auf Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung gerichtete Klage erneut abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat das Oberlandesgericht dem Kläger auferlegt, wobei es erkannt hat, daß der Kläger im Umfang des aufgrund des Zeitablaufs des Klagegebrauchsmusters übereinstimmend für erledigt erklärten Unterlassungsantrags die Kosten gemäß § 91 a ZPO zu tragen habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die erneute Revision des Klägers, mit der beantragt wird,
das Berufungsurteil aufzuheben und nach den Schlußanträgen des Klägers in der Berufungsinstanz zu erkennen.
Die Beklagte ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.

Entscheidungsgründe:


I. Die Revision ist unzulässig, soweit sie sich gegen die nach § 91 a ZPO ergangene Kostenentscheidung des Oberlandesgerichts wendet. Eine Kostenentscheidung eines Oberlandesgerichts nach § 91 a ZPO ist nicht anfechtbar (§§ 567 Abs. 4, 99 Abs. 1 ZPO). Dies gilt auch dann, wenn sie als sogenannte Mischentscheidung im Rahmen eines streitigen Urteils getroffen wird (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 91 a Rdn. 27, 56 jeweils m.w.N.).
II. Im übrigen ist die Revision zulässig und auch begründet.

1. Das Berufungsgericht hat in der Sache ausgeführt: Das Klagegebrauchsmuster gehe von einem Stand der Technik aus, bei dem das in der Wand eines Schaltschranks zum Durchführen eines Kabels mit angebrachtem Stecker vorzusehende Loch mit zwei Platten abgedeckt werde. Die Platten wiesen halbkreisförmige Ausnehmungen auf und würden links und rechts des Kabels so auf das Loch gelegt, daß sie aneinanderstießen und sich eine kreisrunde Öffnung für das Kabel ergebe. Wegen der Fuge zwischen den beiden Platten und der kreisförmigen Öffnung für das Kabel werde bei dieser Abdekkung die gewünschte Dichtigkeit nicht erreicht. Auch werde das Kabel nicht fixiert; der Stecker im Schaltschrank werde schon bei nur relativ geringem Zug auf das Kabel herausgezogen. Hiernach liege der Erfindung zugrunde, eine Vorrichtung zur Verfügung zu stellen, die eine hohe Dichtigkeit und eine Zugentlastung des Kabels gewährleiste. Gelöst werde die damit verbundene Problematik durch den Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters, der sich - wie auch die Parteien übereinstimmend meinten - in folgende Merkmale gliedern lasse:
1. Vorrichtung zum Abdichten eines in einer Schrankwand eines Schaltschranks angebrachten Lochs zur Durchführung eines Kabels in den Schaltschrank mit
2. zwei an der Außenseite der Schrankwand an gegenüberliegenden Seiten des Lochs angeordneten Teilen,
2.1. wobei jedes der beiden Teile innen mit einem Körper aus Schaumgummi oder Kunststoffschaumstoff versehen ist, welche das Kabel umschließen,
2.2. wobei an einem der beiden Teile wenigstens eine Schelle zur Befestigung des Kabels befestigt ist,
2.3. die beiden Teile durch Schrauben miteinander verbunden sind,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß
3. die beiden Teile durch die beiden Teile eines zweiteiligen rechteckigen Gehäuses gebildet sind,
3.1. welches an seiner von der Schrankwand abgewandten Seite wenigstens eine Öffnung
3.2. und an seiner der Schrankwand zugewandten Seite eine Öffnung
3.2.1. um das Loch in der Schrankwand
zur Durchführung des Kabels aufweist,
3.3. daß die Teilungsfuge, die das Gehäuse der Länge nach teilt,
3.4. durch die Kabelöffnungen an der von der Schaltschrankwand abgewandten Seite des Gehäuses hindurchgeht,
3.5. daß die Schelle zur Kabelbefestigung an der Innenseite eines der beiden Gehäuseteile befestigt ist,
4.1. daß die Schrauben, die in hülsenförmigen Vorsprüngen an der Innenseite eines Gehäuseteils vorgesehene Gewinde eingreifen, das Gehäuse zusammenhalten und
4.2. das zusammengehaltene Gehäuse an der Schrankwand befestigbar ist.
Diese Feststellungen des Berufungsgerichts einschließlich seiner Merkmalsanalyse lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Auch die Revision erhebt insoweit keine Beanstandungen.
2. Das Berufungsgericht hat die auf Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung gerichteten Klageanträge abgewiesen, weil die durch die angegriffene Ausführungsform verkörperte Lösung Erfindungsqualität besitze und deshalb vom Schutzbereich des Klagegebrauchsmusters nicht umfaßt werde. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt: Die Merkmale 2.1 (Schaumgummiabdichtung) und 2.2/3.5 (Schellenbefestigung an der Innenseite ) seien bei der Kabeldurchführungsvorrichtung SZ.2400 nicht in einer mit der Anweisung des Schutzanspruchs 1 identischen Form verwirklicht. Der Dichtungskörper fülle die Gehäusehälften nicht aus; für die Schaumstoffkörper der angegriffenen Ausführungsform seien vielmehr eigene Facheinteilungen ge-
schaffen. Das Kabel sei nicht mit einer Schelle an einem Gehäuseteil befestigt; bei der angegriffenen Ausführungsform sei es mittels Schellenverbindung in einer weiteren Facheinteilung eingespannt. Das führe zwar zu Funktions- und Wirkungsgleichheit, bedeute aber konstruktive Unterschiede zur Lehre des Klagegebrauchsmusters. Die Überwindung dieser Unterschiede beruhe nach den Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen auf eigenständigen erfinderischen Überlegungen des Durchschnittsfachmanns, die vom Stand der Technik in keiner Weise beeinflußt seien.

a) Bei der Feststellung, daß die angegriffene Ausführungsform auf eigenständiger erfinderischer Überlegung beruhe, ist das Berufungsgericht nicht den Anforderungen gerecht geworden, denen der Tatrichter bei der Würdigung dessen zu genügen hat, was als wahr zu erachten ist.
Der Tatrichter hat nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO den Streitstoff in tatsächlicher Hinsicht erschöpfend zu prüfen und zu würdigen. Von einer eigenen Bewertung ist er auch dann nicht enthoben, wenn er ein Sachverständigengutachten eingeholt hat. Dessen Ergebnisse dürfen deshalb nicht ohne weiteres übernommen werden; auch sachverständige Ä ußerungen sind eigenverantwortlich daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit sie Angaben enthalten, die Aufklärung im Hinblick auf entscheidungserhebliche und allein von dem erkennenden Gericht zu beantwortende Fragen zu bieten vermögen. Die einzelnen Schritte der vorgenommenen Prüfung und Würdigung müssen in dem daraufhin ergehenden Urteil zwar nicht in allen Einzelheiten dargelegt werden (§ 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO); das Urteil muß jedoch erkennen lassen, daß der Tatrichter die erforderlichen Schritte vollzogen hat; es muß die tragenden Gesichtspunkte
für die der Entscheidung zugrundeliegende Überzeugung in der Begründung nachvollziehbar darlegen.
Daran fehlt es hier. Was die Frage einer sich in der angegriffenen Ausführungsform verkörpernden erfinderischen Leistung anlangt, verweist das angefochtene Urteil ausschließlich auf die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen. Diese beschränken sich ihrerseits im schriftlichen Gutachten auf die Aussage, die Überwindung der konstruktiven Unterschiede, welche die Schaffung einer Facheinteilung mit Einstichen für die Aufnahme eines Abdichtungskörpers , einer davon beabstandeten weiteren Facheinteilung für die Aufnahme der das Kabel einspannenden und fixierenden Schellenverbindung und die Abkehr von der unmittelbaren Befestigung des Kabels mittels einer Schelle an einer der beiden Gehäuseteile umfaßten, hätten mehr als nur einen erfinderischen Schritt erfordert, um zu der angegriffenen Ausführungsform zu gelangen ; der Durchschnittsfachmann werde nämlich jeden dieser zu überwindenden Unterschiede als nicht von der Lehre des Klagegebrauchsmusters umfaßt begreifen. Das ist - auch wenn man die ansonsten umfangreichen schriftlichen und mündlichen Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen mitheranzieht - kaum mehr als eine Behauptung. Schon das hätte Anlaß zu näherer Darlegung geben müssen, warum das Berufungsgericht sich gleichwohl von der Meinung des gerichtlichen Sachverständigen hat überzeugen lassen.
Bei der Feststellung, daß der angegriffenen Ausführungsform eine erfinderische Tätigkeit zugrunde liegt, hat das Berufungsgericht außerdem die aktenkundig gemachten Ä ußerungen des vom Kläger hinzugezogenen Privatgutachters nicht berücksichtigt. Dieser Sachverständige ist ausweislich seines Ergänzungsgutachtens zu dem Ergebnis gelangt, die angegriffene Ausführungs-
form verkörpere die Entwicklung einer durch Spritzguß herstellbaren serienreifen Vorrichtung, wie man sie von einem Durchschnittsfachmann bei Beachtung der allgemeinen Gestaltungsrichtlinien erwarten müsse. Mit dieser dem gerichtlichen Gutachten entgegenstehenden Bewertung hat das Berufungsgericht sich - anders als hinsichtlich anderer Differenzen in der Begutachtung durch die beiden Sachverständigen - in keiner Weise befaßt. Das widerspricht dem Grundsatz, daß zu der dem Tatrichter gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO obliegenden Beweiswürdigung insbesondere gehört, sich auch mit solchen Umständen und Beweismitteln auseinanderzusetzen, die zu einer anderen als der getroffenen Beurteilung führen können (Sen.Urt. v. 16.09.1997 - X ZR 54/95, GRUR 1998, 366, 368 - Ladewagen). Das schließt ein, auch das in Erwägung zu ziehen, was einem vorgelegten Privatgutachten über einen entscheidungserheblichen Punkt zu entnehmen ist. Denn jede widersprüchliche Begutachtung kann Anlaß zu Zweifeln geben, ob die von Gerichtsseite eingeholte Begutachtung ausreichende Grundlage für die Überzeugungsbildung bietet (vgl. Sen.Urt. v. 20.07.1999 - X ZR 121/96, GRUR 2000, 138 - Knopflochnähmaschinen).
Daß ein Anlaß zu solchen Zweifeln gerade auch hier nicht von vornherein ausgeschlossen werden konnte, ergibt die durch Ausbildung und beruflichen Werdegang belegte Qualifikation des gerichtlichen Sachverständigen einerseits und des von dem Kläger eingeschalteten Privatgutachters andererseits. Der gerichtliche Sachverständige ist nach seinem Studium und seiner etwa fünfjährigen Industrietätigkeit Metallurge; es ist auch nicht ersichtlich, daß er aufgrund seiner sich daran anschließenden Tätigkeit beim Deutschen Patentamt und am Bundespatentgericht besondere Erfahrungen auf dem hier interessierenden technischen Gebiet der Schaltschrankabdichtung hat erwerben
können. Das schließt zwar nicht aus, daß sein Gesamtkenntnis- und Erfahrungsschatz - wie es das Berufungsgericht angenommen hat - für die Beantwortung der Streitfragen des vorliegenden Falles ausreichend ist, zumal der gerichtliche Gutachter während seiner patentrechtlichen Tätigkeit mit Schutzrechten auch auf Gebieten wie Bauzubehör, Beschläge, Sicherheitseinrichtungen und Brandschutz befaßt war. Der Privatgutachter kann aber als Professor der Fachhochschule München, der als solcher den Fachbereich Feinwerk- und Mikrotechnik/Physikalische Technik, Entwicklungsmethodik, Mechatronik, Konstruktionstechnik betreut, als gerade auf dem hier interessierenden Gebiet der Technik besonders sachkundig gelten. Auch das hätte nähere eigene Darlegungen des Berufungsgerichts erfordert, warum es in der eingangs genannten Frage dem gerichtlichen Sachverständigen folgt (Sen., aaO - Ladewagen).

b) Die Feststellung, die angegriffene Ausführungsform liege außerhalb des äquivalente Lösungen umfassenden Schutzbereichs des Klagegebrauchsmusters , ist schließlich deshalb von Rechtsirrtum geprägt, weil der gerichtliche Sachverständige und ihm folgend das Berufungsgericht sie allein aufgrund einer Bewertung der Kabeldurchführungsvorrichtung SZ.2400 in ihrer konkreten Gestaltung getroffen haben.
Der Umstand, daß eine angegriffene Ausführungsform ihrerseits eine nicht durch den Stand der Technik nahegelegte erfinderische Lehre zum technischen Handeln verkörpert, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (zuletzt BGHZ 142, 7 - Räumschild, m.w.N.) noch kein hinreichender Grund, eine Benutzung einer durch ein (älteres) Patent geschützten Lehre zu verneinen. Für das Gebrauchsmuster gilt nichts anderes. Auch hier kann die angegriffene Ausführungsform zugleich eine allgemeinere Lehre verkörpern
und wegen ihrer sie konkretisierenden Gestaltung erfinderischen Charakter haben. Beinhaltet eine angegriffene Ausführungsform eine erfinderische Leistung , ist deshalb auch dann, wenn die Verletzungsklage auf ein Gebrauchsmuster gestützt ist, regelmäßig zu prüfen, ob die angegriffene Ausführungsform vom Fachmann als Ausgestaltung einer - konkrete Gestaltungsmerkmale der angegriffenen Ausführungsform außer Betracht lassenden, von der angegriffenen Ausführungsform aber gleichwohl verkörperten - allgemeineren Lehre zum technischen Handeln erkannt werden kann, die entweder wortsinngemäß mit einem Anspruch des Klageschutzrechts übereinstimmt oder sich diesem gegenüber als äquivalent darstellt (vgl. wiederum zum Patent: Sen.Urt. v. 12.07.1990 - X ZR 121/88, GRUR 1991, 436, 440 - Befestigungsvorrichtung II). Diese Möglichkeit ist auch im vorliegenden Fall nicht von vornherein ausgeschlossen , weil das Berufungsgericht gerade wegen der Abkammerungen im Inneren des Gehäuses der angegriffenen Ausführungsform, also wegen einer zu gebrauchsmustergemäßen Merkmalen hinzutretenden besonderen Gestaltung der angegriffenen Ausführungsform deren Erfindungsqualität bejaht hat.
Die danach erforderliche Prüfung geht im Falle abgewandelter, aber gleichwirkender Ausführungsformen dahin, ob für eine die angegriffene Ausführungsform erfassende allgemeinere Lehre festgestellt werden kann, daß sie vom Durchschnittsfachmann aufgrund von Überlegungen aufgefunden werden konnte, die sich an der in dem Schutzanspruch umschriebenen Erfindung orientieren. Diese Prüfung hat das Berufungsgericht nicht vorgenommen. Auch der gerichtliche Sachverständige hat sich mit dieser Frage nicht befaßt.
3. Das angefochtene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben; die Sache ist vielmehr an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, dem zur Herbei-
führung einer einheitlichen Kostenentscheidung auch die Befugnis einzuräumen ist, über die das Revisionsverfahren betreffenden Kosten zu befinden. Das Berufungsgericht wird dabei Rechnung zu tragen haben, daß rechtskräftig entschieden ist, daß der Kläger hinsichtlich des erledigten Teils des Rechtsstreit (Unterlassungsklage) gemäß § 91 a ZPO die Kosten zu tragen hat. Die für eine eigene abschließende Sach- und Kostenentscheidung des Senats notwendige Entscheidungsreife kann nicht festgestellt werden, weil noch tatrichterliche, Kenntnisse und Fähigkeit des Durchschnittsfachmanns betreffende Feststellungen notwendig sein können.
Die Entscheidungsreife folgt insbesondere nicht aus einem Geständnis der Beklagten. Zu Unrecht rügt die Revision, das Berufungsgericht habe übersehen , daß die Beklagte im Sinne des § 288 ZPO zugestanden habe, die angegriffene Ausführungsform beruhe wegen ihrer abweichenden Merkmale nicht auf einem erfinderischen Schritt.
Ein Geständnis ist Zugestehen der Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung des Gegners. Vorhandensein oder Fehlen eines erfinderischen Schrittes sind keine Tatsachen; denn sie können nur aufgrund einer komplexen Bewertung erkannt werden, die sich sowohl an rechtlichen als auch an tatsächlichen Maßstäben zu orientieren hat.
Deshalb geht auch der Vorwurf der Revision fehl, das Berufungsgericht habe eine etwaige Erfindungsqualität der angegriffenen Ausführungsform nicht berücksichtigen dürfen, weil dies in eindeutigem Widerspruch zu dem jahrelangen früheren Tatsachenvortrag der Beklagten stehe, ohne daß nachvollziehbare Gründe für die Ä nderung dieses Vortrags angegeben seien.

4. Bei der erneuten Verhandlung wird das Berufungsgericht sich nicht auf eine Befassung mit der Frage beschränken können, ob die Kabeldurchführungsvorrichtung SZ.2400 als abgewandelte Ausführungsform in den Schutzbereich des Klagegebrauchsmusters fällt. Es wird vielmehr - vorrangig - auch noch einmal der Behauptung des Klägers nachzugehen haben, daß die angegriffene Ausführungsform den Anweisungen zu 2.1 (Schaumgummiabdichtung) und 2.2/3.5 (Schellenbefestigung an der Innenseite) ihrem vernünftig verstandenen Wortsinne nach genüge, was - ausgehend von den Feststellungen des Berufungsgerichts zu den sonstigen Merkmalen des Schutzanspruchs - bedeuten würde, daß die Kabeldurchführungsvorrichtung SZ.2400 insgesamt von der Lehre des Schutzanspruchs 1 wortlautgemäß Gebrauch macht. Denn die Auslegung des Schutzanspruchs durch das Berufungsgericht, die zur Verneinung einer wortsinngemäßen Benutzung der Merkmale 2.1 und 2.2/3.5 geführt hat, ist ebenfalls nicht rechtsfehlerfrei.

a) Zur Begründung seiner Annahme, Merkmal 2.1 (Schaumgummiabdichtung ) sei bei der angegriffenen Ausführungsform nicht identisch verwirklicht , hat das Berufungsgericht wiederum nur auf das eingeholte Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen verwiesen. Ergänzend ist lediglich ausgeführt, es sei verständlich, wenn der Gerichtssachverständige Schlüsse daraus ziehe, daß die Gebrauchsmusterschrift in der Beschreibung auf S. 2 unten sowie S. 4 unten angebe, die beiden Gehäusehälften seien bzw. jede Gehäusehälfte sei "gefüllt"; das sei auch aus der Zeichnung, welche die Erfindung näher erläutere , zu entnehmen. Hieraus ergibt sich, daß nach Ansicht des Berufungsgerichts die Anweisung zu Merkmal 2.1 dahin geht, daß Schaumgummi oder Kunststoff-
schaumstoff das zweiteilige, rechteckige Gehäuse in Form von Körpern aus diesem Material ausfüllt. Das kann in dieser Form keinen Bestand haben.
Die Verständlichkeit eines Schlusses, den ein gerichtlicher Sachverständiger zieht, bietet für sich allein keine Gewähr dafür, daß das richtige Ergebnis gefunden worden ist. Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen außerdem nicht erkennen, daß die maßgeblichen Auslegungsgrundsätze beachtet worden sind.
Der Gegenstand eines Gebrauchsmusterschutzanspruchs wird durch den Anspruchswortlaut definiert (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 GebrMG). Er, nicht die Beschreibung oder die Zeichnungen, ist deshalb maßgeblich. Entscheidend ist, welche Lehre zum technischen Handeln der Durchschnittsfachmann den durch den Schutzanspruch in Worte gefaßten Anweisungen entnimmt. Dies verbietet eine einengende Auslegung von in den Schutzanspruch aufgenommenen allgemein gehaltenen Anweisungen jedenfalls dann, wenn ihre Befolgung trotz der allgemeinen Fassung geeignet ist, zu der Lösung des Problems beizutragen , das dem Schutzrecht zugrunde liegt. Die betreffende Anweisung hat dann eine ohne weiteres im Sinne des Schutzrechts liegende sinnvolle Bedeutung und bedarf nach Aufgabe und Lösung des Schutzrechts keiner Konkretisierung. Sofern die Beschreibung oder die Zeichnungen des Schutzrechts konkretisierte Gestaltungen beschreiben, kennzeichnen sie unter diesen Umständen lediglich bevorzugte Ausführungen der allgemeiner gefaßten Anweisung des Schutzanspruchs.
Ein solcher Fall kann auch hier gegeben sein, weil - worauf die Revision zu Recht hinweist - der Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters seinem
Wortlaut nach nur verlangt, daß beide Gehäuseteile innen mit einem Körper aus Schaumgummi oder Kunststoffschaumstoff versehen sind, wodurch das Kabel umschlossen wird.
Der Merkmal 2.1 betreffende Wortlaut geht danach zunächst ganz allgemein dahin, die beiden Teile des Gehäuses der Vorrichtung innen mit einem Körper aus Schaumgummi oder Kunststoffschaumstoff zu versehen. Einem Fachmann, der das Problem bewältigen will, das durch das Klagegebrauchsmuster gelöst werden soll, muß es nicht notwendig erscheinen, das gesamte Gehäuseinnere mit dem vorgeschlagenen Material zu füllen. Bei einer Kabeldurchführung vermittels gattungsgemäßer Vorrichtung ergeben sich verschiedene Stellen bzw. Bereiche, die einer Abdichtung bedürfen; das sind zum einen die Trennfuge zwischen den beiden Teilen der Vorrichtung (Teilungsfuge gemäß Merkmal 3.3), zum anderen die zwischen Kabel und Vorrichtung umlaufende Fuge und schließlich die Fuge, die bei stirnseitiger Anlage der Vorrichtung zwischen dieser und der Schrankwand entsteht. Bei der den Stand der Technik betreffenden Nachteilsschilderung in der Beschreibung (S. 2 2. Abs.) sind nur die beiden ersten als die Dichtigkeit beeinträchtigende Gegebenheiten erwähnt. Hieraus kann entnommen werden, daß die Fuge zwischen der Vorrichtung und der Schrankwand - ohne daß es einer Festlegung durch den Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters bedürfte - anderweit zuverlässig abgedichtet werden kann. Bestätigt wird dies durch die Beschreibung des Ausführungsbeispiels und die Fig. 2. Danach kann diese Abdichtung beispielsweise durch ein umlaufendes Profilgummi erfolgen (S. 6 2. Abs.). Aber auch bezüglich der Teilungsfuge (Merkmal 3.3) erwähnt die Beschreibung einen Dichtring als Abdichtung (S. 6 1. Abs.). Dies läßt es entbehrlich erscheinen , im Inneren Körper aus Schaumgummi oder Kunststoffschaumstoff zu ha-
ben, welche diese Fuge über ihre gesamte Länge abdecken. Lediglich für den umlaufenden Spalt zwischen dem Kabel und den Gehäusehälften der Vorrichtung gilt etwas anderes. Insoweit ist eine andere Abdichtungsmöglichkeit nicht erwähnt. Hier muß sich deshalb der jeweilige Körper aus Schaumgummi oder Kunststoffschaumstoff bewähren. Hierzu muß das Kabel von dem Schaumstoffmaterial umschlossen sein, wie es im Schutzanspruch 1 auch ausdrücklich und die im übrigen allgemeine Anweisung konkretisierend heißt. Im Lichte der den Schutzanspruch 1 erläuternden Beschreibung kann damit in dieser Notwendigkeit das die Lösung gemäß Merkmal 2.1 Kennzeichnende liegen. Dies wird bestätigt durch Seite 2 letzter Abs. der Beschreibung, weil es dort heißt, dadurch, daß das Kabel umschlossen werde, werde es sicher abgedichtet. Angesichts der in der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters angegebenen Möglichkeiten, Trennfuge und Fuge zwischen Vorrichtung und Schrankwand undurchlässig zu machen, ist hiermit dann auch die eigentliche Abdichtung des Lochs in der Schrankwand beschrieben, wie auf S. 6 1. Abs. der Beschreibung erwähnt ist. Mithin legt das Klagegebrauchsmuster dem Fachmann nahe, Merkmal 2.1 lediglich die Anweisung zu entnehmen, in beiden Teilen des Gehäuses einen das Kabel umschließenden Körper aus Schaumgummi bzw. Kunststoffschaumstoff vorzusehen.
Dies hat das Berufungsgericht unbeachtet gelassen, weil es - wiederum - kritiklos die Ansicht des gerichtlichen Sachverständigen übernommen hat. Befaßt sich ein gerichtlicher Sachverständiger mit der Auslegung des Wortlauts eines Schutzanspruchs, gehört zu der vom Tatrichter vorzunehmenden Würdigung vor allem auch die Überprüfung, ob dabei den Auslegungsregeln genügt ist. Diese Prüfung hätte hier ergeben, daß der gerichtliche Sachverständige bei seiner Bewertung des Schutzanspruchs 1 den Vorrang der An-
spruchsfassung vor der Beschreibung und den Zeichnungen mißachtet hat. Überdies fehlt selbst in der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters jeglicher Hinweis für die Richtigkeit der die abschließende Meinung des gerichtlichen Sachverständigen prägenden Ansicht, erfindungsgemäß sorge das Zusammenpressen der beiden Gehäuseschalen dafür, daß das darin angeordnete gummielastische Dichtungsmaterial aus der kabelaustrittsseitigen Öffnung teilweise herausgepreßt und gegen den Randbereich des Lochs der Schrankwand abdichtend gedrückt werde. Ein solcher Vorgang ist im Klagegebrauchsmuster weder beschrieben noch gezeigt. Dafür, daß er nach dem fachmännischen Verständnis erfindungswesentlich sei, fehlt damit jeder Beleg.

b) Auch der Verneinung einer wortsinngemäßen Verwirklichung der Merkmale 2.2/3.5 (Schellenbefestigung an der Innenseite) liegt keine Auslegung des Schutzanspruchs 1 des Klagegebrauchsmusters zugrunde, wie sie nach dem Vorgesagten im Verletzungsrechtsstreit erforderlich ist. Der Senat hat bereits im ersten Urteil beanstandet, daß das Berufungsgericht nicht auf den Vortrag des Klägers eingegangen sei, die Schellen seien bei der angegriffenen Ausführungsform in Ausnehmungen einer Gehäusehälfte so angeordnet , daß sie beim Schließen der Gehäusehälften in den Ausnehmungen und damit an der Innenseite einer Gehäusehälfte befestigt seien. Dies habe eine Darlegung erfordert, warum nach dem Verständnis des Durchschnittsfachmanns eine in drei Ebenen unbewegliche Anbringung erforderlich sei und warum der Durchschnittsfachmann aufgrund des Schutzanspruchs 1 des Klagegebrauchsmusters in Verbindung mit der Beschreibung des Schutzrechts eine formschlüssige Verbindung, die eine Zugentlastung des Kabels in axialer Richtung bewirke, nicht für ausreichend erachte. Auf diese Darlegung habe nicht verzichtet werden können, weil gegen das Verständnis des Berufungsge-
richts die Zielsetzung des Klagegebrauchsmusters spreche, auch eine Zugentlastung des Kabels zu erreichen (S. 2 Abs. 2 u. 3, insbes. S. 3 Abs. 2 der Beschreibung). Zwar seien in den Ausführungsbeispielen nach Fig. 1 des Klagegebrauchsmusters die Schellen in allen drei Ebenen unbeweglich, weil sie mit Schrauben befestigt seien (S. 5 Abs. 2 der Beschreibung). Auf eine solche Befestigung stelle aber der Anspruch 1 des Klagegebrauchsmusters nicht ab; ausweislich S. 3 Abs. 2 der Beschreibung genüge es, eine Schelle vorzusehen, mit der das Kabel befestigt werde. Hierzu sei eine unbewegliche Befestigung in drei Ebenen nicht ohne weiteres erforderlich. Bei vernachlässigbarem Spiel des Kabels in der dritten Ebene, wie es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei der angegriffenen Ausführungsform gegeben sei, könne eine Sicherung des Kabels in zwei Richtungsebenen genügen.
Diesen Beanstandungen trägt das angefochtene Urteil nicht Rechnung. Wiederum ist nur ein Schluß des gerichtlichen Sachverständigen als verständlich bezeichnet. Er ist allein daraus gezogen worden, daß nach der Beschreibung S. 5 oben die jeweilige Schelle an dem Steg der Gehäusehälfte mit Schrauben befestigt sei, während bei der angegriffenen Ausführungsform ein das Kabel umgreifende Schellenpaar in ein eigenes Fach allein formschlüssig eingelegt sei. Das ist keine Befassung mit den vom Senat genannten Gesichtspunkten. Vor allem die Erläuterung des Schutzanspruchs 1 auf S. 3 Abs. 2 der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters haben der gerichtliche Sachverständige und demgemäß auch das Berufungsgericht vernachlässigt. Hierdurch ist dem Fachmann nahegelegt, daß nach Schutzanspruch 1 jede Befestigung einer Kabelschelle an der Innenseite des Gehäuses ausreicht, die bei in der Schelle eingeklemmtem Kabel verhindert, daß der Stecker in dem Schaltschrank herausgezogen wird, wenn Zug auf das Kabel wirkt.

5. Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen, daß der Fachmann, der sich mit der Lehre des Klagegebrauchsmusters beschäftigt, keine sich etwa aus seinem allgemeinen Fachwissen ergebende Hinderungsgründe sieht, die Merkmale 2.1 und 2.2/3.5 in der wie vorstehend ausgeführt durch das Schutzrecht nahegelegten Weise zu verstehen, und sollte der nochmalige Vergleich der angegriffenen Ausführungsform mit der Lehre des Gebrauchsmusters ergeben, daß eine wortsinngemäße Benutzung vorliegt, kann es aus Rechtsgründen nicht auf die Frage ankommen, ob der angegriffenen Ausführungsform eine erfinderische Leistung zugrunde liegt. Diese Frage ist allein von Bedeutung, wenn eine angegriffene Ausführungsform in mindestens einer Hinsicht von den Anweisungen des sinnvoll verstandenen Wortlauts des Schutzanspruchs abweicht und deshalb zu klären ist, ob sie gleichwohl vom Ausschließlichkeitsschutz umfaßt ist.
Sollte das Berufungsgericht hingegen wiederum zu dem Ergebnis gelangen , daß die Kabeldurchführungsvorrichtung SZ.2400 lediglich als abgewandelte Ausführungsform zum Schutzbereich des Klagegebrauchsmusters gehören kann, wird es für den Fall, daß die Prüfung, die nach den zu 2. gemachten Ausführungen nachzuholen ist, eine Einbeziehung der angegriffenen Ausführungsform in den Schutzbereich ergibt, dem sogenannten FormsteinEinwand nach Maßgabe der Ausführungen des Senats in dem ersten Revisionsurteil nachzugehen haben.
Rogge Jestaedt Scharen

Mühlens Meier-Beck

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 29/01
vom
29. Juli 2003
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend das Gebrauchsmuster 296 23 383
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Paroxetin
Auch ein ungewöhnlicher und besonders gravierender Rechtsfehler stellt für sich keinen
Begründungsmangel im Sinne des § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG dar. Diese Vorschrift
dient ausschließlich der Sicherung des Anspruchs der betroffenen Beteiligten auf
Mitteilung der Gründe, aus denen ihr Rechtsbegehren keinen Erfolg hatte.
BGH, Beschluß vom 29. Juli 2003 - X ZB 29/01 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Melullis, die Richter Prof. Dr. Jestaedt und Keukenschrijver, die Richterin
Mühlens und den Richter Dr. Meier-Beck
am 29. Juli 2003

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 5. Senats (Gebrauchsmuster -Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 25. April 2001 wird auf Kosten der Rechtsbeschwerdeführerin zurückgewiesen. Der Beschwerdewert wird auf 50.000,- EUR festgesetzt.

Gründe:

1. Die Rechtsbeschwerdeführerin ist Inhaberin des deutschen Gebrauchsmusters 296 23 383, das am 6. Februar 1998 als Abzweigung aus der deutschen Patentanmeldung 196 03 797.2 vom 2. Februar 1996 angemeldet wurde. Nach Eintragung des Gebrauchsmusters hat die Rechtsbeschwerdeführerin am 26. Juni 1998 neue Schutzansprüche zu den Gebrauchsmusterakten gereicht. Das Gebrauchsmuster betrifft den pharmazeutischen Wirkstoff Paroxetin-Hydrochlorid-Anhydrat, der in vier verschiedenen Formen A, B, C und D in selbständigen Nebenansprüchen beschrieben ist. Der nachgereichte Schutzanspruch 1 lautet:
"Paroxetin-Hydrochlorid-Anhydrat in Form A, dadurch gekennzeichnet, daß es einen Schmelzpunkt von etwa 123-125°C aufweist, signifikante IR-Banden (Figur 1) bei etwa 513, 538, 571, 592, 613, 665, 722, 761, 783, 806, 818, 839, 888, 906, 924, 947, 966, 982, 1006, 1034, 1068, 1091, 1134, 1194, 1221, 1248, 1286, 1340, 1387, 1493, 1513, 1562, 1604, 3402, 3631 cm-1 aufweist, die bei 10° pro Minute gemessene DSCExotherme unter Verwendung einer offenen Schale ein Maximum bei etwa 126°C und unter Verwendung einer geschlossenen Schale ein Maximum bei etwa 121°C zeigt, es auch ein Röntgenbeugungsdiagramm wie das in Figur 4 gezeigte, umfassend charakteristische Signale bei 6,6, 8,0, Feldphasen-NMR-Spektrum wie das in Figur 7 gezeigte, umfassend charakteristische Signale bei 154,3, 149,3, 141,6, 138,5 ppm, aufweist." Das Deutsche Patent- und Markenamt hat das Gebrauchsmuster im Umfang der auf die Form A gerichteten Schutzansprüche 1 und 5 gelöscht. Im übrigen hat es den Löschungsantrag zurückgewiesen. Im Beschwerdeverfahren hat die Rechtsbeschwerdeführerin das Gebrauchsmuster in erster Linie mit den am 23. April 2001 eingereichten Schutzansprüchen 1 bis 6 verteidigt. Diese unterscheiden sich von der am 26. Juni 1998 eingereichten Anspruchsfassung dadurch, daß das Merkmal des dortigen Anspruchs 5 "und in Form von Nadeln vorliegt" in den Schutzanspruch 1 mit aufgenommen und das Wort "und" vor der Angabe "ein Festphasen-NMR-Spektrum" gestrichen worden ist. Das Bundespatentgericht hat die Beschwerde der Rechtsbeschwerdeführerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die nicht zugelassene Rechtsbeschwerde. 2. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft und zulässig. Die Rechtsbeschwerdeführerin macht mit ihr einen Begründungsmangel im Sinne der §§ 18 Abs. 5 GebrMG, 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG in der Fassung des 2. PatGÄndG vom 16. Juli 1998 (BGBl. I S. 1827) geltend. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nicht begründet, da der gerügte Mangel nicht vorliegt.
a. Allerdings entfällt der Mangel fehlender Begründung im Sinne des Gesetzes nicht schon deshalb, weil die angefochtene Entscheidung überhaupt mit Gründen versehen ist. Wie die Rechtsbeschwerde mit Recht geltend macht, kann nach der Rechtsprechung des Senats ein Begründungsmangel in diesem Sinne bei einer vorhandenen Begründung dann vorliegen, wenn diese unverständlich , widersprüchlich oder verworren ist (st. Rspr. u.a. BGHZ 39, 333 - Warmpressen; Sen.Beschl. v. 3.12.1991 - X ZB 5/91, GRUR 1992, 159 - Crackkatalysator II; Sen.Beschl. v. 14.5.1996 - X ZB 4/95, GRUR 1996, 753, 755 - Informationssignal). b. Das Beschwerdegericht hat ebenso wie das Deutsche Patent- und Markenamt der mit Haupt- und Hilfsantrag bezeichneten Lehre des Anspruchs 1 in der am 23. April 2001 eingereichten Fassung die Schutzfähigkeit abgesprochen , weil sie im Hinblick auf die britische Patentschrift 85 26 407 nicht neu sei. Der Fachmann, ein promovierter Diplomchemiker, der mit der Synthese von Wirkstoffen befaßt und vertraut sei, könne ohne weiteres aus dieser Druckschrift ein "Verfahren zur Herstellung von Paroxetin-Hydrochlorid-IsopropanolSolvat" entnehmen, das dadurch gekennzeichnet sei, "daß man unter wasserfreien Bedingungen gasförmigen Chlorwasserstoff zu einer Lösung der freien Base in Isopropanol-Solvat auskristallisiert" (1 a), und ein "Verfahren zur Herstellung von Paroxetin-Hydrochlorid-Anhydrat, dadurch gekennzeichnet, daß man Paroxetin-Hydrochlorid-Isopropanol-Solvat mit Wasser behandelt, anschließend abfiltriert und trocknet" (1 b). Es liege nicht außerhalb der durch die britische Druckschrift vermittelten Lehre, das bei dem Verfahren (1 a) bevorzugt hergestellte Solvat bei dem Verfahren (1 b) einzusetzen. Eine solche Arbeitsweise sei im Hinblick auf das in der britischen Druckschrift Offenbarte nicht mehr neu. Der Umstand, daß ein mit den im Schutzanspruch 1 angegebenen Parametern und in Form von Nadeln charakterisiertes Paroxetin-HydrochloridAnhydrat nicht in der entgegengehaltenen Druckschrift beschrieben sei, mache
diesen Stoff nicht schon deshalb gegenüber der Offenbarung der Entgegenhaltung neu. Zu dem neuheitsschädlichen Offenbarungsgehalt der Beschreibung eines Verfahrens gehöre auch das, was dem Fachmann erst bei der Nacharbeitung des vorgeschriebenen Verfahrens über dessen Ergebnis unmittelbar und zwangsläufig offenbart werde, im vorliegenden Fall also die Modifikation A von Paroxetin-Hydrochlorid-Anhydrat in Form von Nadeln. Berücksichtige man das praktische Vorgehen des einschlägigen Fachmanns , der aufgrund der Angaben in der britischen Druckschrift ParoxetinHydrochlorid -Anhydrat herstellen wolle, so komme man zu keiner anderen Beurteilung. Da beide in der Druckschrift beschriebenen Wege zur Herstellung des Anhydrats von der Isopropanol-Solvat-Vorstufe ausgingen, werde der Fachmann zunächst dieses Ausgangsmaterial auf dem in der Druckschrift bevorzugt angegebenen Weg herstellen. Führe dies nicht zum Erfolg, werde er den vorgegebenen Weg der Behandlung der Solvatkristalle mit Wasser ausprobieren und damit zwangsläufig zur Modifikation A des Anhydrats in Nadelform gelangen , wie es in dem nachgereichten Schutzanspruch 1 charakterisiert werde. Auch dieses bisher nicht bekannte Ergebnis sei dem neuheitsschädlichen Offenbarungsinhalt der britischen Druckschrift zuzurechnen. Das Gebrauchsmuster sei im Umfang des Schutzanspruchs 1 auch in der Fassung des Hilfsantrages gegenüber der britischen Druckschrift nicht neu. c. Die Rechtsbeschwerde rügt, diese Neuheitsprüfung leide an dem grundsätzlichen Fehler, daß das Bundespatentgericht die unterschiedlichen, in sich geschlossenen und vollständigen Herstellungsverfahren (1 a) und (1 b) miteinander kombiniere und annehme, diese Kombination der Verfahrensschritte sei in der britischen Druckschrift 85 26 407 neuheitsschädlich offenbart. Patent- und gebrauchsmusterrechtlich sei es unzulässig, ein aus mehreren
Verfahrensschritten bestehendes Verfahren als neuheitsschädlich vorbekannt anzusehen, weil die einzelnen Verfahrensschritte für sich allein aus verschiedenen vorbekannten Verfahren bekannt seien. Dies gelte auch dann, wenn mehrere unterschiedliche, in sich geschlossene Verfahren in ein- und derselben Druckschrift beschrieben seien. Auch dann sei ein Verfahren nicht schon deshalb neuheitsschädlich vorbekannt, weil sich das Verfahren durch die Kombination einzelner Verfahrensschritte der verschiedenen vorbeschriebenen Verfahren bilden lasse. Es sei daher eine [patent]rechtlich völlig unverständliche und nicht nachvollziehbare Überlegung, daß das Beschwerdegericht die Kombination der aus unterschiedlichen Verfahren entnommenen Verfahrensschritte (1 a) und (1 b) als neuheitsschädlich vorbeschrieben ansehe und daraus folgere, auch das resultierende Produkt sei nicht mehr neu. Dies bilde einen gravierenden Begründungsmangel, welcher der völlig fehlenden Begründung im Sinne von § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG gleichstehe. Das gelte um so mehr, als das Beschwerdegericht für seine Würdigung nur eine völlig inhaltslose lapidare Begründung gebe ("nach Überzeugung des Senats") und nicht den geringsten Anhaltspunkt aus der britischen Patentschrift 85 26 407 feststelle, aus dem der Fachmann einen Hinweis entnehmen könne, die einzelnen Schritte 1 a) und 1 b) miteinander zu kombinieren. d. Hiermit hat die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg. Die Rechtsbeschwerde macht mit ihren Beanstandungen keinen Begründungsmangel im oben dargestellten Sinne geltend. Vielmehr rügt die Rechtsbeschwerde, das Beschwerdegericht habe unter Verstoß gegen anerkannte Regeln die Neuheitsprüfung fehlerhaft vorgenommen und sei deshalb zu einem falschen Ergebnis gelangt. Die Beanstandungen der Rechtsbeschwerde betreffen daher die inhaltliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Diese ist im Verfahren der nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde nicht zu prüfen.
Selbst wenn mit der Rechtsbeschwerde davon auszugehen wäre, daß der gerügte Fehler ungewöhnlich und besonders gravierend sei, würde dies die Annahme eines Begründungsmangels im Sinne des § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG nicht rechtfertigen. Denn diese Vorschrift stellt weder auf die Intensität eines Fehlers in der angefochtenen Entscheidung ab, noch kommt es darauf an, ob es unverständlich ist, daß dem Gericht der betreffende Fehler unterlaufen ist (vgl. Sen.Beschl. vom 26.2.1985 - X ZB 12/84, Mitt. 1985, 152 - Tetrafluoräthylenpolymer ). § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG dient vielmehr ausschließlich der Sicherung des Anspruchs der betroffenen Beteiligten auf Mitteilung der Gründe, aus denen ihr Rechtsbegehren keinen Erfolg hatte (§ 94 Abs. 2 PatG). 3. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten.
Melullis Jestaedt Keukenschrijver Mühlens Meier-Beck

(1) Gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts, durch die über eine Beschwerde nach § 73 oder über die Aufrechterhaltung oder den Widerruf eines Patents nach § 61 Abs. 2 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn der Beschwerdesenat die Rechtsbeschwerde in dem Beschluß zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

(3) Einer Zulassung zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gegen Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts bedarf es nicht, wenn einer der folgenden Mängel des Verfahrens vorliegt und gerügt wird:

1.
wenn das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
wenn bei dem Beschluß ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
wenn einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
wenn ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
wenn der Beschluß auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
wenn der Beschluß nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Sind an dem Verfahren über die Rechtsbeschwerde mehrere Personen beteiligt, so kann der Bundesgerichtshof bestimmen, daß die Kosten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, von einem Beteiligten ganz oder teilweise zu erstatten sind, wenn dies der Billigkeit entspricht. Wird die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen oder als unzulässig verworfen, so sind die durch die Rechtsbeschwerde veranlaßten Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen. Hat ein Beteiligter durch grobes Verschulden Kosten veranlaßt, so sind ihm diese aufzuerlegen.

(2) Dem Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamts können Kosten nur auferlegt werden, wenn er die Rechtsbeschwerde eingelegt oder in dem Verfahren Anträge gestellt hat.

(3) Im übrigen gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen entsprechend.

(1) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluß; sie kann ohne mündliche Verhandlung getroffen werden.

(2) Der Bundesgerichtshof ist bei seiner Entscheidung an die in dem angefochtenen Beschluß getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Rechtsbeschwerdegründe vorgebracht sind.

(3) Die Entscheidung ist zu begründen und den Beteiligten von Amts wegen zuzustellen.