Bundesgerichtshof Beschluss, 19. März 2013 - VIII ZR 275/12

bei uns veröffentlicht am19.03.2013
vorgehend
Landgericht Wuppertal, 4 O 123/11, 11.11.2011
Oberlandesgericht Düsseldorf, 22 U 171/11, 27.07.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZR 275/12
vom
19. März 2013
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. März 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, die Richterinnen Dr. Milger, Dr. Hessel und
Dr. Fetzer sowie den Richter Dr. Bünger

beschlossen:
Das Verfahren wird gemäß § 148 ZPO analog bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem dort anhängigen Verfahren C-359/11 ausgesetzt.

Gründe:

I.

1
Die Klägerin, ein regionales Gasversorgungsunternehmen, führt in ihrem Netzgebiet die Grundversorgung von Haushaltskunden mit Erdgas durch. Sie verlangt von dem Beklagten, den sie seit dem Jahre 1999 leitungsgebunden mit Erdgas versorgt, eine Restzahlung in Höhe von 1.672,47 € aus den Ver- brauchsabrechnungen der Jahre 2008 und 2009, die der Beklagte unter Berufung auf die Unwirksamkeit von Preisanpassungen der Klägerin verweigert. Der Beklagte erstrebt widerklagend unter anderem die Feststellung, dass der Gasversorgungsvertrag der Parteien über den 31. Dezember 1999 hinaus nicht zu einem höheren als dem bis dahin geltend gemachten Arbeitspreisfortbesteht, die jeweiligen Forderungen aus den Endabrechnungen der Klägerin für die Jahre 2000 bis 2009 unwirksam sind und ihm aus dem Vertragsverhältnis mit der Klägerin für den Gasverbrauch aus dem Zeitraum der Versorgung zwischen dem 1. März 2003 und dem 31. Dezember 2009 Rückzahlungsansprüche zu- stehen. Hilfsweise macht der Beklagte mit der Widerklage die Unbilligkeit der seit dem 1. Januar 2000 erfolgten Preisbestimmungen der Klägerin gemäß § 315 Abs. 3 BGB geltend.
2
Für die Belieferung von Tarifkunden standen nach den Versorgungsbedingungen der Klägerin bis einschließlich 2006 vier Tarifgruppen zur Verfügung (Kleinverbrauchstarif, Heizgastarif 1, Heizgastarif 2 und Vollversorgung). Seit dem Jahr 2007 bietet die Klägerin einen Basistarif, einen Heizgastarif und einen Vollversorgungstarif an. Die Belieferung des Beklagten erfolgte durchgehend nach dem Tarif "Vollversorgung". Die Klägerin rechnete ihre Leistungen gegenüber dem Beklagten mit jährlichen Verbrauchsabrechnungen ab und nahm während der Zeit des Gasbezugs mehrere Preisanpassungen vor. Bis auf die Rechnungen vom 26. Juni 2008 und vom 1. Juli 2009 sind die Rechnungen vollständig bezahlt. Aus der erstgenannten Rechnung ist ein Betrag von 800,81 € offen, aus der zweitgenannten ein solcher von 871,66 €. Aus der Summe dieser Beträge ergibt sich die Klageforderung.
3
Mit Schreiben vom 20. April 2006 hatte der Beklagte die Preiserhöhungen als unbillig gerügt und angekündigt, künftige Zahlungen nur auf offene Forderungen unter Zugrundelegung der bisherigen Preise zu leisten und Preiserhöhungen nicht zu bezahlen. Er beruft sich darauf, aufgrund der Belieferung nach dem Tarif "Vollversorgung" Sonderkunde zu sein. Für den Tarifkunden gelte der Basistarif, der einen Kleinverbrauchstarif darstelle. Er, der Beklagte, werde hingegen zu günstigeren als den allgemeinen Tarifen beliefert, weil er eine entsprechende Menge Gas abnehme. Der Tarif "Vollversorgung" stehe mithin nicht jedermann zur Verfügung und sei daher ein Sondervertrag. Mangels vertraglich vereinbarten Preisanpassungsrechts habe die Klägerin die Preise nicht einseitig ändern dürfen. Zudem seien sowohl der Einstandspreis (wegen eines zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses fehlenden Wettbewerbs) als auch die Preisanpassungen der Klägerin gemäß § 315 Abs. 3 BGB unbillig. Schließlich hat der Beklagte die Richtigkeit der Jahresabrechnungen bestritten.
4
Das Landgericht hat der auf Zahlung von 1.672,47 € nebst Zinsen und 261,20 € Inkassokosten gerichteten Klage bis auf einen kleinen Teil der Inkassokosten stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
5
Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde. Er hat beantragt , das Verfahren gemäß § 148 ZPO analog bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem dort anhängigen Verfahren C-359/11 auszusetzen. Die Klägerin hat hiergegen keine Einwände erhoben.

II.

6
Das vorliegende Verfahren ist gemäß § 148 ZPO analog bis zu der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem dort anhängigen Verfahren C-359/11 auszusetzen.
7
1. Der Senat hat durch Beschluss vom 18. Mai 2011 in dem Verfahren VIII ZR 71/10 (ZIP 2011, 1620 ff.) dem Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) folgende Frage zur Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV vorgelegt: "Ist Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b und/oder c der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG dahin auszulegen, dass eine nationale gesetzliche Regelung über Preisänderungen in Erdgaslieferungsverträgen mit Haushalts-Kunden, die im Rahmen der allgemeinen Versorgungspflicht beliefert werden (Tarifkunden), den Anforderungen an das erforderliche Maß an Transparenz genügt, wenn in ihr Anlass, Voraussetzungen und Umfang einer Preisänderung zwar nicht wiedergegeben sind, jedoch sichergestellt ist, dass das Gasversorgungsunternehmen seinen Kunden jede Preiserhöhung mit angemessener Frist im Voraus mitteilt und den Kunden das Recht zusteht, sich durch Kündigung vom Vertrag zu lösen, wenn sie die ihnen mitgeteilten geänderten Bedingungen nicht akzeptieren wollen?"
8
2. Diese Frage ist bei Zugrundelegung der vom Berufungsgericht vorgenommenen Einstufung des Beklagten als Tarif- und nicht als Sonderkunde auch im vorliegenden Fall entscheidungserheblich. Der Senat kann daher unter Beachtung seiner in Art. 267 Abs. 3 AEUV enthaltenen Vorlageverpflichtung keine abschließende Sachentscheidung treffen. Eine Vorlage auch dieses Verfahrens an den Gerichtshof würde jedoch dort nicht zu einer schnelleren Beantwortung der maßgeblichen Rechtsfrage führen. Hieran ändert nichts, dass der Gerichtshof seinerseits das Verfahren C-359/11 bis nach der Urteilsverkündung in den Rechtssachen C-8/11 und C-92/11 ausgesetzt hat.
9
Der Senat hält es daher für angemessen, auch das vorliegende Verfahren - wie bereits die Verfahren VIII ZR 236/10, VIII ZR 158/11, VIII ZR 162/11, VIII ZR 13/12 und VIII ZR 208/12 - gemäß § 148 ZPO analog wegen Vorgreiflichkeit des beim Gerichtshof anhängigen Rechtsstreits auszusetzen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 24. Januar 2012 - VIII ZR 236/10, RIW 2012, 405, und VIII ZR 158/11, juris; vom 27. Juni 2012 - VIII ZR 162/11, juris; vom 17. Juli 2012 - VIII ZR 13/12, juris; vom 19. Februar 2013 - VIII ZR 208/12, zur Veröffentlichung vorgesehen). Ball Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Fetzer Dr. Bünger
Vorinstanzen:
LG Wuppertal, Entscheidung vom 11.11.2011 - 4 O 123/11 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 27.07.2012 - I-22 U 171/11 -

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Bundesgerichtshof Beschluss, 19. März 2013 - VIII ZR 275/12 zitiert 2 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 315 Bestimmung der Leistung durch eine Partei


(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist. (2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. (3) Sol

Zivilprozessordnung - ZPO | § 148 Aussetzung bei Vorgreiflichkeit


(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde

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(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZR 71/10 Verkündet am:
18. Mai 2011
Ring,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
AVBGasV § 1, § 4, § 32
GasRL Art. 3
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird folgende Frage zur Auslegung
des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vorgelegt
:
Ist Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b und/oder c der Richtlinie
2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003
über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung
der Richtlinie 98/30/EG dahin auszulegen, dass eine nationale gesetzliche
Regelung über Preisänderungen in Erdgaslieferungsverträgen mit HaushaltsKunden
, die im Rahmen der allgemeinen Versorgungspflicht beliefert werden
(Tarifkunden), den Anforderungen an das erforderliche Maß an Transparenz
genügt, wenn in ihr Anlass, Voraussetzungen und Umfang einer Preisänderung
zwar nicht wiedergegeben sind, jedoch sichergestellt ist, dass das Gasversorgungsunternehmen
seinen Kunden jede Preiserhöhung mit angemessener Frist
im Voraus mitteilt und den Kunden das Recht zusteht, sich durch Kündigung
vom Vertrag zu lösen, wenn sie die ihnen mitgeteilten geänderten Bedingungen
nicht akzeptieren wollen?
BGH, Beschluss vom 18. Mai 2011 - VIII ZR 71/10 - LG Ravensburg
AG Ravensburg
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Februar 2011 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterin
Dr. Milger, den Richter Dr. Achilles, die Richterin Dr. Fetzer sowie den Richter
Dr. Bünger

beschlossen:
I. Das Verfahren wird ausgesetzt. II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird folgende Frage zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vorgelegt: Ist Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b und/oder c der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG dahin auszulegen, dass eine nationale gesetzliche Regelung über Preisänderungen in Erdgaslieferungsverträgen mit HaushaltsKunden , die im Rahmen der allgemeinen Versorgungspflicht beliefert werden (Tarifkunden), den Anforderungen an das erforderliche Maß an Transparenz genügt, wenn in ihr Anlass, Voraussetzungen und Umfang einer Preisänderung zwar nicht wiedergegeben sind, jedoch sichergestellt ist, dass das Gasversorgungsunternehmen seinen Kunden jede Preiserhöhung mit angemessener Frist im Voraus mitteilt und den Kunden das Recht zusteht, sich durch Kündigung vom Vertrag zu lösen, wenn sie die ihnen mitgeteilten geänderten Bedingungen nicht akzeptieren wollen?

Gründe:

I.

1
Die Beklagte bezieht von der Klägerin, einem Gasversorgungsunternehmen , als Tarifkundin im Haushalts-Tarif leitungsgebunden Erdgas für ihr Grundstück in B. . Der dem Bezug zugrunde liegende Energielieferungsvertrag wurde 1991 zwischen der Beklagten und den Stadtwerken W. geschlossen , deren Aufgaben inzwischen die Klägerin übernommen hat. Bei Erwerb des Grundstücks vom Gemeindeverband Mittleres S. im Jahr 1990 hatte die Beklagte in dem notariellen Kaufvertrag versichert, dass sie die dort zu errichtenden Gebäude hauptsächlich mit Erdgas als Energieträger versorgen und den gesamten Bedarf an Gas zur Erzeugung von Raumwärme und Warmwasser von den Stadtwerken W. beziehen werde.
2
In der Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 1. Januar 2007 erhöhte die Klägerin den Arbeitspreis für das von ihr gelieferte Gas insgesamt vier Mal; am 1. April 2007 erfolgte eine Senkung des Arbeitspreises. Die Beklagte widersprach den auf die Preisänderungen folgenden Jahresabrechnungen der Jahre 2005, 2006 und 2007. Sie hält die Gaspreiserhöhungen der Klägerin für unbillig.
3
Die Klägerin beansprucht die Zahlung der aus den genannten Jahresabrechnungen noch offen stehenden Restbeträge. Das Amtsgericht hat der auf Zahlung von 2.733,12 € nebst Verzugszinsen und Rechtsanwaltskosten gerich- teten Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr auf Klageabweisung gerichtetes Begehren weiter.

II.

4
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Vorabentscheidungsverfahren von Interesse, ausgeführt:
5
Die Preiserhöhungen der Klägerin in den Jahren 2005 bis 2007 entsprächen der Billigkeit gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV in Verbindung mit § 315 Abs. 3 BGB, da sie im Wesentlichen auf gestiegene Bezugskosten zurückzuführen seien; ferner habe die Klägerin ihre gesunkenen Bezugskosten im April 2007 pflichtgemäß an die Kunden weitergereicht. Die gestiegenen Bezugskosten seien auch nicht durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen worden.

III.

6
Die Entscheidung über den Zahlungsanspruch der Klägerin hängt von der Frage ab, ob bei einem Gasversorgungsvertrag, der von einem Gasversorgungsunternehmen mit einem Haushalts-Kunden im Rahmen der allgemeinen Versorgungspflicht geschlossen worden ist (Tarifkundenvertrag), das in § 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden vom 21. Juni 1979 (BGBl. I S. 676 - AVBGasV) enthaltene gesetzliche Preisänderungsrecht wirksam ist. Dies wiederum hängt, da § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV hinsichtlich Anlass, Voraussetzungen und Umfang des dem Versorgungsunternehmen zustehenden einseitigen Leistungsbestimmungsrechts keine näheren tatbestandlichen Konkretisierungen enthält, davon ab, ob solche tatbestandlichen Konkretisierungen von Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b oder c der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG (ABl. EG Nr. L 176, S. 57; im Folgenden: Gas-Richtlinie; aufgehoben zum 3. März 2011 durch Art. 53 der Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG, ABl. EU Nr. L 211, S. 94) gefordert werden.
7
1. Im nationalen deutschen Recht waren die allgemeinen Bedingungen, zu denen im streitgegenständlichen Zeitraum Gasversorgungsunternehmen jedermann an ihr Versorgungsnetz anzuschließen und zu allgemeinen Tarifpreisen zu versorgen hatten (Tarifkunden), in den Bestimmungen der AVBGasV geregelt. Diese Bestimmungen waren nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AVBGasV zugleich unmittelbarer Bestandteil des Versorgungsvertrages mit Tarifkunden. § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV enthält zur "Art der Versorgung“ unter anderem folgen- de Regelungen: (1) Das Gasversorgungsunternehmen stellt zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung … (2) Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen werden erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam.
8
Ferner finden sich in § 32 Abs. 1 und 2 AVBGasV folgende Kündigungsbestimmungen : (1) Das Vertragsverhältnis läuft solange ununterbrochen weiter, bis es von einer der beiden Seiten mit einer Frist von einem Monat auf das Ende eines Kalendermonats gekündigt wird … (2) Ändern sich die allgemeinen Tarife oder ändert das Gasversorgungsunternehmen im Rahmen dieser Verordnung seine allgemeinen Bedingungen, so kann der Kunde das Vertragsverhältnis mit zweiwöchiger Frist auf das Ende des der öffentlichen Bekanntgabe folgenden Kalendermonats kündigen.
9
2. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entnimmt § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV, dass dem Gasversorgungsunternehmen das Recht zusteht, Preise nach billigem Ermessen (§ 315 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs [BGB]) zu ändern.
10
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Gasversorgungsunternehmen das ihm nach dem Regelungsgehalt des § 4 Abs. 1 oder 2 AVBGasV kraft Gesetzes zukommende und dort nach Anlass, Voraussetzungen und Umfang nicht präzisierte Recht zur Preisänderung nicht nach freiem Belieben ausüben; eine solche Preisänderung hat vielmehr gemäß § 315 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen. Sie ist deshalb für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Zu diesem Zweck kann dieser die Preisänderung auch gerichtlich auf ihre Billigkeit überprüfen lassen (BGH, Urteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, BGHZ 172, 315 Rn. 14 ff.; vom 29. April 2008 - KZR 2/07, BGHZ 176, 244 Rn. 26; vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, BGHZ 178, 362 Rn. 26; vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, BGHZ 182, 41 Rn. 19 f.).
11
b) Aus dieser gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit folgt nicht nur die Rechtspflicht des Versorgers, bei einer Preisänderung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Der Versorger ist vielmehr auch verpflichtet, die jeweiligen Zeitpunkte einer Preisänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen , so dass Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden müssen wie Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisänderung auch die Pflicht hierzu, wenn die Änderung für den Kunden günstig ist (BGH, Urteile vom 29. April 2008 - KZR 2/07, aaO; vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 81/08, WM 2010, 481 Rn. 18 mwN).
12
3. Dieser Sichtweise wird entgegengehalten, sie berücksichtige nicht hinreichend die Vorgaben der bis zum 1. Juli 2004 umzusetzenden Gas-Richtlinie an die Transparenz von Preisänderungsklauseln. Namentlich hätten die Mitgliedstaaten nach Art. 3 Abs. 3 Satz 4 der Gas-Richtlinie einen hohen Verbraucherschutz , insbesondere in Bezug auf die Transparenz der allgemeinen Vertragsbedingungen, zu gewährleisten, wozu nach Maßgabe von Anhang A Buchst. c der Gas-Richtlinie sicherzustellen sei, dass bei Preisänderungsklauseln die Kunden transparente Informationen über geltende Preise und Tarife erhielten. Diese im nationalen Recht umzusetzende Vorgaben seien durch § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV nicht erfüllt. Weder die Überschrift noch der unmittelbare Wortlaut der Bestimmung offenbare, dass die Vorschrift ein Preisanpassungsrecht enthalte; zudem fehle eine tatbestandliche Konkretisierung von Anlass, Voraussetzungen und Umfang des Leistungsbestimmungsrechts des Gasversorgungsunternehmens. Das in § 32 Abs. 2 AVBGasV vorgesehene Kündigungsrecht des Verbrauchers bei Änderung der allgemeinen Tarife stehe nicht in unmittelbarem Bezug zu der Bestimmung, aus der das Preisänderungsrecht folgen solle (OLG Oldenburg, Vorlagebeschluss vom 14. Dezember 2010 - 12 U 49/07, juris Rn. 9, 14, 16; vgl. auch Markert, ZMR 2010, 836, 837).
13
4. Die Gas-Richtlinie bedarf hinsichtlich ihrer inhaltlichen Anforderungen an die Transparenz von Preisänderungsregelungen in Verträgen mit HaushaltsKunden über die Erdgasversorgung der Auslegung.
14
a) Nach Anhang A Buchst. b der Gas-Richtlinie haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die Kunden rechtzeitig über eine beabsichtigte Änderung der Vertragsbedingungen und dabei über ihr Rücktrittsrecht unterrichtet werden. Dabei haben die Dienstleister im Falle einer Gebührenerhöhung ihren Kunden jede Erhöhung mit angemessener Frist, auf jeden Fall jedoch vor Ablauf der normalen Abrechnungsperiode, auf die die Gebührenerhöhung folgt, mitzuteilen; zudem haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass es den Kunden freisteht, den Vertrag zu lösen, wenn sie die neuen Bedingungen nicht akzeptieren, die ihnen der Gasdienstleister mitgeteilt hat.
15
b) Nach Auffassung des Senats wird aus diesen Regelungen der GasRichtlinie deutlich, dass der europäische Normgeber das Interesse der Versorgungsunternehmen anerkennt, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit weiterzugeben, ohne die Verträge kündigen zu müssen. Auf den gleichen Erwägungen beruht auch im nationalen deutschen Recht das gesetzliche Preisänderungsrecht gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV (jetzt: § 5 Abs. 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz [Gasgrundversorgungsverordnung - GasGVV] vom 26. Oktober 2006 [BGBl. I S. 2391]; vgl. dazu BGH, Urteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, BGHZ 182, 59 Rn. 22; VIII ZR 56/08, aaO Rn. 24). Aus dem in Art. 3 Abs. 3 Satz 4 der GasRichtlinie lediglich in allgemeiner Weise formulierten Transparenzgebot ergeben sich nach Auffassung des Senats jedoch keine Vorgaben, welche der Gültigkeit von § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV entgegenstehen.
16
Insbesondere hat der Senat Zweifel, ob die teilweise aus Anhang A Buchst. c der Gas-Richtlinie hergeleiteten Transparenzanforderungen, die sich nur auf "geltende Preise und Tarife" beziehen, bei Preisänderungen überhaupt zur Anwendung kommen können. Es spricht mehr dafür, die Anforderungen an künftige Preisänderungen nach den auf diese Fallgestaltung eigens zugeschnittenen Vorgaben von Anhang A Buchst. b der Gas-Richtlinie als der spezielleren Norm zu bestimmen. Diesen Transparenzanforderungen wird nach Auffassung des Senats die Preisänderungsklausel des § 4 AVBGasV gerecht. Denn jedenfalls durch eine richtlinienkonforme Auslegung ist sichergestellt, dass der Kunde von einer bevorstehenden Preisänderung so frühzeitig Kenntnis erlangt, dass er neben der ihm durch § 315 BGB eröffneten Möglichkeit einer inhaltlichen Nachprüfung der Preiserhöhung am Maßstab des billigen Ermessens auch ausreichend Gelegenheit hat, sich nach § 32 Abs. 2 AVBGasV in der Weise vom Versorgungsvertrag zu lösen, dass die Preisänderung ihm gegenüber nicht wirksam wird.

IV.

17
Die Entscheidung über die Vorlagefrage zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts ist gemäß Art. 267 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen Union vorbehalten. Ball Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Fetzer Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Ravensburg, Entscheidung vom 10.06.2009 - 10 C 1292/07 -
LG Ravensburg, Entscheidung vom 25.02.2010 - 1 S 124/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 236/10 Verkündet am:
6. April 2016
Vorusso,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
AVBGasV § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1, 2; GasGVV § 1 Abs. 1 Satz 1, 2, § 5 Abs. 2,
§ 20 Abs. 1

a) Einem Energieversorgungsunternehmen steht es auch im Rahmen der Grundversorgung
frei, verschiedene Tarife anzubieten, und zwar auch solche, bei denen die
Tarifeinstufung automatisch nach dem Prinzip der Bestpreisabrechnung erfolgt
(Bestätigung der Senatsurteile vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180
Rn. 26 f.; vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10, NJW 2011, 2736 Rn. 32 mwN, insoweit
in BGHZ 189, 356 nicht abgedruckt; vom 31. Juli 2013 - VIII ZR 162/09,
BGHZ 198, 111 Rn. 34; vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, ZIP 2015, 2226
Rn. 18, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, und VIII ZR 13/12, juris Rn. 21;
vom 9. Dezember 2015 - VIII ZR 208/12, juris Rn. 17, VIII ZR 236/12, juris Rn. 17,
und VIII ZR 330/12, juris Rn. 18).

b) Wird ein Gaslieferungsvertrag geschlossen, der eine von einer Norm der GasGVV
- als kraft Gesetzes zwingendem Bestandteil jedes Gasgrundversorgungsvertrages
- ausdrücklich abweichende und diese nicht nur ergänzende Regelung enthält
, oder wird einem bestehenden Grundversorgungsvertrag eine solche Regelung
hinzugefügt, handelt es sich entweder um einen Grundversorgungsvertrag
mit einer insoweit grundsätzlich gemäß § 134 BGB nichtigen Regelung, oder
- wegen der abweichenden Regelung - nicht (mehr) um einen Grundversorgungsvertrag
, sondern um einen Sonderkundenvertrag. Welche der beiden genannten
Alternativen gegeben ist, muss durch Auslegung ermittelt werden.
ECLI:DE:BGH:2016:060416UVIIIZR236.10.0


c) Die Vereinbarung einer festen Vertragslaufzeit (hier von zwei Jahren) bei einem Gaslieferungsvertrag stellt sich faktisch als ein zeitweiser Kündigungsausschluss dar und widerspricht damit der in § 20 Abs. 1 GasGVV zwingend vorgesehenen Kündigungsmöglichkeit. Die Vertragsparteien können eine solche Regelung daher wirksam nur durch Abschluss eines Sonderkundenvertrages oder durch Umwandlung eines bestehenden Tarifkunden- beziehungsweise Grundversorgungsvertrages in einen Sonderkundenvertrag vereinbaren. BGH, Urteil vom 6. April 2016 - VIII ZR 236/10 - OLG Koblenz LG Koblenz
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterinnen Dr. Hessel und Dr. Fetzer sowie die Richter Dr. Bünger und Kosziol
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 26. August 2010 - auch im Kostenpunkt - aufgehoben und das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Koblenz vom 19. Januar 2010 abgeändert, soweit hinsichtlich der im Zeitraum vom 11. März 2005 bis zum 1. Oktober 2008 vorgenommenen Gaspreisanpassungen und der Jahresabrechnungen für Erdgas vom 10. April 2006, 23. Januar 2007, 22. Januar 2008 und 20. Januar 2009 (Klageanträge zu 1 und 2) zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist. Im Übrigen werden die Rechtsmittel der Klägerin mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Feststellungsklage hinsichtlich der Klageanträge zu 1 und 2, soweit diese auf die mangelnde Fälligkeit der vorgenannten Preisanpassungen und Jahresabrechnungen gerichtet sind, als unzulässig abgewiesen wird. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerde - und des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin bezieht von der Beklagten, die als regionales Energie- und Wasserversorgungsunternehmen in ihrem Netzgebiet die Grundversorgung von Haushaltskunden mit Erdgas durchführt, seit dem Jahre 1998 leitungsgebunden Erdgas für ihren privaten Haushalt. Im April 1998 beantragte die Klägerin mittels eines von der Beklagten gestellten Formulars die Belieferung mit Erdgas durch die Beklagte "nach den Allgemeinen Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGasV)". Zusätzliche Allgemeine Geschäftsbedingungen sind in dem Vordruck nicht enthalten. Als anzuwendender Tarif ist in dem Formular der "Grundpreistarif 410" angekreuzt. Dabei handelt es sich um einen von mehreren , teilweise nach der Bezugsmenge gestaffelten "Haushaltstarifen", die die Beklagte im Jahr 1998 anbot und öffentlich bekannt gemacht hatte. Die Beklagte belieferte die Klägerin mit Erdgas und rechnete nach der sogenannten Bestpreisabrechnung ab, wobei der Klägerin zunächst der "Grundpreistarif 410", später einer der vorbezeichneten Mengentarife in Rechnung gestellt wurde.
2
Am 10. Dezember 2007 schloss die Klägerin mit der Beklagten rückwirkend zum 1. Dezember 2007 eine "Sondervereinbarung Laufzeit fix" mit folgendem Wortlaut: "Ich bitte, einen Wechsel meines Erdgasproduktes in die S. - Sondervereinbarung "Laufzeit fix" ab dem 01.12.2007 vorzunehmen. […] Laufzeit 24 Monate, Nachlass 0,20 ct/kWh netto auf die jeweils aktuellen Erdgaspreise der S. . Gleichzeitig gebe ich hiermit mein Einverständnis zum Bankeinzug […]."
3
Zwischen dem Frühjahr 1998 und dem 1. Oktober 2008 erhöhte und senkte die Beklagte mehrfach die Erdgaspreise. Sie macht geltend, Grund hier- für seien jeweils Änderungen ihrer Bezugskosten gewesen, wobei sie mit den Preiserhöhungen ihre gestiegenen Bezugspreise teilweise nicht einmal in vollem Umfang weitergegeben habe; Kosteneinsparungen in anderen Bereichen der Gassparte seien ihr nicht möglich gewesen.
4
Die Klägerin leistete die sich aus den jeweiligen Jahresabrechnungen ergebenden Nachzahlungen sowie die mehrmals geänderten monatlichen Abschläge , einschließlich der sich aus der Jahresabrechnung für das Jahr 2008 vom 20. Januar 2009 ergebenden Nachzahlung. Sie widersprach den Preiserhöhungen erstmals mit Schreiben vom 17. April 2009, bestritt die Preisanpassungsberechtigung der Beklagten und rügte die Preiserhöhung als unbillig nach § 315 BGB.
5
Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass die von der Beklagten vorgenommenen Preisanpassungen im Zeitraum vom 12. März 1998 bis zum 1. Oktober 2008 sowie der "Gaspreis insgesamt im streitgegenständlichen Zeitraum" unbillig, unwirksam und nicht fällig sind (Klageantrag zu 1). Weiter hat sie die Feststellung begehrt, dass die Forderungen der Beklagten aus den Jahresabrechnungen für die Jahre 1998 bis 2008 unbillig, unwirksam und nicht fällig (Klageantrag zu 2) sowie die von der Beklagten anlässlich der Jahresabrechnung vom 20. Januar 2009 errechneten und geforderten Abschläge in Höhe von jeweils 287 € für die Monate Februar 2009 bis Dezember 2009 nicht fällig sind (Klageantrag zu 3).
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Senat wie aus dem Tenor ersichtlich beschränkt zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Feststellungsbegehren im Umfang der Zulassung weiter.
7
Der Senat hat das vorliegende Verfahren mit Beschluss vom 24. Januar 2012 gemäß § 148 ZPO analog im Hinblick auf das beim Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) damals aufgrund des Vorlagebeschlusses des Senats gemäß Art. 267 AEUV im Verfahren VIII ZR 71/10 anhängige Verfahren C-359/11 ausgesetzt. In diesem Verfahren ist am 23. Oktober 2014 die Entscheidung des Gerichtshofs ergangen (C-359/11 und C-400/11, NJW 2015, 849 - Schulz und Egbringhoff).

Entscheidungsgründe:

8
Die Revision hat überwiegend Erfolg.

I.

9
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:
10
Der Beklagten habe ein Recht auf einseitige Preisänderung nach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV beziehungsweise - seit dem 8. November 2006 - nach § 5 Abs. 2 GasGVV zugestanden, da sich der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag als Tarifkundenvertrag darstelle. Dass die Beklagte als Energieversorgerin mehrere Allgemeine Tarife angeboten habe, stehe der Annahme eines Tarifkundenvertrages nicht entgegen. Der Abschluss der Sondervereinbarung "Laufzeit fix" am 10. Dezember 2007 habe keinen Einfluss auf die Tarifkundeneigenschaft der Klägerin gehabt. Hierdurch sei kein neues Vertragsverhältnis begründet, sondern nur der bestehende Tarifkundenvertrag um eine Rabattvereinbarung ergänzt worden. Das Vertragsverhältnis im Übrigen, mithin auch die (gesetzlichen) Bestimmungen über ein Preisänderungsrecht, seien davon unberührt geblieben. Durch die Rabattbestimmung sei das gesetz- liche Preisänderungsrecht auch nicht in einer Weise verändert worden, die eine unangemessene Benachteiligung des Kunden im Sinne des § 307 BGB zur Folge gehabt hätte. Denn Preisänderungen der Beklagten hätten nach wie vor der Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB unterlegen. Es könne deshalb letztlich dahinstehen, ob es sich bei dem Vertragsverhältnis in der nunmehr geltenden Fassung noch um einen Tarifvertrag handele oder ob dieser durch die Veränderung zu einem Sondervertrag geworden sei. Denn jedenfalls liege keine Abweichung von § 5 Abs. 2 GasGVV zum Nachteil des Verbrauchers vor.
11
Eine gerichtliche Billigkeitskontrolle der einseitigen Preisänderungen der Beklagten scheide aus, da diese infolge der Zahlung der Jahresabrechnungen seitens der Klägerin ohne Beanstandung "in angemessener Zeit" und des fortgesetzten Gasbezugs als vereinbarte Preise anzusehen seien. Die Klägerin habe erstmals drei Monate nach Erhalt und Bezahlung der Jahresabrechnung vom 20. Januar 2009 und weiter fortgesetztem Gasbezug den Preiserhöhungen der Beklagten widersprochen. Dies sei kein angemessener Zeitraum mehr.

II.

12
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung im Umfang der Zulassung der Revision nicht stand.
13
1. Zutreffend und von der Revisionserwiderung nicht angegriffen hat das Berufungsgericht allerdings hinsichtlich der im Revisionsverfahren - jeweils im Umfang der Zulassung der Revision - noch zu beurteilenden Klageanträge zu 1 und 2 angenommen, dass die (negative) Feststellungsklage überwiegend zulässig ist, insbesondere die Klägerin ein rechtliches Interesse (§ 256 Abs. 1 ZPO) an der Feststellung hat, dass die ihr gegenüber vorgenommenen Gas- preiserhöhungen unwirksam sind (vgl. hierzu Senatsurteil vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180 Rn. 24 mwN).
14
Am Feststellungsinteresse fehlt es jedoch, soweit die genannten Klageanträge auf die mangelnde Fälligkeit der Preisanpassungen und der Jahresabrechnungen gerichtet sind. Denn der Schuldner, der eine nicht fällige Forderung erfüllt hat, kann gemäß § 813 Abs. 2 BGB keine hierauf gestützte Rückerstattung verlangen (Senatsurteile vom 6. Juni 2012 - VIII ZR 198/11, NJW 2012, 2659 Rn. 25; vom 26. September 2012 - VIII ZR 279/11, NJW 2013, 1077 Rn. 24, VIII ZR 249/11, WM 2013, 1576 Rn. 31, und VIII ZR 240/11, juris Rn. 31). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin die Vergütung für die im hier streitgegenständlichen Zeitraum erbrachten Gaslieferungen der Beklagten vollständig geleistet. Das Berufungsgericht hat daher insoweit zu Unrecht in der Sache entschieden. Die Klageanträge zu 1 und 2 sind, soweit sie sich auf die Fälligkeit der im Tenor genannten Preisanpassungen und Jahresabrechnungen beziehen, bereits unzulässig.
15
2. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Klage, soweit sie zulässig und Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, nicht als unbegründet abgewiesen werden.
16
a) Das Berufungsgericht hat den Gaslieferungsvertrag der Parteien rechtsfehlerfrei für den Zeitraum bis zum Beginn der Sondervereinbarung "Laufzeit fix" am 1. Dezember 2007 als einen Tarifkundenvertrag angesehen. Vergeblich rügt die Revision, das Vertragsverhältnis der Parteien sei zwar anfänglich auf die Belieferung der Klägerin als Tarifkundin gerichtet gewesen, jedoch folge aus der von der Beklagten sodann vorgenommenen Bestpreisabrechnung und der demgemäß durchgeführten Abrechnung des Erdgasver- brauchs nach einem Mengentarif, dass es sich um einen Sonderkundenvertrag handele.
17
aa) Das Berufungsgericht ist in rechtsfehlerfreier Anwendung der Rechtsprechung des Senats (siehe zuletzt Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, ZIP 2015, 2226 Rn. 17, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt , und VIII ZR 13/12, juris Rn. 20; jeweils mwN; vom 9. Dezember 2015 - VIII ZR 208/12, juris Rn. 16, VIII ZR 236/12, juris Rn. 16, und VIII ZR 330/12, juris Rn. 18) zu der Beurteilung gelangt, dass es sich nicht nur - wie von der Revision hingenommen - bei dem im Antrag der Klägerin auf Belieferung mit Erdgas gewählten "Grundpreistarif 410", sondern auch bei den später im Rahmen der Bestpreisabrechnung angewendeten Tarifen "Mengentarif 420" und "S. Erdgas pro 50" um Allgemeine Tarife im Sinne von § 10 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes vom 24. April 1998 (BGBl. I S. 730; im Folgenden: EnWG 1998) gehandelt hat. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers die Versorgung zu den vorstehenden, von ihr öffentlich bekannt gemachten Bedingungen und Preisen im Rahmen einer Versorgungspflicht nach der genannten Vorschrift und nicht unabhängig davon im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit angeboten hat, lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
18
bb) Wie das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend erkannt hat, steht es nach der Rechtsprechung des Senats einem Energieversorgungsunternehmen - anders als die Revision meint - auch im Rahmen der Grundversorgung frei, verschiedene Tarife anzubieten, und zwar auch solche, bei denen - wie hier - die Tarifeinstufung automatisch nach dem Prinzip der Bestpreisabrechnung erfolgt (siehe zuletzt Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 18, und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 21; jeweils mwN; vom 9. Dezember2015 - VIII ZR 208/12, aaO Rn. 17, VIII ZR 236/12, aaO Rn. 17, und VIII ZR 330/12, aaO).
19
cc) Mit ihrer demgegenüber vertretenen Auffassung, ein anfängliches Tarifkundenverhältnis der Parteien sei durch die Anwendung der Bestpreisabrechnung in ein Sonderkundenverhältnis umgewandelt worden, verkennt die Revision zudem, dass ein Tarifkundenverhältnis nicht ohne weiteres durch einseitige Erklärung des Gasversorgungsunternehmens in ein Sonderkundenverhältnis umgewandelt werden kann (Senatsurteil vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 19 mwN). Eine hierfür nach der vorstehend genannten Rechtsprechung des Senats vielmehr erforderliche ausdrückliche oder konkludente Vertragsänderung hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Übergangenen Sachvortrag zeigt die Revision insoweit nicht auf.
20
dd) Anders als das Berufungsgericht gemeint hat, war die Beklagte im Rahmen des Tarifkundenvertrages in dem von der Zulassung der Revision umfassten Zeitraum nicht schon deswegen zu einer Erhöhung des Arbeitspreises berechtigt, weil nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV beziehungsweise - seit dem 8. November 2006 - § 5 Abs. 2 GasGVV in der bis zum 29. Oktober 2014 geltenden Fassung vom 26. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2391; im Folgenden: GasGVV aF) ein nur den in diesen Vorschriften genannten Wirksamkeitserfordernissen unterliegendes gesetzliches Recht des Gasgrundversorgers entnommen worden ist, die Preise einseitig nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) zu ändern.
21
(1) Denn wie der Senat in seinen Urteilen vom 28. Oktober 2015 (VIII ZR 158/11, aaO Rn. 21 ff., insbesondere Rn. 33, und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 23 ff., insbesondere Rn. 35; bestätigt durch Senatsurteile vom 9. Dezember 2015 - VIII ZR 208/12, aaO Rn. 14, 18, VIII ZR 236/12, aaO Rn. 14, 18, und VIII ZR 330/12, aaO Rn. 21) - nach Erlass des Berufungsurteils - entschieden hat, kann an der vorbezeichneten Rechtsprechung nach dem auf Vorlage des Senats ergangenen Urteil des Gerichtshofs vom 23. Oktober 2014 (C-359/11 und C-400/11, aaO - Schulz und Egbringhoff) für die - hier maßgebliche - Zeit ab dem 1. Juli 2004 - dem Ablauf der Umsetzungsfrist der Gas-Richtlinie 2003/55/EG - nicht festgehalten werden, da die genannten Vorschriften der Gasgrundversorgungsverordnungen nicht mit den Transparenzanforderungen des Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie 2003/55/EG vereinbar sind.
22
(2) Für Gaspreiserhöhungen, die vor dem Ende der genannten Umsetzungsfrist vorgenommen worden sind, bleibt es hingegen nach den vom Senat in den vorbezeichneten Urteilen entwickelten Grundsätzen bei der bisherigen Rechtsprechung des Senats, wonach § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV ein Preisänderungsrecht des Gasversorgers gemäß § 315 BGB im Tarifkundenverhältnis zu entnehmen ist (siehe nur Senatsurteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, BGHZ 172, 315 Rn. 14 ff.; vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, BGHZ 178, 362 Rn. 26) und der erhöhte Preis, wenn der Kunde die Preiserhöhung nicht in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB beanstandet, zum vereinbarten Preis wird (Senatsurteil vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, WM 2011, 1860 Rn. 41 mwN).
23
ee) Aus der für die hier - aufgrund des beschränkten Umfangs der Revisionszulassung - maßgebliche Zeit nach Ablauf der genannten Umsetzungsfrist gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) des lückenhaft gewordenen Gaslieferungsvertrages der Parteien ergibt sich jedoch, dass die Beklagte berechtigt ist, Steigerungen ihrer eigenen (Bezugs-)Kosten, soweit diese nicht durch Kostensenkungen in anderen Bereichen ausgeglichen werden , während der Laufzeit des Tarifkundenvertrages an die Klägerin weiterzu- geben, und sie verpflichtet ist, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen (vgl. Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 66 ff., und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 68 ff.; vom 9. Dezember 2015 - VIII ZR 208/12, aaO Rn. 15, 23, VIII ZR 236/12, aaO Rn. 15, 22, und VIII ZR 330/12, aaO Rn. 22).
24
Zu der Frage, ob die von der Beklagten vorgenommenen Preisanpassungen diesen Maßstäben entsprechen, hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen.
25
(1) Wie der Senat in seinen Urteilen vom 28. Oktober 2015 (VIII ZR 158/11, aaO Rn. 85 ff., und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 87 ff.; jeweils mwN) entschieden hat, haben im hier gegebenen Fall der ergänzenden Vertragsauslegung des Tarifkundenvertrages die vom Senat entwickelten Grundsätze zur Frage der Beanstandung von Preiserhöhungen im Sonderkundenvertrag in gleicher Weise zu gelten. Demnach ist auch bei einem Tarifkundenvertrag, wenn es sich - wie hier - um ein langjähriges Energielieferungsverhältnis handelt , der Kunde (unwirksamen) Preiserhöhungen über einen längeren Zeitraum hinweg nicht widersprochen hat und nunmehr auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht, die hinsichtlich eines Preisanpassungsrechts entstandene Regelungslücke regelmäßig im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahin zu füllen, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat (Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO, und VIII ZR 13/12, aaO; jeweils mwN).
26
(2) Das Berufungsgericht hat zwar - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zum Zeitpunkt des - als solchen unstreitigen - Zugangs der Jahresabrechnungen getroffen. Für das Revisionsverfahren ist jedoch davon auszugehen, dass die Klägerin den noch im Streit stehenden Preiserhöhungen, die ab dem 11. März 2005 erfolgt sind, rechtzeitig mit Schreiben vom 17. April 2009 widersprochen hat. Dieser Widerspruch erfasst nach der genannten Rechtsprechung des Senats den davor liegenden Zeitraum von drei Jahren und damit hier - wie der Senat anhand des jeweiligen Datums der Abrechnungen selbst beurteilen kann - die in den Jahresabrechnungen der Beklagten vom 23. Januar 2007, 22. Januar 2008 und 20. Januar 2009 erstmals berücksichtigten Gaspreiserhöhungen. Hinsichtlich der (knapp) vor dem genannten Dreijahreszeitraum datierenden Jahresabrechnung der Beklagten vom 10. April 2006 ist, da das Berufungsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen hat, für das Revisionsverfahren anzunehmen, dass diese der Klägerin ebenfalls (erst) im Zeitraum ab dem 17. April 2006 und damit innerhalb von drei Jahren vor dem Widerspruch zugegangen ist.
27
b) Nicht frei von Rechtsfehlern ist - wie die Revision zutreffend rügt - die Annahme des Berufungsgerichts, am Vorliegen eines Tarifkundenvertrages (Grundversorgungsvertrages) habe der Abschluss der Sondervereinbarung "Laufzeit fix" nichts geändert. Vielmehr führte - wie die Revision mit Recht geltend macht - diese Sondervereinbarung der Parteien zu einer Umwandlung ihres Gaslieferungsvertrages in einen Sonderkundenvertrag. Demgemäß war die Beklagte ab dem 1. Dezember 2007 zu einer Erhöhung der Gaspreise nur bei Vorliegen einer dahin gehenden vertraglichen Vereinbarung berechtigt. Ob die Parteien ein solches Preisanpassungsrecht (wirksam) vereinbart haben, lässt sich dem Berufungsurteil nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen und bedarf weiterer Feststellungen des Berufungsgerichts.
28
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats kommt es für die Frage, ob es sich bei öffentlich bekannt gemachten Vertragsmustern und Preisen um Tarifbeziehungsweise Grundversorgungsverträge mit allgemeinen Tarifpreisen im Sinne von § 6 Abs. 1 EnWiG 1935, Allgemeinen Tarifen im Sinne von § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1 EnWG 1998 oder Allgemeinen Preisen im Sinne von § 36 Abs. 1, § 39 Abs. 1 EnWG 2005 handelt, darauf an, ob das betreffende Versorgungsunternehmen die Versorgung zu den öffentlich bekannt gemachten Bedingungen und Preisen - aus der Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers - im Rahmen einer Versorgungspflicht nach den genannten Vorschriften oder unabhängig davon im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit anbietet (st. Rspr.; Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, BGHZ 182, 59 Rn. 14; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, aaO Rn. 26; vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, aaO Rn. 23; vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10, NJW 2011, 2736 Rn. 32 mwN, insoweit in BGHZ 189, 356 nicht abgedruckt; vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 17, und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 20). Letzteres ist hier im Hinblick auf die Sondervereinbarung "Laufzeit fix" entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts der Fall.
29
bb) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass die Parteien durch den Abschluss dieser Sondervereinbarung kein gänzlich neues Vertragsverhältnis begründet haben. Denn die Sondervereinbarung "Laufzeit fix" regelt die Gaslieferbeziehung zwischen dem Versorger und dem Kunden nicht umfassend, sondern enthält lediglich eine Vereinbarung bezüglich der Laufzeit von 24 Monaten, einer Einzugsermächtigung und eines Nachlasses auf die "jeweils aktuellen Erdgaspreise" als Gegenleistung hierfür. Gegen die Annahme des Abschlusses eines neuen, eigenständigen Vertrages spricht, wie das Berufungsgericht mit Recht ausgeführt hat, auch die in der Sondervereinbarung "Laufzeit fix" verwendete Formulierung eines "Wechsel[s] meines Erdgasproduktes", die zeigt, dass der Abschluss der Vereinbarung einen bereits bestehenden Vertrag voraussetzt.
30
cc) Mit der - auch von der Revisionserwiderung vertretenen - Annahme, die Sondervereinbarung "Laufzeit fix" habe deshalb den bestehenden Tarifkundenvertrag lediglich um eine Rabattvereinbarung ergänzt und ihn hinsichtlich des Vertragstyps unverändert gelassen, hat das Berufungsgericht jedoch den Inhalt dieser Sondervereinbarung nicht ausgeschöpft und deren rechtliche Tragweite verkannt. Durch die Sondervereinbarung "Laufzeit fix" ist der Gaslieferungsvertrag der Parteien ab dem 1. Dezember 2007 in einen Sonderkundenvertrag umgewandelt worden. Dies folgt neben den weiteren in dieser Vereinbarung enthaltenen Sonderregelungen (Rabatt und Einzugsermächtigung) vor allem aus der - den Kern der Sondervereinbarung "Laufzeit fix" bildenden - Bestimmung einer festen Laufzeit von 24 Monaten, die - was das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft außer Betracht gelassen hat - letztlich auf einen mit den Grundsätzen des Tarifkundenvertrages nicht zu vereinbarenden Kündigungsausschluss für die Dauer von 24 Monaten hinausläuft.
31
(1) Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 GasGVV sind die Bestimmungen dieser Verordnung - entsprechend der Vorläuferregelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 AVBGasV - kraft Gesetzes (zwingender) Bestandteil jedes Grundversorgungsvertrages (BR-Drucks. 306/06, S. 21; Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, BGHZ 182, 41 Rn. 11; vom 27. Januar 2010 - VIII ZR 326/08, WM 2010, 1038 Rn. 15, 29; vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 68, und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 70, zur AVBGasV). Wird ein Gaslieferungsvertrag geschlossen, der eine von einer Norm der GasGVV ausdrücklich abweichende und diese nicht nur ergänzende (vgl. hierzu BR-Drucks. 306/06, S. 21 f.; Hartmann in Danner/Theobald, Energierecht, Stand April 2015, § 2 GasGVV Rn. 3 i.V.m. § 2 StromGVV Rn. 26 ff.) Regelung enthält, handelt es sich entweder um einen Grundversorgungsvertrag mit einer insoweit grundsätzlich gemäß § 134 BGB nichtigen Regelung (vgl. Schneider/Theobald/de Wyl, Recht der Energiewirtschaft , 4. Aufl., § 14 Rn. 90 f.; de Wyl/Eder/Hartmann, Praxiskommentar Netzanschluss - und Grundversorgungsverordnungen, 2008, Teil 2 F Rn. 48), oder es handelt sich wegen der abweichenden Regelung nicht (mehr) um einen Grundversorgungsvertrag, sondern um einen Sonderkundenvertrag (vgl. de Wyl/Eder/Hartmann, aaO). Entsprechendes hat für den hier gegebenen Fall der Ergänzung eines bestehenden Tarifkundenvertrages durch eine Sondervereinbarung zu gelten. Welche der beiden genannten Alternativen gegeben ist, muss durch Auslegung ermittelt werden. Insoweit ergibt eine Auslegung der hier getroffenen Sondervereinbarung "Laufzeit fix", die der Senat selbst vornehmen kann, da das Berufungsgericht sie insoweit unterlassen hat und hierzu weitere Feststellungen weder zu erwarten noch erforderlich sind (vgl. BGH, Urteile vom 29. April 2015 - VIII ZR 197/14, NJW 2015, 2177 Rn. 40 mwN, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; vom 15. Dezember 1994 - IX ZR 18/94, NJW 1995, 1093 unter II 1 mwN; vom 25. Mai 1970 - VIII ZR 253/68, WM 1970, 877 unter I 1), dass der Gaslieferungsvertrag der Parteien hierdurch ab dem 1. Dezember 2007 in einen Sonderkundenvertrag umgewandelt worden ist.
32
(2) Die in der Sondervereinbarung "Laufzeit fix" vereinbarte feste Laufzeit von 24 Monaten, die sich faktisch als ein zweijähriger Kündigungsausschluss darstellt, steht im Widerspruch zu der Kündigungsregelung des § 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 GasGVV. Diese Vorschrift gewährt in der hier anzuwendenden, bis zum 9. Mai 2012 geltenden Fassung beiden Vertragsparteien ein Kündigungsrecht mit einer Frist von einem Monat (im Falle des Umzugs: zwei Wochen) auf das Ende eines Kalendermonats. Da diese Vorschrift zwingend ist, können die Vertragsparteien eines Gaslieferungsvertrages eine hiervon abweichende Regelung - auch in Gestalt einer festen Vertragslaufzeit - wirksam nur durch Abschluss eines Sonderkundenvertrages oder durch Umwandlung eines bestehenden Tarifkunden- beziehungsweise Grundversorgungsvertrages in einen Sonderkundenvertrag vereinbaren (vgl. auch BR-Drucks. 306/06, S. 40 f.).
33
Letzteres ist hier der Fall. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich, dass es den Parteien wesentlich auf die wirksame Vereinbarung einer festen Laufzeit ankam. Dies zeigt schon die Bezeichnung der von ihnen getroffenen Sondervereinbarung "Laufzeit fix". Denn bereits hieraus ergibt sich, dass es sich bei der festen Laufzeit und dem daraus folgenden langfristigen Kündigungsausschluss um das - im Rahmen der Vertragsfreiheit des Versorgers angebotene und nur durch Umwandlung des Tarifkundenvertrages in einen Sonderkundenvertrag wirksam umzusetzende - Kernelement der Vereinbarung handelt. Bestätigt wird dies durch die unterschiedliche Höhe des Preisnachlasses , je nachdem ob die Festbindung nur zwölf Monate oder - wie hier - 24 Monate beträgt.
34
dd) Aufgrund der durch die Sondervereinbarung "Laufzeit fix" erfolgten Umwandlung des Gaslieferungsvertrages der Parteien in einen Sonderkundenvertrag war die Beklagte ab dem 1. Dezember 2007 zu einer Erhöhung der Gaspreise nur bei Vorliegen einer dahin gehenden vertraglichen Vereinbarung berechtigt. Ob die Parteien vertraglich ein Preisanpassungsrecht der Beklagten (wirksam) vereinbart haben, lassen die bisher getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen.
35
Das Berufungsgericht hat zwar im Anschluss an die Feststellung des Inhalts der Sondervereinbarung "Laufzeit fix" ausgeführt, weitere Allgemeine Geschäftsbedingungen seien nicht Bestandteil der Vereinbarung. Auch ergibt sich aus den weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts nicht, dass die Parteien eine sonstige vertragliche Vereinbarung über ein Preisanpassungsrecht getrof- fen hätten. Mit der für eine eigene Sachentscheidung des Senats hinreichenden Sicherheit kann eine solche Vereinbarung auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen jedoch nicht ausgeschlossen werden.
36
Feststellungen des Berufungsgerichts zur vertraglichen Vereinbarung eines Preisanpassungsrechts sind auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil die Klägerin die nach Abschluss der Sondervereinbarung erfolgte Jahresabrechnung vom 20. Januar 2009 bezahlt und den Gasbezug fortgesetzt hat. Denn nach der Rechtsprechung des Senats schließen diese Umstände die Berufung auf ein fehlendes oder unwirksames Preisänderungsrecht nicht aus (Senatsurteile vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, aaO Rn. 57 ff.; vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, BGHZ 192, 372 Rn. 16 bis 18).
37
ee) Die Entscheidung des Berufungsgerichts, dass der Beklagten auch nach Abschluss der Sondervereinbarung "Laufzeit fix" ein Preisanpassungsrecht ohne besondere vertragliche Vereinbarung zugestanden habe, erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Das Berufungsgericht hat im Rahmen einer Hilfsüberlegung angenommen, selbst bei Vorliegen eines Sonderkundenvertrages habe eine wirksame Preisanpassungsberechtigung der Beklagten durch die bei Vertragsabschluss im April 1998 erfolgte Bezugnahme auf die AVBGasV beziehungsweise die GasGVV und somit auch auf die Regelungen in § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV und § 5 Abs. 2 GasGVV bestanden. Dies trifft aus mehreren Gründen nicht zu.
38
Zum einen hat das Berufungsgericht, wie die Revision zutreffend rügt, hierbei verkannt, dass es jedenfalls ab dem 1. Januar 2007 aufgrund des Inhalts der Sondervereinbarung "Laufzeit fix" bereits an einer - vom Senat zum Zeitpunkt des Erlasses des Berufungsurteils noch gemäß § 307 Abs. 1 BGB für wirksam erachteten (vgl. zuletzt: Senatsurteil vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, aaO Rn. 27 ff. mwN) - unveränderten Übernahme der vorbezeichneten Regelungen in den Sonderkundenvertrag der Parteien fehlt.
39
Zum anderen hat der Senat im Anschluss an das auf seine Vorlage hin ergangene Urteil des Gerichtshofs vom 21. März 2013 (C-92/11, NJW 2013, 2253 - RWE Vertrieb) unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden , dass Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Energieversorgungsunternehmens , die für das Vertragsverhältnis mit Sonderkunden eine Preisanpassung oder ein einseitiges Preisänderungsrecht des Energieversorgungsunternehmens im Wege der unmittelbaren Anwendbarkeit der AVBGasV beziehungsweise der GasGVV oder mittels der textlichen Übernahme des § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV beziehungsweise des § 5 Abs. 2 GasGVV aF in den Vertrag implementieren (wollen), der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB nicht standhalten (vgl. Senatsurteil vom 31. Juli 2013 - VIII ZR 162/09, BGHZ 198, 111 Rn. 45 ff.).
40
Schließlich hat der Senat im Anschluss an das ebenfalls auf seine Vorlage hin ergangene Urteil des Gerichtshofs vom 23. Oktober 2014 (C-359/11 und C-400/11, aaO - Schulz und Egbringhoff) unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass den vorbezeichneten Gasgrundversorgungsverordnungen ein gesetzliches Recht des Versorgers, die Preise einseitig nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) zu ändern, nicht (mehr) entnommen werden kann (siehe oben II 2 a dd (1); Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 33, und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 35).
41
3. Entgegen der Auffassung der Revision besteht keine Veranlassung, den Rechtsstreit nach Art. 267 Abs. 1 bis 3 AEUV dem Gerichtshof erneut zur Auslegung des Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie 2003/55/EG im Hinblick darauf vorzulegen, ob die darin enthaltenen Transpa- renzanforderungen dahingehend auszulegen sind, dass die vom Senat im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofs vom 23. Oktober 2014 (C-359/11 und C-400/11, aaO - Schulz und Egbringhoff) in den oben genannten Urteilen vom 28. Oktober 2015 (VIII ZR 158/11, aaO Rn. 66 ff., 83, und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 68 ff., 85) vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung den Anforderungen an das erforderliche Maß an Transparenz genügt. Die gegenteilige Auffassung der Revision geht aus mehreren Gründen fehl.
42
a) Die Auslegung des Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A der GasRichtlinie 2003/55/EG ist, soweit für die Beurteilung des Streitfalles von Bedeutung , durch das genannte, im vorliegenden Verfahren ergangene Urteil des Gerichtshofs sowie durch das ebenfalls auf Vorlage des Senats ergangene Urteil des Gerichtshofs vom 21. März 2013 (C-92/11, aaO - RWE Vertrieb AG) im Sinne eines acte éclairé geklärt und hier - wie bereits in den beiden vorbezeichneten sowie in den im Anschluss hieran ergangenen weiteren Urteilen des Senats - lediglich auf den Einzelfall anzuwenden (vgl. hierzu etwa EuGH, Urteil vom 15. September 2005 - C-495/03, Slg. 2005 I-8151 Rn. 33 - Intermodal Transports; BVerfG, GmbHR 2013, 598, 600; Senatsurteil vom 16. September 2015 - VIII ZR 17/15, WM 2015, 2058 Rn. 33).
43
Der Gerichtshof hat im Urteil vom 23. Oktober 2014 (C-359/11 und C-400/11, aaO Rn. 44 - Schulz und Egbringhoff) hervorgehoben, dass zum einen die Interessen der Kunden und das aus Art. 3 Abs. 3 der Gas-Richtlinie 2003/55/EG in Bezug auf die Transparenz folgende Erfordernis eines hohen Verbraucherschutzes, zum anderen aber auch die besondere Situation und die wirtschaftlichen Interessen der als Versorger letzter Instanz im Sinne der vorgenannten Richtlinie handelnden Gasgrundversorger insoweit zu berücksichtigen seien, als sie sich die andere Vertragspartei nicht aussuchen und den Vertrag nicht beliebig beenden könnten (vgl. hierzu Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 72 f., und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 74 f.). Dementsprechend hatte der Gerichtshof bereits im Urteil vom 21. März 2013 (C-92/11, aaO Rn. 46 - RWE Vertrieb AG) ausgeführt, sowohl aus Nr. 2 Buchst. b Abs. 2 und d des Anhangs der Richtlinie 93/13/EWG [KlauselRichtlinie ] als auch aus Anhang A Buchst. b der Gas-Richtlinie 2003/55/EG ergebe sich, dass der Unionsgesetzgeber im Rahmen von unbefristeten Verträgen wie Gaslieferungsverträgen das Bestehen eines berechtigten Interesses des Versorgungsunternehmens an der Möglichkeit einer Änderung der Entgelte für seine Leistung anerkannt habe (vgl. hierzu Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 76, 79, und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 78, 81).
44
Die vorbezeichneten rechtlich geschützten Interessen in einen angemessenen Ausgleich zu bringen, ist - wovon ersichtlich auch der Gerichtshof ausgeht - Aufgabe des nationalen Rechts. Die vom Senat auf dieser Grundlage in den Urteilen vom 28. Oktober 2015 vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung (siehe oben unter II 2 a ee) nimmt diesen Ausgleich vor und trägt zugleich dem Ziel sowohl des nationalen als auch des europäischen Energiewirtschaftsrechts Rechnung, eine sichere Energieversorgung zu gewährleisten (siehe hierzu Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 76 ff., und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 78 ff.; jeweils mwN). Sowohl das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung bei den unbefristeten Gaslieferungsverträgen der Grundversorgung als auch die Sicherheit der Energieversorgung, bei der es sich um ein Gemeinschaftsinteresse höchsten Ranges handelt (BVerfGE 30, 292, 323 f. mwN; Busche in Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1, Halbband 2, 3. Aufl., § 36 EnWG Rn. 1), wären gefährdet, wenn der Grundversorger nicht berechtigt wäre, Steigerungen der eigenen (Bezugs-) Kosten während der Vertragslaufzeit an den Kunden weiterzugeben (siehe hierzu Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 72 ff., 79, 82, und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 74 ff., 81, 84; jeweils mwN).
45
b) Einer erneuten Vorlage an den Gerichtshof bedarf es zudem auch deshalb nicht, weil nach den vom Senat in den Urteilen vom 28. Oktober 2015 (VIII ZR 158/11, aaO Rn. 34 ff., und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 36 ff.) aufgezeigten Grundsätzen eine richtlinienkonforme Auslegung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV nicht in Betracht kommt.
46
Aufgrund dieses - ausschließlich der Beurteilung des nationalen Gerichts unterliegenden (vgl. nur EuGH, Urteil vom 27. Februar 2014 - C-351/12, GRUR 2014, 473 Rn. 45 mwN - OSA, sowie die Schlussanträge der Generalanwältin im Vorabentscheidungsverfahren C-135/10, juris Rn. 153 - SCF Consorzio Fonografici) - Umstands ist der Senat angesichts der durch das nationale Recht gezogenen Grenzen schon mangels Entscheidungserheblichkeit der (weiteren) Auslegung des Unionsrechts nicht zu einer (erneuten) Vorlage an den Gerichtshof nach Art. 267 Abs. 1 bis 3 AEUV gehalten (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Juni 2011 - C-65/09 und C-87/09, Slg. 2011, I-5257 Rn. 35 bis 38 - Gebr. Weber und Putz; BVerfG, GmbHR 2013, 598, 601; BGH, Urteil vom 6. Oktober 2015 - KZR 17/14, GRUR 2016, 304 Rn. 68; Schlussanträge der Generalanwältin in den Vorabentscheidungsverfahren C-510/10, juris Rn. 26 - DR und TV2 Danmark, und C-135/10, aaO - SCF Consorzio Fonografici), zumal - wie der Senat ebenfalls entschieden hat - auch eine unmittelbare Anwendung der Transparenzanforderungen des Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie 2003/55/EG auf den vorliegenden Fall nicht in Betracht kommt (vgl. Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 62 ff., und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 64 ff.).

III.

47
Nach alledem kann das Berufungsurteil im Umfang der Zulassung der Revision keinen Bestand haben; es ist insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).
48
Der Senat entscheidet hinsichtlich der Klageanträge zu 1 und 2, soweit diese auf die mangelnde Fälligkeit der Preisanpassungen und der Jahresabrechnungen der Beklagten gerichtet sind, in der Sache selbst, da es hierzu keiner weiteren Feststellungen bedarf und die Sache daher insoweit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Revision der Klägerin ist insoweit mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Feststellungsklage im vorbezeichneten Umfang als unzulässig abgewiesen wird.
49
Im Übrigen wird die Sache im Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
50
Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, ob die in den Jahresabrechnungen der Beklagten vom 10. April 2006 - sofern diese im (Dreijahres-) Zeitraum ab dem 17. April 2006 zugegangen ist - vom 23. Januar 2007 und vom 22. Januar 2008 erstmals berücksichtigten Preiserhöhungen den oben (unter II 2 a ee) aufgezeigten Maßstäben der neuen Rechtsprechung des Senats für den Tarifkundenbereich (Grundversorgungsbereich) entsprechen. Dabei wird das Berufungsgericht insbesondere Feststellungen zu dem von der Revisionserwiderung angeführten Vortrag der Beklagten zur Entwicklung ihrer (Bezugs -)Kosten zu treffen haben, den die Klägerin bestritten hat. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass - entgegen der von der Klägerin in den Vorinstanzen vertretenen Auffassung - grundsätzlich weder für die schlüssige Darlegung noch für die Feststellung einer - hier in Rede stehenden - bloßen Weitergabe von (Bezugs-)Kostensteigerungen eine Offenlegung der Kalkulation des Gasgrundversorgers erforderlich ist (vgl. bereits Senatsurteile vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, aaO Rn. 45 ff.; vom 8. Juli 2009 - VIII ZR 314/07, WM 2009, 1957 Rn. 21, 30 f.). Diese Rechtsprechung hat der Senat in den bereits erwähnten Grundsatzurteilen vom 28. Oktober 2015 (VIII ZR 158/11, aaO Rn. 89 ff., und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 91 ff.) fortentwickelt und insbesondere die Maßstäbe präzisiert, die der Tatrichter bei seiner Überzeugungsbildung hinsichtlich der Weitergabe von (Bezugs-)Kostensteigerungen anzulegen hat.
51
Die in der Jahresabrechnung der Beklagten vom 20. Januar 2009 erstmals berücksichtigten Preiserhöhungen fallen in den Zeitraum der Sondervereinbarung "Laufzeit fix" und sind daher nach den für den Sonderkundenvertrag geltenden Maßstäben zu prüfen. Insoweit wird das Berufungsgericht festzustellen haben, ob die Parteien vertraglich ein den oben (unter II 2 b ee) dargestellten Anforderungen genügendes Preisanpassungsrecht der Beklagten vereinbart haben.
52
Im Rahmen seiner erneuten Befassung mit der Sache wird das Berufungsgericht auch Gelegenheit haben zu überprüfen, ob zu sämtlichen im Klageantrag zu 1 genannten Zeitpunkten - soweit von der Revisionszulassung umfasst - tatsächlich Preisanpassungen erfolgt sind. Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Fetzer Dr. Bünger Kosziol
Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 19.01.2010 - 4 HKO 97/09 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 26.08.2010 - U 204/10 Kart -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 158/11 Verkündet am:
28. Oktober 2015
Ermel,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB §§ 133 B, 157 D, 433 Abs. 2; AVBGasV § 4 Abs. 1, 2; GasRL (Richtlinie
2003/55/EG) Art. 3 Abs. 3 i.V.m. Anhang A; ZPO § 287 Abs. 2

a) § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV ist mit den Transparenzanforderungen der GasRichtlinie
2003/55/EG nicht vereinbar (Anschluss an EuGH, Urteil vom
23. Oktober 2014 - Rechtssachen C-359/11 und C-400/11, NJW 2015, 849 -
Schulz und Egbringhoff).

b) § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV kann daher ein gesetzliches Recht des Gasversorgungsunternehmens
, gegenüber Tarifkunden die Preise einseitig nach billigem
Ermessen zu ändern, nicht (mehr) entnommen werden (insoweit Aufgabe der st.
Rspr.; siehe nur Senatsurteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, BGHZ 172, 315
Rn. 14 ff.; vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, BGHZ 178, 362 Rn. 26; vom
15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, BGHZ 182, 41 Rn. 18 ff.).

c) Der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung nationalen Rechts findet dort
seine Grenze, wo die nationale Vorschrift nicht richtlinienkonform ausgelegt werden
könnte, ohne dabei die Grenzen der verfassungsrechtlichen Bindung des
Richters an das Gesetz zu sprengen. Eine richtlinienkonforme Auslegung setzt
daher voraus, dass durch eine solche Auslegung der erkennbare Wille des Gesetz
- oder Verordnungsgebers nicht verändert wird, sondern die Auslegung seinem
Willen (noch) entspricht (Bestätigung von BGH, Urteile vom 26. November
2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 28; vom 17. Oktober 2012 - VIII ZR
226/11, BGHZ 195, 135 Rn. 22; Beschluss vom 16. Mai 2013 - II ZB 7/11, NJW
2013, 2674 Rn. 42; Anschluss an BVerfG, GmbHR 2013, 598, 601; NJW 2012,
669, 670 f.; BAGE 82, 211, 225 f.; 106, 252, 261; vgl. auch EuGH, Rs. C-351/12,
GRUR 2014, 473 Rn. 45 - OSA; Rs. C-176/12, BB 2014, 2493 Rn. 39 mwN
- Association de médiation sociale; Rs. C-12/08, Slg. 2009, I-6653 Rn. 61 - Mono
Car Styling).

d) Ein den Transparenzanforderungen der Gas-Richtlinie 2003/55/EG entsprechendes
Preisänderungsrecht kann nicht aus einer richtlinienkonformen Auslegung des
§ 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV oder der die Grundversorgung betreffenden Vorschriften
des Energiewirtschaftsgesetzes hergeleitet werden, da eine solche Auslegung
über den erkennbaren Willen des nationalen Gesetz- und Verordnungsgebers hinausginge.

e) Die hierdurch im Tarifkundenvertrag eingetretene Regelungslücke ist im Wege
einer gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) dahingehend
zu schließen, dass das Gasversorgungsunternehmen berechtigt ist, Kostensteigerungen
seiner eigenen (Bezugs-)Kosten, soweit diese nicht durch Kostensenkungen
in anderen Bereichen ausgeglichen werden, an den Tarifkunden weiterzugeben
, und das Gasversorgungsunternehmen verpflichtet ist, bei einer Tarifanpassung
Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen.
Der nach dieser Maßgabe berechtigterweise erhöhte Preis wird zum vereinbarten
Preis. Für eine zusätzliche Billigkeitskontrolle gemäß § 315 BGB ist deshalb kein
Raum.

f) Die Beurteilung, ob die Preiserhöhungen des Energieversorgungsunternehmens
- wie im Rahmen des vorgenannten Preisänderungsrechts erforderlich - dessen
(Bezugs-)Kostensteigerungen (hinreichend) abbilden, hat der Tatrichter auf der
Grundlage der Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung der Schätzungsmöglichkeit
nach § 287 Abs. 2 in Verbindung mit § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO
vorzunehmen.

g) Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Weitergabe der Kostensenkungen und Kostenerhöhungen
nicht tagesgenau erfolgen muss, sondern auf die Kostenentwicklung
in einem gewissen Zeitraum abzustellen ist. Die Bemessung dieses Zeitraums
obliegt der Beurteilung des Tatrichters nach den Umständen des Einzelfalls.
In den meisten Fällen wird das Gaswirtschaftsjahr ein geeigneter Prüfungsmaßstab
sein (Fortführung der Senatsurteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06,
aaO Rn. 25, und vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, aaO Rn. 34 f.).

h) Von dem aus der ergänzenden Vertragsauslegung folgenden Preisänderungsrecht
des Energieversorgungsunternehmens nicht umfasst sind Preiserhöhungen, die
über die bloße Weitergabe von (Bezugs-)Kostensteigerungen hinausgehen und
der Erzielung eines (zusätzlichen) Gewinns dienen. Etwas anderes gilt - sowohl im
Falle der Rückforderung als auch im Falle der Restforderung von Entgelt für Energielieferungen
- allerdings unter bestimmten Voraussetzungen dann, wenn bei einem
langjährigen Energielieferungsverhältnis der Kunde die Preiserhöhung nicht
innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung
, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet
hat (Bestätigung und Fortführung der Senatsurteile vom 14. März 2012
- VIII ZR 113/11, BGHZ 192, 372 Rn. 21, 25, und VIII ZR 93/11, ZNER 2012, 265
Rn. 29 f.; vom 25. März 2015 - VIII ZR 360/13, juris Rn. 33, und VIII ZR 109/14, juris
Rn. 34; vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, BB 2015, 1548 Rn. 37 mwN). Der
danach maßgebliche Preis tritt an die Stelle des Anfangspreises (Bestätigung des
Senatsurteils vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, aaO).
BGH, Urteil vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Juli 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die
Richterinnen Dr. Hessel und Dr. Fetzer sowie die Richter Dr. Bünger und
Kosziol

für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 2. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 13. April 2011 wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin, ein regionales Energie- und Wasserversorgungsunternehmen , verlangt von dem Beklagten die Zahlung restlichen Entgelts für Erdgaslieferungen.
2
Der Beklagte bezog seit 2002 von der Klägerin leitungsgebunden Erdgas im - nicht mit Sonderbedingungen versehenen - Tarif "evivo Heizen & Mehr". Dieser Tarif, den die Klägerin neben dem (verbrauchsabhängig gestaffelten) Tarif "evivo Behaglich-Zuhause" in ihren "Allgemeinen Erdgastarifen" anbot, beinhaltete je nach Nennwärmebelastung zwei Leistungstarife, wobei eine Bestpreisabrechnung erfolgte.
3
Die Klägerin erhöhte zum 1. Oktober 2004 den Arbeitspreis von bisher 3,40 ct/kWh netto auf 3,70 ct/kWh netto und machte dies vorher öffentlich be- kannt. Der Beklagte widersprach dieser Preiserhöhung mit Schreiben vom 15. Februar 2005 und rügte die Preiserhöhung als unbillig nach § 315 BGB.
4
In der Folgezeit erhöhte die Klägerin - jeweils nach vorheriger öffentlicher Bekanntgabe - vier weitere Male ihren Arbeitspreis. Zum 1. Januar 2005 erhöhte sie den Preis auf 4,00 ct/kWh netto, zum 1. Oktober 2005 auf 4,50 ct/kWh netto, zum 1. Januar 2006 auf 4,90 ct/kWh netto und zum 1. Oktober 2006 auf 5,19 ct/kWh netto. Mit Wirkung zum 1. Januar 2007 senkte sie den Arbeitspreis auf 5,01 ct/kWh netto und nahm zum 1. April 2007 eine weitere Absenkung des Arbeitspreises auf 4,62 ct/kWh netto vor.
5
Die Klägerin macht geltend, Grund für die vorstehend genannten Preisänderungen seien jeweils Änderungen ihrer Bezugskosten gewesen, wobei sie mit den Preiserhöhungen ihre gestiegenen Bezugspreise nicht einmal in vollem Umfang weitergegeben habe.
6
Mit ihrer Klage hat die Klägerin den rückständigen Betrag aus den Jah- resabrechnungen für die Abrechnungsjahre 2004 bis 2007 (813,35 €) sowie die erste Abschlagszahlung für das Abrechnungsjahr 2008 in Höhe von 147 €, je- weils zuzüglich Zinsen, geltend gemacht. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. In der Berufungsinstanz haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in Höhe des vorbezeichneten Betrages von 147 € in der Hauptsache für erledigt erklärt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten - mit der Maßgabe der vorgenannten Erledigung - zurückgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter, soweit zu seinem Nachteil erkannt worden ist.

Entscheidungsgründe:

7
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

8
Das Berufungsgericht (OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. April 2011 - VI-2 U (Kart) 3/09, juris) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
9
Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Gasversorgungsvertrag handele es sich im fraglichen Zeitraum aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers um einen Tarifkundenvertrag, da der Tarif "evivo Heizen & Mehr" unter der Überschrift "Allgemeine Erdgastarife" angeboten werde und keine Sonderbedingungen enthalte. Dass die Klägerin mehrere Grundversorgungstarife anbiete, stehe dem nicht entgegen.
10
Im Tarifkundenverhältnis sei der Gasversorger nach § 4 Abs. 1 AVBGasV beziehungsweise § 5 Abs. 2 GasGVV zu einseitigen Preisanpassungen berechtigt. Auch aus europarechtlicher Sicht bestünden hiergegen keine Bedenken.
11
Die von der Klägerin vorgenommenen Preiserhöhungen seien billig im Sinne des § 315 BGB, denn es seien entsprechende Bezugskostensteigerungen erfolgt, ohne dass in anderen Kostenpositionen Einsparungen hätten erzielt werden können. Dies habe die Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen - zweier Wirtschaftsprüfer und des Verkaufsleiters der Klägerin - ergeben. Einer weitergehenden Beweisaufnahme, insbesondere durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, habe es wegen der Geringfügigkeit der streitgegenständlichen Beträge nicht bedurft. Die damit verbundenen Kosten hätten zu der Höhe der streitgegenständlichen Forderung der Klägerin in keinem Verhältnis gestanden (§ 287 Abs. 2 ZPO).
12
Die (streitige) Frage, ob bei mehreren beanstandeten Tarifpreiserhöhungen jede Erhöhung für sich an § 315 BGB zu messen sei oder ob sich ihre Billigkeit nach einer Gesamtbetrachtung bestimme, sei dahingehend zu beantworten , dass es jeweils auf die in einem Gaswirtschaftsjahr (1. Oktober, 6.00 Uhr, bis 1. Oktober, 6.00 Uhr, des Folgejahres) vorgenommenen Änderungen ankomme. Eine nur die einzelne Preiserhöhung in den Blick nehmende Billigkeitsprüfung werde den tatsächlichen Gegebenheiten in der Gaswirtschaft nicht gerecht. Folglich sei eine einzelne Erhöhung des Arbeitspreises, die durch den bei ihrer Festsetzung prognostizierten, aber tatsächlich nicht in dem erwarteten Ausmaß eingetretenen Anstieg der Bezugskosten nicht vollständig abgedeckt werde, dennoch nicht unbillig, wenn in dem Gaswirtschaftsjahr insgesamt ein angemessenes Verhältnis zwischen Tarif- und Bezugskostenerhöhungen erzielt werde. Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs seien die Preisänderungen der Klägerin im vorliegenden Fall angemessen.

II.

13
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Die Revision ist daher zurückzuweisen.
14
Das Berufungsgericht hat der Klägerin im Ergebnis zu Recht einen Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Gaslieferungsvertrag der Parteien auf Zahlung restlichen Entgelts in Höhe von 813,35 € nebst Zinsen für die Gaslieferungen in den Abrechnungsjahren 2004 bis 2007 zuerkannt und dem Beklagten (auch) hinsichtlich des übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärten Teils der ursprünglichen Klageforderung die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt (§ 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO). Allerdings war die Klägerin entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts im Rahmen des hier vorliegenden Tarifkundenvertrags nicht schon deswegen zu einer Erhöhung des Arbeitspreises berechtigt, weil nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dem - hier maßgeblichen - § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV ein nur den in dieser Vorschrift genannten Wirksamkeitserfordernissen unterliegendes gesetzliches Recht entnommen worden ist, die Preise einseitig nach billigem Ermessen zu ändern. Denn an der vorbezeichneten Rechtsprechung kann nach dem auf Vorlage des Senats ergangenen Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) vom 23. Oktober 2014 (Rs. C-359/11 und C-400/11, NJW 2015, 849 - Schulz und Egbringhoff) nicht festgehalten werden, da § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV nicht mit den Transparenzanforderungen der Gas-Richtlinie 2003/55/EG vereinbar ist. Ein diesen Transparenzanforderungen entsprechendes gesetzliches Preisänderungsrecht des Gasversorgungsunternehmens im Tarifkundenbereich kann auch nicht aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV oder der die Grundversorgung betreffenden Vorschriften des - der AVBGasV zugrundeliegenden - Energiewirtschaftsgesetzes hergeleitet werden, da eine solche Auslegung über den erkennbaren Willen des (nationalen) Gesetz- und Verordnungsgebers hinausginge. Eine unmittelbare Anwendung der Transparenzanforderungen der Gas-Richtlinie 2003/55/EG kommt im vorliegenden Fall ebenfalls nicht in Betracht.
15
Jedoch ergibt sich aus einer gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) des Gaslieferungsvertrages der Parteien, dass die Klägerin berechtigt ist, Kostensteigerungen ihrer eigenen (Bezugs-)Kosten während der Vertragslaufzeit an den Beklagten weiterzugeben, und sie verpflichtet ist, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kos- tenerhöhungen. Hiervon ausgehend war die Klägerin zu den streitgegenständlichen Erhöhungen des Arbeitspreises berechtigt und begegnen diese, wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler festgestellt hat, auch der Höhe nach keinen Bedenken.
16
1. Das Berufungsgericht hat den Energielieferungsvertrag der Parteien - entgegen der Auffassung der Revision - rechtsfehlerfrei als einen Tarifkundenvertrag (jetzt: Grundversorgungsvertrag) angesehen. Vergeblich rügt die Revision, aus der von der Klägerin vorgenommenen Bestpreisabrechnung folge , dass es sich um einen Sonderkundenvertrag handele.
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a) Nach der Rechtsprechung des Senats kommt es für die Frage, ob es sich bei öffentlich bekannt gemachten Vertragsmustern und Preisen um Tarifbeziehungsweise Grundversorgungsverträge mit allgemeinen Tarifpreisen im Sinne von § 6 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWiG 1935) in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 752-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, Allgemeinen Tarifen im Sinne von § 10 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes vom 24. April 1998 (BGBl. I S. 730; im Folgenden: EnWG 1998) oder Allgemeinen Preisen im Sinne von § 36 Abs. 1 des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz - EnWG) vom 7. Juli 2005 (BGBl. I S. 1970; im Folgenden: EnWG 2005) handelt, darauf an, ob das betreffende Versorgungsunternehmen die Versorgung zu den öffentlich bekannt gemachten Bedingungen und Preisen - aus der Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers - im Rahmen einer Versorgungspflicht nach den genannten Vorschriften oder unabhängig davon im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit anbietet (st. Rspr.; Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, BGHZ 182, 59 Rn. 14; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180 Rn. 26; vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, NJW 2011, 1342 Rn. 23; vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10, NJW 2011, 2736 Rn. 32 mwN, insoweit in BGHZ 189, 356 nicht abgedruckt). Ersteres ist hier nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts der Fall.
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b) Wie das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend erkannt hat, steht es nach der Rechtsprechung des Senats einem Energieversorgungsunternehmen - anders als die Revision meint - auch im Rahmen der Grundversorgung frei, verschiedene Tarife anzubieten, und zwar auch solche, bei denen - wie hier - die Tarifeinstufung automatisch nach dem Prinzip der Bestpreisabrechnung erfolgt (Senatsurteile vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, aaO Rn. 27; vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10, aaO; vom 31. Juli 2013 - VIII ZR 162/09, BGHZ 198, 111 Rn. 34).
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c) Mit ihrer demgegenüber vertretenen Auffassung, ein etwaiges Tarifkundenverhältnis der Parteien sei durch die Ankündigung der Klägerin, eine Bestpreisabrechnung vorzunehmen, in ein (Norm-)Sonderkundenverhältnis umgewandelt worden, verkennt die Revision zudem, dass ein Tarifkundenverhältnis nicht ohne weiteres durch einseitige Erklärung des Gasversorgungsunternehmens in ein (Norm-)Sonderkundenverhältnis umgewandelt werden kann (vgl. Senatsurteil vom 31. Juli 2013 - VIII ZR 162/09, aaO Rn. 27 ff., zur Umwandlung eines (Norm-)Sonderkundenvertrags in einen Tarifkundenvertrag; vgl. auch Senatsurteil vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, aaO Rn. 22, 24). Eine hierfür nach der vorstehend genannten Rechtsprechung des Senats vielmehr erforderliche ausdrückliche oder konkludente Vertragsänderung hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Übergangenen Sachvortrag zeigt die Revision insoweit nicht auf.
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2. Im Ergebnis rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Klägerin im Rahmen des Tarifkundenvertrags der Parteien das Recht zustand, den Arbeitspreis in dem streitgegenständlichen Umfang zu erhöhen.
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a) Der Senat hat ein berechtigtes Interesse (auch) von Gasversorgungsunternehmen , Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit an ihre Kunden weiterzugeben, grundsätzlich anerkannt (st. Rspr.; Senatsurteile vom 14. Mai 2014 - VIII ZR 114/13, BGHZ 201, 230 Rn. 35; vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO Rn. 22, und VIII ZR 56/08, BGHZ 182, 41 Rn. 24). Für den Tarifkundenbereich hat der Senat bis zu seinem Vorabentscheidungsersuchen in der Sache VIII ZR 71/10 (Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011, ZIP 2011, 1620) der - hier gemäß § 115 Abs. 2 Satz 3 EnWG 2005 und der Übergangsregelung in § 23 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz (Gasgrundversorgungsverordnung - GasGVV) vom 26. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2391) maßgeblichen - Vorschrift des § 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden vom 21. Juni 1979 (BGBl. I S. 676 - AVBGasV) entnommen, dass dem Gasversorgungsunternehmen das Recht zusteht, Preise nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) zu ändern (st. Rspr.; siehe nur Senatsurteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, BGHZ 172, 315 Rn. 14 ff.; vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, BGHZ 178, 362 Rn. 26; vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO Rn. 18 ff.; ebenso BGH, Urteil vom 29. April 2008 - KZR 2/07, BGHZ 176, 244 Rn. 26, 29). Weiter hat er aus dieser Vorschrift abgeleitet, dass den Gasversorger aufgrund der gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit zugleich die Rechtspflicht trifft, bei einer Preisänderung Kostensenkungen ebenso und nach gleichen Maßstäben zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen (Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO Rn. 28; vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 81/08, WM 2010, 481 Rn. 18; jeweils mwN; ebenso BGH, Urteil vom 29. April 2008 - KZR 2/07, aaO Rn. 26).
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aa) In § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV war bestimmt, dass das Gasversorgungsunternehmen zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung stellt und dass Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden. Mit der Einfügung des Wortes "jeweiligen" sollte nach der Begründung des Verordnungsgebers (BR-Drucks. 77/79, S. 34, 38) ausdrücklich klargestellt werden, dass das Versorgungsunternehmen die Möglichkeit hat, die allgemeinen Tarife durch öffentliche Bekanntgabe gleitend, das heißt ohne Kündigung, zu ändern. In der Begründung zu § 4 AVBGasV heißt es hierzu (aaO, S. 38): "Nach Absatz 1 sind die GVU [Gasversorgungsunternehmen] verpflichtet , die Kunden zu den 'jeweiligen' allgemeinen Tarifen und Bedingungen , wozu auch diejenigen Regelungen gehören, die sie in Ausfüllung der vorliegenden Verordnung vorsehen, zu versorgen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass sich z.B. Tarifänderungen ohne entsprechende Kündigungen der laufenden Verträge nach öffentlicher Bekanntgabe (Absatz 2) vollziehen können. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass es sich um Massenschuldverhältnisse mit langfristiger Vertragsbindung handelt. Die GVU müssen die Möglichkeit haben, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit in den Preisen an die Kunden weiterzugeben. Entsprechende Vertragskündigungen, verbunden mit dem Neuabschluss von Verträgen, würden hier vor allem zu praktischen Schwierigkeiten führen [...]"
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Daraus hat der Senat hergeleitet, dass § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV, auch wenn darin ein Preisänderungsrecht nicht ausdrücklich kodifiziert ist, den Gasversorgungsunternehmen im Bereich der Versorgung von Tarifkunden ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gewährt (Senatsurteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, aaO; vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, aaO; vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO Rn. 19 f.; ebenso BGH, Urteil vom 29. April 2008 - KZR 2/07, aaO Rn. 26, 29).
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bb) Diese Vorschriften sind mit Wirkung zum 8. November 2006 durch § 5 Abs. 2 GasGVV ersetzt worden, ohne dass sich dadurch in der Sache etwas ändern sollte (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO Rn. 20; vgl. BR-Drucks. 306/06, S. 25 f., 43). Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 GasGVV ist der Grundversorger auch weiterhin nur verpflichtet, dem Kunden zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen und Bedingungen Gas zur Verfügung zu stellen. Entsprechend geht § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV davon aus, dass Allgemeine Preise für Gas auf einer einseitigen Leistungsbestimmung durch den Versorger beruhen können, die der Kunde nach § 315 BGB auf ihre Billigkeit hin überprüfen lassen kann (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO).
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b) Da die im Streitfall maßgebliche Regelung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV hinsichtlich Anlass, Voraussetzungen und Umfang des dem Versorgungsunternehmen zustehenden einseitigen Leistungsbestimmungsrechts (vgl. hierzu Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO Rn. 23, und VIII ZR 56/08, aaO Rn. 26; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, aaO Rn. 33; jeweils mwN) keine näheren tatbestandlichen Konkretisierungen enthält, hängt die Möglichkeit, dieser Vorschrift im Auslegungswege ein wirksames Preisänderungsrecht zu entnehmen, davon ab, ob solche tatbestandlichen Konkretisierungen von Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b oder c der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG (ABl. Nr. L 176, S. 57; im Folgenden : Gas-Richtlinie; aufgehoben zum 3. März 2011 durch Art. 53 der Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG, ABl. Nr. L 211, S. 94) gefordert werden (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011 - VIII ZR 71/10, aaO Rn. 6).
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aa) Der Senat hat deshalb mit vorgenanntem Beschluss vom 18. Mai 2011 dem Gerichtshof folgende Fragen gemäß Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vorgelegt: "Ist Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b und/oder c der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG dahin auszulegen, dass eine nationale gesetzliche Regelung über Preisänderungen in Erdgaslieferungsverträgen mit Haushalts-Kunden, die im Rahmen der allgemeinen Versorgungspflicht beliefert werden (Tarifkunden), den Anforderungen an das erforderliche Maß an Transparenz genügt, wenn in ihr Anlass, Voraussetzungen und Umfang einer Preisänderung zwar nicht wiedergegeben sind, jedoch sichergestellt ist, dass das Gasversorgungsunternehmen seinen Kunden jede Preiserhöhung mit angemessener Frist im Voraus mitteilt und den Kunden das Recht zusteht, sich durch Kündigung vom Vertrag zu lösen, wenn sie die ihnen mitgeteilten geänderten Bedingungen nicht akzeptieren wollen?"
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bb) Der Gerichtshof hat diese Frage sowie die ihm durch Senatsbeschluss vom 29. Juni 2011 (VIII ZR 211/10, RdE 2011, 372) vorgelegte, zu gemeinsamer Entscheidung verbundene gleichlautende Frage zu § 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden vom 21. Juni 1979 (BGBl. I S. 684 - AVBEltV) beziehungsweise zu § 5 Abs. 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz vom 26. Oktober 2006 (Stromgrundversorgungsverordnung - StromGVV, BGBl. I S. 2391) und zu Art. 3 Abs. 5 Satz 3 bis 5 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b oder c der Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG (ABl. Nr. L 176, S. 37) mit Urteil vom 23. Oktober 2014 (Rs. C-359/11 und C-400/11, aaO - Schulz und Egbringhoff) wie folgt beantwortet: "Art. 3 Abs. 5 in Verbindung mit Anhang A der Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG und Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG sind da- hin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die den Inhalt von unter die allgemeine Versorgungspflicht fallenden Verbraucherverträgen über Strom- und Gaslieferungen bestimmt und die Möglichkeit vorsieht, den Tarif dieser Lieferungen zu ändern, aber nicht gewährleistet, dass die Verbraucher rechtzeitig vor Inkrafttreten dieser Änderung über deren Anlass , Voraussetzungen und Umfang informiert werden."
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Zur Begründung hat der Gerichtshof im Wesentlichen ausgeführt:
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Neben den in den beiden Vorabentscheidungsersuchen des Senats genannten Richtlinien (Gas-Richtlinie und Strom-Richtlinie) finde hier - anders als in dem ebenfalls auf Vorlage des Senats (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 162/09, WM 2011, 850) ergangenen, Gaslieferungsverträge mit Sonderkunden betreffenden Urteil des Gerichtshofs vom 21. März 2013 (Rs. C-92/11, NJW 2013, 2253 - RWE Vertrieb AG; vgl. hierzu Senatsurteil vom 31. Juli 2013 - VIII ZR 162/09, aaO Rn. 46 ff.) - nicht auch die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. Nr. L 95, S. 29; im Folgenden: Klausel-Richtlinie), Anwendung. Denn nach Art. 1 der Klausel-Richtlinie unterlägen Vertragsklauseln, die - wie hier - auf bindenden Rechtsvorschriften beruhten, nicht den Bestimmungen dieser Richtlinie (Rn. 51 f.).
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Zweck der Gas-Richtlinie und der Strom-Richtlinie sei die Verbesserung der Funktionsweise des Elektrizitäts- und des Gasbinnenmarkts. Ein nichtdiskriminierender , transparenter und zu angemessenen Preisen gewährleisteter Netzzugang sei Voraussetzung für einen funktionierenden Wettbewerb und von größter Bedeutung für die Vollendung des Elektrizitäts- und des Gasbinnenmarkts. Den Bestimmungen der vorgenannten Richtlinien lägen Belange des Verbraucherschutzes zugrunde. Diese Belange stünden in engem Zusammenhang sowohl mit der Liberalisierung der in Rede stehenden Märkte als auch mit dem ebenfalls mit diesen Richtlinien verfolgten Ziel, eine stabile Elektrizitätsund Gasversorgung zu gewährleisten (Rn. 39 f.).
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Art. 3 Abs. 3 der Gas-Richtlinie und Art. 3 Abs. 5 der Strom-Richtlinie enthielten die Bestimmungen, die die Erreichung des vorstehend genannten Ziels ermöglichten. Aus dem Wortlaut dieser Vorschriften gehe hervor, dass die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen zum Schutz der Endkunden zu ergreifen und insbesondere dafür Sorge zu tragen hätten, dass für schutzbedürftige Kunden ein angemessener Schutz bestehe (Rn. 42). Da die Strom- und Gasversorger , wenn sie - wie hier - als Versorger letzter Instanz handelten, verpflichtet seien, im Rahmen der durch die nationalen Rechtsvorschriften auferlegten Verpflichtungen mit allen Kunden, die darum ersuchten und die dazu berechtigt seien, zu den in diesen Rechtsvorschriften vorgesehenen Bedingungen Verträge zu schließen, seien allerdings die wirtschaftlichen Interessen dieser Versorger insoweit zu berücksichtigen, als sie sich die andere Vertragspartei nicht aussuchen und den Vertrag nicht beliebig beenden könnten (Rn. 44). Was zum anderen konkret die Rechte der Kunden betreffe, müssten die Mitgliedstaaten nach den oben genannten Vorschriften der Richtlinien in Bezug auf die Transparenz der allgemeinen Vertragsbedingungen einen hohen Verbraucherschutz gewährleisten (Rn. 45). Den Kunden müsse neben ihrem in Anhang A Buchst. b beider Richtlinien verankerten Recht, sich vom Liefervertrag zu lösen, auch die Befugnis erteilt werden, gegen Änderungen der Lieferpreise vorzugehen (Rn. 46).
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Um diese Rechte in vollem Umfang und tatsächlich nutzen und in voller Sachkenntnis eine Entscheidung über eine mögliche Lösung vom Vertrag oder ein Vorgehen gegen die Änderung des Lieferpreises treffen zu können, müssten die Kunden rechtzeitig vor dem Inkrafttreten dieser Änderung über deren Anlass, Voraussetzungen und Umfang informiert werden (Rn. 47). Folglich ge- nüge eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die nicht gewährleiste, dass einem Haushaltskunden die vorstehend angeführte Information rechtzeitig übermittelt werde, den in der Gas-Richtlinie und in der StromRichtlinie aufgestellten Anforderungen nicht (Rn. 48).
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c) An dieses Auslegungsergebnis sind die nationalen Gerichte gebunden. Deshalb kann - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - an der bisherigen Sichtweise des Senats, wonach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV ein gesetzliches Preisänderungsrecht zu entnehmen ist, dessen wirksame Ausübung an keine weiteren als die in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen geknüpft ist, jedenfalls für die Zeit nach Ablauf der gemäß Art. 33 Abs. 1 der GasRichtlinie bis zum 1. Juli 2004 reichenden Frist zu deren Umsetzung nicht mehr festgehalten werden.
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d) Im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung oder einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV oder der die Grundversorgung betreffenden Vorschriften des - der AVBGasV zugrunde liegenden und ihr übergeordneten - Energiewirtschaftsgesetzes lässt sich ein den Transparenzanforderungen der Gas-Richtlinie nach Maßgabe der vorgenannten Ausführungen des Gerichtshofs entsprechendes Recht des Gasversorgers zur einseitigen Änderung der Preise ebenfalls nicht herleiten.
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aa) Ausgangspunkt für eine richtlinienkonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung ist § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV, der durch das vorbezeichnete Urteil des Gerichtshofs und die sich daraus ergebende Unvereinbarkeit mit den Transparenzerfordernissen der Gas-Richtlinie nicht unanwendbar geworden ist. Gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b AEUV entscheidet der Gerichtshof beim Vorabentscheidungsverfahren lediglich über die Auslegung des Unionsrechts (vgl. nur EuGH, Rs. C-10/97 bis C-22/97, Slg. 1998, I-6307 Rn. 23 - Ministero delle Finanze; Rs. C-540/07, Slg. 2009, I-10983 Rn. 63 - Kommission/Italien; jeweils mwN), nicht hingegen über die Vereinbarkeit nationaler Rechtsnormen mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften und demzufolge auch nicht über die Frage der möglichen Unanwendbarkeit der betreffenden nationalen Rechtsnormen wegen deren Unionsrechtswidrigkeit (vgl. EuGH, Rs. C-292/92, Slg. 1993, I-6787 Rn. 8 - Hünermund; Rs. C‑265/01, Slg. 2003, I‑683 Rn. 18 mwN - Pansard).
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bb) Die nationalen Gerichte sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgrund des Umsetzungsgebots gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV und des Grundsatzes der Gemeinschaftstreue gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV verpflichtet , die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihnen das nationale Recht einräumt, soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen (vgl. nur EuGH, Rs. 14/83, Slg. 1984, 1891 Rn. 26, 28 - von Colson und Kamann; Rs. C-397/01 bis C-403/01, Slg. 2004, I-8835 Rn. 113 - Pfeiffer u.a.; Rs. C-565/12, NJW 2014, 1941 Rn. 54 mwN - LCL Le Crédit Lyonnais; Senatsurteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 24; vom 31. Juli 2013 - VIII ZR 162/09, aaO Rn. 55; BGH, Beschluss vom 16. April 2015 - I ZR 130/13, WRP 2015, 862 Rn. 26).
37
Dieser von der Rechtsprechung des Gerichtshofs geprägte Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung verlangt von den nationalen Gerichten mehr als eine bloße Auslegung im engeren Sinne. Er erfordert auch, das nationale Recht, wo dies nötig und möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden (Senatsurteile vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 21 mwN; vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, aaO Rn. 30; BGH, Beschluss vom 16. April 2015 - I ZR 130/13, aaO). Eine Rechtsfortbildung setzt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus (Senatsurteile vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, aaO Rn. 22 mwN; vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, aaO Rn. 31). Eine solche ist etwa dann anzunehmen, wenn der Gesetzgeber mit der von ihm geschaffenen Regelung eine Richtlinie umsetzen wollte, hierbei aber deren Inhalt missverstanden hat (vgl. Senatsurteil vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, aaO Rn. 32 ff.).
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cc) Diese Voraussetzungen sind hier indes nicht erfüllt. Eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung, die im Ergebnis dazu führte, die Transparenzanforderungen der Gas-Richtlinie in der Auslegung, die diese durch das oben genannte Urteil des Gerichtshofs vom 23. Oktober 2014 gefunden haben, in das nationale Recht, hier namentlich in § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV, ergänzend aufzunehmen , würde die den Gerichten durch den Willen des nationalen Gesetzgebers gezogenen Grenzen der Auslegung überschreiten. Dies gilt erst recht, wenn die Einhaltung dieser Transparenzanforderungen als Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Preisänderung anzusehen wäre (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011 - VIII ZR 71/10, aaO Rn. 6).
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(1) Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts unterliegt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs bestimmten Schranken. So findet die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt einer Richtlinie heranzuziehen, ihre Schranken in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (EuGH, Rs. C-351/12, GRUR 2014, 473 Rn. 45 - OSA; Rs. C-176/12, BB 2014, 2493 Rn. 39 mwN - Association de médiation sociale; Rs. C-12/08, Slg. 2009, I-6653 Rn. 61 - Mono Car Styling).
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(2) Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt der Grundsatz richtlinienkonformer Auslegung nicht schrankenlos. Er findet vielmehr dort seine Grenze, wo die nationale Vorschrift nicht richtlinienkonform ausgelegt werden könnte, ohne dabei die Grenzen der verfassungsrechtlichen Bindung des Richters an das Gesetz zu sprengen. Eine die Gesetzesbindung des Richters überschreitende Auslegung ist auch durch den Grundsatz der Unionstreue nicht zu rechtfertigen (BVerfG, GmbHR 2013, 598, 601; NJW 2012, 669, 670 f.).
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Art. 20 Abs. 2 GG, der dem Grundsatz der Gewaltenteilung Ausdruck verleiht, verwehrt es den Gerichten, Befugnisse zu beanspruchen, die die Verfassung dem Gesetzgeber übertragen hat, indem sie sich aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz begeben und sich damit der Bindung an Recht und Gesetz entziehen. Der Rechtsfortbildung sind deshalb mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung (Art. 20 Abs. 3 GG) Grenzen gesetzt.
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Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gleichermaßen und unabhängig davon, ob das anzuwendende einfache nationale Recht der Umsetzung einer Richtlinie der Europäischen Union dient oder nicht. Dem steht nicht entgegen, dass der aus Art. 4 Abs. 3 EUV folgende Grundsatz der Unionstreue alle mitgliedstaatlichen Stellen, also auch Gerichte, dazu verpflichtet, diejenige Auslegung des nationalen Rechts zu wählen, die dem Inhalt einer EU-Richtlinie in der ihr vom Gerichtshof gegebenen Auslegung entspricht. Denn die unionsrechtliche Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung verpflichtet das nationale Gericht zwar, durch die Anwendung seiner Auslegungsmethoden ein richtlinienkonformes Ergebnis zu erzielen. Allerdings findet die Pflicht zur Verwirklichung des Richtlinienziels im Auslegungswege zugleich ihre Grenzen an dem nach innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubten. Ob und inwieweit das innerstaatliche Recht eine entsprechende richtlinienkonforme Auslegung zulässt, können nur innerstaatliche Gerichte beurteilen. Sowohl die Identifizierung als auch die Wahrnehmung methodischer Spielräume des nationalen Rechts obliegt - auch bei durch Richtlinien determiniertem nationalem Recht - den nationalen Stellen in den Grenzen des Verfassungsrechts (BVerfG, NJW 2012, aaO mwN).
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(3) Dementsprechend hat auch der Bundesgerichtshof bereits entschieden , dass eine richtlinienkonforme Auslegung - ebenso wie die verfassungskonforme Auslegung - voraussetzt, dass durch eine solche Auslegung der erkennbare Wille des Gesetz- oder Verordnungsgebers nicht verändert wird, sondern die Auslegung seinem Willen (noch) entspricht (vgl. Senatsurteile vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, aaO Rn. 28; vom 17. Oktober 2012 - VIII ZR 226/11, BGHZ 195, 135 Rn. 22; BGH, Beschluss vom 16. Mai 2013 - II ZB 7/11, NJW 2013, 2674 Rn. 42; vgl. auch Senatsurteil vom 13. April 2011 - VIII ZR 220/10, BGHZ 189, 196 Rn. 47; BGH, Beschluss vom 16. April 2015 - I ZR 130/13, aaO; ebenso BAGE 82, 211, 225 f.; 106, 252, 261; jeweils mwN).
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dd) Gemessen an diesen Grundsätzen kommt eine richtlinienkonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV oder des - dieser Vorschrift übergeordneten - § 36 Abs. 1 EnWG 2005 beziehungsweise - soweit auf den Streitfall noch anzuwenden - dessen Vorgängerregelung in § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG 1998 dahingehend nicht in Betracht, dass diesen Vorschriften ein an den Transparenzanforderungen des Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie nach Maßgabe der Auslegung des Gerichtshofs ausgerichtetes Recht des Gasversorgers zur einseitigen Änderung der Preise zu entnehmen wäre. Denn der Gesetz- und Verordnungsgeber hat im hier maßgeblichen Zeitraum und auch während der weiteren, bis zum 2. März 2011 reichenden Geltungsdauer der Gas-Richtlinie die in deren Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A enthaltenen Transparenzanforderungen weder umgesetzt noch ergibt sich ein dahingehender Wille aus den Gesetzes- und Verordnungsmaterialien. Diesen Materialien ist vielmehr zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die Umsetzung insoweit dem Verordnungsgeber überlassen wollte , der diese Aufgabe jedoch weder hinsichtlich der am 8. November 2006 außer Kraft getretenen AVBGasV noch bei Erlass der GasGVV wahrgenommen hat.
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(1) Nach Art. 33 Abs. 1 der am 4. August 2003 in Kraft getretenen GasRichtlinie war diese bis spätestens 1. Juli 2004 in nationales Recht umzusetzen.
46
(a) Eine an Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie angepasste Änderung der - hier anzuwendenden - AVBGasV durch den hierzu gemäß § 11 Abs. 2 EnWG 1998 ermächtigten Verordnungsgeber ist weder innerhalb der Umsetzungsfrist noch danach erfolgt. Eine dahingehende Aufforderung ist seitens des Gesetzgebers auch nicht ausgesprochen worden. Vielmehr sind Umsetzungsbestrebungen erstmals mit dem Gesetzentwurf zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 14. Oktober 2004 (BTDrucks. 15/3917) erfolgt.
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(b) Gemäß § 1 Abs. 3 des am 13. Juli 2005 schließlich in Kraft getretenen EnWG 2005 diente dieses Gesetz unter anderem der Umsetzung und der Durchführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf dem Gebiet der leitungsgebundenen Energieversorgung. In der allgemeinen Begründung des dem EnWG 2005 zugrunde liegenden Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Zweiten Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 14. Oktober 2004 wird unter anderem ausgeführt, mit der Neufassung des EnWG würden die Strom-Richtlinie und die Gas-Richtlinie umgesetzt (BT-Drucks., aaO S. 46).
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Jedoch sollte ausweislich der Gesetzesbegründung die Umsetzung der in Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie enthaltenen Transparenzanforderungen (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011 - VIII ZR 71/10, aaO Rn. 6) einschließlich der Rechte der Gaskunden, sich vom Liefervertrag zu lösen und gegen Änderungen der Lieferpreise vorzugehen, nicht durch den Gesetzgeber selbst erfolgen, sondern einer noch zu erlassenden Rechtsverordnung überlassen bleiben. Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zu §§ 36, 39 EnWG 2005.
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In der Einzelbegründung zu § 36 EnWG 2005, dessen Abs. 1 Satz 1 bestimmt , dass Energieversorgungsunternehmen für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, AllgemeineBedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen haben, wird dem entsprechend unter anderem ausgeführt: "Die Vorschrift dient der Umsetzung von Artikel 3 Abs. 3 Satz 1 und 2 der Elektrizitätsrichtlinie und Artikel 3 Abs. 1 [gemeint möglicherweise: Abs. 3] Satz 1 bis 3 der Gasrichtlinie. […]. Der Inhalt des Grundversorgungsvertrages kann nach § 39 durch Rechtsverordnung näher ausge- staltet werden. […]." (BT-Drucks., aaO S. 66)
50
Hieran anknüpfend heißt es in der Einzelbegründung zu § 39 EnWG 2005: "[…] Absatz 2 […] enthält die Grundlage für den Erlass von Rechtsverordnungen zur Regelung der Geschäftsbedingungen der Grundversorger bei der Grund- oder Ersatzversorgung von Haushaltskunden. Diese Bedingungen sind bisher Teil der […] Verordnung über Allgemeine Be- dingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGasV) […]. Die Anhänge A der Elektrizitätsrichtlinie und der Gasrichtlinie werden für die Belieferung von Haushaltskunden im Rahmen der Grundversorgung durch Rechtsverordnungen nach Absatz 2 umgesetzt." (BT-Drucks., aaO)
51
(c) Der Verordnungsgeber hat indes die ihm durch § 39 Abs. 2 EnWG 2005 übertragene Umsetzung der Anforderungen in Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie in der Folgezeit nur beschränkt vorgenommen. Er hat sich bei der Schaffung der GasGVV damit begnügt, zusätzlich zu der bereits in § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV enthaltenen Wirksamkeitsvoraussetzung der öffentlichen Bekanntmachung der Preisänderung eine hierauf bezogene Mindestfrist von sechs Wochen einzuführen und - zum Zwecke einer erleichterten Kenntnisnahme für den Kunden, nicht hingegen als ein weiteres Wirksamkeitserfordernis - eine Verpflichtung des Gasversorgers zu schaffen , zeitgleich mit der öffentlichen Bekanntgabe der Preisänderungen diese auch auf seiner Internetseite zu veröffentlichen und eine briefliche Mitteilung an den Kunden zu versenden.
52
Zwar heißt es in der allgemeinen Begründung des Entwurfs vom 4. Mai 2006 zu der auf der Ermächtigungsgrundlage in § 39 Abs. 2 EnWG 2005 beruhenden Verordnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zum Erlass von Regelungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung hinsichtlich der beiden neuen Grundversorgungsverordnungen (StromGVV und GasGVV): "In den Grundversorgungsverordnungen werden neben den notwendigen formalen Anpassungen eine Vielzahl bisheriger Regelungen der AVBEltV und AVBGasV geändert und eine Vielzahl neuer Regelungen vorgesehen, um die Rechtsstellung von Haushaltskunden gegenüber Grundversorgern weiter zu verbessern. Hierzu zählen insbesondere Verbesserungen der Möglichkeiten, den Energielieferanten zu wechseln, kundenfreundlichere Gestaltungen von Fristen, Stärkungen der Kundenschutzrechte , Verbesserungen der Transparenz und Klarstellungen zur Anwendbarkeit des § 315 des Bürgerlichen Gesetzbuchs." (BR-Drucks. 306/06, S. 21)
53
In der Einzelbegründung zu § 5 GasGVV, der Nachfolgeregelung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV, wird jedoch - durch Bezugnahme auf die Einzelbegründung zu § 5 StromGVV - ausgeführt: "[…] Im Interesse der Haushaltskunden wird der Grundversorger nach Absatz 2 Satz 1 zusätzlich verpflichtet, Änderungen der Allgemeinen Preise und der Allgemeinen Bedingungen jeweils nur zum Monatsbeginn vorzunehmen und mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung öffentlich bekannt zu geben. Darüber hinaus wird der Grundversorger nach Absatz 2 Satz 2 erstmalig verpflichtet, die Änderungen am Tage der öffentlichen Bekanntgabe auch auf seiner Internetseite zu veröffentlichen. […]. Die Ergänzungen der bisherigen Regelung sollen die Möglichkeit eines zügigen Lieferantenwechsels von Haushaltskunden im Falle einer Änderung der Allgemeinen Preise oder Allgemeinen Bedingungen ermöglichen." (BR-Drucks., aaO S. 26, 43)
54
§ 5 Abs. 2 GasGVV sollte demnach lauten: "Änderungen der Allgemeinen Preise und der ergänzenden Bedingungen werden jeweils zum Monatsbeginn und erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam, die mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung erfolgen muss. Der Grundversorger ist verpflichtet, die Änderungen am Tage der öffentlichen Bekanntgabe auf seiner Internetseite zu veröffentlichen."
55
Einer Empfehlung der Ausschüsse, in § 5 Abs. 2 Satz 1 GasGVV die Wörter "nach öffentlicher Bekanntgabe" durch die Wörter "nach brieflicher Mitteilung an den Kunden" zu ersetzen (BR-Drucks. 306/1/06, S. 8), ist der Bundesrat nicht gefolgt und hat zur Begründung angeführt (BR-Drucks. 306/06 [Beschluss ], S. 8 f.): "Auf Grund der speziellen Gegebenheiten bei der Grundversorgung (Vertragsschluss bereits durch Gasentnahme) ist es jedoch im Sinne der Rechtssicherheit erforderlich, die Wirksamkeit von Vertragsänderungen /Preisänderungen nicht vom Zugang an einen möglicherweise nicht bekannten Kunden (z. B. Mieterwechsel) abhängig zu machen, […] son- dern an die öffentliche Bekanntmachung zu knüpfen. Gleichwohl soll der Kunde eine briefliche Mitteilung erhalten, die u. U. das Preisbewusstsein des Kunden steigern und den Wettbewerb anregen kann."
56
Der Bundesrat hat daher der Verordnung durch Beschluss vom 22. September 2006 unter anderem mit der Maßgabe zugestimmt, dass § 5 Abs. 2 Satz 2 GasGVV - bei unverändertem Satz 1 dieses Absatzes - wie folgt gefasst wird (BR-Drucks. 306/06 [Beschluss], S. 8): "Der Grundversorger ist verpflichtet, zu den beabsichtigten Änderungen zeitgleich mit der öffentlichen Bekanntgabe eine briefliche Mitteilung an den Kunden zu versenden und die Änderungen auf seiner Internetseite zu veröffentlichen."
57
In dieser Fassung ist § 5 Abs. 2 GasGVV sodann erlassen worden (BGBl. 2006 I S. 2391, 2397 f.).
58
(2) Bei dieser Sachlage kommt eine zusätzliche Berücksichtigung der vom Gerichtshof dem Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie entnommenen Transparenzanforderungen im Wege richtlinienkonformer Auslegung oder Rechtsfortbildung nicht in Betracht. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass regelmäßig von einem Willen des Gesetz- und Verordnungsgebers zur richtlinientreuen Umsetzung auszugehen ist (vgl. nur BGH, Urteile vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 257; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, aaO Rn. 25; vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, aaO Rn. 34; vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 23; BAGE 130, 119, 136; EuGH, Rs. C-397/01 bis C-403/01, Slg. 2004, I-8835 Rn. 112 - Pfeiffer u.a.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, NVwZ 2014, 1111 Rn. 11).
59
Denn im Verordnungsgebungsverfahren ist deutlich geworden, dass zum einen dem Informationsinteresse des Gaskunden im Hinblick auf die Besonderheiten der Grundversorgung und aus Gründen der Rechtssicherheit Grenzen gesetzt und zum anderen ein Bedürfnis zur Transparenz nur hinsichtlich des Umfangs einer Preisänderung anerkannt werden sollten. Diese Sichtweise ist erst nach Erlass der neuen Gas-Richtlinie, der Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG [Gas-Richtlinie] (ABl. Nr. L 211, S. 94; im Folgenden: neue GasRichtlinie ) aufgegeben worden. Der Verordnungsgeber hat nunmehr im Rahmen einer durch die Verordnung zur transparenten Ausweisung staatlich gesetzter oder regulierter Preisbestandteile in der Strom- und Gasgrundversorgung vom 22. Oktober 2014 (BGBl. I S. 1631) erfolgten Änderung der GasGVV (im Folgenden: GasGVV 2014) eine Umsetzung der in der neuen Gas-Richtlinie ebenfalls enthaltenen, mit der Vorgängerrichtlinie im Wesentlichen inhaltsgleichen Transparenzanforderungen vorgenommen (ebenso Markert, LMK 2014, 364601, Ziffer 3c; VersorgW 2015, 37, 39). Hierzu hat er § 5 Abs. 2 Satz 2 in der GasGVV 2014 um einen Halbsatz ergänzt, wonach der Gasversorger den Umfang, den Anlass und die Voraussetzungen der Änderung sowie den Hinweis auf die Rechte des Kunden nach § 5 Abs. 3 GasGVV 2014 (unter anderem das Recht, den Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen zu kündigen) und die Angaben nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 GasGVV 2014 (Angaben zu den Allgemeinen Preisen nach § 36 Abs. 1 EnWG) in übersichtlicher Form anzugeben hat.
60
Nach der - die neue Gas-Richtlinie und die neue Strom-Richtlinie zu Anfang erwähnenden - Begründung des Entwurfs der vorgenannten Verordnung vom 22. Oktober 2014 zielt diese darauf ab, für den grundversorgten Haushaltskunden die Transparenz zu erhöhen und ihn durch zusätzliche Informationen besser in die Lage zu versetzen, die Zusammensetzung und Änderungen des allgemeinen Preises zu bewerten. Hierzu setze die neue Regelung auf den in der GasGVV bereits bestehenden Informationspflichten auf und konkretisiere diese (BR-Drucks. 402/14, S. 6 ff., 15 f.). In der Einzelbegründung zu § 5 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 GasGVV 2014 heißt es: "[…] Die Einfügung des neuen § 5 Absatz 2 Satz 2 zweiter Halbsatz stellt inhaltliche Anforderungen an die Informationen des Grundversorgers nach § 5 Absatz 2 Satz 2 klar. Die Benennung des Umfangs einer Änderung ist bereits nach geltendem Recht notwendig. Daneben sind Anlass und Voraussetzungen einer Änderung anzugeben. Als Voraussetzung in diesem Sinne erscheint die jeweilige Rechtsgrundlage einer Änderung. Der Kunde erfährt auf diese Weise den Rechtsgrund einer Änderung und den Anlass, aus dem die rechtliche Grundlage von dem Grundversorger im konkreten Fall genutzt wird." (BR-Drucks., aaO S. 24, 28)
61
Die Verordnungsmaterialien zur GasGVV 2014 bestätigen damit, dass der Verordnungsgeber vor der Einfügung des § 5 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 GasGVV 2014 die Schaffung gesteigerter Transparenzanforderungen zum Zwecke der Umsetzung des Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A der GasRichtlinie nicht für erforderlich erachtet hatte. Der im Jahr 2014 schließlich vorhandene Umsetzungswille des Verordnungsgebers vermag indes für den im vorliegenden Fall maßgeblichen früheren Zeitraum nichts an der oben vorgenommenen Beurteilung der Frage einer richtlinienkonformen Auslegung oder Rechtsfortbildung zu ändern. Denn es kommt entscheidend auf den damaligen Willen des Verordnungsgebers an.
62
e) Die Transparenzanforderungen des Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie sind auf den vorliegenden Fall schließlich auch nicht unmittelbar anwendbar.
63
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes kann sich der Einzelne in all den Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor nationalen Gerichten gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat (siehe nur EuGH, Rs. 41/74, Slg. 1974, 1337 Rn. 9 ff. - van Duyn; Rs. C148 /78, Slg. 1979, 1629 Rn. 18 ff. - Ratti; Rs. 8/81, Slg. 1982, 53 Rn. 17 ff.
- Becker; Rs. 152/84, Slg. 1986, 723 Rn. 46 ff. - Marshall; Rs. 103/88, Slg. 1989, 1839 Rn. 28 ff. - Fratelli Costanzo SpA; Rs. C-397/01 bis 403/01, aaO Rn. 103 - Pfeiffer u.a.; jeweils mwN; vgl. BAGE 128, 134, 154; [sogenannte vertikale Direktwirkung]). So kann sich der Einzelne auf unbedingte und hinreichend genaue Bestimmungen einer Richtlinie auch gegenüber Organisationen oder Einrichtungen - unabhängig von ihrer Rechtsform - berufen, die dem Staat oder dessen Aufsicht unterstehen oder mit besonderen Rechten ausgestattet sind, die über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten (EuGH, Rs. C-188/89, Slg. 1990, I-3313 Rn. 17 ff. - Foster u.a.; Rs. C-253/96 bis C-258/96, Slg. 1997, I-6907 Rn. 46 f. - Kampelmann u.a.; jeweils mwN).
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Hingegen kann nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Richtlinie in Fällen, in denen sich ausschließlich Private gegenüberstehen, nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist; sogar eine klare, genaue und unbedingte Richtlinienbestimmung, mit der dem Einzelnen Rechte gewährt oder Verpflichtungen auferlegt werden sollen, kann deshalb im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem sich ausschließlich Private gegenüberstehen , nicht als solche Anwendung finden (siehe nur EuGH, Rs. C-397/01 bis C-403/01, aaO Rn. 108 f. - Pfeiffer u.a.; Rs. C-80/06, Slg. 2007,I-4473 Rn. 20 - Carp; jeweils mwN; vgl. BAGE 128, aaO; [sogenannte horizontale Direktwirkung ]).
65
bb) Nach diesen Grundsätzen kommt eine unmittelbare Anwendung der Transparenzanforderungen des Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie hier nicht in Betracht. Zwar ist die Gas-Richtlinie nicht fristgemäß in nationales Recht umgesetzt worden und ist eine solche Umsetzung auch nicht innerhalb des für den Streitfall maßgeblichen späteren Zeit- raums erfolgt, wobei dahingestellt bleiben kann, ob die vorgenannten Transparenzanforderungen der Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau im Sinne der vorstehend genannten Rechtsprechung des Gerichtshofs sind (vgl. hierzu Keller-Herder/Baumbach, ER 2015, 3, 5 f.; Uffmann, NJW 2015, 1215, 1217). Das Berufungsgericht hat jedoch weder festgestellt noch ist sonst ersichtlich , dass es sich bei der Klägerin um eine Organisation oder Einrichtung im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung des Gerichtshofs handelt (siehe oben aa). Übergangenen Tatsachenvortrag zeigt die Revision insoweit nicht auf.
66
f) Wegen der demnach nicht zu behebenden Unvereinbarkeit des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV mit Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie lässt sich das vom Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommene Recht der Klägerin zur Preisänderung nicht (mehr) auf diese Vorschrift stützen. Entgegen der Auffassung der Revision führt dies jedoch nicht zur Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Preiserhöhungen. Denn ein Preisänderungsrecht der Klägerin ergibt sich aus einer gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) des Gaslieferungsvertrages der Parteien.
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aa) Eine ergänzende Vertragsauslegung setzt eine Regelungslücke, mithin eine planwidrige Unvollständigkeit des Vertrages voraus. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass die Parteien mit der getroffenen Regelung ein bestimmtes Ziel erreichen wollten, dies aber wegen der Lückenhaftigkeit des Vereinbarten nicht gelungen ist (BGH, Urteile vom 12. Oktober 2012 - V ZR 222/11, NJWRR 2013, 494 Rn. 9; vom 23. Mai 2014 - V ZR 208/12, NJW 2014, 3439 Rn. 8; vom 15. Oktober 2014 - XII ZR 111/12, WM 2014, 2280 Rn. 70 mwN). Die Lücke muss nicht von Anfang an bestanden haben, sie kann auch infolge nach- träglicher Umstände eingetreten sein (BGH, Urteil vom 12. Oktober 2012 - V ZR 222/11, aaO mwN).
68
bb) So liegt der Fall hier. Der Regelungsplan der Parteien für den zwischen ihnen geschlossenen Tarifkundenvertrag war durch die Regelungender AVBGasV bestimmt, welche kraft dieser Rechtsverordnung zwingend Bestandteil des Versorgungsvertrages sind (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AVBGasV). Aufgrund der Besonderheiten der Grundversorgung kommt dem Preisänderungsrecht des Gasversorgers, welches nach allgemeiner Auffassung dem § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV entnommen wurde, grundlegende Bedeutung zu. Da § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV jedoch insoweit nach den im Urteil des Gerichtshofs vom 23. Oktober 2014 (Rs. C-359/11 und C-400/11, aaO - Schulz und Egbringhoff) aufgezeigten Maßstäben als unionsrechtswidrig anzusehen ist und daher nicht (mehr) als Rechtsgrundlage eines Preisänderungsrechts des Gasversorgers in Betracht kommt, ist eine verdeckte planwidrige Verordnungslücke eingetreten, die aus den oben (unter II 2 d) genannten Gründen nicht durch eine richtlinienkonforme Auslegung geschlossen werden kann.
69
Diese Verordnungslücke führt, da die Regelungen der AVBGasV Bestandteil des Gaslieferungsvertrages der Parteien sind und letztere daher bei Abschluss ihres Tarifkundenvertrages das Bestehen eines gesetzlichen Preisänderungsrechts als gegeben vorausgesetzt haben, zu einer von ihnen unbeabsichtigten Unvollständigkeit des Vertrages in einem wesentlichen Punkt.
70
cc) Eine somit gebotene ergänzende Vertragsauslegung hat sich nicht nur an dem hypothetischen Parteiwillen, sondern auch an dem objektiven Maßstab von Treu und Glauben zu orientieren und muss zu einer die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigenden Regelung führen. Es geht daher darum zu ermitteln, was die Parteien bei einer angemessenen, objektiv- generalisierenden Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart hätten, wenn sie bedacht hätten, dass die Wirksamkeit der angewendeten Preisänderungsbestimmung jedenfalls unsicher war (vgl. Senatsurteil vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, BGHZ 192, 372 Rn. 24 mwN; Senatsbeschluss vom 17. Juli 2012 - VIII ZR 13/12, juris Rn. 10).
71
Hätten die Parteien bei Vertragsabschluss bedacht, dass die Vereinbarkeit des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV entnommenen gesetzlichen Preisänderungsrechts mit unionsrechtlichen Vorgaben zumindest unsicher ist, hätten sie bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner eine - allerdings auf die bloße Weitergabe von (Bezugs-) Kostensteigerungen begrenzte - Möglichkeit des Grundversorgers zur einseitigen Änderung des Tarifs vereinbart. Die Lücke im Vertrag ist demnach im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 133 BGB in der Weise zu schließen, dass die Klägerin berechtigt ist, Steigerungen ihrer eigenen (Bezugs-)Kosten, soweit diese nicht durch Kostensenkungen in anderen Bereichen ausgeglichen werden (vgl. Senatsurteil vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, aaO Rn. 39 mwN), während der Vertragslaufzeit an den Beklagten weiterzugeben , und sie verpflichtet ist, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen.
72
(1) Bei langfristigen Vertragsverhältnissen, insbesondere solchen, die auf Leistungsaustausch gerichtet sind, besteht ein anerkennenswertes Bedürfnis, das bei Vertragsschluss bestehende Verhältnis von Leistung und Gegenleistung über die gesamte Vertragsdauer im Gleichgewicht zu halten (Senatsurteile vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, aaO Rn. 26; vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, BB 2015, 1548 Rn. 28, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; jeweils mwN).
73
Diesem Gesichtspunkt kommt im Rahmen der Grundversorgung von Haushaltskunden mit Gas besondere Bedeutung zu. Denn gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 EnWG 2005 sind die Energieversorgungsunternehmen - wie bereits nach der Vorgängerregelung in § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG 1998 -, soweit sie die Grundversorgung durchführen, gesetzlich verpflichtet, zu den Allgemeinen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden mit Gas zu versorgen. Hinzu kommt, dass der somit einem Kontrahierungszwang unterliegende Grundversorger zur (ordentlichen) Kündigung des Tarifkundenvertrages (Grundversorgungsvertrages ) nur in sehr eingeschränktem Maße berechtigt ist; ein solches Kündigungsrecht besteht nur, soweit eine Pflicht zur Grundversorgung nach § 36 Abs. 1 Satz 2 EnWG 2005 nicht besteht (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO Rn. 25; ebenso Danner/Theobald/Hartmann, Energierecht, Stand Januar 2015, § 20 StromGVV Rn. 11 mwN). Die Bedeutung der beiden vorstehend genannten Gesichtspunkte für das wirtschaftliche Interesse des Grundversorgers hat auch der Gerichtshof im Urteil vom 23. Oktober 2014 (Rs. C-359/11 und C-400/11, aaO Rn. 44 - Schulz und Egbringhoff) hervorgehoben.
74
Ohne eine Berechtigung des Grundversorgers, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit an den Kunden weiterzugeben, bestünde angesichts des kontinuierlichen Anstiegs der Energiepreise bei langfristigen Versorgungsverträgen regelmäßig ein gravierendes, dem Äquivalenzprinzip zuwiderlaufendes Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung (vgl. Senatsurteil vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, aaO Rn. 35 mwN).
75
(2) Der Verordnungsgeber hat deshalb, wie sich aus den oben (unter II 2 a aa) wiedergegebenen Materialien ergibt, bereits bei Erlass der AVBGasV das Bestehen des - wenn auch nicht kodifizierten - Rechts des Grundversorgers zur Weitergabe von Kostensteigerungen als gegeben vorausgesetzt; er hat an die- ser Annahme auch im Rahmen der GasGVV festgehalten (vgl. zuletzt: BRDrucks. 402/14, S. 6, 24 ff.). Entsprechendes gilt für den Gesetzgeber des Energiewirtschaftsgesetzes (§ 36 Abs. 1 EnWG 2005).
76
(3) Ebenso wie der nationale Gesetz- und Verordnungsgeber billigt auch der Unionsgesetzgeber, wie aus den Regelungen der Gas-Richtlinie deutlich wird, den Versorgungsunternehmen das Interesse zu, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit an die Kunden weiterzugeben (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011 - VIII ZR 71/10, aaO Rn. 15). Dem entsprechend hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 21. März 2013 (Rs. C-92/11, NJW 2013, 2253 Rn. 46 - RWE Vertrieb AG) ausgeführt, unter anderem aus Anhang A Buchst. b der Gas-Richtlinie ergebe sich, dass der Unionsgesetzgeber im Rahmen von unbefristeten Verträgen wie Gaslieferungsverträgen das Bestehen eines berechtigten Interesses des Versorgungsunternehmens an der Möglichkeit einer Änderung der Entgelte für seine Leistung anerkannt habe (so auch die Schlussanträge des Generalanwalts in der Rs. C-359/11 und C-400/11, juris Rn. 55 f.).
77
(4) In Übereinstimmung mit den vorstehenden Erwägungen des Energiewirtschaftsrechts der europäischen Union spricht auch die Zielsetzung des nationalen Energiewirtschaftsrechts dafür, dass dem Grundversorger das Recht zu gewähren ist, Kostensteigerungen an die Kunden weiterzugeben.
78
(a) Wie der Senat bereits entschieden hat, ist bei der im Rahmen der Erwägungen zur ergänzenden Auslegung eines Gaslieferungsvertrages vorzunehmenden Beurteilung, welche Regelung als angemessener Interessenausgleich anzusehen ist, der mit dem Energiewirtschaftsrecht verfolgte, in § 1 EnWG 2005 und ebenso in den Vorläuferregelungen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 - EnZR 23/09, NJW 2011, 212 Rn. 42) verankerte Zweck einer möglichst sicheren und preisgünstigen Energieversorgung zu berücksichtigen.
Das Ziel der Preisgünstigkeit ist nicht nur auf die möglichst billige Energieversorgung der Endkunden ausgerichtet. Zu berücksichtigen sind zugleich die insbesondere durch die Kostenstruktur geprägte individuelle Leistungsfähigkeit der Versorgungsunternehmen sowie die Notwendigkeit, die Investitionskraft und die Investitionsbereitschaft zu erhalten und angemessene Erträge zu erwirtschaften. Insofern wurde im Recht der Energielieferung stets vorausgesetzt, dass die Möglichkeit des Versorgers besteht, Änderungen der Bezugspreise weiterzugeben , ohne den mit dem Kunden bestehenden Versorgungsvertrag kündigen zu müssen. Dass das Energieversorgungsunternehmen die Möglichkeit hat, Kostensteigerungen weiterzugeben, dient daneben auch dem Zweck der Versorgungssicherheit. Denn diese betrifft nicht nur die technische Sicherheit der Energieversorgung und die Sicherstellung einer für die Versorgung der Abnehmer stets ausreichenden Energiemenge. Sie hat vielmehr insoweit auch einen ökonomischen Aspekt, als die nötigen Finanzmittel für die Unterhaltung von Reservekapazitäten, für Wartungsarbeiten, Reparaturen, Erneuerungs- und Ersatzinvestitionen bereit stehen müssen. Das wiederum setzt voraus, dass diese Mittel durch auskömmliche Versorgungsentgelte erwirtschaftet werden können (vgl. im Einzelnen Senatsurteil vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, aaO Rn. 27 ff.).
79
(b) Dieser Zielsetzung des nationalen Energiewirtschaftsrechts, die mit derjenigen des europäischen Energiewirtschaftsrechts übereinstimmt (vgl. EuGH, Rs. C-92/11, aaO Rn. 46 - RWE Vertrieb AG; Rs. C-359/11 und C-400/11, aaO Rn. 44 - Schulz und Egbringhoff; Schlussanträge des Generalanwalts in der Rs. C-359/11 und C-400/11, juris Rn. 55), liefe es zuwider, wenn der Grundversorger Kostensteigerungen nicht an den Kunden weitergeben könnte, sondern diese selbst zu tragen und den Kunden weiterhin zu dem ursprünglichen Preis zu beliefern hätte. Angesichts der Entwicklung der Energiepreise entstünde dadurch bei langfristigen Versorgungsverträgen regelmäßig ein gravierendes Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung. Dies wäre unbillig und würde dem Kunden einen unverhofften und ungerechtfertigten Gewinn verschaffen. Dies entspräche auch nicht dem objektiv zu ermittelnden hypothetischen Parteiwillen (vgl. Senatsurteile vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, aaO Rn. 26 mwN; vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, aaO Rn. 35 f.).
80
(5) Bei angemessener, objektiv-generalisierender Abwägung ihrer Interessen hätten die Vertragsparteien daher nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart, dass die Klägerin berechtigt sein soll, Kostensteigerungen ihrer eigenen (Bezugs-)Kosten während der Vertragslaufzeit an den Beklagten weiterzugeben, und sie verpflichtet ist, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen.
81
Dieser ergänzenden Vertragsauslegung steht nicht entgegen, dass die Vertragsparteien im Tarifkundenverhältnis wegen der durch die Rechtsnormen der AVBGasV bestimmten Vertragsbedingungen in ihrer Freiheit, Vereinbarungen zu treffen, stark eingeschränkt sind (vgl. BGH, Urteile vom 16. März1978 - VII ZR 73/77, WM 1978, 730 unter 2 a; vom 24. März 1988 - VII ZR 81/87, NJW-RR 1988, 1427 unter III 1; Schmidt-Salzer in Hermann/Recknagel/ Schmidt-Salzer, Kommentar zu den Allgemeinen Versorgungsbedingungen, 1981, Band 1, Einleitung Rn. 24; Danner/Theobald/Eder, aaO, § 36 EnWG Rn. 57, 59, 63 ff. mwN). Denn das Recht zur Weitergabe von Kostensteigerungen ist aus den oben ausgeführten Gründen dem Energiewirtschaftsrecht wie auch der AVBGasV immanent.
82
Ohne diese gebotene ergänzende Vertragsauslegung könnte sich der Grundversorger in derartig gelagerten Fällen - auch in Ansehung seiner verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit (vgl. BVerfG, NJW 2011, 1339, 1341) - darauf berufen, dass die Versorgung des Kunden zu dem Ausgangspreis für ihn eine unzumutbare Härte darstelle (vgl. Senatsurteil vom 23. Januar 2013 - VIII ZR 80/12, NJW 2013, 991 Rn. 37; vgl. auch BGH, Urteil vom 10. Oktober 2012 - IV ZR 10/11, BGHZ 195, 93 Rn. 80). In solchen Fällen könnten zudem die Voraussetzungen einer ausnahmsweise zum Wegfall der Grundversorgungspflicht führenden Unzumutbarkeit der Grundversorgung gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 EnWG 2005 gegeben sein. Dies wiederum stünde angesichts der Vielzahl der hiervon möglicherweise betroffenen Tarifkundenverträge (Grundversorgungsverträge ) insbesondere nicht im Einklang mit der durch das EnWG 2005 bezweckten Sicherheit der Energieversorgung.
83
(6) Da sich das aus der vorbezeichneten ergänzenden Vertragsauslegung ergebende Preisänderungsrecht der Klägerin allein auf die Weitergabe von (Bezugs-)Kostensteigerungen und -senkungen beschränkt, ist davon auszugehen , dass die Parteien die wirksame Ausübung dieses Rechts vernünftigerweise an keine weiteren als die in § 4 Abs. 2 AVBGasV genannten Voraussetzungen geknüpft hätten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind diese Voraussetzungen hier erfüllt.
84
Der Klägerin steht somit infolge ergänzender Vertragsauslegung des Gaslieferungsvertrags der Parteien ein Preisänderungsrecht in dem oben genannten Umfang mit der Folge zu, dass der berechtigterweise erhöhte Preis zum vereinbarten Preis wird. Gegen die bis zum 1. Oktober 2004 - mithin vor dem hier verfahrensgegenständlichen Zeitraum - erfolgten Änderungen des Arbeitspreises erhebt die Revision keine Einwände.
85
(7) Von dem infolge ergänzender Vertragsauslegung bestehenden Preisänderungsrecht nicht erfasst sind hingegen Preiserhöhungen, die über die bloße Weitergabe von (Bezugs-)Kostensteigerungen hinausgehen und der Erzielung eines (zusätzlichen) Gewinns dienen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 - KZR 27/13, NJW 2014, 3089 Rn. 23, 27, zu § 315 BGB). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Kunde die Preiserhöhung nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung , in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.
86
(a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats ist bei einem (Norm-)Sonderkundenvertrag, wenn es sich um ein langjähriges Energielieferungsverhältnis handelt, der Kunde (unwirksamen) Preiserhöhungen über einen längeren Zeitraum hinweg nicht widersprochen hat und nunmehr auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht, die durch die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel oder deren unwirksame Einbeziehung entstandene Regelungslücke regelmäßig im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahin zu füllen, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat (Senatsurteile vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, aaO Rn. 21, 25, und VIII ZR 93/11, ZNER 2012, 265 Rn. 30; vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, aaO Rn. 37 mwN).
87
Dies gilt sowohl im Falle der Rückforderung als auch im Falle der Restforderung von Entgelt für Energielieferungen (Senatsurteile vom 14. März 2012 - VIII ZR 93/11, aaO Rn. 29; vom 25. März 2015 - VIII ZR 360/13, juris Rn. 33, und VIII ZR 109/14, juris Rn. 34) und hat zur Folge, dass an die Stelle des wegen der Unwirksamkeit oder der unwirksamen Einbeziehung der Preisanpassungsklausel auf dem Niveau bei Vertragsschluss verharrenden (Anfangs-) Preises nun die letzte Preiserhöhung des Versorgungsunternehmens tritt, der der Kunde nicht rechtzeitig widersprochen hat, mithin der danach maßgebliche Preis endgültig an die Stelle des Anfangspreises tritt (Senatsurteil vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, aaO).
88
(b) Diese Grundsätze haben im hier gegebenen Fall der ergänzenden Vertragsauslegung des Tarifkundenvertrages in gleicher Weise zu gelten. Denn es besteht kein sachlicher Grund, den Grundversorger insoweit anders zu behandeln als den Energieversorger im (Norm-)Sonderkundenbereich, der weder den mit der Grundversorgung verbundenen wirtschaftlichen Erschwernissen (siehe oben unter II 2 f cc (1)) ausgesetzt ist noch - mangels wirksamer Preisanpassungsklausel - zur Preiserhöhung berechtigt war. Eine andere Beurteilung entspräche zudem auch nicht dem objektiv zu ermittelnden hypothetischen Willen der Parteien des Tarifkundenvertrags.
89
3. Erfolglos rügt die Revision, die von der Klägerin vorgenommenen Preiserhöhungen entsprächen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht der Billigkeit. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, dass es hier bei zutreffender Betrachtung nicht um die Frage der Billigkeit der Preiserhöhung geht, sondern um die Preisbildung im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung , bei der es Aufgabe des Gerichts ist zu prüfen, ob die Preiserhöhungen der Klägerin deren (Bezugs-)Kostensteigerungen (hinreichend) abbilden.
90
a) Die Revision beanstandet, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft nur Beweis durch die Vernehmung von (sachkundigen) Zeugen erhoben und eine weitergehende Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 287 Abs. 2 ZPO abgelehnt. Es gehe vorliegend aber nicht um die - einer Schätzung zugängliche - Höhe der streitigen Forderung der Klägerin, sondern um die konkreten Anknüpfungstatsachen für die Ausübung des Ermessens, auf die § 287 Abs. 2 ZPO nicht anwendbar sei.
91
b) Diese Rüge greift nicht durch. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei - wenn auch unter dem Blickwinkel der Billigkeit nach § 315 BGB - die Voraussetzungen einer Anwendung des § 287 Abs. 2 ZPO hinsichtlich der Prüfung, ob die Preiserhöhungen der Klägerin aus (Bezugs-)Kostensteigerungen herrühren, als gegeben erachtet.
92
aa) Nach § 287 Abs. 2 ZPO sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen als der Schadensermittlung die Vorschriften des § 287 Abs. 1 Satz 1, 2 ZPO entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen. In diesem Fall entscheidet das Gericht über die Höhe der Forderung unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung (§ 287 Abs. 2 i.V.m. § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO), und es bleibt seinem Ermessen überlassen, ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme anzuordnen ist (§ 287 Abs. 2 i.V.m. § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
93
Die somit vom Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, ob und inwieweit er eine Beweisaufnahme durchführt, unterliegt nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht darauf, ob das Berufungsgericht von unzutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen ist, ob für seine Entscheidung grundsätzlich falsche oder offenbar unsachliche Erwägungen maßgebend waren oder ob wesentliche entscheidungserhebliche Tatsachen außer Acht gelassen wurden (vgl. BGH, Urteile vom 7. Oktober 2009 - I ZR 230/06, juris Rn. 30; vom 24. September 2014 - VIII ZR 394/12, BGHZ 202, 258 Rn. 74; Musielak/Voit/Foerste, ZPO, 12. Aufl., § 287 Rn. 10, 10b).
94
bb) Dieser rechtlichen Überprüfung hält die Entscheidung des Berufungsgerichts stand. Entgegen der Auffassung der Revision durfte das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler von der Einholung eines Sachverständigengutachtens absehen.
95
(1) Das Berufungsgericht hat zutreffend eine Schätzung nach § 287 Abs. 2 in Verbindung mit § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgenommen, ob die verfahrensgegenständlichen Preiserhöhungen auf (Bezugs-)Kostensteigerungen beruhen und ihnen keine Einsparungen in anderen Kostenpositionen gegenüberstehen. Die hierzu erforderlichen Anknüpfungstatsachen hat es durch Vernehmung mehrerer sachkundiger Zeugen gewonnen. Hierbei handelte es sich um zwei mit der Prüfung der vorbezeichneten Fragen befasste (externe) Wirtschaftsprüfer sowie um den Verkaufsleiter der Klägerin.
96
Wenn das Berufungsgericht bereits auf dieser Grundlage im Rahmen des § 287 Abs. 2 ZPO, dessen Voraussetzungen es zutreffend bejaht hat, zu der Überzeugung gelangt ist, dass die von der Klägerin vorgetragenen Bezugskostensteigerungen tatsächlich in diesem Umfang erfolgt sind und ihnen keine Einsparungen in anderen Kostenpositionen gegenüberstehen, durfte es rechtsfehlerfrei davon absehen, auch noch den von der Klägerin zusätzlich angebotenen Sachverständigenbeweis zu erheben.
97
(2) Entgegen der Auffassung der Revision gilt für die von ihr - ohne nähere Bezeichnung des Beweisantrags - geforderte Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Zwecke des Gegenbeweises nichts anderes.
98
Zwar darf nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Beweisantrag nicht deshalb abgelehnt werden, weil das Gericht das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits als erwiesen ansieht (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 17. Februar 1970 - III ZR 139/67, BGHZ 53, 245, 259 f.; Beschluss vom 16. April 2015 - IX ZR 195/14, juris Rn. 9; jeweils mwN). Das Berufungsgericht durfte hier indes im Rahmen des § 287 Abs. 2 ZPO von der Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Zwecke des Gegenbeweises absehen, da der Beklagte die vorbezeichneten Anknüpfungstatsachen nicht qualifiziert angegriffen hat (vgl. hierzu Musielak/Voit/Foerste, aaO Rn. 10; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. April 1997 - X ZR 2/96, NJW-RR 1998, 331 unter III 1 und 3). Das von der Revision insoweit in Bezug genommene Vorbringen des Beklagten in den Tatsacheninstanzen ist zudem nicht mit einem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens unterlegt.
99
c) Ebenfalls ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen den vom Berufungsgericht im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 315 BGB gewählten Beurteilungsmaßstab einer Gesamtbetrachtung des Gaswirtschaftsjahres.
100
aa) Soweit die Revision meint, richtigerweise müsse jede einzelne Tariferhöhung der Billigkeit entsprechen, kommt es hierauf nicht entscheidend an. Denn, wie oben unter II 3 bereits ausgeführt, geht es im Streitfall nicht um die Frage der Billigkeit der Preiserhöhungen (§ 315 BGB), sondern um die Preisbildung im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung. Aus diesem Grund bedarf auch der vom Berufungsgericht aufgezeigte Meinungsstreit der Instanzgerichte , ob im Falle der Beanstandung mehrerer Preiserhöhungen jede Preiserhöhung für sich genommen - gegebenenfalls unter zusätzlicher Berücksichtigung nicht ausgeschöpfter Bezugskostensteigerungen früherer Erhöhungen - an § 315 BGB zu messen ist (vgl. OLG Celle, ZNER 2011, 63 Rn. 37 ff.; LG Köln, Urteil vom 14. August 2009 - 90 O 41/07, juris Rn. 22 ff.) oder ob eine Gesamtbetrachtung für einen bestimmten Zeitraum - gegebenenfalls unter zusätzlicher Berücksichtigung der in näherer Zukunft erwarteten Preisentwicklung - vorzunehmen ist (vgl. OLG München, Urteil vom 1. Oktober 2009 - U (K) 3772/08, juris Rn. 43; OLG Koblenz, Urteil vom 12. April 2010 - 12 U 18/08, juris Rn. 12; vgl. auch Senatsurteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, BGHZ 172, 315 Rn. 25; vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, aaO Rn. 34 f.), keiner Entscheidung.
101
bb) Bei der Beurteilung, ob die Preiserhöhungen des Energieversorgers unter Berücksichtigung der Schätzungsmöglichkeit nach § 287 Abs. 2 in Verbindung mit § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO dessen (Bezugs-)Kostensteigerungen (hinreichend) abbilden, steht dem Tatrichter - ähnlich wie bei der Prüfung der Billigkeit gemäß § 315 Abs. 3 BGB (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 - EnZR 23/09, aaO Rn. 39 mwN) - ein Ermessen zu. Dessen Ausübung unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung darauf, ob sie auf grundsätzlich falschen oder offenbar unrichtigen Erwägungen beruht, erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Bemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder der Schätzung unrichtige Maßstäbe zu Grunde gelegt wurden (vgl. BGH, Urteile vom 9. Juni 2009 - VI ZR 110/08, BGHZ 181, 242 Rn. 10; vom 4. November 2010 - III ZR 45/10, NJW 2011, 852 Rn. 18; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 37/11, NJW 2012, 2267 Rn. 9; jeweils mwN; Musielak/ Voit/Foerste, aaO Rn. 10b; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 36. Aufl., § 287 Rn. 11).
102
cc) Hiervon ausgehend erweist sich die Annahme des Berufungsgerichts, für die Beurteilung der Preiserhöhungen sei auf das Gaswirtschaftsjahr abzustellen , im Ergebnis als rechtsfehlerfrei. Das Berufungsgericht hat im Rahmen seiner ausführlichen Würdigung der für und gegen eine auf das Gaswirtschaftsjahr bezogene Gesamtbetrachtung sprechenden Gesichtspunkte zu Recht hervorgehoben , dass dem Energieversorgungsunternehmen bei der Weitergabe von (Bezugs-)Kostensteigerungen - auch mit Blick auf die oftmals nicht sicher voraussehbare Entwicklung der Bezugskosten - ein Ermessensspielraum zuzubilligen ist.
103
Diese für die hier gebotene ergänzende Vertragsauslegung in gleicher Weise geltende Erwägung berücksichtigt zutreffend, dass es bei einem Massengeschäft wie dem Tarifkundenvertrag - auch unter Berücksichtigung von Praktikabilitätsgesichtspunkten - im Interesse beider Vertragsparteien liegt, eine Weitergabe von Kostensenkungen und Kostenerhöhungen nicht - was regelmäßig mit einem die Energieversorgung unnötigerweise verteuernden hohen Aufwand verbunden wäre - tagesgenau vorzunehmen, sondern auf die Kostenentwicklung in einem gewissen Zeitraum abzustellen.
104
Wie lange der Zeitraum für die vorbezeichnete Gesamtbetrachtung bemessen sein muss, lässt sich nicht generell bestimmen, sondern bedarf der Beurteilung des Tatrichters auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls. In den meisten Fällen wird jedoch der vom Berufungsgericht hier gewählte Rahmen des Gaswirtschaftsjahres ein geeigneter Prüfungsmaßstab sein.
105
4. Nach alledem hat das Berufungsgericht die streitgegenständlichen Preiserhöhungen der Klägerin im Ergebnis zutreffend für berechtigt erachtet und ihr die Klageforderung zugesprochen. Da sich das Preiserhöhungsrecht hier aus der ergänzenden Vertragsauslegung des Gaslieferungsvertrages der Parteien ergibt mit der Folge, dass es sich bei den nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf Kostensteigerungen beruhenden Preiserhöhungen um den vereinbarten Gaspreis handelt, ist für eine zusätzliche Billigkeitskontrolle gemäß § 315 BGB kein Raum. Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Fetzer Dr. Bünger Kosziol
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 28.01.2009 - 34 O (Kart) 112/08 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 13.04.2011 - VI-2 U (Kart) 3/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZR 162/11
vom
26. April 2016
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2016:260416BVIIIZR162.11.0

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. April 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterin Dr. Hessel sowie die Richter Dr. Achilles, Dr. Schneider und Kosziol einstimmig beschlossen:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 2. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 13. April 2011 wird gemäß § 552a ZPO zurückgewiesen. Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Gründe:

1
Der Senat nimmt zur Begründung seiner Entscheidung zunächst auf seinen Hinweisbeschluss vom 15. Dezember 2015 in dieser Sache Bezug. Ergänzend führt er auf die im Schriftsatz vom 29. Januar 2016 von der Revision erhobenen Einwendungen aus:
2
Entgegen der Auffassung der Revision besteht keine Veranlassung, den Rechtsstreit nach Art. 267 Abs. 1 bis 3 AEUV dem Gerichtshof erneut zur Auslegung des Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie 2003/55/EG im Hinblick darauf vorzulegen, ob die darin enthaltenen Transparenzanforderungen dahingehend auszulegen sind, dass die vom Senat im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofs vom 23. Oktober 2014 (C-359/11 und C-400/11, NJW 2015, 849 - Schulz und Egbringhoff) in den Urteilen vom 28. Oktober 2015 (VIII ZR 158/11, ZiP 2015, 2226 Rn. 66 ff., 83, und VIII ZR 13/12, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, juris Rn. 68 ff., 85) vorgenom- mene ergänzende Vertragsauslegung den Anforderungen an das erforderliche Maß an Transparenz genügt. Die gegenteilige Auffassung der Revision geht - wie der Senat im Urteil vom 6. April 2016 (VIII ZR 71/10, juris Rn. 37 ff.) ausgeführt hat - aus mehreren Gründen fehl.
3
1. Die Auslegung des Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A der GasRichtlinie 2003/55/EG ist, soweit für die Beurteilung des Streitfalles von Bedeutung , durch das genannte, im Verfahren VIII ZR 71/10 ergangene Urteil des Gerichtshofs sowie durch das ebenfalls auf Vorlage des Senats ergangene Urteil des Gerichtshofs vom 21. März 2013 (C-92/11, NJW 2013, 2253 - RWE Vertrieb AG) im Sinne eines acte éclairé geklärt und hier - wie bereits in den beiden vorbezeichneten sowie in den im Anschluss hieran ergangenen weiteren Urteilen des Senats - lediglich auf den Einzelfall anzuwenden (vgl. hierzu etwa EuGH, Urteil vom 15. September 2005 - C-495/03, Slg. 2005 I-8151 Rn. 33 - Intermodal Transports; BVerfG, GmbHR 2013, 598, 600; Senatsurteil vom 16. September 2015 - VIII ZR 17/15, WM 2015, 2058 Rn. 33).
4
Der Gerichtshof hat im Urteil vom 23. Oktober 2014 (C-359/11 und C-400/11, aaO Rn. 44 - Schulz und Egbringhoff) hervorgehoben, dass zum einen die Interessen der Kunden und das aus Art. 3 Abs. 3 der Gas-Richtlinie 2003/55/EG in Bezug auf die Transparenz folgende Erfordernis eines hohen Verbraucherschutzes, zum anderen aber auch die besondere Situation und die wirtschaftlichen Interessen der als Versorger letzter Instanz im Sinne der vorgenannten Richtlinie handelnden Gasgrundversorger insoweit zu berücksichtigen seien, als sie sich die andere Vertragspartei nicht aussuchen und den Vertrag nicht beliebig beenden könnten (vgl. hierzu Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 72 f., und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 74 f.). Dementsprechend hatte der Gerichtshof bereits im Urteil vom 21. März 2013 (C-92/11, aaO Rn. 46 - RWE Vertrieb AG) ausgeführt, sowohl aus Nr. 2 Buchst. b Abs. 2 und d des Anhangs der Richtlinie 93/13/EWG [KlauselRichtlinie ] als auch aus Anhang A Buchst. b der Gas-Richtlinie 2003/55/EG ergebe sich, dass der Unionsgesetzgeber im Rahmen von unbefristeten Verträgen wie Gaslieferungsverträgen das Bestehen eines berechtigten Interesses des Versorgungsunternehmens an der Möglichkeit einer Änderung der Entgelte für seine Leistung anerkannt habe (vgl. hierzu Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 76, 79, und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 78, 81).
5
Die vorbezeichneten rechtlich geschützten Interessen in einen angemessenen Ausgleich zu bringen, ist - wovon ersichtlich auch der Gerichtshof ausgeht - Aufgabe des nationalen Rechts. Die vom Senat auf dieser Grundlage in den Urteilen vom 28. Oktober 2015 vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung nimmt diesen Ausgleich vor und trägt zugleich dem Ziel sowohl des nationalen als auch des europäischen Energiewirtschaftsrechts Rechnung, eine sichere Energieversorgung zu gewährleisten (siehe hierzu Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 76 ff., und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 78 ff.; jeweils mwN). Sowohl das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung bei den unbefristeten Gaslieferungsverträgen der Grundversorgung als auch die Sicherheit der Energieversorgung, bei der es sich um ein Gemeinschaftsinteresse höchsten Ranges handelt (BVerfGE 30, 292, 323 f. mwN; Busche in Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, 3. Aufl., § 36 EnWG Rn. 1), wären gefährdet, wenn der Grundversorger nicht berechtigt wäre, Steigerungen der eigenen (Bezugs-)Kosten während der Vertragslaufzeit an den Kunden weiterzugeben (siehe hierzu Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 72 ff., 79, 82, und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 74 ff., 81, 84; jeweils mwN).
6
2. Einer erneuten Vorlage an den Gerichtshof bedarf es zudem auch deshalb nicht, weil nach den vom Senat in den Urteilen vom 28. Oktober 2015 (VIII ZR 158/11, aaO Rn. 34 ff., und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 36 ff.) aufgezeigten Grundsätzen eine richtlinienkonforme Auslegung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV nicht in Betracht kommt.
7
Aufgrund dieses - ausschließlich der Beurteilung des nationalen Gerichts unterliegenden (vgl. nur EuGH, Urteil vom 27. Februar 2014 - C-351/12, GRUR 2014, 473 Rn. 45 mwN - OSA, sowie die Schlussanträge der Generalanwältin im Vorabentscheidungsverfahren C-135/10, juris Rn. 153 - SCF Consorzio Fonografici) - Umstands ist der Senat angesichts der durch das nationale Recht gezogenen Grenzen schon mangels Entscheidungserheblichkeit der (weiteren) Auslegung des Unionsrechts nicht zu einer (erneuten) Vorlage an den Gerichtshof nach Art. 267 Abs. 1 bis 3 AEUV gehalten (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Juni 2011 - C-65/09 und C-87/09, Slg. 2011, I-5257 Rn. 35 bis 38 - Gebr. Weber und Putz; BVerfG, GmbHR 2013, 598, 601; BGH, Urteil vom 6. Oktober 2015 - KZR 17/14, GRUR 2016, 304; Schlussanträge der Generalanwältin in den Vorabentscheidungsverfahren C-510/10, juris Rn. 26 - DR und TV2 Danmark, und C-135/10, aaO - SCF Consorzio Fonografici), zumal - wie der Senat ebenfalls entschieden hat - auch eine unmittelbare Anwendung der Transparenzanforderungen des Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie 2003/55/EG auf den vorliegenden Fall nicht in Betracht kommt (vgl. Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 62 ff., und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 64 ff.). Dies verkennt die Revision, wenn sie meint, die "zwingenden unionsrechtlichen Transparenzanforderungen" stünden der vom Senat vorgenommenen ergänzenden Vertragsauslegung entgegen.
Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Schneider Kosziol
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 04.06.2008 - 34 O (Kart) 170/06 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 13.04.2011 - VI-2 U (Kart) 13/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 13/12 Verkündet am:
28. Oktober 2015
Ring,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 133 B, 157 D, 433 Abs. 2; AVBGasV § 4 Abs. 1, 2; GasRL (Richtlinie
2003/55/EG) Art. 3 Abs. 3 i.V.m. Anhang A; ZPO § 287 Abs. 2
Zur ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) im Falle einer Regelungslücke
in einem Tarifkundenvertrag, die darauf beruht, dass § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV
mit den Transparenzanforderungen der Gas-Richtlinie 2003/55/EG unvereinbar
ist (EuGH, Urteil vom 23. Oktober 2014 - Rechtssachen C-359/11 und C400
/11, NJW 2015, 849 - Schulz und Egbringhoff) und nunmehr dieser Vorschrift
ein gesetzliches Preisänderungsrecht des Gasversorgers nicht (mehr) entnommen
werden kann (Bestätigung des Senatsurteils vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR
158/11, für BGHZ vorgesehen).
BGH, Urteil vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 13/12 - OLG Düsseldorf
LG Dortmund
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Juli 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die
Richterinnen Dr. Hessel und Dr. Fetzer sowie die Richter Dr. Bünger und
Kosziol

für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 3. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. Dezember 2011 wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin, ein regionales Energieversorgungsunternehmen, verlangt von dem Beklagten die Zahlung restlichen Entgelts für Erdgaslieferungen.
2
Der Beklagte bezieht seit Jahren von der Klägerin leitungsgebunden Erdgas für seinen privaten Haushalt. Die Klägerin gruppierte den Beklagten aufgrund einer kundenbegünstigenden, mengenabhängigen Bestabrechnung und aufgrund einer Mindestpreisregelung in den - nicht mit Sonderbedingungen versehenen - "Heizgas- und Vollversorgungstarif II" ein. Der genannte Tarif ist in den für den streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Preisblättern der Klägerin als einer von vier Allgemeinen Tarifen für die (Grund- und Ersatz-) Versorgung mit Erdgas ausgewiesen.
3
Die Klägerin erhöhte zum 1. Januar 2005 den Arbeitspreis von bisher 3,34 ct/kWh netto auf 3,69 ct/kWh netto und machte dies vorher öffentlich bekannt. Der Beklagte widersprach der beabsichtigten Preiserhöhung mit Schreiben vom 17. Dezember 2004 und forderte die Klägerin auf, die Erforderlichkeit und Angemessenheit der Preiserhöhung durch Offenlegung ihrer Kalkulationsgrundlagen darzulegen. Mit Schreiben vom 23. Mai 2005 teilte er der Klägerin weiter mit, dass er seinen Widerspruch aufrechterhalte und daher Zahlungen allein auf der Grundlage des bisherigen Preises zuzüglich eines Zuschlags von 2 % leisten werde.
4
In der Folgezeit erhöhte die Klägerin - jeweils nach vorheriger öffentlicher Bekanntgabe - drei weitere Male ihren Arbeitspreis. Zum 1. Oktober 2005 erhöhte sie den Preis auf 4,13 ct/kWh netto, zum 1. Januar 2006 auf 4,53 ct/kWh netto und zum 1. Oktober 2006 auf 5,00 ct/kWh netto. Mit Wirkung zum 1. März 2007 senkte sie den Arbeitspreis auf 4,70 ct/kWh netto.
5
Der Beklagte zahlte auf die Jahresabrechnungen der Klägerin vom 22. Juni 2005, vom 23. Juni 2006, vom 22. Juni 2007 und vom 23. Juni 2008 nur die im Schreiben vom 23. Mai 2005 angekündigten Beträge.
6
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Zahlung des rückständigen Betrags aus den genannten Jahresabrechnungen in Höhe von 1.533,19 € nebst Zinsen. Die Klägerin macht geltend, Grund für die vorstehend genannten Preisänderungen seien jeweils Änderungen ihrer Bezugskosten gewesen, wobei sie mit den Preiserhöhungen ihre gestiegenen Bezugspreise nicht einmal in vollem Umfang weitergegeben habe.
7
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

8
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

9
Das Berufungsgericht (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21. Dezember 2011 - VI-3 U (Kart) 4/11, juris) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
10
Die Klägerin habe gemäß § 433 Abs. 2 BGB Anspruch auf Zahlung der ausstehenden Rechnungsbeträge in Höhe von 1.533,19 €. Sie sei gemäß § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV berechtigt gewesen, die Gaspreise zu den von ihr gewählten Zeitpunkten in der erfolgten Weise anzupassen.
11
Der Beklagte sei jedenfalls in dem Zeitraum, in dem die genannten Preiserhöhungen erfolgt seien, nicht als Normsonderkunde, sondern als Tarifkunde im Sinne von § 1 Abs. 2 AVBGasV beziehungsweise als Haushaltskunde im Rahmen der Grundversorgung nach § 1 Abs. 1, 2 GasGVV einzustufen. Aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers habe die Klägerin den Beklagten spätestens ab dem 1. Januar 2005 im Rahmen ihrer Versorgungspflicht nach den genannten Vorschriften, also aufgrund eines Tarifbeziehungsweise eines Grundversorgungsvertrags zu einem allgemeinen Tarif leitungsgebunden mit Gas beliefert. Dabei sei der Beklagte aufgrund einer kundenbegünstigenden Bestabrechnung und einer Mindestpreisregelung unter mehreren zur Auswahl stehenden allgemeinen Tarifen in den "Heizgas- und Vollversorgungstarif II" eingestuft worden. Ein Gasversorgungsunternehmen sei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht darauf beschränkt, nur einen allgemeinen Tarif anzubieten.
12
Die Klägerin sei daher aufgrund des in § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV beziehungsweise des in § 5 Abs. 2 GasGVV geregelten Preisänderungsrechts zur Vornahme der erfolgten Preisänderungen berechtigt gewesen. Europarechtliche Vorgaben stünden der Anwendbarkeit der genannten Bestimmungen nicht entgegen. Die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV und der Nachfolgeregelung des § 5 Abs. 2 GasGVV werde nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass der Bundesgerichtshof die Frage, ob die Vorschrift des § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV den europarechtlichen Transparenzanforderungen an Preisänderungsklauseln in der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt (Gasrichtlinie) genüge, dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung vorgelegt habe.
13
Denn selbst wenn der Gerichtshof der Europäischen Union die Europarechtskonformität des § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV für das Tarifkundenverhältnis wider Erwarten nicht bestätigen sollte, wären die Preisanpassungen der Klägerin nicht ohne weiteres unwirksam, weil den Versorgern dann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ein Preisanpassungsrecht zugestanden werden müsse. Da ein Energieversorger einen Grundversorgungsvertrag im Hinblick auf die ihn nach § 36 Abs. 1 EnWG treffende Pflicht zur Aufrechterhaltung des Vertrags nicht wirksam kündigen könne, sei ihm der damit verbundene Eingriff in die Privatautonomie nur in Verbindung mit einer Preisanpassungsberechtigung zumutbar.
14
Die von der Klägerin nach § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV beziehungsweise nach § 5 Abs. 2 GasGVV vorgenommenen Preisanpassungen seien billig im Sinne des § 315 BGB, denn es seien entsprechende Bezugskostensteigerungen erfolgt, ohne dass in anderen Kostenpositionen Einsparungen hätten erzielt werden können. Dies habe die in zweiter Instanz durchgeführte Beweisaufnahme durch Vernehmung mehrerer Zeugen - darunter zwei (externe) Wirtschaftsprüfer , der Leiter des Finanz- und Rechnungswesens der Klägerin und deren ehemaliger Center-Leiter Energie- und Wasserwirtschaft - ergeben. Die Beweisaufnahme habe sogar die Behauptung der Klägerin bestätigt, dass diese ihre Bezugskostensteigerungen in keinem Gaswirtschaftsjahr in voller Höhe an ihre Gaskunden weitergegeben habe. Einer Einholung eines Sachverständigengutachtens habe es gemäß § 287 Abs. 2 ZPO nicht bedurft, weil der damit verbundene zeitliche und finanzielle Aufwand in keinem Verhältnis zur Klageforderung stehe. Außerdem sei es für die anzustellende Billigkeitsprüfung nicht erforderlich, die Preisbildung des Versorgers durch einen Sachverständigen mathematisch genau nachbilden zu lassen, wenn sich das Gericht - wie hier - durch Vernehmung von (sachkundigen) Zeugen die Überzeugung verschaffen könne, dass eine angemessene Preisbildung erfolgt sei.
15
Die (streitige) Frage, ob bei mehreren beanstandeten Tarifpreiserhöhungen jede Erhöhung für sich an § 315 BGB zu messen sei oder ob sich ihre Billigkeit nach einer Gesamtbetrachtung bestimme, sei dahingehend zu beantworten , dass es jeweils auf die in einem Gaswirtschaftsjahr (1. Oktober, 6 Uhr, bis zum 1. Oktober, 5.59 Uhr, des Folgejahres) vorgenommenen Preisänderungen ankomme. Eine nur die einzelne Preiserhöhung in den Blick nehmende Billigkeitsprüfung werde den tatsächlichen Gegebenheiten in der Gaswirtschaft nicht gerecht. Folglich sei eine einzelne Erhöhung des Arbeitspreises, die durch den bei ihrer Festsetzung prognostizierten, aber tatsächlich nicht in dem erwarteten Umfang eingetretenen Anstieg der Bezugskosten nicht vollständig abgedeckt werde, dennoch nicht unbillig, wenn in dem Gaswirtschaftsjahr insgesamt ein angemessenes Verhältnis zwischen Tarif- und Bezugskostenerhöhung erzielt werde.

II.

16
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Die Revision ist daher zurückzuweisen.
17
Das Berufungsgericht hat der Klägerin im Ergebnis zu Recht einen Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Gaslieferungsvertrag der Parteien auf Zahlung restlichen Entgelts in Höhe von 1.533,19 € nebst Zinsen für die in den Jahresabrechnungen der Klägerin von 2005 bis 2008 abgerechneten Gaslieferungen zuerkannt. Allerdings war die Klägerin entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts im Rahmen des hier vorliegenden Tarifkundenvertrags nicht schon deswegen zu einer Erhöhung des Arbeitspreises berechtigt , weil nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dem - hier maßgeblichen - § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV ein nur den in dieser Vorschrift genannten Wirksamkeitserfordernissen unterliegendes gesetzliches Recht entnommen worden ist, die Preise einseitig nach billigem Ermessen zu ändern. Denn an der vorbezeichneten Rechtsprechung kann nach dem auf Vorlage des Senats ergangenen Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) vom 23. Oktober 2014 (Rs. C-359/11 und C-400/11, NJW 2015, 849 - Schulz und Egbringhoff) nicht festgehalten werden, da § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV nicht mit den Transparenzanforderungen der Gas-Richtlinie 2003/55/EG vereinbar ist. Ein diesen Transparenzanforderungen entsprechendes gesetzliches Preisänderungsrecht des Gasversorgungsunternehmens im Tarifkundenbereich kann auch nicht aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV oder der die Grundversorgung betreffenden Vorschriften des - der AVBGasV zugrundeliegenden - Energiewirtschaftsgesetzes hergeleitet werden, da eine solche Auslegung über den erkennbaren Willen des (nationalen) Gesetz- und Verordnungsgebers hinausginge. Eine unmittelbare Anwendung der Transparenzanforderungen der GasRichtlinie 2003/55/EG kommt im vorliegenden Fall ebenfalls nicht in Betracht.
18
Jedoch ergibt sich aus einer gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) des Gaslieferungsvertrages der Parteien, dass die Klägerin berechtigt ist, Kostensteigerungen ihrer eigenen (Bezugs-)Kosten während der Vertragslaufzeit an den Beklagten weiterzugeben, und sie verpflichtet ist, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Hiervon ausgehend war die Klägerin zu den streitgegenständlichen Erhöhungen des Arbeitspreises berechtigt und begegnen diese, wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler festgestellt hat, auch der Höhe nach keinen Bedenken.
19
1. Das Berufungsgericht hat den Energielieferungsvertrag der Parteien - entgegen der Auffassung der Revision - rechtsfehlerfrei als einen Tarifkundenvertrag (jetzt: Grundversorgungsvertrag) angesehen.
20
a) Nach der Rechtsprechung des Senats kommt es für die Frage, ob es sich bei öffentlich bekannt gemachten Vertragsmustern und Preisen um Tarifbeziehungsweise Grundversorgungsverträge mit allgemeinen Tarifpreisen im Sinne von § 6 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWiG 1935) in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 752-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, Allgemeinen Tarifen im Sinne von § 10 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes vom 24. April 1998 (BGBl. I S. 730; im Folgenden: EnWG 1998) oder Allgemeinen Preisen im Sinne von § 36 Abs. 1 des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz - EnWG) vom 7. Juli 2005 (BGBl. I S. 1970; im Folgenden: EnWG 2005) handelt, darauf an, ob das betreffende Versorgungsunternehmen die Versorgung zu den öffentlich bekannt gemachten Bedingungen und Preisen - aus der Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers - im Rahmen einer Versorgungspflicht nach den genannten Vorschriften oder unabhängig davon im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit anbietet (st. Rspr.; Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, BGHZ 182, 59 Rn. 14; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180 Rn. 26; vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, NJW 2011, 1342 Rn. 23; vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10, NJW 2011, 2736 Rn. 32 mwN, insoweit in BGHZ 189, 356 nicht abgedruckt). Ersteres ist hier nach den rechtsfehlerfreien und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts der Fall.
21
b) Wie das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend erkannt hat, steht es nach der Rechtsprechung des Senats einem Energieversorgungsunternehmen auch im Rahmen der Grundversorgung frei, verschiedene Tarife anzubieten, und zwar auch solche, bei denen - wie hier - die Tarifeinstufung automatisch nach dem Prinzip der Bestpreisabrechnung erfolgt (Senatsurteile vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, aaO Rn. 27; vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10, aaO; vom 31. Juli 2013 - VIII ZR 162/09, BGHZ 198, 111 Rn. 34).
22
2. Im Ergebnis rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Klägerin im Rahmen des Tarifkundenvertrags der Parteien das Recht zustand, den Arbeitspreis in dem streitgegenständlichen Umfang zu erhöhen.
23
a) Der Senat hat ein berechtigtes Interesse (auch) von Gasversorgungsunternehmen , Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit an ihre Kunden weiterzugeben, grundsätzlich anerkannt (st. Rspr.; Senatsurteile vom 14. Mai 2014 - VIII ZR 114/13, BGHZ 201, 230 Rn. 35; vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO Rn. 22, und VIII ZR 56/08, BGHZ 182, 41 Rn. 24). Für den Tarifkundenbereich hat der Senat bis zu seinem Vorabentscheidungsersuchen in der Sache VIII ZR 71/10 (Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011, ZIP 2011, 1620) der - hier gemäß § 115 Abs. 2 Satz 3 EnWG 2005 und der Übergangsregelung in § 23 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz (Gasgrundversorgungsverordnung - GasGVV) vom 26. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2391) maßgeblichen - Vorschrift des § 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden vom 21. Juni 1979 (BGBl. I S. 676 - AVBGasV) entnommen, dass dem Gasversorgungsunternehmen das Recht zusteht, Preise nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) zu ändern (st. Rspr.; siehe nur Senatsurteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, BGHZ 172, 315 Rn. 14 ff.; vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, BGHZ 178, 362 Rn. 26; vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO Rn. 18 ff.; ebenso BGH, Urteil vom 29. April 2008 - KZR 2/07, BGHZ 176, 244 Rn. 26, 29). Weiter hat er aus dieser Vorschrift abgeleitet, dass den Gasversorger aufgrund der gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit zugleich die Rechtspflicht trifft, bei einer Preisänderung Kostensenkungen ebenso und nach gleichen Maßstäben zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen (Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO Rn. 28; vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 81/08, WM 2010, 481 Rn. 18; jeweils mwN; ebenso BGH, Urteil vom 29. April 2008 - KZR 2/07, aaO Rn. 26).
24
aa) In § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV war bestimmt, dass das Gasversorgungsunternehmen zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung stellt und dass Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden. Mit der Einfügung des Wortes "jeweiligen" sollte nach der Begründung des Verordnungsge- bers (BR-Drucks. 77/79, S. 34, 38) ausdrücklich klargestellt werden, dass das Versorgungsunternehmen die Möglichkeit hat, die allgemeinen Tarife durch öffentliche Bekanntgabe gleitend, das heißt ohne Kündigung, zu ändern. In der Begründung zu § 4 AVBGasV heißt es hierzu (aaO, S. 38): "Nach Absatz 1 sind die GVU [Gasversorgungsunternehmen] verpflichtet , die Kunden zu den 'jeweiligen' allgemeinen Tarifen und Bedingungen , wozu auch diejenigen Regelungen gehören, die sie in Ausfüllung der vorliegenden Verordnung vorsehen, zu versorgen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass sich z.B. Tarifänderungen ohne entsprechende Kündigungen der laufenden Verträge nach öffentlicher Bekanntgabe (Absatz 2) vollziehen können. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass es sich um Massenschuldverhältnisse mit langfristiger Vertragsbindung handelt. Die GVU müssen die Möglichkeit haben, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit in den Preisen an die Kunden weiterzugeben. Entsprechende Vertragskündigungen, verbunden mit dem Neuabschluss von Verträgen, würden hier vor allem zu praktischen Schwierigkeiten führen [...]"
25
Daraus hat der Senat hergeleitet, dass § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV, auch wenn darin ein Preisänderungsrecht nicht ausdrücklich kodifiziert ist, den Gasversorgungsunternehmen im Bereich der Versorgung von Tarifkunden ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gewährt (Senatsurteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, aaO; vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, aaO; vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO Rn. 19 f.; ebenso BGH, Urteil vom 29. April 2008 - KZR 2/07, aaO Rn. 26, 29).
26
bb) Diese Vorschriften sind mit Wirkung zum 8. November 2006 durch § 5 Abs. 2 GasGVV ersetzt worden, ohne dass sich dadurch in der Sache etwas ändern sollte (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO Rn. 20; vgl. BR-Drucks. 306/06, S. 25 f., 43). Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 GasGVV ist der Grundversorger auch weiterhin nur verpflichtet, dem Kunden zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen und Bedingungen Gas zur Verfügung zu stellen. Entsprechend geht § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV davon aus, dass Allgemeine Preise für Gas auf einer einseitigen Leistungsbestimmung durch den Versorger beruhen können, die der Kunde nach § 315 BGB auf ihre Billigkeit hin überprüfen lassen kann (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO).
27
b) Da die im Streitfall maßgebliche Regelung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV hinsichtlich Anlass, Voraussetzungen und Umfang des dem Versorgungsunternehmen zustehenden einseitigen Leistungsbestimmungsrechts (vgl. hierzu Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO Rn. 23, und VIII ZR 56/08, aaO Rn. 26; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, aaO Rn. 33; jeweils mwN) keine näheren tatbestandlichen Konkretisierungen enthält, hängt die Möglichkeit, dieser Vorschrift im Auslegungswege ein wirksames Preisänderungsrecht zu entnehmen, davon ab, ob solche tatbestandlichen Konkretisierungen von Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b oder c der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG (ABl. Nr. L 176, S. 57; im Folgenden : Gas-Richtlinie; aufgehoben zum 3. März 2011 durch Art. 53 der Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG, ABl. Nr. L 211, S. 94) gefordert werden (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011 - VIII ZR 71/10, aaO Rn. 6).
28
aa) Der Senat hat deshalb mit vorgenanntem Beschluss vom 18. Mai 2011 dem Gerichtshof folgende Fragen gemäß Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vorgelegt: "Ist Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b und/oder c der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG dahin auszulegen, dass eine nationale gesetzliche Regelung über Preisänderungen in Erd- gaslieferungsverträgen mit Haushalts-Kunden, die im Rahmen der allgemeinen Versorgungspflicht beliefert werden (Tarifkunden), den Anforderungen an das erforderliche Maß an Transparenz genügt, wenn in ihr Anlass, Voraussetzungen und Umfang einer Preisänderung zwar nicht wiedergegeben sind, jedoch sichergestellt ist, dass das Gasversorgungsunternehmen seinen Kunden jede Preiserhöhung mit angemessener Frist im Voraus mitteilt und den Kunden das Recht zusteht, sich durch Kündigung vom Vertrag zu lösen, wenn sie die ihnen mitgeteilten geänderten Bedingungen nicht akzeptieren wollen?"
29
bb) Der Gerichtshof hat diese Frage sowie die ihm durch Senatsbeschluss vom 29. Juni 2011 (VIII ZR 211/10, RdE 2011, 372) vorgelegte, zu gemeinsamer Entscheidung verbundene gleichlautende Frage zu § 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden vom 21. Juni 1979 (BGBl. I S. 684 - AVBEltV) beziehungsweise zu § 5 Abs. 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz vom 26. Oktober 2006 (Stromgrundversorgungsverordnung - StromGVV, BGBl. I S. 2391) und zu Art. 3 Abs. 5 Satz 3 bis 5 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b oder c der Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG (ABl. Nr. L 176, S. 37) mit Urteil vom 23. Oktober 2014 (Rs. C-359/11 und C-400/11, aaO - Schulz und Egbringhoff) wie folgt beantwortet: "Art. 3 Abs. 5 in Verbindung mit Anhang A der Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG und Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die den Inhalt von unter die allgemeine Versorgungspflicht fallenden Verbraucherverträgen über Strom- und Gaslieferungen bestimmt und die Möglichkeit vorsieht, den Tarif dieser Lieferungen zu ändern, aber nicht gewährleistet, dass die Verbraucher rechtzeitig vor Inkrafttreten dieser Änderung über deren Anlass , Voraussetzungen und Umfang informiert werden."
30
Zur Begründung hat der Gerichtshof im Wesentlichen ausgeführt:
31
Neben den in den beiden Vorabentscheidungsersuchen des Senats genannten Richtlinien (Gas-Richtlinie und Strom-Richtlinie) finde hier - anders als in dem ebenfalls auf Vorlage des Senats (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 162/09, WM 2011, 850) ergangenen, Gaslieferungsverträge mit Sonderkunden betreffenden Urteil des Gerichtshofs vom 21. März 2013 (Rs. C-92/11, NJW 2013, 2253 - RWE Vertrieb AG; vgl. hierzu Senatsurteil vom 31. Juli 2013 - VIII ZR 162/09, aaO Rn. 46 ff.) - nicht auch die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. Nr. L 95, S. 29; im Folgenden: Klausel-Richtlinie), Anwendung. Denn nach Art. 1 der Klausel-Richtlinie unterlägen Vertragsklauseln, die - wie hier - auf bindenden Rechtsvorschriften beruhten, nicht den Bestimmungen dieser Richtlinie (Rn. 51 f.).
32
Zweck der Gas-Richtlinie und der Strom-Richtlinie sei die Verbesserung der Funktionsweise des Elektrizitäts- und des Gasbinnenmarkts. Ein nichtdiskriminierender , transparenter und zu angemessenen Preisen gewährleisteter Netzzugang sei Voraussetzung für einen funktionierenden Wettbewerb und von größter Bedeutung für die Vollendung des Elektrizitäts- und des Gasbinnenmarkts. Den Bestimmungen der vorgenannten Richtlinien lägen Belange des Verbraucherschutzes zugrunde. Diese Belange stünden in engem Zusammenhang sowohl mit der Liberalisierung der in Rede stehenden Märkte als auch mit dem ebenfalls mit diesen Richtlinien verfolgten Ziel, eine stabile Elektrizitätsund Gasversorgung zu gewährleisten (Rn. 39 f.).
33
Art. 3 Abs. 3 der Gas-Richtlinie und Art. 3 Abs. 5 der Strom-Richtlinie enthielten die Bestimmungen, die die Erreichung des vorstehend genannten Ziels ermöglichten. Aus dem Wortlaut dieser Vorschriften gehe hervor, dass die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen zum Schutz der Endkunden zu ergreifen und insbesondere dafür Sorge zu tragen hätten, dass für schutzbedürftige Kunden ein angemessener Schutz bestehe (Rn. 42). Da die Strom- und Gasversorger , wenn sie - wie hier - als Versorger letzter Instanz handelten, verpflichtet seien, im Rahmen der durch die nationalen Rechtsvorschriften auferlegten Verpflichtungen mit allen Kunden, die darum ersuchten und die dazu berechtigt seien, zu den in diesen Rechtsvorschriften vorgesehenen Bedingungen Verträge zu schließen, seien allerdings die wirtschaftlichen Interessen dieser Versorger insoweit zu berücksichtigen, als sie sich die andere Vertragspartei nicht aussuchen und den Vertrag nicht beliebig beenden könnten (Rn. 44). Was zum anderen konkret die Rechte der Kunden betreffe, müssten die Mitgliedstaaten nach den oben genannten Vorschriften der Richtlinien in Bezug auf die Transparenz der allgemeinen Vertragsbedingungen einen hohen Verbraucherschutz gewährleisten (Rn. 45). Den Kunden müsse neben ihrem in Anhang A Buchst. b beider Richtlinien verankerten Recht, sich vom Liefervertrag zu lösen, auch die Befugnis erteilt werden, gegen Änderungen der Lieferpreise vorzugehen (Rn. 46).
34
Um diese Rechte in vollem Umfang und tatsächlich nutzen und in voller Sachkenntnis eine Entscheidung über eine mögliche Lösung vom Vertrag oder ein Vorgehen gegen die Änderung des Lieferpreises treffen zu können, müssten die Kunden rechtzeitig vor dem Inkrafttreten dieser Änderung über deren Anlass, Voraussetzungen und Umfang informiert werden (Rn. 47). Folglich genüge eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die nicht gewährleiste, dass einem Haushaltskunden die vorstehend angeführte Information rechtzeitig übermittelt werde, den in der Gas-Richtlinie und in der StromRichtlinie aufgestellten Anforderungen nicht (Rn. 48).
35
c) An dieses Auslegungsergebnis sind die nationalen Gerichte gebunden. Deshalb kann - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - an der bisherigen Sichtweise des Senats, wonach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV ein gesetzliches Preisänderungsrecht zu entnehmen ist, dessen wirksame Ausübung an keine weiteren als die in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen geknüpft ist, jedenfalls für die Zeit nach Ablauf der gemäß Art. 33 Abs. 1 der GasRichtlinie bis zum 1. Juli 2004 reichenden Frist zu deren Umsetzung nicht mehr festgehalten werden.
36
d) Im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung oder einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV oder der die Grundversorgung betreffenden Vorschriften des - der AVBGasV zugrunde liegenden und ihr übergeordneten - Energiewirtschaftsgesetzes lässt sich ein den Transparenzanforderungen der Gas-Richtlinie nach Maßgabe der vorgenannten Ausführungen des Gerichtshofs entsprechendes Recht des Gasversorgers zur einseitigen Änderung der Preise ebenfalls nicht herleiten.
37
aa) Ausgangspunkt für eine richtlinienkonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung ist § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV, der durch das vorbezeichnete Urteil des Gerichtshofs und die sich daraus ergebende Unvereinbarkeit mit den Transparenzerfordernissen der Gas-Richtlinie nicht unanwendbar geworden ist. Gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b AEUV entscheidet der Gerichtshof beim Vorabentscheidungsverfahren lediglich über die Auslegung des Unionsrechts (vgl. nur EuGH, Rs. C-10/97 bis C-22/97, Slg. 1998, I-6307 Rn. 23 - Ministero delle Finanze; Rs. C-540/07, Slg. 2009, I-10983 Rn. 63 - Kommission/Italien; jeweils mwN), nicht hingegen über die Vereinbarkeit nationaler Rechtsnormen mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften und demzufolge auch nicht über die Frage der möglichen Unanwendbarkeit der betreffenden nationalen Rechtsnormen wegen deren Unionsrechtswidrigkeit (vgl. EuGH, Rs. C-292/92, Slg. 1993, I-6787 Rn. 8 - Hünermund; Rs. C‑265/01, Slg. 2003, I‑683 Rn. 18 mwN - Pansard).
38
bb) Die nationalen Gerichte sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgrund des Umsetzungsgebots gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV und des Grundsatzes der Gemeinschaftstreue gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV verpflichtet , die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihnen das nationale Recht einräumt, soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen (vgl. nur EuGH, Rs. 14/83, Slg. 1984, 1891 Rn. 26, 28 - von Colson und Kamann; Rs. C-397/01 bis C-403/01, Slg. 2004, I-8835 Rn. 113 - Pfeiffer u.a.; Rs. C-565/12, NJW 2014, 1941 Rn. 54 mwN - LCL Le Crédit Lyonnais; Senatsurteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 24; vom 31. Juli 2013 - VIII ZR 162/09, aaO Rn. 55; BGH, Beschluss vom 16. April 2015 - I ZR 130/13, WRP 2015, 862 Rn. 26).
39
Dieser von der Rechtsprechung des Gerichtshofs geprägte Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung verlangt von den nationalen Gerichten mehr als eine bloße Auslegung im engeren Sinne. Er erfordert auch, das nationale Recht, wo dies nötig und möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden (Senatsurteile vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 21 mwN; vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, aaO Rn. 30; BGH, Beschluss vom 16. April 2015 - I ZR 130/13, aaO). Eine Rechtsfortbildung setzt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus (Senatsurteile vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, aaO Rn. 22 mwN; vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, aaO Rn. 31). Eine solche ist etwa dann anzunehmen, wenn der Gesetzgeber mit der von ihm geschaffenen Regelung eine Richtlinie umsetzen wollte, hierbei aber deren Inhalt missver- standen hat (vgl. Senatsurteil vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, aaO Rn. 32 ff.).
40
cc) Diese Voraussetzungen sind hier indes nicht erfüllt. Eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung, die im Ergebnis dazu führte, die Transparenzanforderungen der Gas-Richtlinie in der Auslegung, die diese durch das oben genannte Urteil des Gerichtshofs vom 23. Oktober 2014 gefunden haben, in das nationale Recht, hier namentlich in § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV, ergänzend aufzunehmen , würde die den Gerichten durch den Willen des nationalen Gesetzgebers gezogenen Grenzen der Auslegung überschreiten. Dies gilt erst recht, wenn die Einhaltung dieser Transparenzanforderungen als Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Preisänderung anzusehen wäre (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011 - VIII ZR 71/10, aaO Rn. 6).
41
(1) Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts unterliegt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs bestimmten Schranken. So findet die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt einer Richtlinie heranzuziehen, ihre Schranken in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (EuGH, Rs. C-351/12, GRUR 2014, 473 Rn. 45 - OSA; Rs. C-176/12, BB 2014, 2493 Rn. 39 mwN - Association de médiation sociale; Rs. C-12/08, Slg. 2009, I-6653 Rn. 61 - Mono Car Styling).
42
(2) Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt der Grundsatz richtlinienkonformer Auslegung nicht schrankenlos. Er findet vielmehr dort seine Grenze, wo die nationale Vorschrift nicht richtlinienkonform ausgelegt werden könnte, ohne dabei die Grenzen der verfassungsrechtlichen Bindung des Richters an das Gesetz zu sprengen. Eine die Gesetzesbindung des Richters überschreitende Auslegung ist auch durch den Grundsatz der Unionstreue nicht zu rechtfertigen (BVerfG, GmbHR 2013, 598, 601; NJW 2012, 669, 670 f.).
43
Art. 20 Abs. 2 GG, der dem Grundsatz der Gewaltenteilung Ausdruck verleiht, verwehrt es den Gerichten, Befugnisse zu beanspruchen, die die Verfassung dem Gesetzgeber übertragen hat, indem sie sich aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz begeben und sich damit der Bindung an Recht und Gesetz entziehen. Der Rechtsfortbildung sind deshalb mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung (Art. 20 Abs. 3 GG) Grenzen gesetzt.
44
Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gleichermaßen und unabhängig davon, ob das anzuwendende einfache nationale Recht der Umsetzung einer Richtlinie der Europäischen Union dient oder nicht. Dem steht nicht entgegen, dass der aus Art. 4 Abs. 3 EUV folgende Grundsatz der Unionstreue alle mitgliedstaatlichen Stellen, also auch Gerichte, dazu verpflichtet, diejenige Auslegung des nationalen Rechts zu wählen, die dem Inhalt einer EU-Richtlinie in der ihr vom Gerichtshof gegebenen Auslegung entspricht. Denn die unionsrechtliche Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung verpflichtet das nationale Gericht zwar, durch die Anwendung seiner Auslegungsmethoden ein richtlinienkonformes Ergebnis zu erzielen. Allerdings findet die Pflicht zur Verwirklichung des Richtlinienziels im Auslegungswege zugleich ihre Grenzen an dem nach innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubten. Ob und inwieweit das innerstaatliche Recht eine entsprechende richtlinienkonforme Auslegung zulässt, können nur innerstaatliche Gerichte beurteilen. Sowohl die Identifizierung als auch die Wahrnehmung methodischer Spielräume des nationalen Rechts obliegt - auch bei durch Richtlinien determiniertem nationalem Recht - den nationalen Stellen in den Grenzen des Verfassungsrechts (BVerfG, NJW 2012, aaO mwN).
45
(3) Dementsprechend hat auch der Bundesgerichtshof bereits entschieden , dass eine richtlinienkonforme Auslegung - ebenso wie die verfassungskonforme Auslegung - voraussetzt, dass durch eine solche Auslegung der erkennbare Wille des Gesetz- oder Verordnungsgebers nicht verändert wird, sondern die Auslegung seinem Willen (noch) entspricht (vgl. Senatsurteile vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, aaO Rn. 28; vom 17. Oktober 2012 - VIII ZR 226/11, BGHZ 195, 135 Rn. 22; BGH, Beschluss vom 16. Mai 2013 - II ZB 7/11, NJW 2013, 2674 Rn. 42; vgl. auch Senatsurteil vom 13. April 2011 - VIII ZR 220/10, BGHZ 189, 196 Rn. 47; BGH, Beschluss vom 16. April 2015 - I ZR 130/13, aaO; ebenso BAGE 82, 211, 225 f.; 106, 252, 261; jeweils mwN).
46
dd) Gemessen an diesen Grundsätzen kommt eine richtlinienkonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV oder des - dieser Vorschrift übergeordneten - § 36 Abs. 1 EnWG 2005 beziehungsweise - soweit auf den Streitfall noch anzuwenden - dessen Vorgängerregelung in § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG 1998 dahingehend nicht in Betracht, dass diesen Vorschriften ein an den Transparenzanforderungen des Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie nach Maßgabe der Auslegung des Gerichtshofs ausgerichtetes Recht des Gasversorgers zur einseitigen Änderung der Preise zu entnehmen wäre. Denn der Gesetz- und Verordnungsgeber hat im hier maßgeblichen Zeitraum und auch während der weiteren, bis zum 2. März 2011 reichenden Geltungsdauer der Gas-Richtlinie die in deren Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A enthaltenen Transparenzanforderungen weder umgesetzt noch ergibt sich ein dahingehender Wille aus den Gesetzesund Verordnungsmaterialien. Diesen Materialien ist vielmehr zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die Umsetzung insoweit dem Verordnungsgeber über- lassen wollte, der diese Aufgabe jedoch weder hinsichtlich der am 8. November 2006 außer Kraft getretenen AVBGasV noch bei Erlass der GasGVV wahrgenommen hat.
47
(1) Nach Art. 33 Abs. 1 der am 4. August 2003 in Kraft getretenen GasRichtlinie war diese bis spätestens 1. Juli 2004 in nationales Recht umzusetzen.
48
(a) Eine an Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie angepasste Änderung der - hier anzuwendenden - AVBGasV durch den hierzu gemäß § 11 Abs. 2 EnWG 1998 ermächtigten Verordnungsgeber ist weder innerhalb der Umsetzungsfrist noch danach erfolgt. Eine dahingehende Aufforderung ist seitens des Gesetzgebers auch nicht ausgesprochen worden. Vielmehr sind Umsetzungsbestrebungen erstmals mit dem Gesetzentwurf zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 14. Oktober 2004 (BTDrucks. 15/3917) erfolgt.
49
(b) Gemäß § 1 Abs. 3 des am 13. Juli 2005 schließlich in Kraft getretenen EnWG 2005 diente dieses Gesetz unter anderem der Umsetzung und der Durchführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf dem Gebiet der leitungsgebundenen Energieversorgung. In der allgemeinen Begründung des dem EnWG 2005 zugrunde liegenden Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Zweiten Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 14. Oktober 2004 wird unter anderem ausgeführt, mit der Neufassung des EnWG würden die Strom-Richtlinie und die Gas-Richtlinie umgesetzt (BT-Drucks., aaO S. 46).
50
Jedoch sollte ausweislich der Gesetzesbegründung die Umsetzung der in Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie enthaltenen Transparenzanforderungen (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011 - VIII ZR 71/10, aaO Rn. 6) einschließlich der Rechte der Gaskunden, sich vom Liefervertrag zu lösen und gegen Änderungen der Lieferpreise vorzugehen, nicht durch den Gesetzgeber selbst erfolgen, sondern einer noch zu erlassenden Rechtsverordnung überlassen bleiben. Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zu §§ 36, 39 EnWG 2005.
51
In der Einzelbegründung zu § 36 EnWG 2005, dessen Abs. 1 Satz 1 bestimmt , dass Energieversorgungsunternehmen für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen haben, wird dem entsprechend unter anderem ausgeführt: "Die Vorschrift dient der Umsetzung von Artikel 3 Abs. 3 Satz 1 und 2 der Elektrizitätsrichtlinie und Artikel 3 Abs. 1 [gemeint möglicherweise: Abs. 3] Satz 1 bis 3 der Gasrichtlinie. […]. Der Inhalt des Grundversor- gungsvertrages kann nach § 39 durch Rechtsverordnung näher ausge- staltet werden. […]." (BT-Drucks., aaO S. 66)
52
Hieran anknüpfend heißt es in der Einzelbegründung zu § 39 EnWG 2005: "[…] Absatz 2 […] enthält die Grundlage für den Erlass von Rechtsverordnungen zur Regelung der Geschäftsbedingungen der Grundversorger bei der Grund- oder Ersatzversorgung von Haushaltskunden. Diese Bedingungen sind bisher Teil der […] Verordnungüber Allgemeine Be- dingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGasV) […]. Die Anhänge A der Elektrizitätsrichtlinie und der Gasrichtlinie werden für die Belieferung von Haushaltskunden im Rahmen der Grundversorgung durch Rechtsverordnungen nach Absatz 2 umgesetzt." (BT-Drucks., aaO)
53
(c) Der Verordnungsgeber hat indes die ihm durch § 39 Abs. 2 EnWG 2005 übertragene Umsetzung der Anforderungen in Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie in der Folgezeit nur beschränkt vorgenommen. Er hat sich bei der Schaffung der GasGVV damit begnügt, zu- sätzlich zu der bereits in § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV enthaltenen Wirksamkeitsvoraussetzung der öffentlichen Bekanntmachung der Preisänderung eine hierauf bezogene Mindestfrist von sechs Wochen einzuführen und - zum Zwecke einer erleichterten Kenntnisnahme für den Kunden, nicht hingegen als ein weiteres Wirksamkeitserfordernis - eine Verpflichtung des Gasversorgers zu schaffen , zeitgleich mit der öffentlichen Bekanntgabe der Preisänderungen diese auch auf seiner Internetseite zu veröffentlichen und eine briefliche Mitteilung an den Kunden zu versenden.
54
Zwar heißt es in der allgemeinen Begründung des Entwurfs vom 4. Mai 2006 zu der auf der Ermächtigungsgrundlage in § 39 Abs. 2 EnWG 2005 beruhenden Verordnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zum Erlass von Regelungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung hinsichtlich der beiden neuen Grundversorgungsverordnungen (StromGVV und GasGVV): "In den Grundversorgungsverordnungen werden neben den notwendigen formalen Anpassungen eine Vielzahl bisheriger Regelungen der AVBEltV und AVBGasV geändert und eine Vielzahl neuer Regelungen vorgesehen, um die Rechtsstellung von Haushaltskunden gegenüber Grundversorgern weiter zu verbessern. Hierzu zählen insbesondere Verbesserungen der Möglichkeiten, den Energielieferanten zu wechseln, kundenfreundlichere Gestaltungen von Fristen, Stärkungen der Kundenschutzrechte , Verbesserungen der Transparenz und Klarstellungen zur Anwendbarkeit des § 315 des BürgerlichenGesetzbuchs." (BR-Drucks. 306/06, S. 21)
55
In der Einzelbegründung zu § 5 GasGVV, der Nachfolgeregelung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV, wird jedoch - durch Bezugnahme auf die Einzelbegründung zu § 5 StromGVV - ausgeführt: "[…] Im Interesse der Haushaltskunden wird der Grundversorger nach Absatz 2 Satz 1 zusätzlich verpflichtet, Änderungen der Allgemeinen Preise und der Allgemeinen Bedingungen jeweils nur zum Monatsbeginn vorzunehmen und mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung öffentlich bekannt zu geben. Darüber hinaus wird der Grundversorger nach Absatz 2 Satz 2 erstmalig verpflichtet, die Änderungen am Tage der öffentlichen Bekanntgabe auch auf seiner Internetseite zu veröffentlichen. […].Die Ergänzungen der bisherigen Regelung sollen die Möglichkeit eines zügigen Lieferantenwechsels von Haushaltskunden im Falle einer Änderung der Allgemeinen Preise oder Allgemeinen Bedingungen ermöglichen." (BR-Drucks., aaO S. 26, 43)
56
§ 5 Abs. 2 GasGVV sollte demnach lauten: "Änderungen der Allgemeinen Preise und der ergänzenden Bedingungen werden jeweils zum Monatsbeginn und erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam, die mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung erfolgen muss. Der Grundversorger ist verpflichtet, die Änderungen am Tage der öffentlichen Bekanntgabe auf seiner Internetseite zu veröffentlichen."
57
Einer Empfehlung der Ausschüsse, in § 5 Abs. 2 Satz 1 GasGVV die Wörter "nach öffentlicher Bekanntgabe" durch die Wörter "nach brieflicher Mitteilung an den Kunden" zu ersetzen (BR-Drucks. 306/1/06, S. 8), ist der Bundesrat nicht gefolgt und hat zur Begründung angeführt (BR-Drucks. 306/06 [Beschluss ], S. 8 f.): "Auf Grund der speziellen Gegebenheiten bei der Grundversorgung (Vertragsschluss bereits durch Gasentnahme) ist es jedoch im Sinne der Rechtssicherheit erforderlich, die Wirksamkeit von Vertragsänderungen /Preisänderungen nicht vom Zugang an einen möglicherweise nicht bekannten Kunden (z. B. Mieterwechsel) abhängig zu machen, […] sondern an die öffentliche Bekanntmachung zu knüpfen. Gleichwohl soll der Kunde eine briefliche Mitteilung erhalten, die u. U. das Preisbewusstsein des Kunden steigern und den Wettbewerb anregen kann."
58
Der Bundesrat hat daher der Verordnung durch Beschluss vom 22. September 2006 unter anderem mit der Maßgabe zugestimmt, dass § 5 Abs. 2 Satz 2 GasGVV - bei unverändertem Satz 1 dieses Absatzes - wie folgt gefasst wird (BR-Drucks. 306/06 [Beschluss], S. 8): "Der Grundversorger ist verpflichtet, zu den beabsichtigten Änderungen zeitgleich mit der öffentlichen Bekanntgabe eine briefliche Mitteilung an den Kunden zu versenden und die Änderungen auf seiner Internetseite zu veröffentlichen."
59
In dieser Fassung ist § 5 Abs. 2 GasGVV sodann erlassen worden (BGBl. 2006 I S. 2391, 2397 f.).
60
(2) Bei dieser Sachlage kommt eine zusätzliche Berücksichtigung der vom Gerichtshof dem Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie entnommenen Transparenzanforderungen im Wege richtlinienkonformer Auslegung oder Rechtsfortbildung nicht in Betracht. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass regelmäßig von einem Willen des Gesetz- und Verordnungsgebers zur richtlinientreuen Umsetzung auszugehen ist (vgl. nur BGH, Urteile vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 257; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, aaO Rn. 25; vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, aaO Rn. 34; vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 23; BAGE 130, 119, 136; EuGH, Rs. C-397/01 bis C-403/01, Slg. 2004, I-8835 Rn. 112 - Pfeiffer u.a.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, NVwZ 2014, 1111 Rn. 11).
61
Denn im Verordnungsgebungsverfahren ist deutlich geworden, dass zum einen dem Informationsinteresse des Gaskunden im Hinblick auf die Besonderheiten der Grundversorgung und aus Gründen der Rechtssicherheit Grenzen gesetzt und zum anderen ein Bedürfnis zur Transparenz nur hinsichtlich des Umfangs einer Preisänderung anerkannt werden sollten. Diese Sichtweise ist erst nach Erlass der neuen Gas-Richtlinie, der Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG [Gas-Richtlinie] (ABl. Nr. L 211, S. 94; im Folgenden: neue GasRichtlinie ) aufgegeben worden. Der Verordnungsgeber hat nunmehr im Rahmen einer durch die Verordnung zur transparenten Ausweisung staatlich ge- setzter oder regulierter Preisbestandteile in der Strom- und Gasgrundversorgung vom 22. Oktober 2014 (BGBl. I S. 1631) erfolgten Änderung der GasGVV (im Folgenden: GasGVV 2014) eine Umsetzung der in der neuen Gas-Richtlinie ebenfalls enthaltenen, mit der Vorgängerrichtlinie im Wesentlichen inhaltsgleichen Transparenzanforderungen vorgenommen (ebenso Markert, LMK 2014, 364601, Ziffer 3c; VersorgW 2015, 37, 39). Hierzu hat er § 5 Abs. 2 Satz 2 in der GasGVV 2014 um einen Halbsatz ergänzt, wonach der Gasversorger den Umfang, den Anlass und die Voraussetzungen der Änderung sowie den Hinweis auf die Rechte des Kunden nach § 5 Abs. 3 GasGVV 2014 (unter anderem das Recht, den Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen zu kündigen) und die Angaben nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 GasGVV 2014 (Angaben zu den Allgemeinen Preisen nach § 36 Abs. 1 EnWG) in übersichtlicher Form anzugeben hat.
62
Nach der - die neue Gas-Richtlinie und die neue Strom-Richtlinie zu Anfang erwähnenden - Begründung des Entwurfs der vorgenannten Verordnung vom 22. Oktober 2014 zielt diese darauf ab, für den grundversorgten Haushaltskunden die Transparenz zu erhöhen und ihn durch zusätzliche Informationen besser in die Lage zu versetzen, die Zusammensetzung und Änderungen des allgemeinen Preises zu bewerten. Hierzu setze die neue Regelung auf den in der GasGVV bereits bestehenden Informationspflichten auf und konkretisiere diese (BR-Drucks. 402/14, S. 6 ff., 15 f.). In der Einzelbegründung zu § 5 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 GasGVV 2014 heißt es: "[…] Die Einfügung des neuen § 5 Absatz 2 Satz 2 zweiter Halbsatz stellt inhaltliche Anforderungen an die Informationen des Grundversorgers nach § 5 Absatz 2 Satz 2 klar. Die Benennung des Umfangs einer Änderung ist bereits nach geltendem Recht notwendig. Daneben sind Anlass und Voraussetzungen einer Änderung anzugeben. Als Voraussetzung in diesem Sinne erscheint die jeweilige Rechtsgrundlage einer Änderung. Der Kunde erfährt auf diese Weise den Rechtsgrund einer Änderung und den Anlass, aus dem die rechtliche Grundlage von dem Grundversorger im konkreten Fall genutzt wird." (BR-Drucks., aaO S. 24, 28)
63
Die Verordnungsmaterialien zur GasGVV 2014 bestätigen damit, dass der Verordnungsgeber vor der Einfügung des § 5 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 GasGVV 2014 die Schaffung gesteigerter Transparenzanforderungen zum Zwecke der Umsetzung des Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A der GasRichtlinie nicht für erforderlich erachtet hatte. Der im Jahr 2014 schließlich vorhandene Umsetzungswille des Verordnungsgebers vermag indes für den im vorliegenden Fall maßgeblichen früheren Zeitraum nichts an der oben vorgenommenen Beurteilung der Frage einer richtlinienkonformen Auslegung oder Rechtsfortbildung zu ändern. Denn es kommt entscheidend auf den damaligen Willen des Verordnungsgebers an.
64
e) Die Transparenzanforderungen des Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie sind auf den vorliegenden Fall schließlich auch nicht unmittelbar anwendbar.
65
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes kann sich der Einzelne in all den Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor nationalen Gerichten gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat (siehe nur EuGH, Rs. 41/74, Slg. 1974, 1337 Rn. 9 ff. - van Duyn; Rs. C-148/78, Slg. 1979, 1629 Rn. 18 ff. - Ratti; Rs. 8/81, Slg. 1982, 53 Rn. 17ff. - Becker; Rs. 152/84, Slg. 1986, 723 Rn. 46 ff. - Marshall; Rs. 103/88, Slg. 1989, 1839 Rn. 28 ff. - Fratelli Costanzo SpA; Rs. C-397/01 bis 403/01, aaO Rn. 103 - Pfeiffer u.a.; jeweils mwN; vgl. BAGE 128, 134, 154; [sogenannte vertikale Direktwirkung]). So kann sich der Einzelne auf unbedingte und hinreichend genaue Bestimmungen einer Richtlinie auch gegenüber Organisationen oder Einrichtungen - unabhängig von ihrer Rechtsform - berufen, die dem Staat oder dessen Aufsicht unterstehen oder mit besonderen Rechten ausgestattet sind, die über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten (EuGH, Rs. C-188/89, Slg. 1990, I-3313 Rn. 17 ff. - Foster u.a.; Rs. C-253/96 bis C-258/96, Slg. 1997, I-6907 Rn. 46 f. - Kampelmann u.a.; jeweils mwN).
66
Hingegen kann nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Richtlinie in Fällen, in denen sich ausschließlich Private gegenüberstehen, nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist; sogar eine klare, genaue und unbedingte Richtlinienbestimmung, mit der dem Einzelnen Rechte gewährt oder Verpflichtungen auferlegt werden sollen, kann deshalb im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem sich ausschließlich Private gegenüberstehen , nicht als solche Anwendung finden (siehe nur EuGH, Rs. C-397/01 bis C-403/01, aaO Rn. 108 f. - Pfeiffer u.a.; Rs. C-80/06, Slg. 2007,I-4473 Rn. 20 - Carp; jeweils mwN; vgl. BAGE 128, aaO; [sogenannte horizontale Direktwirkung ]).
67
bb) Nach diesen Grundsätzen kommt eine unmittelbare Anwendung der Transparenzanforderungen des Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie hier nicht in Betracht. Zwar ist die Gas-Richtlinie nicht fristgemäß in nationales Recht umgesetzt worden und ist eine solche Umsetzung auch nicht innerhalb des für den Streitfall maßgeblichen späteren Zeitraums erfolgt, wobei dahingestellt bleiben kann, ob die vorgenannten Transparenzanforderungen der Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau im Sinne der vorstehend genannten Rechtsprechung des Gerichtshofs sind (vgl. hierzu Keller-Herder/Baumbach, ER 2015, 3, 5 f.; Uffmann, NJW 2015, 1215, 1217). Das Berufungsgericht hat jedoch weder festgestellt noch ist sonst er- sichtlich, dass es sich bei der Klägerin um eine Organisation oder Einrichtung im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung des Gerichtshofs handelt (siehe oben aa). Übergangenen Tatsachenvortrag zeigt die Revision insoweit nicht auf.
68
f) Wegen der demnach nicht zu behebenden Unvereinbarkeit des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV mit Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie lässt sich das vom Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommene Recht der Klägerin zur Preisänderung nicht (mehr) auf diese Vorschrift stützen. Entgegen der Auffassung der Revision führt dies jedoch nicht zur Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Preiserhöhungen. Denn ein Preisänderungsrecht der Klägerin ergibt sich aus einer gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) des Gaslieferungsvertrages der Parteien.
69
aa) Eine ergänzende Vertragsauslegung setzt eine Regelungslücke, mithin eine planwidrige Unvollständigkeit des Vertrages voraus. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass die Parteien mit der getroffenen Regelung ein bestimmtes Ziel erreichen wollten, dies aber wegen der Lückenhaftigkeit des Vereinbarten nicht gelungen ist (BGH, Urteile vom 12. Oktober 2012 - V ZR 222/11, NJWRR 2013, 494 Rn. 9; vom 23. Mai 2014 - V ZR 208/12, NJW 2014, 3439 Rn. 8; vom 15. Oktober 2014 - XII ZR 111/12, WM 2014, 2280 Rn. 70 mwN). Die Lücke muss nicht von Anfang an bestanden haben, sie kann auch infolge nachträglicher Umstände eingetreten sein (BGH, Urteil vom 12. Oktober 2012 - V ZR 222/11, aaO mwN).
70
bb) So liegt der Fall hier. Der Regelungsplan der Parteien für den zwischen ihnen geschlossenen Tarifkundenvertrag war durch die Regelungender AVBGasV bestimmt, welche kraft dieser Rechtsverordnung zwingend Bestand- teil des Versorgungsvertrages sind (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AVBGasV). Aufgrund der Besonderheiten der Grundversorgung kommt dem Preisänderungsrecht des Gasversorgers, welches nach allgemeiner Auffassung dem § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV entnommen wurde, grundlegende Bedeutung zu. Da § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV jedoch insoweit nach den im Urteil des Gerichtshofs vom 23. Oktober 2014 (Rs. C-359/11 und C-400/11, aaO - Schulz und Egbringhoff) aufgezeigten Maßstäben als unionsrechtswidrig anzusehen ist und daher nicht (mehr) als Rechtsgrundlage eines Preisänderungsrechts des Gasversorgers in Betracht kommt, ist eine verdeckte planwidrige Verordnungslücke eingetreten, die aus den oben (unter II 2 d) genannten Gründen nicht durch eine richtlinienkonforme Auslegung geschlossen werden kann.
71
Diese Verordnungslücke führt, da die Regelungen der AVBGasV Bestandteil des Gaslieferungsvertrages der Parteien sind und letztere daher bei Abschluss ihres Tarifkundenvertrages das Bestehen eines gesetzlichen Preisänderungsrechts als gegeben vorausgesetzt haben, zu einer von ihnen unbeabsichtigten Unvollständigkeit des Vertrages in einem wesentlichen Punkt.
72
cc) Eine somit gebotene ergänzende Vertragsauslegung hat sich nicht nur an dem hypothetischen Parteiwillen, sondern auch an dem objektiven Maßstab von Treu und Glauben zu orientieren und muss zu einer die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigenden Regelung führen. Es geht daher darum zu ermitteln, was die Parteien bei einer angemessenen, objektivgeneralisierenden Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart hätten, wenn sie bedacht hätten, dass die Wirksamkeit der angewendeten Preisänderungsbestimmung jedenfalls unsicher war (vgl. Senatsurteil vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, BGHZ 192, 372 Rn. 24 mwN; Senatsbeschluss vom 17. Juli 2012 - VIII ZR 13/12, juris Rn. 10).
73
Hätten die Parteien bei Vertragsabschluss bedacht, dass die Vereinbarkeit des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV entnommenen gesetzlichen Preisänderungsrechts mit unionsrechtlichen Vorgaben zumindest unsicher ist, hätten sie bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner eine - allerdings auf die bloße Weitergabe von (Bezugs-) Kostensteigerungen begrenzte - Möglichkeit des Grundversorgers zur einseitigen Änderung des Tarifs vereinbart. Die Lücke im Vertrag ist demnach im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 133 BGB in der Weise zu schließen, dass die Klägerin berechtigt ist, Steigerungen ihrer eigenen (Bezugs-)Kosten, soweit diese nicht durch Kostensenkungen in anderen Bereichen ausgeglichen werden (vgl. Senatsurteil vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, aaO Rn. 39 mwN), während der Vertragslaufzeit an den Beklagten weiterzugeben , und sie verpflichtet ist, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen.
74
(1) Bei langfristigen Vertragsverhältnissen, insbesondere solchen, die auf Leistungsaustausch gerichtet sind, besteht ein anerkennenswertes Bedürfnis, das bei Vertragsschluss bestehende Verhältnis von Leistung und Gegenleistung über die gesamte Vertragsdauer im Gleichgewicht zu halten (Senatsurteile vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, aaO Rn. 26; vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, BB 2015, 1548 Rn. 28, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; jeweils mwN).
75
Diesem Gesichtspunkt kommt im Rahmen der Grundversorgung von Haushaltskunden mit Gas besondere Bedeutung zu. Denn gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 EnWG 2005 sind die Energieversorgungsunternehmen - wie bereits nach der Vorgängerregelung in § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG 1998 -, soweit sie die Grundversorgung durchführen, gesetzlich verpflichtet, zu den Allgemeinen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden mit Gas zu versorgen. Hinzu kommt, dass der somit einem Kontrahierungszwang unterliegende Grundversorger zur (ordentlichen) Kündigung des Tarifkundenvertrages (Grundversorgungsvertrages ) nur in sehr eingeschränktem Maße berechtigt ist; ein solches Kündigungsrecht besteht nur, soweit eine Pflicht zur Grundversorgung nach § 36 Abs. 1 Satz 2 EnWG 2005 nicht besteht (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO Rn. 25; ebenso Danner/Theobald/Hartmann, Energierecht, Stand Januar 2015, § 20 StromGVV Rn. 11 mwN). Die Bedeutung der beiden vorstehend genannten Gesichtspunkte für das wirtschaftliche Interesse des Grundversorgers hat auch der Gerichtshof im Urteil vom 23. Oktober 2014 (Rs. C-359/11 und C-400/11, aaO Rn. 44 - Schulz und Egbringhoff) hervorgehoben.
76
Ohne eine Berechtigung des Grundversorgers, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit an den Kunden weiterzugeben, bestünde angesichts des kontinuierlichen Anstiegs der Energiepreise bei langfristigen Versorgungsverträgen regelmäßig ein gravierendes, dem Äquivalenzprinzip zuwiderlaufendes Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung (vgl. Senatsurteil vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, aaO Rn. 35 mwN).
77
(2) Der Verordnungsgeber hat deshalb, wie sich aus den oben (unter II 2 a aa) wiedergegebenen Materialien ergibt, bereits bei Erlass der AVBGasV das Bestehen des - wenn auch nicht kodifizierten - Rechts des Grundversorgers zur Weitergabe von Kostensteigerungen als gegeben vorausgesetzt; er hat an dieser Annahme auch im Rahmen der GasGVV festgehalten (vgl. zuletzt: BRDrucks. 402/14, S. 6, 24 ff.). Entsprechendes gilt für den Gesetzgeber des Energiewirtschaftsgesetzes (§ 36 Abs. 1 EnWG 2005).
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(3) Ebenso wie der nationale Gesetz- und Verordnungsgeber billigt auch der Unionsgesetzgeber, wie aus den Regelungen der Gas-Richtlinie deutlich wird, den Versorgungsunternehmen das Interesse zu, Kostensteigerungen wäh- rend der Vertragslaufzeit an die Kunden weiterzugeben (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011 - VIII ZR 71/10, aaO Rn. 15). Dem entsprechend hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 21. März 2013 (Rs. C-92/11, NJW 2013, 2253 Rn. 46 - RWE Vertrieb AG) ausgeführt, unter anderem aus Anhang A Buchst. b der Gas-Richtlinie ergebe sich, dass der Unionsgesetzgeber im Rahmen von unbefristeten Verträgen wie Gaslieferungsverträgen das Bestehen eines berechtigten Interesses des Versorgungsunternehmens an der Möglichkeit einer Änderung der Entgelte für seine Leistung anerkannt habe (so auch die Schlussanträge des Generalanwalts in der Rs. C-359/11 und C-400/11, juris Rn. 55 f.).
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(4) In Übereinstimmung mit den vorstehenden Erwägungen des Energiewirtschaftsrechts der europäischen Union spricht auch die Zielsetzung des nationalen Energiewirtschaftsrechts dafür, dass dem Grundversorger das Recht zu gewähren ist, Kostensteigerungen an die Kunden weiterzugeben.
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(a) Wie der Senat bereits entschieden hat, ist bei der im Rahmen der Erwägungen zur ergänzenden Auslegung eines Gaslieferungsvertrages vorzunehmenden Beurteilung, welche Regelung als angemessener Interessenausgleich anzusehen ist, der mit dem Energiewirtschaftsrecht verfolgte, in § 1 EnWG 2005 und ebenso in den Vorläuferregelungen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 - EnZR 23/09, NJW 2011, 212 Rn. 42) verankerte Zweck einer möglichst sicheren und preisgünstigen Energieversorgung zu berücksichtigen. Das Ziel der Preisgünstigkeit ist nicht nur auf die möglichst billige Energieversorgung der Endkunden ausgerichtet. Zu berücksichtigen sind zugleich die insbesondere durch die Kostenstruktur geprägte individuelle Leistungsfähigkeit der Versorgungsunternehmen sowie die Notwendigkeit, die Investitionskraft und die Investitionsbereitschaft zu erhalten und angemessene Erträge zu erwirtschaften. Insofern wurde im Recht der Energielieferung stets vorausgesetzt, dass die Möglichkeit des Versorgers besteht, Änderungen der Bezugspreise weiterzuge- ben, ohne den mit dem Kunden bestehenden Versorgungsvertrag kündigen zu müssen. Dass das Energieversorgungsunternehmen die Möglichkeit hat, Kostensteigerungen weiterzugeben, dient daneben auch dem Zweck der Versorgungssicherheit. Denn diese betrifft nicht nur die technische Sicherheit der Energieversorgung und die Sicherstellung einer für die Versorgung der Abnehmer stets ausreichenden Energiemenge. Sie hat vielmehr insoweit auch einen ökonomischen Aspekt, als die nötigen Finanzmittel für die Unterhaltung von Reservekapazitäten, für Wartungsarbeiten, Reparaturen, Erneuerungs- und Ersatzinvestitionen bereit stehen müssen. Das wiederum setzt voraus, dass diese Mittel durch auskömmliche Versorgungsentgelte erwirtschaftet werden können (vgl. im Einzelnen Senatsurteil vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, aaO Rn. 27 ff.).
81
(b) Dieser Zielsetzung des nationalen Energiewirtschaftsrechts, die mit derjenigen des europäischen Energiewirtschaftsrechts übereinstimmt (vgl. EuGH, Rs. C-92/11, aaO Rn. 46 - RWE Vertrieb AG; Rs. C-359/11 und C-400/11, aaO Rn. 44 - Schulz und Egbringhoff; Schlussanträge des Generalanwalts in der Rs. C-359/11 und C-400/11, juris Rn. 55), liefe es zuwider, wenn der Grundversorger Kostensteigerungen nicht an den Kunden weitergeben könnte, sondern diese selbst zu tragen und den Kunden weiterhin zu dem ursprünglichen Preis zu beliefern hätte. Angesichts der Entwicklung der Energiepreise entstünde dadurch bei langfristigen Versorgungsverträgen regelmäßig ein gravierendes Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung. Dies wäre unbillig und würde dem Kunden einen unverhofften und ungerechtfertigten Gewinn verschaffen. Dies entspräche auch nicht dem objektiv zu ermittelnden hypothetischen Parteiwillen (vgl. Senatsurteile vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, aaO Rn. 26 mwN; vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, aaO Rn. 35 f.).
82
(5) Bei angemessener, objektiv-generalisierender Abwägung ihrer Interessen hätten die Vertragsparteien daher nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart, dass die Klägerin berechtigt sein soll, Kostensteigerungen ihrer eigenen (Bezugs-)Kosten während der Vertragslaufzeit an den Beklagten weiterzugeben, und sie verpflichtet ist, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen.
83
Dieser ergänzenden Vertragsauslegung steht nicht entgegen, dass die Vertragsparteien im Tarifkundenverhältnis wegen der durch die Rechtsnormen der AVBGasV bestimmten Vertragsbedingungen in ihrer Freiheit, Vereinbarungen zu treffen, stark eingeschränkt sind (vgl. BGH, Urteile vom 16. März1978 - VII ZR 73/77, WM 1978, 730 unter 2 a; vom 24. März 1988 - VII ZR 81/87, NJW-RR 1988, 1427 unter III 1; Schmidt-Salzer in Hermann/Recknagel/ Schmidt-Salzer, Kommentar zu den Allgemeinen Versorgungsbedingungen, 1981, Band 1, Einleitung Rn. 24; Danner/Theobald/Eder, aaO, § 36 EnWG Rn. 57, 59, 63 ff. mwN). Denn das Recht zur Weitergabe von Kostensteigerungen ist aus den oben ausgeführten Gründen dem Energiewirtschaftsrecht wie auch der AVBGasV immanent.
84
Ohne diese gebotene ergänzende Vertragsauslegung könnte sich der Grundversorger in derartig gelagerten Fällen - auch in Ansehung seiner verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit (vgl. BVerfG, NJW 2011, 1339, 1341) - darauf berufen, dass die Versorgung des Kunden zu dem Ausgangspreis für ihn eine unzumutbare Härte darstelle (vgl. Senatsurteil vom 23. Januar 2013 - VIII ZR 80/12, NJW 2013, 991 Rn. 37; vgl. auch BGH, Urteil vom 10. Oktober 2012 - IV ZR 10/11, BGHZ 195, 93 Rn. 80). In solchen Fällen könnten zudem die Voraussetzungen einer ausnahmsweise zum Wegfall der Grundversorgungspflicht führenden Unzumutbarkeit der Grundversorgung gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 EnWG 2005 gegeben sein. Dies wiederum stünde angesichts der Vielzahl der hiervon möglicherweise betroffenen Tarifkundenverträge (Grundversorgungsverträge ) insbesondere nicht im Einklang mit der durch das EnWG 2005 bezweckten Sicherheit der Energieversorgung.
85
(6) Da sich das aus der vorbezeichneten ergänzenden Vertragsauslegung ergebende Preisänderungsrecht der Klägerin allein auf die Weitergabe von (Bezugs-)Kostensteigerungen und -senkungen beschränkt, ist davon auszugehen , dass die Parteien die wirksame Ausübung dieses Rechts vernünftigerweise an keine weiteren als die in § 4 Abs. 2 AVBGasV genannten Voraussetzungen geknüpft hätten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind diese Voraussetzungen hier erfüllt.
86
Der Klägerin steht somit infolge ergänzender Vertragsauslegung des Gaslieferungsvertrags der Parteien ein Preisänderungsrecht in dem oben genannten Umfang mit der Folge zu, dass der berechtigterweise erhöhte Preis zum vereinbarten Preis wird. Gegen die bis zum 1. Januar 2005 - mithin vor dem hier verfahrensgegenständlichen Zeitraum - erfolgten Änderungen des Arbeitspreises erhebt die Revision keine Einwände.
87
(7) Von dem infolge ergänzender Vertragsauslegung bestehenden Preisänderungsrecht nicht erfasst sind hingegen Preiserhöhungen, die über die bloße Weitergabe von (Bezugs-)Kostensteigerungen hinausgehen und der Erzielung eines (zusätzlichen) Gewinns dienen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 - KZR 27/13, NJW 2014, 3089 Rn. 23, 27, zu § 315 BGB). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Kunde die Preiserhöhung nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung , in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.
88
(a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats ist bei einem (Norm-)Sonderkundenvertrag, wenn es sich um ein langjähriges Energielieferungsverhältnis handelt, der Kunde (unwirksamen) Preiserhöhungen über einen längeren Zeitraum hinweg nicht widersprochen hat und nunmehr auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht, die durch die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel oder deren unwirksame Einbeziehung entstandene Regelungslücke regelmäßig im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahin zu füllen, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat (Senatsurteile vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, aaO Rn. 21, 25, und VIII ZR 93/11, ZNER 2012, 265 Rn. 30; vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, aaO Rn. 37 mwN).
89
Dies gilt sowohl im Falle der Rückforderung als auch im Falle der Restforderung von Entgelt für Energielieferungen (Senatsurteile vom 14. März 2012 - VIII ZR 93/11, aaO Rn. 29; vom 25. März 2015 - VIII ZR 360/13, juris Rn. 33, und VIII ZR 109/14, juris Rn. 34) und hat zur Folge, dass an die Stelle des wegen der Unwirksamkeit oder der unwirksamen Einbeziehung der Preisanpassungsklausel auf dem Niveau bei Vertragsschluss verharrenden (Anfangs-) Preises nun die letzte Preiserhöhung des Versorgungsunternehmens tritt, der der Kunde nicht rechtzeitig widersprochen hat, mithin der danach maßgebliche Preis endgültig an die Stelle des Anfangspreises tritt (Senatsurteil vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, aaO).
90
(b) Diese Grundsätze haben im hier gegebenen Fall der ergänzenden Vertragsauslegung des Tarifkundenvertrages in gleicher Weise zu gelten. Denn es besteht kein sachlicher Grund, den Grundversorger insoweit anders zu behandeln als den Energieversorger im (Norm-)Sonderkundenbereich, der weder den mit der Grundversorgung verbundenen wirtschaftlichen Erschwernissen (siehe oben unter II 2 f cc (1)) ausgesetzt ist noch - mangels wirksamer Preisanpassungsklausel - zur Preiserhöhung berechtigt war. Eine andere Beurteilung entspräche zudem auch nicht dem objektiv zu ermittelnden hypothetischen Willen der Parteien des Tarifkundenvertrags.
91
3. Erfolglos rügt die Revision, die von der Klägerin vorgenommenen Preiserhöhungen entsprächen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht der Billigkeit. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, dass es hier bei zutreffender Betrachtung nicht um die Frage der Billigkeit der Preiserhöhung geht, sondern um die Preisbildung im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung , bei der es Aufgabe des Gerichts ist zu prüfen, ob die Preiserhöhungen der Klägerin deren (Bezugs-)Kostensteigerungen (hinreichend) abbilden.
92
a) Die Revision beanstandet, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft nur Beweis durch die Vernehmung von (sachkundigen) Zeugen erhoben und eine weitergehende Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 287 Abs. 2 ZPO abgelehnt. Es gehe vorliegend aber nicht um die - einer Schätzung zugängliche - Höhe der streitigen Forderung der Klägerin, sondern um die konkreten Anknüpfungstatsachen für die Ausübung des Ermessens, auf die § 287 Abs. 2 ZPO nicht anwendbar sei.
93
b) Diese Rüge greift nicht durch. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei - wenn auch unter dem Blickwinkel der Billigkeit nach § 315 BGB - die Voraussetzungen einer Anwendung des § 287 Abs. 2 ZPO hinsichtlich der Prüfung, ob die Preiserhöhungen der Klägerin aus (Bezugs-)Kostensteigerungen herrühren, als gegeben erachtet.
94
aa) Nach § 287 Abs. 2 ZPO sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen als der Schadensermittlung die Vorschriften des § 287 Abs. 1 Satz 1, 2 ZPO entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen. In diesem Fall entscheidet das Gericht über die Höhe der Forderung unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung (§ 287 Abs. 2 i.V.m. § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO), und es bleibt seinem Ermessen überlassen, ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme anzuordnen ist (§ 287 Abs. 2 i.V.m. § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
95
Die somit vom Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, ob und inwieweit er eine Beweisaufnahme durchführt, unterliegt nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht darauf, ob das Berufungsgericht von unzutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen ist, ob für seine Entscheidung grundsätzlich falsche oder offenbar unsachliche Erwägungen maßgebend waren oder ob wesentliche entscheidungserhebliche Tatsachen außer Acht gelassen wurden (vgl. BGH, Urteile vom 7. Oktober 2009 - I ZR 230/06, juris Rn. 30; vom 24. September 2014 - VIII ZR 394/12, BGHZ 202, 258 Rn. 74; Musielak/Voit/Foerste, ZPO, 12. Aufl., § 287 Rn. 10, 10b).
96
bb) Dieser rechtlichen Überprüfung hält die Entscheidung des Berufungsgerichts stand. Entgegen der Auffassung der Revision durfte das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler von der Einholung eines Sachverständigengutachtens absehen.
97
(1) Das Berufungsgericht hat zutreffend eine Schätzung nach § 287 Abs. 2 in Verbindung mit § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgenommen, ob die ver- fahrensgegenständlichen Preiserhöhungen auf (Bezugs-)Kostensteigerungen beruhen und ihnen keine Einsparungen in anderen Kostenpositionen gegenüberstehen. Die hierzu erforderlichen Anknüpfungstatsachen hat es durch Vernehmung mehrerer sachkundiger Zeugen gewonnen. Hierbei handelte es sich um zwei mit der Prüfung der vorbezeichneten Fragen befasste (externe) Wirtschaftsprüfer sowie um den Leiter des Finanz- und Rechnungswesens der Klägerin und ihren ehemaligen Center-Leiter Energie- und Wasserwirtschaft.
98
Wenn das Berufungsgericht bereits auf dieser Grundlage im Rahmen des § 287 Abs. 2 ZPO, dessen Voraussetzungen es zutreffend bejaht hat, zu der Überzeugung gelangt ist, dass die von der Klägerin vorgetragenen Bezugskostensteigerungen tatsächlich in diesem Umfang erfolgt sind und ihnen keine Einsparungen in anderen Kostenpositionen gegenüberstehen, durfte es rechtsfehlerfrei davon absehen, auch noch den von der Klägerin zusätzlich beziehungsweise hilfsweise angebotenen Sachverständigenbeweis zu erheben.
99
(2) Entgegen der Auffassung der Revision gilt für den von ihr - ohne nähere Bezeichnung des Beweisthemas - angeführten Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Zwecke des Gegenbeweises nichts anderes.
100
Zwar darf nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Beweisantrag nicht deshalb abgelehnt werden, weil das Gericht das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits als erwiesen ansieht (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 17. Februar 1970 - III ZR 139/67, BGHZ 53, 245, 259 f.; Beschluss vom 16. April 2015 - IX ZR 195/14, juris Rn. 9; jeweils mwN). Das Berufungsgericht durfte hier indes im Rahmen des § 287 Abs. 2 ZPO von der Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Zwecke des Gegenbeweises absehen, da der Beklagte die vorbezeichneten Anknüpfungstatsachen nicht qualifiziert angegriffen hat (vgl. hierzu Musielak/Voit/Foerste, aaO Rn. 10; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. April 1997 - X ZR 2/96, NJW-RR 1998, 331 unter III 1 und 3). Das von der Revision insoweit in Bezug genommene Vorbringen des Beklagten in den Tatsacheninstanzen ist zudem nur hinsichtlich der von dem Beklagten generell in Frage gestellten Zulässigkeit einer Bindung des Gaspreises an den Ölpreis und nicht hinsichtlich der vom Berufungsgericht konkret für maßgeblich erachteten Anknüpfungstatsachen mit einem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens unterlegt.
101
c) Ebenfalls ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen den vom Berufungsgericht im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 315 BGB gewählten Beurteilungsmaßstab einer Gesamtbetrachtung des Gaswirtschaftsjahres.
102
aa) Soweit die Revision meint, richtigerweise müsse jede einzelne Tariferhöhung der Billigkeit entsprechen, kommt es hierauf nicht entscheidend an. Denn, wie oben unter II 3 bereits ausgeführt, geht es im Streitfall nicht um die Frage der Billigkeit der Preiserhöhungen (§ 315 BGB), sondern um die Preisbildung im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung. Aus diesem Grund bedarf auch der vom Berufungsgericht aufgezeigte Meinungsstreit der Instanzgerichte , ob im Falle der Beanstandung mehrerer Preiserhöhungen jede Preiserhöhung für sich genommen - gegebenenfalls unter zusätzlicher Berücksichtigung nicht ausgeschöpfter Bezugskostensteigerungen früherer Erhöhungen - an § 315 BGB zu messen ist (vgl. OLG Celle, ZNER 2011, 63 Rn. 37 ff.; LG Köln, Urteil vom 14. August 2009 - 90 O 41/07, juris Rn. 22 ff.) oder ob eine Gesamtbetrachtung für einen bestimmten Zeitraum - gegebenenfalls unter zusätzlicher Berücksichtigung der in näherer Zukunft erwarteten Preisentwicklung - vorzunehmen ist (vgl. OLG München, Urteil vom 1. Oktober 2009 - U (K) 3772/08, juris Rn. 43; OLG Koblenz, Urteil vom 12. April 2010 - 12 U 18/08, juris Rn. 12; vgl. auch Senatsurteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, BGHZ 172, 315 Rn. 25; vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, aaO Rn. 34 f.), keiner Entscheidung.
103
bb) Bei der Beurteilung, ob die Preiserhöhungen des Energieversorgers unter Berücksichtigung der Schätzungsmöglichkeit nach § 287 Abs. 2 in Verbindung mit § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO dessen (Bezugs-)Kostensteigerungen (hinreichend) abbilden, steht dem Tatrichter - ähnlich wie bei der Prüfung der Billigkeit gemäß § 315 Abs. 3 BGB (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 - EnZR 23/09, aaO Rn. 39 mwN) - ein Ermessen zu. Dessen Ausübung unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung darauf, ob sie auf grundsätzlich falschen oder offenbar unrichtigen Erwägungen beruht, erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Bemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder der Schätzung unrichtige Maßstäbe zu Grunde gelegt wurden (vgl. BGH, Urteile vom 9. Juni 2009 - VI ZR 110/08, BGHZ 181, 242 Rn. 10; vom 4. November 2010 - III ZR 45/10, NJW 2011, 852 Rn. 18; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 37/11, NJW 2012, 2267 Rn. 9; jeweils mwN; Musielak/ Voit/Foerste, aaO Rn. 10b; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 36. Aufl., § 287 Rn. 11).
104
cc) Hiervon ausgehend erweist sich die Annahme des Berufungsgerichts, für die Beurteilung der Preiserhöhungen sei auf das Gaswirtschaftsjahr abzustellen , im Ergebnis als rechtsfehlerfrei. Das Berufungsgericht hat im Rahmen seiner ausführlichen Würdigung der für und gegen eine auf das Gaswirtschaftsjahr bezogene Gesamtbetrachtung sprechenden Gesichtspunkte zu Recht hervorgehoben , dass dem Energieversorgungsunternehmen bei der Weitergabe von (Bezugs-)Kostensteigerungen - auch mit Blick auf die oftmals nicht sicher voraussehbare Entwicklung der Bezugskosten - ein Ermessensspielraum zuzubilligen ist.
105
Diese für die hier gebotene ergänzende Vertragsauslegung in gleicher Weise geltende Erwägung berücksichtigt zutreffend, dass es bei einem Massengeschäft wie dem Tarifkundenvertrag - auch unter Berücksichtigung von Praktikabilitätsgesichtspunkten - im Interesse beider Vertragsparteien liegt, eine Weitergabe von Kostensenkungen und Kostenerhöhungen nicht - was regelmäßig mit einem die Energieversorgung unnötigerweise verteuernden hohen Aufwand verbunden wäre - tagesgenau vorzunehmen, sondern auf die Kostenentwicklung in einem gewissen Zeitraum abzustellen.
106
Wie lange der Zeitraum für die vorbezeichnete Gesamtbetrachtung bemessen sein muss, lässt sich nicht generell bestimmen, sondern bedarf der Beurteilung des Tatrichters auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls. In den meisten Fällen wird jedoch der vom Berufungsgericht hier gewählte Rahmen des Gaswirtschaftsjahres ein geeigneter Prüfungsmaßstab sein.
107
4. Nach alledem hat das Berufungsgericht die streitgegenständlichen Preiserhöhungen der Klägerin im Ergebnis zutreffend für berechtigt erachtet und ihr die Klageforderung zugesprochen. Da sich das Preiserhöhungsrecht hier aus der ergänzenden Vertragsauslegung des Gaslieferungsvertrages der Parteien ergibt mit der Folge, dass es sich bei den nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf Kostensteigerungen beruhenden Preiserhöhungen um den vereinbarten Gaspreis handelt, ist für eine zusätzliche Billigkeitskontrolle gemäß § 315 BGB kein Raum. Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Fetzer Dr. Bünger Kosziol
Vorinstanzen:
LG Dortmund, Entscheidung vom 20.08.2009 - 13 O 179/08 Kart -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 21.12.2011 - VI-3 U (Kart) 4/11 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 208/12 Verkündet am:
9. Dezember 2015
Ermel,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2015:091215UVIIIZR208.12.0

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. Dezember 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger sowie die Richter Dr. Achilles, Dr. Schneider, Dr. Bünger und Kosziol

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 13. Juni 2012 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin, die in Viersen die Grundversorgung mit Erdgas durchführt, belieferte die dort wohnende Beklagte leitungsgebunden mit Erdgas.
2
Die Klägerin versorgt Erdgaskunden, mit denen sie keine Sondervereinbarung getroffen hat, im Rahmen ihrer "Allgemeinen Erdgastarife" nach einer "Bestabrechnung", die sich nach dem kostengünstigsten Tarif für die individuelle jährliche Abnahmemenge des Kunden richtet. Auf dieser Grundlage rechnete die Klägerin auch gegenüber der Beklagten ab. Sie nahm während der Zeit des Gasbezugs durch die Beklagte Preisanpassungen vor und machte diese öffentlich bekannt. Seit Inkrafttreten der GasGVV am 8. November 2006 unterrichtete sie zudem die Beklagte über die Preisanpassungen jeweils auch brieflich, ohne dabei auf ein Kündigungsrecht der Beklagten aus Anlass der Preisanpassungen hinzuweisen. Die Beklagte widersprach den Preiserhöhungen erstmals mit Schreiben vom 5. Oktober 2006 und bezahlte seit diesem Zeitpunkt das Entgelt nur auf der Grundlage des bis dahin geltenden Gaspreises.
3
Die Klägerin, die die Beklagte als Tarifkundin ansieht und geltend macht, ihre jeweils auf § 4 AVBGasV beziehungsweise § 5 GasGVV aF gestützten Preiserhöhungen hätten der Billigkeit entsprochen, weil sie dabei ausschließlich ihre gestiegenen Gasbezugskosten weitergegeben habe, verlangt von der Beklagten das restliche Entgelt für die Erdgaslieferungen in der Zeit vom 7. September 2005 bis zum 8. September 2010 in Höhe von 5.027,46 € nebst Zinsen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
4
Der Senat hat das vorliegende Verfahren mit Beschluss vom 19. Februar 2013 gemäß § 148 ZPO analog im Hinblick auf das beim Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) damals aufgrund des Vorlagebeschlusses des Senats gemäß Art. 267 AEUV im Verfahren VIII ZR 71/10 anhängige Verfahren C-359/11 ausgesetzt. In diesem Verfahren ist am 23. Oktober 2014 die Entscheidung des Gerichtshofs ergangen (C-359/11 und C-400/11, NJW 2015, 849 - Schulz und Egbringhoff).

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision hat Erfolg.

I.

6
Das Berufungsgericht (OLG Düsseldorf, RdE 2012, 294) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
7
Zwischen den Parteien bestehe ein durch faktischen Gasbezug zustande gekommener "Grundtarifvertrag". Auch wenn die Klägerin mehrere Grundtarife vorgesehen und die Beklagte nach einem "Bestpreismodell" in den jeweils günstigsten Tarif eingeordnet habe, habe diese die Belieferung nicht als Sonderkundenvertrag verstehen können.
8
Der weiteren Beurteilung des Landgerichts, wonach die Klägerin das ihr eingeräumte Preisänderungsrecht beanstandungsfrei ausgeübt habe, seiindes nicht beizupflichten. Zwar stehe dem Gasversorger das Recht zu, die Abgabepreise nach billigem Ermessen einseitig zu ändern (§ 315 BGB), wobei unter anderem Senkungen der Bezugskosten ebenso zu berücksichtigen seien wie Kostenerhöhungen. Das Preisanpassungsrecht des Grundversorgers sei den Bestimmungen des § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV sowie der Nachfolgebestimmung des § 5 Abs. 2 GasGVV zu entnehmen, sofern diese mit der Gas-Richtlinie 2003/55/EG in Einklang stünden. Andernfalls wäre dem Grundversorger ein Preisanpassungsrecht jedenfalls bei "Grundtarifverträgen" im Wege ergänzender Vertragsauslegung zuzuerkennen, denn die Pflicht zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung gemäß § 36 Abs. 1 EnWG sei nur zumutbar, wenn sie mit einer Berechtigung zur Preisanpassung einhergehe.
9
Gleichviel ob das Preisanpassungsrecht auf § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV, § 5 Abs. 2 GasGVV oder auf einer ergänzenden Vertragsauslegung beruhe, hätten jedoch die Mitgliedstaaten und deren Behörden, zu denen auch die Klägerin als Kommunalunternehmen gehöre, sowie die Gerichte jedenfalls nach Ablauf der Frist zur Umsetzung einer Unionsrichtlinie die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten. Dies habe, wenn die Richtlinienbestimmungen inhaltlich nicht hinreichend genau und unbedingt seien, durch eine richtlinienkonforme Auslegung der nationalen Rechtsvorschriften zu erfolgen, sofern diese für eine solche Auslegung Raum ließen. Im Streitfall habe die Umsetzungsfrist der Gas-Richtlinie am 1. Juli 2004 geendet, mithin vor Beginn des Anspruchszeitraums. Dies eröffne eine richtlinienkonforme Auslegung.
10
Die Gas-Richtlinie sehe in Anhang A Buchst. c [gemeint wohl: Buchst. b] unter anderem vor, dass die Kunden rechtzeitig über eine beabsichtigte Änderung der Vertragsbedingungen und dabei über ihr Rücktrittsrecht (Kündigungsrecht ) unterrichtet werden. Dieses Erfordernis beziehe sich entgegen der Ansicht der Klägerin auf sämtliche Geschäftsbedingungen, zu denen als besonders wichtiges Kriterium auch der Gaspreis und namentlich dessen Erhöhung gehöre.
11
Zwar seien die Vorgaben der Gas-Richtlinie weder in der AVBGasV noch in der GasGVV vollständig umgesetzt worden. Eine Belehrung der Tarifkunden über ihr Kündigungsrecht bei Preisänderungen (§ 32 Abs. 1, 2 AVBGasV, § 5 Abs. 3 GasGVV) sei nicht vorgesehen. Dieses Erfordernis sei jedoch im Wege richtlinienkonformer Auslegung in die Bestimmungen der AVBGasV und der GasGVV hineinzulesen und bei der ergänzenden Vertragsauslegung zu berücksichtigen. Der Verordnungswortlaut stehe dem nicht entgegen. Gegebenenfalls widerstreitende Motive des nationalen Gesetzgebers seien wegen des vorrangigen Richtlinienrechts der Union unbeachtlich.
12
Daran gemessen seien die Voraussetzungen für Erhöhungen des Gaspreises hier nicht erfüllt. Haushaltskunden wie die Beklagte seien zu keinem Zeitpunkt auf ihr Kündigungsrecht, das nicht ohne Weiteres als bekannt vorauszusetzen sei, hingewiesen worden. Außerdem habe die Klägerin lediglich selektiv unmittelbar (brieflich) über die Preiserhöhungen unterrichtet. Wegen dieser Mängel seien die Preiserhöhungen nicht durchsetzbar.

II.

13
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die auf Zahlung des Restkaufpreises für die im streitgegenständlichen Zeitraum erbrachten Gaslieferungen (§ 433 Abs. 2 BGB) gerichtete Klage nicht abgewiesen werden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts scheitern die von der Klägerin vorgenommenen Preisanpassungen nicht daran, dass sie die Beklagte bei der Mitteilung der Preiserhöhungen nicht auf deren Kündigungsrecht hingewiesen hat.
14
Das Berufungsgericht hat den Gaslieferungsvertrag der Parteien zwar zutreffend als Tarifkundenvertrag (jetzt: Grundversorgungsvertrag) angesehen. Auch war die Klägerin - anders als der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung angenommen hat - nicht schon gemäß § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV beziehungsweise seit dem 8. November 2006 - gemäß § 5 Abs. 2 GasGVV in der bis zum 29. Oktober 2014 geltenden Fassung vom 26. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2931; im Folgenden: GasGVV aF) zu einer Erhöhung des Arbeitspreises berechtigt. Denn diesen Vorschriften kann, wie der Senat in seinen Urteilen vom 28. Oktober 2015 (VIII ZR 158/11, ZIP 2015, 2226 [zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt], und VIII ZR 13/12, juris) im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofs vom 23. Oktober 2014 (C-359/11, C-400/11, NJW 2015, 849 - Schulz und Egbringhoff) entschieden hat, ein gesetzliches Preisanpassungsrecht des Energieversorgers jedenfalls für die Zeit ab dem 1. Juli 2004 nicht (mehr) entnommen werden.
15
Jedoch ergibt sich nach den vom Senat in den beiden vorbezeichneten Urteilen vom 28. Oktober 2015 entwickelten Grundsätzen aus einer gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) des Gaslieferungsvertrages der Parteien, dass die Klägerin berechtigt ist, Kostensteigerungen ihrer eigenen (Bezugs-)Kosten während der Laufzeit des Vertrages an die Beklagte weiterzugeben, und dass sie verpflichtet ist, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Ob hiervon ausgehend die Klägerin zu den streitgegenständlichen Preiserhöhungen berechtigt war, lässt sich anhand der vom Berufungsgericht bisher getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen.
16
1. Das Berufungsgericht hat die Beklagte zu Recht als Tarifkundin angesehen. Es ist in rechtsfehlerfreier Anwendung der Rechtsprechung des Senats (zuletzt Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 17 f., und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 20 f.; jeweils mwN) zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich bei dem mit Aufnahme der Versorgung zwischen den Parteien abgerechneten Tarif um Allgemeine Preise im Sinne von § 36 Abs. 1, § 39 Abs. 1 EnWG 2005 gehandelt hat. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers die Versorgung zu den vorstehenden, von ihr öffentlich bekannt gemachten Bedingungen und Preisen im Rahmen einer Versorgungspflicht nach den genannten Vorschriften und nicht unabhängig davon im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit angeboten hat, lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
17
Insbesondere steht es der Einstufung des Vertragsverhältnisses der Parteien als Tarifvertrag nicht entgegen, dass die Klägerin unterschiedliche Tarife anbietet, wobei sich der jeweils zur Abrechnung kommende Preis nach dem für die individuelle Abnahmemenge kostengünstigsten Versorgungstarif richtet. Nach der Rechtsprechung des Senats steht es einem Energieversorgungsunternehmen auch im Rahmen der Grundversorgung frei, verschiedene Tarife anzubieten, und zwar auch solche, bei denen - wie hier - die Tarifeinstufung automatisch nach dem Prinzip der Bestpreisabrechnung erfolgt (zuletzt Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 18, und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 21; jeweils mwN).
18
2. Wie der Senat - nach Erlass des Berufungsurteils - in seinen Urteilen vom 28. Oktober 2015 (VIII ZR 158/11, aaO Rn. 21 ff., insbesondere Rn. 33, und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 23 ff., insbesondere Rn. 35) entschieden hat, kann an seiner früheren Rechtsprechung zum gesetzlichen Preisänderungsrecht gemäß § 4 Abs. 2 AVBGasV, § 5 Abs. 2 GasGVV aF angesichts des auf Vorlage des Senats ergangenen Urteils des Gerichtshofs vom 23. Oktober 2014 (C-359/11 und C-400/11, aaO - Schulz und Egbringhoff) jedenfalls für die Zeit nach Ablauf der gemäß Art. 33 Abs. 1 der Gas-Richtlinie 2003/55/EG bis zum 1. Juli 2004 reichenden Frist zu deren Umsetzung nicht mehr festgehalten werden.
19
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts können die Richtlinienbestimmungen und die darin an Preisanpassungen normierten Anforderungen allerdings auch nicht mit Ablauf der Umsetzungsfrist im Wege richtlinienkonformer Auslegung in § 4 Abs. 2 AVBGasV, § 5 Abs. 2 GasGVV aF "hineingelesen" werden. Denn nicht (fristgerecht) umgesetzte Richtlinien der Europäischen Union können zur Auslegung oder Fortbildung des nationalen Rechts nur insoweit herangezogen werden, als dieses dafür Raum gibt. Zudem entfalten sie bei Fehlen dieser Möglichkeit im nationalen Recht keine unmittelbaren Wirkungen in einem ausschließlich zwischen Privaten bestehenden Rechtsverhältnis.
20
a) Zu erstgenanntem Gesichtspunkt ist der Senat in seinen Urteilen vom 28. Oktober 2015 (VIII ZR 158/11, aaO Rn. 34 ff., und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 36 ff.) zu dem Ergebnis gelangt, dass sich ein Recht des Gasversorgers zur einseitigen Änderung der Preise, welches den Transparenzanforderungen der Gas-Richtlinie nach Maßgabe der für den Senat bindenden Auslegung des Gerichtshofs entspricht, nicht aus einer richtlinienkonformen Auslegung oder einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung des § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV oder der die Grundversorgung betreffenden Vorschriften des der AVBGasV zugrunde liegenden und ihr übergeordneten Energiewirtschaftsgesetzes - für § 5 Abs. 2 GasGVV aF gilt Entsprechendes - herleiten lässt. Eine solche, insbesondere auch im Wortlaut der genannten Bestimmungen nicht angelegte Bedeutung würde - wie dort im Einzelnen ausgeführt - ihnen ein Verständnis beimessen, das dem erkennbaren Willen des (nationalen) Gesetz- und Verordnungsgebers entgegenstünde. Denn insbesondere im Verordnungsgebungsverfahren ist deutlich geworden, dass zum einen dem Informationsinteresse des Gaskunden im Hinblick auf die Besonderheiten der Grundversorgung und aus Gründen der Rechtssicherheit Grenzen gesetzt und zum anderen ein Bedürfnis zur Transparenz nur hinsichtlich des Umfangs einer Preisänderung und nicht darüber hinaus anerkannt werden sollten (Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 59, und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 61).
21
b) Ebenso wenig liegen die in den Senatsurteilen vom 28. Oktober 2015 (VIII ZR 158/11, aaO Rn. 63 ff., und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 65 ff.; jeweils mwN) näher dargestellten Voraussetzungen vor, unter denen eine unmittelbare Anwendung der Transparenzanforderungen der Gas-Richtlinie auf die zwischen den Parteien bestehende Lieferbeziehung in Betracht kommt. Zwar hat das Berufungsgericht die Klägerin, bei der es sich um ein Kommunalunternehmen in der Rechtsform der GmbH handelt, als "Behörde" angesehen. Ungeachtet der Frage, ob die Transparenzanforderungen der Gas-Richtlinie die für eine unmit- telbare Anwendung erforderliche inhaltliche Unbedingtheit und hinreichende Genauigkeit aufweisen, ist jedoch weder festgestellt noch sonst ersichtlich, dass es sich bei der Klägerin um eine in der dafür erforderlichen Weise dem Staat zuzurechnende Organisation oder Einrichtung handelt, insbesondere dass die Klägerin bei der Erbringung ihrer Versorgungsleistungen mit (besonderen ) Rechten und Pflichten versehen sein sollte, die über diejenigen hinausgehen , welche sich aus den ansonsten auf diesem Gebiet für die Beziehungen zwischen Privatpersonen geltenden Vorschriften ergeben (vgl. EuGH, Urteile vom 12. Juli 1990 - C-188/89, Slg. 1990, I-3313 Rn. 17 ff. - Foster u.a.; vom 4. Dezember 1997 - C-253/96 bis C-258/96, Slg. 1997, I-6907 Rn. 46 f. - Kampelmann u.a.; vom 5. Februar 2004- C-157/02, Slg. 2004, I-1515 Rn. 24 - Rieser Internationale Transporte; vom 24. Januar 2012 - C-282/10, NJW 2012, 509 Rn. 39 - Dominguez; jeweils mwN). Übergangenen Tatsachenvortrag zeigt die Revisionserwiderung insoweit nicht auf.
22
c) Die Klage ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht deshalb unbegründet, weil die Klägerin über die streitigen Preiserhöhungen "lediglich selektiv unmittelbar (brieflich)" unterrichtet habe. Der Verordnungsgeber hat zwar bei der Schaffung der GasGVV zusätzlich zu der bereits in § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV enthaltenen Wirksamkeitsvoraussetzung der öffentlichen Bekanntmachung der Preisänderung unter anderem eine Verpflichtung des Gasversorgers geschaffen, zeitgleich mit der öffentlichen Bekanntgabe der Preisänderungen diese auch auf seiner Internetseite zu veröffentlichen und eine briefliche Mitteilung an den Kunden zu versenden (§ 5 Abs. 2 Satz 2 GasGVV aF). Dies ist hingegen nicht als ein weiteres Wirksamkeitserfordernis ausgestaltet , sondern dient lediglich der erleichterten Kenntnisnahme durch den Kunden (Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 51, und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 53). Ohnehin hat die Klägerin die Beklagte nach den Feststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, nach Inkrafttreten der GasGVV zusätzlich zur öffentlichen Bekanntgabe unstreitig auch per Brief über die jeweiligen Preisanpassungen unterrichtet.
23
3. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils in seinen Urteilen vom 28. Oktober 2015 (VIII ZR 158/11, aaO Rn. 66 ff., und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 68 ff.) entschieden hat, ergibt sich aus der gebotenen und sich an dem objektiv zu ermittelnden hypothetischen Willen der Vertragsparteien auszurichtenden ergänzenden Auslegung (§§ 157, 133 BGB) eines - wie hier - auf unbestimmte Dauer angelegten Gaslieferungsvertrags, dass der Grundversorger berechtigt ist, Steigerungen seiner Bezugskosten, soweit diese nicht durch Kostensenkungen in anderen Bereichen ausgeglichen werden, während der Vertragslaufzeit an seine Kunden weiterzugeben, und er verpflichtet ist, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen.
24
Der Klägerin steht somit infolge ergänzender Vertragsauslegung des Gaslieferungsvertrags der Parteien ein Preisänderungsrecht, dessen wirksame Ausübung nicht an die Unterrichtung der Beklagten über ihr Kündigungsrecht gebunden ist, in dem vorstehend beschriebenen Umfang zu, so dass der berechtigterweise erhöhte Preis zum vereinbarten Preis wird. Ausgangspunkt dafür ist der zuletzt vor dem 7. September 2005 - dem Beginn des hier streitigen Versorgungszeitraums - geltende Arbeitspreis, denn zuvor erfolgte Preisanpassungen hat die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in Frage gestellt (vgl. Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 84, und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 86). Von dem Preisänderungsrecht allerdings nicht erfasst sind Preiserhöhungen, die über die bloße Weitergabe von (Bezugs-)Kostensteigerungen hinausgehen und der Erzielung eines (zusätzlichen ) Gewinns dienen (Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 85, und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 87; jeweils mwN). Hierzu hat das Beru- fungsgericht - nach seinem Standpunkt folgerichtig - keine Feststellungen getroffen.

III.

25
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache wird, da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Bünger Kosziol
Vorinstanzen:
LG Mönchengladbach, Entscheidung vom 15.09.2011 - 6 O 61/11 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 13.06.2012 - VI-2 U (Kart) 10/11 -

(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZR 236/10
vom
24. Januar 2012
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 148; AEUV Art. 267

a) Die Aussetzung des Verfahrens ist in entsprechender Anwendung von § 148
ZPO auch ohne gleichzeitiges Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof
der Europäischen Union grundsätzlich zulässig, wenn die Entscheidung
des Rechtsstreits von der Beantwortung derselben Frage abhängt, die
bereits in einem anderen Rechtsstreit dem Gerichtshof der Europäischen
Union zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV vorgelegt wurde (Anschluss
an BAG, NJW 2011, 1836; BAG, Beschlüsse vom 5. Juni 1984,
3 AZR 168/81, juris Rn. 2 f.; vom 6. November 2002, 5 AZR 279/01 (A), juris;
BPatG, GRUR 2002, 734 f.; Fortführung von BGH, Beschlüsse vom 25. März
1998 - VIII ZR 337/97, NJW 1998, 1957; vom 18. Juli 2000 - VIII ZR 323/99,
RdE 2001, 20; vom 30. März 2005 - X ZB 26/04, BGHZ 162, 373, 378;
BVerfG, NJW 2000, 1484, 1485).

b) Eine Aussetzung nach § 148 ZPO (analog) ist auch im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
möglich (Anschluss an BGH, Beschluss vom 6. April
2004 - X ZR 272/02, BGHZ 158, 372, 374 f.)
BGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 - VIII ZR 236/10 - OLG Koblenz
LG Koblenz
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Januar 2012 durch
den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterinnen Dr. Milger, Dr. Hessel und
Dr. Fetzer sowie den Richter Dr. Bünger

beschlossen:
Das vorliegende Verfahren wird gemäß § 148 ZPO analog bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem dort anhängigen Verfahren C-359/11 ausgesetzt.

Gründe:

I.

1
Die Klägerin bezieht von der Beklagten, einem regionalen Gasversorgungsunternehmen , seit 1998 leitungsgebunden Erdgas für ihren privaten Haushalt und wendet sich im Wege der Feststellungsklage gegen mehrere Gaspreisanpassungen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben.
2
Das Berufungsgericht hat - ebenso wie das Landgericht - die Klägerin als Tarifkundin qualifiziert und vor diesem Hintergrund angenommen, dass der Beklagten ein einseitiges Preisänderungsrecht gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV beziehungsweise § 5 Abs. 2 GasGVV zugestanden habe. Eine Billigkeitskontrolle der angegriffenen Preiserhöhungen hat das Berufungsgericht abgelehnt, da die Klägerin den einseitigen Preisanpassungen der Beklagten nicht innerhalb angemessener Zeit widersprochen habe.
3
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde wendet sich die Klägerin zunächst unter verschiedenen Gesichtspunkten gegen die Qualifikation des Vertragsverhältnisses als Tarifkundenvertrag und bezweifelt ferner, ob die im Tarifkundenverhältnis geltenden gesetzlichen Preisänderungsrechte des § 4 AVBGasV beziehungsweise § 5 GasGVV den europarechtlichen Transparenzvorgaben genügen.

II.

4
Das vorliegende Verfahren ist gemäß § 148 ZPO analog bis zu der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem dort anhängigen Verfahren C-359/11 auszusetzen.
5
1. Der Senat hat durch Beschluss vom 18. Mai 2011 in dem Verfahren VIII ZR 71/10 (ZIP 2011, 1620 ff.) dem Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) folgende Frage zur Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV vorgelegt: Ist Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b und/oder c der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG dahin auszulegen, dass eine nationale gesetzliche Regelung über Preisänderungen in Erdgaslieferungsverträgen mit HaushaltsKunden , die im Rahmen der allgemeinen Versorgungspflicht beliefert werden (Tarifkunden), den Anforderungen an das erforderliche Maß an Transparenz genügt, wenn in ihr Anlass, Voraussetzungen und Umfang einer Preisänderung zwar nicht wiedergegeben sind, jedoch sichergestellt ist, dass das Gasversorgungsunternehmen seinen Kunden jede Preiserhöhung mit angemessener Frist im Voraus mitteilt und den Kunden das Recht zusteht, sich durch Kündigung vom Vertrag zu lösen, wenn sie die ihnen mitgeteilten geänderten Bedingungen nicht akzeptieren wollen?
6
2. Diese Frage ist auch im vorliegenden Fall entscheidungserheblich. Soweit die Klägerseite sich in ihrer Stellungnahme auf den Hinweis des Senats zur beabsichtigten Vorgehensweise gegen diese Einschätzung wendet, verweist sie lediglich auf ihre Ausführungen zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde. Diese hat der Senat bereits beim Erlass des Hinweisbeschlusses vom 25. Oktober 2011 berücksichtigt.
7
3. Aufgrund der Entscheidungserheblichkeit der unter Ziffer 1 genannten Frage kann der Senat in dieser Sache unter Beachtung seiner in Art. 267 Abs. 3 AEUV enthaltenen Vorlageverpflichtung keine abschließende Sachentscheidung treffen. Eine Vorlage auch dieses Verfahrens an den Gerichtshof würde jedoch dort nicht zu einer schnelleren Beantwortung der maßgeblichen Rechtsfrage führen (vgl. hierzu BAG, NJW 2011, 1836, 1837). Hieran ändert nichts, dass der Gerichtshof seinerseits das Verfahren C-359/11 bis nach der Urteilsverkündung in den Rechtssachen C-8/11 und C-92/11 ausgesetzt hat.
8
Im Gegenteil würde die Funktion des Gerichtshofs im Vorabentscheidungsverfahren beeinträchtigt, wenn die gleiche Rechtsfrage mehrfach vorgelegt würde (vgl. BGH, Beschluss vom 30. März 2005 - X ZB 26/04, BGHZ 162, 373, 378). Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV stellt ein grundlegendes Instrument dar, um den Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht zu verwirklichen und die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten (BPatG, GRUR 2002, 734, 735). Die verbindliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts ist dem Gerichtshof vorbehalten. Da der Gerichtshof aber kein Rechtsmittelgericht für sämtliche mitgliedschaftlichen Verfahren darstellt (BGH, Beschluss vom 30. März 2005 - X ZB 26/04, aaO), genügt es, wenn dort über eine klärungsbedürftige Rechtsfrage lediglich in einem Verfahren verhandelt und entschieden wird.
9
4. Der Senat hält es daher für angemessen, das vorliegende Verfahren gemäß § 148 ZPO analog wegen Vorgreiflichkeit des beim Gerichtshof anhängigen Rechtsstreits auszusetzen (zur Zulässigkeit dieser Vorgehensweise vgl. auch BAG, aaO S. 1836 f.; BAG, Beschlüsse vom 5. Juni 1984 - 3 AZR 168/81, juris; vom 6. November 2002 - 5 AZR 279/01 (A), juris; BPatG, aaO S. 734 ff.; noch offen gelassen von BGH, Beschluss vom 30. März 2005 - X ZB 26/04, aaO).
10
5. Eine Aussetzung nach § 148 ZPO (analog) ist auch im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren möglich (vgl. BGH, Beschluss vom 6. April 2004 - X ZR 272/02, BGHZ 158, 372, 374 f.). Ball Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Fetzer Dr. Bünger
Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 19.01.2010 - 4 HKO 97/09 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 26.08.2010 - U 204/10 Kart -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZR 158/11
vom
24. Januar 2012
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Januar 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, die Richterinnen Dr. Milger, Dr. Hessel und
Dr. Fetzer sowie den Richter Dr. Bünger

beschlossen:
Das vorliegende Verfahren wird gemäß § 148 ZPO analog bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem dort anhängigen Verfahren C-359/11 ausgesetzt.

Gründe:

I.

1
Die Klägerin, ein regionales Gasversorgungsunternehmen, beliefert den Beklagten seit 2002 leitungsgebunden mit Erdgas. Sie änderte den Arbeitspreis für das von ihr gelieferte Gas zwischen Oktober 2004 und April 2007 mehrfach; der Beklagte erhob hiergegen Widerspruch. Mit ihrer Klage hat die Klägerin unter anderem die Zahlung des rückständigen Betrags aus den Jahresabrechnungen für die Jahre 2004 bis 2008 begehrt. Das Landgericht hat der Klage insoweit stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
2
Das Berufungsgericht hat - ebenso wie das Landgericht - den Beklagten als Tarifkunden qualifiziert und vor diesem Hintergrund angenommen, dass der Klägerin ein einseitiges Preisänderungsrecht gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV beziehungsweise § 5 Abs. 2 GasGVV zugestanden habe. Die von der Klägerin vorgenommenen Preiserhöhungen hat das Berufungsgericht nach Durchführung einer Beweisaufnahme als billig im Sinne des § 315 BGB angesehen.
3
Mit seiner Revision wendet sich der Beklagte gegen die Qualifikation des Vertragsverhältnisses als Tarifkundenvertrag und bezweifelt ferner, ob die im Tarifkundenverhältnis geltenden gesetzlichen Preisänderungsrechte des § 4 AVBGasV (beziehungsweise § 5 GasGVV) den europarechtlichen Transparenzvorgaben genügen. Letztlich erhebt der Beklagte Einwände gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Billigkeitsprüfung.

II.

4
Das vorliegende Verfahren ist gemäß § 148 ZPO analog bis zu der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem dort anhängigen Verfahren C-359/11 auszusetzen.
5
1. Der Senat hat durch Beschluss vom 18. Mai 2011 in dem Verfahren VIII ZR 71/10 (ZIP 2011, 1620 ff.) dem Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) folgende Frage zur Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV vorgelegt:
6
Ist Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b und/oder c der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG dahin auszulegen, dass eine nationale gesetzliche Regelung über Preisänderungen in Erdgaslieferungsverträgen mit Haushalts-Kunden, die im Rahmen der allgemeinen Versorgungspflicht beliefert werden (Tarifkunden), den Anforderungen an das erforderliche Maß an Transparenz genügt, wenn in ihr Anlass, Voraussetzungen und Umfang einer Preisänderung zwar nicht wiedergegeben sind, jedoch sichergestellt ist, dass das Gasversorgungsunternehmen seinen Kunden jede Preiserhöhung mit ange- messener Frist im Voraus mitteilt und den Kunden das Recht zusteht, sich durch Kündigung vom Vertrag zu lösen, wenn sie die ihnen mitgeteilten geänderten Bedingungen nicht akzeptieren wollen?
7
2. Diese Frage ist auch im vorliegenden Fall entscheidungserheblich.
8
3. Der Senat kann daher unter Beachtung seiner in Art. 267 Abs. 3 AEUV enthaltenen Vorlageverpflichtung keine abschließende Sachentscheidung treffen. Eine Vorlage auch dieses Verfahrens an den Gerichtshof würde jedoch dort nicht zu einer schnelleren Beantwortung der maßgeblichen Rechtsfrage führen (vgl. hierzu BAG, NJW 2011, 1836, 1837). Hieran ändert nichts, dass der Gerichtshof seinerseits das Verfahren C-359/11 bis nach der Urteilsverkündung in den Rechtssachen C-8/11 und C-92/11 ausgesetzt hat.
9
Im Gegenteil würde die Funktion des Gerichtshofs im Vorabentscheidungsverfahren beeinträchtigt, wenn die gleiche Rechtsfrage mehrfach vorgelegt würde (vgl. BGH, Beschluss vom 30. März 2005 - X ZB 26/04, BGHZ 162, 373, 378). Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV stellt ein grundlegendes Instrument dar, um den Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht zu verwirklichen und die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten (BPatG, GRUR 2002, 734, 735). Die verbindliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts ist dem Gerichtshof vorbehalten. Da der Gerichtshof aber kein Rechtsmittelgericht für sämtliche mitgliedschaftlichen Verfahren darstellt (BGH, Beschluss vom 30. März 2005 - X ZB 26/04, aaO), genügt es, wenn dort über eine klärungsbedürftige Rechtsfrage lediglich in einem Verfahren verhandelt und entschieden wird.
10
4. Der Senat hält es daher für angemessen, das vorliegende Verfahren gemäß § 148 ZPO analog wegen Vorgreiflichkeit des beim Gerichtshof anhän- gigen Rechtsstreits auszusetzen (zur Zulässigkeit dieser Vorgehensweise vgl. auch BAG, aaO S. 1836 f.; BAG, Beschlüsse vom 5. Juni 1984 - 3 AZR 168/81, juris; vom 6. November 2002 - 5 AZR 279/01 (A), juris; BPatG, aaO S. 734 ff.; noch offen gelassen von BGH, Beschluss vom 30. März 2005 - X ZB 26/04, aaO). Ball Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Fetzer Dr. Bünger
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 28.01.2009 - 34 O (Kart) 112/08 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 13.04.2011 - VI-2 U (Kart) 3/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZR 162/11
vom
27. Juni 2012
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Juni 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Hessel
sowie die Richter Dr. Achilles und Dr. Schneider

beschlossen:
Das vorliegende Verfahren wird gemäß § 148 ZPO analog bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem dort anhängigen Verfahren C-359/11 ausgesetzt.

Gründe:

I.

1
Die Klägerin, ein regionales Gasversorgungsunternehmen, beliefert den Beklagten seit 1979 leitungsgebunden mit Erdgas. Sie änderte den Arbeitspreis für das von ihr gelieferte Gas inzwischen mehrfach; der Beklagte erhob hiergegen ab Juli 2005 Widerspruch. Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Zahlung rückständiger Entgeltforderungen begehrt. Der Beklagte hat widerklagend unter anderem beantragt festzustellen, dass von der Klägerin zwischen Mai 2002 und Januar 2007 vorgenommene Preisbestimmungen unbillig und unwirksam sind. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
2
Das Berufungsgericht hat - ebenso wie das Landgericht - den Beklagten als Tarifkunden qualifiziert und vor diesem Hintergrund angenommen, dass der Klägerin ein einseitiges Preisänderungsrecht gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV beziehungsweise § 5 Abs. 2 GasGVV zugestanden habe. Die Preisänderungen bis Dezember 2004 seien nicht mehr auf ihre Billigkeit zu überprü- fen, da der Beklagte ihnen nicht innerhalb angemessener Zeit widersprochen habe. Die von der Klägerinvorgenommenen Preiserhöhungen ab Januar 2005 hat das Berufungsgericht nach Durchführung einer Beweisaufnahme als billig im Sinne des § 315 BGB angesehen.
3
Mit seiner Revision wendet sich der Beklagte gegen die Qualifikation des Vertragsverhältnisses als Tarifkundenvertrag und bezweifelt ferner, ob die im Tarifkundenverhältnis geltenden gesetzlichen Preisänderungsrechte des § 4 AVBGasV beziehungsweise § 5 GasGVV den europarechtlichen Transparenzvorgaben genügen. Letztlich erhebt der Beklagte Einwände gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Billigkeitsprüfung.

II.

4
Das vorliegende Verfahren ist gemäß § 148 ZPO analog bis zu der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem dort anhängigen Verfahren C-359/11 auszusetzen.
5
1. Der Senat hat durch Beschluss vom 18. Mai 2011 in dem Verfahren VIII ZR 71/10 (ZIP 2011, 1620 ff.) dem Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) folgende Frage zur Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV vorgelegt: Ist Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b und/oder c der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG dahin auszulegen, dass eine nationale gesetzliche Regelung über Preisänderungen in Erdgaslieferungsverträgen mit Haushalts-Kunden, die im Rahmen der allgemeinen Versorgungspflicht beliefert werden (Tarifkunden), den Anforderungen an das erforderliche Maß an Transparenz genügt, wenn in ihr Anlass, Voraussetzungen und Umfang einer Preisänderung zwar nicht wiedergegeben sind, jedoch sichergestellt ist, dass das Gasversorgungsunternehmen seinen Kunden jede Preiserhöhung mit angemessener Frist im Voraus mitteilt und den Kunden das Recht zusteht, sich durch Kündigung vom Vertrag zu lösen, wenn sie die ihnen mitgeteilten geänderten Bedingungen nicht akzeptieren wollen?
6
2. Diese Frage hält der Senat auch im vorliegenden Fall für entscheidungserheblich.
7
3. Aufgrund der Entscheidungserheblichkeit der unter Ziffer 1 genannten Frage kann der Senat in dieser Sache unter Beachtung seiner in Art. 267 Abs. 3 AEUV enthaltenen Vorlageverpflichtung keine abschließende Sachentscheidung treffen. Eine Vorlage auch dieses Verfahrens an den Gerichtshof würde jedoch dort nicht zu einer schnelleren Beantwortung der maßgeblichen Rechtsfrage führen (vgl. hierzu BAG, NJW 2011, 1836, 1837). Hieran ändert nichts, dass der Gerichtshof seinerseits das Verfahren C-359/11 bis nach der Urteilsverkündung in den Rechtssachen C-8/11 und C-92/11 ausgesetzt hat.
8
Im Gegenteil würde die Funktion des Gerichtshofs im Vorabentscheidungsverfahren beeinträchtigt, wenn die gleiche Rechtsfrage mehrfach vorgelegt würde (vgl. BGH, Beschluss vom 30. März 2005 - X ZB 26/04, BGHZ 162, 373, 378). Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV stellt ein grundlegendes Instrument dar, um den Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht zu verwirklichen und die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten (BPatG, GRUR 2002, 734). Die verbindliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts ist dem Gerichtshof vorbehalten. Da der Gerichtshof aber kein Rechtsmittelgericht für sämtliche mitgliedschaftlichen Verfahren darstellt (BGH, Beschluss vom 30. März 2005 - X ZB 26/04, aaO), genügt es, wenn dort über eine klärungsbedürftige Rechtsfrage lediglich in einem Verfahren verhandelt und entschieden wird.
9
4. Der Senat hält es daher für angemessen, das vorliegende Verfahren gemäß § 148 ZPO analog wegen Vorgreiflichkeit des beim Gerichtshof anhängigen Rechtsstreits auszusetzen (zur Zulässigkeit dieser Vorgehensweise vgl. Senatsbeschlüsse vom 24. Januar 2012 - VIII ZR 236/10, juris, und VIII ZR 158/11, juris, jeweils mwN). Ball Dr. Frellesen Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Schneider
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 04.06.2008 - 34 O (Kart) 170/06 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 13.04.2011 - VI-2 U (Kart) 13/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom
17. Juli 2012
VIII ZR 13/12
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Juli 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, die Richter Dr. Frellesen, Dr. Achilles und
Dr. Schneider sowie die Richterin Dr. Fetzer

beschlossen:
Das vorliegende Verfahren wird gemäß § 148 ZPO analog bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem dort anhängigen Verfahren C-359/11 ausgesetzt.

Gründe:

1
Der Beklagte bezieht seit Jahren von der Klägerin, einem Gasversorgungsunternehmen , leitungsgebunden Erdgas für seinen privaten Haushalt.
2
Die Klägerin erhöhte zum 1. Januar 2005 den Arbeitspreis und machte dies vorher öffentlich bekannt. Der Beklagte widersprach der beabsichtigten Preiserhöhung der Klägerin mit Schreiben vom 17. Dezember 2004 und forderte die Klägerin auf, die Erforderlichkeit und Angemessenheit der Preiserhöhung durch Offenlegung ihrer Kalkulationsgrundlagen darzulegen. Mit Schreiben vom 23. Mai 2005 teilte er der Klägerin weiter mit, dass er seinen Widerspruch aufrechterhalte und daher Zahlungen allein auf der Grundlage des bisherigen Preises zuzüglich eines Zuschlags von 2 % leisten werde.
3
Zum 1. Oktober 2005, 1. Januar 2006 und 1. Oktober 2006 erhöhte die Klägerin - jeweils nach vorheriger öffentlicher Bekanntgabe - drei weitere Male ihren Arbeitspreis. Mit Wirkung zum 1. März 2007 senkte sie den Arbeitspreis wieder etwas ab.
4
Der Beklagte zahlte auf die Jahresabrechnungen der Klägerin aus den Jahren 2005 bis 2008 nur die im Schreiben vom 29. Mai 2005 angekündigten Beträge. Mit ihrer Klage macht die Klägerin die Differenz aus den abgerechneten Beträgen und den erbrachten Zahlungen geltend. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und den Beklagten zur Zahlung des Differenzbetrags verurteilt.
5
Das Berufungsgericht hat den Beklagten als Tarifkunden angesehen und vor diesem Hintergrund angenommen, dass der Klägerin ein einseitiges Preisänderungsrecht gemäß § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV beziehungsweise § 5 Abs. 2 GasGVV zugestanden habe. Diese Vorschriften hält das Berufungsgericht für europarechtskonform. Andernfalls müsste, so meint das Berufungsgericht, der Klägerin wegen des für den Tarifkundenbereich beziehungsweise die Grundversorgung bestehenden Kontrahierungszwangs ein einseitiges Preisänderungsrecht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zugebilligt werden. Es hat daher und im Hinblick darauf, dass Art. 267 Satz 3 AEUV nur denjenigen Gerichten eine Vorlagepflicht auferlegt, deren Entscheidungen nicht mit Rechtsmitteln angefochten werden können, von einem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union abgesehen. Eine Aussetzung des Verfahrens in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO hat es aus verfahrensökonomischen Gründen abgelehnt.
6
Die Billigkeit der angegriffenen Preiserhöhungen hat das Berufungsgericht mit einer kumulierten Betrachtung der jeweils in einem Gaswirtschaftsjahr (von 1. Oktober 6 Uhr bis zum 1. Oktober 5.59 Uhr des Folgejahres) vorgenommenen Preisänderungen bejaht.
7
Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Er hält eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union, jedenfalls aber eine Aussetzung in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO für geboten. Weiter hält er die vom Berufungsgericht angestellte Billigkeitskontrolle für rechtsfehlerhaft. Die Klägerin erhebt gegen eine Aussetzung des Verfahrens keine Einwände.

II.

8
Das vorliegende Verfahren ist gemäß § 148 ZPO analog bis zu der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem dort anhängigen Verfahren C-359/11 auszusetzen.
9
1. Der Senat hat durch Beschluss vom 18. Mai 2011 in dem Verfahren VIII ZR 71/10 (ZIP 2011, 1620 ff.) dem Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) folgende Frage zur Vorabentscheidung gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV vorgelegt: Ist Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b und/oder c der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG dahin auszulegen, dass eine nationale gesetzliche Regelung über Preisänderungen in Erdgaslieferungsverträgen mit Haushalts- Kunden, die im Rahmen der allgemeinen Versorgungspflicht beliefert werden (Tarifkunden), den Anforderungen an das erforderliche Maß an Transparenz genügt, wenn in ihr Anlass, Voraussetzungen und Umfang einer Preisänderung zwar nicht wiedergegeben sind, jedoch sichergestellt ist, dass das Gasversorgungsunternehmen seinen Kunden jede Preiserhöhung mit angemessener Frist im Voraus mitteilt und den Kunden das Recht zusteht, sich durch Kündigung vom Vertrag zu lösen, wenn sie die ihnen mitgeteilten geänderten Bedingungen nicht akzeptieren wollen?
10
2. Diese Frage ist - wie die Revision zutreffend ausführt - auch im vorliegenden Fall entscheidungserheblich. Anders als das Berufungsgericht offenbar meint, kann die Frage der Europarechtskonformität der § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV und § 5 Abs. 2 GasGVV nicht im Hinblick auf die vom Berufungsgericht erwogene ergänzende Vertragsauslegung offenbleiben. Eine ergänzende Vertragsauslegung hat sich nicht nur an dem hypothetischen Parteiwillen, sondern auch an dem objektiven Maßstab von Treu und Glauben zu orientieren und muss zu einer die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigenden Regelung führen. Es geht daher darum zu ermitteln, was die Parteien bei einer angemessenen , objektiv-generalisierenden Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart hätten, wenn sie bedacht hätten, dass die Wirksamkeit der angewendeten Preisänderungsbestimmung jedenfalls unsicher war (vgl. Senatsurteil vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, NJW 2012, 1865 Rn. 24 mwN). Vor diesem Hintergrund hat der Senat bereits entschieden, dass es bei unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht in Betracht kommt, an die Stelle einer unwirksamen Preisänderungsbestimmung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine (wirksame) Bestimmung gleichen Inhalts zu setzen (vgl. Senatsurteil vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, aaO). Diese Erwägungen lassen sich - jedenfalls im Grundsatz - auch auf die Fälle übertragen, in denen - wie hier - die Europarechtskonformität von Verordnungsbestimmungen , nämlich der § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV, § 5 Abs. 2 GasGVV, in Frage steht.
11
3. Aufgrund der Entscheidungserheblichkeit der unter Ziffer 1 genannten Frage kann der Senat in dieser Sache unter Beachtung seiner in Art. 267 Abs. 3 AEUV enthaltenen Vorlageverpflichtung keine abschließende Sachentscheidung treffen. Eine Vorlage auch dieses Verfahrens an den Gerichtshof würde jedoch dort nicht zu einer schnelleren Beantwortung der maßgeblichen Rechtsfrage führen (Senatsbeschluss vom 24. Januar 2012 - VIII ZR 236/10, juris Rn. 7 mwN). Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Gerichtshof seinerseits das Verfahren C-359/11 bis nach der Urteilsverkündung in den Rechtssachen C-8/11 und C-92/11 ausgesetzt hat.
12
Im Gegenteil würde die Funktion des Gerichtshofs im Vorabentscheidungsverfahren beeinträchtigt, wenn die gleiche Rechtsfrage mehrfach vorgelegt würde. Zwar ist die verbindliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts dem Gerichtshof vorbehalten. Dem Gerichtshof kommt aber nicht die Funktion eines Rechtsmittelgerichts für sämtliche mitgliedschaftlichen Verfahren zu (vgl. BGH, Beschluss vom 30. März 2005 - X ZB 26/04, BGHZ 162, 373, 378; Senatsbeschluss vom 24. Januar 2012 - VIII ZR 236/10, aaO Rn. 8). Es genügt daher, wenn dort über eine klärungsbedürftige Rechtsfrage lediglich in einem Verfahren verhandelt und entschieden wird.
13
4. Der Senat hält es nach alledem in Übereinstimmung mit den Parteien für angemessen , das vorliegende Verfahren in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO wegen Vorgreiflichkeit des beim Gerichtshof anhängigen Rechts- streits auszusetzen (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Januar 2012 - VIII ZR 236/10, aaO Rn. 9 mwN). Ball Dr. Frellesen Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Fetzer
Vorinstanzen:
LG Dortmund, Entscheidung vom 20.08.2009 - 13 O 179/08 Kart -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 21.12.2011 - VI-3 U (Kart) 4/11 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZR 208/12
vom
19. Februar 2013
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Februar 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Milger
sowie die Richter Dr. Achilles und Dr. Bünger

beschlossen:
Das vorliegende Verfahren wird gemäß § 148 ZPO analog bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem dort anhängigen Verfahren C-359/11 ausgesetzt.

Gründe:

I.

1
Die Klägerin, welche unter anderem auf dem Gebiet der Gemeinde V. die Grundversorgung mit Erdgas durchführt, verlangt von der dort wohnenden Beklagten Restzahlung aus Erdgasrechnungen für die Zeit vom 7. September 2005 bis 8. September 2010, deren Bezahlung die Beklagte unter Berufung auf die Unwirksamkeit von Preisanpassungen der Klägerin verweigert.
2
Die Klägerin versorgt Erdgaskunden, mit denen sie keine Sondervereinbarung getroffen hat, im Rahmen ihrer "Allgemeinen Tarifpreise" nach einer "Bestabrechnung", die sich nach dem kostengünstigsten Tarif für die individuelle jährliche Abnahmemenge des Kunden richtet. Auf dieser Grundlage rechnete die Klägerin auch gegenüber der Beklagten ab. Sie nahm während der Zeit des Gasbezugs durch die Beklagte Preisanpassungen vor und machte diese in der Lokalpresse bekannt. Seit Inkrafttreten der GasGVV am 8. November 2006 unterrichtete sie zudem die Beklagte über die Preisanpassungen jeweils auch brieflich. Die Beklagte widersprach erstmals am 5. Oktober 2006 den Preiser- höhungen durch die Klägerin und bezahlte seit diesem Zeitpunkt das Entgelt nur auf der Grundlage des bis dahin geltenden Gaspreises.
3
Das Landgericht hat der auf Zahlung von 5.027,46 € nebst Zinsen gerich- teten Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

II.

4
Das vorliegende Verfahren ist gemäß § 148 ZPO analog bis zu der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem dort anhängigen Verfahren C-359/11 auszusetzen.
5
1. Der Senat hat durch Beschluss vom 18. Mai 2011 in dem Verfahren VIII ZR 71/10 (ZIP 2011, 1620 ff.) dem Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) folgende Frage zur Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV vorgelegt: "Ist Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b und/oder c der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG dahin auszulegen, dass eine nationale gesetzliche Regelung über Preisänderungen in Erdgaslieferungsverträgen mit Haushalts-Kunden, die im Rahmen der allgemeinen Versorgungspflicht beliefert werden (Tarifkunden), den Anforderungen an das erforderliche Maß an Transparenz genügt, wenn in ihr Anlass, Voraussetzungen und Umfang einer Preisänderung zwar nicht wiedergegeben sind, jedoch sichergestellt ist, dass das Gasversorgungsunternehmen seinen Kunden jede Preiserhöhung mit angemessener Frist im Voraus mitteilt und den Kunden das Recht zusteht, sich durch Kündigung vom Vertrag zu lösen, wenn sie die ihnen mitgeteilten geänderten Bedingungen nicht akzeptieren wollen?"
6
2. Diese Frage ist auch im vorliegenden Fall entscheidungserheblich. Der Senat kann daher unter Beachtung seiner in Art. 267 Abs. 3 AEUV enthaltenen Vorlageverpflichtung keine abschließende Sachentscheidung treffen. Eine Vorlage auch dieses Verfahrens an den Gerichtshof würde jedoch dort nicht zu einer schnelleren Beantwortung der maßgeblichen Rechtsfrage führen. Hieran ändert nichts, dass der Gerichtshof seinerseits das Verfahren C-359/11 bis nach der Urteilsverkündung in den Rechtssachen C-8/11 und C-92/11 ausgesetzt hat. Der Senat hält es daher für angemessen, auch das vorliegende Verfahren - wie bereits die Verfahren VIII ZR 158/11 und VIII ZR 236/10 - gemäß § 148 ZPO analog wegen Vorgreiflichkeit des beim Gerichtshof anhängigen Rechtsstreits auszusetzen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 24. Januar 2012 - VIII ZR 158/11 und VIII ZR 236/10, jeweils juris). Ball Dr. Frellesen Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Bünger
Vorinstanzen:
LG Mönchengladbach, Entscheidung vom 15.09.2011 - 6 O 61/11 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 13.06.2012 - VI-2 U (Kart) 10/11 -