Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Juli 2011 - VII ZR 141/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen Beschädigung ihrer Asphaltfräsmaschine, die nach Ausführung von Fräsarbeiten aufgrund des Einsturzes einer Straßenstützmauer den Abhang hinuntergestürzt war und sich überschlagen hatte.
- 2
- Die Klägerin beauftragte ihre Tochtergesellschaft mit der Bergung. Sie macht unter anderem die von dieser hierfür in Rechnung gestellten und bezahlten , im Einzelnen dargelegten Beträge als Schadensersatz geltend. Außerdem macht sie Mietkosten für eine Ersatzfräse in Höhe von 7.400 € geltend. Das Landgericht hat unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens der Klägerin von 50 % diese Schadenspositionen für begründet erachtet und der Klägerin die entsprechenden Beträge zugesprochen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage wegen dieser Schadenspositionen abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin. Sie will mit der Revision unter anderem den Ersatz dieser Positionen erreichen.
II.
- 3
- Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision hat teilweise Erfolg.
- 4
- 1. Das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG, soweit das Berufungsge- richt eine Ersatzfähigkeit aller Kosten verneint hat, die innerhalb des Konzerns der Klägerin entstanden sind.
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- a) Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass nach § 249 Abs. 2 BGB nur der zur Wiederherstellung einer Sache erforderliche Geldbetrag verlangt werden könne. Hierzu gehöre auch die Angemessenheit der Kosten. Es sei nicht ausgeschlossen, dass ein anderes Unternehmen die von der Klägerin gewählte Bergungsvariante kostengünstiger ausgeführt hätte. Vergleichsangebote seien insoweit nicht eingeholt worden. Die Klägerin habe bis heute nicht unter Beweis durch ein Sachverständigengutachten gestellt, dass die eingeklagten Kosten erforderlich und angemessen seien, obwohl der Senat hierauf in der mündlichen Verhandlung hingewiesen und ihr eine Schriftsatzfrist bewilligt habe. Weiterer Hinweise an die Klägerin habe es nicht bedurft, da diese durch einen Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht vertreten sei. Eine Schätzung der Kosten nach § 287 ZPO sei nicht möglich, da die Klägerin keine ausreichenden Schätzungsgrundlagen vorgetragen habe.
- 6
- b) Damit hat das Berufungsgericht, wie die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht rügt, gegen seine Hinweispflicht nach § 139 Abs. 1, 2 ZPO verstoßen. Es hätte die Klägerin auf den seiner Meinung nach fehlenden Beweisantritt, ein Sachverständigengutachten einzuholen, hinweisen müssen.
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- Zwar stellt nicht jeder Verstoß gegen § 139 ZPO eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar. Die Vorschrift geht über das verfassungsrechtlich gebotene Minimum hinaus (BVerfG, NJW-RR 2005, 936, 937). Es bedarf vielmehr im Einzelfall der Prüfung, ob dadurch zugleich das unabdingbare Maß verfassungsrechtlich verbürgten rechtlichen Gehörs verletzt worden ist (BVerfGE 60, 305).
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- Das ist hier jedoch der Fall. Das Landgericht hatte die von der Klägerin geltend gemachten Schadenspositionen nach Beweisaufnahme durch Zeugeneinvernahme überwiegend für begründet erachtet. Wenn das Berufungsgericht im Gegensatz zu dieser Beurteilung einen weiteren Beweisantritt für notwendig erachtete, musste es die Klägerin darauf hinweisen, um nicht eine gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßende Überraschungsentscheidung zu treffen (vgl. auch BGH, Urteil vom 16. Mai 2002 - VII ZR 197/01, BauR 2002, 1432 = ZfBR 2002, 678). Das ist nicht geschehen. Der vom Berufungsgericht gegebene Hinweis, die Position "konzerninterne Kosten" sei nicht gerechtfertigt, reicht hierfür nicht aus. Denn es ist zur Erfüllung der Hinweispflicht erforderlich, dass ein Gericht die Parteien auf die nach seiner Auffassung ergänzungsbedürftigen Punkte unmissverständlich hinweist und ihnen Gelegenheit gibt, diese nachzuholen. Dies gilt auch in Prozessen, in denen eine Partei durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten ist.
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- c) Der Verstoß ist entscheidungserheblich. Nach dem Vortrag der Nichtzulassungsbeschwerde hätte die Klägerin auf einen entsprechenden Hinweis ergänzend dargelegt, dass in der konzerninternen Rechnung auch Fremdleistungen in Höhe von 6.453,66 € netto enthalten und durch die vorgelegten Fremdrechnungen der Anlagen K 22-33 in erster Instanz belegt worden seien. Diese sowie die abgerechneten Arbeitskosten seien angemessen und erforderlich gewesen (Beweis: Zeugnis M., Einholung eines Sachverständigengutachtens ). Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht aufgrund dieses Vortrags in eine sachliche Prüfung und Beweisaufnahme der geltend gemachten Positionen eingetreten wäre und diese für begründet erachtet hätte.
- 10
- 2. Das Berufungsurteil beruht ebenfalls auf einer Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehörs, soweit das Berufungsgericht den geltend gemachten Betrag für die Ersatzfräse nicht anerkannt hat.
- 11
- a) Das Berufungsgericht führt hierzu aus, dass die Klägerin insoweit die Notwendigkeit der Anmietung nicht unter Beweis gestellt habe.
- 12
- b) Auch damit hat das Berufungsgericht unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG gegen seine Hinweispflicht aus § 139 Abs. 1, 2 ZPO verstoßen und eine Überraschungsentscheidung getroffen. Das Landgericht hatte diese Kosten aufgrund der vorgelegten Unterlagen für berücksichtigungsfähig gehalten. Soweit das Berufungsgericht hiervon abweichend einen weiteren Beweisantritt für erforderlich hielt, hätte es die Klägerin hierauf hinweisen müssen, bevor es wegen des fehlenden Beweisantritts die Klage insoweit abwies. Das ist nicht erfolgt. Der gegebene Hinweis war unzureichend. Das Berufungsgericht hat die Klägerin hierzu darauf hingewiesen, dass bezüglich dieser Position die angekündigte Klageerhöhung nicht erfolgt sei. Dieser Hinweis war irreführend. Die Abweisung der Klage mit der gegebenen Begründung nach diesem Hinweis war eine Überraschungsentscheidung.
- 13
- c) Der Verstoß ist entscheidungserheblich. Nach dem Vortrag der Nichtzulassungsbeschwerde hätte die Klägerin nach dem gebotenen zutreffenden und klaren Hinweis für die Notwendigkeit der Anmietung der Ersatzfräse Zeugenbeweis angetreten. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einer anderen Beurteilung gekommen wäre, wenn es diesen Beweisantritt berücksichtigt und den Beweis erhoben hätte.
- 14
- 3. Auch die Entscheidung hinsichtlich der teilweise aberkannten vorgerichtlichen Anwaltskosten kann von diesen Fehlern beeinflusst sein. Denn die Höhe der begründeten ersatzfähigen Anwaltskosten hängt von der Höhe des begründeten Hauptanspruchs ab.
III.
- 15
- Im Übrigen wird von einer Begründung der Entscheidung über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbs. ZPO).
Vorinstanzen:
LG Erfurt, Entscheidung vom 20.01.2009 - 8 O 1254/07 -
OLG Jena, Entscheidung vom 08.07.2009 - 7 U 142/09 -
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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.
(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.
(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.
(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.
(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.
(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.
(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.
(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.