Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Aug. 2012 - VII ZB 44/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Das Amtsgericht hat wegen zweier titulierter Forderungen des Gläubigers über insgesamt 2.208,18 € einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlassen. Darin sind u.a. gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen worden: Alle angeblichen Forderungen der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin , eine Volksbank, aus allen bestehenden Konten auf Auszahlung bestehender Guthaben samt der bis zum Tage der Auszahlung aufgelaufenen Zinsen, bei Kontokorrent zusätzlich das gegenwärtige Guthaben nach Saldoziehung , alle künftigen Guthaben je nach Saldoziehung, alle Ansprüche und Forderungen aus dem über das Konto bestehenden Girovertrag, insbesondere auf Gutschrift aller künftigen Eingänge und auf fortlaufende Auszahlung der Guthaben sowie auf Durchführung von Überweisungen an Dritte. Die im Rahmen einer gegenwärtigen oder künftig gewährten Kreditzusage gegenwärtig oder künftig bestehenden Ansprüche der Schuldnerin auf Auszahlung von Kreditmitteln oder auf Überweisung an Dritte aus Kreditmitteln sowie der Anspruch der Schuldnerin aus offener Kreditlinie für den Fall, dass die Schuldnerin diese Kreditlinie in Anspruch nimmt.
- 2
- Unter anderem den Antrag des Gläubigers, die Schuldnerin zur Herausgabe der laufenden Kontoauszüge ab dem Zeitpunkt der Pfändung zu verpflichten , hat das Amtsgericht zurückgewiesen, indem es diese Passage gestrichen hat. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde des Gläubigers hat das Landgericht zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit der hiergegen gerichteten Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger sein Begehren weiter.
II.
- 3
- Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
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- 1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, der Gläubiger könne nicht ohne weiteres gemäß § 836 Abs. 3 ZPO die Herausgabe der Kontoauszüge verlangen. Zwar sei die Vorschrift weit auszulegen, jedoch liefe die Vorlage sämtlicher Kontoauszüge auf eine unzulässige Ausforschungspfändung hinaus. Der Gläubiger müsse zunächst gegenüber dem Drittschuldner seinen Anspruch auf Auskunft geltend machen.
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- 2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 6
- Der Senat hat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung mit Beschlüssen vom 9. Februar 2012 (VII ZB 49/10, NJW 2012, 1081, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt) und vom 23. Februar 2012 (VII ZB 59/09, NJW 2012, 1223) entschieden, dass auf Antrag des Gläubigers die Pflicht zur Herausgabe sämtlicher Kontoauszüge in dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufgenommen werden muss, wenn der Gläubiger Ansprüche des Schuldners gegen ein Kreditinstitut gepfändet hat, die sowohl auf Auszahlung der positiven Salden gerichtet sind als auch auf Auszahlung des dem Schuldner eingeräumten Kredits. So liegt es hier.
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- Nach den Beschlüssen vom 9. Februar 2012 und 23. Februar 2012, auf die hinsichtlich der Begründung Bezug genommen wird, sind die Urkunden zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses , also seiner Zustellung an den Drittschuldner, erfasst. Eine etwaige Verletzung des Rechts des Schuldners auf Geheimhaltung oder informationelle Selbstbestimmung durch Preisgabe der in den Kontoauszügen enthaltenen Information muss der Schuldner im Wege der Erinnerung geltend machen. Da die Schuldnerin keinen Vortrag gehalten hat, aus dem sich Hinweise auf ein Geheimhaltungsinteresse oder eine Einschränkung der Herausgabepflicht wegen ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ergeben, war - wie bean- tragt - die Herausgabe der Kontoauszüge ab dem Zeitpunkt der Pfändung anzuordnen.
III.
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- Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.
Vorinstanzen:
AG Nürtingen, Entscheidung vom 02.04.2011 - 21 M 424/11 -
LG Stuttgart, Entscheidung vom 05.07.2011 - 10 T 163/11 -
Annotations
(1) Die Überweisung ersetzt die förmlichen Erklärungen des Schuldners, von denen nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Berechtigung zur Einziehung der Forderung abhängig ist.
(2) Der Überweisungsbeschluss gilt, auch wenn er mit Unrecht erlassen ist, zugunsten des Drittschuldners dem Schuldner gegenüber so lange als rechtsbeständig, bis er aufgehoben wird und die Aufhebung zur Kenntnis des Drittschuldners gelangt.
(3) Der Schuldner ist verpflichtet, dem Gläubiger die zur Geltendmachung der Forderung nötige Auskunft zu erteilen und ihm die über die Forderung vorhandenen Urkunden herauszugeben. Erteilt der Schuldner die Auskunft nicht, so ist er auf Antrag des Gläubigers verpflichtet, sie zu Protokoll zu geben und seine Angaben an Eides statt zu versichern. Der gemäß § 802e zuständige Gerichtsvollzieher lädt den Schuldner zur Abgabe der Auskunft und eidesstattlichen Versicherung. Die Vorschriften des § 802f Abs. 4 und der §§ 802g bis 802i, 802j Abs. 1 und 2 gelten entsprechend. Die Herausgabe der Urkunden kann von dem Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung erwirkt werden.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.