Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Okt. 2011 - V ZR 59/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 30. April 2008 erwarb der Kläger von der Beklagten (einer Immobilienmaklerin) ein Hausgrundstück, welches diese im Juni 2006 im Wege der Zwangsversteigerung erworben hatte, unter Ausschluss der Gewährleistung für Sachmängel. In der Zeit von 2002 bis 2006 stand das Haus leer, wobei der Keller ungeschützt war und Regenwasser durch die Fensteröffnungen eindringen konnte. Die zum Garten hin gelegene Kelleraußenwand war weder isoliert noch verputzt und der hierzu ausgehobene Arbeitsraum noch nicht wieder mit Erdreich gefüllt worden.
- 2
- Ab August 2008 waren feuchte Stellen an einer Kelleraußenwand zu sehen. Im Oktober 2008 trat der Kläger deshalb von dem Kaufvertrag zurück.
- 3
- Die Beklagte hat erstinstanzlich eingeräumt, dass im Zeitpunkt ihres Erwerbs große Mengen Wasser in den Keller eingedrungen gewesen seien. Nach ihrer Behauptung hat sie deshalb bis März 2007 diverse Isolierungsarbeiten vornehmen lassen.
- 4
- Der Kläger hat die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückauflassung des Grundstücks, Vorlage einer Löschungsbewilligung für eine Grundschuld und Zahlung einer Nutzungsentschädigung von 1.088,10 € pro Monat, die Erstattung von Kreditkosten, Grundsteuer, Maklergebühr, Privatgutachterkosten und von der Rechtsschutzversicherung gezahlter Anwaltskosten sowie die Feststellung des Annahmeverzugs und der Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung weiterer Schäden verlangt. Das Landgericht hat die Klage (nach der Vernehmung von Zeugen) abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr - ohne erneute Beweisaufnahme - weit überwiegend stattgeben.
II.
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- Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die Beklagte einen offenbarungspflichtigen Mangel arglistig verschwiegen. Bei Besitzübergabe habe ein Mangel vorgelegen, nämlich ein nicht erfolgreich und dauerhaft beseitigter Feuchtigkeitsschaden im Keller des Hauses, und auch ein durch den jahrelan- gen Leerstand in zum Teil ungeschütztem Zustand begründeter Verdacht auf einen Feuchtigkeitsschaden. Dies ergebe sich aus dem von dem Kläger vorgelegten Privatgutachten; auch habe die Beklagte den Feuchtigkeitseintritt und eine unzureichende Isolierung nicht substantiiert bestritten. Andere Ursachen für den Feuchtigkeitseintritt schieden aus. Die Beklagte habe über den ursprünglichen Feuchtigkeitseintritt, die ihr bekannten möglichen Ursachen, den jahrelangen Leerstand des noch nicht fertig gestellten Hauses und die von ihr veranlassten Sanierungsmaßnahmen aufklären müssen. Diese Aufklärungspflicht habe sie verletzt. Das sei auch arglistig geschehen.
III.
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- Das angefochtene Urteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) mehrfach in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
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- 1. Es hat festgestellt, dass im Zeitpunkt des Gefahrübergangs ein Mangel in Form eines nicht erfolgreich und dauerhaft beseitigten Feuchtigkeitsschadens im Keller vorgelegen habe. Zu diesem Ergebnis ist es auf der Grundlage des von dem Kläger vorgelegten Sachverständigengutachtens gelangt, weil es gemeint hat, die Beklagte habe den Feuchtigkeitseintritt als solchen und eine unzureichende Abdichtung nicht substantiiert bestritten. Das verstößt, wie die Beklagte zu Recht rügt, gegen Art. 103 Abs. 1 GG.
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- Die Beklagte war zu einem substantiierten Bestreiten nicht verpflichtet. Es reichte aus, dass sie in der Klageerwiderung auf Mängel des Parteigutachtens - welches zu dem Vorliegen von Durchfeuchtungen bei Gefahrübergang keine Aussage trifft - hingewiesen und eine zum Feuchtigkeitseintritt führende unsachgemäße Isolierung bestritten hatte. Zudem hat sie unter Beweisantritt andere, ihr nicht anzulastende, Ursachen für den Feuchtigkeitseintritt vorgetragen. Demgemäß hat das Landgericht - zu Recht - das Bestreiten der Beklagten als ausreichend angesehen und in dem Beschluss vom 19. Mai 2010 darauf hingewiesen, dass gegebenenfalls noch ein Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt werden müsse, ob im Zeitpunkt der Übergabe eine Durchfeuchtung vorlag. Darauf, dass es dieser Beurteilung nicht folgen wollte, hätte das Berufungsgericht die in der ersten Instanz siegreiche Beklagte rechtzeitig hinweisen müssen, um ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs zu wahren, denn diese brauchte nicht damit zu rechnen, dass das Berufungsgericht ihr Bestreiten als nicht ausreichend ansehen würde (vgl. nur Senat, Beschluss vom 26. Juni 2008 - V ZR 225/07 Rn. 5, juris; BGH, Beschluss vom 7. November 2006 - XI ZR 438/04, ZIP 2007, 762 Rn. 10).
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- 2. Weiter hat das Berufungsgericht angenommen, die Beklagte habe auf früheren, später sanierten Feuchtigkeitseintritt hinweisen müssen, weil ein konkreter Verdacht auf eine mögliche fortbestehende Feuchtigkeit oder auf unzureichende Abdichtungsmaßnahmen bei der Aufnahme von Kaufvertragsverhandlungen nicht sicher ausgeräumt gewesen sei. Dies beruhe darauf, dass sich "nach den Erfahrungen des für Bausachen zuständigen Senats" oftmals erst nach Ablauf einiger Jahre beurteilen lasse, ob durchgeführte Sanierungsmaßnahmen dauerhaft erfolgreich seien. Auch das verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG.
- 10
- Abgesehen davon, dass das Berufungsgericht die zur Beurteilung des Sachverhalts erforderlichen Kenntnisse nicht im Einzelnen dargelegt, sondern ohne weitere Begründung auf die eigenen Erfahrungen verwiesen hat, was für die Feststellung des Vorliegens eines konkreten Feuchtigkeitsverdachts nicht ausreicht (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Januar 2007 - VI ZR 166/06, VersR 2007, 1008 Rn. 3), hätte das Berufungsgericht die Beklagte auch darauf hinweisen müssen, dass es von einem konkreten Feuchtigkeitsverdacht bei Beginn der Kaufvertragsverhandlungen ausgehen wollte. Denn dieser - gegebenenfalls offenbarungpflichtige (vgl. Senat, Urteil vom 5. März 1993 - V ZR 140/91, NJW 1993, 1703, 1704) - Umstand spielte nach dem von dem Berufungsgericht zugrunde gelegten Parteivorbringen bisher keine Rolle. Auf ihn durfte es seine Rechtsauffassung nicht stützen, ohne den Prozessbeteiligten eine Möglichkeit zur Stellungnahme zu eröffnen, wenn es sich nicht dem Vorwurf aussetzen wollte, eine Überraschungsentscheidung zu treffen (vgl. Senat , Beschluss vom 1. Februar 2007 - V ZR 200/06, NJW-RR 2007, 1221 Rn. 5, 11).
- 11
- 3. Die rechtsfehlerhafte Vorgehensweise des Berufungsgerichts ist entscheidungserheblich. Die Klage kann u.a. nur dann Erfolg haben, wenn das Haus bei Gefahrübergang mangelhaft (nicht erfolgreich und dauerhaft beseitigter Feuchtigkeitsschaden im Keller) war oder ein offenbarungspflichtiger konkreter Mangelverdacht bestand. Ob das der Fall war, muss das Berufungsgericht aufklären. In der neuen Verhandlung wird die Beklagte die Gelegenheit haben, auf die in der Beschwerdebegründung vorgebrachten weiteren Angriffe gegen das Berufungsurteil zurückzukommen.
Brückner Weinland
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 26.07.2010 - 23 O 163/09 -
OLG Köln, Entscheidung vom 16.02.2011 - 11 U 144/10 -
Annotations
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.