Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Feb. 2007 - V ZR 166/06
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Klägerin war Eigentümerin eines größeren Grundbesitzes in der Nähe von Potsdam-Drewitz. Er bestand aus mehreren Einzelgrundstücken mit einer Gesamtgröße von etwa 220.000 qm. Der gesamte Grundbesitz wurde 1952 unter staatliche Verwaltung gestellt. Ein Teil dieser Grundstücke wurde 1971 förmlich enteignet, weil er für die Veränderung der Trassenführung der heutigen Bundesautobahn 115 im Südwesten von Berlin und zur Anlegung des Kontrollpunktes Potsdam-Drewitz benötigt wurde. Der übrige Teil dieser Grundstücke, um die es im vorliegenden Rechtsstreit geht, wurde an das Ministerium für nationale Verteidigung der DDR verpachtet und für im Einzelnen zwischen den Parteien streitige militärische Zwecke genutzt. 1971 drang der örtliche Komman- deur auf eine Bereinigung der Grundstücksverhältnisse und erreichte eine Enteignung nach dem Verteidigungsgesetz, die gegen Zahlung einer Entschädigung von etwa 6.500 Mark der DDR durchgeführt wurde. An der Zahlung dieser Entschädigung scheitert der Versuch der Klägerin, eine Rückübertragung dieser Grundstücke nach dem Vermögensgesetz zu erreichen. Die Klägerin beantragte deshalb den Verkauf zu einem Viertel des Grundstückswerts nach Maßgabe des Mauergrundstücksgesetzes. Das lehnte die zuständige Oberfinanzdirektion C. mit Bescheid vom 8. Juni 1999 ab. Dieser Bescheid wurde der Klägerin am 11. Juni 1999 zugestellt. Mit ihrer am 10. August 1999 bei Gericht eingereichten Feststellungsklage verfolgt sie ihr Anliegen weiter.
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- Das Landgericht hat der auf Feststellung des Ankaufsanspruchs gerichteten Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Die Revision hat es nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, mit welcher diese die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen möchte. Die Beklagte beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.
II.
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- Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht begründet. Die Rechtssache wirft keine entscheidungserheblichen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Eine Entscheidung ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 ZPO).
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- 1. Grundsätzliche Bedeutung hat die Sache nicht. Ankaufsansprüche konnten nach § 4 MauerG nur in einer Ausschlussfrist geltend gemacht werden, die mit dem 31. Januar 1997 abgelaufen ist.
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- 2. Aus diesem Grund kommt auch eine Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts nicht mehr in Betracht.
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- 3. Im Ergebnis ist die Zulassung der Revision auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich.
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- a) Die Begründung, mit der das Berufungsgericht den Ankaufsanspruch der Klägerin letztlich verneint hat, erforderte allerdings, für sich genommen, die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Sie beruht nämlich auf einem falschen Obersatz.
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- aa) Das Berufungsgericht geht zwar davon aus, dass die Grundstücke, deren Rückverkauf die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit verlangt, im Sinne von § 1 Abs. 1 MauerG in Grenzgebieten liegen. Auf einem Teil dieser Grundstücke befänden sich auch Grenzanlagen. Der Anspruch scheitere aber daran, dass die Grundstücke nicht zwecks Errichtung oder Ausbaus von Sperranlagen an der ehemaligen Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West) und der Deutschen Demokratischen Republik einschließlich Berlin (Ost) in Volkseigentum überführt worden seien. Diese seien schon 1970 errichtet worden; ein inhaltlicher Zusammenhang zur späteren Überführung in Volkseigentum sei nicht zu erkennen.
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- bb) Diese Begründung trägt das Ergebnis nicht. Der Gesetzgeber behandelt die enteigneten Mauer- und Grenzgrundstücke mit dem Mauergrund- stücksgesetz anders als die übrigen enteigneten Grundstücke, weil ihre Enteignung „einem verwerflichen Verwendungszweck“ gedient hat. Bei dem Versuch, diese Anlagen zu überwinden, seien viele Menschen getötet oder verletzt worden. Zahlreiche Fluchtversuche seien gescheitert und mit empfindlichen Strafen geahndet worden. Das habe die Mauer und die Grenze zu einem Sinnbild der deutschen Teilung gemacht (Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses in BT-Drucks. 13/3734 S. 7). Bei dieser Zielsetzung kann es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht auf den Zeitpunkt ihrer förmlichen Überführung in Volkseigentum ankommen (RVI/Wasmuth, [Stand September 2005] § 1 MauerG Rdn. 26). Entscheidend muss vielmehr sein, dass eine Überführung in Volkseigentum stattfand und dass die Grundstücke für Mauer und Grenzanlagen verwendet wurden. Etwas anderes gälte nur, wenn die Grundstücke schon früher für andere Zwecke enteignet worden wären und erst danach für Grenzanlagen verwendet wurden (Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses in BT-Drucks. 13/3734 S. 8). So liegt es hier nicht. Der Zweck hat sich zwischen der zunächst erfolgten tatsächlichen Inanspruchnahme und der förmlichen Überführung in Volkseigentum nicht verändert.
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- b) Die Zulassung der Revision scheitert aber daran, dass es auf diese Frage nicht ankommt. Ein Ankaufsanspruch scheidet nach § 1 Abs. 1 MauerG aus, weil die hier in Rede stehenden Grundstücke nicht für Zwecke der Errichtung oder des Ausbaus von Sperranlagen an der ehemaligen Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West) und der Deutschen Demokratischen Republik einschließlich Berlin (Ost) enteignet worden sind.
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- aa) Eine Enteignung dient diesem Zweck nur, wenn auf dem Grundstück Sperranlagen errichtet worden sind oder, was ausreichen würde (RVI/Wasmuth, aaO Rdn. 25; Erlass des Bundesministeriums der Finanzen v. 12. September 1996, VI A 2, O 1002, 30.3-66/96, VIZ 1996, 636), errichtet werden sollten. Auf die Art der Sperranlage kommt es nicht an. Entscheidend ist vielmehr ihr Zweck. Ein Ankaufsrecht nach dem Mauergrundstücksgesetz rechtfertigt die Errichtung einer Sperranlage nur, wenn sie dazu diente, die ehemalige Grenze zu markieren oder zu sichern oder Fluchtversuche zu verhindern (Hellmann in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, [Stand August 1996] § 1 MauerG Rdn. 12). Umstritten ist, ob dazu nur Anlagen gehören, die diesem Zweck unmittelbar dienten (so: Erlass des Bundesministeriums der Finanzen v. 1. Juli 1996, VI A 2 - O 1002 - 30.3-40/96, VIZ 1996, 634; Hellmann, aaO; Horst in: Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR [Stand Juni 1997] § 1 MauerG Rdn. 7), oder auch Anlagen, die, wie etwa Kasernen der Grenztruppen, diesem Zweck nur mittelbar dienten (so: RVI/Wasmuth, aaO, Rdn. 30). Diese Frage bedarf hier aber keiner Entscheidung.
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- bb) Die früher der Klägerin gehörenden Grundstücke dienten weder unmittelbar noch mittelbar der Markierung oder Sicherung der Grenze. Sie befinden sich zwar in ihrer Nähe. Auf ihnen befanden sich aber weder der eigentliche Grenzzaun noch andere Anlage, die die Grenze markieren oder sichern oder Fluchtversuche verhindern sollten. Die Grundstücke wurde vielmehr als Kaserne genutzt. Dort waren auch keine Einheiten der Grenztruppe der Nationalen Volksarmee (NVA) stationiert, sondern mit einem motorisierten Schützenregiment eine nicht mit dem Schutz der Grenze betraute Einheit der NVA. Auch die damalige Nutzung des Geländes als Übungsplatz der Truppenluftabwehr diente nicht der Sicherung der Grenze oder der Verhinderung von Fluchtversuchen.
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- cc) Nichts anderes ergibt sich aus dem - zudem einmaligen - Umstand, dass die spanischen Reiter 1970 aufgestellt worden sind, weil ein Regimentsangehöriger versucht hatte, mit einem Panzer des Regiments die Grenze zu durchbrechen. Die spanischen Reiter wurden nämlich im Innern des Kasernegeländes aufgestellt. Sie konnten daher nicht ein Verlassen der DDR, sondern nur verhindern, dass Panzer und anderes schweres Gerät an nicht dafür vorgesehenen Stellen von dem Kasernengelände entfernt wurden. Das Kasernengelände war zudem der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Die spanischen Reiter dienten deshalb nicht anders als die auf den Grundstücken errichteten Zäune, Mauern und Wachtürme der Sicherung des Kasernengeländes, der dort stationierten oder übenden Einheiten und ihres Geräts, nicht jedoch der Sicherung der Grenze oder dazu, die Bürger an einem Verlassen der DDR zu hindern. Sie sind deshalb keine Sperranlagen im Sinne von § 1 Abs. 1 MauerG. Damit scheidet ein Ankaufsanspruch unabhängig von der Beantwortung der an sich klärungsbedürftigen Frage nach der Bedeutung des zeitlichen Abstands zwischen der tatsächlichen Inanspruchnahme des Grundstücks und seiner förmlichen Überführung in Volkseigentum aus.
III.
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- Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
LG Cottbus, Entscheidung vom 21.08.2002 - 5 O 167/99 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 15.06.2006 - 5 U 136/02 -
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Annotations
Anträge auf Rückerwerb müssen bis zum Ablauf des 31. Januar 1997 bei der Oberfinanzdirektion gestellt werden, in deren Bezirk der Vermögenswert belegen ist.
(1) Mauer- und Grenzgrundstücke sind Grundstücke, die in den in § 8 des Gesetzes über die Staatsgrenze der Deutschen Demokratischen Republik vom 25. März 1982 (GBl. I Nr. 11 S. 197) bezeichneten Grenzgebieten liegen und die für Zwecke der Errichtung oder des Ausbaus von Sperranlagen an der ehemaligen Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West) und der Deutschen Demokratischen Republik einschließlich Berlin (Ost) in Volkseigentum überführt wurden.
(2) Bundeseigene Grundstücke im Sinne dieses Gesetzes sind solche, die mittelbar oder unmittelbar im Eigentum des Bundes stehen.
(3) Dieses Gesetz gilt nicht für Grundstücke, an denen Rückübertragungs- oder Entschädigungsansprüche nach dem Vermögensgesetz bestehen. Bis zur bestandskräftigen Entscheidung über den vermögensrechtlichen Anspruch wird das Verfahren nach diesem Gesetz ausgesetzt.
(4) § 349 des Lastenausgleichsgesetzes findet keine Anwendung.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)