Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Feb. 2010 - V ZR 145/09

bei uns veröffentlicht am11.02.2010
vorgehend
Landgericht Aachen, 11 O 252/06, 31.01.2007
Oberlandesgericht Köln, 4 U 5/07, 30.06.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 145/09
vom
11. Februar 2010
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Februar 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin
Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 30. Juni 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 68.000 €.

Gründe:


I.

1
Mit notariellem Vertrag vom 27. September 2002 verkaufte der Beklagte ein Grundstück zum Preis von 105.000 € an die Klägerin. In einer weiteren notariellen Urkunde desselben Tages bestellten die Parteien an dem verkauften Grundstück eine Grundschuld über 68.000 € zugunsten des Beklagten. Der Kaufpreis von 105.000 € wurde bezahlt.
2
Der Beklagte betreibt die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld. Die Klägerin wendet mit der dagegen erhobenen Vollstreckungsgegenklage ein, die Grundschuld habe einen Teil der Kaufpreisforderung sichern sollen. Da diese erfüllt sei, sei die Vollstreckung unzulässig.
3
Die Klage ist in erster Instanz abgewiesen worden, das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
4
In dem neuen Berufungsverfahren ist unter anderem der beurkundende Notar als Zeuge vernommen worden. Der ebenfalls geladene ehemalige Bürovorsteher des Notars (Zeuge K. ) hat sich wegen Krankheit entschuldigt und eine schriftliche Stellungnahme zu dem Beweisthema übersandt. In dem Sitzungsprotokoll der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht heißt es: "Sie erklären, dass sie zu der heutigen Beweisaufnahme noch schriftlich Stellung nehmen wollen. Insoweit werden sie sich auch dazu äußern, ob der Zeuge K. noch persönlich vernommen werden muss". Anschließend ist eine Schriftsatzfrist und ein Verkündungstermin bestimmt worden. Innerhalb der eingeräumten Frist hat die Klägerin wie folgt Stellung genommen : "Sofern nicht ohnehin gem. dem Antrag der Klägerin zu entscheiden sein sollte, wird angeregt, den Zeugen K. noch ergänzend zu vernehmen".
5
In dem Verkündungstermin hat das Oberlandesgericht ein die Berufung der Klägerin zurückweisendes Urteil verkündet. In dem Tatbestand dieses Urteils heißt es, die Parteien hätten auf die Vernehmung des Zeugen K. verzichtet. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

II.

6
Das Berufungsgericht meint, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Beklagte die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld zu Recht betreibe. Die Grundschuld habe nicht der teilweisen Sicherung des in dem notariellen Grundstückskaufvertrag vereinbarten Kaufpreises gedient. Die erneute Vernehmung des Notars sowie die schriftliche Stellungnahme des Zeugen K. hätten ergeben, dass die der Bestellung der Grundschuld zugrunde liegenden Vereinbarungen in wesentlichen Punkten von den Vereinbarungen über die Bestellung der - ursprünglich vorgesehenen und der Kaufpreissicherung dienenden - Hypothek über 68.000 € abgewichen seien, was nur den Schluss zulasse, dass die Grundschuld nicht der Sicherung eines Restbetrages des Kaufpreises habe dienen sollen. Insgesamt erscheine der Vortrag des Beklagten plausibel, er habe 193.000 € von der Klägerin erhalten wollen, und zwar als Ausgleich für den Verkauf des Hofgrundstücks, für darlehensweise hingegebene Gelder und für die Reparatur des Dachs. Jedenfalls stehe fest, dass die Grundschuld eine andere Forderung sichere als die beurkundete Kaufpreisforderung. Letztere habe die Klägerin getilgt; weitere Zahlungen seien nicht erfolgt. Unter diesen Umständen bedürfe es nicht mehr der Vernehmung des Zeugen K. .

III.

7
Das angefochtene Urteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, da das Berufungsgericht den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
8
1. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfG NJW 2003, 1655). So liegt es hier in Bezug auf den von der Klägerin angebotenen Beweis durch Vernehmung des Bürovorstehers K. .
9
a) Die Klägerin hat nicht auf die Vernehmung des Zeugen verzichtet. Die gegenteilige Feststellung im angefochtenen Urteil ist durch das Sitzungsprotokoll entkräftet und nimmt daher nicht an der Tatbestandswirkung des Urteils teil (§ 314 Satz 2 ZPO). Ausweislich des Sitzungsprotokolls der letzten mündlichen Verhandlung vom 28. April 2009 wollten sich die Parteien erst in einer (späteren ) schriftlichen Stellungnahme zu der Frage äußern, ob auf den Zeugen K. verzichtet werden könne. Das steht im offenen Widerspruch zu der Feststellung im Urteil, die Parteien hätten, nachdem ihnen die schriftliche Aussage des Zeugen K. im Termin überreicht worden sei, auf dessen Vernehmung verzichtet. In dem nachgelassenen Schriftsatz hat die Klägerin an ihrem Beweisantritt festgehalten.
10
b) Das Berufungsgericht konnte von der Vernehmung des Zeugen auch nicht mit der Begründung absehen, aufgrund der Aussage des Notars stehe fest, dass die Grundschuld eine andere Forderung als den beurkundeten Kaufpreis sichere. Die dahinter stehende Annahme, die Aussage des zu demselben Beweisthema benannten Zeugen K. werde keine anderen Erkenntnisse erbringen, ist eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung und verletzt ebenfalls Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BGH, Urt. v. 13. September 2004, II ZR 137/02, WM 2004, 2365, 2366).
11
c) Das Berufungsgericht durfte schließlich nicht im Hinblick auf die schriftliche Erklärung des Zeugen K. von dessen Vernehmung absehen, da es keine schriftliche Beantwortung der Beweisfrage (§ 377 Abs. 3 ZPO) angeordnet , sondern den Zeugen zum Termin geladen hatte.
12
2. Das übergangene Beweisangebot ist entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht hat sein Urteil maßgeblich auf die Aussage des Notars gestützt, wonach die in Aussicht genommenen Vereinbarungen von den Parteien vor der Beurkundung in wesentlichen Punkten geändert worden seien, und aus diesen Änderungen gefolgert, die Grundschuld sichere nicht dieselbe Forderung wie die ursprünglich vorgesehene Restkaufpreishypothek. Die Änderungen des Vertragstextes sind von der Klägerin auch oder in erster Linie mit dem Zeugen K. als Bürovorsteher besprochen worden. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass durch seine Vernehmung ihr Vortrag bestätigt worden wäre, sie habe ihm seinerzeit telefonisch mitgeteilt, dass die Grundschuld trotz der Vertragsänderungen weiterhin der Sicherung der Kaufpreiszahlung dienen solle, und dass diese Aussage zu einem anderen Beweisergebnis geführt hätte.
13
3. Angesichts der übrigen Rügen der Nichtzulassungsbeschwerde weist der Senat für das weitere Verfahren vorsorglich darauf hin, dass das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler annehmen konnte, der Beklagte habe hinsichtlich des Sicherungszwecks der Grundschuld seiner sekundären Darlegungslast genügt. Krüger Klein Stresemann Czub Roth
Vorinstanzen:
LG Aachen, Entscheidung vom 31.01.2007 - 11 O 252/06 -
OLG Köln, Entscheidung vom 30.06.2009 - 4 U 5/07 -

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 314 Beweiskraft des Tatbestandes


Der Tatbestand des Urteils liefert Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Der Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 377 Zeugenladung


(1) Die Ladung der Zeugen ist von der Geschäftsstelle unter Bezugnahme auf den Beweisbeschluss auszufertigen und von Amts wegen mitzuteilen. Sie wird, sofern nicht das Gericht die Zustellung anordnet, formlos übermittelt. (2) Die Ladung muss enth

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Bundesgerichtshof Urteil, 13. Sept. 2004 - II ZR 137/02

bei uns veröffentlicht am 13.09.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL II ZR 137/02 Verkündet am: 13. September 2004 Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein B

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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Der Tatbestand des Urteils liefert Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Der Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 137/02 Verkündet am:
13. September 2004
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Ablehnung der Vernehmung eines Zeugen als unzulässige vorweggenommene
Beweiswürdigung.
BGH, Urteil vom 13. September 2004 - II ZR 137/02 - OLG Koblenz
LG Koblenz
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 13. September 2004 durch den Vorsitzenden Richter
Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly, Münke und
Dr. Gehrlein

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 7. März 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger ist Verwalter in dem am 1. Juni 1999 eröffneten Konkursverfahren über das Vermögen der E. F. GmbH. Die Gemeinschuldnerin wurde durch notariellen Vertrag vom 27. November 1977 von dem Beklagten und seiner Mutter mit einem Stammkapital von 50.000,00 DM gegründet. Die Gesellschafter - der Beklagte ist zwischenzeitlich Rechtsnachfolger seiner verstorbenen Mutter - übernahmen eine Stammeinlage von jeweils 25.000,00 DM.

Das Landgericht hat die von dem Kläger wegen vermeintlich rückständiger Stammeinlagen von 50.000,00 DM erhobene Teilklage auf Zahlung von 15.000,00 DM abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat der Beklagte im Wege der Anschlußberufung die Feststellung begehrt, daß dem Kläger über den mit der Klage geltend gemachten Teilbetrag auch kein weitergehender Anspruch gegen den Beklagten zusteht. Das Oberlandesgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 15.000,00 DM verurteilt und seine Feststellungswiderklage abgewiesen. Mit seiner von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seine im Berufungsrechtszug erfolglosen Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Durch die Vorlage der auf den 31. Dezember 1980 und 31. Dezember 1981 erstellten, die Zahlung des Stammkapitals ausweisenden Bilanzen habe der Beklagte nicht den ihm obliegenden Beweis der Begleichung der Stammeinlagen geführt. Es sei nicht ersichtlich , ob und in welcher Weise sich der mit der Errichtung der Bilanzen betraute Steuerberater von der tatsächlichen Erbringung der Einlagen überzeugt habe. Der in den Bilanzen enthaltene Vermerk "aufgestellt anhand der vorgelegten Buch- und Inventurunterlagen" spreche jedenfalls nicht für die Überprüfung der den Buchungen zugrundeliegenden Belege. Einer Vernehmung des von dem Beklagten zum Nachweis der Einzahlung der Stammeinlagen benannten Steuerberaters bedürfe es nicht, weil der Steuerberater lediglich angeben könne, die Bilanzen nach den ihm vorgelegten Unterlagen richtig er-
stellt zu haben. Ein Beweiswert für die Frage der Einzahlung der Stammeinlagen komme der Aussage nicht zu.
II. Die Revision ist begründet, weil das Berufungsgericht den entscheidungserheblichen Beweisantrag des Beklagten auf Vernehmung des Zeugen K. - wie die Revision zutreffend rügt - verfahrensfehlerhaft unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG übergangen hat.
1. Die Ablehnung der Vernehmung des Zeugen K. findet als unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung (BGHZ 53, 245, 260; Sen.Urt. v. v. 19. Juni 2000 - II ZR 319/98, NJW 2000, 3718, 3720; vgl. auch BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschl. v. 22. Januar 2001 - 1 BvR 2075/98, NJW-RR 2001, 1006 f.) im Prozeßrecht keine Stütze.
Der Beklagte hat den Steuerberater K. zum Beweis dafür benannt, die Bilanzen erst nach Prüfung der "Voraussetzungen" gefertigt zu haben, "die erfüllt sein müssen, um die konkreten Bilanzpositionen aufzunehmen und mit konkreten Zahlen zu versehen". Im Licht der von dem Kläger gegen die Verwertbarkeit der Bilanzen erhobenen Einwände ist dieses - als Prozeßerklärung einer uneingeschränkten Auslegung durch das Revisionsgericht zugängliche (BGHZ 115, 286, 290; BGH, Urt. v. 9. Mai 1990 - VIII ZR 237/89, NJW 1990, 2683 f. jew. m.w.N.) - Vorbringen des Beklagten ersichtlich dahin zu verstehen, daß der Zeuge die ihm unterbreiteten Belege vor Erstellung der Bilanz einer Kontrolle auf Richtigkeit und Vollständigkeit unterzogen hat.
2. Die Beachtlichkeit dieses Beweisangebots ist - anders als das Berufungsgericht meint - nicht dadurch entfallen, daß sich der Beklagte zur Bekräftigung seines Vorbringens auf den Prüfervermerk seines Steuerberaters "aufge-
stellt anhand der vorgelegten Buch- und Inventurunterlagen" berufen hat. Nach Ansicht des Beklagten hat sein Steuerberater mit dem Prüfervermerk schon bei Aufstellung der Bilanz die inhaltliche Prüfung der Belege bestätigt. Ob dem Prüfervermerk dieser Sinngehalt zukommt oder ob der Steuerberater damit lediglich die der Bilanz zugrundeliegenden Unterlagen konkretisiert hat, kann dahinstehen. Zumindest kann dem Prüfervermerk nicht entnommen werden, daß keine inhaltliche Kontrolle der Belege stattgefunden und der Steuerberater die Unterlagen unbesehen zu einer lediglich rechnerisch stimmigen Bilanz zusammengefügt hat. Dies hat auch das Berufungsgericht nicht verkannt, weil es in dem Prüfervermerk einen Anhalt dafür vermißt hat, ob auch eine Prüfung der den Buchungen zugrundeliegenden Belege stattgefunden hat. Gestattet der Prüfervermerk danach keinen Rückschluß auf eine tatsächlich unterbliebene inhaltliche Kontrolle, mußte der von dem Beklagten für die behauptete Prüfung angetretene Zeugenbeweis erhoben werden. In der Wertung des Berufungsgerichts , der Zeuge könne nur angeben, die Bilanzen nach den ihm vorgelegten Unterlagen richtig aufgestellt zu haben, ist eine (typische) Vorwegnahme der Beweiswürdigung zu erkennen, weil das Gericht - ohne den Zeugen zu hören - seiner Aussage von vornherein einen bestimmten Inhalt unterlegt.
3. Das angefochtene Urteil beruht auf dem Verfahrensverstoß, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß das Berufungsgericht nach Vernehmung
des Zeugen den dem Beklagten obliegenden Beweis als erbracht angesehen hätte.
Röhricht Goette Röhricht für den durch Urlaub an der Unterzeichnung gehinderten Dr. Kurzwelly Münke Gehrlein

(1) Die Ladung der Zeugen ist von der Geschäftsstelle unter Bezugnahme auf den Beweisbeschluss auszufertigen und von Amts wegen mitzuteilen. Sie wird, sofern nicht das Gericht die Zustellung anordnet, formlos übermittelt.

(2) Die Ladung muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien;
2.
den Gegenstand der Vernehmung;
3.
die Anweisung, zur Ablegung des Zeugnisses bei Vermeidung der durch das Gesetz angedrohten Ordnungsmittel in dem nach Zeit und Ort zu bezeichnenden Termin zu erscheinen.

(3) Das Gericht kann eine schriftliche Beantwortung der Beweisfrage anordnen, wenn es dies im Hinblick auf den Inhalt der Beweisfrage und die Person des Zeugen für ausreichend erachtet. Der Zeuge ist darauf hinzuweisen, dass er zur Vernehmung geladen werden kann. Das Gericht ordnet die Ladung des Zeugen an, wenn es dies zur weiteren Klärung der Beweisfrage für notwendig erachtet.