Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Jan. 2012 - V ZB 96/11

bei uns veröffentlicht am26.01.2012
vorgehend
Amtsgericht Stendal, 63 XIV 9/11, 19.01.2011
Landgericht Stendal, 25 T 28/11, 24.03.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 96/11
vom
26. Januar 2012
in der Abschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Januar 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Stendal vom 24. März 2011 und der Beschluss des Amtsgerichts Stendal vom 19. Januar 2011 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen werden dem Beteiligten zu 2 auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene ist vietnamesischer Staatsangehöriger und reiste am 9. Januar 2010 in das Bundesgebiet ein. Ein von ihm gestellter Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 23. April 2010 als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Der Bescheid ist seit dem 7. Mai 2010 bestandskräftig und die Abschiebungsandrohung seitdem vollziehbar. Ei- ne dem Betroffenen erteilte Duldung des Aufenthalts war bis zum 13. Januar 2011 befristet. An einer an diesem Tag vorgesehenen Anhörungsrunde zur Rückführung vietnamesischer Staatsangehöriger nahm der Betroffene nicht teil. Zudem war er seit dem 14. Januar 2011 in der ihm zugewiesenen Gemeinschaftsunterkunft nicht mehr anzutreffen. Am 18. Januar 2011 wurde er festgenommen.
2
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 19. Januar 2011 auf Antrag des Beteiligten zu 2 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet und die Dauer der „einstweiligen Freiheitsentziehung“ auf höchstens drei Monate festgesetzt. Die gegen die Haftanordnung gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde will der Betroffene die Feststellung erreichen, dass die Haftanordnung und die Beschwerdeentscheidung ihn in seinen Rechten verletzt haben.

II.

3
Nach Ansicht des Beschwerdegerichts lagen die Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungshaft vor. Der Abschiebung habe das Beteiligungserfordernis der Staatsanwaltschaft nach § 72 Abs. 4 AufenthG nicht entgegengestanden. Aus dem Haftantrag selbst oder den sich diesem beigefügten Unterlagen habe sich nicht ohne weiteres ergeben, dass gegen den Betroffenen ein strafrechtliches Ermittlungs-/Strafverfahren anhängig gewesen sei. Zudem sei das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft in dem Beschwerdeverfahren erteilt worden. Schließlich hätte der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG a.F. vorgelegen.

III.

4
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
5
1. Die Rechtsbeschwerde ist mit dem Feststellungsantrag ohne Zulassung statthaft (vgl. nur Senat, Beschluss vom 18. August 2010 - V ZB 119/10, Rnrn. 4, 5 juris). Zwar ist die Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 4 FamFG ausgeschlossen gegen Entscheidungen in Verfahren, in denen über die Anordnung , Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung befunden worden ist. So liegt der Fall hier jedoch nicht. Aus dem Umstand, dass es in dem Tenor der Haftanordnung heißt, die "einstweilige Freiheitsentziehung dürfe die Dauer von drei Monaten nicht überschreiten", kann nicht ohne weiteres der Schluss gezogen werden, dass das Amtsgericht eine vorläufige Anordnung nach § 427 Abs. 1 Satz 1 FamFG getroffen hat. Zu berücksichtigen ist, dass der Beschluss weder Feststellungen zur Frage der Notwendigkeit einer zunächst vorläufigen Regelung enthält noch die Sicherungshaft auf sechs Wochen (vgl. § 427 Abs. 1 Satz 2 FamFG) begrenzt ist. Zudem werden in den Entscheidungsgründen die Voraussetzungen der Abschiebungshaft abschließend festgestellt. Dem steht nicht entgegen, dass die erteilte Rechtsmittelbelehrung nicht auf die Monatsfrist nach § 63 Abs. 1 FamFG hinweist, sondern auf die - im Fall der einstweiligen Anordnung maßgebliche - Zwei-Wochen-Frist nach § 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG.
6
2. Auf die auch im Übrigen zulässige (§ 71 FamFG) Rechtsbeschwerde ist festzustellen, dass der Betroffene durch die Haftanordnung des Amtsgerichts und durch deren Aufrechterhaltung durch das Beschwerdegericht in seinen Rechten verletzt worden ist.
7
a) Das Amtsgericht durfte die Haft nicht anordnen, weil es an einem zulässigen Haftantrag fehlte.
8
aa) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 12; Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 7). Der Haftantrag muss nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG begründet werden. Notwendig sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen , zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Haftantrags (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 14; Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 8). Die Begründung des Haftantrags muss auf den konkreten Fall zugeschnitten sein; Leerformeln und Textbausteine genügen nicht; vielmehr sollen dem Gericht durch den Antrag eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Einleitung weiterer Ermittlungen bzw. für die Entscheidung und dem Betroffenen eine Grundlage für seine Verteidigung gegeben werden (Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, Rn 13 juris). Der Inhalt und Umfang der notwendigen Darlegungen dürfen knapp gehalten sein, müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte des Falls ansprechen (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, FGPrax 2011, 317 Rn. 9). Hinsichtlich der Durchführbarkeit der Abschiebung sind auf das Land bezogene Ausführungen erforderlich, in das der Betroffene abgeschoben werden soll. Anzugeben ist, ob und innerhalb welchen Zeitraums Abschiebungen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind (Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, Rn 13 juris).
9
bb) Diesen Anforderungen genügt der von dem Beteiligten zu 2 gestellte Haftantrag nicht. Angaben zu der erfahrungsgemäß notwendigen Vorbereitungsdauer für eine Abschiebung nach Vietnam enthält er nicht. Die Erklärung, der beantragte Haftrahmen sei erforderlich, um alle Maßnahmen (Vorführung bei der Anhörungsrunde und die anschließende Bestätigung durch die vietnamesische Botschaft, Beantragung der Passersatzpapiere, Anmeldung für den Rückflug und der Rückflug selbst) zur Abschiebung vorzubereiten, ist eine universell einsetzbare Leerformel, die über die Durchführbarkeit der Abschiebung im konkreten Fall nichts aussagt. Konkrete Angaben zu dem Zeitraum, in welchem die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können, damit der Haftrichter die Prognose nach § 62 Abs. 3 Satz 4 AufenthG treffen kann, fehlen. Dies war unerlässlich, weil die frühestmögliche Vorführung des Betroffenen erst für den 30./31. März 2011 ins Auge gefasst war.
10
cc) Eine Heilung des Zulässigkeitsmangels - mit Wirkung für die Zukunft - erfolgte nicht. Die beteiligte Behörde hat in dem weiteren Verfahren keine Begründung für die beantragte Haftdauer gegeben. Deshalb durfte das Beschwerdegericht die Haftanordnung nicht aufrechterhalten.
11
b) Die Haftanordnung hat den Betroffenen auch deshalb in seinen Rechten verletzt, weil für die Abschiebung das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft erforderlich war. Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf gemäß § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft abgeschoben werden.
12
aa) Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde, dass es für die Verletzung der genannten Rechtsnorm allein auf die objektive Rechtslage ankommt und es unerheblich ist, ob schon der Haftrichter Anhaltspunkte für eine diesbezügliche Prüfung hatte und ob es die den Antrag stellende Behörde pflichtwidrig unterlassen hat, in dem Haftantrag auf das schwebende Ermittlungsverfahren hinzuweisen und - was in einem solchen Fall ebenfalls erforderlich gewesen wäre - die Erteilung des Einvernehmens in dem Antrag darzulegen (Senat, Beschluss vom 29. September 2011 - V ZB 173/11, NJW 2011, 3792, 3793 Rn. 4; Beschluss vom 12. Mai 2011 - V ZB 189/10, FGPrax 2011, 202 Rn. 5). Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts waren im Zeitpunkt der Haftanordnung bei dem Amtsgericht Potsdam zwei Strafverfahren gegen den Betroffenen anhängig. Die staatsanwaltschaftlichen Zustimmungen zu der Abschiebung wurden erst am 10. März 2011 bzw. am 18. März 2011 und damit nach der Entscheidung des Amtsgerichts erklärt. Damit stand der Haftanordnung das Zustimmungserfordernis nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG entgegen.
13
bb) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts bedeutet das zur Abschiebung notwendige Einvernehmen der Staatsanwaltschaft kein zeitweiliges Abschiebungshindernis, das ein ausreisepflichtiger Ausländer in den Grenzen von § 62 Abs. 3 Satz 4 AufenthG hinzunehmen hat (Senat, Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 93/10, NVwZ 2010, 1574, 1575 Rn. 9). Schließlich wird die zunächst rechtswidrige Haftanordnung nicht bereits von der objektiven Erteilung des Einvernehmens an rechtmäßig, sondern erst dann, wenn der Betroffene dazu Stellung hat nehmen können (Senat, Beschluss vom 29. September 2011 - V ZB 173/11, NJW 2011, 3792, 3793 Rn. 4).

IV.

14
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2 FamFG, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO in Verbindung mit § 30 KostO. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Stendal, Entscheidung vom 19.01.2011 - 63 XIV 9/11 -
LG Stendal, Entscheidung vom 24.03.2011 - 25 T 28/11 -

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(1) Eine Betretenserlaubnis (§ 11 Absatz 8) darf nur mit Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde erteilt werden. Die Behörde, die den Ausländer ausgewiesen, abgeschoben oder zurückgeschoben hat, ist in der Regel zu beteiligen.

(2) Über das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 5 oder 7 und das Vorliegen eines Ausschlusstatbestandes nach § 25 Absatz 3 Satz 3 Nummer 1 bis 4 entscheidet die Ausländerbehörde nur nach vorheriger Beteiligung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.

(3) Räumliche Beschränkungen, Auflagen und Bedingungen, Befristungen nach § 11 Absatz 2 Satz 1, Anordnungen nach § 47 und sonstige Maßnahmen gegen einen Ausländer, der nicht im Besitz eines erforderlichen Aufenthaltstitels ist, dürfen von einer anderen Behörde nur im Einvernehmen mit der Behörde geändert oder aufgehoben werden, die die Maßnahme angeordnet hat. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Aufenthalt des Ausländers nach den Vorschriften des Asylgesetzes auf den Bezirk der anderen Ausländerbehörde beschränkt ist.

(3a) Die Aufhebung einer Wohnsitzverpflichtung nach § 12a Absatz 5 darf nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde des geplanten Zuzugsorts erfolgen. Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des § 12a Absatz 5 vorliegen; eine Ablehnung ist zu begründen. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn die Ausländerbehörde am Zuzugsort nicht innerhalb von vier Wochen ab Zugang des Ersuchens widerspricht. Die Erfüllung melderechtlicher Verpflichtungen begründet keine Zuständigkeit einer Ausländerbehörde.

(4) Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden. Ein Ausländer, der zu schützende Person im Sinne des Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetzes ist, darf nur im Einvernehmen mit der Zeugenschutzdienststelle ausgewiesen oder abgeschoben werden. Des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn nur ein geringes Strafverfolgungsinteresse besteht. Dies ist der Fall, wenn die Erhebung der öffentlichen Klage oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen einer Straftat nach § 95 dieses Gesetzes oder nach § 9 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern oder Straftaten nach dem Strafgesetzbuch mit geringem Unrechtsgehalt erfolgt ist. Insoweit sind Straftaten mit geringem Unrechtsgehalt Straftaten nach § 113 Absatz 1, § 115 des Strafgesetzbuches, soweit er die entsprechende Geltung des § 113 Absatz 1 des Strafgesetzbuches vorsieht, den §§ 123, 166, 167, 169, 185, 223, 240 Absatz 1, den §§ 242, 246, 248b, 263 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 265a, 267 Absatz 1 und 2, § 271 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 273, 274, 276 Absatz 1, den §§ 279, 281, 303 des Strafgesetzbuches, dem § 21 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 8. April 2019 (BGBl. I S. 430) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, und dem § 6 des Pflichtversicherungsgesetzes vom 5. April 1965 (BGBl. I S. 213), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 6. Februar 2017 (BGBl. I S. 147) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, es sei denn, diese Strafgesetze werden durch verschiedene Handlungen mehrmals verletzt oder es wird ein Strafantrag gestellt.

(5) § 45 des Achten Buches Sozialgesetzbuch gilt nicht für Ausreiseeinrichtungen und Einrichtungen, die der vorübergehenden Unterbringung von Ausländern dienen, denen aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt oder bei denen die Abschiebung ausgesetzt wird.

(6) Vor einer Entscheidung über die Erteilung, die Verlängerung oder den Widerruf eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 4a oder 4b und die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 ist die für das in § 25 Abs. 4a oder 4b in Bezug genommene Strafverfahren zuständige Staatsanwaltschaft oder das mit ihm befasste Strafgericht zu beteiligen, es sei denn, es liegt ein Fall des § 87 Abs. 5 Nr. 1 vor. Sofern der Ausländerbehörde die zuständige Staatsanwaltschaft noch nicht bekannt ist, beteiligt sie vor einer Entscheidung über die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 die für den Aufenthaltsort zuständige Polizeibehörde.

(7) Zur Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 16a, 16d, 16e, 18a, 18b, 18c Absatz 3 und der §§ 19 bis 19c können die Ausländerbehörde, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie die Auslandsvertretung zur Erfüllung ihrer Aufgaben die Bundesagentur für Arbeit auch dann beteiligen, wenn sie ihrer Zustimmung nicht bedürfen.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 119/10
vom
18. August 2010
in der Abschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. August 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 24. März 2010 und der Beschluss des Amtsgerichts Wuppertal vom 27. Januar 2010 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben. Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird als unzulässig verworfen.
Die gerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden dem Betroffenen zur Hälfte auferlegt. Gerichtskosten werden im Übrigen - auch hinsichtlich der Vorinstanzen - nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen, die ihm im erstinstanzlichen Verfahren und im Beschwerdeverfahren entstanden sind, werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt; sie hat auch seine zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Rechtsbeschwerdeverfahren notwendigen Auslagen zur Hälfte zu tragen. Im Übrigen findet keine Auslagenerstattung statt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Auf den Antrag der beteiligten Behörde ordnete das Amtsgericht am 27. Januar 2010 gegen den aus Tunesien stammenden Betroffenen die Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 26. April 2010 an. Es hat seine Entscheidung auf §§ 3, 13 FreihEntzG und die Haftgründe der unerlaubten Einreise (§ 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) sowie des Verdachts der Entziehungsabsicht (§ 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG) gestützt. Die hiergegen gerichtete und allein auf die Nennung der nicht mehr anwendbaren Vorschriften des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen gestützte Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und der Haftanordnung, hilfsweise die Feststellung erstrebt, dass die vorinstanzlichen Entscheidungen ihn in seinen Rechten verletzt haben.

II.

2
Das Beschwerdegericht hat gemeint, die Voraussetzungen der von dem Amtsgericht angenommenen Haftgründe lägen vor. Zur Vermeidung von Wiederholungen hat das Beschwerdegericht auf die Darlegungen in der Entscheidung des Amtsgerichts verwiesen. Die Erwähnung der falschen verfahrensrechtlichen Normen sei unschädlich.

III.

3
1. Die Rechtsbeschwerde ist nur mit dem Hilfsantrag nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG, § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 71 FamFG). Der Hauptantrag ist unzulässig.
4
a) Infolge des Ablaufs der in der Ausgangsentscheidung angeordneten Haftdauer ist die Erledigung der Hauptsache eingetreten; damit kann eine auf die Aufhebung der vorinstanzlichen Beschlüsse gerichtete Sachentscheidung nicht mehr ergehen (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Juli 1998 - V ZB 7/98, BGHZ 139, 254, 255; Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 184/09, FGPrax 2010, 152, 153; Keidel/Budde, FamFG, 16. Aufl., § 62 Rn. 1; SchulteBunert /Weinreich/Brinkmann, FamFG, 2. Aufl., § 22 Rn. 20). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kommt es nicht darauf an, dass zwischenzeitlich das Amtsgericht Paderborn auf den Antrag der beteiligten Behörde die Haft verlängert hat. Denn die Fortdauer der Haft beruht nicht auf der Ausgangsentscheidung und der Zurückweisung der hiergegen gerichteten Beschwerde durch das Landgericht, sondern auf einer eigenständigen Entscheidung des nunmehr zuständigen Gerichts, bei der uneingeschränkt die Vorgaben für die erstmalige Anordnung zu beachten und die Voraussetzungen der Haft erneut zu prüfen sind (vgl. § 425 Abs. 3 FamFG; Keidel/Budde, aaO, § 425 Rn. 7).
5
b) Der Senat hat in der Sache somit nur über den hilfsweise gestellten Fortsetzungsfeststellungsantrag zu entscheiden. Insoweit ist die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG ohne Zulassung durch das Beschwerdegericht zulässig (vgl. nur Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150, 151 = InfAuslR 2010, 249, 250).
6
2. Der Hilfsantrag ist begründet. Sowohl die Entscheidung des Amtsgerichts , die ebenfalls Gegenstand rechtlicher Nachprüfung ist (vgl. Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 184/09, FGPrax 2010, 152), als auch die Entscheidung des Beschwerdegerichts haben den Betroffenen in seinen Rechten verletzt (§ 62 Abs. 1 FamFG).
7
a) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die angefochtene Entscheidung allerdings nicht deshalb zu beanstanden, weil es an der Darstellung des Sachverhalts fehlt. Zwar müssen Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben (Senat, Beschluss vom 11. Mai 2006 - V ZB 70/05, FamRZ 2006, 1030; Beschluss vom 14. Mai 2009 - V ZB 172/08, NJW 2009, 2135). Das Rechtsbeschwerdegericht ist nämlich ohne die Wiedergabe zu einer rechtlichen Überprüfung, die nach §§ 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG, 559 ZPO grundsätzlich von dem durch das Beschwerdegericht festgestellten Sachverhalt auszugehen hat, nicht in der Lage (Senat, Beschluss vom 14. Mai 2009 - V ZB 172/08, aaO). Aber das Fehlen der Sachdarstellung hindert eine Entscheidung über die Rechtsbeschwerde hier deshalb nicht, weil sich die Vorgänge, auf die es ankommt , mit noch ausreichender Deutlichkeit dem Beschluss des Amtsgerichts entnehmen lassen und nach den Umständen kein Zweifel besteht, dass sich das Beschwerdegericht die erstinstanzlichen Feststellungen umfassend zu Eigen gemacht hat.
8
b) Ebenfalls erfolglos rügt der Betroffene die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung wegen der Nennung der außer Kraft getretenen (Art. 112 FGG-RG) Vorschriften des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen in dem Beschluss des Amtsgerichts. Durch die dem Betroffenen bekannt gemachte Nichtabhilfeentscheidung ist ein möglicherweise in dieser falschen Begründung liegender Verfahrensfehler geheilt worden (vgl. BK- Bahrenfuss/Rüntz, FamFG [2009], § 38 Rn. 24; Keidel/Meyer-Holz, aaO, § 38 Rn. 74).
9
c) Mit Erfolg rügt der Betroffene jedoch, dass der Haftanordnung und der Aufrechterhaltung der Haft kein zulässiger Antrag zugrunde lag. Das Vorliegen eines solchen Antrags ist hingegen Verfahrensvoraussetzung und daher in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (Senat, Beschluss vom 30. März 2010 - V ZB 79/10, FGPrax 2010, 158).
10
aa) Die beteiligte Behörde die den Haftantrag gestellt hat, war örtlich und sachlich zuständig. Der Antrag war jedoch nicht ausreichend begründet. Die Begründung ist nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG allerdings zwingend; ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Antrags (Senat , Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, Rn. 14, juris; Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, Umdruck S. 6 f.).
11
bb) Für Abschiebungshaftanträge werden insbesondere Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer verlangt (vgl. § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3-5 FamFG). Daran fehlte es. Der Haftantrag erschöpfte sich in der Schilderung des Aufgreifens des Betroffenen und seiner Befragung durch einen Mitarbeiter der beteiligten Behörde, in der Feststellung, dass dem Betroffenen die Einreise/der Aufenthalt im Bundesgebiet ohne Visum nicht erlaubt ist, und in der Wiedergabe des Wortlauts der Vorschrift des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, die fälschlich als § 67 AufenthG bezeichnet wurde.
12
d) Zutreffend macht der Betroffene geltend, das Beschwerdegericht habe ihn nach §§ 68 Abs. 3 Satz 1, 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG persönlich anhören müssen.
13
aa) Die persönliche Anhörung des Betroffenen ist nach § 68 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG und Art. 104 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG auch im Beschwerdeverfahren grundsätzlich zwingend vorgeschrieben. Hiervon darf das Beschwerdegericht nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG nur absehen, wenn eine ordnungsgemäße persönliche Anhörung des Betroffenen in erster Instanz erfolgt ist und zusätzliche Erkenntnisse von einer erneuten Anhörung nicht zu erwarten sind (Senat, Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 3/10, Rn. 8, juris; Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, FGPrax 2010, 154, 155).
14
bb) Die Voraussetzungen für das Absehen von der Anhörung lagen indessen nicht vor. Denn die Anhörung des Betroffenen durch das Amtsgericht war nicht ordnungsgemäß. Er hatte keine Gelegenheit, zu einem zulässigen Antrag auf Anordnung der Haft Stellung zu nehmen, also sich zu sämtlichen tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der gegen ihn verhängten Freiheitsentziehung sowie zu allen wesentlichen Gesichtspunkten zu äußern, auf die es für die Entscheidung über die Freiheitsentziehung ankommt (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, Rn. 25, juris). Nach dem Protokoll der Anhörung wurden dem Betroffenen nur die in dem Haftantrag enthaltenen Angaben bekannt gegeben. Diese boten jedoch, wie ausgeführt, keine ausreichende Grundlage für die Haftanordnung.
15
cc) Wegen des Verstoßes gegen das Gebot rechtlichen Gehörs hat die Entscheidung des Beschwerdegerichts den Betroffenen in seinen Rechten verletzt (vgl. BVerfG InfAuslR 2006, 462, 464; Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 184/09, FGPrax 2010, 152, 154).
16
3. Die Haftanordnung und die Entscheidung des Beschwerdegerichts halten auch in anderen Punkten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
17
a) Mit Erfolg rügt der Betroffene die fehlende Beiziehung der Ausländerakten durch das Beschwerdegericht. Denn ohne sie konnte es keine Feststellungen zu der Einhaltung des Beschleunigungsgebots treffen (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 204/09, Rn. 7 ff., juris).
18
aa) Das aus Art. 2 Abs. 2 GG abzuleitende Beschleunigungsgebot bei Freiheitsentziehungen (vgl. BVerfGE 46, 194, 195) ist auch schon während des Laufs der Drei-Monats-Frist des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG zu beachten; es ist verletzt, wenn die Ausländerbehörde nicht alle notwendigen Anstrengungen unternommen hat, um Ersatzpapiere zu beschaffen, damit der Vollzug der Abschiebungshaft auf eine möglichst kurze Zeit beschränkt werden kann (Senat, Beschluss vom 11. Juli 1996 - V ZB 14/96, BGHZ 133, 235, 239). Das Beschwerdegericht darf die Sicherungshaft deshalb nur aufrechterhalten, wenn die Behörde die Abschiebung des Betroffenen ernstlich betreibt, und zwar, gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, mit der größtmöglichen Beschleunigung (Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 205/09, Rn. 16, juris).
19
bb) Der Betroffene hat dargelegt, welche entscheidungserheblichen Informationen den Ausländerakten entnommen werden konnten (vgl. hierzu Senat , Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, FGPrax 2010, 154, 156; Beschluss vom 8. Juli 2010 - V ZB 203/09, Rn. 7, juris). Da zwischen der Haftanordnung durch das Amtsgericht und dem Erlass der Beschwerdeentscheidung ein Zeitraum von knapp zwei Monaten liegt, hätte das Beschwerdegericht bereits angesichts dessen sein besonderes Augenmerk auf die Beachtung des Beschleunigungsgebots richten müssen.
20
b) Nicht frei von Rechtsfehlern ist ferner die Annahme des Haftgrundes der unerlaubten Einreise nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG.
21
Ein Betroffener ist in Sicherungshaft zu nehmen, wenn er aufgrund unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet vollziehbar ausreisepflichtig ist (§ 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) und die Ausländerbehörde beabsichtigt, die Ausreisepflicht (§ 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) zwangsweise durchzusetzen. Ergibt sich die vollziehbare Ausreisepflicht - wie hier - weder aus einer bestandskräftigen Abschiebungs- bzw. Zurückschiebungsverfügung noch aus einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, muss der Haftrichter die erforderliche Prüfung selbst vornehmen (Senat, Beschluss vom 16. Dezember 2009 - V ZB 148/09, FGPRax 2010, 50; Beschluss vom 8. April 2010 - V ZB 51/10, Rn. 13, juris). Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Amtsgericht zwar davon aus, dass die Einreise des Betroffenen nach § 14 Abs. 1 AufenthG unerlaubt war, wenn er ohne gültigen Pass oder Passersatz und ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel (regelmäßig ein Visum) eingereist ist. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat es aber nicht so aufgeklärt, wie das nach § 26 FamFG erforderlich war. Es hat sich allein auf die Angaben des Betroffenen gestützt, er halte sich seit Jahren illegal im Bundesgebiet auf und habe weder Papiere oder einen Pass. Dass der Betroffene bereits ohne die hierzu erforderlichen Papiere eingereist war und die vollziehbare Ausreisepflicht noch auf der unerlaubten Einreise beruht (vgl. OLG Oldenburg InfAuslR 2002, 307; Hailbronner, Ausländerrecht , Stand 69. Aktual. Juni 2010, § 62 AufenthG Rn. 39), kann diesen Angaben nicht ohne weiteres entnommen werden.
22
c) Die vorinstanzlichen Entscheidungen halten der Nachprüfung ferner im Hinblick darauf nicht stand, dass die Haft unzulässig ist, wenn feststeht, dass die Abschiebung aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann (§ 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG). Der Haftrichter hat auf einer hinreichend vollständigen Tatsachengrundlage seine Prognose grundsätzlich auf alle im konkreten Fall ernsthaft in Betracht kommenden Gründe zu erstrecken, die der Abschiebung entge- genstehen oder sie verzögern können (BVerfG NJW 2009, 2659, 2660). Zu der Feststellung, ob die Abschiebung innerhalb von drei Monaten möglich ist, sind konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und eine Darstellung erforderlich , in welchem Zeitraum die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können. Der Tatrichter darf sich insoweit nicht auf die Wiedergabe der Einschätzung der Ausländerbehörde beschränken, die Abschiebung werde voraussichtlich innerhalb von drei Monaten stattfinden können. Soweit die Ausländerbehörde keine konkreten Tatsachen hierzu mitteilt, obliegt es gemäß § 26 FamFG dem Gericht nachzufragen (Senat, Beschluss vom 6. Mai 2010 - V ZB 193/09, Rn. 20, juris; Beschluss vom 8. Juli 2010 - V ZB 89/10, Rn. 8, juris). Diesen Anforderungen werden beide Beschlüsse nicht gerecht. Auch das Beschwerdegericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG von Amts wegen zu prüfen (Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 205/09, Rn. 13, juris). Die Beteiligte zu 2 hat zur Durchführung der Abschiebung keine Angaben gemacht. Die Haftanordnung beschränkt sich ohne ersichtliche Tatsachengrundlage auf die Feststellung, dass keine Umstände ersichtlich seien, die eine Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate undurchführbar erscheinen lassen, ohne dass dies von dem Betroffenen zu vertreten wäre. Die Ausführungen in den Gründen der Beschwerdeentscheidung verhalten sich hierzu nicht.
23
d) Ob der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Rahmen der Prüfung des Haftgrundes hinreichend Beachtung gefunden hat (vgl. BVerfG InfAuslR 1994, 342, 344; BayObLGZ 1974, 249, 253), ist ebenfalls zweifelhaft. Es fehlen hinreichende Feststellungen dazu, warum es erforderlich war, die Haft bis zum 26. April 2010 anzuordnen.

IV.

24
Die Kostenentscheidung beruht auf § 128c KostO und § 83 Abs. 2, § 81 und § 430 FamFG (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Mai 2010 - V ZB 193/09, Rn. 28, juris; Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, Rn. 27, juris). Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 KostO. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Wuppertal, Entscheidung vom 27.01.2010 - 801 XIV 1/10-B -
LG Wuppertal, Entscheidung vom 24.03.2010 - 6 T 162/10 -

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Freiheitsentziehung anordnen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Die vorläufige Freiheitsentziehung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten.

(2) Bei Gefahr im Verzug kann das Gericht eine einstweilige Anordnung bereits vor der persönlichen Anhörung des Betroffenen sowie vor Bestellung und Anhörung des Verfahrenspflegers erlassen; die Verfahrenshandlungen sind unverzüglich nachzuholen.

(1) Die Beschwerde ist, soweit gesetzlich keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Frist von einem Monat einzulegen.

(2) Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen, wenn sie sich gegen folgende Entscheidungen richtet:

1.
Endentscheidungen im Verfahren der einstweiligen Anordnung oder
2.
Entscheidungen über Anträge auf Genehmigung eines Rechtsgeschäfts.

(3) Die Frist beginnt jeweils mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten. Kann die schriftliche Bekanntgabe an einen Beteiligten nicht bewirkt werden, beginnt die Frist spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird, und
2.
die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Die Rechtsbeschwerdeschrift ist zu unterschreiben. Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Beschlusses vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge);
2.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die Rechtsbeschwerde- und die Begründungsschrift sind den anderen Beteiligten bekannt zu geben.

12
a) Im Zeitpunkt der Haftanordnung lag nach dem Inhalt der Verfahrensakten ein rechtswirksamer Antrag auf Anordnung der Freiheitsentziehung (§ 417 FamFG) nicht vor. Das Vorliegen eines solchen Antrags ist jedoch Verfahrensvoraussetzung und daher in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (Senat , Beschl. v. 30. März 2010, V ZB 79/10, juris, Rdn. 7).
7
a) Das Vorliegen eines zulässigen Antrages der zuständigen Verwaltungsbehörde nach § 417 FamFG ist Verfahrensvoraussetzung und in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (Senat, Beschl. v. 30. März 2010, V ZB 79/10, Rn. 7; Senat, Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 218/09, Rn. 12, juris).

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

12
a) Im Zeitpunkt der Haftanordnung lag nach dem Inhalt der Verfahrensakten ein rechtswirksamer Antrag auf Anordnung der Freiheitsentziehung (§ 417 FamFG) nicht vor. Das Vorliegen eines solchen Antrags ist jedoch Verfahrensvoraussetzung und daher in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (Senat , Beschl. v. 30. März 2010, V ZB 79/10, juris, Rdn. 7).
7
a) Das Vorliegen eines zulässigen Antrages der zuständigen Verwaltungsbehörde nach § 417 FamFG ist Verfahrensvoraussetzung und in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (Senat, Beschl. v. 30. März 2010, V ZB 79/10, Rn. 7; Senat, Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 218/09, Rn. 12, juris).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 311/10
vom
27. Oktober 2011
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die für einen zulässigen Haftantrag notwendigen Angaben zur Durchführbarkeit der
Abschiebung müssen sich auf das Land beziehen, in das der Betroffene abgeschoben
werden soll, und müssen erkennen lassen, ob und innerhalb welchen Zeitraums
Abschiebungen in dieses Land üblicherweise möglich sind.
BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10 - LG Berlin
AG Tiergarten
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Oktober 2011 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Lemke, die
Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Czub und die Richterin
Dr. Brückner

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss der Zivilkammer 84 des Landgerichts Berlin vom 18. November 2011 und der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 8. Oktober 2011 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben. Das Land Berlin hat dem Betroffenen sämtliche zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen aller Instanzen zu erstatten. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene, ein pakistanischer Staatsangehöriger, reiste 2007 erstmals nach Deutschland ein. Sein Asylantrag wurde bestandskräftig abgelehnt. Im März 2010 reiste er aus Deutschland aus. Einen Tag nach seiner mit Hilfe einer Schleuserorganisation im September 2010 erfolgten Wiedereinreise wurde er in Berlin festgenommen.
2
Auf Antrag der Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht am 23. September 2010 zunächst eine vorläufige Haftanordnung erlassen. Mit Beschluss vom 8. Oktober 2010 hat es die Haft zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen bis zum 22. Dezember 2010 sowie die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Am 6. Oktober 2010 hat der Betroffene einen Asylfolgeantrag gestellt.
3
Die Beschwerde des Betroffenen ist ohne Erfolg geblieben. Nach seiner Haftentlassung im Januar 2011 möchte er mit der Rechtsbeschwerde festgestellt wissen, dass die Haftanordnung des Amtsgerichts vom 8. Oktober 2010 und die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts ihn in seinen Rechten verletzt haben.

II.

4
Das Beschwerdegericht hat den Betroffenen aufgrund unerlaubter Einreise für vollziehbar ausreisepflichtig und den Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG für gegeben erachtet. Der Asylfolgeantrag habe die Abschiebungshaft nicht gehindert. Die Passbeschaffung sei am 29. September 2010 und damit unverzüglich eingeleitet worden. Die Beteiligte zu 2 habe das Verfahren auch im Übrigen mit der gebotenen Zügigkeit betrieben; auf die Bearbeitungsgeschwindigkeit der pakistanischen Botschaft und der Behörden in Pakistan habe sie keinen Einfluss gehabt. Haftfristen (§ 62 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 1 AufenthG) seien gewahrt worden.

III.

5
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sowohl die Entscheidung des Amtsgerichts als auch die des Beschwerdegerichts verletzen den Betroffenen in seinen Rechten, weil es an einer den Anforderungen des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG genügenden Prognose fehlt.
6
1. a) Für die Anordnung von Sicherungshaft ist nur Raum, wenn die Sachverhaltsermittlung und -bewertung ergibt, dass entweder eine Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate prognostiziert oder eine zuverlässige Prognose zunächst nicht getroffen werden kann (vgl. BVerfG, NJW 2009, 2659, 2660 Rn. 22 f.; Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 205/09, Rn. 9, juris ). Die Prognose muss auf einer hinreichend vollständigen Tatsachengrundlage basieren und sich auf alle im konkreten Fall ernsthaft in Betracht kommenden Gründe erstrecken, die der Abschiebung entgegenstehen oder sie verzögern können (BVerfG, NJW 2009, 2659, 2660). Dazu zählt, wenn der Betroffene , wie hier, einen Asylfolgeantrag gestellt hat, auch ein mögliches Abschiebungshindernis nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG (vgl. näher Senat, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - V ZB 222/10, InfAuslR 2011, 25, 26, Rn. 6). Erforderlich sind konkrete Feststellungen zu dem Verfahrensablauf und zu dem Zeitraum, in dem die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden. Der Tatrichter darf sich dabei nicht auf die Wiedergabe der Einschätzung der Ausländerbehörde beschränken, die Abschiebung werde voraussichtlich innerhalb von drei Monaten stattfinden können. Soweit diese keine konkreten Tatsachen hierzu mitteilt, obliegt es ihm gemäß § 26 FamFG, diese durch Nachfragen zu ermitteln (vgl. Senat, Beschluss vom 14. April 2011 - V ZB 76/11, Rn. 8, juris; Beschluss vom 18. August 2010 - V ZB 119/10, Rn. 22, juris, mwN). Dass Passersatzpapiere beschafft werden müssen, macht die Prognose nicht ent- behrlich (vgl. Senat, Beschluss vom 30. Juni 2011 - V ZB 139/11, Rn. 6, juris; Beschluss vom 14. April 2011 - V ZB 76/11, Rn. 8, juris).
7
b) Den genannten Anforderungen genügt die Haftanordnung des Amtsgerichts offenkundig nicht. Sie beschränkt sich auf den Satz, es stehe nicht fest, dass die Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate aus Gründen, die der Betroffene nicht zu vertreten habe, nicht durchgeführt werden könne, und auf die Aussage, die Dauer der angeordneten Sicherungshaft sei erforderlich , um die Abschiebung organisatorisch vorzubereiten. Beides lässt nicht erkennen , dass das Gericht eine auf Tatsachen gestützte Prognose für den konkreten Fall getroffen hat. Auch fehlt die notwendige Vergewisserung, dass mit einer Entscheidung des Bundesamts über den Asylfolgeantrag des Betroffenen innerhalb von drei Monaten gerechnet werden konnte (vgl. § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG sowie Senat, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - V ZB 222/10, InfAuslR 2011, 25, 26 Rn. 6).
8
2. Die unzureichende Prognose des Amtsgerichts ist in der Beschwerdeinstanz nicht nachgeholt worden. Auch ist das Beschwerdegericht - obwohl zwischen der Haftanordnung und der Beschwerdeentscheidung fast fünf Wochen lagen - seiner Verpflichtung nicht nachgekommen zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG unter Berücksichtigung des im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung erkennbaren Verlaufs des Abschiebungsverfahrens weiterhin gegeben waren, ob also eine Abschiebung noch innerhalb von drei Monaten (gerechnet ab Anordnung der Sicherungshaft) möglich erschien (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 205/09, Rn. 13, juris).
9
Der lapidare Satz, Haftfristen seien gewahrt, genügt hierzu nicht. Der Hinweis des Beschwerdegerichts, die beteiligte Behörde habe auf die Arbeits- weise und -geschwindigkeit ausländischer Behörden keinen Einfluss, ist im Rahmen des Beschleunigungsgebots relevant (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZA 2/10, Rn. 16, juris), nicht aber für die nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG erforderliche Prognose.
10
3. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da weitere tatsächliche Feststellungen nicht in Betracht kommen (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG).
11
a) Zwar ist bei unzureichenden Feststellungen im Zusammenhang mit der nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG zu treffenden Prognose eine Zurückverweisung der Sache zwecks weiterer Aufklärung möglich, wenn dem Betroffenen hierzu rechtliches Gehör gewährt werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 8. Juli 2010 - V ZB 203/09, Rn. 11, juris). Dem steht vorliegend aber entgegen, dass schon der Haftantrag unzulässig war, weil er keine Angaben zu der Durchführbarkeit der Abschiebung des Betroffenen enthielt. Dieser Mangel kann nicht rückwirkend geheilt werden, da es sich bei der ordnungsgemäßen Antragstellung durch die Behörde um eine Verfahrensgarantie handelt, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 19; Beschluss vom 21. Oktober 2010 - V ZB 96/10, Rn. 14, juris; Beschluss vom 24. Februar 2011 - V ZB 202/10 Rn. 26, FGPrax 2011, 146, 148).
12
b) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung (Senat, Beschlüsse vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 12 und vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 7). Der Haftantrag muss nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG begründet werden. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen , zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbar- keit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Haftantrags (Senat, Beschlüsse vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, aaO, Rn. 14 und vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, aaO, Rn. 8).
13
aa) Die Begründung des Haftantrags muss auf den konkreten Fall zugeschnitten sein; Leerformeln und Textbausteine genügen nicht. Der Gesetzgeber hat sich nämlich - abweichend von dem Vorschlag der Bundesregierung, die es auch für Abschiebungshaftsachen bei den Anforderungen des § 23 Abs. 1 Satz 2 FamFG bewenden lassen wollte (Entwurfsbegründung zum FGG-ReformG in BT-Drucks. 16/6308 S. 291) - bewusst dafür entschieden, an die Begründung eines Haftantrags strengere Anforderungen zu stellen und der Behörde mit dem heutigen § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG vorzuschreiben, zu welchen Punkten sich der Haftantrag zu verhalten hat (Beschlussempfehlung zum FGG-ReformG in BT-Drucks. 16/9733 S. 299). Damit will der Gesetzgeber erreichen, dass dem Gericht schon durch den Antrag selbst eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Einleitung weiterer Ermittlungen bzw. für seine Entscheidung zugänglich wird (Beschlussempfehlung zum FGG-ReformG, aaO; Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 14). Auch gibt eine solche Darlegung dem Betroffenen eine Grundlage für seine Verteidigung gegen den Haftantrag (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 – V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 12). Danach bestimmen sich Inhalt und Umfang der notwendigen Darlegungen. Sie dürfen knapp gehalten sein, müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte des Falls ansprechen (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, Rn. 9, juris). Hinsichtlich der Durchführbarkeit der Abschiebung sind auf das Land bezogene Ausführungen erforderlich, in das der Betroffene abgeschoben werden soll. Anzugeben ist, ob und innerhalb welchen Zeitraums Abschiebungen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind.
14
bb) Diesen Anforderungen genügt der von der Beteiligten zu 2 gestellte Haftantrag nicht. Angaben zu der erfahrungsgemäß notwendigen Vorbereitungsdauer für eine Abschiebung nach Pakistan enthält er nicht. Die Erklärung, der beantragte Haftrahmen sei erforderlich, weil die Vorbereitung der Abschiebung , die Beschaffung der Flugkarte, Bereitstellung von Begleitpersonal usw. erfahrungsgemäß entsprechende Zeit beanspruchen können, ist eine universell einsetzbare Leerformel, die über die Durchführbarkeit der Abschiebung im konkreten Fall nichts aussagt. Der Hinweis, die Passbeschaffung sei bereits eingeleitet , und es sei, da eine Passkopie vorliege, mit der Ausstellung eines neuen Dokuments zu rechnen, betrifft zwar den individuellen Fall, lässt aber nicht erkennen , wann erfahrungsgemäß mit der Ausstellung des Papiers durch die pakistanischen Behörden zu rechnen ist; auch verhält sie sich nicht dazu, ob eine Abschiebung nach Pakistan weitere Formalitäten erfordert und wieviel Zeit diese voraussichtlich beanspruchen werden. Damit fehlen in dem Haftantrag jegliche Tatsachen, anhand derer der Haftrichter die Prognose nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG treffen konnte.

IV.

15
Die Kostenentscheidung beruht auf§ 83 Abs. 2, § 81 Abs. 1 Satz 1 und § 430 FamFG (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Mai 2010 - V ZB 193/09, InfAuslR 2010, 361, 363). Krüger Lemke Stresemann Czub Brückner
Vorinstanzen:
AG Tiergarten, Entscheidung vom 08.10.2010 - 383 XIV 432/10 B -
LG Berlin, Entscheidung vom 18.11.2010 - 84 T 244/10 B -
9
b) Den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung genügt ein Haftantrag nicht schon dann, wenn darin "die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angegeben" werden, was nach § 23 Abs. 1 Satz 2 FamFG bei einem verfahrensleitenden Antrag erforderlich, aber auch ausreichend wäre. Der Gesetzgeber hat sich – abweichend von dem Vorschlag der Bundesregierung, die es dabei bewenden lassen wollte (Entwurfsbegründung zum FGG-ReformG in BT-Drucks 16/6308 S. 291) – dafür entschieden, an die Begründung eines Haftantrags strengere Anforderungen zu stellen und der Behörde mit dem heutigen § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG vorzuschreiben, zu welchen Punkten sich der Haftantrag zu verhalten hat (Beschlussempfehlung zum FFG-ReformG in BT-Drucks 16/9733 S. 299). Diese müssen in dem Haftantrag behandelt werden. Damit will der Gesetzgeber erreichen, dass dem Gericht schon durch den Antrag selbst eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Einleitung weiterer Ermittlungen bzw. seine Entscheidung zugänglich werden (Beschlussempfehlung zum FFG-ReformG aaO; Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 14). Eine solche Darlegung gibt dem Betroffenen eine Grundlage für seine Verteidigung gegen den Haftantrag (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 12). Danach bestimmen sich Inhalt und Umfang der dazu notwendigen Darlegungen. Sie dürfen knapp gehalten sein, müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte des Falls ansprechen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 311/10
vom
27. Oktober 2011
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die für einen zulässigen Haftantrag notwendigen Angaben zur Durchführbarkeit der
Abschiebung müssen sich auf das Land beziehen, in das der Betroffene abgeschoben
werden soll, und müssen erkennen lassen, ob und innerhalb welchen Zeitraums
Abschiebungen in dieses Land üblicherweise möglich sind.
BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10 - LG Berlin
AG Tiergarten
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Oktober 2011 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Lemke, die
Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Czub und die Richterin
Dr. Brückner

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss der Zivilkammer 84 des Landgerichts Berlin vom 18. November 2011 und der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 8. Oktober 2011 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben. Das Land Berlin hat dem Betroffenen sämtliche zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen aller Instanzen zu erstatten. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene, ein pakistanischer Staatsangehöriger, reiste 2007 erstmals nach Deutschland ein. Sein Asylantrag wurde bestandskräftig abgelehnt. Im März 2010 reiste er aus Deutschland aus. Einen Tag nach seiner mit Hilfe einer Schleuserorganisation im September 2010 erfolgten Wiedereinreise wurde er in Berlin festgenommen.
2
Auf Antrag der Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht am 23. September 2010 zunächst eine vorläufige Haftanordnung erlassen. Mit Beschluss vom 8. Oktober 2010 hat es die Haft zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen bis zum 22. Dezember 2010 sowie die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Am 6. Oktober 2010 hat der Betroffene einen Asylfolgeantrag gestellt.
3
Die Beschwerde des Betroffenen ist ohne Erfolg geblieben. Nach seiner Haftentlassung im Januar 2011 möchte er mit der Rechtsbeschwerde festgestellt wissen, dass die Haftanordnung des Amtsgerichts vom 8. Oktober 2010 und die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts ihn in seinen Rechten verletzt haben.

II.

4
Das Beschwerdegericht hat den Betroffenen aufgrund unerlaubter Einreise für vollziehbar ausreisepflichtig und den Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG für gegeben erachtet. Der Asylfolgeantrag habe die Abschiebungshaft nicht gehindert. Die Passbeschaffung sei am 29. September 2010 und damit unverzüglich eingeleitet worden. Die Beteiligte zu 2 habe das Verfahren auch im Übrigen mit der gebotenen Zügigkeit betrieben; auf die Bearbeitungsgeschwindigkeit der pakistanischen Botschaft und der Behörden in Pakistan habe sie keinen Einfluss gehabt. Haftfristen (§ 62 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 1 AufenthG) seien gewahrt worden.

III.

5
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sowohl die Entscheidung des Amtsgerichts als auch die des Beschwerdegerichts verletzen den Betroffenen in seinen Rechten, weil es an einer den Anforderungen des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG genügenden Prognose fehlt.
6
1. a) Für die Anordnung von Sicherungshaft ist nur Raum, wenn die Sachverhaltsermittlung und -bewertung ergibt, dass entweder eine Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate prognostiziert oder eine zuverlässige Prognose zunächst nicht getroffen werden kann (vgl. BVerfG, NJW 2009, 2659, 2660 Rn. 22 f.; Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 205/09, Rn. 9, juris ). Die Prognose muss auf einer hinreichend vollständigen Tatsachengrundlage basieren und sich auf alle im konkreten Fall ernsthaft in Betracht kommenden Gründe erstrecken, die der Abschiebung entgegenstehen oder sie verzögern können (BVerfG, NJW 2009, 2659, 2660). Dazu zählt, wenn der Betroffene , wie hier, einen Asylfolgeantrag gestellt hat, auch ein mögliches Abschiebungshindernis nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG (vgl. näher Senat, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - V ZB 222/10, InfAuslR 2011, 25, 26, Rn. 6). Erforderlich sind konkrete Feststellungen zu dem Verfahrensablauf und zu dem Zeitraum, in dem die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden. Der Tatrichter darf sich dabei nicht auf die Wiedergabe der Einschätzung der Ausländerbehörde beschränken, die Abschiebung werde voraussichtlich innerhalb von drei Monaten stattfinden können. Soweit diese keine konkreten Tatsachen hierzu mitteilt, obliegt es ihm gemäß § 26 FamFG, diese durch Nachfragen zu ermitteln (vgl. Senat, Beschluss vom 14. April 2011 - V ZB 76/11, Rn. 8, juris; Beschluss vom 18. August 2010 - V ZB 119/10, Rn. 22, juris, mwN). Dass Passersatzpapiere beschafft werden müssen, macht die Prognose nicht ent- behrlich (vgl. Senat, Beschluss vom 30. Juni 2011 - V ZB 139/11, Rn. 6, juris; Beschluss vom 14. April 2011 - V ZB 76/11, Rn. 8, juris).
7
b) Den genannten Anforderungen genügt die Haftanordnung des Amtsgerichts offenkundig nicht. Sie beschränkt sich auf den Satz, es stehe nicht fest, dass die Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate aus Gründen, die der Betroffene nicht zu vertreten habe, nicht durchgeführt werden könne, und auf die Aussage, die Dauer der angeordneten Sicherungshaft sei erforderlich , um die Abschiebung organisatorisch vorzubereiten. Beides lässt nicht erkennen , dass das Gericht eine auf Tatsachen gestützte Prognose für den konkreten Fall getroffen hat. Auch fehlt die notwendige Vergewisserung, dass mit einer Entscheidung des Bundesamts über den Asylfolgeantrag des Betroffenen innerhalb von drei Monaten gerechnet werden konnte (vgl. § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG sowie Senat, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - V ZB 222/10, InfAuslR 2011, 25, 26 Rn. 6).
8
2. Die unzureichende Prognose des Amtsgerichts ist in der Beschwerdeinstanz nicht nachgeholt worden. Auch ist das Beschwerdegericht - obwohl zwischen der Haftanordnung und der Beschwerdeentscheidung fast fünf Wochen lagen - seiner Verpflichtung nicht nachgekommen zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG unter Berücksichtigung des im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung erkennbaren Verlaufs des Abschiebungsverfahrens weiterhin gegeben waren, ob also eine Abschiebung noch innerhalb von drei Monaten (gerechnet ab Anordnung der Sicherungshaft) möglich erschien (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 205/09, Rn. 13, juris).
9
Der lapidare Satz, Haftfristen seien gewahrt, genügt hierzu nicht. Der Hinweis des Beschwerdegerichts, die beteiligte Behörde habe auf die Arbeits- weise und -geschwindigkeit ausländischer Behörden keinen Einfluss, ist im Rahmen des Beschleunigungsgebots relevant (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZA 2/10, Rn. 16, juris), nicht aber für die nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG erforderliche Prognose.
10
3. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da weitere tatsächliche Feststellungen nicht in Betracht kommen (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG).
11
a) Zwar ist bei unzureichenden Feststellungen im Zusammenhang mit der nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG zu treffenden Prognose eine Zurückverweisung der Sache zwecks weiterer Aufklärung möglich, wenn dem Betroffenen hierzu rechtliches Gehör gewährt werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 8. Juli 2010 - V ZB 203/09, Rn. 11, juris). Dem steht vorliegend aber entgegen, dass schon der Haftantrag unzulässig war, weil er keine Angaben zu der Durchführbarkeit der Abschiebung des Betroffenen enthielt. Dieser Mangel kann nicht rückwirkend geheilt werden, da es sich bei der ordnungsgemäßen Antragstellung durch die Behörde um eine Verfahrensgarantie handelt, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 19; Beschluss vom 21. Oktober 2010 - V ZB 96/10, Rn. 14, juris; Beschluss vom 24. Februar 2011 - V ZB 202/10 Rn. 26, FGPrax 2011, 146, 148).
12
b) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung (Senat, Beschlüsse vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 12 und vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 7). Der Haftantrag muss nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG begründet werden. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen , zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbar- keit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Haftantrags (Senat, Beschlüsse vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, aaO, Rn. 14 und vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, aaO, Rn. 8).
13
aa) Die Begründung des Haftantrags muss auf den konkreten Fall zugeschnitten sein; Leerformeln und Textbausteine genügen nicht. Der Gesetzgeber hat sich nämlich - abweichend von dem Vorschlag der Bundesregierung, die es auch für Abschiebungshaftsachen bei den Anforderungen des § 23 Abs. 1 Satz 2 FamFG bewenden lassen wollte (Entwurfsbegründung zum FGG-ReformG in BT-Drucks. 16/6308 S. 291) - bewusst dafür entschieden, an die Begründung eines Haftantrags strengere Anforderungen zu stellen und der Behörde mit dem heutigen § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG vorzuschreiben, zu welchen Punkten sich der Haftantrag zu verhalten hat (Beschlussempfehlung zum FGG-ReformG in BT-Drucks. 16/9733 S. 299). Damit will der Gesetzgeber erreichen, dass dem Gericht schon durch den Antrag selbst eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Einleitung weiterer Ermittlungen bzw. für seine Entscheidung zugänglich wird (Beschlussempfehlung zum FGG-ReformG, aaO; Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 14). Auch gibt eine solche Darlegung dem Betroffenen eine Grundlage für seine Verteidigung gegen den Haftantrag (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 – V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 12). Danach bestimmen sich Inhalt und Umfang der notwendigen Darlegungen. Sie dürfen knapp gehalten sein, müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte des Falls ansprechen (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, Rn. 9, juris). Hinsichtlich der Durchführbarkeit der Abschiebung sind auf das Land bezogene Ausführungen erforderlich, in das der Betroffene abgeschoben werden soll. Anzugeben ist, ob und innerhalb welchen Zeitraums Abschiebungen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind.
14
bb) Diesen Anforderungen genügt der von der Beteiligten zu 2 gestellte Haftantrag nicht. Angaben zu der erfahrungsgemäß notwendigen Vorbereitungsdauer für eine Abschiebung nach Pakistan enthält er nicht. Die Erklärung, der beantragte Haftrahmen sei erforderlich, weil die Vorbereitung der Abschiebung , die Beschaffung der Flugkarte, Bereitstellung von Begleitpersonal usw. erfahrungsgemäß entsprechende Zeit beanspruchen können, ist eine universell einsetzbare Leerformel, die über die Durchführbarkeit der Abschiebung im konkreten Fall nichts aussagt. Der Hinweis, die Passbeschaffung sei bereits eingeleitet , und es sei, da eine Passkopie vorliege, mit der Ausstellung eines neuen Dokuments zu rechnen, betrifft zwar den individuellen Fall, lässt aber nicht erkennen , wann erfahrungsgemäß mit der Ausstellung des Papiers durch die pakistanischen Behörden zu rechnen ist; auch verhält sie sich nicht dazu, ob eine Abschiebung nach Pakistan weitere Formalitäten erfordert und wieviel Zeit diese voraussichtlich beanspruchen werden. Damit fehlen in dem Haftantrag jegliche Tatsachen, anhand derer der Haftrichter die Prognose nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG treffen konnte.

IV.

15
Die Kostenentscheidung beruht auf§ 83 Abs. 2, § 81 Abs. 1 Satz 1 und § 430 FamFG (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Mai 2010 - V ZB 193/09, InfAuslR 2010, 361, 363). Krüger Lemke Stresemann Czub Brückner
Vorinstanzen:
AG Tiergarten, Entscheidung vom 08.10.2010 - 383 XIV 432/10 B -
LG Berlin, Entscheidung vom 18.11.2010 - 84 T 244/10 B -

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Eine Betretenserlaubnis (§ 11 Absatz 8) darf nur mit Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde erteilt werden. Die Behörde, die den Ausländer ausgewiesen, abgeschoben oder zurückgeschoben hat, ist in der Regel zu beteiligen.

(2) Über das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 5 oder 7 und das Vorliegen eines Ausschlusstatbestandes nach § 25 Absatz 3 Satz 3 Nummer 1 bis 4 entscheidet die Ausländerbehörde nur nach vorheriger Beteiligung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.

(3) Räumliche Beschränkungen, Auflagen und Bedingungen, Befristungen nach § 11 Absatz 2 Satz 1, Anordnungen nach § 47 und sonstige Maßnahmen gegen einen Ausländer, der nicht im Besitz eines erforderlichen Aufenthaltstitels ist, dürfen von einer anderen Behörde nur im Einvernehmen mit der Behörde geändert oder aufgehoben werden, die die Maßnahme angeordnet hat. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Aufenthalt des Ausländers nach den Vorschriften des Asylgesetzes auf den Bezirk der anderen Ausländerbehörde beschränkt ist.

(3a) Die Aufhebung einer Wohnsitzverpflichtung nach § 12a Absatz 5 darf nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde des geplanten Zuzugsorts erfolgen. Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des § 12a Absatz 5 vorliegen; eine Ablehnung ist zu begründen. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn die Ausländerbehörde am Zuzugsort nicht innerhalb von vier Wochen ab Zugang des Ersuchens widerspricht. Die Erfüllung melderechtlicher Verpflichtungen begründet keine Zuständigkeit einer Ausländerbehörde.

(4) Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden. Ein Ausländer, der zu schützende Person im Sinne des Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetzes ist, darf nur im Einvernehmen mit der Zeugenschutzdienststelle ausgewiesen oder abgeschoben werden. Des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn nur ein geringes Strafverfolgungsinteresse besteht. Dies ist der Fall, wenn die Erhebung der öffentlichen Klage oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen einer Straftat nach § 95 dieses Gesetzes oder nach § 9 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern oder Straftaten nach dem Strafgesetzbuch mit geringem Unrechtsgehalt erfolgt ist. Insoweit sind Straftaten mit geringem Unrechtsgehalt Straftaten nach § 113 Absatz 1, § 115 des Strafgesetzbuches, soweit er die entsprechende Geltung des § 113 Absatz 1 des Strafgesetzbuches vorsieht, den §§ 123, 166, 167, 169, 185, 223, 240 Absatz 1, den §§ 242, 246, 248b, 263 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 265a, 267 Absatz 1 und 2, § 271 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 273, 274, 276 Absatz 1, den §§ 279, 281, 303 des Strafgesetzbuches, dem § 21 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 8. April 2019 (BGBl. I S. 430) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, und dem § 6 des Pflichtversicherungsgesetzes vom 5. April 1965 (BGBl. I S. 213), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 6. Februar 2017 (BGBl. I S. 147) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, es sei denn, diese Strafgesetze werden durch verschiedene Handlungen mehrmals verletzt oder es wird ein Strafantrag gestellt.

(5) § 45 des Achten Buches Sozialgesetzbuch gilt nicht für Ausreiseeinrichtungen und Einrichtungen, die der vorübergehenden Unterbringung von Ausländern dienen, denen aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt oder bei denen die Abschiebung ausgesetzt wird.

(6) Vor einer Entscheidung über die Erteilung, die Verlängerung oder den Widerruf eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 4a oder 4b und die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 ist die für das in § 25 Abs. 4a oder 4b in Bezug genommene Strafverfahren zuständige Staatsanwaltschaft oder das mit ihm befasste Strafgericht zu beteiligen, es sei denn, es liegt ein Fall des § 87 Abs. 5 Nr. 1 vor. Sofern der Ausländerbehörde die zuständige Staatsanwaltschaft noch nicht bekannt ist, beteiligt sie vor einer Entscheidung über die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 die für den Aufenthaltsort zuständige Polizeibehörde.

(7) Zur Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 16a, 16d, 16e, 18a, 18b, 18c Absatz 3 und der §§ 19 bis 19c können die Ausländerbehörde, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie die Auslandsvertretung zur Erfüllung ihrer Aufgaben die Bundesagentur für Arbeit auch dann beteiligen, wenn sie ihrer Zustimmung nicht bedürfen.

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1. Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf gemäß § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft abgeschoben werden. Fehlen in dem Haftantrag - was von Amts wegen zu prüfen ist - Ausführungen zu dem Einvernehmen, obwohl sich aus ihm selbst oder aus den ihm beigefügten Unterlagen ohne weiteres ergibt, dass die öffentliche Klage oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig ist, ist der Antrag unzulässig (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, FGPrax 2011, 144 Rn. 9; Beschluss vom 3. Februar 2011 - V ZB 224/10, FGPrax 2011, 148 Rn. 8 ff.). Im Übrigen ist die Verletzung von § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG im Rechtsbeschwerdeverfahren nur auf entsprechende Rüge zu berücksichtigen. Dabei ist es für die Verletzung der genannten Rechtsnorm unerheblich, ob schon der Haftrichter Anhaltspunkte für eine diesbezügliche Prüfung hatte und ob es die den Antrag stellende Behörde pflichtwidrig unterlassen hat, in dem Haftantrag auf das schwebende Ermittlungsverfahren hinzuweisen und - was in einem solchen Fall ebenfalls erforderlich gewesen wäre - die Erteilung des Einvernehmens in dem Antrag darzulegen. Da das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft eine essentielle Haftvoraussetzung darstellt, kommt es insoweit allein auf die objektive Rechtslage an (Senat, Beschluss vom 12. Mai 2011 - V ZB 189/10, FGPrax 2011, 202 Rn. 5). Wird das Einvernehmen erst nach der Haftanordnung erteilt, muss dem Betroffenen auch zu dieser Haftvoraussetzung gemäß Art. 103 Abs. 1 GG rechtliches Gehör gewährt werden. Aus diesem Grund kann die zunächst rechtswidrige Haft nicht bereits von der objektiven Erteilung des Einvernehmens an rechtmäßig werden, sondern erst dann, wenn der Betroffene dazu Stellung nehmen kann.

(1) Eine Betretenserlaubnis (§ 11 Absatz 8) darf nur mit Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde erteilt werden. Die Behörde, die den Ausländer ausgewiesen, abgeschoben oder zurückgeschoben hat, ist in der Regel zu beteiligen.

(2) Über das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 5 oder 7 und das Vorliegen eines Ausschlusstatbestandes nach § 25 Absatz 3 Satz 3 Nummer 1 bis 4 entscheidet die Ausländerbehörde nur nach vorheriger Beteiligung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.

(3) Räumliche Beschränkungen, Auflagen und Bedingungen, Befristungen nach § 11 Absatz 2 Satz 1, Anordnungen nach § 47 und sonstige Maßnahmen gegen einen Ausländer, der nicht im Besitz eines erforderlichen Aufenthaltstitels ist, dürfen von einer anderen Behörde nur im Einvernehmen mit der Behörde geändert oder aufgehoben werden, die die Maßnahme angeordnet hat. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Aufenthalt des Ausländers nach den Vorschriften des Asylgesetzes auf den Bezirk der anderen Ausländerbehörde beschränkt ist.

(3a) Die Aufhebung einer Wohnsitzverpflichtung nach § 12a Absatz 5 darf nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde des geplanten Zuzugsorts erfolgen. Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des § 12a Absatz 5 vorliegen; eine Ablehnung ist zu begründen. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn die Ausländerbehörde am Zuzugsort nicht innerhalb von vier Wochen ab Zugang des Ersuchens widerspricht. Die Erfüllung melderechtlicher Verpflichtungen begründet keine Zuständigkeit einer Ausländerbehörde.

(4) Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden. Ein Ausländer, der zu schützende Person im Sinne des Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetzes ist, darf nur im Einvernehmen mit der Zeugenschutzdienststelle ausgewiesen oder abgeschoben werden. Des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn nur ein geringes Strafverfolgungsinteresse besteht. Dies ist der Fall, wenn die Erhebung der öffentlichen Klage oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen einer Straftat nach § 95 dieses Gesetzes oder nach § 9 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern oder Straftaten nach dem Strafgesetzbuch mit geringem Unrechtsgehalt erfolgt ist. Insoweit sind Straftaten mit geringem Unrechtsgehalt Straftaten nach § 113 Absatz 1, § 115 des Strafgesetzbuches, soweit er die entsprechende Geltung des § 113 Absatz 1 des Strafgesetzbuches vorsieht, den §§ 123, 166, 167, 169, 185, 223, 240 Absatz 1, den §§ 242, 246, 248b, 263 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 265a, 267 Absatz 1 und 2, § 271 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 273, 274, 276 Absatz 1, den §§ 279, 281, 303 des Strafgesetzbuches, dem § 21 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 8. April 2019 (BGBl. I S. 430) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, und dem § 6 des Pflichtversicherungsgesetzes vom 5. April 1965 (BGBl. I S. 213), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 6. Februar 2017 (BGBl. I S. 147) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, es sei denn, diese Strafgesetze werden durch verschiedene Handlungen mehrmals verletzt oder es wird ein Strafantrag gestellt.

(5) § 45 des Achten Buches Sozialgesetzbuch gilt nicht für Ausreiseeinrichtungen und Einrichtungen, die der vorübergehenden Unterbringung von Ausländern dienen, denen aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt oder bei denen die Abschiebung ausgesetzt wird.

(6) Vor einer Entscheidung über die Erteilung, die Verlängerung oder den Widerruf eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 4a oder 4b und die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 ist die für das in § 25 Abs. 4a oder 4b in Bezug genommene Strafverfahren zuständige Staatsanwaltschaft oder das mit ihm befasste Strafgericht zu beteiligen, es sei denn, es liegt ein Fall des § 87 Abs. 5 Nr. 1 vor. Sofern der Ausländerbehörde die zuständige Staatsanwaltschaft noch nicht bekannt ist, beteiligt sie vor einer Entscheidung über die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 die für den Aufenthaltsort zuständige Polizeibehörde.

(7) Zur Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 16a, 16d, 16e, 18a, 18b, 18c Absatz 3 und der §§ 19 bis 19c können die Ausländerbehörde, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie die Auslandsvertretung zur Erfüllung ihrer Aufgaben die Bundesagentur für Arbeit auch dann beteiligen, wenn sie ihrer Zustimmung nicht bedürfen.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

9
Das zur Abschiebung notwendige Einvernehmen der Staatsanwaltschaft bedeutet kein zeitweiliges Abschiebungshindernis, das ein ausreisepflichtiger Ausländer in den Grenzen von § 62 Abs. 2, 3 AufenthG hinzunehmen hat. Ein derartiges Hindernis bilden nur Umstände, die von den deutschen Behörden nicht beherrscht werden. So liegt es bei dem Ausstehen des zur Abschiebung eines Ausländers, gegen den ein Straf- oder Ermittlungsverfahren anhängig ist, notwendigen Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nicht (a.M. OLG Düsseldorf FGPrax 2001, 130; OLG Zweibrücken InfAuslR 2003, 157). Die Erteilung des Einvernehmens bedeutet vielmehr eine Entscheidung, die die Staatanwaltschaft nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen hat. Wird das Einvernehmen erteilt, tritt das Interesse an der Strafverfolgung des Betroffenen hinter das Interesse an dessen Abschiebung zurück. Wird die Zustimmung verweigert, scheidet die Abschiebung des Betroffenen bis zur Beendigung der gegen diesen laufenden Ermittlungen bzw. des gegen ihn eingeleiteten Strafverfahrens aus.
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1. Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf gemäß § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft abgeschoben werden. Fehlen in dem Haftantrag - was von Amts wegen zu prüfen ist - Ausführungen zu dem Einvernehmen, obwohl sich aus ihm selbst oder aus den ihm beigefügten Unterlagen ohne weiteres ergibt, dass die öffentliche Klage oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig ist, ist der Antrag unzulässig (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, FGPrax 2011, 144 Rn. 9; Beschluss vom 3. Februar 2011 - V ZB 224/10, FGPrax 2011, 148 Rn. 8 ff.). Im Übrigen ist die Verletzung von § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG im Rechtsbeschwerdeverfahren nur auf entsprechende Rüge zu berücksichtigen. Dabei ist es für die Verletzung der genannten Rechtsnorm unerheblich, ob schon der Haftrichter Anhaltspunkte für eine diesbezügliche Prüfung hatte und ob es die den Antrag stellende Behörde pflichtwidrig unterlassen hat, in dem Haftantrag auf das schwebende Ermittlungsverfahren hinzuweisen und - was in einem solchen Fall ebenfalls erforderlich gewesen wäre - die Erteilung des Einvernehmens in dem Antrag darzulegen. Da das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft eine essentielle Haftvoraussetzung darstellt, kommt es insoweit allein auf die objektive Rechtslage an (Senat, Beschluss vom 12. Mai 2011 - V ZB 189/10, FGPrax 2011, 202 Rn. 5). Wird das Einvernehmen erst nach der Haftanordnung erteilt, muss dem Betroffenen auch zu dieser Haftvoraussetzung gemäß Art. 103 Abs. 1 GG rechtliches Gehör gewährt werden. Aus diesem Grund kann die zunächst rechtswidrige Haft nicht bereits von der objektiven Erteilung des Einvernehmens an rechtmäßig werden, sondern erst dann, wenn der Betroffene dazu Stellung nehmen kann.

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.

(1) Wird das Verfahren durch Vergleich erledigt und haben die Beteiligten keine Bestimmung über die Kosten getroffen, fallen die Gerichtskosten jedem Teil zu gleichen Teilen zur Last. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.

(2) Ist das Verfahren auf sonstige Weise erledigt oder wird der Antrag zurückgenommen, gilt § 81 entsprechend.