Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Feb. 2003 - V ZR 422/02

bei uns veröffentlicht am13.02.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 422/02
vom
13. Februar 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: nein
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Rechtsanwalt, der das Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung zurückreicht
, obwohl für ihn die vollständige Fristensicherung zumindest zweifelhaft sein
mußte, trifft eine besondere Sorgfaltspflicht. Ihr ist nicht genügt, wenn der Rechtsanwalt
die Handakten mit der Verfügung zur sofortigen Wiedervorlage in den Geschäftsgang
seines Büros gibt, um erst anschließend zu überprüfen, ob die Frist notiert
ist. Erfolgt die Wiedervorlage der Handakten rechtzeitig, vergißt der Rechtsanwalt
aber die weitere Bearbeitung, so ist ihm auch in Situationen ungewöhnlichen
Arbeitsanfalls als Verschulden vorzuwerfen, daß er nicht sofort die Fristensicherung
klärte, oder - falls dies nicht möglich war - an seinem Arbeitsplatz für eine Erinnerung
an die Dringlichkeit der Sache sorgte.
BGH, Beschl. v. 13. Februar 2003 - V ZR 422/02 - OLG Hamm
LG Bielefeld
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 13. Februar 2003 durch den
Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter Tropf,
Prof. Dr. Krüger, Dr. Lemke und Dr. Gaier

beschlossen:
Der Antrag der Klägerin und des Drittwiderbeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beschwerde der Klägerin und des Drittwiderbeklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 19. September 2002 wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens, einschließlich der Kosten der Streithelferin, tragen die Klägerin und der Drittwiderbeklagte.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 59.258,73 festgesetzt.

Gründe:

I.


Die Klägerin nimmt die Beklagte - auch aus abgetretenem Recht ihres Ehemanns - wegen angeblich falscher Informationen beim Kauf einer Eigentumswohnung auf Rückabwicklung dieses Geschäfts in Anspruch. Mit ihrer Wi-
derklage verlangt die Beklagte die Feststellung, daß dem Drittwiderbeklagten - dem Ehemann der Klägerin - keine Schadensersatzansprüche aus dem Kauf der Eigentumswohnung zustehen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin und des Drittwiderbeklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.
Ihrem zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten ist das Berufungsurteil am 18. Oktober 2002 zugestellt worden. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil haben die Klägerin und der Drittwiderbeklagte mit am 13. Dezember 2002 eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt und gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt.
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags tragen sie unter Glaubhaftmachung vor, auf Grund eines Büroversehens, das nach der Organisation des Büros ihres zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten an sich ausgeschlossen sei, sei die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht notiert worden. Dies sei erst am 29. November 2002 bemerkt worden. Das Büro sei so organisiert, daß jedes eingehende Schriftstück vom Personal auf Fristen durchgesehen werden müsse. Fristen müßten in einem computergestützten Fristenkalender erfaßt werden. Danach werde das Schriftstück mit einem vorgehefteten Ausdruck der erfaßten Frist dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt vorgelegt. Dieser müsse die Frist kontrollieren und abzeichnen. Die Einhaltung der Büroanweisungen werde regelmäßig kontrolliert. Im vorliegenden Fall sei eine Auszubildende im dritten Lehrjahr, die sich als sehr zuverlässig erwiesen habe, mit der Posteingangsbearbeitung betraut gewesen. Sie habe es aus nicht mehr aufklärbaren Gründen am 18. Oktober 2002 unter-
lassen, eine Frist vorzunotieren und dem Berufungsurteil einen Fristausdruck beizuheften. Dies sei dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt aufgefallen. Er habe verfügt, daß eine Abschrift des Urteils für die Partei gefertigt und ihm die Akte sofort wieder vorgelegt werde. Nach der Wiedervorlage habe er kontrollieren wollen, ob die Frist überhaupt und ggf. richtig eingetragen sei. Ob die sofortige Wiedervorlage der Akte unterblieben oder die Akte von dem Rechtsanwalt wegen seiner starken Arbeitsbelastung zunächst nicht beachtet worden sei, lasse sich nicht mehr aufklären. In der fraglichen Zeit sei die Arbeitsbelastung des Rechtsanwalts sehr hoch gewesen, weil sich herausgestellt habe, daß einer der von ihm als Rechtsanwalt beschäftigten Mitarbeiter tatsächlich nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassen gewesen sei.

II.


Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig.
Nach § 544 Abs. 1 Satz 2 ZPO muß die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des Berufungsurteils eingelegt werden. Die Frist ist vorliegend nicht gewahrt, weil das Berufungsurteil bereits am 18. Oktober 2002 zugestellt wurde, die Beschwerde jedoch erst am 13. Dezember 2002 bei dem Revisionsgericht eingegangen ist. Gegen die Versäumung dieser Notfrist kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden. Der hierauf gerichtete Antrag der Klägerin und des Drittwiderbeklagten ist zwar zulässig, bleibt aber in der Sache selbst ohne Erfolg.
1. Nach § 233 ZPO ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur bei unverschuldeter Fristversäumung eröffnet. An dieser Voraussetzung fehlt
es hier, weil ihren zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten, dessen Verhal- ten sich die Klägerin und der Drittwiderbeklagte zurechnen lassen müssen (§ 85 Abs. 2 ZPO), ein Verschulden an der Versäumung der Beschwerdefrist trifft. Er hat den verspäteten Rechtsmittelauftrag an die beim Revisionsgericht zugelassene Rechtsanwältin und damit auch die verspätete Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde zu verantworten.

a) Ein Rechtsanwalt darf das Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung erst unterzeichnen und zurückgeben, wenn neben dem Zustellungsdatum (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 26. März 1996, VI ZB 1, 2/96, NJW 1996, 1900, 1901; Beschl. v. 2. Juni 1999, XII ZB 63/99, NJW-RR 1999, 1585, 1586; Beschl. v. 17. September 2002, VI ZR 419/01, NJW 2002, 3782) auch die Eintragung des Fristendes in den Fristenkalender und in die Handakten sichergestellt ist (BGH, Beschl. v. 12. Juni 1985, IVb ZR 23/85, VersR 1985, 962, 963). Hiernach ist es zwar nicht erforderlich, daß das Empfangsbekenntnis erst nach vollständiger Fristensicherung in den allgemeinen Geschäftsbetrieb des Rechtsanwalts und von dort an das zustellende Gericht zurückgegeben wird. Entschließt sich ein Rechtsanwalt aber, das Empfangsbekenntnis vor vollständiger Fristensicherung zurückzugeben, so trifft ihn eine besondere Sorgfaltspflicht (BGH, Beschl. v. 12. Juni 1985, aaO). Um ihr gerecht zu werden, genügen allgemeine Weisungen des Rechtsanwalts an sein Personal grundsätzlich nicht (BGH, Beschl. v. 12. Juni 1985, aaO).

b) Im vorliegenden Fall hat der zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte die besondere Sorgfaltspflicht nicht beachtet. Er bemerkte zwar bei der ihm aus Anlaß der Vorlage obliegenden Prüfung (vgl. BGH, Beschl. v. 19. Dezember 2000, VIII ZB 35/00, NJW-RR 2001, 782), daß eine Fristensicherung zumindest
zweifelhaft war. Wie der bei den Gerichtsakten befindliche Zustellungsnachweis mit Datum vom 18. Oktober 2002 belegt, unterzeichnete er gleichwohl noch vor Aufklärung der Angelegenheit das Empfangsbekenntnis und gab dieses offensichtlich auch in den Geschäftsgang seines Büros. Von dort aus ging das Empfangsbekenntnis noch am selben Tag durch Telekopie bei dem Berufungsgericht ein. Es war mithin eine Situation gegeben, bei der der Rechtsanwalt angesichts der unzulänglichen Fristensicherung zu besonderer Sorgfalt gehalten war. Den hieraus folgenden Anforderungen hat er nicht entsprochen, wobei sein Verschulden für die Fristversäumung in beiden hier möglichen Sachverhaltsvarianten ursächlich geworden ist.
aa) Nach dem glaubhaft gemachten Geschehen ist es zunächst möglich, daß die Nichtzulassungsbeschwerde deshalb verspätet eingelegt wurde, weil dem zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten die Handakten - entgegen seiner Verfügung - nicht sofort, sondern erst nach Fristablauf wieder vorgelegt wurden. Dies hätte der Rechtsanwalt zumindest - was ausreicht (Senat, Beschl. v. 8. März 2001, V ZB 5/01, NJW-RR 2001, 1072) - mitverschuldet. Die von ihm verfügte sofortige Wiedervorlage der Handakten stellt keine ausreichend konkrete Einzelanweisung dar, wie sie regelmäßig für die Beachtung der hier geschuldeten besonderen Sorgfalt zu fordern ist. Es handelt sich lediglich um eine Anordnung im Rahmen des allgemeinen Geschäftsgangs und nicht um einen Auftrag zur sofortigen Aktenvorlage an eine bestimmte Mitarbeiterin (vgl. BGH, Beschl. v. 3. Juli 1991, XII ZB 39/91, VersR 1992, 516). In Ausnahmefällen kann zwar auch eine allgemeine Weisung genügen, dies setzt aber voraus, daß sich der Rechtsanwalt nicht lediglich auf deren Einhaltung verläßt, sondern daneben noch Vorkehrungen trifft, um die notwendigen Maßnahmen zur Fristensicherung noch persönlich veranlassen zu können (vgl. BGH, Beschl. v.
12. Juni 1985, aaO). Für solche Vorkehrungen hat der zweitinstanzliche Pro- zeßbevollmächtigte nicht gesorgt, sondern mit der Verfügung an sein Personal namentlich die Urteilsausfertigung aus der Hand gegeben und sich damit jede Möglichkeit genommen, auch bei unterbliebener Wiedervorlage eine Fristensicherung herbeizuführen.
bb) Vor dem Hintergrund des glaubhaft gemachten Sachverhalts ist als Ursache der Fristversäumung ferner möglich, daß dem zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten zwar die Handakten noch rechtzeitig vorgelegt wurden, er aber die schleunige Klärung der Angelegenheit auf Grund starken Arbeitsanfalls vergaß. Auch in diesem Fall hätte der Rechtsanwalt seiner Sorgfaltspflicht nicht genügt.
(1) Es bedarf keiner Entscheidung darüber, ob hier - wie im Regelfall (vgl. BGH, Beschl. v. 2. Oktober 1974, VIII ZB 26/74, VersR 1975, 40) - bereits das Vergessen der Vornahme einer fristwahrenden Handlung als schuldhaftes Verhalten des Rechtsanwalts anzusehen ist. Die vorliegende Situation ist durch gesteigerten Arbeitsanfall wegen der - erst nachträglich erkannten - fehlenden Anwaltszulassung eines als Rechtsanwalt tätig gewordenen Angestellten gekennzeichnet. Selbst wenn hier von einer außergewöhnlichen Inanspruchnahme des Prozeßbevollmächtigten ausgegangen wird, bei der ihm das Vergessen ausnahmsweise nicht als Verschulden zur Last gelegt werden kann, ist dieser Vorwurf doch wegen einer vorausgegangenen Nachlässigkeit gerechtfertigt.
(2) Auch ein Rechtsanwalt, der nicht - wie hier - zu besonderer Sorgfalt verpflichtet ist, hat sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Fristen auszuschließen (BGH, Beschl. v.
10. Oktober 1991, VII ZB 4/91, NJW 1992, 574 m.w.N.). Dies hat der zweit- instanzliche Prozeßbevollmächtigte nicht beachtet, als er der von ihm als klärungsbedürftig erkannten Frage der Fristensicherung nicht sogleich nachging, sondern durch die Verfügung der Übersendung einer Urteilskopie an die Mandanten und anschließender Wiedervorlage der Handakten die Überprüfung auf einen späteren Zeitpunkt verschob. Gerade in der gegebenen Situation eines ungewöhnlichen Arbeitsanfalls schuf der Rechtsanwalt auf diese Weise die naheliegende Gefahr, daß ihm selbst bei einer alsbaldigen Wiedervorlage die Dringlichkeit der Angelegenheit entfallen war und daher die gebotenen Maßnahmen zur Fristensicherung unterblieben. Vernünftige Gründe für ein solches Vorgehen sind nicht ersichtlich und werden auch mit dem Wiedereinsetzungsantrag nicht geltend gemacht. Sie liegen auch völlig fern. Nachdem der Rechtsanwalt erkannt hatte, daß eine Notierung der Beschwerdefrist möglicherweise unterblieben war, hätte er sogleich durch Rückfrage bei seiner zuständigen Mitarbeiterin den Sachverhalt klären und durch eine konkrete Einzelweisung das Notieren der Beschwerdefrist veranlassen können. All dies wäre binnen weniger Minuten zu erledigen gewesen, so daß auch andere dringende Arbeiten den Rechtsanwalt nicht ernsthaft von einem sofortigen Handeln abhalten konnten. Selbst wenn der Rechtsanwalt, etwa nach Dienstende seines Personals, durch von ihm nicht zu beeinflussende Umstände gehindert war, der Angelegenheit auf der Stelle nachzugehen, durfte er nicht - wie geschehen - sämtliche Unterlagen aus der Hand geben, ohne dafür zu sorgen, daß er an seinem Arbeitsplatz - etwa durch eine nicht zu übersehende Notiz - an die Dringlichkeit der Sache erinnert wurde. Ohne eine solche Vorsorge war es naheliegend, daß ihm - zumal bei starkem Arbeitsanfall - nach einer erneuten Vorlage der Handakten im normalen Geschäftsgang die Notwendigkeit einer schleunigen Klärung der Fristensicherung entfallen war.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1, 238 Abs. 4 ZPO.
Wenzel Tropf Krüger Lemke Gaier

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(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR 419/01
vom
17. September 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
ZPO § 212 a a.F., § 233 Fb, Fd
Wenn ein Rechtsanwalt, der ein Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung
unterzeichnet und zurückgegeben hat, ohne das Datum der Zustellung in den Handakten
vermerkt zu haben, seine Bürokraft nur mündlich anweist, eine Rechtsmittelfrist
einzutragen, genügt er seiner Sorgfaltspflicht nur dann, wenn in seiner Kanzlei ausreichende
organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sind, daß die Anweisung
in Vergessenheit gerät und die konkrete Fristeintragung unterbleibt.
BGH, Beschl. vom 17. September 2002 - VI ZR 419/01 - OLG Karlsruhe
LG Heidelberg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. September 2002 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge
und Stöhr

beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist wird zurückgewiesen.
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 24. Oktober 2001 wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gegenstandswert: 42.033,54

Gründe:


I.


Der Kläger, der Alleinerbe seiner am 28. Dezember 1995 verstorbenen Ehefrau ist, hatte von den Beklagten aus übergegangenem Recht Schadensersatz und ein Schmerzensgeld wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung seiner Ehefrau begehrt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit Urteil vom 24. Oktober 2001 hat das Oberlandesgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Das Berufungsurteil ist seinem zweitinstanzlichen Prozeßbevoll-
mächtigten am 31. Oktober 2001 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 21. November 2001 erteilte dieser den Auftrag, gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Revision einzulegen. Der Auftrag ging am 22. November 2001 zusammen mit einer Kopie der (zweiten) Ausfertigung des Berufungsurteils, die einen Eingangsstempel vom 9. November 2001 aufwies, bei der Revisionsanwältin ein. Die Revisionsschrift vom 6. Dezember 2001 ging am selben Tage beim Bundesgerichtshof ein. Die Senatsvorsitzende verlängerte antragsgemäß die Frist zur Revisionsbegründung bis zum 8. Mai 2002. Nach Eingang der Revisionsbegründung am 17. April 2002 wies der Berichterstatter mit Verfügung vom 26. Juni 2002, der Revisionsanwältin zugegangen am 27. Juni 2002, darauf hin, daß die Zustellung des Berufungsurteils laut Empfangsbekenntnis am 31. Oktober 2001 erfolgt sei. Mit Schriftsatz vom 10. Juli 2002 begehrt der Kläger unter Bezugnahme auf die Revisionsschrift vom 6. Dezember 2001 und die Revisionsbegründung vom 9. April 2002 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist. Die Revisionsanwältin habe aufgrund der eingereichten Unterlagen keinen Anlaß zu Zweifeln an der richtigen Berechnung der Revisionsfrist gehabt. Im Büro des Berufungsanwalts sei dessen für ihn als Angestellte tätige Ehefrau mit der Kontrolle und Überwachung der Frist beauftragt gewesen. Nach Zustellung des Berufungsurteils habe er seine Ehefrau angewiesen , die Revisionsfrist im Terminkalender zu notieren. Versehentlich habe seine Ehefrau weder die Rechtsmittelfrist noch eine Vorfrist eingetragen und auch keinen Vermerk in die Handakte aufgenommen. Die Urteilsausfertigung habe sie im Original an den Kläger weitergeleitet, ohne für die Akte eine Kopie zu fertigen. Als am 9. November 2001 eine zweite Ausfertigung des Berufungsurteils eingegangen sei, habe die Ehefrau des Berufungsanwalts von sich aus die Revisionsfrist für den 10. Dezember 2001 und die Vorfrist auf den 3. Dezember 2001 eingetragen. Der Berufungsanwalt selbst habe diesen
Posteingang nicht weiter beachtet, weil diese (zweite) Urteilsausfertigung ohne Empfangsbekenntnis eingegangen sei. Er habe sich an den im Terminkalender fehlerhaft eingetragenen Fristen orientiert.

II.

Die Revision ist unzulässig und deshalb zu verwerfen (§ 554 a Abs. 2 ZPO a.F., vgl. § 26 Nr. 7 EGZPO i.d.F. von Art. 3 des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 - BGBl. I S. 1887). Sie ist erst am 6. Dezember 2001 und damit nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von einem Monat ab Zustellung des Berufungsurteils (§ 552 ZPO a.F.) am 31. Oktober 2001 eingelegt worden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist kann dem Kläger nicht gewährt werden. Der Antrag ist zwar zulässig und insbesondere innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 und 2 ZPO eingegangen. Er erweist sich jedoch als unbegründet. 1. Nach § 233 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren , wenn eine Partei ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war. Daran fehlt es hier. Die Versäumung der Revisionsfrist beruht auf einem Verschulden des zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten, das sich der Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß. Wie der Kläger selbst vorträgt, ist es zur Fristversäumung gekommen, weil der mit der Revisionseinlegung beauftragten Rechtsanwältin nicht das richtige Zustellungsdatum mitgeteilt worden ist. Dazu sei es gekommen, weil der Berufungsanwalt angenommen habe, seine Anweisung, den Fristablauf im
Terminkalender und in der Handakte einzutragen, sei richtig ausgeführt worden. Damit hat der Berufungsanwalt seiner Sorgfaltspflicht indessen nicht genügt.
a) Die ordnungsgemäße und insbesondere fristgerechte Erteilung des Rechtsmittelauftrags machte es nämlich erforderlich, das für den Lauf der Rechtsmittelfrist maßgebliche Datum der Urteilszustellung in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise zu ermitteln (vgl. Senatsbeschluß vom 7. März 1995 - VI ZB 3/95 - VersR 1995, 931, 932; BGH, Beschluß vom 10. Oktober 1991 - VII ZB 4/91 - NJW 1992, 574; Beschluß vom 28. Oktober 1993 - VII ZB 16/93 - VersR 1994, 873, 874; Beschluß vom 7. Dezember 1993 - XI ZR 207/93 - VersR 1994, 956). Da es für den Fristbeginn im Falle einer Zustellung gem. § 212 a ZPO a.F. darauf ankommt, wann der Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis unterzeichnet hat, bedarf es darüber eines besonderen Vermerks (Senatsbeschluß vom 16. April 1996 - VI ZR 362/95 - NJW 1996, 1968, 1969). Um zu gewährleisten, daß ein solcher Vermerk angefertigt wird und das maßgebende Datum zutreffend wiedergibt, darf der Rechtsanwalt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung erst unterzeichnen und zurückgeben, wenn in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, daß die Frist im Fristenkalender notiert worden ist (Senatsbeschluß vom 26. März 1996 - VI ZB 1,2/96 - NJW 1996, 1900, 1901; vgl. BGH, Beschluß vom 30. November 1994 - XII ZB 197/94 - BGHR ZPO § 233 - Empfangsbekenntnis 1 m.w.N.). Dieses Sorgfaltsgebot hat der Berufungsanwalt verletzt, als er am 31. Oktober 2001 das Empfangsbekenntnis unterzeichnet und zurückgegeben hat, ohne zuvor die Notierung der Rechtsmittelfrist sichergestellt zu haben. Ihn trifft ein Organisationsverschulden , weil er keine Vorkehrungen dagegen getroffen hat, daß die Ausführung der Anweisung unterblieb. Nach Aktenlage ist davon auszugehen, daß die Anweisung hier in mündlicher Form erfolgt ist. Ob und gegebenenfalls auf welche Weise im Büro des Berufungsanwalts die Ausführung mündlich erteilter
Anweisungen kontrolliert wurde, ist nicht dargelegt. Zwar braucht ein Rechts- anwalt grundsätzlich nicht die Erledigung jeder konkreten Einzelanweisung zu überwachen. Im allgemeinen darf er vielmehr darauf vertrauen, daß eine sonst zuverlässige Büroangestellte auch mündliche Anweisungen richtig befolgt (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 1987 - VI ZR 43/87 - VersR 1988, 185 f.). Wenn aber ein so wichtiger Vorgang wie die Notierung einer Rechtsmittelfrist nur mündlich vermittelt wird, müssen in der Rechtsanwaltskanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, daß die Anweisung in Vergessenheit gerät und die konkrete Fristeintragung unterbleibt (BAGE 78, 184, 186). Das Fehlen jeder Sicherung bedeutet einen entscheidenden Organisationsmangel (BGH, Beschluß vom 10. Oktober 1991 - VII ZB 4/91 - aaO). Dieser bleibt nicht deswegen folgenlos, weil der Berufungsanwalt hier eine Einzelanweisung erteilt hat, deren Befolgung die durch das Organisationsverschulden geschaffene Gefahrenlage noch rechtzeitig beseitigt hätte (vgl. BGH, Beschluß vom 9. Januar 2001 - VIII ZB 26/00 - NJW-RR 2001, 782, 783). Soweit der Bundesgerichtshof an anderer Stelle (vgl. Beschlüsse vom 18. März 1998 - XII ZB 180/96 - NJW-RR 1998, 1360, 1361 und vom 6. Juli 2000 - VII ZB 4/00 - NJW 2000, 2823) ausgeführt hat, auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen eines Rechtsanwalts komme es nicht an, wenn konkrete Anweisungen erteilt worden seien, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte, lagen diesen Entscheidungen anders gelagerte Sachverhalte zugrunde.
b) Die Anfertigung eines Vermerks über das Datum der Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses ist auch dann notwendig, wenn die Anweisung besteht, eine mit einem Eingangsstempel versehene Urteilsausfertigung zu den Handakten zu nehmen, denn ein solcher Stempel besagt für den Zeitpunkt der Zustellung nichts. Sein Datum braucht, wie der Bundesgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, nicht mit dem allein maßgeblichen Datum übereinzustimmen , unter dem der Anwalt das Empfangsbekenntnis gem. § 212 a ZPO a.F.
unterzeichnet hat (BGH, Beschluß vom 13. März 1991 - XII ZB 22/91 - VersR 1992, 118, 119 m.w.N.).
c) Das Versäumnis des Berufungsanwalts war für die Versäumung ursächlich , denn wenn er das Empfangsbekenntnis erst nach Anfertigung eines Vermerks über das Datum der Unterzeichnung zurückgegeben hätte, wäre der Revisionsanwältin nicht ein falsches Zustellungsdatum mitgeteilt worden. Vielmehr ist davon auszugehen, daß ihr das in dem Vermerk notierte und für den Beginn der Rechtsmittelfrist maßgebende Datum genannt und die Revision demgemäß rechtzeitig eingelegt worden wäre. 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 5/01
vom
8. März 2001
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 8. März 2001 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Schneider, Prof. Dr. Krüger,
Dr. Klein und Dr. Gaier

beschlossen:
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 9. November 2000 wird auf Kosten der Klägerin, die auch die Kosten der Streithilfe im Beschwerdeverfahren trägt, zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 82.900 DM.

Gründe:


I.


Die Klägerin nahm den Beklagten auf Zahlung von Verzugszinsen aus einem Grundstückskaufvertrag in Anspruch. Das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 26. Mai 2000 zugestellt.
Am 26. Juni 2000 ging dem Oberlandesgericht ein siebenseitiges Telefax des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin zu, das sich aus der ersten Seite einer Berufungsschrift und der sechs Seiten umfassenden Ausfertigung des
angefochtenen Urteils zusammensetzte. Nachdem er am 28. Juni 2000 telefonisch auf die Unvollständigkeit hingewiesen worden war, reichte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin am 30. Juni 2000 das Original der Berufungsschrift, deren zweite Seite von ihm unterschrieben war, beim Oberlandesgericht ein. Mit am 11. Juli 2000 beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz ihres Prozeßbevollmächtigten hat die Klägerin gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Zur Rechtfertigung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat sie vorgetragen und glaubhaft gemacht, ihr Prozeßbevollmächtigter habe selbst die Übermittlung der Berufungsschrift und der Urteilsausfertigung an das Berufungsgericht übernommen. Obwohl der Sendebericht des Telefaxgerätes keine Fehlermeldung enthalten habe, habe sich ihr Prozeßbevollmächtigter anschließend bei einer Mitarbeiterin des Oberlandesgerichts erkundigt, ob die Berufungsschrift eingegangen sei. Er habe die Antwort "Ja, sieben Seiten" erhalten. Die Übermittlung der zweiten Seite der Berufungsschrift sei wegen eines Doppeleinzugs durch das Telefaxgerät ihres Prozeßbevollmächtigten unterblieben. Wegen der geringen Zahl der eingelegten Blätter sei ein Doppeleinzug nicht zu befürchten gewesen und bislang auch noch nicht vorgekommen. Es habe deshalb kein Anlaß bestanden, die Zahl der übermittelten Seiten mit dem Sendeprotokoll abzugleichen.
Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Klägerin verworfen. Gegen diesen der Klägerin am 20. November 2000 zugestellten Beschluß richtet sich ihre am 1. Dezember 2000 beim Berufungsgericht eingegangene sofortige Beschwerde.

II.


Die zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet.
1. Die Frist zur Einlegung der Berufung (§ 516 ZPO) ist versäumt; denn eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Berufungsschrift ist erst am 30. Juni 2000 und damit nach Ablauf der Berufungsfrist beim Berufungsgericht eingegangen. Das am 26. Juni 2000 übermittelte Telefax war insoweit nicht ausreichend. Zwar kann Berufung fristwahrend auch durch Telefax eingelegt werden, nach der Rechtsprechung ist hierbei jedoch zu fordern, daß die Kopiervorlage von einem postulationsfähigen Rechtsanwalt unterzeichnet und die Unterschrift auf der Fernkopie wiedergegeben ist (vgl. BGH, Beschl. v. 8. Oktober 1997, XII ZB 124/97, NJW 1998, 762 f m.w.N.). Daran fehlte es, weil die vom Prozeßbevollmächtigten der Klägerin unterzeichnete zweite Seite der Berufungsschrift nicht übermittelt worden war.
2. Das Berufungsgericht hat der Klägerin gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht versagt. Die geltend gemachten Gründe rechtfertigen eine Wiedereinsetzung nicht, weil die Versäumung der Berufungsfrist zumindest auch auf einem der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten beruht (§ 233 ZPO). Eine Wiedereinsetzung kommt schon dann nicht in Betracht , wenn ein Mitverschulden der Partei Ursache für die Fristversäumung war (vgl. BGH, Urt. v. 5. April 1990, VII ZR 215/89, NJW 1990, 2822, 2823; Senat , Urt. v. 9. Januar 1998, V ZR 209/97, VersR 1998, 1046, 1047). Auch bei einem gerichtlichen Mitverschulden, das neben dem schuldhaften Verhalten der Partei ursächlich gewesen ist, gilt nichts anderes (vgl. Senat, Urt. v.
9. Januar 1998, aaO; BGH, Urt. v. 6. Mai 1999, VII ZR 396/98, VersR 2000, 515, 516).

a) Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hat die ihm obliegende Verpflichtung zur Ausgangskontrolle schuldhaft verletzt. Ein Rechtsanwalt muß dafür Sorge tragen, daß die Berufungsschrift als fristwahrender Schriftsatz nicht nur rechtzeitig hergestellt wird, sondern auch fristgerecht bei dem zuständigen Gericht eingeht. Hierzu gehört insbesondere eine hinreichend sichere Ausgangskontrolle, die zuverlässig verhindert, daß fristwahrende Schriftstücke über den Fristablauf hinaus in der Kanzlei liegenbleiben (vgl. BGH, Beschl. v. 27. Oktober 1998, X ZB 20/98, NJW 1999, 429). Eine solche Ausgangskontrolle macht es bei der Übermittlung der Berufungsschrift durch Telefax erforderlich , daß durch Maßnahmen der Büroorganisation festgestellt werden kann, ob der Schriftsatz auch wirklich übermittelt worden ist. Daher muß über die konkrete Übermittlung ein Sendebericht ausgedruckt und darauf überprüft werden , ob der Übermittlungsvorgang einwandfrei durchgeführt worden ist (vgl. Senat, Urt. v. 29. April 1994, V ZR 62/93, NJW 1994, 1879, 1880; BGH, Beschl. v. 12. April 1995, XII ZB 38/95, FamRZ 1995, 1135, 1136; Beschl. v. 16. Juni 1998, XI ZB 13 u. 14/98, VersR 1999, 996). Entsprechende Anweisungen muß der Rechtsanwalt aber nicht nur an seine Mitarbeiter erteilen, sondern auch in eigener Person beachten, wenn er - wie hier der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin - Bürotätigkeiten wie das Übermitteln der Berufungsschrift selbst übernimmt.
Da dies anhand des Sendeprotokolls und der Originalvorlagen unschwer möglich ist, kann sich die erforderliche Kontrolle auf einwandfreie Übermittlung nicht nur auf den Übertragungsvorgang als solchen erstrecken, sondern muß
die Überprüfung einschließen, ob alle Seiten des Originalsschriftsatzes nebst etwa erforderlicher Anlagen übermittelt wurden (vgl. Senat, Urt. v. 29. April 1994, aaO). Auch wenn es bei Übermittlung einer solch geringen Seitenzahl noch nicht zu Problemen mit dem Blatteinzug des Telefaxgerätes gekommen war, durfte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin daher nicht unbeachtet lassen , daß das von ihm ausgedruckte - und auf Anforderung des Berufungsgerichts vorgelegte - Sendeprotokoll seines Telefaxgerätes lediglich sieben Seiten als übermittelt auswies. Der erforderliche Vergleich mit der Zahl der Vorlagen hätte ihm gezeigt, daß eines der insgesamt acht Blätter nicht übermittelt worden war. Da es sich bei der fehlenden Seite um einen wesentlichen Teil der Berufungsschrift handeln konnte, bestand Anlaß, an der Wirksamkeit der Berufungseinlegung zu zweifeln. Dem hätte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin bei Beachtung anwaltlicher Sorgfalt nachgehen müssen (vgl. BGH, Beschl. v. 18. Dezember 1997, X ZB 16/97, NJWE-VHR 1998, 86). Dies hat der Rechtsanwalt nicht schon durch seine Nachfrage beim Berufungsgericht, ob die Berufungsschrift eingegangen sei, getan. Hätten die Zweifel hinsichtlich der Wirksamkeit der Berufungseinlegung ausgeräumt werden sollen, wäre eine gezielte Frage nach der Vollständigkeit der Übermittlung erforderlich gewesen.

b) Es bedarf keiner Entscheidung über die Frage, ob die Mitarbeiterin des Berufungsgerichts, gefragt nach dem Eingang der durch Telefax übermittelten Berufungsschrift, von sich aus die eingegangenen Seiten auf Vollständigkeit überprüfen mußte. Selbst wenn ein Verschulden der Mitarbeiterin angenommen wird, ändert dies an der Ursächlichkeit des Verschuldens des von der Klägerin beauftragten Rechtsanwaltes an der Fristversäumung nichts. Die Mitarbeiterin des Berufungsgerichts beschränkte sich nämlich nicht auf die Bestätigung des Eingangs der Berufungsschrift, sondern wies ausdrücklich auf ein-
gegangene "sieben Seiten" hin. Hätte der Rechtsanwalt zuvor seiner Pflicht zur Ausgangskontrolle genügt, so hätte er sich nicht in entschuldigender Weise (vgl. BGH, Beschl. v. 22. Februar 1989, IVb ZB 121/88, FamRZ 1989, 729, 730) auf die Auskunft der Geschäftsstelle verlassen können. Für ihn wären mit der gerichtlichen Auskunft Zweifel an der einwandfreien Übermittlung nicht ausgeräumt, sondern die Vollständigkeit der Übermittlung auch weiterhin zweifelhaft gewesen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Schneider Krüger Klein Gaier

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)