Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Mai 2011 - V ZB 31/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Kammergericht zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 85.880,72 €.
Gründe:
I.
- 1
- Das Kammergericht hat die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts vom 8. Juli 2010 als unzulässig verworfen und seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Rechtsbeschwerde mit dem Ziel, die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zu erreichen.
II.
- 2
- 1. Das gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben, wobei auch das mit dem Rechtsmittel verfolgte Rechtsschutzziel deutlich werden muss. Diese Anforderungen gelten auch für einen Beschluss, durch den die Berufung als unzulässig verworfen wird. Nach § 577 Abs. 2 Satz 4, § 559 ZPO hat das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen, den das Berufungsgericht festgestellt hat. Fehlen tatsächliche Feststellungen, ist es zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage. Ausführungen des Berufungsgerichts, die eine solche Überprüfung nicht ermöglichen, sind keine Gründe im zivilprozessualen Sinn. Wird diesen Anforderungen nicht genügt, liegt ein von Amts wegen zu berücksichtigender Verfahrensmangel vor, der die Aufhebung der Berufungsentscheidung nach sich zieht (vgl. zum Ganzen nur Senat, Beschlüsse vom 16. September 2010 – V ZB 95/10 Rn. 3 f., juris, und vom 11. November 2010 – V ZB 113/10 Rn. 3, juris, jeweils mit zahlreichen Nachweisen).
- 3
- So liegt es hier. Eine Sachdarstellung fehlt. Ausreichende tatsächliche Angaben zum Gang des Wiedereinsetzungsverfahrens, zu den vorgetragenen Wiedereinsetzungsgründen und den Mitteln der Glaubhaftmachung lassen sich der angegriffenen Entscheidung nicht entnehmen. Zudem fehlen Angaben zum Ausgang des erstinstanzlichen Verfahrens und zu dem mit der Berufung verfolgten Rechtsschutzziel.
- 4
- 2. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, sich mit der Sache auch unter Berücksichtigung der Rechtsbeschwerdebegründung zu befassen. Die in dem Beschluss enthaltene Begründung gibt Anlass zu dem Hinweis, dass zwischen der Darlegung eines Wiedereinsetzungsgrundes und seiner Glaubhaftmachung zu trennen ist. Für die Darlegung reicht nach üblichen zivilprozessualen Maßstäben die schlüssige Behauptung eines unverschuldeten Hinderungsgrundes aus. Mit dem in dem Beschluss wiedergegebenen Vortrag des Beklagten, sein Prozessbevollmächtigter habe unter Unwohlsein gelitten, das konkret in einer Magen-Darm-Verstimmung, Kopfschmerzen und Fiebergefühl bestanden und zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitstages geführt habe, kann eine unvorhergesehene Erkrankung des Prozessbevollmächtigten ausreichend dargelegt worden sein. Mittel der Glaubhaftmachung sind gemäß § 236 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2, § 294 ZPO alle präsenten Beweismittel und die Versicherung an Eides statt. Es gibt keinen Rechtssatz, nach dem Erkrankungen ausschließlich durch ärztliche Atteste glaubhaft gemacht werden können. Insbesondere bei Darmerkrankungen, die typischerweise plötzlich auftreten und nicht über längere Zeit anhalten, wird häufig kein Arzt aufgesucht. Eine anwaltliche Versicherung kann ausreichen, um eine solche Erkrankung glaubhaft zu machen (vgl. Senat, Beschluss vom 18. September 2008 – V ZB 32/08, NJW 2008, 3571, 3572).
- 5
- Die Entscheidung über die Nichterhebung der Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG. Krüger Stresemann Czub Brückner Weinland
LG Berlin, Entscheidung vom 08.07.2010 - 9 O 45/10 -
KG Berlin, Entscheidung vom 22.11.2010 - 20 U 167/10 -
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.
(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.
(1) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlasste Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Für abweisende Entscheidungen sowie bei Zurücknahme eines Antrags kann von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht.
(2) Die Entscheidung trifft das Gericht. Solange nicht das Gericht entschieden hat, können Anordnungen nach Absatz 1 im Verwaltungsweg erlassen werden. Eine im Verwaltungsweg getroffene Anordnung kann nur im Verwaltungsweg geändert werden.