Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Okt. 2004 - V ZB 27/04

bei uns veröffentlicht am21.10.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 27/04
vom
21. Oktober 2004
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 21. Oktober 2004 durch den
Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel, die Richter
Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und die Richterin Dr. Stresemann

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 11. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 27. Mai 2004 wird auf Kosten der Kläger als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 300 €.

Gründe:


I.


Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Nahe der Grundstücksg renze stehen auf dem Grundstück des Beklagten mehrere hohe Nadelgehölze, sein Grundstück ist an der gemeinsamen Grenze teilweise unkrautbewachsen.
Die Kläger haben beantragt, den Beklagten zu verurtei len,
die über die Grenze ihres Grundstücks wachsenden Äste und Wu rzeln sämtlicher Bäume, Büsche und Sträucher zu entfernen, soweit sie die Grundstücksgrenze überragen oder über diese wachsen, und von April bis September eines jeden Jahres monatlich mindestens einmal das von seinem Grundstück auf ihr Grundstück wachsende Unkraut zu entfernen.
Der Beklagte hat widerklagend beantragt, die Kläger zur Errichtung einer Mauer zu verurteilen. Das Amtsgericht hat nach der Einnahme eines Augenscheins auf den Grundstücken der Widerklage stattgegeben und die Klage abgewiesen. Den Streitwert für die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche hat es auf je 600 € festgesetzt.
Mit der Berufung haben die Kläger den Antrag auf V erurteilung des Beklagten weiterverfolgt; ihre Verurteilung zur Errichtung der Mauer haben sie nicht angegriffen. Das Landgericht hat die Kläger auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung hingewiesen, weil ihre Beschwer 600 € nicht übersteige , soweit sie das Urteil des Amtsgerichts angegriffen haben. Durch Beschluß vom 27. Mai 2004 hat es den Streitwert des Berufungsverfahrens auf 300 € festgesetzt und die Berufung verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger.

II.


Das Berufungsgericht meint, unter Berücksichtigung der von beiden Parteien vorgelegten Fotoaufnahmen der Grundstücke sei eine Beeinträchtigung der Kläger durch von dem Grundstück des Beklagten auf ihr Grundstück wach-
sende Wurzeln in allenfalls geringfügigem Umfang anzunehmen. Der Lichteinfall auf ihr Grundstück werde im wesentlichen durch die Höhe der Bäume auf dem Grundstück des Beklagten und nicht durch den Überhang von Zweigen gemindert. Die Beeinträchtigung der Kläger hierdurch sei insgesamt auf höchstens 150 € zu bemessen. Genauso verhalte sich, soweit das Amtsgericht den Anspruch auf die Beseitigung von Unkraut abgewiesen habe. Der zur Beseitigung von Unkräutern auf dem Grundstück der Kläger notwendige Aufwand sei durch das Herüberwachsen solcher Pflanzen von dem Grundstück des Beklagten wenn überhaupt, dann nur geringfügig erhöht.

III.


Die kraft Gesetzes statthafte Beschwerde (§§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 3 ZPO) ist unzulässig, soweit die Kläger sich gegen die Verwerfung der Berufung wenden. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist auch weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache, wenn sie ei ne entscheidungserhebliche , klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (Senat, BGHZ 151, 221, 223). So liegen die Dinge hier nicht. Die Beschwer der Kläger durch die Abweisung der Klage wird von der Minderung des Wertes ihres Grundstücks durch die Beeinträchtigungen bestimmt, deren Beseitigung die Kläger von dem Beklagten verlangen (Senat, Urt. v. 6. November 1998, V ZR 48/98,
ZfIR 1998, 749). Damit hängt sie allein von tatsächlichen Umständen ab, die keiner Verallgemeinerung zugänglich sind.
2. Auch zur Rechtsfortbildung ist eine Entscheidung des Se nats nicht geboten. Anders verhält es sich nur, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen (Senat, BGHZ 151, 221, 225). Hierfür ist kein Raum, soweit die Fehlerhaftigkeit der Feststellung der Beschwer durch das Berufungsgericht aufgrund der konkreten Beeinträchtigung eines Grundstücks durch Einwirkungen geltend gemacht wird, die von einem Nachbargrundstück ausgehen.
3. Entgegen der Auffassung der Kläger ist eine Entschei dung auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. So verhält es sich zwar, wenn die Grundrechte auf Gewährung des rechtlichen Gehörs, auf wirkungsvollen Rechtsschutz und auf ein objektiv willkürfreies Verfahren verletzt sind. Das ist der Fall, wenn sachwidrige, gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßende verfahrensleitende Maßnahmen zur Unanfechtbarkeit einer Entscheidung führen (vgl. BVerfG NJW 1997, 649 f.). Hieran fehlt es. Das Berufungsgericht hat den Klägern das rechtliche Gehör zu der von ihm beabsichtigten Bestimmung der Beschwer gewährt. Sein Verfahren ist weder willkürlich noch sachwidrig. Die insoweit von den Klägern erhobenen Vorwürfe erschöpfen sich im Ergebnis darin, das Ergebnis der Ermessensausübung durch das Berufungsgericht bei der Bestimmung der Höhe ihrer Beschwer (§ 3 ZPO) als unzutreffend zu rügen.
Die Ermessensausübung des Berufungsgerichts ist auch nicht de shalb in zulässigkeitsrelevanter Weise fehlerhaft, weil das Berufungsgericht seine Entscheidung auf die von den Parteien vorgelegten Lichtbilder gestützt und das Grundstück der Kläger nicht erneut in Augenschein genommen hat. Dem Protokoll der Beweisaufnahme durch das Amtsgericht ist weder zu entnehmen, daß in nennenswertem Umfang Unkraut von dem Grundstück des Beklagten auf das Grundstück der Kläger herüberwächst, noch daß herübergewachsene Wurzeln und überhängende Zweige die Nutzung ihres Grundstücks beeinträchtigen.
Ohne Bedeutung ist schließlich auch, daß die Kläger das Urteil des Amtsgerichts nicht angegriffen haben, soweit sie verurteilt worden sind, sondern den von dem Beklagten mit der Widerklage verfolgten Anspruch nach ihrer Behauptung erfüllt haben. Die Möglichkeit, ein erstinstanzliches Urteil, das über mehrere Ansprüche erkennt, insgesamt mit der Berufung anzugreifen und so die Frage der Zulässigkeit der Berufung im Hinblick auf einzelne Streitgegenstände in den Hintergrund treten zu lassen, führt nicht dazu, daß das Ermessen des Berufungsgerichts bei der Feststellung der im Berufungsverfahren geltend gemachten Beschwer beschränkt wird.

IV.


Die Beschwerde ist unstatthaft, soweit sie sich gegen die Festsetzung des Streitwerts durch das Berufungsgericht wendet (§§ 68 Abs. 1 Satz 4, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

V.


Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Krüger Klein Gaier Stresemann

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 68 Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts


(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Geri

Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)